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German Pages 1679 [1680] Year 2008
Großkommentare der Praxis
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RECHT
Strafgesetzbuch Leipziger Kommentar
Großkommentar 12., neu bearbeitete Auflage herausgegeben von Heinrich Wilhelm Laufhütte Ruth Rissing-van Saan Klaus Tiedemann
Dritter Band §§ 5 6 bis 7 9 b Bearbeiter: §§ 5 6 - 6 0 : Jutta Hubrach §§ 6 1 - 6 4 , 67: Heinz Schöch §§ 6 6 - 6 6 b , 6 7 a - 6 7 g : Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau §§ 6 8 - 6 8 g : Hendrik Schneider §§ 6 9 - 6 9 a : Klaus Geppert § 69b: Eric Hilgendorf/Brian Valerius §§ 7 0 - 7 2 : Walter Hanack §§ 7 3 - 7 6 a : Wilhelm Schmidt SS 77-79b: Johann Schmid
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RECHT
De Gruyter Recht · Berlin
Stand der Bearbeitung: März 2008
Redaktor: Ruth Rissing-van Saan Sachregister: Friederike Gerber
ISBN 978-3-89949-233-0
Bibliografische Information
der Deutschen
Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Copyright 2008 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D-1078J Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Datenkonvertierung/Satz: WERKSATZ Schmidt & Schulz GmbH, 06773 Gräfenhainichen Druck und Bindung: Bercker Graphischer Betrieb GmbH, 47614 Kevelaer Printed in Germany
Verzeichnis der Bearbeiter der 12. Auflage Dr. Dietlinde Albrecht, Referentin im Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin Gerhard Altvater, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Georg Bauer, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Gerhard Dannecker, Universitätsprofessor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Dr. Karlhans Dippel, Vors. Richter am Oberlandesgericht a.D., Kronberg i.Ts. Dr. Klaus Geppert, Universitätsprofessor an der Freien Universität Berlin Dr. Ferdinand Gillmeister, Rechtsanwalt, Freiburg Duscha Gmel, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Michael Grotz, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof a.D., Nationales Mitglied von Eurojust, Den Haag Joachim Häger, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Ernst-Walter Hanack, em. Universitätsprofessor an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Universitätsprofessor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Dr. Dr. h.c. Thomas Hillenkamp, Universitätsprofessor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Dr. Tatjana Hörnle, Universitätsprofessorin an der Ruhr-Universität Bochum Dr. Kristian Hohn, Wissenschaftlicher Assistent an der Bucerius Law School, Hamburg Dr. Jutta Hubrach, Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf Dr. Florian Jeßberger, Universitätsprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Peter König, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe und Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität, München Juliane Krause, Staatsanwältin als Gruppenleiterin bei der Staatsanwaltschaft Hof Dr. Matthias Krauß, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Christoph Krehl, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Perdita Kröger, Regierungsdirektorin im Bundesministerium der Justiz, Berlin Annette Kuschel, Richterin am Oberlandesgericht Dresden Heinrich Wilhelm Laufhütte, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D., Berlin Dr. Hans Lilie, Universitätsprofessor an der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg Dr. Manfred Möhrenschlager, Ministerialrat a.D., Bonn Dr. Jens Peglau, Richter am Oberlandesgericht, Hamm Dr. Ruth Rissing-van Saan, Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Thomas Rönnau, Universitätsprofessor an der Bucerius Law School, Hamburg Dr. Henning Rosenau, Universitätsprofessor an der Universität Augsburg Ellen Roggenbuck, Richterin am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Wolfgang Ruß, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D., Karlsruhe
V
Verzeichnis der Bearbeiter der 12. Auflage Wilhelm Schluckebier, Richter am Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe Dr. Wilhelm Schmidt, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Johann Schmid, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Hendrik Schneider, Universitätsprofessor an der Universität Leipzig Dr. Heinz Schöch, Universitätsprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. Dr. h.c. Friedrich-Christian Schroeder, em. Universitätsprofessor an der Universität Regensburg Dr. Dres. h.c. Bernd Schünemann, Universitätsprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. Christoph Sowada, Universitätsprofessor an der Universität Rostock Werner Theune, Richter am Bundesgerichtshof a.D., Karlsruhe Dr. Dr. h.c. mult. Klaus Tiedemann, em. Universitätsprofessor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Dr. Brian Valerius, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Dr. Joachim Vogel, Richter am OLG Stuttgart, Universitätsprofessor an der Eberhard-KarlsUniversität Tübingen Dr. Dr. Thomas Vormbaum, Universitätsprofessor an der Fern-Universität Hagen Dr. Tonio Walter, Universitätsprofessor an der Universität Regensburg Dr. Thomas Weigend, Universitätsprofessor an der Universität zu Köln Dr. Gerhard Werle, Universitätsprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin Hagen Wolff, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht a.D. Celle Dr. Frank Zieschang, Universitätsprofessor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
VI
Vorwort Die ersten Teile der 12. Auflage des Leipziger Kommentars sind bereits wenige Monate nach Abschluss der 11. Auflage erschienen, deren Herstellung sich aufgrund verschiedener Umstände - ähnlich wie bereits bei der 10. Auflage - verzögert hatte. Ein schneller Beginn der 12. Auflage, die bis zum Jahre 2010 fertig gestellt sein soll, war schon deshalb erforderlich, weil zahlreiche ältere Passagen der Vorauflage auf den aktuellen Stand von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Wissenschaft gebracht werden müssen. Die Benutzerfreundlichkeit der Neuauflage wird - unter Beibehaltung der Konzeption als Großkommentar - dadurch gesteigert, dass das Gesamtwerk nicht mehr in Einzellieferungen, sondern bandweise erscheint. Geplant sind 15 (auch einzeln beziehbare) Bände, drei für den Allgemeinen Teil und zehn für den Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs; ein abschließender Band wird das Gesamtregister enthalten, ein Band ist dem Völkerstrafgesetzbuch vorbehalten. Inhalt und Umfang der einzelnen Bände orientieren sich so weit wie möglich an Regelungsbereichen, wobei der Erläuterung zusammenhängender gesetzlicher Regelungen Vorrang vor einer mehr oder weniger gleichen Anzahl der Seiten und anderen Äußerlichkeiten eingeräumt wurde. Für die einzelnen Bände zeichnet jeweils ein/e Herausgeber/in als Bandredaktor verantwortlich. Der vorliegende 3. Band, mit dem die Neukommentierung des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs abgeschlossen wird, umfasst den Vierten, Fünften, Sechsten und Siebenten Titel des Dritten Abschnitts sowie den Vierten und Fünften Abschnitt des Allgemeinen Teils und somit in hohem Maße praxisrelevante Teile des materiellen Strafrechts: Strafaussetzung zur Bewährung, Verwarnung mit Strafvorbehalt und Absehen von Strafe, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Verfall und Einziehung, Strafantrag und die Vorschriften über die Verjährung. Vor dem Hintergrund einer gewandelten, inhaltlich mehr an einem als erhöht empfundenen Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit orientierten Kriminalpolitik haben diese Bereiche des Allgemeinen Teils in den letzten zehn Jahren durch mehrere gesetzgeberische Maßnahmen teils erhebliche Veränderungen erfahren. Die vorbehaltene und die nachträgliche Sicherungsverwahrung sind eingeführt und der Anwendungsbereich der Letzteren alsbald erweitert worden. Ebenso wurden die Maßregeln der Besserung und Sicherung, zuletzt durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13.4.2007 (BGBl I 513) und das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 (BGBl I 1327), inhaltlich reformiert und die Vorschriften über den Vollzug von angeordneten Maßregeln (§§ 67 ff.) weitgehend geändert. Mehrere namhafte Autoren der 11. Auflage wirken nicht mehr mit. Im 3. Band der 12. Auflage sind Günter Gribbohm, Günter Hirsch und Burkhard Jähnke nicht mehr dabei. Schon vor einiger Zeit ausgeschieden ist Hartmuth Horstkotte. Ernst Walter Hanack und Klaus Geppert haben Teile ihrer früheren Kommentierung abgegeben, Ihnen allen gilt für ihre frühere Mitarbeit, die auch in den nun vorliegenden Bearbeitungen noch fortwirkt, der aufrichtige Dank des Verlages und der Herausgeber. An ihre Stelle sind Jutta Hubrach, Ruth Rissing-van Saan in Zusammenarbeit mit Jens Peglau, Johann Schmid, Hendrik Schneider, Heinz Schöch und Eric Hilgendorf in Zusammenarbeit mit Brian Valerius getreten.
VII
Vorwort
Unbeschadet des bandübergreifenden Ziels des Leipziger Kommentars, den gegenwärtigen Stand der rechtlichen Probleme des Strafrechts erschöpfend darzustellen, gilt für den vorliegenden Band wie für den Gesamtkommentar, dass jeder Autor die wissenschaftliche Verantwortung für die von ihm bearbeiteten Erläuterungen trägt. Angesichts der zunehmenden Flut der Veröffentlichungen, Gesetzesinitiativen und Reformvorhaben ist es kaum noch möglich, in allen Bereichen und für alle Verästelungen den Grundsatz der vollständigen Dokumentation des Materials uneingeschränkt zu erfüllen. Es ist daher der Verantwortung des Autors oder der Autorin überlassen, ob er/sie eine Auswahl vornimmt und nach welchen Kriterien die Auswahl getroffen wird. Der Tendenz nach werden insbesondere bei Kommentaren und Lehrbüchern nicht sämtliche, sondern nur die prägenden und/oder repräsentativen Werke und Äußerungen angeführt. Vollständigkeit strebt nur das Literaturverzeichnis an. Der hiermit vorgelegte Band hat durchweg den Bearbeitungsstand von Dezember 2007. Teilweise konnte auch noch später ergangene Rechtsprechung und erschienene Literatur berücksichtigt werden.
Karlsruhe, im Mai 2008
VIII
Ruth Rissing-van Saati
Inhaltsübersicht Vorwort Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis
VII XIII XXXV
ERLÄUTERUNGEN ALLGEMEINER TEIL Dritter Abschnitt Rechtsfolgen der Tat Vierter Titel Strafaussetzung zur Bewährung Vor §§ 56 ff Vorbemerkungen § 56 Strafaussetzung § 56a Bewährungszeit § 56b Auflagen S 56c Weisungen § 56d Bewährungshilfe $ 56e Nachträgliche Entscheidungen § 56f Widerruf der Strafaussetzung § 56g Straferlaß § 57 Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe § 57a Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe § 57b Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe § 58 Gesamtstrafe und Strafaussetzung
1 7 35 40 51 64 68 70 101 106 142 166 169
Fünfter Titel Verwarnung mit Strafvorbehalt; Absehen von Strafe Vor SS 59 ff Vorbemerkungen § 59 Voraussetzungen der Verwarnung mit Strafvorbehalt § 59a Bewährungszeit, Auflagen und Weisungen § 59b Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe § 59c Gesamtstrafe und Verwarnung mit Strafvorbehalt § 60 Absehen von Strafe
175 178 188 194 198 202
IX
Inhaltsübersicht
Sechster Titel Maßregeln der Besserung und Sicherung Vor §§ 61 ff Vorbemerkungen § 61 Übersicht § 62 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
215 269 276
- Freiheitsentziehende Maßregeln § § § § § §
63 64 65 66 66a 66b
§ § § § § § S § §
67 67a 67b 67c 67d 67e 67f 67g 67h
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (weggefallen) Unterbringung in der Sicherungsverwahrung Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherheitsverwahrung Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung Reihenfolge der Vollstreckung Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel Aussetzung zugleich mit der Anordnung Späterer Beginn der Unterbringung Dauer der Unterbringung Überprüfung Mehrfache Anordnung der Maßregel Widerruf der Aussetzung Befristete Wiederinvollzugsetzung; Krisenintervention
286 346 402 402 486 511 574 612 636 656 706 752 765 771 800
- Führungsaufsicht Vor § 68 § 68 § 68a § 68b § 68c § 68d § 68e § 68f § 68g
Vorbemerkungen Voraussetzungen der Führungsaufsicht Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe, forensische Ambulanz Weisungen Dauer der Führungsaufsicht Nachträgliche Entscheidungen Beendigung oder Ruhen der Führungsaufsicht Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes Führungsaufsicht und Aussetzung zur Bewährung
806 822 834 845 866 878 882 892 900
- Entziehung der Fahrerlaubnis § 69 § 69a § 69b
X
Entziehung der Fahrerlaubnis Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis Wirkung der Entziehung bei einer ausländischen Fahrerlaubnis . . . .
910 1100 1168
Inhaltsübersicht
- Berufsverbot § 70 § 70a § 70b
Anordnung des Berufsverbots Aussetzung des Berufsverbots Widerruf der Aussetzung und Erledigung des Berufsverbots
- Gemeinsame § 71 § 72
Vorschriften
1188 1222 1227
-
Selbständige Anordnung Verbindung von Maßregeln
1233 1236
Siebenter Titel Verfall und Einziehung Vor § 73 § 73 § 73a § 73b § 73c § 73d § 73e § 74 § 74a § 74b § 74c § 74d § 74e § 74f § 75
Vorbemerkungen Voraussetzungen des Verfalls Verfall des Wertersatzes Schätzung Härtevorschrift Erweiterter Verfall Wirkung des Verfalls Voraussetzungen der Einziehung Erweiterte Voraussetzungen der Einziehung Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Einziehung des Wertersatzes Einziehung von Schriften und Unbrauchbarmachung Wirkung der Einziehung Entschädigung Sondervorschrift für Organe und Vertreter
- Gemeinsame § 76 § 76a
Vorschriften
1253 1263 1294 1298 1302 1307 1324 1328 1357 1365 1374 1382 1395 1400 1405
-
Nachträgliche Anordnung von Verfall oder Einziehung des Wertersatzes Selbständige Anordnung
1412 1416
Vierter Abschnitt Strafantrag, Ermächtigung, Strafverlangen Vor § 77 § 77 § 77a § 77b
Vorbemerkungen Antragsberechtigte Antrag des Dienstvorgesetzten Antragsfrist
1427 1439 1472 1477
XI
Inhaltsübersicht § 77c § 77d § 77e
Wechselseitig begangene Taten Zurücknahme des Antrags Ermächtigung und Strafverlangen
1484 1487 1492
Fünfter Abschnitt Verjährung Erster Titel Verfolgungsverjährung Vor § 78 § 78 § 78a § 78b § 78c
Vorbemerkungen Verjährungsfrist Beginn Ruhen Unterbrechung
1495 1511 1522 1533 1549
Zweiter Titel Vollstreckungsverjährung § 79 S 79a § 79b
Sachregister
XII
Verjährungsfrist Ruhen Verlängerung
1579 1581 1584
1586
Abkürzungsverzeichnis AA aA aaO AbfG AbfVerbrG Abg. AbgO abgedr. Abk. abl. ABl. AblEU AblKR Abs. Abschn. abw. AbwAG AcP AdVermiG
ADPCP AE a.E. ÄndG ÄndVO Anh a.F. AFG AfP AG AGBG/AGB-Gesetz AHK AktG AktO allg. allg. M. Alt. aM AMG amtl. Begr. and.
Auswärtiges Amt anderer Ansicht am angegebenen Ort Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz) Gesetz über die Überwachung und Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen (Abfallverbringungsgesetz) Abgeordneter Reichsabgabenordnung abgedruckt Abkommen ablehnend Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Union (ab 2003); Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen; Ausgabe L: Rechtsvorschriften Amtsblatt des Kontrollrats Absatz Abschnitt abweichend Abwasserabgabengesetz Archiv für civilistische Praxis (zit. nach Band u. Seite) Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (Adoptionsvermittlungsgesetz) Anuario de Derecho penal γ Ciencias penales Alternativ-Entwurf eines StGB, 1966 ff am Ende Änderungsgesetz Änderungsverordnung Anhang alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Archiv für Presserecht Amtsgericht; in Verbindung mit einem Gesetz: Ausführungsgesetz Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Alliierte Hohe Kommission Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) Anweisung für die Verwaltung des Schriftguts bei den Geschäftsstellen der Gerichte und der Staatsanwaltschaften (Aktenordnung) allgemein allgemeine Meinung Alternative anderer Meinung Arzneimittelgesetz amtliche Begründung anders
XIII
Abkürzungsverzeichnis Angekl. Anh. AnhRügG Ani. Anm. AnwBl. ao AO 1977 AöR AOStrÄndG AP AR ArchKrim. ArchPF ArchPR ArchPT ARSP Art. AT AtG/AtomG AÜG Auff. aufgehob. Aufl. AuR ausdrückt. ausführt. AusfVO ausi. AuslG AusnVO ausschl. AV AVG AWG AWG/StÄG Az. b. BA BÄK BÄK BÄO BAG BÄK BAnz. BauGB Bay. BayBS
XIV
Angeklagte(r) Anhang Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) Anlage Anmerkung Anwaltsblatt außerordentlich Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arztrecht Archiv für Kriminologie Archiv für Post- und Fernmeldewesen Archiv für Presserecht Archiv für Post und Telekommunikation Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (zit. nach Band u. Seite) Artikel Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuches Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Auffassung aufgehoben Auflage Arbeit und Recht ausdrücklich ausführlich Ausführungsverordnung ausländisch Ausländergesetz Ausnahmeverordnung ausschließlich Allgemeine Verfügung Angestelltenversicherung Außenwirtschaftsgesetz Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuchs und anderer Gesetze Aktenzeichen bei Blutalkohol, Wissenschaftliche Zeitschrift für die medizinische und die juristische Praxis Blutalkoholkonzentration Bundesärztekammer Bundesärzteordnung Bundesarbeitsgericht Blutalkoholkonzentration Bundesanzeiger Baugesetzbuch Bayern, bayerisch Bereinigte Sammlung des Bayerischen Landesrechts (1802-1956)
Abkürzungsverzeichnis BayLSG BayObLG BayObLGSt BayVBl. BayVerf. BayVerwBl. BayVerfGHE BayVGH BayVGHE
BayZ BB BBG BBodSchG Bd., Bde BDH BDO BDSG Bearb. begl. BegleitG zum TKG Begr., begr. Bek. Bekl., bekl. Bern. ber. bes. Beschl. Beschw. Bespr. Best. bestr. betr. BeurkG BewH BezG BFH BfJG
BG BGB BGBl. I, II, III BGE BGH BGHGrS BGHSt BGHZ
Bayerisches Landessozialgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Bayerische Verwaltungsblätter Verfassung des Freistaates Bayern Bayerische Verwaltungsblätter s. BayVGHE Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, des Bayerischen Dienststrafhofs und des Bayerischen Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte (zit. nach Band u. Seite) Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern (1905-1934) Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz) Band, Bände Bundesdisziplinarhof Bundesdisziplinarordnung Bundesdatenschutzgesetz Bearbeitung beglaubigt Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz Begründung, begründet Bekanntmachung Beklagter, beklagt Bemerkung berichtigt besonders, besondere(r, s) Beschluss Beschwerde Besprechung Bestimmung bestritten betreffend Beurkundungsgesetz Bewährungshilfe Bezirksgerichte Bundesfinanzhof Gesetz über die Errichtung des Bundesamtes für Justiz = Art. 1 des Gesetzes zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamtes für Justiz Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I, II und III Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof, Großer Senat Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (zit. nach Band u. Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (zit. nach Band u. Seite)
XV
Abkürzungsverzeichnis BG Pr. BImSchG BImSchVO BinnSchiffG/BinSchG BJagdG BJM BK BKA BKAG/BKrimAG Bin. Bln.GVBl.Sb. Blutalkohol BMI BMJ BNatSchG BNotÄndG BNotO BR BRAGO BRAK BranntwMG/BranntwMonG BRAO BRAOÄndG BRD BR-Drs./BRDrucks. BReg. Brem. BRProt. BRRG BRStenBer. BS BSeuchG BSG BSHG Bsp. BStBl. BT BTDrucks./BT-Drs. BtMG BTProt. BTRAussch. BTStenBer. BTVerh. Buchst.
XVI
Die Praxis des Bundesgerichts (Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts) Bundes-Immissionsschutzgesetz Bundes-Immissionsschutzverordnung Gesetz betr. die privatrechtlichen Verhältnisses der Binnenschiffahrt (Binnenschiffahrtsgesetz) Bundes j agdgesetz Basler Juristische Mitteilungen Basler Kommentar zum Strafgesetzbuch (auch: Bonner Kommentar zum Grundgesetz) Bundeskriminalamt Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskriminalamtes) Berlin Sammlung des bereinigten Berliner Landesrechts, Sonderband I (1806-1945) und II (1945-1967) Blutalkohol, Wissenschaftliche Zeitschrift für die medizinische und juristische Praxis Bundesminister(ium) des Inneren Bundesminister(ium) der Justiz Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) Drittes Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Bundesnotarordnung Bundesrat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Bundesrechtsanwaltskammer Branntweinmonopolgesetz Bundesrechtsanwaltsordnung Gesetz zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentrechtsanwaltsordnung und anderer Gesetze Bundesrepublik Deutschland Bundesrats-Drucksache Bundesregierung Bremen Protokolle des Bundesrates Beamtenrechtsrahmengesetz Verhandlungen des Bundesrats, Stenographische Berichte (zit. nach Sitzung u. Seite) Sammlung des bereinigten Landesrechts Bundes-Seuchengesetz Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Beispiel Bundessteuerblatt Besonderer Teil des StGB (auch: Bundestag) Bundestags-Drucksache Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) s. BTVerh. Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags Verhandlungen des deutschen Bundestag, Stenographische Berichte (zit. nach Wahlperiode u. Seite) Verhandlungen des Deutschen Bundestags Buchstabe
Abkürzungsverzeichnis BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BVwVfG BW bzgl. BZR BZRG bzw. ca. ChemG CR CWÜAG DA DÄB1. dagg. DAR DAV DB DDevR DDR DDT-G DepotG ders./dies. dgl. DGVZ d.h. dies. Diff., diff. Diss. DJ DJT DJZ DMW DNA-AnalysG DNutzG DÖV DOGE DR DRechtsw. DRiB DRiG DRiZ
Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zit. nach Band u. Seite) Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (zit. nach Band u. Seite) (Bundes-)Verwaltungsverfahrensgesetz Baden-Württemberg bezüglich Bundeszentralregister Gesetz über das Bundeszentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz) beziehungsweise circa Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) Computer und Recht AusführungsG zum Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ-AG) Deutschland Archiv Deutsches Ärzteblatt dagegen Deutsches Autorecht Deutscher Anwaltsverein Der Betrieb Deutsche Devisen-Rundschau (1951-1959) Deutsche Demokratische Republik Gesetz über den Verkehr mit D D T Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) derselbe/dieselbe dergleichen Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung das heißt dieselbe(n) Differenzierung, differenzierend Dissertation Deutsche Justiz, Rechtspflege und Rechtspolitik Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung (1896-1936) Deutsche Medizinische Wochenschrift Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse Gesetz zur effektiven Nutzung von Dateien im Bereich der Staatsanwaltschaften Die Öffentliche Verwaltung Entscheidungen des Deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Deutsches Recht, Wochenausgabe (vereinigt mit Juristische Wochenschrift) (1931-1945) Deutsche Rechtswissenschaft (1936-1943) Deutscher Richterbund Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung
XVII
Abkürzungsverzeichnis DRM DRpfl. Drs./Drucks. DRsp. DRZ DSB DStrR DStR DStrZ DStZ A dt. DtZ DuR DVB1. DVJJ DVO DVollzO DVP
Deutsches Recht, Monatsausgabe (vereinigt mit Deutsche Rechtspflege) Deutsche Rechtspflege (1936-1939) Drucksache Deutsche Rechtsprechung, hrsg. von Feuerhake (Loseblattsammlung) Deutsche Rechts-Zeitschrift (1946-1950) Datenschutzberater Deutsches Steuerrecht Deutsches Strafrecht (1934-1944) Deutsche Strafrechts-Zeitung (1914-1922) Deutsche Steuerzeitung, bis Jg. 67 (1979): Ausgabe A deutsch Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V. Durchführungsverordnung Dienst- und Vollzugsordnung Deutsche Verwaltungspraxis
DVR
Datenverarbeitung im Recht (bis 1985, danach vereinigt mit IuR)
E
Entwurf bzw. Entscheidung
E 1927
Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches nebst Begründung (Reichstagsvorlage) 1927 Entwurf eines Strafgesetzbuches mit Begründung 1962 Entwurf einer Abgabenordnung ebenda ebenso editor(s) Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) Entscheidung der Finanzgerichte (zit. nach Band u. Seite) Einführungsgesetz bzw. Europäische Gemeinschaft(en) bzw. Erinnerungsgabe Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz zum Übereinkommen v. 26.8.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Ehrengerichtliche Entscheidungen der Ehrengerichtshöfe der Rechtsanwaltschaft des Bundesgebiets und des Landes Berlin (zit. nach Band u. Seite) Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer Gesetze Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Ehegesetz ehemalig Ehrengerichtliche Entscheidungen (der Ehrengerichtshöfe der Rechtsanwaltschaft des Bundesgebietes und des Landes Berlin)
E 62 EAO ebd. ebso. ed(s) EEGOWiG EEGStGB EFG EG EGBGB EG-FinanzschutzG/ EGFinSchG EGGVG EGH
EGInsO EGInsOÄndG EGKS EGMR EGOWiG EGStGB EGStPO EGV EheG ehem. EhrenGHE
XVIII
Abkürzungsverzeichnis Einf. eingeh. einschl. einschr. Einl. EJF EKMR EmmingerVO EMRK entgg. Entsch. entspr. Entw. Erg. ErgBd. ErgThG Erl. Erw. ESchG EStG etc. Ethik Med. ETS EU EUBestG
EuGH EuGHE EuGRZ EuHbG
EuR EurGHMR EurKomMR europ. EuropolG EUV EuZW EV
E V I bzw. II evtl. EWG EWGV EWiR EWiV EWR EzSt
Einführung eingehend einschließlich einschränkend Einleitung Entscheidungen aus dem Jugend- und Familienrecht (1951-1969) Europäische Kommission für Menschenrechte Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege Europäische Menschenrechtskonvention entgegen Entscheidung entsprechend Entwurf Ergebnis bzw. Ergänzung Ergänzungsband Ergotherapeutengesetz Erläuterung Erwiderung Embryonenschutzgesetz Einkommensteuergesetz et cetera Ethik in der Medizin European Treaty Series Europäische Union Gesetz zum Protokoll v. 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EU-Bestechungsgesetz) Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - Amtliche Sammlung Europäische Grundrechte-Zeitschrift Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz EuHbG) Europarecht Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Kommission für Menschenrechte europäisch Europol-Gesetz Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag Anlage I bzw. II zum EV eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Schriftenreihe zum europäischen Weinrecht (auch: Europäischer Wirtschafts-Raum ) Entscheidungssammlung zum Straf- u. Ordnungswidrigkeitenrecht, hrsg. von Lemke (zit. nach Band u. Seite)
XIX
Abkürzungsverzeichnis f,ff FAG FamRZ FAO FAZ Festschr. FG FGG FGO fin. FinVerwG/FVG FlaggRG/FlRG F1RV Fn. Forens Psychiatr Psychol Kriminol Fortschr Neurol Psychiat fragl. FS G bzw. Ges. G 10 GA
GBA GBG GBl. GebFra GedS gem. Gemeinsame-Dateien-Gesetz GenG GenStA GerS GeschlKG/GeschlkrG GeschO gesetzt. GewArch GewO GewVerbrG gg· GG ggf· GjS/GjSM GKG gl· GmbHG
XX
folgende, fortfolgende Gesetz über Fernmeldeanlagen Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht. Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fachanwaltsordnung Frankfurter Allgemeine Zeitung Festschrift Finanzgericht (auch: Festgabe) Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung finanziell Gesetz über die Finanzverwaltung Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) Flaggenrechtsverordnung Fußnote Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie Fortschritte der Neurologie. Psychiatrie fraglich Festschrift Gesetz Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) Goltdammer's Archiv für Strafrecht, zit. nach Jahr u. Seite (bis 1933: Archiv für Strafrecht und Strafprozeß, zit. nach Band u. Seite) Generalbundesanwalt Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter Gesetzblatt Geburtshilfe und Frauenheilkunde (zit. nach Band u. Seite) Gedächtnisschrift gemäß Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Generalstaatsanwalt Der Gerichtssaal Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Geschäftsordnung gesetzlich Gewerbearchiv, Zeitschrift für Gewerbe- und Wirtschaftsverwaltungsrecht Gewerbeordnung Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung gegen Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte Gerichtskostengesetz gleich Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
Abkürzungsverzeichnis GmbHR/GmbH-Rdsch GMB1. GnO grdl. grds. GrS GrSSt. GRUR GS GSNW GSSchlH GÜG
GV GVB1. GVB1.1—III GVG GWb GwG
h.A. HaagLKO/HLKO Halbs./Hbs. Hamb. HambJVBl HannRpfl Hans. HansGZ bzw. H G Z HansJVBl HansOLGSt HansRGZ HansRZ
Hdb. HdbStR HeilPrG Hess. HeSt
HFR HGB hins. Hinw. h.L.
GmbH-Rundschau (vorher: Rundschau für GmbH) Gemeinsames Ministerialblatt Gnadenordnung (Landesrecht) grundlegend grundsätzlich Großer Senat Großer Senat in Strafsachen Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Der Gerichtssaal (zit. nach Band u. Seite) Sammlung des bereinigten Landesrechts Nordrhein-Westfalen (1945-1956) Sammlung des schleswig-holsteinischen Landesrechts, 2 Bde (1963) Gesetz zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln mißbraucht werden können Gemeinsame Verfügung (mehrerer Ministerien) (auch: Grundlagenvertrag) Gesetz- und Verordnungsblatt Sammlung des bereinigten Hessischen Landesrechts Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz) herrschende Ansicht Haager Abkommen betr. die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs Halbsatz Hamburg Hamburgisches Justizverwaltungsblatt Hannoversche Rechtspflege Hanseatisch Hanseatische Gerichtszeitung (1889-1927) Hanseatisches Justizverwaltungsblatt (bis 1946/47) Entscheidungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Strafsachen (1879-1932/33) Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift (1928-43), vorher: Hanseatische Rechtszeitschrift für Handel, Schiffahrt und Versicherung, Kolonial- und Auslandsbeziehungen sowie für Hansestädtisches Recht (1918-1927) Handbuch Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) Hessen Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der Obersten Gerichte in Strafsachen (1948-49) (zit. nach Band u. Seite) Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch hinsichtlich Hinweis herrschende Lehre
XXI
Abkürzungsverzeichnis h.M. HöchstRR
HRR Hrsg. bzw. hrsg. h. Rspr. HWiStR
i. Allg. i. allg. S. i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.E./i. Erg. i.e.S. IGH i. gl. s. i. Grds. IHK i.H.v. ILC ILM IM IMT ini. insb./insbes. insges. InsO IntBestG inzw. IPBPR i.R.d. i.R.v. IStGH IStGH-Statut IStR i.S. i.S.d. i.S.e. IStGH i.S.v. i. techn. S. i.U. i. üb. IuKDG
IuR i.V.m. i.w. i.w.S. i.Z.m.
XXII
herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Strafrechts, Beilage zur Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (1 zu Bd. 46, 2 zu Bd. 47, 3 zu Bd. 48) Höchstrichterliche Rechtsprechung (1928-1942), bis 1927: Die Rechtsprechung, Beilage zur Zeitschrift Juristische Rundschau Herausgeber bzw. herausgegeben herrschende Rechtsprechung Krekeler/Tiedemann/Ulsenheimer/Weinmann (Hrsg.) Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts im Allgemeinen im allgemeinen Sinn in der Fassung in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis im engeren Sinn Internationaler Gerichtshof im gleichen Sinn im Grundsatz Industrie- und Handelskammer in Höhe von International Law Commission International Legal Materials Innenminister(ium) International Military Tribunal (Nürnberg) inländisch insbesondere insgesamt Insolvenzordnung Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung inzwischen Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte im Rahmen der/des im Rahmen von Internationaler Strafgerichtshof Internationaler Strafgerichtshof - Statut Internationales Strafrecht im Sinne im Sinne der/des im Sinne einer(s) (ständiger) Internationaler Strafgerichtshof (Den Haag) im Sinne von im technischen Sinne im Unterschied im übrigen Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informationsund Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienstegesetz) Informatik und Recht in Verbindung mit im wesentlichen im weiteren Sinne im Zusammenhang mit
Abkürzungsverzeichnis JA JahrbÖR JahrbPostw. JA-R JAVollzO JBeitrO JB1. JBIRhPf. JB1 Saar jew. JFGErg.
JGG JK JKomG JM JMB1NRW/JMB1NW JÖSchG JOR JR JRE JSt JStGH JStGH-Statut 1. JuMoG 2. JuMoG JurA Jura JurBl./JBl. JurJahrb. JuS Justiz uV JVA JVB1. JVKostO JVollz. JW JWG JZ JZ-GD Kap. KastG/KastrG KE Kfz. KG KGJ
Juristische Arbeitsblätter für Ausbildung und Examen Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Jahrbuch des Postwesens (1937-1941/42) Juristische Arbeitsblätter - Rechtsprechung Jugendarrestvollzugsordnung Justizbeitreibungsordnung Justizblatt Justizblatt Rheinland-Pfalz Justizblatt des Saarlandes jeweils Entscheidungen des Kammergerichts und des Oberlandesgerichts München in Kosten-, Straf-, Miet- und Pachtschutzsachen (= Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts. ErgBd.) Jugendgerichtsgesetz Jura-Kartei Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz - JKomG) Justizminister(ium) Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit Jahrbuch für Ostrecht Juristische Rundschau Jahrbuch für Recht und Ethik Journal für Strafrecht Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien - Statut Erstes Gesetz zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) Zweites Gesetz zur Modernisierung der Justiz (2. Justizmodernisierungsgesetz) Juristische Analysen Juristische Ausbildung Juristische Blätter Juristen-Jahrbuch Juristische Schulung. Zeitschrift für Studium und Ausbildung Die Justiz. Amtsblatt des Justizministeriums von Baden-Württemberg Justiz und Verwaltung Justizvollzugsanstalt Justizverwaltungsblatt Gesetz über Kosten im Bereich der Justizverwaltung Jugendstrafvollzugsordnung: s. auch JAVollzO Juristische Wochenschrift Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung Juristenzeitung - Gesetzgebungsdienst Kapitel Gesetz über die freiwillige Kastration Kommissionsentwurf Kraftfahrzeug Kammergericht bzw. Kommanditgesellschaft Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen (1881-1922) (zit. nach Band u. Seite)
XXIII
Abkürzungsverzeichnis KindRG KJ KO KorBekG/KorrBekG/KorrBG K8cR KRABI. KreditwesenG/KWG KRG KriegswaffKG/KWKG KrimAbh. KrimGwFr Kriminalistik Krimjournal krit. KritJ/Krit. Justiz KritV/KritVj KrW-/AbfG
KunstUrhG/KUrhG KuT KuV/k+v/K+V KWG LegPer. LFGB LG lit. Lit. LM LMBG
LPG LRA LRE LS lt. LT LuftSiG LuftVG LuftVO/LuftWO LuftVZO LVerf. LZ m. m. Anm. Mat. m.a.W.
XXIV
Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts Kritische Justiz Konkursordnung Gesetz zur Bekämpfung der Korruption Kommunikation und Recht s. AB1KR Gesetz über das Kreditwesen Kontrollratsgesetz Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen Kriminalistische Abhandlungen, hrsg. von Exner Kriminologische Gegenwartsfragen (zit. nach Band u. Seite) Kriminalistik, Zeitschrift für die gesamte kriminalistische Wissenschaft und Praxis Kriminologisches Journal kritisch Kritische Justiz Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz) Kunsturhebergesetz Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Kraftfahrt u. Verkehrsrecht, Zeitschrift der Akademie für Verkehrswissenschaft, Hamburg siehe KreditwesenG Legislaturperiode Lebens- und Futtermittelgesetzbuch Landgericht littera (Buchstabe) Literatur Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. ν Lindenmaier/ Möhring u.a. (zit. nach Paragraph u. Nummer) Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) Landespressegesetz Landratsamt Sammlung lebensmittelrechtlicher Entscheidungen Leitsatz laut Landtag Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben (Luftsicherheitsgesetz) Luftverkehrgesetz Verordnung über den Luftverkehr Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung Landesverfassung Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (1907-1933) mit mit Anmerkung Materialien zur Strafrechtsreform (1954). Band I: Gutachten der Strafrechtslehrer. Band II: Rechtsvergleichende Arbeiten mit anderen Worten
Abkürzungsverzeichnis m. Bespr. MdB MdL MDR MDStV MedR MedSach MfS MiStra mißverst./missverst. Mitt. MittlKV MK m. krit. Anm. MMR MMW MRG MschrKrim./MonKrim. MschrKrimBiol/ MonKrimBiol. MschrKrimPsych/ MonKrimPsych. MStGO m.w.N. m. zust./abl. Anm. Nachtr. Nachw. NATO-Truppenstatut/NTS
Nds. NdsRpfl./Nds.Rpfl NEhelG n.F. Niederschr./Niederschriften Nieders.GVBl. (Sb. I, II) NJ NJW NJW-RR NK NKrimP NPA Nr.(n) NRW NStE NStZ NStZ-RR NuR NVwZ NWB
mit Besprechung Mitglied des Bundestages Mitglied des Landtages Monatsschrift für Deutsches Recht Staatsvertrag über Mediendienste Medizinrecht Der Medizinische Sachverständige Ministerium für Staatssicherheit Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen mißverständlich/missverständlich Mitteilung Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung (1889-1914; 1926-1933) Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch mit kritischer Anmerkung (von) MultiMedia und Recht Münchner Medizinische Wochenschrift Militärregierungsgesetz Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform (1904/05-1936) Militärstrafgerichtsordnung mit weiteren Nachweisen mit zustimmender/ablehnender Anmerkung Nachtrag Nachweis Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags v. 19.6.1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) Niedersachsen Niedersächsische Rechtspflege Gesetz über die Rechtsstellung der nichtehelichen Kinder neue Fassung Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Sonderband I und II, Sammlung des bereinigten niedersächsischen Rechts Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch Neue Kriminalpolitik Neues Polizei-Archiv Nummer(n) Nordrhein-Westfalen Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht, hrsg. von Rebmann, Dahs und Miebach Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungs-Report Strafrecht Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Wirtschaftsbriefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht
XXV
Abkürzungsverzeichnis NZA NZG NZS NZV NZWehrr/NZWehrR
Neue Neue Neue Neue Neue
o. o.ä. ob. diet. OBGer öffentl. ÖJZ/ÖstJZ Öst O G H
oben oder ähnlich obiter dictum Obergericht (Schweizer Kantone) öffentlich Österreichische Juristenzeitung Österreichischer Oberster Gerichtshof; ohne Zusatz: Entscheidung des Öst O G H in Strafsachen (zit. nach Band u. Seite) oben genannt Oberstes Gericht der DDR Entscheidungen des Obersten Gerichts der DDR Oberster Gerichtshof (Österreich) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen (1949/50) (zit. nach Band u. Seite) Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- u. Strafverfahrensrecht (zit. nach Paragraph u. Seite, n.F. nach Paragraph u. Nummer) Organisierte Kriminalität Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
o.g. OG OGDDR OGH OGHSt OHG OLG OLGSt
OrgK OrgKG OrgKVerbG OVG OWiG PartG PartGG PatG PAuswG PflanzenSchG/PflSchG PHI PolG polit. Polizei PolV/PolVO PostG PostO Pr. PrG PrGS ProdSG Prot. Pr. OT PrPVG Prot. BT-RA
XXVI
Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift
für für für für für
Arbeits- und Sozialrecht Gesellschaftsrecht Sozialrecht Verkehrsrecht Wehrrecht
Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz) Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Patentgesetz Gesetz über Personalausweise Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz) Produkthaftpflicht International Polizeigesetz politisch Die Polizei (seit 1955: Die Polizei - Polizeipraxis) Polizeiverordnung Gesetz über das Postwesen (Postgesetz) Postordnung Preußen Pressegesetz Preußische Gesetzessammlung (1810-1945) Produktsicherheitsgesetz Protokolle über die Sitzungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform Preußisches Obertribunal Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz Protokolle des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (zit. nach Nummern)
Abkürzungsverzeichnis PrOVG PrZeugnVerwG PStG psych. Psychiat Prax PsychThG
Preußisches Oberverwaltungsgericht Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk Personenstandsgesetz Psychisch Psychiatrische Praxis Gesetz über die Berufe des psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PsychotherapeutenG)
qualif.
qualifizierend
R
Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen (zit. nach Band u. Seite) Recht und Psychiatrie Reichsabgabenordnung Rechtsausschuß/Rechtsausschuss Gesetz zur Verhütung von Mißbrauch auf dem Gebiet der Rechtsberatung Recht der Arbeit Runderlaß/Runderlass Recht der Jugend und des Bildungswesens Das Recht des Kraftfahrers, Unabhängige Monatsschrift des Kraftverkehrsrechts (1926-43,1949-55) Randnummer Rundschreiben Entscheidungen des Reichsdienststrafhofs (1939-41) Reichsdienststrafordnung Recht der Datenverarbeitung Das Recht, begründet von Soergel (1897-1944) Rechtsmedizin rechtspolitisch Rechtstheorie rechtsvergleichend Regierung Regierungsblatt relativ Rundfunkstaatsvertrag Reichsgericht Reichsgesetzblatt, von 1922-1945 Teil I und Teil II Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen (1879-1888) Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (zit. nach Band u. Seite) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (zit. nach Band u. Seite) Rechnungshofgesetz Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen Rheinland-Pfalz Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts - Richtlinien gem. § 177 Abs. 2 Satz 2 BRAO Revue internationale de droit pénal Richtlinien der Landesjustizverwaltungen zum Jugendgerichtsgesetz Gemeinsame Anordnung über die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und über die Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden
R &c Ρ RabgO/RAO RAussch. RBerG RdA RdErl. RdJB RdK Rdn. Rdschr./RdSchr. RDStH RDStO RDV Recht RechtsM rechtspol. RechtsTh rechtsvergl. Reg. RegBl. rei. RfStV RG RGBl., RGBl. I, II RGRspr. RGSt RGZ RHG RHilfeG/RHG RhPf. RiAA RIDP RiJGG RiOWiG
XXVII
Abkürzungsverzeichnis RiStBV RiVASt RKG/RKnappschG RKGE RMB1. RMG/RMilGE RöntgVO/RöV ROW R&P Rpfleger RpflG Rspr. RStGH RStGH-Statut RT RTDrucks. RTVerh. RuP RVO s. S. s.a. SA SaarRZ SaBremR SächsArch. SächsOLG ScheckG/SchG SchiedsmZ SchKG SchlH SchlHA SchwangUG Schweiz. SchwJZ SchwZStr. SeemannsG SeeRÜbk./SRÜ Sen. SeuffBl. SexualdelikteBekG SFHÄndG SFHG
XXVIII
Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Richtlinien für den Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten Reichsknappschaftsgesetz Entscheidungen des Reichskriegsgerichts (zit. nach Band u. Seite) Reichsministerialblatt, Zentralblatt für das Deutsche Reich (1923-45) Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts (zit. nach Band u. Seite) Röntgenverordnung Recht in Ost und West. Zeitschrift für Rechtsvergleichung und interzonale Rechtsprobleme Recht und Psychiatrie Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtsprechung Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda - Statut Reichstag Drucksachen des Reichstags Verhandlungen des Reichstags Recht und Politik. Vierteljahreshefte für Rechts- und Verwaltungspolitik Reichsversicherungsordnung siehe Seite oder Satz siehe auch Sonderausschuss für die Strafrechtsreform Saarländische Rechts- und Steuerzeitschrift Sammlung des bremischen Rechts (1964) Sächsisches Archiv für Rechtspflege, seit 1924 (bis 1941/42). Archiv für Rechtspflege in Sachen, Thüringen und Anhalt Annalen des Sächsischen Oberlandesgerichts zu Dresden (1880-1920) Scheckgesetz Schiedsmannszeitung (1926-1945), seit 1950 Der Schiedsmann Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz) Schleswig-Holstein Schleswig-Holsteinische Anzeigen (DDR-)Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft schweizerisch Schweizerische Juristen-Zeitung Schweizer Zeitschrift für Strafrecht (zit. nach Band u. Seite) Seemannsgesetz Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen; Vertragsgesetz Senat Seufferts Blätter für Rechtsanwendung (1836-1913) Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten - Sexualdeliktebekämpfungsgesetz Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz Gesetz zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz)
Abkürzungsverzeichnis SG/SoldatG SGB I, IV, V, VIII, Χ , XI
SGb. SGG SGV.NW SichVG SJZ SK s.o. sog. Sonderausschuß SortenSchG SozVers spez. SprengG/SprengstoffG StA StaatsGH StaatsschStrafsG StÄG StAZ StB StenB/StenBer StGB StPO Str.
StrAbh. StRÄndG
StraffreiheitsG/StrFG StraFo strafr. StrafrAbh. StraßVerkSichG StrEG StREG
Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten I: Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil IV: Sozialgesetzbuch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung V: Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung Vili: Sozialgesetzbuch, Kinder- und Jugendhilfe X: Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehung zu Dritten XI: Soziale Pflegeversicherung Sozialgerichtsbarkeit Sozialgerichtsgesetz Sammlung des bereinigten Gesetz- und Verordnungsblatts für das Land Nordrhein-Westfalen (Loseblattsammlung) Gesetz zur Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsverwahrung Süddeutsche Juristen-Zeitung (1946-50), dann Juristenzeitung Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch siehe oben sogenannt(e) Sonderausschuß des Bundestags für die Strafrechtsreform, Niederschriften zitiert nach Wahlperiode und Sitzung Gesetz über den Schutz von Pflanzensorten (Sortenschutzgesetz) Die Sozialversicherung speziell Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Staatsanwalt(schaft) Staatsgerichtshof Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen s. StRÄndG Das Standesamt. Zeitschrift f. Standesamtswesen, Personenstandsrecht, Ehe- u. Kindschaftsrecht, Staatsangehörigkeitsrecht Der Steuerberater Stenographischer Bericht Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung streitig, strittig Strafrechtliche Abhandlungen Strafrechtsänderungsgesetz (1. vom 30.8.1951) 18. ~ Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität 27. — Kinderpornographie 28. — Abgeordnetenbestechung 31. — Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität 37. — §§ 180b, 181 StGB 40. — Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen Gesetz über Straffreiheit Strafverteidigerforum strafrechtlich Strafrechtliche Abhandlungen, hrsg. von Bennecke, dann von Beling, v. Lilienthal und Schoetensack 1. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs (Straßenverkehrssicherungsgesetz - StraßenVSichG) Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Gesetz über ergänzende Maßnahmen zum 5. StrRG (Strafrechtsreformergänzungsgesetz)
XXIX
Abkürzungsverzeichnis StrlSchuV/StrlSchVO StrRG st. Rspr. StS StuR StV/StrVert. StVE StVG StVGÄndG StVj/StVJ StVK StVO StVollstrO StVollzÄndG StVollzG
StVollzK 1. StVRG 1. StVRErgG StVZO s.u. SubvG SV TDG TerrorBekG
Strahlenschutzverordnung Gesetz zur Reform des Strafrechts (1. 2. - , ... 6. ~) ständige Rechtsprechung Strafsenat Staat und Recht Strafverteidiger Straßenverkehrsentscheidungen, hrsg. von Cramer, Berz, Gontard, Loseblattsammlung (zit. nach Paragraph u. Nummer) Straßenverkehrsgesetz Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze Steuerliche Viertel)ahresschrift Strafvollstreckungskammer Straßenverkehrsordnung Strafvollstreckungsordnung Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung - Strafvollzugsgesetz Blätter für Strafvollzugskunde (Beilage zur Zeitschrift „Der Vollzugsdienst") Erstes Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts Erstes Gesetz zur Ergänzung des 1. StVRG Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung siehe unten Subventionsgesetz Sachverhalt
TV Tz.
Gesetz über die Nutzung von Telediensten Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz) Tierschutzgesetz Titel Telekommunikationsgesetz Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen Transplantationsgesetz Truppenvertrag Textziffer, -zahl
u. u.a. u.a. u.a.m. UdG Üb. Übereink./Übk. ÜbergangsAO ü. M . UFITA U-Haft umstr. UmwRG UNO
unten (auch: und) unter anderem (auch: andere) und ähnliche und anderes mehr Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Überblick; Übersicht Übereinkommen Übergangsanordnung überwiegende Meinung Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Untersuchungshaft umstritten Umweltrahmengesetz der DDR United Nations Organization (Vereinte Nationen)
TerrorBekErgG TierschG/TierschutzG Tit. TKG TPG
XXX
Abkürzungsverzeichnis UNTS unv. UrhG UStG usw. UTR u.U. UVNVAG
UWG UZwG UZwGBw
v. VAE VAG v.A.w. VB1BW VDA bzw. VDB VE VerbrBekG VerbringungsverbG VereinfVO
VereinhG
VereinsG VerfGH VerglO Verh. VerjährG
VerkMitt/VerkMitt./VM VerkProspektG vermitt. VerpflG
United Nations Treaty Series unveröffentlicht Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Umsatzsteuergesetz und so weiter Umwelt- und Technikrecht, Schriftenreihe des Instituts für Umweltund Technikrecht der Universität Trier, hrsg. von Rüdiger Breuer u.a. unter Umständen Ausführungsgesetz v. 23.7.1998 (BGBl. I S. 1882) zu dem Vertrag v. 24.9.1996 über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen Zustimmungsgesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen von, vom Verkehrsrechtliche Abhandlungen und Entscheidungen Versicherungsaufsichtsgesetz von Amts wegen Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Allgemeiner bzw. Besonderer Teil Vorentwurf Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetzte (Verbrechensbekämpfungsgesetz) Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote Vereinfachungsverordnung 1. - , VO über Maßnahmen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und Rechtspflege 2. - , VO zur weiteren Vereinfachung der Strafrechtspflege 3. - , Dritte VO zur Vereinfachung der Strafrechtspflege 4. - , Vierte VO zur Vereinfachung der Strafrechtspflege Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) Verfassungsgerichtshof Vergleichsordnung Verhandlungen des Deutschen Bundestages (BT), des Deutschen Juristentages (DJT) usw. Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten 2. VerjährG., Gesetz zur Verlängerung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 27.9.1993 3. VerjährG., Gesetz zur weiteren Verlängerung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 22.12.1997 Verkehrsrechtliche Mitteilungen Wertpapiere-Verkaufsprospektgesetz vermittelnd Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) idF v. Art. 42 EGStGB
XXXI
Abkürzungsverzeichnis VerschG VersG VersR VerwArch. VG VGH vgl. Vhdlgen VN VN-Satzung VO VOB1. VOR Voraufl. Vorbem. vorgen. VRS VStGB WDStRL WG VwGO VwVfG VwVG VwZG WaffG/WaffenG Warn./WarnRspr WDO WehrpflG WeimVerf./WV WeinG weitergeh. WHG WiB 1. WiKG 2. WiKG WiStG wistra WiVerw WK WM w.N.b. WoÜbG WuM WPg WpHG WRP WStG WZG
XXXII
Verschollenheitsgesetz Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche s. Verh. Vereinte Nationen Satzung der Vereinten Nationen Verordnung Verordnungsblatt Zeitschrift für Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht Vorauflage Vorbemerkung vorgenannt Verkehrsrechts-Sammlung, Entscheidungen aus allen Gebieten des Verkehrsrechts (zit. nach Band u. Seite) Völkerstrafgesetzbuch Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer (zit. nach Heft u. Seite) Gesetz über den Versicherungsvertrag Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsvollstreckungsgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Waffengesetz Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des RG, hrsg. von Warneyer (zit. nach Jahr u. Nummer) Wehrdisziplinarordnung Wehrpflichtgesetz Verfassung des Deutschen Reichs (sog. „Weimarer Verfassung") Weingesetz weitergehend Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) Wirtschaftsrechtliche Beratung 1. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität 2. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Wirtschaft und Verwaltung Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch Wertpapier-Mitteilungen weitere Nachweise bei Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (akustische Wohnraumüberwachung) v. 24.6.2005 Wohnungswirtschaft und Mietrecht Die Wirtschaftsprüfung Gesetz über Wertpapierhandel Wettbewerb in Recht und Praxis Wehrstrafgesetz Warenzeichengesetz
Abkürzungsverzeichnis ζ. (Ζ) ZahlVGJG ZAkDR ZaöRV z.B. ZBB ZbernJV/ZBJV ZDG ZfBR Z. f. d. ges. Sachverst.wesen ZFIS ZfJ ZfRV ZfS/ZfSch ZfStrVo ZfW ZfZ ZGR ZHR Zif./Ziff. zit. ZIP ZIS ZMR ZollG ZPO ZRP ZSchwR ZStW z.T. ZUM zusf. zust. ZustErgG
ZustG ZustVO zutr. z.V.b. ZVG zw. ZWehrR z.Z. ZZP
zur, zum Entscheidung in Zivilsachen Gesetz über den Zahlungsverkehr mit Gerichten und Justizbehörden Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (1934-1944) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zeitschrift für das gesamte Sachverständigenwesen Zeitschrift für innere Sicherheit Zentralblatt für Jugendrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, begr. v. Goldschmidt. Ziffer(n) zitiert Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zollgesetz Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (zit. nach Band u. Seite) zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht/Film und Recht zusammenfassend zustimmend Gesetz zur Ergänzung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und des Strafrechts (Zuständigkeitsergänzungsgesetz) Zustimmungsgesetz Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sondergerichte und sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften zutreffend zur Veröffentlichung bestimmt Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) zweifelhaft (auch: zweifelnd) Zeitschrift für Wehrrecht (1936/37-1944) zur Zeit Zeitschrift für Zivilprozeß (zit. nach Band u. Seite)
XXXIII
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Das Schrifttum zum Kernstrafrecht sowie sämtliche strafrechtlich relevanten Festschriften und vergleichbare Werke stehen unter 1. Es folgt in alphabetischer Reihenfolge das Schrifttum zum Nebenstrafrecht und zu nichtstrafrechtlichen Gebieten usw.: 2. Betäubungsmittelstrafrecht, 3. Bürgerliches Recht und InsO, 4. DDR-Strafrecht, 5. EG-Recht, 6. Jugendstrafrecht, 7. Kriminologie, 8. Ordnungswidrigkeitenrecht, 9. Presserecht, 10. Rechtshilfe, 11. Rechtsmedizin und Arztrecht, 12. Strafprozessund Strafvollzugsrecht, 13. Strahlenschutzrecht, 14. Straßenverkehrsrecht, 15. Verfassungsrecht, 16. Wettbewerbs- und Kartellrecht, 17. Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 18. Zivilprozessrecht, 19. Sonstiges (einschließlich Völkerstrafrecht und Waffenrecht).
1. Strafrecht (StGB) und Festschriften Ambos AK Appel Arzt/Weber BT v. Bar Baumann Baumann/Weber/Mitsch Beling Binding, Grundriß Binding, Handbuch Binding, Lehrbuch I, II Binding, Normen BK Blei I, II Bochumer Erläuterungen Bockelmann BT 1, 2, 3
Bockelmann/Volk Bringewat Bruns, Strafzumessungsrecht Bruns, Recht der Strafzumessung Bruns, Reflexionen
Internationales Strafrecht (2006) Kommentar zum Strafgesetzbuch - Reihe Alternativkommentare, hrsg. v. Wassermann, Bd. 1 (1990), Bd. 3 (1986) Verfassung und Strafe (1998) Strafrecht, Besonderer Teil, Lehrbuch (2000) (Überarbeitung der in fünf Heften erschienenen Ausgabe) Gesetz und Schuld im Strafrecht, 1. Bd. (1906), 2. Bd. (1907), 3. Bd. (1909) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. (1975) Strafrecht, Allgemeiner Teil, Lehrbuch, 11. Aufl. (2003) Die Lehre vom Verbrechen (1906) Grundriß des Deutschen Strafrechts, Allgemeiner Teil, 8. Aufl. (1913) Handbuch des Strafrechts (1885) Lehrbuch des gemeinen Deutschen Strafrechts, Besonderer Teil, 2. Aufl. Bd. 1 (1902), Bd. 2 (1904/05) Die Normen und ihre Übertretung, 2. Aufl., 4 Bände (1890-1919) Basler Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Niggli/ Wiprächtiger (2003) (s. aber auch 15. Verfassungsrecht) Strafrecht I, Allgemeiner Teil, 18. Aufl. (1983); Strafrecht II, Besonderer Teil, 12. Aufl. (1983) Bochumer Erläuterungen zum 6. Strafrechtsreformgesetz, hrsg. v. Schlüchter (1998) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1 : Vermögensdelikte, 2. Aufl. (1982); Bd. 2: Delikte gegen die Person (1977); Bd. 3: Ausgewählte Delikte gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit (1980) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. (1987) Grundbegriffe des Strafrechts, 2. Aufl. (2008) Strafzumessungsrecht: Gesamtdarstellung, 2. Aufl. (1974) Das Recht der Strafzumessung, 2. Aufl. (1985) Neues Strafzumessungsrecht? „Reflexionen" über eine geforderte Umgestaltung (1988)
XXXV
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Coimbra-Symposium
s. Schünemann/de Figueiredo Dias
Dalcke/Fuhrmann/Schäfer
Strafrecht und Strafverfahren, 37. Aufl. (1961)
Ebert
Aktuelle Probleme der Strafrechtspflege: Beiträge anläßlich eines Symposiums zum 60. Geburtstag von E. W. Hanack, hrsg. v. Ebert (1991) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. (2001) Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz (1998) (bearb. v. Dencker u. a.) Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblattausgabe, 4. Aufl. (1988 ff), 5. Aufl. (1993 ff) Erinnerungsgabe für M a x Grünhut (1965) Rechtfertigung und Entschuldigung: rechtsvergleichende Perspektiven. Beiträge aus dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Bd. 1, hrsg. v. Eser/Fletcher (1987); Bd. 2, hrsg. v. Eser/Fletcher (1988); Bd. 3: Deutsch-Italienisch-Portugiesisch-Spanisches Strafrechtskolloquium 1990 in Freiburg, hrsg. v. Eser/Perron (1991); Bd. 4: Ostasiatisch-Deutsches Strafrechtskolloquium 1993 in Tokio, hrsg. v. Eser/Nishihara (1995) Schwangerschaftsabbruch im internationalen Vergleich, Bd. 1: Europa (1988); Bd. 2: Außereuropa (1989); Bd. 3: Rechtsvergleichender Querschnitt - rechtspolitische Schlußbetrachtungen - Dokumentation zur neueren Rechtsentwicklung (1999)
Ebert AT Einführung 6. StrRG Erbs/Kohlhaas Erinnerungsgabe Grünhut Eser (et al.), Rechtfertigung und Entschuldigung I - IV
Eser/Koch
Festgabe BGH 25 Festgabe BGH 50 Festgabe Frank Festgabe Kern Festgabe Peters Festgabe RG I-VI
Festgabe Schultz Festgabe Schweizer J T Festschrift Androulakis Festschrift Augsburg Festschrift Baumann Festschrift Bemmann Festschrift BGH 50
Festschrift Blau Festschrift Bockelmann Festschrift Böhm
XXXVI
25 Jahre Bundesgerichtshof 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Band V: Straf- und Strafprozeßrecht (2000) Festgabe für Reinhard von Frank zum 70. Geburtstag: 16. August 1930, 2 Bde. (1930) Festgabe für Eduard Kern zum 70. Geburtstag (1957) Wahrheit und Gerechtigkeit im Strafverfahren: Festgabe für Karl Peters aus Anlaß seines 80. Geburtstages (1984) Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben: Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929) (1929) Lebendiges Strafrecht: Festgabe zum 65. Geburtstag von Hans Schultz (1977) Festgabe zum Schweizerichen Juristentag (1963) Festschrift für Nikolaos Androulakis zum 70. Geburtstag, (2003) Recht in Europa - Festgabe zum 30-jährigen Bestehen der Juristischen Fakultät Augsburg (2002) Festschrift für Jürgen Baumann zum 70. Geburtstag (1992) Festschrift für Günter Bemmann zum 70. Geburtstag (1997) Festschrift aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof (2000) Festschrift für Günter Blau zum 70. Geburtstag (1985) Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag (1979) Festschrift für Alexander Böhm zum 70. Geburtstag (1999)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Festschrift Böttcher Festschrift Boujong Festschrift Brauneck Festschrift Bruns Festschrift Burgstaller Festschrift v. Caemmerer Festschrift Celle I Festschrift Celle II Festschrift Dahs Festschrift DJT
Festschrift Festschrift Festschrift Festschrift
Dreher Dünnebier Engisch Ermacora
Festschrift Eser Festschrift Friebertshäuser Festschrift GA Festschrift Gallas Festschrift Geerds Festschrift Geilen Festschrift Geiß Festschrift Germann
Festschrift Gleispach
Festschrift Göppinger
Festschrift Gössel Festschrift Graßhoff Festschrift Grünwald Festschrift Grützner
Festschrift für Reinhard Böttcher zum. 70 Geburtstag (2007) Verantwortung und Gestaltung, Festschrift für Karlheinz Boujong zum 65. Geburtstag (1996) Ehrengabe für Anne-Eva Brauneck (1999) Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag (1978) Festschrift für Manfred Burgstaller zum 65. Geburtstag (2004) Festschrift für Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag (1978) Göttinger Festschrift für das Oberlandesgericht Celle: zum 250jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle (1961) Festschrift zum 275jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle (1986) Festschrift für Hans Dahs zum 70. Geburtstag (2005) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages 1 8 6 0 - 1 9 6 0 , 2 Bde. (1960) Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag (1977) Festschrift für Hans Dünnebier zum 75. Geburtstag (1982) Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag (1969) Fortschritt im Bewußtsein der Grund- und Menschenrechte, Festschrift für Felix Ermacora zum 65. Geburtstag (1988) Menschengerechtes Strafrecht, Festschrift für Albin Eser zum 70. Geburtstag (2005) Festgabe für den Strafverteidiger Dr. Heino Friebertshäuser (1997) 140 Jahre Goltdammer's Archiv für Strafrecht: eine Würdigung zum 70. Geburtstag von Paul-Günter Pötz (1993) Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag (1973) Kriminalistik und Strafrecht: Festschrift für Friedrich Geerds zum 70. Geburtstag (1995) Bochumer Beiträge zu aktuellen Strafrechtsthemen: Festschrift für Gerd Geilen zum 70. Geburtstag (2003) Festschrift für Karlmann Geiß zum 65. Geburtstag (2000) Rechtsfindung - Beiträge zur juristischen Methodenlehre: Festschrift für Oscar Adolf Germann zum 80. Geburtstag (1969) Gegenwartsfragen der Strafrechtswissenschaft: Festschrift zum 60. Geburtstag von Graf W. Gleispach (1936) (Nachdruck 1995) Kriminalität, Persönlichkeit, Lebensgeschichte und Verhalten: Festschrift für Hans Göppinger zum 70. Geburtstag (1990) Festschrift für Karl Heinz Gössel zum 70. Geburtstag (2002) Der verfasste Rechtsstaat, Festgabe für Karin Graßhoff (1998) Festschrift für Gerald Grünwald zum 70. Geburtstag (1999) Aktuelle Probleme des internationalen Strafrechts - Beiträge zur Gestaltung des internationalen und supranationalen Strafrechts: Heinrich Grützner zum 65. Geburtstag (1970)
XXXVII
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Festschrift Hamm Festschrift Hanack Festschrift Heidelberg
Festschrift Heinitz Festschrift Henkel Festschrift v. Hentig Festschrift Herzberg Festschrift Heusinger Festschrift Hilger Festschrift Hirsch Festschrift Honig Festschrift Hruschka Festschrift Hubmann
Festschrift Hübner Festschrift Jacobs Festschrift Jauch Festschrift Jescheck Festschrift JurGes. Berlin Festschrift Kaiser
Festschrift Arthur Kaufmann I Festschrift Arthur Kaufmann II Festschrift Kern Festschrift Kleinknecht Festschrift Klug Festschrift Koch Festschrift Kohlmann Festschrift Kohlrausch Festschrift Köln Festschrift Krause Festschrift Küper Festschrift Lackner
XXXVIII
Festschrift für Rainer Hamm zum 65. Geburtstag (2008) Festschrift für Ernst-Walter Hanack zum 70. Geburtstag (1999) Richterliche Rechtsfortbildung: Festschrift der Juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität Heidelberg (1986) Festschrift für Ernst Heinitz zum 70. Geburtstag (1972) Grundfragen der gesamten Strafrechtswissenschaft: Festschrift für Heinrich Henkel zum 70. Geburtstag (1974) Kriminologische Wegzeichen: Festschrift für Hans v. Hentig zum 80. Geburtstag (1967) Strafrecht zwischen System und Telos, Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg zum 70. Geburtstag (2008) Ehrengabe für Bruno Heusinger (1968) Datenübermittlungen und Vorermittlungen, Festgabe für Hans Hilger (2003) Festschrift für Hans Joachim Hirsch zum 70. Geburtstag (1999) Festschrift für Richard M. Honig zum 80. Geburtstag (1970) Jahrbuch für Recht und Ethik: Festschrift für Joachim Hruschka zum 70. Geburtstag (2006) Beiträge zum Schutz der Persönlichkeit und ihrer schöpferischen Leistung; Festschrift für Heinrich Hubmann zum 70. Geburtstag (1985) Festschrift für Heinz Hübner zum 70. Geburtstag (1984) Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag (2007) Wie würden Sie entscheiden? Festschrift für Gerd Jauch zum 65. Geburtstag (1990) Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, 2 Bde. (1985) Festschrift zum 125 jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin (1984) Internationale Perspektiven in Kriminologie und Strafrecht: Festschrift für Günther Kaiser zum 70. Geburtstag, 2 Bde. (1998) Jenseits des Funktionalismus: Arthur Kaufmann zum 65. Geburtstag (1989) Strafgerechtigkeit: Festschrift für Arthur Kaufmann zum 70. Geburtstag (1993) Tübinger Festschrift für Eduard Kern (1968) Strafverfahren im Rechtsstaat: Festschrift für Theodor Kleinknecht zum 75. Geburtstag (1985) Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, 2 Bde. (1983) Strafverteidigung und Strafprozeß, Festgabe für Ludwig Koch (1989) Festschrift für Günter Kohlmann zum 70. Geburtstag (2003) Probleme der Strafrechtserneuerung: Eduard Kohlrausch zum 70. Geburtstage dargebracht (1944; Nachdruck 1978) Festschrift der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln (1988) Recht und Kriminalität: Festschrift für Friedrich-Wilhelm Krause zum 70. Geburtstag (1990) Festschrift für Wilfried Küper zum 70. Geburtstag (2007) Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag (1987)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Festschrift Lampe
Festschrift Lange Festschrift Laufs Festschrift Leferenz Festschrift Lenckner Festschrift Lüderssen Festschrift Maihofer Festschrift Maiwald Festschrift Mangakis Festschrift Maurach Festschrift H. Mayer Festschrift Meyer-Goßner Festschrift Mezger Festschrift Middendorff Festschrift Miyazawa Festschrift E. Müller Festschrift Müller-Dietz I Festschrift Müller-Dietz II Festschrift Nehm Festschrift Nishihara Festschrift Odersky Festschrift Oehler Festschrift Pallin Festschrift Partsch
Festschrift Peters Festschrift Pfeiffer
Festschrift Pfenniger Festschrift Platzgummer Festschrift Pötz Festschrift Rasch Festschrift Rebmann
Jus humanum: Grundlagen des Rechts und Strafrechts, Festschrift für Ernst-Joachim Lampe zum 70. Geburtstag (2003) Festschrift für Richard Lange zum 70. Geburtstag (1976) Humaniora, Medizin - Recht - Geschichte, Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag (2006) Kriminologie - Psychiatrie - Strafrecht: Festschrift für Heinz Leferenz zum 70. Geburtstag (1983) Festschrift für Theodor Lenckner zum 70. Geburtstag (1998) Festschrift für Klaus Lüderssen zum 70. Geburtstag (2002) Rechtsstaat und Menschenwürde: Festschrift für Werner Maihofer zum 70. Geburtstag (1988) Fragmentarisches Strafrecht, Für Manfred Maiwald aus Anlass seiner Emeritierung (2003) Strafrecht - Freiheit - Rechtsstaat: Festschrift für Georgios Mangakis (1999) Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag (1972) Beiträge zur gesamten Strafrechtswissenschaft: Festschrift für Hellmuth Mayer zum 70. Geburtstag (1966) Festschrift für Lutz Meyer-Goßner zum 65. Geburtstag (2001) Festschrift für Edmund Mezger zum 70. Geburtstag (1954) Festschrift für Wolf Middendorff zum 70. Geburtstag (1986) Festschrift für Koichi Miyazawa: dem Wegbereiter des japanisch-deutschen Strafrechtsdiskurses (1995) Opuscula Honoraria, Egon Müller zum 65. Geburtstag (2003) D a s Recht und die schönen Künste: Heinz Müller-Dietz zum 65. Geburtstag (1998) Grundlagen staatlichen Strafens: Festschrift für HeinzMüller-Dietz zum 70. Geburtstag (2001) Strafrecht und Justizgewährung, Festschrift für Kay N e h m zum 65. Geburtstag (2006) Festschrift für H a r u o Nishihara zum 70. Geburtstag (1998) Festschrift für Walter Odersky zum 65. Geburtstag (1996) Festschrift für Dietrich Oehler zum 70. Geburtstag (1985) Strafrecht, Strafprozeßrecht und Kriminologie: Festschrift für Franz Pallin zum 80. Geburtstag (1989) Des Menschen Recht zwischen Freiheit und Verantwortung, Festschrift für Karl Josef Partsch zum 75. Geburtstag (1989) Einheit und Vielfalt des Strafrechts: Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag (1974) Strafrecht, Unternehmensrecht, Anwaltsrecht: Festschrift für Gerd Pfeiffer zum Abschied aus dem Amt als Präsident des Bundesgerichtshofes (1988) Strafprozeß und Rechtsstaat, Festschrift zum 70. Geburtstag von H. F. Pfenniger (1976) Festschrift für Winfried Platzgummer zum 65. Geburtstag (1995) s. Festschrift GA Die Sprache des Verbrechens - Wege zu einer klinischen Kriminologie: Festschrift für Wilfried Rasch (1993) Festschrift für Kurt Rebmann zum 65. Geburtstag (1989)
XXXIX
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Festschrift Reichsgericht
Festschrift Reichsjustizamt
Festschrift Richterakademie Festschrift Rieß Festschrift Richter Festschrift Rittler Festschrift Rolinski Festschrift Rosenfeld Festschrift Roxin Festschrift Rudolphi Festschrift Salger
Festschrift Sarstedt Festschrift Sauer Festschrift G. Schäfer Festschrift K. Schäfer Festschrift Schaffstein Festschrift Schewe
Festschrift Schleswig-Holstein
Festschrift Schlüchter
Festschrift Schmid Festschrift Eb. Schmidt Festschrift Schmidt-Leichner Festschrift Schmitt Festschrift Schneider
Festschrift Schreiber Festschrift Schroeder Festschrift Schüler-Springorum
XL
Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts, Bd. 5, Strafrecht und Strafprozeß (1929) Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des Reichsjustizamtes am 1.1.1877 (1977) Justiz und Recht: Festschrift aus Anlaß des 10jährigen Bestehens der Deutschen Richterakademie in Trier (1983) Festschrift für Peter Rieß zum 70. Geburtstag (2002) Verstehen und Widerstehen, Festschrift für Christian Richter II zum 65. Geburtstag (2006) Festschrift für Theodor Rittler zu seinem 80. Geburtstag (1957) Festschrift für Klaus Rolinski zum 70. Geburtstag (2002) Festschrift für Ernst Heinrich Rosenfeld zu seinem 80. Geburtstag (1949) Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag (2001) Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi zum 70. Geburtstag (2004) Straf- und Strafverfahrensrecht, Recht und Verkehr, Recht und Medizin: Festschrift für Hannskarl Saiger zum Abschied aus dem Amt als Vizepräsident des Bundesgerichtshofes (1995) Festschrift für Werner Sarstedt zum 70. Geburtstag (1981) Festschrift für Wilhelm Sauer zu seinem 70. Geburtstag (1949) NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer zum 65. Geburtstag (2002) Festschrift für Karl Schäfer zum 80. Geburtstag (1980) Festschrift für Friedrich Schaffstein zum 70. Geburtstag (1975) Medizinrecht - Psychopathologie - Rechtsmedizin: diesseits und jenseits der Grenzen von Recht und Medizin: Festschrift für Günter Schewe zum 60. Geburtstag (1991) Strafverfolgung und Strafverzicht: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Staatsanwaltschaft SchleswigHolstein (1992) Freiheit und Verantwortung in schwieriger Zeit: kritische Studien aus vorwiegend straf(prozeß)rechtlicher Sicht zum 60. Geburtstag von Ellen Schlüchter (1998) Recht, Justiz, Kritik: Festschrift für Richard Schmid zum 85. Geburtstag (1985) Festschrift für Eberhard Schmidt zum 70. Geburtstag (1961) Festschrift für Erich Schmidt-Leichner zum 65. Geburtstag (1977) Festschrift für Rudolf Schmitt zum 70. Geburtstag (1992) Kriminologie an der Schwelle zum 21. Jahrhundert: Festschrift für Hans Joachim Schneider zum 70. Geburtstag (1998) Strafrecht, Biorecht, Rechtsphilosophie, Festschrift für Hans-Ludwig Schreiber zum 70. Geburtstag (2003) Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder (2006) Festschrift für Horst Schüler-Springorum zum 65. Geburtstag (1993)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Festschrift Schwind
Festschrift Schwinge Festschrift Sendler Festschrift Spendel Festschrift Spinellis Festschrift Stock Festschrift Stree/Wessels Festschrift Stutte Festschrift Tiedemann
Festschrift Trechsel Festschrift Triffterer Festschrift Tröndle Festschrift Tübingen
Festschrift Venzlaff Festschrift Waseda
Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen, Festschrift für Hans-Dieter Schwind zum 70. Geburtstag (2006) Persönlichkeit in der Demokratie: Festschrift für Erich Schwinge zum 70. Geburtstag (1973) Bürger-Richter-Staat, Festschrift für Horst Sendler zum Abschied aus seinem Amt (1991) Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag (1992) Die Strafrechtswissenschaft im 21. Jahrhundert: Festschrift für Dionysios Spinellis, 2 Bde. (2001 ) Studien zur Strafrechtswissenschaft: Festschrift für Ulrich Stock zum 70. Geburtstag (1966) Beiträge zur Rechtswissenschaft: Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag (1993) Jugendpsychiatrie und Recht: Festschrift für Hermann Stutte zum 70. Geburtstag (1979) Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht: Dogmatik, Rechtsvergleich, Rechtstatsachen; Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag (2008) Strafrecht, Strafprozessrecht und Menschenrechte, Festschrift für Stefan Trechsel zum 65. Geburtstag (2002) Festschrift für Otto Triffterer zum 65. Geburtstag (1996) Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag (1989) Tradition und Fortschritt im Recht: Festschrift gewidmet der Tübinger Juristenfakultät zu ihrem 500jährigen Bestehen 1977 von ihren gegenwärtigen Mitgliedern (1977) Forensische Psychiatrie - Entwicklungen und Perspektiven: Festschrift für Ulrich Venzlaff zum 85. Geburtstag (2006) Recht in Ost und West: Festschrift zum 30jährigen Jubiläum des Instituts für Rechtsvergleichung der WasedaUniversität (1988)
Festschrift Wassermann
Festschrift für Rudolf Wassermann zum 60. Geburtstag (1985) Festschrift v. Weber Festschrift für Hellmuth von Weber zum 70. Geburtstag (1963) Festschrift Weber Festschrift für Ulrich Weber zum 70. Geburtstag (2004) Festschrift Welzel Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag (1974) Festschrift Wolf Mensch und Recht: Festschrift für Erik Wolf zum 70. Geburtstag (1972) Festschrift Wolff Festschrift für E. A. Wolff zum 70. Geburtstag (1998) Festschrift Würtenberger Kultur, Kriminalität, Strafrecht: Festschrift für Thomas Würtenberger zum 70. Geburtstag (1977) Festschrift Würzburger Juristenfakultät Raum und Recht, Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät (2002) Festschrift für Wolfgang Zeidler (1987) Festschrift Zeidler 175 Jahre Pfälzisches Oberlandesgericht: 1815 AppellaFestschrift Zweibrücken tionshof, Oberlandesgericht 1990 (1990) Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kurzkommentar, Fischer 55. Aufl. (2007); bis zur 54. Auflage Tröndle/Fischer Alkohol und Schuldfähigkeit (1997) Forster/Joachim Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich nebst dem Frank Einführungsgesetz, 18. Aufl. (1931) s. Tiedemann Freiburg-Symposium Freund AT Strafrecht, Allgemeiner Teil (1998)
XLI
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Frisch, Vorsatz und Risiko Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten Frister Gallas, Beiträge Gedächtnisschrift Delitala Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gedächtnisschrift Gimbernat u. a.
Armin Kaufmann H. Kaufmann Keller Meurer K. Meyer Noll H. Peters Radbruch Schlüchter Schröder Tjong Vogler Zipf
Gössel I, II
Gössel/Dölling Gropp AT Grundfragen
Haft AT, B T Hanack-Symposium Hefendehl
Heinrich v. Hippel I, II Hruschka
Jakobs AT Jescheck, Beiträge I, II
Jescheck/Weigend Joecks
XLII
Vorsatz und Risiko: Grundfragen des tatbestandsmäßigen Verhaltens und des Vorsatzes (1983) Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs (1988) Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (2007) Beiträge zur Verbrechenslehre (1968) Gedächtnisschrift für (Studi in memoria di) Giacomo Delitala (3 Bde.) (1984) Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann (1989) Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann (1986) Gedächtnisschrift für Rolf Keller (2003) Gedächtnisschrift für Dieter Meurer (2002) Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer (1990) Gedächtnisschrift für Peter Noll (1984) Gedächtnisschrift für Hans Peters (1967) Gedächtnisschrift für Gustav Radbruch (1968) Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter (2002) Gedächtnisschrift für Horst Schröder (1978) Gedächtnisschrift für Zong Uk Tjong (1985) Gedächtnisschrift für Theo Vogler (2004) Gedächtnisschrift für Heinz Zipf (1999) Internationale Dogmatik der objektiven Zurechnung und der Unterlassungsdelikte: Spanisch-Deutsches Symposium zu Ehren von Claus Roxin, hrsg. v. Gimbernat u. a. (1995) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1 : Delikte gegen immaterielle Rechtsgüter des Individuums (1987), 2 . Aufl. (1999); Bd. 2 : Straftaten gegen materielle Rechtsgüter des Individuums (1996) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1 : Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 2. Aufl. (2004) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3. Auflage (2005) Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, hrsg. v. Schünemann (1984) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl. (2004); Besonderer Teil, 8. Aufl. (2004) s. Ebert Empirische Erkenntnisse, dogmatische Fundamente und kriminalpolitischer Impetus. Symposium für Bernd Schünemann zum 60. Geburtstag, hrsg. v. Hefendehl (2005) Strafrecht AT I und II (2005) Deutsches Strafrecht, Bd. 1 (1925), Bd. 2 (1930) Strafrecht nach logisch-analytischer Methode, 2 . Aufl. (1988) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2 . Aufl. (1993) Strafrecht im Dienste der Gemeinschaft: ausgewählte Beiträge zur Strafrechtsreform, zur Strafrechtsvergleichung, zum internationalen Strafrecht, 1 9 5 3 - 1 9 7 9 (1980) (I); Beiträge zum Strafrecht 1 9 8 0 - 1 9 9 8 (1998) (II), jew. hrsg. v. Vogler Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. (1996) Strafgesetzbuch, Studienkommentar, 6. Aufl. 2 0 0 5
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Kienapfel AT Kienapfel, Urkunden Kindhäuser AT, BT I, II
Kindhäuser LPK Köhler AT Kohlrausch/Lange Krey AT I, II
Krey/Heinrich Krey/Hellmann Kühl AT Küper BT Küpper BT
Lackner/Kühl v. Liszt, Aufsätze v. Liszt/Schmidt AT, BT LK11
Madrid-Symposium Manoledakis/Prittwitz
Maurach AT, BT Maurach/Zipf Maurach/Gössel/Zipf Maurach/Schroeder/Maiwald I, II
H. Mayer AT H. Mayer, Strafrecht H. Mayer, Studienbuch Mezger, Strafrecht Mitsch BT 1, 2
MK
Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. (1984) Urkunden und andere Gewährschaften (1979) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. (2008); Besonderer Teil I: Straftaten gegen Persönlichkeitsrechte, Staat und Gesellschaft, 3. Aufl. (2007); Besonderer Teil II: Straftaten gegen Vermögensrechte, 5. Aufl. (2008) Strafgesetzbuch, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Aufl. (2006) Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil (1997) Strafgesetzbuch mit Erläuterungen und Nebengesetzen, 43. Aufl. (1961) Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1: Grundlagen, Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld, 2. Aufl. 2004; Bd. 2: Täterschaft und Teilnahme, 2. Aufl. (2005) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1: Besonderer Teil ohne Vermögensdelikte, 13. Aufl. (2005) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 2: Vermögensdelikte, 14. Aufl. (2005) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. (2005) Strafrecht, Besonderer Teil, 7. Aufl. (2008) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1: Delikte gegen Rechtsgüter der Person und Gemeinschaft, 3. Aufl. (2007) Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 26. Aufl. (2007) Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, 2 Bde. (1925) Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Allgemeiner Teil, 26. Aufl. (1932); Besonderer Teil, 25. Aufl. (1925) Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, hrsg. v. Jähnke/Laufhütte/Odersky, 11. Aufl. (1992-2006)
s. Schünemann/Suárez Strafrechtsprobleme an der Jahrtausendwende: DeutschGriechisches Symposium in Rostock 1999, hrsg. v. Manoledakis/Prittwitz (2000) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. (1971); Besonderer Teil, 5. Aufl. (1969) mit Nachträgen von 1970/71 Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilbd. 1 : Grundlehren des Strafrechts und Aufbau der Straftat, 8. Aufl. (1992) Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilbd. 2: Erscheinungsformen des Verbrechens und Rechtsfolgen der Tat, 7. Aufl. (1989) Strafrecht, Besonderer Teil, Teilbd. 1: Straftaten gegen Persönlichkeits- und Vermögenswerte, 9. Aufl. (2003); Teilbd. 2: Straftaten gegen Gemeinschaftswerte, 9. Aufl. (2005) Strafrecht, Allgemeiner Teil (1953) Das Strafrecht des deutschen Volkes (1936) Strafrecht, Allgemeiner Teil, Studienbuch (1967) Strafrecht, Lehrbuch, 3. Aufl. (1949) (ergänzt durch: Moderne Wege der Strafrechtsdogmatik [1950]) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 2: Vermögensdelikte, Teilbd. 1: Kernbereich, 2. Aufl. (2003); Teilbd. 2: Randbereich (2001) Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Joecks/Miebach (ab 2003)
XLIII
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Naucke Niederschriften I - X I V Niethammer NK
Oehler v. Olshausen
Otto AT, B T
Pfeiffer/Maul/Schulte Preisendanz Puppe Rengier B T 1, 2
Rostock-Symposium Roxin AT I Roxin AT II Roxin TuT Roxin/Stree/Zipf/Jung Roxin-Symposium Sack Sauer AT, B T Schäfer/v. Dohnanyi Schmidt-Salzer Schmidhäuser Schmidhäuser AT, BT, StuB
Schöch
Schönke/Schröder Schroth BT Schünemann/de Figueiredo Dias
Schünemann/Suárez
XLIV
Strafrecht, Eine Einführung, 11. Aufl. (2008) Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 14 Bde. ( 1 9 5 6 - 1 9 6 0 ) Lehrbuch des Besonderen Teils des Strafrechts (1950) Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, 1. Auflage Loseblatt (1995 ff); 2. Aufl. gebunden (2005) Internationales Strafrecht, 2. Aufl. (1983) Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 12. Aufl. (§§ 1 - 2 4 6 ) bearb. von Freiesleben u. a. (1942 ff); sonst 11. Aufl. bearb. von Lorenz u. a. (1927) Grundkurs Strafrecht: Allgemeine Strafrechtslehre/Die einzelnen Delikte, jeweils 7. Aufl. (2005) Strafgesetzbuch, Kommentar an Hand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (1969) Strafgesetzbuch, Lehrkommentar, 30. Aufl. (1978) Strafrecht Allgemeiner Teil, Band 1 (2002); Band 2 (2005) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1 : Vermögensdelikte, 10. Aufl. (2007); Bd. 2: Delikte gegen die Person und Allgemeinheit, 9. Aufl. (2008) s. Manoledakis/Prittwitz Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1: Grundlagen - Der Aufbau der Verbrechenslehre, 4. Aufl. (2005) Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 2: Besondere Erscheinungsformen der Straftat (2003) Täterschaft und Tatherrschaft, 8. Aufl. (2006) Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975) s. Gimbernat Umweltschutz-Strafrecht, Erläuterung der Straf- und Bußgeldvorschriften, Loseblattausgabe, 4. Aufl. (1997 ff) Allgemeine Strafrechtslehre, 3. Aufl. (1955); System des Strafrechts, Besonderer Teil (1954) Die Strafgesetzgebung der Jahre 1931 bis 1935 (1936) (Nachtrag zur 18. Aufl. von Frank: das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich [1931]) Produkthaftung, Bd. 1: Strafrecht, 2. Aufl. (1988) Einführung in das Strafrecht, 2. Aufl. (1984) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1975); Besonderer Teil, 2. Aufl. (1983); Studienbuch: Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1984) Wiedergutmachung und Strafrecht: Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstages von Friedrich Schaffstein, hrsg. v. Schöch (1987) Strafgesetzbuch, Kommentar, 27. Aufl. (2006) Strafrecht, Besonderer Teil, 4. Aufl. (2005) Bausteine des Europäischen Strafrechts: Coimbra-Symposium für Claus Roxin, hrsg. v. Schünemann/de Figueiredo Dias (1995) Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts: Madrid-Symposium für Klaus Tiedemann, hrsg. v. Schünemann/Suárez (1994)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Sieber SK
Stratenwerth/Kuhlen AT
Tendenzen der Kriminalpolitik
Tiedemann
Tiedemann, Tatbestandsfunktionen Walter, Kern des Strafrechts v. Weber Welzel, Strafrecht Welzel, Strafrechtssystem Wessels/Beulke Wessels/Hettinger Wessels/Hillenkamp WK
Zieschang AT Zieschang Gefährdungsdelikte
Verantwortlichkeit im Internet (1999) Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Loseblattausgabe, Bd. 1: Allgemeiner Teil, 8. Aufl. (2001 ff); Bd. 2: Besonderer Teil, 7. Aufl. (1999 ff) Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1: Die Straftat, 5. Aufl. (2004) Neuere Tendenzen der Kriminalpolitik, Beiträge zu einem deutsch-skandinavischen Strafrechtskolloquium, hrsg. v. Cornils/Eser (1987) Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union, Harmonisierungsvorschläge zum Allgemeinen und Besonderen Teil (Freiburg-Syposium), hrsg. v. Tiedemann (2002) Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht (1969) Der Kern des Strafrechts (2006) Grundriß des deutschen Strafrechts, 2. Aufl. (1948) Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. (1969) Das neue Bild des Strafrechtssystems, 4. Aufl. (1961) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 37. Aufl. (2007) Strafrecht, Besonderer Teil 1: Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 31. Aufl. (2007) Strafrecht, Besonderer Teil 2: Straftaten gegen Vermögenswerte, 30. Aufl. (2007) Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch - StGB; hrsg. v. Höpfl/Ratz, 2. Aufl. (1999 ff) Strafrecht, Allgemeiner Teil (2005) Die Gefährdungsdelikte (1998)
2. Betäubungsmittelstrafrecht Franke/Wienroeder Joachimski/Haumer Körner Webel Weber
Betäubungsmittelgesetz, Kommentar, 3. Aufl. (2007) Betäubungsmittelgesetz (mit ergänzenden Bestimmungen), Kommentar, 7. Aufl. (2002) Betäubungsmittelgesetz, (ab 4. Aufl.) Arzneimittelgesetz, Kurzkommentar, 6. Aufl. (2007) Betäubungsmittelstrafrecht (2003 ) Betäubungsmittelgesetz, Verordnungen zum BtMG, Kommentar, 2. Aufl. (2003)
3. Bürgerliches Recht und InsO FK InsO HK InsO Jaeger, InsO M K BGB M K InsO
Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg. v. Wimmer, 4. Aufl. (2004) Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg. v. Eickmann, 4. Aufl. (2006) Insolvenzordnung, Großkommentar, hrsg. v. Henckel/ Gerhardt (2004 ff) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Auflage (ab 2000), hrsg. von Rebmann/Säcker/Rixecker Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (ab 2001), hrsg. von Kirchhof/Lwowski/Stürner
XLV
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Palandt
RGRK
Smid InsO
Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz (Auszug), Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Verbraucherkreditgesetz, Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften, Kurzkommentar, 67. Aufl. (2008) Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes (Reichsgerichtsrätekommentar), hrsg. v. Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, 12. Aufl. (1974-2000) Insolvenzordnung (InsO) mit Insolvenzrechtlicher Vergütungsverordnung (InsW), Kommentar, 2. Aufl. (2001)
4. DDR-Strafrecht StGB-Komm.-DDR StGB-Lehrb.-DDR AT, BT StGB-Lehrb.-DDR 1988 StPO-Komm.-DDR StPO-Lehrb.-DDR
Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik, Kommentar, 5. Aufl. (1987) Strafrecht der DDR, Lehrbuch: Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1976); Besonderer Teil (1981) Strafrecht der DDR, Lehrbuch, Allgemeiner Teil (1988) Strafprozeßrecht der Deutschen Demokratischen Republik, Kommentar, 3. Aufl. (1989) Strafverfahrensrecht, Lehrbuch, 3. Aufl. (1987)
5. Europäisches Recht Bleckmann Geiger Grabitz/Hilf
Hailbronner/Klein/Magiera/ Müller-Graff HdEuropR Hecker Immenga/Mestmäcker EG Satzger Schweitzer/Hummer Streinz
Europarecht, 6. Aufl. (1997) EUV, EGV, Kommentar 4. Aufl. (2004); (1. und 2. Aufl. unter dem Titel: EG-Vertrag) Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Loseblattausgabe, Altbd. I, II, hrsg. v. Grabitz/Hilf (1983 ff) (jew. bearb. v. Bandilla u. a.); Bd. 1 EUV/EGV, hrsg. v. Meinhard Hilf (bearb. v. Bandilla u. a.); Bd. 2 EUV/EGV, hrsg. v. Meinhard Hilf (bearb. v. Brühann u. a.); Bd. 3 Sekundärrecht: A EG-Verbraucher- und Datenschutzrecht, hrsg. v. Manfred Wolf; Bd. 4 Sekundärrecht: E EG-Außenwirtschaftsrecht, hrsg. v. Hans Günter Krenzier Handkommentar zum Vertrag über die Europäische Union (EUV/EGV), Loseblattausgabe (1991 ff) Handbuch des Europäischen Rechts, Loseblattausgabe, hrsg. v. Bieber/Ehlermann (1982 ff) Europäisches Strafrecht, 2. Aufl. (2007) Wettbewerbsrecht EG, 2 Bde., hrsg. v. Immenga/Mestmäcker, 4. Aufl. (2007) (bearb. v. Basedow u.a.) Internationales und Europäisches Strafrecht, 2. Aufl. (2008) Europarecht, 6. Aufl. (2008) Europarecht, 8. Aufl. (2008)
6. Jugendstrafrecht AKJGG Brunner
XLVI
Kommentar zum Jugendgerichtsgesetz - Reihe Alternativkommentare, hrsg. v. Wassermann (1987) Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Aufl. (1991)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Brunner/Dölling Böhm Diemer/Schoreit/Sonnen Eisenberg JGG Laubenthal/Baier Ostendorf JGG Schaffstein/Beulke Streng Walter, Jugendkriminalität
Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Aufl. (2002) Einführung in das Jugendstrafrecht, 4. Aufl. (2004) Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 5. Aufl. (2008) Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 12. Aufl. (2007) Jugendstrafrecht (2006) Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 7. Aufl. (2007) Jugendstrafrecht, 14. Aufl. (2002) Jugendstrafrecht (2003) Jugendkriminalität: eine systematische Darstellung, 3. Aufl. (2005)
7. Kriminologie Dittmann, Volker Eisenberg, Kriminologie Göppinger Göppinger/Bock HwbKrim
Kaiser Kaiser, Einführung Meier Mezger, Kriminologie Schneider Schwind
Kriminologie zwischen Grundlagenwissenschaften und Praxis, hrsg. von Volker Dittmann (2003) Kriminologie, 6. Aufl. (2005) Kriminologie, 4. Aufl. (1980) Kriminologie, 6. Aufl. (2008) Handwörterbuch der Kriminologie, hrsg. v. Sieverts/Schneider, Bd. 1-3, Ergänzungsband (4. Bd.), Nachtrags- und Registerband (5. Bd.), 2. Aufl. (1966-1998) Kriminologie, Lehrbuch, 2. Aufl. (1988), 3. Aufl. (1996) Kriminologie: eine Einführung in die Grundlagen, 8. Aufl. (1989), 9. Aufl. (1993), 10. Aufl. (1997) Kriminologie, 3. Aufl. (2007) Kriminologie, Studienbuch (1951) Kriminologie, Lehrbuch, 3. Aufl. (1992) Kriminologie, 17. Aufl. (2007)
8. Ordnungswidrigkeitenrecht Bohnert Bohnert, Grundriss Göhler HK OWiG KK OWiG Mitsch OWiG Rebmann/Roth/Hermann
Kommentar zum Ordnungswidrigkeitenrecht, 2. Aufl. (2007) Ordnungswidrigkeitenrecht, Grundriss für Praxis und Ausbildung, 2. Aufl. (2004) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Kurzkommentar, 14. Aufl. (2006) Heidelberger Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, hrsg. v. Lemke u. a. (1999) Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, hrsg. v. Boujong, 3. Aufl. (2006) Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Aufl. (2005) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten: Kommentar, Loseblattausgabe (2002 ff)
9. Presserecht Groß Löffler
Soehring
Presserecht, 3. Aufl. (1999) Presserecht, Kommentar, Bd. 1: Allgemeine Grundlagen, Verfassungs- und Bundesrecht, 2. Aufl. (1969); Bd. 1 (in der 2. Aufl. noch Bd. 2): Die Landespressegesetze der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl. (2006) Presserecht, 3. Aufl. (2000)
XLVII
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur 10. Rechtshilfe Grützner/Pötz Hackner/Lagodny/ Schomburg/Wolf Schomburg/Lagodny/ Gleß/Hackner Vogler/Wilkitzki
Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Loseblattausgabe, 2. Aufl. (1980 ff) Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (2003) Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. (2006) Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), Kommentar, Loseblattausgabe (1992 ff) als Sonderausgabe aus Grützner/Pötz (siehe dort)
11. Rechtsmedizin und Arztrecht Forster Forster/Ropohl HfPsych I, II
Laufs Laufs, Fortpflanzungsmedizin Psychiatrische Begutachtung Rieger Ulsenheimer
Praxis der Rechtsmedizin (1986) Rechtsmedizin, 5. Aufl. (1989) Handbuch der forensischen Psychiatrie, hrsg. v. Göppinger/ Witter, Bd. 1: Teil A (Die rechtlichen Grundlagen) und Β (Die psychiatrischen Grundlagen); Bd. 2: Teil C (Die forensischen Aufgaben der Psychiatrie) und D (Der Sachverständige, Gutachten und Verfahren) (jew. 1972) Arztrecht, 6. Aufl. (2001) Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht (1992) Ein praktisches Handbuch für Arzte und Juristen, hrsg. v. Venzlaff, 4. Aufl. (2004) Lexikon des Arztrechts, Loseblatt, 2. Aufl. (2001 ff) Arztstrafrecht in der Praxis, 3. Aufl. (2003)
12. Strafprozeß- und Strafvollzugsrecht AKStPO
AK StVollzG Arloth/Lückemann Beulke Bringewat Calliess/Müller-Dietz H K StPO Isak/Wagner Jessnitzer Joecks Kamann Kammeier KK
Kleinknecht/Meyer-Goßner
XLVIII
Kommentar zur Strafprozeßordnung - Reihe Alternativkommentare, hrsg. v. Wassermann, Bd. 1 (1988), Bd. 2 Teilbd. 1 (1992), Bd. 2 Teilbd. 2 (1993), Bd. 3 (1996) Kommentar zum Strafvollzugsgesetz - Reihe Alternativkommentare, hrsg. v. Wassermann, 3. Aufl. (1990) Strafvollzugsgesetz, Kommentar (2004) Strafprozeßrecht, 10. Aufl. (2008) Strafvollstreckungsrecht: Kommentar zu den §§ 449-463d StPO (1993) Strafvollzugsgesetz, Kurzkommentar, 10. Aufl. (2005) Heidelberger Kommentar zur Strafprozeßordnung, hrsg. v. Lemke u. a., 3. Aufl. (2001) Strafvollstreckung, 7. Aufl. (2004); vormals: Wetterich/Hamann Der gerichtliche Sachverständige, 12. Aufl. (2006) Studienkommentar StPO (2006) Handbuch für die Strafvollstreckung und den Strafvollzug, 2. Aufl. (2008) Maßregelvollzugsrecht, Kommentar, 2. Aufl. (2002) Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz mit Einführungsgesetz, hrsg. v. Pfeiffer, 6. Aufl. (2008) Strafprozeßordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen, Kurzkommentar, 46. Aufl. (2003); nunmehr: Meyer-Goßner
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur KMR
Kramer Kühne, Strafprozeßlehre Kühne, Strafprozessrecht LR
Marschner/Volckart Meyer-Goßner
Müller Peters Pfeiffer Pohlmann/Jabel/Wolf Putzke Roxin, Strafverfahrensrecht Roxin/Arzt/Tiedemann Saage/Göppinger Sarstedt/Hamm Schäfer, Strafverfahren Schäfer, Strafzumessung Schätzler Eb. Schmidt, Lehrkommentar I—III
Schwind/Böhm/Jehle SK StPO
sLSK Volckart Walter, Strafvollzug
Kleinknecht/Müller/Reitberger (Begr.), Kommentar zur Strafprozeßordnung, Loseblattausgabe, 8. Aufl. (1990 ff), ab 14. Lfg. hrsg. von v. Heintschel-Heinegg/Stöckel Grundbegriffe des Strafverfahrensrechts: Ermittlung und Verfahren, 6. Aufl. (2004) Strafprozeßlehre, 4. Aufl. (1993) Strafprozessrecht, 7. Aufl. (2007) Löwe-Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz mit Nebengesetzen, Großkommentar, 26. Aufl. (2006 ff) Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl. (2001 ) (vormals Saage/Göppinger) Strafprozeßordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen, Kurzkommentar, 51. Aufl. (2008) vormals Kleinknecht/Meyer-Goßner Beiträge zum Strafprozessrecht (2003) Strafprozeß, Ein Lehrbuch, 4. Aufl. (1985) Strafprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz, 5. Aufl. (2005) Strafvollstreckungsordnung, Kommentar, 8. Aufl. (2001) Strafprozessrecht (2005) Studienbuch, 25. Aufl. (1998) Einführung in das Strafrecht und Strafprozeßrecht, 5. Auflage (2006) Freiheitsentziehung und Unterbringung, 3. Aufl. (1994) (ab der 4. Auflage Marschner/Volckart) Die Revision in Strafsachen, 6. Aufl. (1998) Die Praxis des Strafverfahrens, 7. Aufl. (2008) Die Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl. (2008) Handbuch des Gnadenrechts, 2. Aufl. (1992) Strafprozeßordnung, Lehrkommentar, Bd. 1: Die rechtstheoretischen und die rechtspolitischen Grundlagen des Strafverfahrensrechts, 2. Aufl. (1964); Bd. 2: Erläuterungen zur Strafprozeßordnung und zum Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung (1957) (mit Nachtragsband 1 [1967] und 2 [1970]); Bd. 3: Erläuterungen zum Gerichtsverfassungsgesetz und zum Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (1960) Strafvollzugsgesetz, Kommentar, 4. Auflage (2005) Systematischer Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, Loseblattausgabe (1986 ff) Systematischer Leitsatzkommentar zum Sanktionenrecht, hrsg. v. Horn, Loseblattausgabe (1983 ff) Maßregelvollzug, 6. Aufl. (2002) Strafvollzug, 2. Aufl. (1999)
13. Strahlenschutzrecht Fischerhof Haedrich Mattern/Raisch
Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht; Bd. 1 und 2, 2. Aufl. (1978) Atomgesetz mit Pariser Atomhaftungs-Übereinkommen, Kommentar (1986) Atomgesetz, Kommentar (1961)
XLIX
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Winters
Atom- und Strahlenschutzrecht, Kommentar, mit Atomgesetz, Atomhaftungsübereinkommen, Strahlenschutzverordnung, Deckungsvorsorgeverordnung, Verfahrensverordnung, Kostenverordnung und Röntgenverordnung (1978)
14. Straßenverkehrsrecht Bär/Hauser Cramer Full/Möhl/Rüth Hentschel, Straßenverkehrsrecht
Hentschel Hentschel/Born Himmelreich/Bücken Himmelreich/Hentschel HKStVR Janker Jagow/Burmann/Heß Jagusch/Hentschel Janiszewski Mühlhaus/Janiszewski Müller I—III Rüth/Berr/Berz
Unfallflucht, Kommentar, Loseblattausgabe (1978 ff) Straßenverkehrsrecht, Bd. 1: StVO, StGB, 2. Aufl. (1977) Straßenverkehrsrecht: Kommentar (1980) mit Nachtrag (1980/81) Straßenverkehrsrecht: Straßenverkehrsgesetz, Straßenverkehrs-Ordnung, Strassenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, Fahrerlaubnis-Verordnung, Bußgeldkatalog, Gesetzesmaterialien, Verwaltungsvorschriften und einschlägige Bestimmungen des StGB und StPO, 39. Aufl. (2007), vormals Jagusch/Hentschel Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, 10. Aufl. (2006) Trunkenheit im Straßenverkehr, 7. Aufl. (1996) Verkehrsunfallflucht: Verteidigerstrategien im Rahmen des § 142 StGB, 4. Aufl. (2005) Fahrverbot, Führerscheinentzug; Bd. 1 : Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, 8. Aufl. (1995) Heidelberger Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, hrsg. v. Griesbaum u. a. (1993) Straßenverkehrsdelikte: Ansatzpunkte für die Verteidigung (2002) Straßenverkehrsordnung, Kommentar, 20. Aufl. (2008); vormals: Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht, Kurzkommentar, 35. Aufl. (1999) Verkehrsstrafrecht, 5. Aufl. 2 0 0 4 Straßenverkehrsordnung, Kommentar, 15. Aufl. (1998); nunmehr: Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht, Großkommentar, 22. Aufl., Bd. 1 (1969) mit Nachtrag 1969, Bd. 2 (1969), Bd. 3 (1973) Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 2. Aufl. (1988)
15. Verfassungsrecht BK Dreier I—III
HdStR I - I X
Jarass/Pieroth
L
Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), Loseblattausgabe, hrsg. v. Dolzer/Vogel (1954 ff) Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1: Art. 1 - 1 9 (1996), 2. Aufl. (2004); Bd. 2: Art. 2 0 - 8 2 (1998); Bd. 3: Art. 8 3 - 1 4 6 (2000) Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Isensee/Kirchhof, Bd. 1, 3. Aufl. (2003); Bd. 2, 3. Aufl. (2004); Bd. 3, 3. Aufl. (2005); Bd. 4, 2. Aufl. (1999); Bd. 5, 2. Aufl. (2000); Bd. 6, 2. Aufl. (2001); Bd. 7 (1992); Bd. 8 (1995); Bd. 9 (1997) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Kommentar, 7. Aufl. (2004)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur v. Mangoldt/Klein/Starck
Maunz/Dürig Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Ulsamer v. Münch/Kunig Sachs Schmidt-Bleibtreu/Klein Stern I-V
Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1 (Artt. 1-19), Bd. 2 (Artt. 20-82), Bd. 3 (Artt. 83-146), 5. Aufl. (2005); früherer Titel: Das Bonner Grundgesetz Grundgesetz, Kommentar, Loseblattausgabe, 7. Aufl. (1991 ff) (bearb. v. Badura u. a.) Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, Loseblattausgabe, 3. Aufl. (1992 ff) Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl. (2000); Bd. 2, 4./5. Aufl. (2001); Bd. 3, 4./5. Aufl. (2003) Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage (2003) Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl. (2004) Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl. (1984); Bd. 2 (1980); Bd. 3/1 (1988); Bd. 3/2 (1994); Bd. 4 (1997); Bd. 5 (2000)
16. Wettbewerbs- und Kartellrecht Baumbach/Hefermehl
Emmerich, Kartellrecht Emmerich, Wettbewerbsrecht FK Kartellrecht [GWB]
Fezer v. Gamm Immenga/Mestmäcker GWB Hefermehl/Köhler/Bornkamm Köhler/Piper
Wettbewerbsrecht, Kurzkommentar, ab 23. Aufl. als Hefermehl/Köhler/Bornkamm: Wettbewerbsrecht weitergeführt Kartellrecht, Studienbuch, 10. Aufl. (2006) Unlauterer Wettbewerb, 7. Auflage (2004) Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, mit Kommentierung des GWB, des EG-Kartellrechts und einer Darstellung ausländischer Kartellrechtsordnungen, Loseblattausgabe, hrsg. v. Glassen u. a. (2001 ff) bis zur 44. Lfg. unter dem Titel: Frankfurter Kommentar zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Lauterkeitsrecht (Kommentar zum UWG) 2 Bände (2005) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 3. Aufl. (1993) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), Kommentar, hrsg. v. Immenga/Mestmäcker, 3. Aufl. (2001) Wettbewerbsrecht: Gesetz gegen den unlauteren Wett bewerb, Preisangabenverordnung 24. Aufl. (2006) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Kommentar, 4. Aufl. (2006) Wettbewerbs - und Kartellrecht, 7. Aufl. (2006)
Rittner/Kulka 17. Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Achenbach/Ransiek Bender Bittmann Franzen/Gast/Joecks
Geilen, Aktienstrafrecht
Greeve/Leipold Hellmann/Beckemper
Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, hrsg. v. Achenbach/ Ransiek (2004) Zoll- und Verbraucherstrafrecht (2006) Insolvenzstrafrecht, hrsg. von Bittmann (2004) Steuerstrafrecht: mit Steuerordnungswidrigkeiten und Verfahrensrecht; Kommentar zu §§ 369-412 AO 1977 sowie zu § 80 des ZollVG, 6. Aufl. (2005) Erläuterungen zu §§ 3 9 9 - 4 0 5 AktG von Gerd Geilen, Erläuterungen zu § 408 AktG von Wolfgang Zöllner (1984) (Sonderausgabe aus der 1. Aufl. des Kölner Kommentars zum Aktiengesetz) Handbuch des Baustrafrechts (2004) Wirtschaftsstrafrecht (2004)
LI
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Hübschmann/Hepp/Spitaler HWiStR
Joecks Klein, AO Kohlmann Müller-Gugenberger/Bieneck Otto, Aktienstrafrecht
Park Schröder (Chr.) Tiedemann, GmbH-Strafrecht Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, BT Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht I, II Wabnitz/Janovsky Weyand Ziouvas
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Loseblattausgabe, 10. Aufl. (1995 ff) (bearb. v. Söhn u.a.) Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, Loseblattausgabe (1985-1990), hrsg. v. Krekeler/Tiedemann u. a. Steuerstrafrecht, 3. Aufl. (2003) Abgabenordnung einschließlich Steuerstrafrecht, Kommentar, 9. Aufl. (2006) Steuerstrafrecht, Kommentar zu den §§ 3 6 9 - 4 1 2 AO 1977, Loseblattausgabe, 7. Aufl. (1997 ff) Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. (2006) Erläuterungen zu den §§ 399-410 AktG (1997) (Sonderausgabe aus der 4. Aufl. des Großkommentars zum Aktiengesetz) Kapitalmarktstrafrecht (2004) Kapitalmarktstrafrecht (2007) GmbH-Strafrecht (§§ 82-85 G m b H G und ergänzende Nebenvorschriften), 4. Aufl. (2002) Wirtschaftsstrafrecht, Einführung und Allgemeiner Teil (2004), Besonderer Teil (2006) Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität, Bd. 1 : Allgemeiner Teil; Bd. 2: Besonderer Teil (jew. 1976) Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 2. Aufl. (2004) Insolvenzdelikte, 6. Aufl. (2003) Das neue Kapitalmarktstrafrecht (2006)
18. Zivilprozessrecht Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann MK Z P O Musielak Rosenberg/Schwab/Gottwald Stein/Jonas/Bearbeiter Zöller
Zivilprozessordnung, 66. Aufl. (2008) Münchner Kommentar zur ZPO, 3. Aufl.(2007) Kommentar zur Zivilprozessordnung, 6. Aufl. (2008) Zivilprozessrecht, 16. Aufl. (2004) Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 22. Aufl. (2002 ff) Zivilprozessordnung, Kommentar, 26. Aufl. (2007)
19. Sonstiges Brownlie Corpus Juris
Dahm/Delbrück/Wolfrum Friauf/Fuhr Götz
LH
Principles of International Law, 6. Aufl. (2003) The Implementation of the Corpus Juris in the Member States/La mise en œuvre du Corpus Juris dans les Etats Membres, hrsg. v. Delmas-Marty/Vervaele (2000); Deutsche Version der Entwurfsfassung von 1997: DelmasMarty (Hrsg.), Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, Deutsche Übersetzung von Kleinke und Tully, Einführung von Sieber (1998) Völkerrecht, 2. Aufl., Band 1/1 (1989), Band 1/2 (2002), Band 1/3 (2002) Gewerbeordnung, Kommentar, Gewerberechtlicher Teil, Loseblattausgabe, hrsg. v. Friauf (2001 ff) Bundeszentralregistergesetz, Kommentar, 4. Aufl. (2000)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Herdegen HMmR HwbRW I-VIII
Ipsen Keller/Günther/Kaiser Kröger/Gimmy Landmann/Rohmer I, II
LdR Lüder Michalke Potrykus/Steindorf
Rebmann/Uhlig
Schölz/Lingens Seidl-Hohenveldern Seidl-Hohenveldern/Stein Shaw Strupp/Schlochauer Stuckenberg Tolzmann
Verdross/Simma Vitzthum Werle
Völkerrecht, 4. Aufl. (2005) Handbuch Multimedia-Recht, Loseblattausgabe, hrsg. v. Hoeren/Sieber (1998 ff) Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, hrsg. v. StierSomlo u. a., Bd. 1 (1926), Bd. 2 (1927), Bd. 3 (1928), Bd. 4 (1927), Bd. 5 (1928), Bd. 6 (1929), Bd. 7 (1931), Bd. 8 (1937) (unter dem Titel: Die Rechtsentwicklung der Jahre 1933 bis 1935/36) Völkerrecht, 5. Aufl. (2004) Embryonenschutzgesetz, Kommentar (1992) Handbuch zum Internetrecht, 2. Aufl. (2002) Gewerbeordnung und ergänzende Vorschriften, Kommentar, Loseblattausgabe, Bd. 1: Gewerbeordnung; Bd. 2: Ergänzende Vorschriften (jew. 1998 ff) Lexikon des Rechts: Strafrecht, Strafverfahrensrecht, hrsg. v. Ulsamer, 2. Aufl. (1996) Materialien zum Völkerstrafgesetzbuch: Dokumentation des Gesetzgebungsverfahrens (2002) Umweltstrafsachen 2. Aufl. (2000) Waffenrecht: Waffengesetz mit Durchführungsverordnungen, Kriegswaffenkontrollgesetz und Nebenbestimmungen, Kurzkommentar, 8. Aufl. (2003) Bundeszentralregister, Gewerbezentralregister, Verkehrszentralregister und ergänzende Bestimmungen, Kommentar (1985) Wehrstrafgesetz, Kommentar, 4. Aufl. (2000) Lexikon des Rechts - Völkerrecht, 2. Aufl (1992) Völkerrecht, 10. Aufl. (2000) International Law, 5. Aufl. (2003) Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Aufl., Band 1 (1960), Band 2 (1961), Band 3 (1962) Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht (2007) Bundeszentralregistergesetz, Kommentar, Zentralregister, Erziehungsregister und Gewerbezentralregister, Nachtrag zur 4. Aufl. mit Verwaltungsvorschriften (2003) Universelles Völkerrecht, 3. Auflage (1984) Völkerrecht, 4. Aufl. (2007) Völkerstrafrecht (2003)
LUI
Strafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 (RGBl. 1871, 127); neugefasst durch Bek. v. 13.11.1998 (BGBl. I 3322); zuletzt geändert durch Gesetz v. 8.4.2008 (BGBl. I 666)
ALLGEMEINER TEIL DRITTER ABSCHNITT Rechtsfolgen der Tat VIERTER TITEL Strafaussetzung zur Bewährung Schrifttum Benda Resozialisierung als Verfassungsauftrag, Festschrift Faller (1984) 307; Bruns Die Strafaussetzung zur Bewährung, GA 1956 193; Dötting Das Dreiundzwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz - Strafaussetzung zur Bewährung, NJW 1987 1041; ders. Die Weiterentwicklung der Sanktionen ohne Freiheitsentzug im deutschen Strafrecht, ZStW 104 (1992) 259; Doleisch v. Dolsperg Strafaussetzung zur Bewährung - Probleme aus der Praxis, StraFo 2005 45; Dünkel/Spieß Perspektiven der Strafaussetzung zur Bewährung und Bewährungshilfe im zukünftigen deutschen Strafrecht, BewH 1992 117; van Eis Die Ausdehnung der Umständeklausel bei der Strafaussetzung zur Bewährung, NJW 1978 359; Engel Zuständigkeit und Stellung des Staatsanwalts im Verfahren zur Bewährungsüberwachung, NStZ 1987 110; Frisch/Vogt (Hrsg.) Prognoseentscheidungen in der strafrechtlichen Praxis (1994); Greger Das 23. Strafrechtsänderungsgesetz, JR 1986 353; Grünhut Bedingte Verurteilung, ZStW 64 (1952) 127; Grünwald Offene Fragen im System der Hauptstrafen, Festschrift Schaffstein (1975) 219; Hohler Die Strafrechtsreform - Beginn einer Erneuerung, NJW 1969 1227; Horn Tatschuld - Interlokut und Strafzumessung, ZStW 85 (1973) 7; ders. Die nachträgliche Auflage nach § 56e StGB, MDR 1981 13; ders. „Bewährungsstrafe": Bewährung, sonst Strafe, ZRP 1990 81; ders. Empfehlen sich Änderungen und Ergänzungen bei den strafrechtlichen Sanktionen ohne Freiheitsentzug? JZ 1992 828; Horstkotte Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs nach dem 1. September 1969, NJW 1969 1601; Katholnigg Zur Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft in der Strafvollstreckung, NStZ 1982 195; Armin Kaufmann Die Strafaussetzung zur Bewährung und das Verbot der reformatio in peius, JZ 1958 297; Hilde Kaufmann Soll die Strafaussetzung zur Bewährung auch weiterhin beschränkt bleiben auf Gefängnisstrafen von nicht mehr als 9 Monaten? Erinnerungsgabe Grünhut (1965) 61; König Strafaussetzung zur Bewährung für Freiheitsstrafen von über zwei Jahren? ZRP 2001 67; Kröber Gang und Gesichtspunkte der kriminalprognostischen psychiatrischen Begutachtung, NStZ 1999 593; Kropp Drogen-Screening-Tests als Heilbehandlung i.S.v. § 56c Abs. 3 StGB, StV 2002 284; Kunert Kurze Freiheitsstrafe und Strafaussetzung zur Bewährung nach den Vorschriften des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts, MDR 1969 705; ders. Der erste Abschnitt der Strafrechtsreform, NJW 1969 1129; Lackner Die Strafaussetzung zur Bewährung und die bedingte Entlassung, JZ 1953 428; ders. Strafrechtsreform und Praxis der Strafrechtspflege, JR 1970 1; Molketin Zur Strafaussetzung zur Bewährung bei Trunken-
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
heitsfahrt, BA 31 (1994) 133; Müller-Dietz Probleme der Sozialprognose, NJW 1973 1065; ders. Die Entwicklung der sozialen Strafrechtspflege von 1970 bis Mitte der achtziger Jahre, BewH 2003 25; Müller-Emmert/Friedrich Die Strafrechtsreform, DRiZ 1969 273; Nedopil Prognosebegutachtungen bei zeitlich begrenzten Freiheitsstrafen - Eine sinnvolle Lösung für problematische Fragestellungen? NStZ 2002 344; Oske Erörterung strittiger Fragen zum Beginn der Bewährungszeit, MDR 1970 189; Rissom Strafaussetzung bei Trunkenheit im Verkehr, SchlHA 1963 112; Schäfer/Sander Strafaussetzung zur Bewährung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, BewH 2000 186; Schall Die Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 183 Abs. 3 StGB, JR 1987 397; H. W. Schmidt Strafverbüßung als Regel bei Trunkenheit am Steuer? DAR 1962 173; H. Schneider Grundlagen der Kriminalprognose (1996); Schreiber Besondere Umstände in der Tat und in der Persönlichkeit des Verurteilten, Festschrift Schaffstein (1975 ) 275; Schröder Bedingte Verurteilung, NJW 1952 6; ders. Zur Verteidigung der Rechtsordnung, JZ 1971 241; Simson Die bedingte Freilassung im modernen Recht, ZStW 67 (1955) 48; Streng Modernes Sanktionenrecht? ZStW 111 (1999) 827; Tenckhoff Die Kriminalprognose bei Strafaussetzung und Entlassung zur Bewährung, DRiZ 1982 95; Terhorst Bewährungsprognosen und der Grundsatz „in dubio pro reo" MDR 1978 973; Tröndle „Zurückstellung der Strafvollstreckung" und Strafaussetzung zur Bewährung, MDR 1982 1; Ventzke § 56 Abs. 2 StGB - Eine Ermessensvorschrift? StV 1988 367; Volckart Verteidigung in der Strafvollstreckung und im Vollzug (1988); ders. Praxis der Kriminalprognose (1997); Weigend Sanktionen ohne Freiheitsentzug, GA 1992 345; Wolters Der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts, ZStW 114 (2002) 63; ZipfOie Verteidigung der Rechtsordnung, Festschrift Bruns (1978) 205.
Entstehungsgeschichte Die geltenden Vorschriften über die Strafaussetzung zur Bewährung entsprechen im Wesentlichen der vor der Neufassung des Strafgesetzbuchs vom 2 . 1 . 1 9 7 5 (BGBl. I S. 1) in §§ 2 3 bis 2 6 enthaltenen Regelung, wie sie nach Art. 105 Nr. 2 des 1. StrRG vom 25.6. 1969 (BGBl. I S. 6 4 5 ) ab 1.4.1970 gegolten hat. Das Rechtsinstitut der Strafaussetzung zur Bewährung geht in seinem Ursprung auf das 3. StRÄndG vom 4 . 8 . 1 9 5 3 (BGBl. I S. 735) zurück und ist wirksam geworden am 1.1.1954. Bis zum 31.12.1953 regelten die § § 2 3 bis 2 6 die vorläufige Entlassung bei langfristigen Freiheitsstrafen, wobei die Bewilligung und der Widerruf dieser Maßnahme der obersten Justiz-Aufsichtsbehörde zustanden. Wegen des abweichenden Inhalts der bis zum 31.8.1969 geltenden, durch das 3. StRÄndG eingeführten Bestimmungen und der Abweichungen der nach Art. 105 Nr. 2 des 1. StrRG am 1 . 4 . 1 9 7 0 in Kraft getretenen Vorschriften vom jetzt geltenden Recht im einzelnen wird auf die Erläuterungen bei den einzelnen Gesetzesbestimmungen verwiesen. Weitere, zum Teil bedeutende Änderungen brachten das 2 0 . StRÄndG vom 8.12. 1981 (zu § 5 6 f Abs. 2 und durch Einfügung des § 57a - Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe) sowie das 23. StRÄndG vom 13.4. 1986 (zu § 5 6 Abs. 2, § 56d Abs. 1, § 5 6 f Abs. 1 und 2, § 56g, § 57, § 57a und durch Einfügung des § 5 7 b Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe).
I. Entwicklungstendenzen bis zum 3. StRÄndG 1
Das Rechtsinstitut der Strafaussetzung zur Bewährung geht auf das Bestreben zurück, die Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen zurückzudrängen. 1. Diese Bestrebungen hatten sich zunächst außerhalb Deutschlands durchgesetzt. Im französisch-belgischen Rechtskreis wurde aufgrund eines Entwurfs von Berenger vom Jahre 1 8 8 4 die bedingte Verurteilung in Form des sursis eingeführt, in Belgien 1888 und in Frankreich 1891. Dabei erfolgt die Verurteilung mit Straffestsetzung, aber unter gleich-
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Vorbemerkungen
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zeitiger Aussetzung der Vollstreckung; nach erfolgreicher Bewährung wird die Strafe mit der Maßgabe erlassen, dass die Bestrafung als nicht geschehen gilt. Der sursis setzte sich in der Folgezeit im westlichen, südlichen und nördlichen kontinentalen Europa durch (näheres s. Grünhut ZStW 64 [1952] 127) und gilt dort mit verschiedenen Modifikationen. Im angelsächsischen Rechtskreis gilt die bedingte Verurteilung in der F o r m der Probation. Probation ist die Verbindung einer bedingten Aussetzung der Straffestsetzung mit Schutzaufsicht durch einen gerichtlichen Fürsorger (Grünhut aaO). Hier fällt das Gericht zwar den Schuldspruch, setzt aber die Verhängung der Strafe unter der Bedingung aus, dass sich der Betroffene während einer bestimmten Probezeit einwandfrei führt. Gleichzeitig unterstellt es ihn einem vom Gericht angestellten p r o b a t i o n officer, der ihn beraten und ihm helfen soll, sich in der Probezeit zu bewähren. Bewährt sich der Täter innerhalb der ihm gesetzten Frist, wird der Schuldspruch getilgt. Der Vorteil gegenüber dem Sursissystem liegt für den Betroffenen darin, dass er bei der Schuldigsprechung noch nicht mit einem seine Wiedereingliederung möglicherweise erschwerenden Strafausspruch belastet wird. Andererseits liegt ein Nachteil der Probation f ü r den Täter darin, dass er nicht weiß, was ihn im Falle der N i c h t b e w ä h r u n g erwartet, u n d dass sein Verhalten nach der Tat möglicherweise stärker auf die Straffestsetzung einwirkt als die Tatschuld. 2. In Deutschland ging die Entwicklung den Umweg über das Begnadigungsrecht. In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden in fast allen deutschen Staaten Bestimmungen erlassen, die unter bestimmten Voraussetzungen die bedingte Aussetzung der Vollstreckung der ganzen oder eines Teils der verhängten Strafe im Gnadenwege vorsahen. Im Jahre 1902 k a m zwischen den Regierungen der deutschen Staaten eine Vereinbarung über die H a n d h a b u n g derartiger M a ß n a h m e n zustande. N a c h dem ersten Weltkrieg wurden in den meisten Ländern die Befugnisse zur Bewilligung der bedingten Strafaussetzung auf die Gerichte übertragen. Diese Übertragung änderte nichts an dem Charakter der Strafaussetzung als Gnadenakt. Die Gerichte gewährten die Vergünstigung nicht als Rechtsakt eines unabhängigen Richters, sondern als Beauftragte des Trägers des Gnadenrechts, die dessen Weisungen nachkommen mussten. Als von 1934 bis 1945 die gesamte Rechtspflege v o m Reich übernommen wurde, brachte die Gnadenordnung vom 6.2.1935 eine einheitliche Regelung für die bedingte Strafaussetzung im Gnadenwege; ihr § 21 betonte, dass Bewilligung von Strafaussetzung die Ausnahme sein sollte. Inzwischen hatte der Gesetzgeber auf Teilgebieten eingegriffen. Er hatte im Kampf gegen die kurze Freiheitsstrafe durch Gesetz vom 21.12.1921 (RGBl. S. 1604) den inzwischen durch § 4 7 ersetzten § 2 7 b StGB eingeführt und damit den Gerichten die M ö g lichkeit gegeben, statt einer verwirkten Freiheitsstrafe von weniger als drei M o n a t e n auf Geldstrafe zu erkennen. In den Jugendgerichtsgesetzen ist, beginnend mit dem J G G v o m 16.2.1923, dem Jugendgericht die bedingte Strafaussetzung als richterliche Aufgabe zugewiesen. Immer mehr setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Gnade, die ihrer N a t u r nach Ausnahmecharakter hat, ungeeignet ist, allgemeine kriminalpolitische A u f gaben zu bewältigen.
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Π. Ausgestaltung des Rechtsinstituts durch das 3. StRÄndG Das 3. StRÄndG brachte die materiellrechtliche Regelung durch Einfügung der VorSchriften über die Strafaussetzung zur Bewährung und Neuregelung der bedingten Entlassung. Jene gehört zum Urteilsspruch und betrifft die gesamte verhängte Strafe. Die
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Neugestaltung der bedingten Entlassung enthält die Aussetzung eines Strafrestes nach Teilverbüßung; für die Entscheidung zuständig war das Gericht, das in der Strafsache im ersten Rechtszug erkannt oder die nachträgliche Gesamtstrafe gebildet hatte. Für die Ausgestaltung des Rechtsinstituts diente das J G G 1923 als Vorbild; außerdem wurden gewisse Rechtsgedanken dem E 1927 entnommen. Damit schloss sich die Regelung nicht dem System der Probation an; sie verzichtete nicht wie dieses auf die Straffestsetzung. In der Begründung zum RegE des 3. StRÄndG (BTDrucks. 1/3713 S. 27) heißt es hierzu: Ein solcher Verzicht würde die generalpräventive Wirkung der Strafdrohungen abschwächen; es sei kriminalpolitisch wichtiger, den Täter während der Strafaussetzung unter den Druck einer bestimmten Strafdrohung zu stellen. Gleichzeitig werde vermieden, dass bei späterer Straffestsetzung das Verhalten des Täters in der Zwischenzeit sich als selbständiger Strafzumessungsgrund auswirke. Anders im Jugendstrafrecht; §§ 21 ff J G G enthalten zwar eine Regelung der Strafaussetzung i.S. der §§ 23 ff StGB, sein § 27 sieht aber daneben die Möglichkeit vor, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe auszusetzen. Das 2. StrRG brachte zwar in S 59 die Verwarnung mit Strafvorbehalt, aber nur bei Verwirkung einer Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen. Für Freiheitsstrafen soll es auch nach seinem Inkrafttreten bei der Strafaussetzung verbleiben. Die Strafaussetzung zur Bewährung ist auch nicht als sursis ausgestaltet. Der Straferlass nach Bewährung führt nicht dazu, dass die Bestrafung als nicht erfolgt gilt. Der Täter ist vielmehr weiterhin „vorbestraft", die Eintragung im Strafregister bleibt bestehen. Der Richter konnte nur nach § 25 Abs. 1 Satz 2 in der Fassung des 3. StRÄndG (§ 25a Abs. 1 Satz 3 war die entsprechende Bestimmung im 1. StrRG und § 56g Abs. 1 Satz 3 im 2. StrRG) anordnen, dass über die Verurteilung nur beschränkt Auskunft erteilt wurde. Diese Regelung ist gemäß Art. 18 Abs. 2 Nr. 18 EGStGB weggefallen. 4
Nach der Regelung des 3. StRÄndG, die deutlich eine vorsichtige Haltung des Gesetzgebers gegenüber diesem neuen Rechtsinstitut erkennen ließ, waren außer Haftstrafen nur Gefängnis- und Einschließungsstrafen bis zu neun Monaten aussetzbar. Auch bei günstiger Sozialprognose gab es formelle absolute Ausschlussgründe. Sie betrafen der Straftat vorangegangene Aussetzungen und bestimmte Vor Verurteilungen. Ferner durfte Strafaussetzung nicht gewährt werden, wenn „das öffentliche Interesse" die Vollstreckung der Strafe erforderte, was insbesondere bei Verkehrsdelikten häufig zur Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen führte. Der E 1962 wollte es im Wesentlichen beim alten Rechtszustand belassen, während der AE ( § 4 0 ) die Strafaussetzung für Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren bei guter Sozialprognose grundsätzlich vorschrieb, bestimmte Vorverurteilungen und Begehung der Tat während einer Bewährungsfrist nicht stets, sondern nur regelmäßig als Versagungsgrund ansah und keinen dem „öffentlichen Interesse" entsprechenden Ausschlussgrund kannte. ΙΠ. Ä n d e r u n g e n d u r c h d a s 1. u n d 2 . S t r R G
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Das 1. StrRG führte zu einer Neufassung der Bestimmungen über die Strafaussetzung zur Bewährung und die Aussetzung des Strafrestes (bisher: bedingte Entlassung). Sie waren in der ab 1.4.1970 gültigen Fassung Gegenstand der Kommentierung in der 9. Auflage. Schon die für die Zeit vom 1.9.1969 bis 31.3.1970 geltende Übergangsfassung (Art. 106 Nr. 1 des 1. StrRG) entsprach im Wesentlichen der ab 1.4.1970 gültigen Regelung. Inhalt der Erwartung war aber noch wie in § 23 Abs. 2 in der Fassung des 3. StRÄndG, dass der Verurteilte in Zukunft ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen werde. Die Bestimmung der Übergangsfassung kannte auch noch nicht die ab
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Vorbemerkungen
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1.4.1970 gegebene Möglichkeit, Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren auszusetzen. In der ab 1.4.1970 gültigen Fassung des 1. StrRG entsprach die Regelung der Strafaussetzung zur Bewährung und der Aussetzung des Strafrestes nahezu derjenigen der §§ 56 bis 57 des 2. StrRG. § 23 erweiterte die Höhe der Strafe, deren Vollstreckung ausgesetzt werden kann, auf ein Jahr, in den besonderen Fällen des Absatzes 2 sogar auf zwei Jahre (hierzu § 40 AE nebst Begr.; Hilde Kaufmann Erinnerungsgabe Grünhut [1965] 61). Die Regelung des 1. StrRG enthielt keine formalen Ausschließungsgründe mehr und setzte an Stelle des sachlichen Ausschließungsgrundes „öffentliches Interesse" den enger aufzufassenden Begriff „Verteidigung der Rechtsordnung"; bei Freiheitsstrafen unter sechs Monaten gab es einen solchen Ausschließungsgrund überhaupt nicht mehr. Die bisherigen knappen Vorschriften über Bewährungsauflagen und Bewährungshelfer (§§24 und 24a i.d.F. des 3. StRÄndG) wurden durch die detailliertere Regelung der § § 2 4 bis 24d des 1. StrRG ersetzt, wobei die §§ 24a und 24b die bisherigen „Auflagen" in Auflagen, für die ein abgeschlossener Katalog aufgestellt ist, und Weisungen unterteilten, für die nur Beispiele angeführt wurden, von denen einige an die Zustimmung des Verurteilten geknüpft sind. Wesentlich zu Gunsten des Verurteilten abgeändert wurden die Voraussetzungen des Widerrufs der Strafaussetzung und der Aussetzung des Strafrestes. Andererseits wurde im Gegensatz zum bisherigen Recht in § 25a Abs. 2 und § 26 Abs. 3 in der Fassung des 1. StrRG die Möglichkeit vorgesehen, den Straferlass zu widerrufen. Die nahezu gleichlautenden Bestimmungen des 2. StrRG vom 4.7.1969 über die Straf- 6 aussetzung zur Bewährung (§§ 56 bis 58) wurden durch Art. 18 II Nr. 16 bis 19 EGStGB geringfügig geändert. Die Änderung hatte sachliches Gewicht lediglich in § 56f Abs. 1 Nr. 2, wo die Widerrufsmöglichkeit erweitert wurde. IV. Änderungen seit dem 20. StRÄndG Das 20. StRÄndG vom 8.12.1981 brachte, veranlasst durch das Urteil des BVerfG zur 7 Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe (BVerfGE 45 187), als wesentliche Änderung die Möglichkeit, auch die Vollstreckung des Restes einer solchen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen (§ 57a). Das 23. StRÄndG vom 13.4.1986, das erstmals die Gesamtstrafenbildung unter Einschluss lebenslanger Freiheitsstrafe als Einzelstrafe regelte (§ 54 Abs. 1 Satz 1), ergänzte die Bestimmungen über die Aussetzung der Reststrafe für diesen Fall durch eine besondere Vorschrift über die Feststellung der Schwere der Schuld, welche der Aussetzung entgegensteht (§ 57b). Das 23. StRÄndG änderte außerdem - im Sinne einer Anpassung des Gesetzes an die Entwicklung der Rechtsprechung - die „Umständeklausel" des § 56 Abs. 2, ohne die für die Strafaussetzung maßgebende Strafobergrenze von zwei Jahren zu erhöhen. Zugleich erweiterte es die Möglichkeit, die Vollstreckung des Strafrestes schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, indem es die Mindestverbüßungsdauer von einem Jahr auf ein halbes Jahr verkürzte und die Aussetzung bei „Erstverbüßern" wesentlich erleichterte, wenn die Freiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt (§ 57 Abs. 2). Zum ganzen siehe Dölling NJW 1987 1041. Das VerbrBekG vom 28.10.1994 brachte für das Rechtsinstitut der Strafaussetzung 8 zur Bewährung durch die Einfügung des § 56 Abs. 2 Satz 2 und die Änderung des § 56b Abs. 2 eine Aufwertung der Schadenswiedergutmachung im System der Auflagen und freiwilligen Leistungen mit sich. Die hierdurch erforderlich gewordene klarstellende Anpassung des § 56f Abs. 3 Satz 2 an § 56b Abs. 2 Satz 1 i.d.F. des VerbrBekG wurde zunächst verabsäumt und durch den Gesetzgeber erst mit dem 6. StrRG vom 26.1.1998
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
nachgeholt. Das dem Schutz der Gesellschaft vor besonders schwerwiegenden Sexualstraftaten dienende SexualdelikteBekG vom 26.1.1998 führte zur Betonung der Bedeutung allgemeiner Sicherheitsinteressen bei der Entscheidung über die Reststrafenaussetzung (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2) und zur Erweiterung gerichtlicher Weisungsmöglichkeiten im Therapiebereich (§ 56c Abs. 3 Nr. 1). Durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 (BGBl. I S. S. 3416, 3432) wurde für den Bereich der Strafaussetzung bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung (durch Ergänzung des § 56f Abs. 1 Satz 2 um eine weitere Alternative) und für den Bereich der Strafrestaussetzung (durch Einfügung des § 57 Abs. 5 n.F.) eine Widerrufsmöglichkeit vorgesehen, die an strafbares Verhalten des Verurteilten vor der Bewährungsentscheidung anknüpft. 9
Materialien zum 20. StRÄndG: RegE vom 28.9.1979, BTDrucks. 8/3218; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 24.3.1980, BTDrucks. 8/3857; Entwurf der SPD/FDP-Fraktionen vom 26.11.1980, BTDrucks. 9/22; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 18.5.1981, BTDrucks. 9/450; Beschluss des Deutschen Bundestages vom 2.10.1981, BRDrucks. 385/81. Materialien zum 23. StRÄndG: Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion der SPD vom 14.3.1984, BTDrucks. 10/1116; RegE vom 24.8.1984, BTDrucks. 10/2720; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 27.11.1985, BTDrucks. 10/4391; Stellungnahme des Vermittlungsausschusses vom 19.2.1986, BTDrucks. 10/5061; Beschluss des Deutschen Bundestages vom 27.2.1986, BT-Sitzungsberichte, 10. Wahlperiode, S. 15497. Materialien zum VerbrBekG: Initiative Niedersachsens vom 10.12.1992, BRDrucks. 887/92; BR-Entwurf vom 29.4.1993, BTDrucks. 12/4825; Entwurf der CDU/CSU/FDPKoalition vom 18.2.1994, BTDrucks. 12/6853; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 18.5.1994, BTDrucks. 12/7584; Gesetzesbeschluss vom 20.5.1994, BRDrucks. 416/94; Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 19.9.1994, BTDrucks. 12/7837; Beschluss des Deutschen Bundestages vom 21.9.1994, BRDrucks. 872/94. Materialien zum SexualdelikteBekG: RegE vom 25.9.1997, BTDrucks. 13/8586; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 12./13.11.1997, BTDrucks. 13/8989 und 13/9062. Materialien zum 2. Justizmodernisierungsgesetz: RegE vom 19.10.2006 mit Stellungnahme des BR und Gegenäußerung der BReg., BTDrucks. 16/3038; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 29.11.2006, BTDrucks. 16/3640; Beschluss des Deutschen Bundestages vom 30.11.2006, BT-Sitzungsberichte, 16. Wahlperiode, S. 7002 ff und BRDrucks. 890/06.
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Zum Recht des Einigungsvertrages s. die grundsätzlichen Ausführungen im Anhang zu den §§ 56 bis 58 bei Gribboktn LK 11 .
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Strafaussetzung
§56
§56 Strafaussetzung (1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. (2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstrekkung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen. (3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet. (4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen. Schrifttum s. Vor § 56.
Entstehungsgeschichte § 56 jetzt in der Fassung des 23. StRÄndG vom 13.4.1986; Abs. 2 S. 2 wurde durch das VerbrBekG vom 28.10.1994 eingefügt. § 23 in der Fassung des 3. StRÄndG hatte folgenden Wortlaut: Das Gericht kann die Vollstreckung einer Gefängnis- oder Einschließungsstrafe von nicht mehr als neun Monaten oder einer Haftstrafe aussetzen, damit der Verurteilte durch gute Führung während einer Bewährungszeit Straferlaß erlangen kann (Strafaussetzung zur Bewährung). Strafaussetzung zur Bewährung wird nur angeordnet, wenn die Persönlichkeit des Verurteilten und sein Vorleben in Verbindung mit seinem Verhalten nach der Tat oder einer günstigen Veränderung seiner Lebensumstände erwarten lassen, daß er unter der Einwirkung der Aussetzung in Zukunft ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen wird. Strafaussetzung zur Bewährung darf nicht angeordnet werden, wenn 1. das öffentliche Interesse die Vollstreckung der Strafe erfordert oder 2. während der letzten fünf Jahre vor Begehung der Straftat die Vollstreckung einer gegen den Verurteilten im Inland erkannten Freiheitsstrafe zur Bewährung oder im Gnadenwege ausgesetzt war oder 3. der Verurteilte innerhalb dieses Zeitraumes im Inland zu Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist. In den Fällen des Absatzes 3 Nummern 2 und 3 wird in die Frist die Zeit nicht eingerechnet, in der der Täter eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.
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§ 5 6
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Übersicht Rdn.
Rdn. 2. Die Folgerungen a) Beurteilungsspielraum und Ermessen des Tatrichters b) Revisibilität der tatrichterlichen Entscheidung
I. Das Wesen der Strafaussetzung zur Bewährung Π. Der Anwendungsbereich 1. Freiheitsstrafe 2. Aussetzung im Ganzen 3. Anrechnung von Untersuchungshaft 4. Die Höhe der aussetzbaren Strafe . .
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m . Die Grundvorschrift ( § 5 6 Abs. 1) . . . 1. Die Prognose a) Erwartung b) Inhalt der Erwartung c) Grundlage der Prognose aa) Persönlichkeit des Verurteilten bb) Vorleben cc) Umstände der Tat dd) Verhalten nach der Tat ee) Lebensverhältnisse ff) Wirkungen der Aussetzung . . gg) Gesamtwürdigung 2. Die Folgerungen a) Beurteilungsspielraum des Tatrichters b) Revisibilität der tatrichterlichen Entscheidung
10 11 12 13 17 18 19 25 26 27 28 29
IV. Die Erweiterung (§ 56 Abs. 2) 1. Die „Umständeklausel" a) Ihre Entwicklung b) Ihr Inhalt c) Kasuistik
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V. Die Einschränkung (§ 56 Abs. 3) . . . . 1. Die Verteidigung der Rechtsordnung a) Die Entwicklung des Begriffs . . b) Sein Inhalt aa) Bestimmung des Begriffs . . bb) Gebieten der Vollstreckung . cc) Einzelheiten c) Fallkonstellationen d) Gesamtwürdigung e) Verhältnis zu § 56 Abs. 1 und 2 . 2. Die Folgerungen a) Beurteilungsspielraum des Tatrichters b) Revisibilität der tatrichterlichen Entscheidung VI. Verfahrensrechtliches 1. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen 2. Urteil 3. Urteilsgründe 4. Rechtsmittel a) Beschränkungsmöglichkeiten . . b) Verbot der Schlechterstellung . . c) Gesetzliche Milderungen . . . . d) Revisionsgericht
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I. Das Wesen der Strafaussetzung zur Bewährung 1
Kriminalpolitisch lässt sich die Strafaussetzung zur Bewährung als Sanktionsmittel eigener Art auffassen. 1 N a c h ihrer rechtlichen Konstruktion ist sie auch nach der Neufassung der Vorschriften durch das 1. und 2. StrRG nicht als selbständige Strafart oder „dritte S p u r " 2 oder bessernde Maßregel 3 ausgestaltet. Es handelt sich auch nicht um eine M a ß n a h m e der Gnade. 4 Die Strafaussetzung ist ihrem Wesen nach eine Modifikation der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe. 5 Die Entscheidung ist ein Akt der Strafzumessung, bei dem der Resozialisierungsgedanke noch eine größere Rolle spielt als bei der allgemeinen Strafzumessung.
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BGHSt 24 40, 43. Baumann GA 1958 193 ff; Bruns NJW 1959 1394; Geerds JZ 1969 342; Jagusch JZ 1953 688; Maassen MDR 1954 2; in diese Richtung noch BGH NJW 1954 39, 40. Eb. Schmidt ZStW 76 (1964) 1, 7.
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BTDrucks. V/4094 S. 9; aA Meister DRiZ 1953 218. BGHSt 7 180; BGH JZ 1956 101; BGHSt 24 40, 43; BGHSt 31 25, 28; BayObLG NJW 1962 1262 m. Anm. Gutmann·, Sturm JZ 1970 84.
Jutta Hubrach
Strafaussetzung
§56
Π. Der Anwendungsbereich 1. Freiheitsstrafe. Der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Strafaussetzung zur Bewährung ist auf die Freiheitsstrafen i.S.v. § 38 beschränkt. Dabei ist es unerheblich, ob die Freiheitsstrafe für Verbrechen oder Vergehen verhängt wird (BGHSt 6 298). Die zusätzliche Festsetzung einer Geldstrafe ( § 4 1 ) steht der Strafaussetzung grundsätzlich nicht entgegen. Das gilt selbst dann, wenn die verhängte Freiheitsstrafe und die Tagessatzzahl der Geldstrafe zusammengerechnet die Zweijahresgrenze überschreiten. Dies folgt nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut des § 56, sondern auch aus dem Zweck der Strafaussetzung, die Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen zurückzudrängen (BGH NJTW 1985 1719 = J R 1986 70 mit Anm. Bruns). Die Aussetzung von Jugendstrafe ist selbständig durch § § 2 1 bis 26a J G G geregelt. Für das WStG enthält dessen § 14 eine Sonderregelung, hierbei gilt für die Strafaussetzung zur Bewährung bei Strafarrest § 14a WStG. Auch bei den freiheitsentziehenden Maßregeln bestehen für die Aussetzung in
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§§ 67b und 67g, für das Berufsverbot in §§ 70a und 70b besondere Vorschriften. Wird neben der Freiheitsstrafe auf eine Maßregel der Besserung und Sicherung erkannt, so steht dies einer Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung nicht von vornherein entgegen. Die Aussetzung der Freiheitsstrafe ist insbesondere neben Maßregeln möglich, die nicht mit einer Freiheitsentziehung verbunden sind (§ 61 Nr. 4 bis 6). So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Bewilligung von Strafaussetzung zur Bewährung die gleichzeitige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht ausschließt. 6 Aber auch bei Anordnung freiheitsentziehender Maßregeln - mit Ausnahme der Sicherungsverwahrung ist eine Strafaussetzung nicht schlechthin ausgeschlossen (vgl. BGH N J W 1978 599). Allerdings ist nicht zu verkennen, dass es in diesen Fällen häufig an der sachlichen Voraussetzung für die Strafaussetzung, der günstigen Sozialprognose, fehlen wird (vgl. OLG Hamburg J R 1977 515 m. Anm. Grunau). Da gemäß § 67 Abs. 1 im Regelfall die Maßregel der Unterbringung in einer Anstalt nach den § § 6 3 bis 64 vor der Strafe vollzogen wird, kommt der Frage kein entscheidendes Gewicht zu. Die Zeit des Maßregelvollzugs wird bei Einhaltung des Regelfalls - Vollzug der Maßregel vor der Freiheitsstrafe - auf die Strafe angerechnet, den verbleibenden Strafrest kann das Gericht nach § 57 zur Bewährung aussetzen (§ 67 Abs. 4 und 5).
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Für Geldstrafen gilt § 5 6 nicht. Dies bedeutet, dass auch die Ersatzfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Gegenteilige Bestrebungen während des Gesetzgebungsverfahrens konnten sich nicht durchsetzen (BTDrucks. V/4094 S. 10). Der Richter hat hier nur die Möglichkeit, durch Gewährung einer Zahlungsfrist oder die Gestattung, die Strafe in Teilbeträgen zu zahlen, Erleichterung zu verschaffen (§ 42).
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2. Aussetzung im Ganzen. Nur die Vollstreckung der ganzen Strafe kann ausgesetzt werden, die Strafaussetzung für einen Teil der erkannten Strafe ist unzulässig. Dieser sich jetzt aus § 5 6 Abs. 4 Satz 1 unmittelbar ergebende Grundsatz galt auch schon für § 2 3 i.d.F. des 3. StRÄndG (BGHSt 6 163) und ergab sich aus dem der Vorschrift zugrunde liegenden Gedanken, die Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen zurückzudrängen. Liegen die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung vor, so ist es auch nicht vorstellbar, dass dies nur hinsichtlich eines Teils der Strafe der Fall sein soll, für den anderen dagegen nicht. Missverständliche Formulierungen in Urteilen, dass im Hinblick auf eine später zu
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BGHSt 15 316; KG VRS 11 2 7 7 ; OLG Stuttgart NJW 1954 611; OLG Köln NJW 1956 113; OLG Celle NJW 1956 1648.
Jutta Hubrach
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§56
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
erwartende Aussetzung des Strafrestes (§ 57) der Täter jedenfalls bis dahin einen Teil der Strafe (die Hälfte oder zwei Drittel) verbüßen müsse, sollten tunlichst vermieden werden, zumal sie überflüssig sind (BGHSt 11 393, 397; BGH LM Nr. 24 zu § 23). Ist in einem Urteil ein derartiger Hinweis enthalten, so muss die Versagung der Aussetzung besonders sorgfältig begründet werden (BGH NJW 1955 996). Aus dem Grundsatz, dass nur die ganze Strafe ausgesetzt werden kann, folgt auch die in § 58 Abs. 1 enthaltene Regelung, dass für die Strafaussetzung nicht die Höhe der Einzelstrafen, sondern die Höhe der Gesamtstrafe maßgebend ist. 6
3. Die Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung (§ 51) steht der Aussetzung nicht entgegen (§ 56 Abs. 4 Satz 2). Hierbei handelt es sich nicht um eine verbotene Teilaussetzung einer erkannten Strafe (vgl. bereits für § 23 i.d.F. d. 3. StRÄndG: BGHSt 6 391, 393). Durch die Anrechnung der Untersuchungshaft wird die Dauer der Freiheitsstrafe nicht verändert, lediglich ein Teil von ihr ist als verbüßt anzusehen. Die Frage, ob die zeitlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung gegeben sind, wird durch die Anrechnung nicht beeinflusst. Maßgebend für die Anwendung von Absatz 1 und Absatz 2 ist stets die Höhe der ausgesprochenen Strafe (BGHSt 5 377; 6 391, 394; 27 287, 288).
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Ist allerdings durch die Anrechnung der Untersuchungshaft die Strafe in vollem Umfang verbüßt, so kommt eine Strafaussetzung nicht mehr in Betracht (BGHSt 31 25, 27, 29 = NStZ 1982 326 m. Anm. Stree; BGH StV 1992 157; BGH wistra 2002 3 3 7 ) 7 Dies ergibt sich aus dem Wesen des Rechtsinstituts als Modifikation der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe (vgl. bereits Rdn. 1). Nach der in den §§ 56 ff zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Motivation soll der Verurteilte durch die bei Bewährungsversagen drohende Strafvollstreckung und durch den bei Bewährungserfolg anstehenden Straferlass zu einem Leben ohne Straftaten angehalten werden. Diesen Zweck kann die Aussetzung einer durch Anrechnung von Untersuchungshaft vollständig verbüßten Freiheitsstrafe nicht mehr erfüllen, da weder die Vollstreckung droht noch der Aussicht auf Straferlass die motivierende Wirkung zukommt, die dem Gesetzgeber vorschwebte. Eine Strafaussetzung scheidet daher begrifflich in diesen Fällen von vornherein aus, ohne dass es noch auf Überlegungen zu der Frage ankäme, ob in Bezug auf die verhängte Strafe die Voraussetzungen des § 56 StGB überhaupt erfüllt wären. Die für den Verurteilten vorteilhaften registerrechtlichen Folgen einer Strafaussetzung können als alleiniger Grund für deren Anordnung nicht herangezogen werden (vgl. BGHSt 31 25, 27 f; aA Sch/Schröder/Stree Rdn. 13; Stree NStZ 1982 327). Die Aussetzung einer durch Untersuchungshaft vollständig verbüßten Strafe ist für den Verurteilten - wegen der grundsätzlich mit einer Beschwer verbundenen Folgeanordnungen gemäß §§ 56a ff - revisibel (BGH wistra 2002 260, 261; BGH NJW 1961 1220). Wird sie allerdings rechtskräftig, so kann die rechtsfehlerhaft ergangene Aussetzungsentscheidung nicht durch einen Erlass der Strafe (§ 56g Abs. 1) schon vor Ablauf der festgesetzten Bewährungszeit „korrigiert" werden (OLG Köln NStZ 1999 534).
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4. Die Höhe der aussetzbaren Strafe. Das Gesetz unterscheidet drei Gruppen: Strafen unter sechs Monaten (Absatz 1), Strafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr (Absätze 1 und 3) und Strafen von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren (Absätze 2 und 3). Höhere Strafen dürfen nach geltendem Recht nicht zur Bewährung ausgesetzt werden;
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BGH wistra 2002 260, 261; BGH Urt. v. 21.2.2006 - 1 StR 278/05; zur Rechtslage vor
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dem 23. StRÄndG vgl. bereits BGH NJW 1961 1220.
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Strafaussetzung
§56
Vorschläge zur Erhöhung des zweijährigen Grenzwerts haben sich bislang nicht durchsetzen können. 8 Für die Berechnung der Zeit kommt es auf die verhängte, nicht auf die noch zu verbüßende Strafe an (vgl. Rdn. 6). Maßgebend ist bei der Bildung einer Gesamtstrafe deren Höhe (§ 58 Abs. 1). Der Gesamtstrafe stehen mehrere selbständige Strafen, die nicht zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst werden können, nicht gleich. Sie dürfen nicht zusammengerechnet werden (OLG Braunschweig NStZ-RR 2005 139). Die Voraussetzungen, unter denen Strafaussetzung zu gewähren ist, sind in den ge- 9 nannten Gruppen verschieden. Dieser Umstand hat Konsequenzen für das Verhältnis zwischen der Strafbemessung als solcher und der Entscheidung über die Bewährungsfrage. Grundsätzlich hat der Tatrichter zunächst die schuldangemessene Strafe zu finden. Erst wenn sich ergibt, dass die der Schuld entsprechende Strafe innerhalb der Grenzen des § 56 Abs. 1 oder Abs. 2 liegt, ist Raum für die Prüfung, ob auch die sonstigen Voraussetzungen für die Strafaussetzung erfüllt sind. Die für beide Entscheidungen geltenden Prüfungsmaßstäbe dürfen nicht miteinander vermengt werden. Daher begegnet es rechtlichen Bedenken, wenn die Urteilsgründe besorgen lassen, der Tatrichter habe eine das Schuldmaß unterschreitende Strafe in dem allein ausschlaggebenden Bestreben festgesetzt, dem Angeklagten die Rechtswohltat der Strafaussetzung zur Bewährung zu verschaffen (BGHSt 29 319, 321 = JR 1981 335 mit Anm. Bruns; BGHSt 32 60, 65; BGH NStZ 2001 311).9 Ferner ist es zu beanstanden, wenn der Tatrichter eine den Rahmen des § 47 überschreitende Freiheitsstrafe von sechs Monaten festsetzt, die er - angesichts des geringen objektiven Tatunrechts - nur im Hinblick auf die bewilligte Strafaussetzung noch für verhältnismäßig hält (OLG Karlsruhe Justiz 1997 133). Eine in die Abwägung sämtlicher Strafzumessungsfaktoren eingebettete Mitberücksichtigung der Aussetzungsfrage bei der Festsetzung des Strafmaßes ist indes unbedenklich (BGH wistra 2002 137; BGH StV 2001 346) und mit Blick auf S 46 Abs. 1 Satz 2 auch durchaus angebracht. Daher darf der Tatrichter von der Einbeziehung einer Geldstrafe in eine zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 absehen, wenn es ihm nur so ermöglicht wird, die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe im Rahmen einer insgesamt schuldangemessenen Ahndung der Taten zur Bewährung auszusetzen (BGH NStZ 1990 488, 489). Ferner ist es ihm nicht untersagt, eine bei alleiniger Verhängung von Freiheitsstrafe an sich schuldangemessene, die Ein- oder Zweijahresgrenze übersteigende Freiheitsstrafe niedriger zu bemessen und eine gemäß § 41 aus Geld- und Freiheitsstrafe kombinierte Sanktion zu verhängen, wenn diese - bei Strafaussetzung zur Bewährung für die Freiheitsstrafe - Tat und Täter besser gerecht wird (BGHSt 32 60, 66; BGH NJW 1985 1719 = JR 1986 70 mit Anm. Bruns). Setzt der Tatrichter eine Freiheitsstrafe knapp oberhalb der Zweijahresgrenze fest, so bedarf es bei einer Vielzahl festgestellter Strafmilderungsgründe sogar einer näheren Auseinandersetzung mit der Frage, aus welchen Gründen die Überschreitung der Schwelle zur mangelnden Strafaussetzungsfähigkeit erforderlich war (OLG Karlsruhe StV 1998 375, 376).
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Vgl. hierzu König ZRP 2001 67 ff; Weigend GA 1992 345, 351. BGHR § 46 Abs. 1 Begründung 19; BGH
wistra 2002 137; BGH NJW 1985 1719 = JR 1986 70 mit Anm. Bruns.
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§56
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ΙΠ. Die Grundvorschrift (§ 56 Abs. 1) 10
§ 56 Abs. 1 gilt für die Strafaussetzung bei Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr. Formelle Voraussetzungen für die Strafaussetzung, wie sie § 23 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 i.d.F. des 3. StRÄndG (Entstehungsgeschichte) vorsahen, kennt das Gesetz nicht mehr. Es stellt in Absatz 1 - mit der Einschränkung des § 56 Abs. 3 - allein auf eine günstige Prognose ab (vgl. BGH NStZ 1983 454).
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1. Die Prognose. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 kommt es für die Strafaussetzung darauf an, ob zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dieser Gesetzeswortlaut ist nicht so zu verstehen, dass den beiden Voraussetzungen einer günstigen Sozialprognose jeweils selbständige Bedeutung zukommt. Vielmehr hängt die hinreichende Warnfunktion des Urteils ausschließlich von der Frage ab, ob eine straffreie Führung des Angeklagten auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs künftig erwartet werden kann. Da diese Frage im Urteilszeitpunkt stets nur einheitlich beantwortet werden kann, ist es nicht möglich, für zwei in demselben Urteil verhängte (Gesamt)Freiheitsstrafen unterschiedliche Sozialprognosen zu stellen (OLG Braunschweig NStZ-RR 2005 139 f). Sonderregelungen trifft das Gesetz in § 183 Abs. 3 und 4. Für die dort genannten Fälle besteht eine Aussetzungsmöglichkeit auch dann, wenn die Prognose zur Zeit der Entscheidung nicht günstig ist (BGHSt 28 357, 359 f; 34 150, 152 mit Anm. Schall JR 1987 397; BGHR Sozialprognose 10,16). 1 0
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a) Erwartung bedeutet nicht, dass nach der Überzeugung des Gerichts sichere Gewähr für künftiges straffreies Leben bestehen muss (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 260, 261; OLG Düsseldorf NStZ 1988 272). Es genügt, dass die Begehung weiterer Straftaten nicht wahrscheinlich ist, weil der Täter sozial eingeordnet oder seine Resozialisierung ohne Vollstreckung der Freiheitsstrafe aussichtsreich ist (BGH NStZ 1986 27; BGHR Sozialprognose 7, 12, 13, 14, 20, 30). Eine jeden Zweifel ausschließende Gewissheit kann nicht verlangt werden, da die Vorschrift sonst, entgegen ihrem kriminalpolitischen Zweck, auf einen zu engen Bereich von Fällen eingeschränkt würde (BGHSt 7 6, 10; BGH VRS 25 426; BGH NStZ 1988 451, 452). 11 Das Gericht muss bereit sein, ein vertretbares Risiko einzugehen. Doch genügt es nicht, dass sich eine günstige Prognose nur nicht ausschließen lässt oder dass die Möglichkeit, der Angeklagte werde in Zukunft keine Straftaten mehr begehen, nicht verneint werden kann (BGH NStZ 1986 27; BGH NStZ 1997 594; OLG Karlsruhe NJW 1980 134). Vielmehr bedarf es einer durch Tatsachen begründeten Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens, die größer ist als diejenige erneuter Straffälligkeit (BGH NStZ-RR 2005 38; OLG Düsseldorf VRS 96 443, 444; KG StV 1997 250, 251). 12 Von einer Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne muss der Tatrichter überzeugt sein. Der Grundsatz „in dubio pro reo" findet insoweit keine Anwendung (BayObLGSt. 1988 32, 34). 13 Er beansprucht indes uneingeschränkt Gel-
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BGH NStZ-RR 1996 57. Vgl. ferner OLG Köln VRS 3 9 418; OLG Köln VRS 4 2 94; OLG Karlsruhe NJW 1980 134. OLG Düsseldorf J R 1994 3 9 , 4 0 m. Anm. Terhorst; OLG Düsseldorf J R 2 0 0 1 202, 2 0 3 m. Anm. Wohlers; vgl. ferner BayObLG Urt. v. 2 5 . 5 . 2 0 0 0 - 5 StR 1 0 0 / 0 0 .
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BGH GA 1976 114; BGH bei Dallinger MDR 1973 900; OLG Koblenz VRS 51 429, 431; OLG Koblenz VRS 53 29; OLG Koblenz NJW 1978 2 0 4 4 ; OLG Karlsruhe NJW 1980 134; OLG Düsseldorf JR 2 0 0 1 2 0 2 , 2 0 3 m. Anm. Wohlers.
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Strafaussetzung
§56
tung für die der Prognosebildung zugrunde liegenden Fakten, auf die das Gericht seine Überzeugungsbildung stützt (BGHR Sozialprognose 24; BGH wistra 2000 464). 1 4 b) Inhalt der Erwartung ist, dass der Verurteilte künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Die frühere Gesetzesfassung (§ 23 Abs. 2) verlangte die Erwartung, dass der Verurteilte unter der Einwirkung der Aussetzung künftig ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen werde, d.h. dass er regelmäßig arbeiten, geordnete Wohn- und Familienverhältnisse haben und eine sittlich nicht anstößige allgemeine Lebensführung beachten werde. Diese Momente haben jetzt nur noch Indizfunktion für die Erwartung straffreien Lebens, aber keine selbständige Bedeutung mehr.
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Gegenüber Ersatzdienstverweigerern, die nach BVerfGE 23 191 nicht ein zweites Mal wegen einer solchen Verweigerung bestraft werden können, ist die Ablehnung der Strafaussetzung nicht mehr mit der Begründung möglich, die von ihnen zu erwartende weitere Verweigerung sei nicht gesetzestreu. Ersatzdienstpflichtige Zeugen Jehovas verweigern in der Mehrzahl aus Gewissensgründen den Zivildienst. Sie nehmen dafür in Kauf, wegen Dienstflucht bestraft zu werden. Dieser Haltung liegt im Regelfall eine ein für allemal getroffene Gewissensentscheidung zugrunde, die als unabdingbares religiöses Gebot aufgefasst wird. Im Blick auf diese Besonderheit lässt sich die Aussetzung einer gegen einen Zeugen Jehovas erkannten Freiheitsstrafe wegen Dienstflucht in der Regel nicht an die Erwartung knüpfen, der Verurteilte werde einer erneuten Einberufung Folge leisten (BVerfG NStZ 1989 123, 124). Gleichwohl ist auch in einem solchen Falle eine Strafaussetzung möglich; bei der Prognose hat eine zu erwartende Dienstverweigerung bei einer künftigen Einberufung unberücksichtigt zu bleiben (OLG Hamm NStZ 1984 456; OLG Oldenburg NJW 1989 1231). Ginge man bei ausschließlich prozessualer Betrachtung davon aus, eine zweite Bestrafung scheitere nur am Strafklageverbrauch infolge der Verurteilung wegen der ersten Verweigerung, so würde sich der Täter durch die zweite Verweigerung allerdings wiederum strafbar machen, mag sie auch (als Teilstück oder zwangsläufige Folge der ersten) unverfolgbar sein (OLG Hamm NStZ 1984 457 mit Anm. Bringewat). Richtigerweise wird man aber annehmen müssen, dass ihm das Festhalten an der einmal getroffenen Gewissensentscheidung nach der ersten Bestrafung nicht mehr zum gesonderten strafrechtlichen Vorwurf gereicht. Dabei kann dahinstehen, ob man zu diesem Zweck auf den materiellrechtlichen Gedanken der mitbestraften Nachtat zurückgreift oder ob man den Begriff „Straftat" im Rahmen der Sozialprognose (§ 56 Abs. 1) in einem spezifisch strafzumessungsrechtlichen Sinne bestimmt, der auch die prozessuale Verfolgbarkeit voraussetzen soll (so Bringewat NStZ 1984 457, 458).
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„Straftat" im Sinne des § 56 Abs. 1 ist grundsätzlich jede strafbare Handlung. Für eine günstige Prognose reicht es nicht aus, dass vom Angeklagten eine Wiederholung gerade einer dem Gegenstand der Verurteilung ähnlichen Tat nicht zu befürchten ist (BGH NStZ-RR 2001 15, 16; BayObLG VRS 32 423). Abzulehnen ist die Auffassung, ungünstig sei die Prognose nur, wenn die Straftaten, die vom Angeklagten zu erwarten sind, nach Art und Schwere in etwa der Tat entsprächen, deretwegen er verurteilt wurde (BayObLGSt. 2002 126, 127f). Ein solcher Rechtssatz ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es würde auch nicht einleuchten, weshalb z.B. die Wahrscheinlichkeit, der Täter werde künftig Einbrüche begehen, bei einem Dieb zur Versagung der Strafaussetzung führen soll, bei einem Totschläger dagegen nicht. Im Allgemeinen handelt es sich in diesem Zusammenhang nur scheinbar um eine besondere Rechtsfrage. In Wirklichkeit geht
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BGH bei Dallinger MDR 1973 900; BayObLGSt. 1993 216, 2 2 2 .
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
es um die Prognose. Bei einem notorischen Dieb wird eben eher Anlass bestehen, Eigentumsdelikte von ihm zu befürchten, als bei einem Mann, der im Streit seine Geliebte erschlagen hat. Soweit mit einer für den Täter atypischen Straftat zu rechnen ist, die nach Maßgabe des § 56f Abs. 1, Abs. 2 nicht zum Widerruf der Strafaussetzung führen würde, wird der Tatrichter ihr schon durch entsprechende Anordnungen im Beschluss nach § 268a StPO entgegenwirken können. 16
Da es für die günstige Prognose nur auf die Erwartung ankommt, dass sich der Angeklagte nach der Verurteilung straffrei führen wird (Rdn. 13), kann ihm die Strafaussetzung nach § 56 Abs. 1 nicht ohne weiteres mit der Begründung versagt werden, er werde ihm erteilte Auflagen (§ 56b Abs. 1 und 2) nicht erfüllen oder Weisungen (§ 56c Abs. 1 und 2) missachten. Weigert er sich von vornherein, gerichtlichen Anordnungen nachzukommen, so kann dies allerdings Anlass zu der Besorgnis geben, er werde erneut Straftaten begehen (vgl. § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2).
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c) Grundlage der Prognose sind alle Tatsachen, aus denen sich Schlüsse auf das künftige Verhalten des Täters ziehen lassen. Ob sie sich bei der abzuurteilenden Tat ausgewirkt haben, ist unerheblich. Die in § 56 Abs. 1 Satz 2 genannten Gesichtspunkte sind nicht erschöpfend. Neben ihnen sind auch alle sonstigen Tatsachen zu beachten, die für oder gegen eine günstige Prognose sprechen. Ob sie schon die Strafzumessung unter spezialpräventiven Gesichtspunkten beeinflusst haben, ist unerheblich (BGHSt 6 298, 300). Hingegen scheiden alle Umstände aus, die ausschließlich das M a ß der Schuld beeinflussen oder die nur unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung bedeutsam sind. Doch kann verminderte Schuld auf erhöhte Gefährlichkeit hinweisen, die entscheidend für die Prognose ist (BGHSt 10 287).
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aa) Das Gesetz nennt als ersten bei der Entscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkt die Persönlichkeit des Verurteilten. Hier sind beispielsweise von Bedeutung sein Charakter, seine Veranlagung, sein Leumund, seine bisherige Bewährung im Leben, seine Erziehung und seine Einstellung zur Tat. Persönlichkeitsdefizite - auch wenn sie auf Erkrankung oder intellektueller Minderbegabung beruhen - können die Prognose negativ beeinflussen (BGHSt 10 287; OLG Düsseldorf JR 2001 202, 203 m. Anm. Wohlers). Einer Auseinandersetzung mit den für die Bewährungsfrage in der Regel aufschlussreichen Handlungsmotiven und Beweggründen des Täters ist der Tatrichter auch dann nicht enthoben, wenn sich der Angeklagte selbst hierzu nicht äußert. In solchen Fällen bedarf es einer Erörterung der Frage, ob und inwieweit die festgestellten Umstände des Tatgeschehens Rückschlüsse auf die psychischen Wurzeln der Tat zulassen (BGHR § 56 Abs. 2 Sozialprognose 1). Mangelnde Schuldeinsicht, fehlende Reue oder das Bagatellisieren der Tat dürfen nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden, wenn er sich durch die vom Tatrichter vermisste Einstellung in Widerspruch zu seiner Verteidigungsstrategie setzen müsste (BGH NStZ-RR 2003 264; BGH StV 1993 591; BGH wistra 2001 96). 15 Auch im Übrigen ist die Uneinsichtigkeit des Angeklagten für sich allein noch nicht geeignet, eine positive Prognose auszuschließen (für die Fälle der Ersatzdienstverweigerung aus Gewissensgründen vgl. Rdn. 14). Es kommt vielmehr maßgeblich auf die nach den Gesamtumständen zu beurteilende Frage an, ob die Einstellung des Täters zu seiner Tat auf besondere Rechtsfeindschaft schließen und daher für die Zukunft weitere Delikte
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BGH wistra 2000 464; BGH wistra 1993 222, 223; BGHR § 56 Abs. 2 Umstände, besondere 12; BGH StV 2001 505 f; BGH
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StV 1998 482; OLG Düsseldorf StV 1996 217; OLG Hamm VRS 110 111, 112.
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Strafaussetzung
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befürchten lässt (BGH NStZ 1987 171). 1 6 So steht im Falle einer Deliktsbegehung aus politischer Uberzeugung allein das Festhalten an der ideologischen Grundhaltung einer günstigen Prognose noch nicht im Wege (BGHSt 6 186, 192; BGHSt 7 6, 8; BGH NStZR R 2 0 0 4 201). 1 7 Hat die politische Gesinnung in der strafbaren Handlung indes unmittelbar ihren Ausdruck gefunden und besteht aufgrund der unveränderten Haltung des Täters auch für die Zukunft die Gefahr eines erneuten Abgleitens in strafbares Verhalten, so bedarf es gewichtiger Tatsachen für die Annahme, der Angeklagte werde sich allein durch die Verurteilung auch ohne Strafverbüßung hinreichend beeindrucken lassen (BGH N J W 1995 3 4 0 , 341; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1996 58). Die Tatsache, dass ein Täter Ausländer ist, steht einer Strafaussetzung selbst dann nicht entgegen, wenn er im Ausland wohnt (BGHSt 6 138). Es ist auch unzulässig, dem Angeklagten seine Ausländereigenschaft als solche bei der Prognosebeurteilung anzulasten mit der Erwägung, er habe durch die Tat das ihm gewährte Gastrecht missbraucht und seine Zukunft im Bundesgebiet sei „ungewiss" (OLG Düsseldorf StV 1995 5 2 6 , 527). 1 8 bb) Weiter ist für die Prognose von Bedeutung das Vorleben des Täters, wobei namentlich frühere Erziehungsmaßnahmen und sonstiges kriminelles Verhalten Grundlage der Entscheidung sein können. Vorstrafen, vor allem, wenn sie einschlägig sind und nicht weit zurückliegen, werden häufig gegen den Täter sprechen. Da die Prognoseentscheidung indes stets eine Gesamtwürdigung aller für sie maßgeblichen Faktoren voraussetzt (vgl. hierzu Rdn. 29), verbietet sich insoweit jegliche Schematisierung. Unzulässig ist insbesondere die Erwägung, bei Bewährungsversagen des Angeklagten sei eine erneute Strafaussetzung stets ausgeschlossen, denn eine begründete Erwartung künftigen Wohlverhaltens kann bei Vorliegen ansonsten positiver Prognosegesichtspunkte selbst dann bestehen, wenn die Tat während einer laufenden Bewährungszeit begangen wurde (BGH NStZ 1983 454; BGHR Sozialprognose 12, 15; BGH NStZ-RR 1997 68). Für die Prognoseentscheidung kommt es darauf an, ob sich aus den Vorbelastungen des Täters im konkreten Fall die gesteigerte Notwendigkeit ergibt, auf ihn einzuwirken (BGHR § 5 6 Abs. 3 Verteidigung 13). Maßgebend sind in diesem Zusammenhang vor allem die Zahl der Vorstrafen, ihr Gegenstand, ihre Höhe und ihr zeitlicher Abstand (vgl. BGH StV 1986 293; OLG Köln StV 1996 321; OLG Hamburg StV 1997 136, 137). Ist der Angeklagte gewichtig - insbesondere einschlägig - vorbestraft und mehrfacher Bewährungsversager, so kann in der Regel nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass er sich im Falle einer erneuten Bewährungschance anders als in der Vergangenheit verhalten wird (BGH NStZ 1988 451, 452; BayObLG NStZ-RR 2 0 0 4 336, 338; OLG Karlsruhe N J W 1980 133, 134, 135). Für eine nochmalige Strafaussetzung bedarf es daher einer Feststellung - und tatrichterlichen Darlegung - besonderer Gesichtspunkte, aus denen sich bei erschöpfender individueller Gesamtwürdigung aller Prognosefaktoren die Erwartung straffreien Verhaltens trotz der bislang schlechten Erfahrungen mit dem Täter herleiten lässt. 19
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OLG Düsseldorf StV 1995 525, 5 2 6 ; KG Berlin Beschl. v. 2 5 . 4 . 2 0 0 0 - (4) 1 Ss 2 9 / 0 0 (42/00). BGH StV 2 0 0 1 5 0 5 f. KG Berlin Beschl. v. 2 5 . 4 . 2 0 0 0 - (4) 1 Ss 29/00 (42/00). BayObLGSt. 2 0 0 2 1 2 6 , 1 2 7 ; BayObLG NStZ-RR 2 0 0 4 42, 4 3 ; BayObLG bei Kotz NStZ-RR 2 0 0 4 134; BayObLG NJW 1993
8 0 5 ; OLG Köln StV 1996 321; OLG Düsseldorf VRS 9 6 443, 4 4 5 ; OLG Düsseldorf J R 1994 39, 4 0 m. Anm. Terhorst-, OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 2 6 0 , 261; OLG Düsseldorf JR 2 0 0 1 202, 2 0 3 ra. Anm. Wohlers·, KG Berlin Urt. v. 2.11.1999 - (4) 1 Ss 80/99 (44/99); KG Berlin Urt. v. 2 0 . 1 1 . 2 0 0 0 - (4) 1 Ss 102/00 (59/00).
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Derartige Umstände können auf Fortschritten in der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten (vgl. BGH NStZ 1988 451, 452; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2 0 0 5 2 0 0 , 201) oder auf einer maßgeblichen Stabilisierung seiner Lebensverhältnisse beruhen (BGH StV 1998 2 5 9 f; BayObLGSt. 1993 216, 222); auch dem Eindruck zwischenzeitlich erlittener Haft kommt diesbezüglich - insbesondere bei erstmaligem Freiheitsentzug - Bedeutung zu (BGH NStZ-RR 2 0 0 5 38). 2 0 Der Umstand, dass dem Angeklagten aus Anlass der abzuurteilenden Tat ein Bewährungswiderruf mit anschließender Strafverbüßung in anderer Sache droht, ist allerdings für sich allein nicht schon zu seinen Gunsten berücksichtigungsfähig (OLG Karlsruhe VRS 50 98, 100; streitig). 21 Vielmehr stellt das Bewährungsversagen als solches in erster Linie einen die Prognose belastenden Faktor dar. Kommt der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Beurteilungsfaktoren zu dem Ergebnis, dass es der Einwirkung des Strafvollzugs auf den Angeklagten bedarf, so darf er sich der gebotenen Entscheidung nicht mit der Erwägung entziehen, die erforderliche Einwirkung werde voraussichtlich in einem anderen Verfahren noch erfolgen. Zwar sind bei der Entscheidung über die Strafaussetzung auch künftig zu erwartende Veränderungen in den Lebensverhältnissen des Täters zu berücksichtigen (vgl. Rdn. 27). Dieser Grundsatz kann indes keine Geltung beanspruchen, wenn die bevorstehende Veränderung gerade in der staatlichen Einwirkung liegt, über deren Vollzug der Tatrichter im laufenden Verfahren zu entscheiden hat. Eine erneute Strafaussetzung allein im Hinblick auf den in anderer Sache zu erwartenden Widerruf ist daher widersprüchlich 22 und dient letztlich nur dazu, an der vom Tatrichter als „zu hoch" empfundenen Gesamtvollzugsdauer eine Korrektur vorzunehmen, die das Verfahren nach § 56 nicht vorsieht und die gerade bei mehrfach bewährungsbrüchigen Tätern auch nicht gerechtfertigt ist.
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Bei Betäubungsmittelabhängigen, die über einen längeren Zeitraum Straftaten als Folge der Sucht begangen haben, schließen weder frühere noch erneute gleichgelagerte Delikte die Annahme einer positiven Sozialprognose aus, wenn ernstzunehmende Therapiebemühungen des Angeklagten als besonderes Indiz zu seinen Gunsten festzustellen sind (BGH NStZ-RR 1997 231; BayObLG N J W 1993 805 f; KG StV 1997 2 5 0 , 251). In derartigen Fällen hat das Tatgericht im Rahmen seiner Fürsorgepflicht unterstützend zu wirken und insbesondere zu prüfen, ob und inwieweit die Erwartung straffreien Verhaltens durch begleitende Maßnahmen in Form von Weisungen gemäß § 56c Abs. 3 sichergestellt werden kann (BGH N J W 1991 3289 f; BGHR Sozialprognose 21; OLG Düsseldorf N J W 1993 805). Dabei lässt sich nicht im Sinne eines allgemeinen Erfahrungssatzes die grundsätzliche Feststellung treffen, dass nur eine stationäre Drogenbehandlung den gebotenen Erfolg verspreche (OLG Düsseldorf StV 1993 476). Vielmehr können auch ambulante Maßnahmen, insbesondere Substitutionsangebote, in Betracht kommen (BayObLG StV 1992 15 f; OLG Braunschweig NStZ-RR 1998 186). Welche Therapieform als hinreichend geeignet anzusehen ist, richtet sich nach dem Suchtverlauf im Einzelfall, wobei der Tatrichter insbesondere die Dauer und Intensität der Abhängigkeit sowie Art und Anzahl der gegebenenfalls bereits erfolglos absolvierten Therapieversuche zu berücksichtigen hat.
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Getilgte oder tilgungsreife Vorstrafen können bei der Prognose künftigen Wohlverhaltens keine Berücksichtigung mehr finden. Dies folgt aus dem Verwertungsverbot des § 51
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OLG Karlsruhe NStZ-RR 2 0 0 5 2 0 0 ; OLG Karlsruhe StV 2001 6 2 6 ; KG Berlin Beschl. v. 7.7.1997 - (3) 1 Ss 124/97 (52/97). AA OLG Köln NStZ 1994 2 0 5 f m. abl. Anm. Berg; OLG Köln MDR 1970 1026;
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OLG Saarbrücken NJW 1975 2215, 2217; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 2 ; Horn SK Rdn. 18a; einschränkend noch OLG Köln MDR 1972 2 5 6 und MDR 1972 437. Lackner/Kühl Rdn. 13.
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Strafaussetzung
§56
Abs. 1 BZRG. Diese Vorschrift verbietet nicht nur, bei Bemessung der Strafe nach Art und Höhe auf die früheren Verurteilungen zurückzugreifen; sie gilt auch für die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung (OLG Karlsruhe Justiz 1973 27, 28), da es sich auch hierbei um einen Akt der Strafzumessung handelt (Rdn. 1). Ausländische Verurteilungen sind berücksichtigungsfähig, wenn sie mit dem inländischen ordre public im Einklang stehen, was regelmäßig gewährleistet sein wird, wenn mit dem betreffenden Staat völkerrechtliche Vereinbarungen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege in Form von Auslieferungs- oder Rechtshilfeübereinkommen bestehen (KG Berlin Beschl. vom 10.12. 1998 - 1 AR 1472/98 - 4 Ws 288/98). Bei der Berücksichtigung des für die Prognose relevanten Vorlebens kann sich die Frage stellen, welche Bedeutung einem unter Umständen strafbaren, aber (noch) nicht rechtskräftig abgeurteilten Verhalten des Angeklagten zukommt. Die bislang herrschende Rechtsprechung sah in der Verwertung nicht abgeurteilter weiterer Delikte bei der Strafzumessung - und damit auch insbesondere bei der Strafaussetzungsentscheidung - keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung (BGHSt 34 209, 210 f = NStZ 1987 127 m. Anm. Vogler), sofern der Tatrichter hierzu prozessordnungsgemäß eigene Feststellungen getroffen hatte (BGHR Sozialprognose 3, 25; BGH StV 1995 521; BGH StV 1993 458, 459). 2 3 Inwieweit diese Rechtsprechung durch das Urteil des E G M R vom 3. Oktober 2 0 0 2 zur Reichweite der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) bei der Anwendung des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (StV 2003 82 m. Anm. Pauly) eine Änderung erfahren wird, bleibt abzuwarten. 24 Auf § 56 lassen sich die hier aufgestellten Grundsätze jedenfalls nicht unmittelbar übertragen. Dies beruht auf dem Wesen der zur Strafaussetzung führenden Prognoseentscheidung. Sie setzt - anders als der Widerruf der Strafaussetzung gemäß § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - nicht etwa eine Verwertung des festgestellten Verhaltens als Straftat im Sinne von Schuldspruchreife voraus, sondern - lediglich - dessen Würdigung in seiner Bedeutung für das künftige Legalverhalten (vgl. hierzu BVerfG N J W 1994 377). Der Tatrichter hat daher von einer ausdrücklichen Schuldfeststellung zwar abzusehen. Er wird aber durch die Unschuldsvermutung nicht dazu gezwungen, prozessordnungsgemäß getroffene Feststellungen (zu diesem Erfordernis vgl. OLG Hamm VRS 107 424, 426) zu einer bestimmten Verhaltensweise des Verurteilten nur deshalb aus der für die Prognose maßgeblichen Gesamtwürdigung auszuklammern, weil diese Verhaltensweise unter Umständen strafbar ist und bislang weder eingestanden noch rechtskräftig abgeurteilt wurde. Dass dem Urteil des EGMR für Prognoseentscheidungen der hier zur Rede stehenden Art keine derart weitreichende Bedeutung zukommen sollte, ergibt sich auch aus den Gründen der Entscheidung selbst (StV 2003 82, 84 f m. auswertender Anm. Pauly).
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Bisherige Straflosigkeit ist für die zu treffende Entscheidung ebenfalls von erheblicher Bedeutung. Sie spricht in der Regel für eine günstige Sozialprognose. Ebenso wie Vorstrafen nicht von vornherein einer günstigen Prognose entgegenstehen, wäre es aber umgekehrt verfehlt, allein wegen fehlender Vorstrafen Strafaussetzung zu gewähren, ohne zuvor die Lebensverhältnisse des Angeklagten im übrigen aufgeklärt zu haben (vgl. BGHR Sozialprognose 34). So kommt zum Beispiel bei einem Straßenverkehrsdelikt dem Fehlen einschlägiger Vorstrafen kein besonderer Erkenntniswert für die Prognose zu, wenn der Täter erst seit kurzer Zeit einen Kraftwagen fährt und daher bisher kaum Gelegenheit hatte, auf diesem Gebiet straffällig zu werden.
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Vgl. ferner OLG Karlsruhe Justiz 1998 533, 534. Zu den gravierenden Auswirkungen der
Rechtsprechung des EGMR im Bereich des § 56f vgl. dort Rdn. 8 - 1 1 .
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§56
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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cc) Umstände der Tat. Für die Prognose wichtig kann sein, ob der Täter eine einzelne Tat begangen hat oder eine ganze Serie, ob er die Tat langfristig geplant oder ob er aus einer Augenblicksituation heraus gehandelt hat. Taten, die auf persönliche Konflikte zurückgehen, werden in aller Regel eine andere Entscheidung rechtfertigen als Taten, bei denen persönliche Beziehungen keine Rolle spielen. Auch die sich aus den Tatumständen ergebende Einstellung des Täters sowie seine Beweggründe und Ziele können Schlüsse für die zu stellende Prognose zulassen (vgl. hierzu bereits Rdn. 18). Immer verlangt die Täterprognose aber eine individuelle Würdigung. Es ist nicht zulässig, bei Straftaten bestimmter Art, etwa bei Alkoholdelikten mit tödlichem Ausgang im Straßenverkehr (BGH NJW 1990 193 f; BGH NStZ 1994 336), bei Sexualdelikten (BGHSt 6 298, 300) oder bei Betäubungsmitteltaten (BGH NStZ-RR 1999 281; OLG Braunschweig NStZRR 1998 186) grundsätzlich und ohne Rücksicht auf den Einzelfall eine Strafaussetzung abzulehnen.
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dd) Das Verhalten des Täters nach der Tat, insbesondere sein Bemühen, den angerichteten Schaden wieder gut zu machen, kann für die Entscheidung bedeutsam sein (vgl. BayObLG StV 1992 15 f: Aufklärungshilfe gemäß § 31 BtMG). Allerdings vermag die fehlende Schadenswiedergutmachung für sich allein eine Ablehnung der Strafaussetzung noch nicht zu rechtfertigen (BGHSt 5 238; BGH wistra 2001 378, 379). 2 5 Gegen eine günstige Prognose spricht der Umstand, dass der Täter nach der Tat durch ein unter Umständen strafbares - wenn auch nicht rechtskräftig abgeurteiltes - Verhalten auffällig wurde, das an seiner zukünftigen Rechtstreue zweifeln lässt (Rdn. 23). Umgekehrt können positive Schlüsse daraus gezogen werden, dass sich der Täter nach der Tat, vor allem, wenn sie weit zurückliegt, einwandfrei geführt hat (BGH StV 1988 385). Zur Bedeutung fehlender Reue oder Schuldeinsicht vgl. Rdn. 18. Jedes Nachtatverhalten, das nur dem Zweck diente, sich einer Bestrafung zu entziehen und auf diese Weise die eigene Verteidigungsposition zu sichern, darf nicht zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden (BGH N S t Z 1987 406). Mit dem Begriff „Verhalten nach der Tat" ist nicht bloß die Einstellung des Täters zur Tat, sondern seine gesamte Lebensführung unter Berücksichtigung der Lebensumstände gemeint (BGHSt 5 238; OLG Stuttgart NJW 1954 1418).
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ee) Von Gewicht für die Prognoseentscheidung sind die - sowohl persönlichen als auch wirtschaftlichen - Lebensverhältnisse des Täters zur Zeit der Aburteilung und deren voraussichtliche Weiterentwicklung. Darauf, ob der Täter ungünstige Lebensverhältnisse, die ihn anfällig für Straftaten machen, verschuldet hat, kommt es angesichts der rein prognostischen Ausrichtung des Absatzes 1 nicht an. Positiver Einfluss auf die Prognosebeurteilung kann zum Beispiel einer Eheschließung zukommen, sofern durch sie ein förderlicher Einfluss auf den Täter erwartet werden kann, oder dem Erhalt einer Arbeitsoder Lehrstelle (vgl. BGH StV 1996 207). Für Angeklagte, die zuvor noch keinem Freiheitsentzug ausgesetzt waren, ist die im Verfahren erlittene Untersuchungshaft regelmäßig mit einem Warneffekt verbunden, der bei der Prognose in Rechnung zu stellen ist (BGH StV 1996 207; BGH StV 1995 414, 415). 2 6 Die Beseitigung oder Herabsetzung einer vom Täter ausgehenden Gefahr wird sich ebenfalls zu seinen Gunsten auswirken, so, wenn er freiwillig einen Beruf aufgibt, dessen Verführungen er nicht gewachsen ist, wenn er einen Wohnsitzwechsel vornimmt, um sich aus schlechter Gesellschaft zu lösen,
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Vgl. ferner BGH wistra 1987 251; BGH Urt. v. 14.11.1989 - 4 StR 550/89. KG StV 1999 605; OLG Dresden StV 2002
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658; OLG Düsseldorf Beschl. v. 8.5.2000 2a Ss 95/00 - 16/00 II.
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Strafaussetzung oder wenn er als Betäubungsmittelabhängiger ernsthafte Therapiebemühungen zeigt (Rdn. 21). Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Aburteilung ( O L G Köln N J W 1 9 5 7 4 7 2 ) . Da die Prognose jedoch in die Zukunft weist, müssen auch zu erwartende künftige Ereignisse berücksichtigt werden (BGH N J W 1 9 7 8 5 9 9 ) , z.B. Änderungen infolge von Auflagen und Weisungen (BGH StV 1 9 9 9 601 f [LS]; B G H R Sozialprognose 2 0 , 21; B G H StV 1 9 8 7 63). Umstände, die dem Tatrichter Anlass geben, eine angeordnete Unterbringung nach § 6 7 b auszusetzen, können zugleich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit straffreier Lebensführung im Sinne von § 5 6 Abs. 1 begründen (BGH N S t Z 1 9 8 8 451, 4 5 2 ) . Auch die Anordnung der in § 61 Nrn. 4 bis 6 genannten Maßregeln kann eine noch bestehende Gefahr erneuter Straffälligkeit so weit reduzieren, dass die Strafaussetzung gewährt werden kann, so z.B. bei Verhängung eines Berufsverbots (BGH Urteil vom 6 . 5 . 1 9 8 0 - 4 StR 175/80). Deshalb ist es kein Widerspruch, wenn eine günstige Prognose in Fällen angenommen wird, in denen nach § 4 7 eine kurze Freiheitsstrafe als unerlässlich zur Einwirkung auf den Täter verhängt wird. 2 7 Da Strafaussetzung ihrem Sinne nach Bewährung in der Freiheit voraussetzt, werden die Lebensverhältnisse eines Angeklagten zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung eine günstige Prognose regelmäßig ausschließen, wenn in anderer Sache eine unbefristete Freiheitsentziehung (Sicherungsverwahrung) angeordnet ist ( O L G Hamburg J R 1 9 7 7 515 m. Anm. Gruttau). ff) Wirkungen der Aussetzung. Hierbei kommt es auf die Wirkungen für den Täter an, nicht für andere. Dabei ist aber zu beachten, dass günstige Auswirkungen auf andere (z.B. auf die Familie, die den Ernährer, oder auf den Arbeitgeber, der eine gute Arbeitskraft behält) auch den Täter betreffen können, so wenn ihm in den Beispielsfällen die Familie oder der Arbeitsplatz erhalten bleibt. Abzustellen ist stets auf die Wirkungen der Aussetzung, nicht auf diejenigen der Strafverbüßung. Die Gefahr, dass der Täter im Falle der Nichtaussetzung im Vollzug negativ beeinflusst werden könnte, ist daher kein geeignetes Kriterium für eine positive Prognose. Umgekehrt darf die Strafaussetzung nicht mit der Erwägung verwehrt werden, der Angeklagte werde unter den gegebenen Umständen durch die Strafverbüßung nicht unangemessen hart getroffen, weil er mit der Einweisung in den offenen Vollzug rechnen könne. 2 8
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gg) Gesamtwürdigung. Die im Gesetz vorgenommene Aufzählung ist nicht abschließend, sondern nur beispielhaft zu verstehen. Der Richter ist gehalten, aufgrund aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles eine Gesamtwürdigung von Tat und Täter vorzunehmen, wobei jede Schematisierung zu vermeiden ist ( B G H R Sozialprognose 2 0 , 2 9 ; O L G Karlsruhe V R S 5 0 98; O L G Karlsruhe N J W 1 9 8 0 134). Ein einzelner Umstand hat bei der Prognoseentscheidung einen um so geringeren Symptomwert, je mehr er sich rationaler Erfassung und Darstellung entzieht. Daher vermag ein „ungünstiger Eindruck" vom Angeklagten in der Hauptverhandlung die Verneinung einer positiven Sozialprognose nicht zu rechtfertigen, wenn der Tatrichter keine konkreten Tatsachen feststellen und im Urteil näher darlegen kann, die diesen Eindruck stützen ( B G H R Sozialprognose 2 4 ; O L G Düsseldorf VRS 9 6 4 4 3 , 4 4 5 ) . Ein Umstand, der schon bei der Bestimmung der Strafhöhe berücksichtigt worden ist, verliert dadurch nicht an Bedeutung für die Prognoseentscheidung (BGH StV 1 9 8 7 101 [LS]). Ferner sind die für § 5 6
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BGHSt 24 164, 166 mit Anm. Koffka JR 1972 382; Dünnebier JR 1970 241, 246; Horstkotte J Z 1970 122, 127 und NJW 1969 1602.
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BGH Beschl. v. 28.1.2003 - 3 StR 471/02 (insoweit in StV 2003 331 f nicht abgedruckt); vgl. ferner BayObLGSt. 1993 216, 223.
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§56
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Abs. 2 relevanten „besonderen Umstände" stets auch für die Prognose nach Absatz 1 von Belang (BGHR Sozialprognose 31). Der Tatrichter darf die einzelnen prognoserelevanten Gesichtspunkte bei der Gesamtwürdigung nicht durch einen Rückgriff auf nicht belegte Erfahrungssätze relativieren. Daher verbietet sich die Überlegung, die soziale Eingliederung des Täters sei bei bestimmten Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern angesichts der in diesem Deliktsbereich allgemein hohen Rückfallquote als positiver Prognosegesichtspunkt nicht geeignet (BGHR § 56 Abs. 2 Sozialprognose 2). 2. Die Folgerungen 30
a) Beurteilungsspielraum des Tatrichters. Ist die Prognose nach dem dargelegten Maßstab ungünstig, so ist Strafaussetzung zu versagen. Fällt die Beurteilung positiv aus, so ist - mit der Einschränkung des § 56 Abs. 3 - Strafaussetzung zu gewähren. Der Tatrichter hat in diesem Bereich also kein Ermessen, wenn ihn die Beurteilung zu einem bestimmten Ergebnis geführt hat. Allerdings steht ihm bei der Prognose selbst ein Beurteilungsspielraum zu. Das ergibt sich aus dem Charakter der Entscheidung als Akt der Strafzumessung (Rdn. 1).
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b) Revisibilität der tatrichterlichen Entscheidung. Die Entscheidung ist demgemäß wie die Strafzumessung insgesamt - im Revisionsrechtszug nur mit Einschränkungen überprüfbar. Das Revisionsgericht kann sie in der Regel nicht durch eine eigene ersetzen. Auch wenn es die Prognoseeinschätzung des Tatrichters für fragwürdig und eine abweichende Beurteilung des Falles für überzeugender hält, hat es die im Wesen der Prognosebeurteilung nach § 5 6 Abs. 1 liegende subjektive Wertung des Tatrichters „bis zur Grenze des Vertretbaren" hinzunehmen (BGH NStZ 1984 410; BGHR Sozialprognose 9; BGH StV 2001 6 7 6 ) . 2 9 Die Entscheidung ist im Revisionsrechtszug nur auf Rechtsfehler nachzuprüfen.
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Ein Rechtsfehler liegt insbesondere dann vor, wenn die Urteilsbegründung zur Frage der Strafaussetzung ins Gewicht fallende Erörterungsmängel aufweist. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Tatrichter nicht gehalten ist, bei der Begründung seiner Prognoseentscheidung eine umfassende Darstellung aller irgendwie mitsprechenden Erwägungen vorzunehmen; es bedarf vielmehr lediglich einer Erörterung der wesentlichen, nach Lage des Falles bei der Entscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte (BGHR § 56 Abs. 2 Sozialprognose 1; BayObLG NStZ-RR 2 0 0 4 4 2 , 43; BayObLG Urteil vom 27.11.2003 - 5 St R R 300/03). Die Würdigung des Tatgerichts ist daher unvollständig und ermessensfehlerhaft, wenn sie zentrale, in Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich aufgeführte Prognosefaktoren nicht einbezieht oder eine Auseinandersetzung mit Umständen vermissen lässt, denen aufgrund der Feststellungen prognoserelevanter Charakter zukommt (BGH NStZ 2001 366, 367; BGH StV 1996 207; BGH wistra 2001 378, 379). 3 0 Fehlende Ausführungen zur Versagung der Strafaussetzung sind allerdings unbedenklich, wenn angesichts der festgestellten Umstände des Falles eine günstige Sozial-
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BGH N J W 1978 5 9 9 ; KG StV 1999 605; OLG Düsseldorf StV 1993 4 7 6 ; OLG Düsseldorf J R 2 0 0 1 2 0 2 , 2 0 3 m. Anm. Wohlers·, OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 260, 261; OLG Düsseldorf VRS 9 6 443, 4 4 4 ; BayObLG Urt. v. 27.11.2003 - 5 St RR 300/03.
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BGH StV 1995 414 f; BayObLG NStZ-RR 2 0 0 4 336, 3 3 7 f; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2 0 0 5 2 0 0 ; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2 0 0 5 2 0 0 , 201; KG Berlin Urt. v. 2 0 . 8 . 1 9 9 7 - (5) 1 Ss 2 0 3 / 9 6 (37/96).
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Strafaussetzung
§56
prognose so fern liegt, dass das Revisionsgericht eine rechtsfehlerhafte Beurteilung durch das Tatgericht ausschließen kann (BGHR Sozialprognose 1). Lässt das tatrichterliche Urteil jegliche Feststellungen zum Vorleben und zu den Lebensverhältnissen des Angeklagten vermissen, so weist die ausschließlich auf fehlende Vorstrafen gestützte Annahme einer positiven Sozialprognose Erörterungsmängel auf (BGHR Sozialprognose 34). Soweit Rechtsfehler erkennbar sind, auf denen die tatrichterliche Entscheidung be- 3 3 ruht, ist das Urteil in der Revisionsinstanz grundsätzlich aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.31 Zwar wird in der Rechtsprechung - aufgrund extensiver Auslegung des § 354 Abs. 1 StPO - eine eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts ausnahmsweise befürwortet, wenn der Revisionssenat die tatrichterlichen Feststellungen für nicht ergänzungsbedürftig hält und diese eindeutig entweder eine positive oder eine negative Prognose ergeben (BGH wistra 2001 378, 379; BGH StV 1996 265, 266). 3 2 In die gleiche Richtung geht der durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 zur Entlastung der Rechtspflege neu eingeführte § 354 Abs. la StPO, der die Möglichkeit einer revisionsinstanzlichen Sachentscheidung bei Gesetzesverletzungen im Rechtsfolgenbereich „behutsam erweitern" soll, ohne hierbei die zu § 354 Abs. 1 StPO bislang ergangene Rechtsprechung in Frage zu stellen (zur gesetzgeberischen Motivation vgl. BTDrucks. 15/999 S. 14, 28 f; BTDrucks. 15/3482 S. 21 f). Da das Verfahren vor dem Revisionsgericht im geltenden Rechtsmittelsystem indes nach wie vor nicht als Tatsacheninstanz ausgestaltet ist, muss diesen Tendenzen gerade für den Bereich der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung mit äußerster Vorsicht begegnet werden (sehr weitgehend daher OLG Schleswig StV 2006 403 m. abl. Anm. Jung). Bei der Prognosebeurteilung, deren Grundlagen auch für die Erwägungen zu § 56 Abs. 2 und 3 von Bedeutung sind (vgl. Rdn. 38, 59), handelt es sich um einen besonders stark am aktuellen Sachstand orientierten und in die Zukunft gerichteten Akt der Strafzumessung, der grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten sein sollte. Es wird sich regelmäßig nicht ausschließen lassen, dass die prognoserelevanten Umstände im Zeitraum seit der letzten tatrichterlichen Entscheidung maßgebliche Veränderungen erfahren haben, die eine Neubewertung der Strafaussetzungsfrage erfordern würden, vom Revisionsgericht aber zwangsläufig nicht berücksichtigt werden können. Da der auf eine reine Rechtskontrolle beschränkte Revisionssenat derartige Veränderungen - systemimmanent - nicht zur Kenntnis nehmen darf, wird er in der Regel auch nicht in der Lage sein, die fehlende Ergänzungsbedürftigkeit der tatrichterlichen Feststellungen - als Voraussetzung für eine eigene Sachentscheidung - zuverlässig festzustellen.
IV. Die Erweiterung (§ 56 Abs. 2) § 56 Abs. 2 erweitert die Möglichkeit, die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur BeWährung auszusetzen, auf Strafen von mehr als einem Jahr bis zur Obergrenze von zwei Jahren. Die Möglichkeit besteht nur unter den Voraussetzungen des § 56 Abs. 1, d.h. bei günstiger Zukunftsprognose. Sie ist weiter an die Voraussetzung geknüpft, dass „nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen".
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Vgl. BGHR Sozialprognose 5, 8. BayObLGSt. 1988 32, 35; KG Berlin Urt. v. 2.11.1999 - (4) 1 Ss 80/99 (44/99).
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§56
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
1. Die „Umständeklausel" 35
a) Ihre Entwicklung. Die geltende Fassung des S 5 6 Abs. 2 Satz 1 beruht auf Art. 1 Nr. 5 des 2 3 . StRÄndG vom 13.4.1986, in Kraft seit dem 1.5.1986 (Art. 10 des 2 3 . StRÄndG). Vorher, d.h. seit der Einführung der erweiterten Aussetzungsmöglichkeit durch Art. 1 Nr. 9 des 1. StrRG vom 2 5 . 6 . 1 9 6 9 (in Kraft seit dem 1.4.1970, Art. 105 Nr. 2 des 1. StrRG), lautete die „Umständeklausel": „wenn besondere Umstände in der Tat und in der Persönlichkeit des Verurteilten vorliegen" (§ 2 3 Abs. 2 i.d.F. des 1. StrRG, § 5 6 Abs. 2 i.d.F. des 2 . StrRG). Mit dieser Trennung und dem Erfordernis, dass besondere Umstände unter beiden Aspekten (in der Tat und in der Persönlichkeit des Verurteilten) vorliegen müssten, verleitete die Vorschrift zu restriktiver Interpretation. So nahm der B G H anfänglich an, dass es sich bei § 5 6 Abs. 2 um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handele, deren Anwendung regelmäßig nur in Betracht komme, wenn die Tat einer unerwarteten und unausweichlichen Konfliktslage entsprungen sei, die an Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe heranreiche. 3 3 Spätere Entscheidungen stellten zwar nicht mehr auf eine spezifische Konfliktslage ab, verlangten aber weiterhin für eine Anwendung des § 5 6 Abs. 2 das Vorliegen mildernder Umstände besonderen Gewichts, denen Ausnahmecharakter zukommt, weil sie über durchschnittliche Strafmilderungsgründe hinausgehen und dem Fall zugunsten des Täters den Stempel des Außergewöhnlichen aufdrücken. 3 4 Diese Rechtsprechung ist inzwischen im Wesentlichen überholt. 3 5 Sie wurde schon vor der Gesetzesänderung durch das 23. StRÄndG aufgegeben. 3 6
36
b) Ihr Inhalt. Nach der von der Praxis entwickelten und bis heute für § 5 6 Abs. 2 gültigen Begriffsbestimmung sind „besondere Umstände" solche, die im Vergleich mit gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsgründen von besonderem Gewicht sind und eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Taten, wie er sich in der Höhe der Strafe widerspiegelt, als nicht unangebracht und den vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen (BGH N S t Z 1 9 8 7 21; B G H wistra 1 9 9 4 193; B G H R Umstände, besondere 1, 6 ) . 3 7 Die Umstände müssen zwar nach wie vor so beschaffen sein, dass sie sich von einfachen oder durchschnittlichen Strafmilderungsgründen abheben (vgl. B G H NStZ 1981 389, 391). Die Praxis hat dieses Merkmal aber deutlich relativiert und es dadurch weitgehend der ihm ursprünglich zugedachten Begrenzungsfunktion entkleidet. Sie hat den Anwendungsbereich des § 5 6 Abs. 2 Satz 1 erheblich erweitert, indem sie als „besondere Umstände" auch ein Zusammentreffen oder eine Häufung von Milderungsgründen genügen lässt, die für sich allein nur als einfache oder durchschnittliche Umstände angesehen werden könnten (BGH N J W 1983 1624; B G H NStZ 1985 410; B G H R Umstände, besondere 7). 3 8
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BGHSt 25 142, 144; weitere Entscheidungen zitiert bei Bitz ZRP 1977 63 Fußn. 23 und 24 und bei Wahl BewH 1972 224-238. BGH NJW 1977 639 mit Anm. Lintz JR 1978 33; BGH GA 1978 79, 80; BGH GA 1979 313; BGH DRiZ 1979 187, 188; BGHSt 29 319, 324. Vgl. BGHR Gesamtwürdigung 4; BGHR Umstände, besondere 10. BGH Beschl. v. 25.9.1984 - 1 StR 552/84; BGH Beschl. v. 6.11.1984 - 4 StR 577/84. BGHR Gesamtwürdigung 1, 6; BGHR Aussetzung, fehlerhafte 2; BayObLG JR 2002
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166, 168 m. Anm. Verrei-, OLG Hamm VRS 105 19, 20; OLG Hamm VRS 85 190, 193; OLG Celle BA 36 188, 189. BGHR Gesamtwürdigung, unzureichende 2, 7; BGHR Gesamtwürdigung 1, 4; BGH StV 1983 502; BGH Beschl. v. 17.3.1983 - 1 StR 145/83; BGH NStZ 1982 285, 286; BGH NStZ 1983 118, 119; BGH NStZ-RR 1996 133, 134; BGHR Begründungserfordernis 2; BGH NStZ-RR 1999 281; BGH StV 1998 260; BayObLG JR 2002 166, 168 m. Anm. Verrei; OLG Hamm VRS 105 19, 21; OLG Zweibrücken Urt. v. 7.6.1996 - 1 Ss 51/96.
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Strafaussetzung
§56
Die gemäß ξ 56 Abs. 2 Satz 1 vorzunehmende Gesamtwürdigung von Tat und Per- 3 7 sönlichkeit des Verurteilten bedarf keiner genauen Unterscheidung zwischen tat- und persönlichkeitsbezogenen Umständen, da diese sich ohnehin gegenseitig beeinflussen können und daher vielfach nicht scharf voneinander trennen lassen (BGH wistra 1994 193; BGHR Gesamtwürdigung 5). Die geltende Fassung der Vorschrift vermeidet den Anschein, als ob eine Strafaussetzung besondere Umstände sowohl in der Tat als auch in der Persönlichkeit des Angeklagten erfordere, und trägt damit der schon zu § 56 Abs. 2 a.F. vertretenen Ansicht des BGH 3 9 Rechnung (BGH NStZ 1987 21 unter Hinweis auf BTDrucks. 10/2720 S. 10, 11). Da für die Annahme besonderer Umstände nach der heute vorherrschenden Begriffsbestimmung auch eine Häufung „einfacher" Milderungsgründe ausreicht, ist die Prüfung des § 56 Abs. 2 eng verflochten mit der Strafzumessung im engeren Sinne (Bestimmung der Höhe der Strafe) und der Prognosebeurteilung nach § 56 Abs. 1. Keiner der für die Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 2 wesentlichen Umstände ist von der Einbeziehung in die Prüfung deswegen ausgeschlossen, weil er schon bei der Festsetzung der Strafe (sei es bei der Findung des Strafrahmens, sei es bei der Festsetzung der Strafhöhe) berücksichtigt worden ist (BGH NStZ 1985 261; BGHR Gesamtwürdigung, unzureichende 3; BayObLG J R 2002 166, 168 m. Anm. Verrei). Darüber hinaus sind auch die Tatsachen, aus denen sich die Prognosebeurteilung (§ 56 Abs. 1) ergibt, in die Prüfung der „Umständeklausel" mit einzubeziehen (BGH NStZ 1987 21; BGHR Umstände, besondere 3, 8). 40 Es ist nur scheinbar ein Widerspruch anzunehmen, dass die günstige Prognose als Voraussetzung für die Anwendung der „Umständeklausel" bei besonderen Umständen zugleich ein Teil von ihnen sein könne. Das zeigt sich schon daran, dass sie sich im Einzelfall auf eine breite Tatsachengrundlage stützen kann, die über das gedachte Minimum für eine günstige Prognose weit hinaus reicht. Diese Handhabung enthebt die Praxis der Schwierigkeiten, die sich zwangsläufig daraus ergeben müssten, jeweils zu klären, welche Tatsachen in welcher Kombination das Tatsachenminimum bilden würden, das die Annahme einer günstigen Sozialprognose trägt, damit anschließend die „überschießenden" Fakten unter dem Gesichtspunkt der besonderen Umstände gewertet werden könnten.
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Ob bestimmte Umstände als besondere im Sinne des § 56 Abs. 2 anzuerkennen sind, 3 9 kann mit von der Strafhöhe abhängen. Die besonderen Umstände müssen um so gewichtiger sein, je mehr sich die Strafe der Obergrenze von zwei Jahren nähert (BGH NStZ 1987 21; BGHR Aussetzung, fehlerhafte 1; BGHR Sozialprognose l). 4 1 Umgekehrt reichen bei verhältnismäßig weitem Abstand von der Obergrenze einer aussetzungsfähigen Strafe Gründe von etwas geringerem Gewicht (BGH StV 2001 676). Ist die Strafhöhe bereits rechtskräftig bestimmt und nur noch über die Strafaussetzung zu entscheiden, dann steht es dem mit der Sache befassten Gericht nicht zu, die rechtskräftige Entscheidung durch Einschätzung der Strafe als milde oder streng zu relativieren und diese Bewertung in die Prüfung der Aussetzungsfrage einfließen zu lassen. Vielmehr ist die Höhe der verhängten Strafe als schuldangemessen hinzunehmen (BGHR Gesamtwürdigung, unzureichende 3).
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Vgl. BGH NJW 1976 1413. Vgl. ferner BGHR § 56 Abs. 1 Sozialprognose 31; BGH NStZ-RR 2 0 0 3 2 6 4 ; BGH StV 2 0 0 3 670; BGH StV 1995 2 0 ; BGHR Sozialprognose 4; BGH Beschl. v. 2 8 . 6 . 1 9 9 5 - 2
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StR 2 8 4 / 9 5 ; BGH Beschl. v. 9.7.2003 - 3 StR 2 2 5 / 0 3 ; BGH Beschl. v. 21.9.2006 - 4 StR 3 2 3 / 0 6 ; BayObLGSt. 1997 154, 155 f. BGH wistra 1994 193; OLG Hamm VRS 105 19, 20; OLG Hamm VRS 85 190, 193.
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§56
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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c) Kasuistik. Bei der nach § 56 Abs. 2 durchzuführenden Gesamtwürdigung können folgende Faktoren von Bedeutung sein: Schuldeinsicht und Reue des Angeklagten, die in einem Geständnis zum Ausdruck kommen (BGHR Umstände, besondere 3; BGH StV 1999 602; BayObLGSt. 1997 154, 156); fehlende Vorstrafen und bislang geordnete Lebensführung (BGHR Sozialprognose 1); das fortgeschrittene Lebensalter (BGHR Umstände, besondere 4; BGH Beschl. vom 9.7.2003 - 3 StR 225/03) oder eine schwere Erkrankung (BGH Beschl. vom 13.7.1994 - 5 StR 298/94) des Angeklagten; die durch die Tat bedingten beruflichen Nachteile eines Rechtsanwalts, auch wenn das Delikt unter Ausnutzung der beruflichen Stellung begangen wurde (BGH NStZ 1987 172); 42 der Verlust der Beamtenstellung (BGH wistra 1990 190; BGH wistra 2000 96, 97); die Folgen einer etwaigen Strafverbüßung für die finanziell vom Angeklagten abhängige Familie (OLG Hamm VRS 105 19, 21; OLG Dresden BA 36 387, 388 m. Anm. Molketin)·, der Charakter der Tat als im Versuchsstadium steckengebliebenes Gelegenheitsdelikt (BGHR Sozialprognose 1); der Einsatz eines V-Mannes und die Überwachung der von ihm initiierten Waffengeschäfte im Bereich des illegalen Waffenhandels (BGH NStZ 1988 133); der Umstand, dass die Tat bei der Verkündung des Urteils bereits einige Jahre zurücklag (BGHR Gesamtwürdigung, unzureichende 5; BGHR Umstände, besondere 13); ein konkret festgestelltes Mitverschulden des Verletzten (OLG Dresden BA 36 387, 388 m. Anm. Molketin).
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Die besonderen Umstände können sich auch im Zusammenhang mit Tatsachen ergeben, die erst nach der Tat eingetreten sind. Zu denken ist insbesondere an eine nachträgliche günstige Veränderung der Lebensverhältnisse des Angeklagten (BGH NStZ 1987 21; BGH StV 1990 18; BGH StV 1992 156) 4 3 oder an sein ernsthaftes Bemühen, von der Drogensucht wegzukommen (BGH NStZ-RR 1997 231). Zu berücksichtigen ist auch, dass der Angeklagte Aufklärungshilfe geleistet hat (BGH NStZ 1983 218; BGH NStZRR 1997 231) oder nach der Tat durch längere Haft in eine Haftpsychose mit Krankheitswert geraten ist (BGH NStZ 1981 140); allgemein die Tatsache, dass er längere Zeit in Untersuchungshaft verbringen musste (BGH StV 1992 156; BGH NStZ-RR 1999 281). 4 4 Dem Bemühen um Schadenswiedergutmachung hat der Gesetzgeber anlässlich der Einführung des Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 46a) durch das VerbrBekG vom 28.10. 1994 mittels ausdrücklicher Erwähnung in § 56 Abs. 2 Satz 2 besonderes Gewicht verleihen wollen (vgl. BTDrucks. 12/6853 S. 22; BayObLGSt. 1997 154, 156).
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Bei der nach Abs. 2 gebotenen Gesamtwürdigung sind alle für und gegen den Angeklagten sprechenden maßgeblichen Faktoren einzubeziehen. Daher begegnet es rechtlichen Bedenken, wenn das Tatgericht dem Angeklagten dessen kriminelle Energie zur Last legt, ohne zugleich auf die erhebliche Verminderung seines Hemmungsvermögens einzugehen (BGH StV 1993 302). Umstände, die zur Folge haben, dass eine Tat als besonders schwerer Fall eines Delikts eingestuft wird, schließen eine Strafaussetzung nach § 56 Abs. 2 nicht notwendig aus (BGHR Umstände, besondere 9). Das Verbot, eine Tatsache bei der Festsetzung der Strafhöhe oder bei der Prognosebeurteilung nach Abs. 1 zum Nachteil des Angeklagten zu berücksichtigen, wirkt sich regelmäßig auch auf die Prüfung der Voraussetzungen des Abs. 2 aus. Daher darf das Fehlen von Reue und Schuldeinsicht (BGH StV 1989 149), 45 die unterlassene Verhinderung der Falschaussage
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Vgl. ferner BGHR Sozialprognose 1 (Gefährdung der geschäftlichen Stellung). BGHR Gesamtwürdigung, unzureichende 2, 7, 8; BGHR Gesamtwürdigung 4; BGH
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Beschl. v. 18.12.1992 - 2 StR 4 0 0 / 9 2 ; BGH Urt. v. 29.4.1985 - 3 StR 97/85. BGH Beschl. v. 20.8.1993 - 2 StR 4 2 7 / 9 3 . BGH bei Pfister NStZ-RR 1999 358 Nr. 59.
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Strafaussetzung
§56
eines Zeugen (BGHR Umstände, besondere 4) oder das mangelnde Bemühen um Schadenswiedergutmachung (BGH wistra 2001 96) nicht zu Lasten des Angeklagten verwertet werden, wenn er sich durch das vom Tatgericht vermisste Verhalten in Widerspruch zu seiner Verteidigungsstrategie hätte setzen müssen. Ebenso wie bei der Prognosebeurteilung (Rdn. 29) begegnet es auch im Zusammenhang mit § 56 Abs. 2 rechtlichen Bedenken, wenn die Ablehnung besonderer Umstände auf einen nicht näher erläuterten und nachvollziehbar gemachten „Eindruck" gestützt wird, den das Gericht von der Person des Angeklagten in der Hauptverhandlung gewonnen hat (BGH Beschl. vom 13.7. 1 9 9 4 - 5 StR 298/94). 2. Die Folgerungen a) Beurteilungsspielraum und Ermessen des Tatrichters. Bei der Prüfung, ob der Sachverhalt die Annahme besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 rechtfertigt, hat der Tatrichter - ähnlich wie bei der Prognosebeurteilung nach § 56 Abs. 1 (Rdn. 30) - einen Beurteilungsspielraum. Im Rechtsfolgenbereich ist § 56 Abs. 2 allerdings - im Gegensatz zu Absatz 1 - als Ermessensvorschrift ausgestaltet mit der Folge, dass der Tatrichter grundsätzlich befugt ist, die Strafaussetzung trotz Annahme besonderer Umstände zu versagen. Wie er aber bei erheblicher Verminderung der Schuldfähigkeit ( § 2 1 ) die Strafrahmenmilderung nur aus gewichtigen schulderhöhenden Gründen ablehnen darf, so kann er auch nach § 56 Abs. 2 bei Vorliegen besonderer Umstände nicht nach freiem Belieben entscheiden. Vielmehr muss er Strafaussetzung gewähren, es sei denn, gewichtige Gründe sprächen dagegen. Ist dies aber der Fall, so werden im Allgemeinen schon die „besonderen Umstände" fehlen. Eine fehlerfreie Ausübung des Ermessens im Rechtsfolgenbereich wird daher - abgesehen vom Fall des § 56 Abs. 3 - regelmäßig zur Strafaussetzung führen.
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b) Revisibilität der tatrichterlichen Entscheidung. Der Rechtsbegriff der „besonderen Umstände" ist nur eingeschränkt revisibel. Hält sich der Tatrichter bei der Bewertung der maßgebenden Tatsachen innerhalb des ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraums, so ist seine Entscheidung vom Revisionsgericht in Zweifelsfällen selbst dann zu respektieren, wenn es die gegenteilige Auffassung für überzeugender erachten würde (BGH NStZ 1981 389, 390; BGHR Gesamtwürdigung 4; BGH N S t Z 1994 336). 4 6
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Ein revisionsrechtlich relevanter Rechtsfehler liegt vor, wenn der Tatrichter weiterhin die inzwischen überholte Rechtsprechung (vgl. hierzu Rdn. 35) als Maßstab für die Prüfung der „besonderen Umstände" zugrunde legt, indem er Milderungsgründe mit „Ausnahmecharakter" verlangt (BGHR Umstände, besondere 1, 11) oder davon ausgeht, es bedürfe besonderer Umstände sowohl in der Tat als auch in der Persönlichkeit des Angeklagten (BGHR Gesamtwürdigung 2, 3; vgl. Rdn. 37). Die fehlende Erörterung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 in den Urteilsgründen ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn eine andere Entscheidung als die vom Tatrichter getroffene nach den Umständen des Falles erkennbar fern lag (BGH NStZ 1986 374; BGHR Umstände, besondere 8). Außerhalb dieser eindeutigen Konstellationen muss sich das tatrichterliche Urteil allerdings mit § 56 Abs. 2 auseinandersetzen und hierbei eine erschöpfende Ge-
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BGHR Umstände, besondere 3; BGH StV 1993 591; BGH wistra 1994 193; BGH NStZ 1982 285, 286; BGH N S t Z 1983 118; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1996 198, 199; OLG
Düsseldorf VRS 95 251, 252; OLG Celle BA 36 188, 189; BayObLG Urt. v. 27.11.2003 5 St RR 300/03.
Jutta Hubrach
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§56
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
samtwürdigung unter Einbeziehung sowohl der mildernden (OLG Hamm VRS 105 19, 21) als auch der belastenden Faktoren (OLG Celle BA 36 188, 190 f) erkennen lassen. Ein Erörterungsmangel liegt daher vor, wenn der Tatrichter das Vorliegen besonderer Umstände verneint und sich zur Begründung formelhaft allein auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts oder auf die Hervorhebung nur einzelner belastender Gesichtspunkte beschränkt (BGH NStZ 1983 218; BGH N J W 1983 1624; B G H R Gesamtwürdigung 5 ) . 4 7 Da die Prüfung des § 5 6 Abs. 2 eine günstige Sozialprognose (§ 56 Abs. 1) voraussetzt und durch die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte zugleich auch beeinflusst werden kann (vgl. Rdn. 38), begegnet es rechtlichen Bedenken, wenn der Tatrichter das Vorliegen besonderer Umstände verneint und dabei dahinstehen lässt, ob dem Angeklagten eine positive Prognose gestellt werden kann (BGH Beschl. vom 21.9.2006 - 4 StR 323/06). In Ausnahmefällen kann auch die zu § 56 Abs. 2 vorgenommene Wertung als solche revisionsrechtlich zu beanstanden sein, wenn sie auf absolut unvertretbaren Erwägungen zur Annahme besonderer Umstände beruht, so zum Beispiel bei einer schlechterdings nicht vertretbaren Bagatellisierung der Tatumstände eines Gewaltdelikts (BayObLG NStZ-RR 2 0 0 4 4 2 , 43). Das Fehlen besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 darf nicht mit generalpräventiven Gesichtspunkten begründet werden, die erst bei der Prüfung des § 5 6 Abs. 3 (vgl. Rdn. 49) von maßgeblicher Bedeutung sein können (BGHR Verteidigung 8; BGH Beschl. vom 19.7.1983 - 3 StR 267/83). 46
Im Falle einer rechtsfehlerhaften tatrichterlichen Entscheidung zu § 56 Abs. 2, auf der das Urteil beruht, ist die Sache regelmäßig an die Vorinstanz zurückzuverweisen.48 Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung erkennbare Tendenz, bei eindeutig erscheinenden Fallgestaltungen eine eigene Sachentscheidung zu Gunsten (BGHR Gesamtwürdigung, unzureichende 5; B G H NStZ-RR 1999 281 ) 4 9 oder zu Lasten des Angeklagten (BGH Urteil vom 13.6.1985 - 4 StR 210/85) zu treffen, begegnet den zu § 5 6 Abs. 1 (Rdn. 33) bereits ausgeführten Bedenken.
V. Die Einschränkung (§ 56 Abs. 3) 47
Absatz 3 schränkt die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung ein, indem er sie für einen Teil der Fälle des Absatzes 1 (bei Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu einem Jahr) und für alle Fälle des Absatzes 2 (bei Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren) ausschließt, wenn „die Verteidigung der Rechtsordnung" die Vollstreckung „gebietet". Daraus ergibt sich die Dreiteilung der aussetzbaren Strafen (Rdn. 8). Die Regelung, dass Strafen unter sechs Monaten bei günstiger Prognose ausgesetzt werden müssen, hängt eng mit dem in § 4 7 zum Ausdruck gekommenen Bestreben zusammen, kurze Freiheitsstrafen zurückzudrängen. 1. Die Verteidigung der Rechtsordnung
48
a) Die Entwicklung des Begriffs. § 5 6 Abs. 3 entspricht § 23 Abs. 3 i.d.F. des Art. 1 Nr. 9 des 1. StrRG und § 56 Abs. 3 i.d.F. des Art. 1 Nr. 1 des 2. StrRG. Der Begriff „Verteidigung der Rechtsordnung" ist nicht derselbe wie der des öffentlichen Interesses in § 23 Abs. 3 Nr. 1 in der Fassung des 3. StRÄndG (BGHSt 24 4 0 , 44; Zipf FS Bruns, 47
48
BGH bei Pfister NStZ-RR 1 9 9 9 358 Nr. 59; BGH Beschl. v. 18.12.1992 - 2 StR 400/92; BGH Beschl. v. 2 8 . 6 . 1 9 9 5 - 2 StR 284/95. Vgl. BGHR Begründungserfordernis 1;
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BGHR Gesamtwürdigung 3; BGHR Umstände, besondere 6, 7. BGH Beschl. v. 13.7.1994 - 5 StR 298/94; BGH Beschl. v. 8.1.1993 - 2 StR 616/92.
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Strafaussetzung
§56
209). Seine Verwendung sollte die Versagung der hinsichtlich der Prognose an sich möglichen Strafaussetzung im Vergleich zum früheren Rechtszustand nicht an ganz andere, sondern vor allem an engere Voraussetzungen knüpfen. 50 Der neue Begriff ist erst bei der zweiten Lesung der Strafrechtsreformgesetze im Plenum des Bundestages in das Gesetz eingefügt worden. Der Sonderausschuss Strafrechtsreform hatte noch die Formel „Bewährung der Rechtsordnung" vorgeschlagen. Da Interpretationsversuche aus dem Wortsinn und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift 51 zu keinem befriedigenden Ergebnis führen, hat der Bundesgerichtshof mit seiner bis heute maßgeblichen Entscheidung vom 8.12.1970 (BGHSt 24 40, 42) in verfassungsrechtlich zulässiger Weise (BVerfG Beschl. vom 9.3.1992 - 2 BvR 237/92) für die Begriffsdefinition auf die kriminalpolitische Gesamtkonzeption der Strafrechtsreform abgestellt, nach der in der Regel auf die Verhängung kurzer und die Vollstreckung mittlerer Freiheitsstrafen verzichtet werden soll. b) Sein Inhalt aa) Bei der Bestimmung des Begriffs „Verteidigung der Rechtsordnung" sind nach BGHSt 24 40, 44 zwei Elemente von Bedeutung (vgl. Dreher JR 1970 228): Zu den Aufgaben der Strafe gehört zum einen die Durchsetzung des Rechts gegenüber dem vom Täter begangenen Unrecht, womit sich die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung vor der Rechtsgemeinschaft erweist. Zum anderen soll die Strafe künftigen ähnlichen Rechtsverletzungen potentieller Täter vorbeugen („spezielle Generalprävention" - BGHSt 24 40, 44). Mit diesen objektiven Gesichtspunkten korrespondiert das subjektive Element der „Rechtstreue der Bevölkerung", die es zu wahren gilt. Der Gesichtspunkt der Erhaltung der Rechtstreue der Bevölkerung, der Abwehr ihrer ernstlichen Beeinträchtigung, wird in BGHSt 24 40, 45 als entscheidendes Kriterium für die Versagung einer Strafaussetzung und als maßgeblicher Ansatzpunkt für eine sachgemäße Handhabung des Begriffs „Verteidigung der Rechtsordnung" genannt (ebenso BGH NStZ 1989 527 Nr. 5; OLG Hamburg NStZ 1984 140). 5 2 Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung ist demnach notwendig, wenn andernfalls eine ernstliche Gefährdung der rechtlichen Gesinnung der Bevölkerung als Folge schwindenden Vertrauens in die Funktion der Rechtspflege zu besorgen wäre, wobei der BGH eine solche Gefährdung als gegeben annimmt, wenn der Strafausspruch ohne Vollstreckung von der Bevölkerung als ungerechtfertigte Nachgiebigkeit und unsicheres Zurückweichen vor dem Verbrechen verstanden werden könnte. In BGHSt 24 40, 46 und BGHSt 24 64, 66 werden daher die Voraussetzungen des Absatzes 3 angenommen, wenn eine Aussetzung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und in den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen dadurch erschüttert werden könnte (BGH NStZ 1987 21 Nr. 4; BGHR Verteidigung 13; BGH wistra 2000 96, 97). 5 3 Maßgebend ist hierbei, wie das Urteil auf die mit 50
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BGHSt 24 64, 67; OLG Hamm NJW 1970 1614; OLG Köln NJW 1970 258; OLG Stuttgart NJW 1970 258; KG J R 1970 227 mit Anm. Dreher; Horstkotte NJW 1969 205; Sturm J Z 1970 85. Vgl. dazu: Horstkotte NJW 1969 1601,1603; Kunert MDR 1969 705, 709; Lackner JR 1970 1, 7; KG J R 1970 227 m. Anm. Dreher. BGH StV 1981 122; BGH Beschl. v. 19.7.1983 - 3 StR 267/83.
53
BGH NStZ 2001 319; BGH Urt. v. 24.4.1997 - 4 StR 662/96; BayObLGSt. 2002 126, 128; BayObLG NStZ-RR 2003 117, 119; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003 246, 247; OLG Hamm VRS 85 190, 194 f; OLG Celle BA 36 188, 190; OLG Düsseldorf StV 1995 526, 527; OLG Koblenz GA 1975 121; OLG Koblenz VRS 54 349; OLG Rostock BA 42 253, 255.
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§56
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
den Besonderheiten des Einzelfalles vertraute Allgemeinheit wirken muss (BGH StV 1989 150). 54 Die Wirkung auf einen bestimmten beschränkten Personenkreis ist für sich allein grundsätzlich unbeachtlich (OLG Koblenz VRS 52 21), kann aber von indizieller Bedeutung sein (OLG Karlsruhe StV 1994 188). Ob eine Bewilligung der Strafaussetzung zur Bewährung von einer vollständig über den Sachverhalt unterrichteten Bevölkerung verstanden und gebilligt würde oder nicht, ist ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten vom Gericht zu entscheiden (BayObLG NJW 1978 1337 m. Anm. Horn JR 1978 514). Eine demoskopische Repräsentativumfrage ist nicht zulässig (OLG Celle JR 1980 256 m. Anm. Naucke). 50
bb) Gebieten der Vollstreckung. Zur Entscheidung der Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe trotz günstiger Sozialprognose gebietet, bedarf es einer sorgfältigen Gesamtwürdigung aller tat- und täterbezogenen Umstände55 (näheres hierzu vgl. Rdn. 57 f). Hierbei ist zu beachten, dass „gebieten" stärker ist als „erforderlich" in § 23 Abs. 3 Nr. 1 a.F. Für die Versagung einer Strafaussetzung gemäß Absatz 3 wird es daher nicht genügen, dass die Vollstreckung der Strafe angemessen erscheint. Es muss ein unabweisbares Bedürfnis bestehen, die Vollstreckung anzuordnen (BGH NStZ 1988 126, 127). Die spezialpräventiven Gesichtspunkte des Absatzes 1 genießen nach der gesetzlichen Regelung Vorrang. Nur wenn das Gewicht der nach Absatz 3 zu berücksichtigenden Elemente im Einzelfall so stark ist, dass sie jene Gesichtspunkte eindeutig zurückdrängen, gebieten sie die Vollstreckung der Strafe (OLG Saarbrücken NJW 1975 2215; OLG Dresden VRS 98 432, 433).
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cc) Einzelheiten. Eine umfassende Abwägung aller Strafzwecke findet bei der Anwendung des § 56 Abs. 3 nicht statt. Insbesondere der Gesichtspunkt der Sühne für das begangene Unrecht oder der Tatvergeltung ist für die Entscheidung nicht maßgeblich.56 Die Schwere der Schuld kann zwar für sich allein eine Versagung der Strafaussetzung unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung nicht rechtfertigen. Ihr kommt indes mittelbare Bedeutung zu bei der Gesamtabwägung, die der Entscheidung im Einzelfall vorauszugehen hat (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003 246, 247). 5 7 Die Höhe der Strafe, auf die es in § 56 Abs. 3 ankommt, hängt weitgehend mit von der Schuldschwere ab. Auch die Frage, ob im konkreten Fall besonderer Anlass besteht, das Recht gegenüber dem Unrecht durchzusetzen, lässt sich ohne Berücksichtigung der Schuldschwere nicht beantworten.
52
Die Belange des Verletzten und seiner Angehörigen, insbesondere deren persönliches Genugtuungsinteresse, sind bei der Anwendung des § 56 Abs. 3 nicht zu berücksichtigen (BGHSt 24 40, 44; BGHSt 24 64, 65 f; OLG Karlsruhe StV 1994 188). Dem regelmäßig
54
55
BGH GA 1976 1 1 3 , 1 1 4 ; BayObLGSt. 1997 154, 156 f; BayObLG StV 2 0 0 2 659; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1996 58, 59; OLG Karlsruhe StV 1994 188; OLG Zweibrücken Urt. v. 7.6.1996 - 1 Ss 51/96. BGHSt 2 4 40, 46; BGHSt 2 4 64, 66; BGH wistra 2 0 0 1 378, 3 7 9 ; BayObLGSt. 1993 216, 2 2 3 f; BayObLGSt. 1997 154, 156; BayObLG NStZ-RR 2 0 0 2 2 9 7 ; BayObLG NStZ-RR 1998 299, 3 0 0 ; BayObLG StV 2 0 0 2 659; OLG Köln VRS 85 324, 326; OLG Düsseldorf JR 2 0 0 1 2 0 2 , 2 0 4 m. Anm.
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56
57
Wohlers·, OLG Dresden StV 2 0 0 0 560, 561; OLG Dresden VRS 98 432, 433. BGH bei Daliinger MDR 1970 380; OLG Karlsruhe StV 1994 188; OLG Koblenz VRS 4 9 176; BayObLG NJW 1978 1337; Bericht des BT-Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BTDrucks. V/4094 S. 11. OLG Karlsruhe StV 1994 188; OLG Köln NJW 1970 2 5 9 ; BayObLG N J W 1970 1383; OLG Koblenz VRS 4 9 174, 176; OLG Koblenz VRS 52 21, 23.
Jutta Hubrach
Strafaussetzung
§56
im Vordergrund stehenden Entschädigungsbedürfnis eines durch die Tat Betroffenen wird ohnehin durch die Strafaussetzung unter der Auflage einer Schadenswiedergutmachung besser gedient sein als durch die Vollstreckung der Freiheitsstrafe (vgl. O L G Köln V R S 85 324, 326). Generalpräventiven Erwägungen kommt im Rahmen des § 5 6 Abs. 3 nur unter dem Gesichtspunkt der „Erhaltung der Rechtstreue der Bevölkerung" (Rdn. 4 9 ) Bedeutung zu. Sie dürfen nicht dazu führen, bestimmte Tatbestände oder Tatbestandsgruppen - wie etwa Sittlichkeits- oder Verkehrsdelikte - generell von der Strafaussetzung auszuschließen (BGHSt 2 4 4 0 , 4 6 ; BGHSt 2 4 64, 67; B G H N S t Z - R R 2 0 0 5 3 8 ) . 5 8 Vielmehr bedarf es stets einer dem Einzelfall gerecht werdenden Abwägung, bei der Tat und Täter umfassend zu würdigen sind.
53
c) Fallkonstellationen. Mit dieser Einschränkung kommen für die Anwendung des § 5 6 Abs. 3 bestimmte Fallkonstellationen in Betracht, bei denen eine Versagung der Strafaussetzung gemäß § 5 6 Abs. 3 - vorbehaltlich der gebotenen Gesamtwürdigung vielfach nahe liegt und die daher regelmäßig eine tatrichterliche Auseinandersetzung mit dem Begriff der „Verteidigung der Rechtsordnung" erfordern. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Täter seine berufliche Stellung zur Begehung einer schweren Vermögensstraftat missbraucht (BGH N S t Z 1 9 8 8 126, 127; B G H R Verteidigung 6 und 17); wenn es sich um ein Vermögens- oder Steuerdelikt mit hoher Schadensfolge handelt (BGH N S t Z 1 9 8 9 5 2 7 Nr. 5; B G H R Verteidigung 6; B G H Beschl. vom 2 8 . 6 . 1 9 7 8 - 3 StR 199/78; B G H N J W 1 9 8 4 2 5 8 8 , 2 5 8 9 , insoweit in BGHSt 32 95 nicht abgedruckt); wenn der Täter mit erheblicher krimineller Intensität vorgegangen ist ( B G H R Verteidigung 6; B G H N S t Z 1985 165, 166) oder wenn der Schutz der Teilnehmer des Handelsverkehrs im Vordergrund steht (vgl. B G H wistra 1983 146). Einer Auseinandersetzung mit § 5 6 Abs. 3 bedarf es grundsätzlich auch in Fällen der Vereinigungskriminalität (BGH N S t Z - R R 1 9 9 9 136), bei Aussagedelikten (BayObLGSt. 2 0 0 2 126, 128) oder bei einem Verstoß gegen Vorschriften, die dem Schutz des öffentlichen Friedens dienen, so z.B. Volksverhetzung (BGH N J W 1 9 9 5 3 4 0 , 341; B G H N S t Z 1985 165 f) oder Billigung einer fremdenfeindlich motivierten Straftat, die zahlreiche Nachahmer gefunden hat (OLG Karlsruhe N S t Z - R R 1 9 9 6 58, 59). Im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte wird die Versagung der Strafaussetzung unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung häufig nahe liegen bei besonders groben und rücksichtslosen Verkehrsverstößen, insbesondere bei Trunkenheitsfahrten mit schwersten Unfallfolgen (BGHSt 2 4 6 4 , 6 7 - 6 9 ; B G H N S t Z 1 9 9 4 336; BayObLG N J W 2 0 0 3 3 4 9 8 f). 5 9 Auch ein Vollrauschdelikt (§ 323a), das sich durch äußerst schwerwiegende tatbezogene Merkmale der Rauschtat auszeichnet, kann Anlass für eine Auseinandersetzung mit § 5 6 Abs. 3 bieten (vgl. O L G Karlsruhe N S t Z - R R 1 9 9 6 198, 2 0 0 ; O L G Frankfurt V R S 2 8 3 5 2 ; O L G Karlsruhe N J W 1 9 7 5 1936). Gleiches gilt für Gewaltdelikte mit besonders brutaler Vorgehensweise gegen Unbeteiligte (BayObLG N S t Z - R R 2 0 0 4 4 2 , 43).
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Vgl. ferner BGHR Verteidigung 2, 3 und 18; BGH NJW 1990 193; BGH NStZ-RR 1999 281; BGH NStZ 2001 319; BGH Urt. v. 24.4.1997 - 4 StR 662/96; BayObLG StV 2002 659; OLG Dresden StV 2000 560 f; OLG Dresden BA 36 387, 388 m. Anm. Molketin; OLG Rostock BA 42 253, 255; OLG Zweibrücken Urt. v. 7.6.1996 - 1 Ss 51/96.
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OLG Karlsruhe StV 1994 188; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003 246, 247 f; OLG Koblenz BA 39 274, 275 und 483, 484; OLG Celle BA 36 188, 190; OLG Rostock BA 42 253, 255 f.
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§56
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
55
Ist die Tat Ausdruck einer verbreiteten Einstellung, die eine durch einen erheblichen Unrechtsgehalt gekennzeichnete N o r m nicht ernst nimmt und von vornherein auf die Aussetzung einer etwaigen Freiheitsstrafe vertraut 6 0 oder in der Normverletzung nur „ein Kavaliersdelikt mit kalkulierbarem Risiko" (Horstkotte NJW 1969 1601, 1604) erblickt, kann sich eine Versagung der Strafaussetzung zur Verteidigung der Rechtsordnung als notwendig erweisen, um dadurch sowohl die gleichartigen Versuchungen ausgesetzten Personen davon abzuhalten, der Verlockung nachzugeben, als auch den übrigen Teil der Bevölkerung in dem Bewusstsein zu bestärken, dass die Gebote der Rechtsordnung ernst genommen werden müssen (BGHSt 24 40, 47; BGHSt 24 64, 66). é l Aus denselben Gründen kann bei bestimmten Straftaten wegen großer Deliktshäufigkeit und stark ansteigender Tendenz die Vollstreckung einer erkannten Freiheitsstrafe geboten sein (OLG H a m m N J W 1974 1884; OLG Koblenz VRS 52 23).
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Eine Auseinandersetzung mit § 56 Abs. 3 aus täterbezogenen Gesichtspunkten kann in Betracht kommen, wenn sich das Verhalten des Täters durch hartnäckige Rechtsmissachtung und ungewöhnliche Gleichgültigkeit gegenüber dem verletzten Rechtsgut auszeichnet (BGHSt 24 40, 47; BGH NStZ 1985 165, 166), so zum Beispiel bei Begehung einer (einschlägigen) Straftat während eines Hafturlaubs (vgl. OLG Hamburg NStZ 1984 140, 141) oder bei schneller Rückfälligkeit und Bewährungsversagen eines mehrfach erheblich vorbelasteten Täters (BGHR Verteidigung 13; BayObLG NStZ-RR 2004 42, 43). 6 2 Allerdings wird in solchen Fällen die Strafaussetzung häufig schon mangels günstiger Sozialprognose (§ 56 Abs. 1) zu versagen sein.
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d) Gesamtwürdigung. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung eine Strafvollstreckung gebietet (Rdn. 50), ist stets zu beachten, dass den zur Anwendung des Absatzes 3 drängenden Umständen im Einzelfall wiederum Gründe entgegenstehen können, die die Vollstreckung der Strafe nicht erforderlich machen. Der Tatrichter hat sich daher jeglicher Schematisierung zu enthalten. Die der Entscheidung nach § 56 Abs. 3 vorausgehende Gesamtwürdigung umfasst sämtliche tat- und täterbezogenen Umstände einschließlich derjenigen, die schon für die Festsetzung der Strafhöhe von Bedeutung waren (BGH NStZ 1988 126, 127); hierbei kommt insbesondere den für die Strafzumessung relevanten Umständen mildernden Gewichts Bedeutung zu (BGH NStZ 1994 336; BayObLGSt. 1993 216, 223 f). Zu Gunsten des Angeklagten kann daher seine eingeschränkte Schuldfähigkeit (§ 21) ins Gewicht fallen (OLG Köln VRS 85 324, 326), ferner die in der Sache erlittene Untersuchungshaft (BGHR Verteidigung 7; BGH NStZ 2001 319; BGH StV 199 8 2 60), 6 3 ein ins Gewicht fallendes Mitverschulden des Opfers (BGH VRS 30 272; BGH N J W 1990 193, 194) 6 4 oder der Umstand, dass der Angeklagte infolge der Tat selbst erheblichen Körperschaden davongetragen hat (OLG Köln VRS 53 264). Im Falle exhibitionistischer Handlungen (vgl. hierzu bereits Rdn. 11) ist zu berücksichtigen, dass § 183 Abs. 3 zwar grundsätzlich nur von den Anforderungen des § 56 Abs. 1 befreit und daher die weiteren Voraussetzungen für eine Strafaussetzung -
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Bericht des BT-Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BTDrucks. V/4094 S. 11. BGH GA 1976 113, 114; BGH JZ 1975 183, 185 m. Anm. Tiedemann; BayObLG NJW 1970 871 und 1382; BayObLG VRS 59 188, 189. OLG Düsseldorf JR 2001 202, 204 m. Anm.
Wohlers·, OLG Düsseldorf VRS 96 443, 446;
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OLG Düsseldorf VRS 95 251, 253; KG Urt. v. 20.11.2000 - (4) 1 Ss 102/00 (59/00). BGH NStZ-RR 1999 281; BGH Urt. v. 2 4 . 4 . 1 9 9 7 - 4 StR 662/96. OLG Stuttgart NJW 1970 258; OLG Hamm NJW 1970 1614; OLG Karlsruhe NJW 1974 283; OLG Koblenz BA 39 274, 276 und 483, 484.
Jutta Hubrach
Strafaussetzung
§56
insbesondere auch die des § 56 Abs. 3 - unberührt lässt (BGHSt 34 150, 151 f; B G H R § 56 Abs. 1 Sozialprognose 16; BGH NStZ-RR 2 0 0 3 73); bei der Entscheidung der Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung eine Strafvollstreckung gebietet, ist indes die der Sondervorschrift zugrunde liegende gesetzgeberische Wertung erkennbar in die Erwägungen einzubeziehen (BGH NStZ-RR 1996 57, 58). Bei Vollrauschdelikten darf der Tatrichter trotz unter Umständen schwerer Folgen der Rauschtat (vgl. Rdn. 54) aufgrund des konkreten Tatbildes und der gesetzlichen Ausgestaltung des § 323a eine Schuldabstufung zu Gunsten des Angeklagten vornehmen, indem er berücksichtigt, dass das deliktische Handeln geringeres Unrecht aufweist, als wenn die Rauschtat im Zustand der Schuldfähigkeit verwirklicht worden wäre (OLG Karlsruhe NStZ-RR 1996 198, 200). Ein bei der Strafbemessung nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigungsfähiger Umstand darf - ebenso wie bei § 5 6 Abs. 1 und 2 (vgl. Rdn. 18, 42) - auch im Rahmen des § 5 6 Abs. 3 die Gesamtwürdigung nicht zu seinem Nachteil beeinflussen. Dies gilt beispielsweise für den Vorwurf fehlender Reue bei einem die Tat bestreitenden Angeklagten (BGH StV 1993 591) oder für die Erwägung, der Angeklagte habe durch die Tat als Ausländer sein Gastrecht in der Bundesrepublik missbraucht (OLG Düsseldorf StV 1995 5 2 6 , 527). Eine Strafvollstreckung unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung lässt sich auch nicht mit dem Verweis auf Umstände begründen, die zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes gehören und daher bei allen Delikten der betreffenden Art vorkommen müssen (BayObLG StV 2 0 0 2 659; OLG Dresden StV 2 0 0 0 5 6 0 , 561). Allerdings ist der Tatrichter nicht gehindert, Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die den Unwertgehalt des Tatbildes in besonderem Maße prägen, und in diesem Zusammenhang auch auf das fehlende Mitverschulden des Opfers hinzuweisen (OLG Koblenz BA 3 9 274, 276).
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e) Verhältnis zu § 56 Abs. 1 und 2. Der Ausschlussgrund des § 5 6 Abs. 3 kommt erst zum Tragen, wenn die in den Absätzen 1 und 2 geregelten sonstigen Voraussetzungen der Strafaussetzung vorliegen (BGHR Verteidigung 8; BayObLGSt. 1997 154, 156; BayObLG StV 2 0 0 2 659). 6 5 Ist dies nicht der Fall, so scheidet eine Prüfung des § 5 6 Abs. 3 von vornherein aus. Bejaht der Tatrichter eine günstige Sozialprognose und - erforderlichenfalls - das Vorliegen „besonderer Umstände", so ist bei der gegebenenfalls veranlassten Prüfung des § 5 6 Abs. 3 zu berücksichtigen, dass der Begriff der „Verteidigung der Rechtsordnung" als solcher (Rdn. 49) zwar grundsätzlich keine spezialpräventiven Elemente enthält (BGHR Verteidigung 3; BayObLG NStZ-RR 1998 299, 300). Bei der Entscheidung über das „Gebotensein" der Strafvollstreckung im zur Rede stehenden Einzelfall (Gesamtwürdigung, vgl. Rdn. 50, 5 7 f) sind jedoch sämtliche spezialpräventiven Elemente von mitbestimmender Bedeutung, die bereits in die Prognosebeurteilung oder die Anwendung der „Umständeklausel" eingeflossen sind (vgl. BayObLGSt. 1997 154, 156). Beim Vorliegen „besonderer Umstände" im Sinne von § 56 Abs. 2 wird die Strafvollstreckung regelmäßig auch unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung nicht „geboten" sein (vgl. BGH N J W 1990 193, 194; BayObLG Urteil vom 27.11.2003 - 5 St R R 300/03); hält der Tatrichter dennoch die Voraussetzungen des § 5 6 Abs. 3 für gegeben, so bedarf seine Entscheidung jedenfalls einer gesonderten Darlegung der hierfür tragenden Gründe (OLG Karlsruhe Justiz 1997 61).
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OLG Köln VRS 85 324, 325.
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§56
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
2. Die Folgerungen 60
a) Beurteilungsspielraum des Tatrichters. Gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung in den in Betracht kommenden Fällen des § 5 6 Abs. 1 und 2 (Rdn. 47) die Vollstreckung der Freiheitsstrafe, so wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt. Diese Rechtsfolge ist zwingend. Der Tatrichter hat bei der gebotenen Gesamtwürdigung im Rahmen des § 56 Abs. 3 zwar einen Beurteilungsspielraum wie bei der Prognosefrage (Rdn. 30) und der Prüfung der „besonderen Umstände" (Rdn. 43). Anders als bei § 5 6 Abs. 2 steht ihm darüber hinaus aber kein Rechtsfolgeermessen zu.
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b) Revisibilität der tatrichterlichen Entscheidung. Die Überprüfung der tatrichterlichen Entscheidung in der Revisionsinstanz ist - ebenso wie bei § 56 Abs. 1 und 2 - auf Rechtsfehler eingeschränkt. Liegt ein solcher nicht vor, so muss das Revisionsgericht die tatrichterliche Beurteilung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen und ist daran gehindert, seine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen (BGH wistra 1994 193; BayObLG NStZ-RR 2 0 0 4 4 2 ) . 6 6
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Ein revisionsrechtlich relevanter Rechtsfehler ist gegeben, wenn das Urteil Erörterungslücken bzw. Subsumtionsmängel aufweist oder wenn der Tatrichter den Rechtsbegriff der Verteidigung der Rechtsordnung verkannt hat. Die Unterlassung jeglicher Ausführungen zu § 56 Abs. 3 ist nicht ohne weiteres rechtsfehlerhaft, sondern unbedenklich, wenn nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe auszuschließen ist, dass der Tatrichter die Vorschrift des § 5 6 Abs. 3 übersehen und deshalb bei der Entscheidung über die Strafaussetzung den Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung rechtsfehlerhaft außer acht gelassen hat. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die tatrichterlichen Feststellungen keinen Anhaltspunkt für eine Versagung der Strafaussetzung nach § 56 Abs. 3 bieten (BGH NStZ 1988 126, 127; BGH NStZ 1989 527 Nr. 5; BGHR Verteidigung 6, 9). 6 7 Eine Erörterung ist dagegen unerlässlich, wenn Grundlage der Verurteilung ein Sachverhalt ist (vgl. Rdn. 5 4 - 5 6 ) , der die Notwendigkeit der Vollstreckung zur Verteidigung der Rechtsordnung nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lässt (BGH NStZ 1989 527 Nr. 5; BGHR Verteidigung 6, 15). 6 8 Ein Fehler in der Anwendung sachlichen Rechts liegt auch dann vor, wenn die im Rahmen des § 5 6 Abs. 3 erforderliche Gesamtwürdigung fehlt bzw. infolge Außerachtlassung maßgeblicher Umstände lückenhaft ist (BGHR Verteidigung 7) oder wenn die Erwägungen des Tatrichters in den von ihm selbst festgestellten Beurteilungsgrundlagen keine Rechtfertigung finden (BayObLG NStZ-RR 2 0 0 4 42). Eine rechtsfehlerfreie Gesamtwürdigung nach § 5 6 Abs. 3 setzt ferner voraus, dass das tatrichterliche Urteil eine zutreffende Anwendung der Vorschrift in ihrem Verhältnis zu den Absätzen 1 und 2 erkennen lässt. Daher begegnet es rechtlichen Bedenken, wenn der Tatrichter die Prüfung der Sozialprognose und der „Umständeklausel" dahinstehen lässt mit der Begründung, die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete auf jeden Fall die Vollstreckung der Strafe (vgl. hierzu Rdn. 59 und die dort zitierte Rechtsprechung). Das Fehlen besonderer Umstände im Sinne von § 5 6 Abs. 2 darf nicht mit generalpräventiven Erwägungen begründet werden, die erst bei der Prüfung des
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BayObLG NJW 1978 1337; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1996 198, 199; OLG Karlsruhe StV 1994 188; OLG Karlsruhe VRS 57 189, 190; OLG Düsseldorf VRS 9 6 443, 444; OLG Düsseldorf J R 2 0 0 1 2 0 2 , 2 0 3 m. Anm. Wohlers; OLG Koblenz BA 3 9 274, 276.
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BGH NStZ 1987 21; BayObLGSt. 2 0 0 2 126, 128. BayObLG NStZ-RR 2 0 0 3 117,119; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 2 6 0 , 261; OLG Düsseldorf VRS 9 6 443, 4 4 5 ; OLG Celle BA 36 188, 190.
Jutta Hubrach
Strafaussetzung
§56
Abs. 3 von maßgeblicher Bedeutung sein können (BGHR Verteidigung 8; BGH Beschl. vom 19.7.1983 - 3 StR 267/83). Ist das Urteil wegen eines Rechtsfehlers bei der Anwendung des § 56 Abs. 3 im Ausspruch über die Strafaussetzung aufzuheben, so verweist das Revisionsgericht die Sache in der Regel zurück. 69 Auch im Bereich des § 56 Abs. 3 neigt die Rechtsprechung in Ausnahmefällen zu einer eigenen Sachentscheidungskompetenz des Revisionsgerichts zu Gunsten (BGH N J W 1990 193, 194; BGH NStZ 2 0 0 1 319; BayObLGSt. 2 0 0 2 4 0 , 43) oder zu Lasten des Angeklagten (BGH NStZ 1985 165, 166; BayObLG NStZ-RR 2 0 0 4 42, 43; OLG Hamburg NStZ 1984 140, 141), 7 0 wenn der Senat die tatrichterlichen Feststellungen für erschöpfend hält. Zu den Bedenken gegen diese Handhabung vgl. Rdn. 33.
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VI. Verfahrensrechtliches 1. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen müssen sich nach § 160 Abs. 3 StPO auch auf die Umstände beziehen, die für die Strafaussetzung und die Entscheidungen nach §§ 56a ff von Bedeutung sind; denn die Voraussetzungen für die Strafaussetzung sind von Amts wegen zu prüfen (BGHSt 2 7 287, 2 8 8 ; OLG Braunschweig N J W 1954 284).
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2. Urteil. Die Strafaussetzung wird - im Gegensatz zu den Entscheidungen nach § 56a ff, die in einem selbständigen Beschluss (§ 268a StPO) zu treffen sind - im Urteil angeordnet (OLG Hamm JMB1NW 1954 84). Eine nachträgliche Aussetzung im Rechtswege ist daher grundsätzlich nicht möglich. Die einzige Ausnahme ist die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§§ 55, 58). Hier kann der Fall eintreten, dass eine zunächst nicht ausgesetzte Strafe in eine nachträgliche Gesamtstrafe einbezogen wird und deren Vollstreckung nunmehr, beispielsweise aufgrund einer Änderung der Lebensverhältnisse des Täters oder seines Verhaltens nach der Tat, ausgesetzt wird (BGHSt 7 182). Eine nachträgliche Aussetzung im Gnadenweg ist dagegen zulässig. Jedoch darf das Gericht die Entscheidung nicht der Gnadenbehörde überlassen (BGH VRS 8 273) oder deshalb von der Anordnung absehen, weil die Vollstreckungsbehörde aufgrund eines Straffreiheitsgesetzes die Strafe bedingt zu erlassen hat (BGHSt 7 97, 98).
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Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung richtet sich nach § 2 6 3 Abs. 1 StPO und bedarf der Zweidrittelmehrheit, wenn die Aussetzung dem Angeklagten versagt werden soll. Der Richter hat den Verurteilten bei der Urteilsverkündung über die Bedeutung der Strafaussetzung zu belehren (§ 268a Abs. 3 StPO). Ist dies unterblieben, ist nach § 453a StPO zu verfahren.
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3. Die Urteilsgründe müssen gemäß § 2 6 7 Abs. 3 Satz 4 StPO ergeben, warum die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder entgegen einem in der Verhandlung gestellten Antrag nicht ausgesetzt worden ist. Ob in der bloßen Bitte um milde Bestrafung ein Aussetzungsantrag liegt, ist Auslegungsfrage und bei einem nicht verteidigten Angeklagten regelmäßig zu bejahen (OLG Braunschweig N J W 1954 2 8 4 ; OLG Bremen N J W 1954 613). Da auch die Versagung einer zwar nicht ausdrücklich beantragten, nach der konkreten Sachlage aber auch nicht von vornherein fernliegenden Strafaussetzung zur Bewährung näherer tatrichterlicher Darlegung bedarf (OLG Düsseldorf StV 1996 217;
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Vgl. BGHR Verteidigung 1 bis 4, 6. OLG Hamm VRS 85 190, 196; OLG Rostock BA 4 2 253, 2 5 6 .
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§56
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
OLG Düsseldorf VRS 88 270, 271; vgl. Rdn. 32, 45, 62), empfiehlt es sich, die Aussetzungsfrage grundsätzlich zu erörtern. 4. Für Rechtsmittel gilt: 68
a) Beschränkungsmöglichkeiten. Ein auf den Strafausspruch beschränktes Rechtsmittel richtet sich stets auch gegen die Entscheidung zur Strafaussetzung, weil die Strafzumessung im engeren Sinne dieser vorausgeht (OLG Düsseldorf N J W 1955 1889). Hat die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Strafmaß eingelegt, so muss deshalb das Berufungsgericht auch dann über die Aussetzung, ihre Dauer und etwaige Auflagen und Weisungen selbständig befinden, wenn es das Strafmaß bestätigt (OLG Hamm NJW 1967 510; vgl. auch OLG Celle M D R 1970 68; BayObLG N J W 1980 2425).
69
Innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs ist eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Strafaussetzungsentscheidung als solche grundsätzlich möglich (BGH NStZ 1982 285, 286; BGH N J W 1983 1624). 7 1 Die isolierte Anfechtung scheidet nur dann aus, wenn im Einzelfall ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den Erwägungen zur Strafbemessung und zur Strafaussetzung besteht, 72 die nur begrenzte Prüfung in der Rechtsmittelinstanz daher letztlich zu einer Gesamtentscheidung führen würde, die nicht frei von inneren Widersprüchen bleibt. Eine Berufungsbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung ist daher unwirksam, wenn die Berufungshauptverhandlung neue Feststellungen ergibt, die sich bei verständiger Würdigung nicht nur auf die Entscheidung nach § 56, sondern auch auf die Strafzumessung im engeren Sinne auswirken müssen (OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 0 145). Entsprechendes gilt im Bereich der Revision, wenn die tatrichterliche Entscheidung einen sowohl für die Strafbemessung als auch für die Aussetzungsfrage erheblichen, mithin „doppelrelevanten" Fehler aufweist (OLG Düsseldorf VRS 9 9 117). Dies ist zum Beispiel der Fall bei einer unzureichenden Darlegung der unverzichtbaren Strafbemessungsgrundlagen (OLG Karlsruhe VRS 95 225f; OLG Köln Beschl. vom 9.3.2004 - Ss 78/04-38), bei lückenhaften Feststellungen zur Straftat, 7 3 insbesondere zur inneren Tatseite (BayObLGSt. 2 0 0 2 126, 127; BayObLG NStZ-RR 2 0 0 3 117, 118; OLG Koblenz VRS 53 337), oder bei einer unzulässigen Verknüpfung der Strafmaßentscheidung mit derjenigen nach § 56 (OLG Karlsruhe VRS 95 225 f). In allen Fällen dieser Art ist das Rechtsmittel als auf die Strafbemessung miterstreckt zu behandeln.
70
Im Verhältnis zu den übrigen Entscheidungen innerhalb der Rechtsfolge gelten die gleichen Grundsätze. Eine auf die Frage der Strafaussetzung beschränkte Revision erfasst daher ohne weiteres auch die Entscheidung über eine Anwendbarkeit des § 64, wenn die tatrichterlichen Erwägungen zur jeweils erforderlichen Täterprognose auf denselben Gesichtspunkten beruhen und insoweit ein Rechtsfehler vorliegt (BGHR § 56 Abs. 1
71
72
34
KG StV 1999 6 0 5 ; KG Urt. v. 2.11.1999 - (4) 1 Ss 80/99 (44/99); KG Beschl. v. 11.12.1996 - 5 Ws 580/96. BGH DRiZ 1974 62; BGH VRS 4 6 101; BGH VRS 5 0 341; BGH GA 1976 113, 115; BGH NJW 1983 1624; BayObLGSt. 1997 1 5 4 , 1 5 7 ; BayObLG NStZ-RR 2 0 0 4 336, 337; OLG Hamm NJW 1970 1614; OLG Koblenz VRS 43 2 5 6 , 2 5 7 ; OLG Koblenz VRS 4 9 174, 176; OLG Koblenz VRS 52 22; OLG Koblenz VRS 53 3 3 7 ; OLG Saarbrücken NJW 1975 2215; OLG Schleswig
73
VRS 53 4 4 3 ; OLG Hamburg Beschl. v. 9.2.2005 - H-10/05, 1 Ss 5/05; OLG Hamburg J R 1979 2 5 8 m. Anm. Zipf-, OLG Frankfurt GA 1980 188; OLG Frankfurt NJW 1980 2 5 3 4 ; OLG Karlsruhe NJW 1980 133; OLG Köln NStZ 1989 90, 91; OLG Braunschweig NStZ-RR 2 0 0 5 139; KG Berlin Urt. v. 2 0 . 8 . 1 9 9 7 - (5) 1 Ss 203/96 (37/96). BGH bei Daliinger MDR 1955 394; OLG Hamburg JR 1964 2 6 7 ; OLG Celle VRS 38 261; OLG Frankfurt GA 1 9 8 0 188, 191.
Jutta Hubrach
Bewährungszeit
§ 56a
Sozialprognose 26). Die prognostischen Überlegungen zu § 56 und zur Maßregelanordnung gemäß §§ 69, 69a sind zwar grundsätzlich voneinander trennbar, da es sich im einen Fall um eine Sozialprognose, im anderen Fall um eine Eignungsprognose handelt; auch hier erfasst das auf die Aussetzungsfrage beschränkte Rechtsmittel indes auch die Maßregelentscheidung, sofern ein im oben genannten Sinne (Rdn. 69) untrennbarer Zusammenhang zwischen den jeweils zugrunde liegenden Erwägungen besteht (BGHSt 4 7 32, 36 f = J R 2 0 0 2 113 f m. Anm. Geppert). b) Das Verbot der Schlechterstellung (§§ 331, 358 Abs. 2 StPO) gilt auch für eine gewährte Strafaussetzung. Es bewirkt, dass ein Rechtsmittel, das der Angeklagte allein oder die Staatsanwaltschaft zu seinen Gunsten eingelegt hat, nicht zum Wegfall der Strafaussetzung führen kann, die das angefochtene Urteil angeordnet hat (OLG Hamm N J W 1958 433; BayObLG N J W 1962 1261), auch dann nicht, wenn die Strafe ermäßigt wird (OLG Frankfurt NJW 1964 368). Aus dem Verbot der Schlechterstellung folgt ferner, dass die verhängte Strafe nicht erhöht werden darf, wenn das Rechtsmittelgericht im Gegensatz zum angefochtenen Urteil die Aussetzung anordnet (BGH J R 1954 228; BGH J Z 1956 101; OLG Oldenburg M D R 1955 436; OLG Köln M D R 1976 71). Auch eine Erhöhung der Sperrfrist (§ 69a) unter gleichzeitiger Gewährung von Strafaussetzung zur Bewährung durch das Berufungsgericht ist eine Schlechterstellung (OLG Oldenburg M D R 1976 162).
71
c) Gesetzliche Milderungen des Aussetzungsrechts, die nach dem eine Aussetzung gewährenden Urteil in Kraft getreten sind, hat das Rechtsmittelgericht, auf die Sachrüge auch das Revisionsgericht, zu beachten. 74
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d) Für das Revisionsgericht gilt folgendes: Die Entscheidungen über die Prognose (§ 56 Abs. 1), das Vorliegen besonderer Umstände (§ 56 Abs. 2) und das Gebot, die Strafe zur Verteidigung der Rechtsordnung zu vollstrecken (§ 56 Abs. 3), sind materiellrechtlich nur daraufhin zu prüfen, ob sie rechtsfehlerhaft sind (Einzelheiten bei Rdn. 31 f, 44 f und 61 f). Ist das der Fall, so verweist das Revisionsgericht die Sache in der Regel an die Vorinstanz zurück (vgl. hierzu Rdn. 33, 46, 63). Wenn es - abweichend vom Tatrichter selbst Strafaussetzung gewährt, kann es die Bestimmung der Bewährungszeit (§ 56a), die Erteilung von Auflagen und Weisungen (§§ 56bff) und die Belehrung nach § 268a Abs. 3 StPO dem Tatrichter überlassen (BGHR § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung, unzureichende 5; BGHR § 56 Abs. 3 Verteidigung 5; BGH wistra 2001 378, 379). 7 5
73
§ 56a Bewährungszeit (1) Das Gericht bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. Sie darf fünf Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten. (2) Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung. Sie kann nachträglich bis auf das Mindestmaß verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf das Höchstmaß verlängert werden.
74
BGH N J W 1953 1838, 1839; BGH NJW 1954 4 0 ; OLG Braunschweig N J W 1953 1762; KG J R 1970 2 2 7 m. Anm. Dreher, vgl. Art. 88 des 1. StrRG.
75
BGH NStZ-RR 1 9 9 9 2 8 1 ; BayObLGSt. 2 0 0 2 4 0 , 43; vgl. ferner BayObLG bei Wagner DRiZ 1970 279.
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§ 56a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Schrifttum Oske Erörterung strittiger Fragen zum Beginn der Bewährungszeit, MDR 1970 189.
Entstehungsgeschichte Die seit 1.1.1975 geltende Fassung entspricht derjenigen des 2. StrRG. Diese ist identisch mit § 2 4 Abs. 1 und Abs. 2 in der Fassung des 1. StrRG, gültig vom 1.4.1970 bis 31.12.1974. § 2 4 Abs. 3 in der Fassung des 1. StrRG ist jetzt in § 79a Nr. 2 b aufgenommen. Bis zum 31.3.1970 war § 2 4 in der Fassung des 3. StRÄndG vom 4.8.1953 in Geltung. Sein im Hinblick auf § 56a allein interessierender Absatz 4 hatte folgenden Wortlaut: Die Bewährungszeit beträgt mindestens zwei und höchstens fünf Jahre. Sie beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung. Sie kann nachträglich bis auf das Mindestmaß verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf das Höchstmaß verlängert werden. Während der Bewährungszeit ruht die Verjährung der Strafvollstreckung.
Übersicht Rdn. I. Die Bewährungszeit 1. Sinn und Zweck 2. Dauer 3. Beginn 4. Nachträgliche Änderungen
1 2 3 4
Rdn. a) Zuständigkeit und Form b) Verschlechterungsverbot c) Unterbliebene Beschlussfassung d) Anfechtbarkeit 2. Nachtragsentscheidungen
. .
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Π. Verfahrensrechtliches 1. Entscheidung auf Grund der Hauptverhandlung
I. Die Bewährungszeit 1
1. Sinn und Zweck. Die Bewährungszeit gibt dem Verurteilten Gelegenheit zu beweisen, dass die ihm im Urteil gestellte günstige Prognose zutrifft. In dieser Zeit muss er Beschränkungen seiner persönlichen Lebensführung durch Auflagen (§ 56b), Weisungen (§ 56c) und Bewährungshilfe (§ 56d) hinnehmen. Für den Fall der Bewährung, die sich aus der Vermeidung von Widerrufsgründen (§ 56f) ergibt, wird ihm die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen (§ 56g). Während der Aussetzung ruht die Vollstreckungsverjährung (§ 79a Nr. 2b).
2
2. Dauer. Die Dauer der Bewährungszeit beträgt mindestens zwei, höchstens fünf Jahre. Innerhalb der zur Verfügung stehenden Frist trifft das Gericht die Entscheidung nach seinem Ermessen. Dabei wird es sich fragen müssen, welcher Zeitraum zur Einwirkung auf den Täter erforderlich ist, um von ihm ein straffreies Leben erwarten zu können. Bei mit Auflagen (§ 56b) verbundener Strafaussetzung sollte die Zeit innerhalb des gesetzlichen Spielraumes regelmäßig so lang bemessen werden, wie der Täter zur Erfüllung der Auflagen benötigt. Bei mit Weisungen und Bewährungshilfe verbundener Strafaussetzung ist zu berücksichtigen, wie lange er der ihm dadurch gebotenen Hilfe bedarf.
3
3. Beginn. Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung (Absatz 2 Satz 1). Mit „Entscheidung" ist das Urteil gemeint, nicht der Beschluss, der die Dauer
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Bewährungszeit der im Urteil gewährten Strafaussetzung betrifft. Es kommt für den Lauf der Bewährungsfrist nicht darauf an, ob sich der Verurteilte in Freiheit oder in behördlicher Verwahrung befindet. 1 Durch eine behördliche Verwahrung wird weder der Fristbeginn hinausgeschoben noch der Fristenlauf gehemmt. Die gesetzliche Regelung ist eindeutig. Eine den § § 6 6 Abs. 4 Satz 4 und 6 8 c Abs. 3 Satz 2 entsprechende Vorschrift fehlt. Eine Analogie zum Nachteil des Verurteilten wäre unzulässig. 4 . Nachträgliche Änderungen. Die Bewährungszeit kann „nachträglich" (also nach Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung, vgl. Abs. 2 Satz 1 und § 5 6 e Rdn. 2) bis auf das Mindestmaß verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf das Höchstmaß verlängert werden (§ 5 6 a Abs. 2 Satz 2). Verlängerung oder Verkürzung ist - innerhalb der Grenzen von Mindest- und Höchstmaß - jeweils mehrmals möglich. Doch kommt eine solche fakultative Verlängerung der im Beschluss festgesetzten Bewährungszeit gemäß § 5 6 a Abs. 2 nach deren Ablauf nicht mehr in Betracht. 2 Zur obligatorischen Verlängerung an Stelle des anderenfalls gebotenen Widerrufs der Strafaussetzung siehe § 5 6 f Rdn. 27, 32 ff.
4
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 5 6 a Abs. 2 Satz 2 - ebenso wie § 5 6 e - den Spielraum für eine möglichst weitgehende und flexible Handhabung bieten, damit auf sich verändernde Umstände in der Lebensführung des Verurteilten adäquat reagiert werden kann ( O L G Düsseldorf N S t Z 1991 5 3 ; O L G Köln Beschl. vom 2 8 . 3 . 2 0 0 6 - 2 W s 123/06). Die Vorschrift ermöglicht daher nicht etwa eine bloße Korrektur der ursprünglichen Entscheidung über die Bewährungszeit, sondern ihre Anwendung kommt nur in Betracht, wenn neu eingetretene oder neu bekannt gewordene Umstände in der Person, dem Verhalten oder Umfeld des Verurteilten Anlass bieten für eine Anpassung der Bewährungszeit nach pflichtgemäßem Ermessen des die Bewährungsaufsicht führenden Gerichts ( O L G Düsseldorf N S t Z 1991 5 3 ; O L G Köln Beschl. vom 2 8 . 3 . 2 0 0 6 - 2 W s 123/06; KG Berlin Beschl. vom 2 3 . 9 . 1 9 9 8 - 5 Ws 5 4 2 / 9 8 ) . Ist beispielsweise dem Verurteilten aufgrund einer Veränderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nachträglich die Ratenzahlung zur Erfüllung einer Auflage gemäß § 5 6 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bewilligt worden, so bietet sich zugleich eine Verlängerung der Bewährungszeit an, wenn nur auf diese Weise sicherzustellen ist, dass eine vollständige Schadenswiedergutmachung noch unter Aufsicht des Gerichts erfolgen kann (OLG Hamburg M D R 1 9 8 0 2 4 6 ) . Der unter Umständen lange Zeitraum zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung und dem Eintritt ihrer Rechtskraft zwingt für sich allein noch nicht zu einer nachträglichen Verkürzung der Bewährungszeit (LG Hamburg M D R 1 9 9 2 1165).
5
II. Verfahrensrechtliches 1. Entscheidung auf Grund der Hauptverhandlung a) Zuständigkeit und Form. Das Gericht bestimmt die Dauer der Bewährungszeit (Absatz 1 Satz 1), und zwar in der Hauptverhandlung, in der auch das Urteil ergeht, und
1
OLG Braunschweig NJW 1964 1581 m. Anm. Dreher; OLG Köln MDR 1972 437; OLG Düsseldorf MDR 1973 426; OLG Hamm MDR 1974 947; OLG Hamburg MDR 1977 512; OLG Hamburg NJW 1979 2623, 2624; OLG Stuttgart NJW 1980 1346; Oske MDR
2
1970 189; aA OLG Zweibrücken MDR 1969 861 m. abl. Anm. Pohlmann Rpfleger 1969 352; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1967 282; OLG Hamm NJW 1978 2207. Fischer Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 2; Horn SK Rdn. 5.
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§ 56a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
in der Besetzung der Hauptverhandlung. Die Entscheidung bedarf gemäß § 263 Abs. 1 StPO der Zweidrittelmehrheit (§ 56 Rdn. 66). Sie ergeht durch Beschluss, der mit dem Urteil zu verkünden ist (§ 268a Abs. 1 StPO), aber nicht zur Urteilsverkündung gehört (BGHSt 25 333). Die Entscheidung ist nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (BGH NJW 1954 522; BGHSt 6 302). Ist dies gleichwohl geschehen, so ist es allerdings unschädlich. In einem solchen Fall gilt dieser Teil der Urteilsformel als Beschluss (OLG Hamm JMB1NW 1964 176; OLG Hamm VRS 37 263). Der Beschluss, der auch Anordnungen nach den §§ 56b, 56c und 56d enthalten kann, unterliegt der Begründungspflicht des § 34 StPO (vgl. BGH NStZ 1987 519). Der Angeklagte ist gemäß § 268a Abs. 3 StPO zu belehren, und zwar auch über die Bewährungszeit. 7
Im Falle einer (Strafmaß-)Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil gilt der gemäß § 268a StPO gefasste Beschluss als unselbständiger Anhang der angefochtenen Entscheidung, solange das Berufungsgericht über die Strafaussetzung noch nicht befunden hat. 3 Wird diese in zweiter Instanz - erneut oder erstmals - gewährt, so hat das Berufungsgericht auch über die Dauer der Bewährungszeit und eventuelle Anordnungen nach § 56b, § 56c oder § 56d eine eigene Entscheidung zu treffen (§§ 332, 268a StPO), was freilich auch in Form einer ausdrücklichen Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses geschehen kann (OLG Düsseldorf StV 2001 225; OLG Hamm StV 1993 121; OLG Hamm NStZ-RR 2000 126). 4 Das Revisionsgericht ist grundsätzlich zuständig, wenn es abweichend vom Tatrichter - selbst Strafaussetzung gewährt (vgl. hierzu jedoch § 56 Rdn. 73). Dass dem Gesetz eine solche Verknüpfung von revisions- und tatrichterlichen Funktionen beim Revisionsgericht nicht fremd ist, ergibt sich auch aus § 305a Abs. 2 StPO.
8
b) Verschlechterungsverbot. Hat ausschließlich der Angeklagte gegen das im erstinstanzlichen Urteil verhängte Strafmaß Rechtsmittel eingelegt, so stellt sich die Frage, ob das Verschlechterungsverbot der §§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 StPO auch für die im Beschlusswege getroffenen Anordnungen über die Dauer der Bewährungszeit (und etwaige weitere Maßnahmen gemäß §§ 56b bis d) zu gelten hat. Eine umfassende Geltung wird soweit ersichtlich nur noch vereinzelt befürwortet (OLG Frankfurt NJW 1978 959 f). 5 Zumindest in den Fällen zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen der Sachlage lässt sich eine Bindung an das Verschlechterungsverbot schon angesichts der §§ 56a Abs. 2 Satz 2, 56e nicht rechtfertigen (BGH JR 1982 338 m. Anm. Meyer).6 Sie ist aber auch bei unveränderter Sachlage abzulehnen, da der Gesetzgeber nur die durch Urteil verhängten Rechtsfolgen der Tat dem Verschlechterungsverbot unterworfen hat (vgl. hierzu eingehend OLG Hamburg NJW 1981 470 m. Anm. Loos NStZ 1981 363 f) und eine analoge Anwendung dieses Grundsatzes zu einer kriminalpolitisch unerwünschten Einschränkung des tatrichterlichen Entscheidungsspielraums bei der optimalen Kombination von Maßnahmen gemäß §§ 56a ff führen würde.7
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OLG Hamm JMB1NW 1964 176; OLG Hamm NJW 1967 510; OLG Celle MDR 1970 68; BayObLG NJW 1980 2 4 2 5 . OLG Düsseldorf MDR 1982 1042; KG VRS 11 357; OLG Celle MDR 1970 68. Für eine Geltung jedenfalls im Bereich der Auflagen als „strafähnlicher Sanktionen" (§ 56b) vgl. Sch/Schröder/Stree S 56b Rdn. 4. Vgl. ferner OLG Hamm NJW 1978 1596 f; OLG Karlsruhe Justiz 1 9 7 9 211; Gribbohm LK 1 1 § 56b Rdn. 28, 28a.
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Ebenso OLG Oldenburg NStZ-RR 1997 9 f; KG Berlin Beschl. v. 6 . 3 . 2 0 0 0 - 4 Ws 25/00; KG Berlin NStZ-RR 2 0 0 6 137 f; OLG Koblenz NStZ 1981 1 5 4 , 1 5 5 unter Aufgabe der in NJW 1977 1074 noch vertretenen Auffassung; OLG Düsseldorf JMB1NW 1986 2 7 3 ; OLG Düsseldorf NStZ 1994 1 9 8 , 1 9 9 ; Gollwitzer L R 2 5 § 2 6 8 a Rdn. 20; vgl. ferner BGH bei Kusch NStZ 1995 2 2 0 .
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Bewährungszeit
§ 56a
c) Unterbliebene Beschlussfassung. Trifft das Berufungsgericht keine eigene Entscheidung zu den §§ 56a ff, etwa weil es irrtümlich (vgl. hierzu Rdn. 7) von einer Fortgeltung des erstinstanzlichen Beschlusses ausgeht, so tritt der in der Praxis nicht seltene Fall ein, dass die Beschlussfassung gemäß § 268a Abs. 1 StPO - unter Umständen bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung - versehentlich unterbleibt. Die Revision gegen das tatrichterliche Urteil kann auf diesen Umstand nicht gestützt werden (OLG Koblenz MDR 1981 423). Solange eine Entscheidung über die nähere Ausgestaltung der Bewährungsmodalitäten fehlt, ist zu Gunsten des Verurteilten von einer zweijährigen Bewährungszeit ohne Auflagen und Weisungen auszugehen (OLG Hamm StV 1993 121). Während die frühere Rechtsprechung der Oberlandesgerichte - richtigerweise - von einer „Nachholbarkeit" der Beschlussfassung in entsprechender Anwendung des § 453 StPO ausging (KG VRS 11 357, 365; OLG Celle MDR 1970 68; OLG Koblenz MDR 1981 423), 8 halten neuere Entscheidungen das gemäß § 462a StPO zuständige Gericht nicht für befugt, die Beschlussfassung nachzuholen und hierbei dem Verurteilten nachteilige Anordnungen gemäß §§ 56a ff zu treffen, da § 268a Abs. 1 StPO die erstmalige Ausgestaltung der Bewährungsmodalitäten ausschließlich im Zusammenhang mit der Urteilsfällung vorsehe und dem Tatgericht in der für die Hauptverhandlung geltenden Besetzung vorbehalte (OLG Düsseldorf StV 2001 225 f; OLG Köln NStZ-RR 2000 338; OLG Hamm NStZ-RR 2000 126 f). 9 Diese restriktive Handhabung steht in ungeklärtem Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des BGH, der im Fall einer eigenen Sachentscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung die Folgeregelungen gemäß §§ 56a ff regelmäßig dem Tatgericht - und damit zwangsläufig einer Entscheidung im Beschlusswege außerhalb der Hauptverhandlung - überlässt (vgl. § 56 Rdn. 73 m.w.N.). Ob die gegenwärtige Fassung der §§ 268a Abs. 1, 453 StPO nach dem Willen des Gesetzgebers tatsächlich zu der weitreichenden Konsequenz eines völligen Verzichts auf die erstmalige individuelle Ausgestaltung der Bewährungsmodalitäten zwingen muss, wenn hierüber nicht mehr im Zusammenhang mit der tatrichterlichen Urteilsfällung entschieden werden kann, ist auch äußerst fraglich.
9
d) Anfechtbarkeit. Der gemäß § 268a Abs. 1 StPO gefasste Beschluss ist nach Maßgäbe des § 305a StPO anfechtbar. Das Verschlechterungsverbot gilt zwar grundsätzlich nicht (vgl. Rdn. 8). Da die in erster Instanz getroffenen Anordnungen indes nur auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüft werden (§ 305a Abs. 1 Satz 2 StPO), scheidet eine Schlechterstellung des Verurteilten praktisch aus. Die Zuständigkeit des BGH als Beschwerdegericht (§ 305a Abs. 2 StPO) hängt nicht davon ab, ob er lediglich auf Grund einer Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sache befasst ist, während der Angeklagte, der die Beschwerde erhoben hat, das Urteil mit der Revision nicht anficht (BGHR StPO § 305a Zuständigkeit 2). Die Zuständigkeit des BGH endet, wenn die Beschwerdesache bei Abschluss des Revisionsverfahrens noch nicht entscheidungsreif ist (BGH bei Dallinger MDR 1971 547; BGH NStZ 1987 519). Sie besteht nicht, wenn das Rechtsmittel erst nach Abschluss des Revisionsverfahrens eingelegt wird (BGHSt 10 19; BGH NStZ 1986 423). Sie bleibt jedoch erhalten, wenn der BGH bei der Entscheidung über die Revision nur versehentlich über die Beschwerde nicht mitbefunden hat (BGH NStZ 1986 423). Die Beschwerde wird gegenstandslos, wenn das Revisionsgericht das angefochtene Urteil aufhebt (BGHR Wiedergutmachung 1).
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OLG Düsseldorf MDR 1982 1042.
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OLG Frankfurt StV 1983, 2 4 .
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§ 56b
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2. Nachtragsentscheidungen 11
Das gemäß § 462a StPO zuständige Gericht trifft die nachträgliche Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach Anhörung des Verurteilten (§ 453 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO). Die Entscheidung ist mit der Beschwerde anfechtbar, wobei die nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit nicht nur auf ihre Gesetzmäßigkeit, sondern auch auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden kann (§ 453 Abs. 2 Satz 1, 2 StPO). Das Verschlechterungsverbot gilt nicht (Rdn. 8). Für die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Verkürzung der Bewährungszeit gilt die in § 453 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 angeordnete Einschränkung des Prüfungsumfangs (OLG Frankfurt NStZ-RR 2006 327 f; KG Berlin Beschl. vom 21.3.1997 - 5 Ws 180/97; OLG Celle NdsRpfl. 1982 222 f).
§ 56b Auflagen (1) Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. (2) Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen, 1. nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, 2. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist, 3. sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder 4. einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zu zahlen. Eine Auflage nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 soll das Gericht nur erteilen, soweit die Erfüllung der Auflage einer Wiedergutmachung des Schadens nicht entgegensteht. (3) Erbietet sich der Verurteilte zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht das Gericht in der Regel von Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung des Anerbietens zu erwarten ist. Schrifttum Albrecht/Schädler Die gemeinnützige Arbeit auf dem Weg zur eigenständigen Sanktion? ZRP 1988 278; Baumann Die Auflagenkataloge im Strafrecht, GA 1958 193; Baur Die Bewährungsauflagen der Schadenswiedergutmachung und das Zivilrecht, GA 1957 338; Birmanns Nochmals: Bewährungsauflage eines Krankenhaushilfsdienstes für straffällige Kraftfahrer, NJW 1965 2001; Böhm Gemeinnützige Arbeit als Strafe, ZRP 1998 360; Bruns Rechtsgrundlage und Zulässigkeitsgrenzen strafrichterlicher Auflagen und Weisungen, GA 1959 193; ders. Zur rechtsdogmatischen Problematik strafrichterlicher Auflagen, NJW 1959 1393; Ditcher Die Bewährungsauflage der Schadenswiedergutmachung im Verhältnis zur zivilrechtlichen Haftung, NJW 1956 1346; Engler Sollen sich Verbrechen lohnen? VersR 1994 1036; Feuerbelm Gemeinnützige Arbeit als strafrechtliche Sanktion, BewH 1998 323; Frehsee Wiedergutmachungsauflage und Zivilrecht, N J W 1981 1253; ders. Schadenswiedergutmachung als Instrument strafrechtlicher Sozialkontrolle (1987); Grasnick Die verfassungsrechtlichen Schranken der Auflagen nach § 24 StGB, NJW 1959 1999; Horn Die Bemessung der Geldauflage nach § 56b Abs. 2 Nr. 2 StGB - tatsächlich ein Rechtsproblem, StV 1992 537; Kaetzler Absprachen in Strafverfahren und Bewährungsauflagen, wistra 1999 253; Kintzi Verbesserung des Opferschutzes im Strafverfahren, DRiZ 1998 65; Kohlhaas Bewährungsauflage eines Krankenhaushilfsdienstes für straffällige Kraftfahrer? N J W 1965 1068; B.-D. Meier Konstruktive Tatverarbeitung im Strafrecht - Bestandsaufnahme und Reformperspektiven, GA 1999 1; Mrozynski Offene Fragen der gemeinnützigen Arbeit Straffälliger, JR 1987 272; Pentz Nochmals: Die Bewäh-
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Auflagen rungsauflage der Schadenswiedergutmachung, NJW 1956 1867; ders. Bewährungsauflagen und Grundgesetz, JR 1962 99; Schall Die Sanktionsalternative der gemeinnützigen Arbeit als Surrogat der Geldstrafe, NStZ 1985 104; Weigend Sanktionen ohne Freiheitsentzug, GA 1992 345. Entstehungsgeschichte § 56b Abs. 2 wurde durch das VerbrBekG vom 28.10.1994 geändert. Die vorherige Fassung des § 56b galt seit 1.1.1975 und entsprach derjenigen des 2. StrRG, die identisch ist mit § 24a in der Fassung des 1. StrRG, gültig vom 1.4.1970 bis zum 31.12.1974. Bis zum 31.3.1970 war § 2 4 in der Fassung des 3. StRÄndG vom 4.8.1953 in Geltung. Seine Absätze 1 bis 3 hatten folgenden Wortlaut (Absatz 4 ist vor den Erläuterungen zu § 56a abgedruckt): (1) Das Geriebt macht dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Auflagen. Insbesondere kann es ihm auferlegen, 1. den durch die Tat verursachten Schaden wieder gutzumachen, 2. Weisungen zu befolgen, die sich auf Aufenthaltsort, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit beziehen, 3. sich einer ärztlichen Behandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen, 4. Unterhaltspflichten nachzukommen, 5. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen oder 6. sich der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers zu unterstellen. (2) Von der Anordnung von Auflagen kann abgesehen werden, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte auch ohne sie ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen, vor allem den durch die Tat verursachten Schaden nach Kräften wiedergutmachen wird. Der Verurteilte darf durch eine Auflage nicht daran gehindert werden, für ihn günstigere Möglichkeiten der Ausbildung oder Arbeit wahrzunehmen. (3) Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 kann das Gericht auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben.
Übersicht Rdn. I. Sinn und Zweck der Auflagen (§ 56b Abs. 1) 1. Genugtuungsfunktion 2. Begrenzung durch die Unzumutbarkeitsklausel II. Der Auflagenkatalog (§ 56b Abs. 2 Satz 1 1. Wiedergutmachung des Schadens (Nr. 1) a) Verursachter Schaden b) Schadenshöhe c) Modalitäten der Wiedergutmachung aa) Leistungsfähigkeit des Verurteilten bb) Unzumutbarkeit der Wiedergutmachung cc) Wiedergutmachung durch Dritte d) Vorrang der Schadenswiedergutmachung 2. Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung (Nr. 2) a) Subsidiarität zur Schadenswiedergutmachung b) Zahlungsempfänger c) Höhe des Geldbetrages
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Rdn. 3. Erbringen sonst gemeinnütziger Leistungen (Nr. 3) a) Begriffsdefinition b) Verfassungsrechtliche Komponente . aa) Bestimmtheitsgebot bb) Verbot von Arbeitszwang und Zwangsarbeit c) Die Unzumutbarkeitsklausel . . . . 4. Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten der Staatskasse (Nr. 4) a) Subsidiarität b) Zahlungsempfänger c) Sonderfälle
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ΙΠ. Absehen von Auflagen (§ 56b Abs. 3) 1. Voraussetzungen 2. Die Entscheidung des Gerichts . . . .
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IV. Verfahrensrechtliches 1. Hinweispflicht und Anhörung 2. Inhalt des Beschlusses 3. Belehrungspflicht 4. Beschwerdeverfahren 5. Überwachung der Erfüllung
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat I. Sinn u n d Z w e c k der Auflagen (§ 5 6 b A b s . 1) 1
Seit dem 1. StrRG unterscheidet das Gesetz zwischen den in § 5 6 b geregelten Auflagen und den Weisungen nach § 56c. Die Auflagen dienen der Genugtuung für das begangene Unrecht, 1 ihnen kommt repressiver Charakter zu. Dagegen haben die Weisungen eine spezialpräventive Funktion, sie sollen dem Verurteilten beim Erreichen des Bewährungsziels helfen. Vor dem 1. StrRG hatte der Begriff „Auflagen" einen weiteren Inhalt; unter ihn fielen auch Maßnahmen, mit denen eine Hilfe und Kontrolle bei der Resozialisierung des Verurteilten beabsichtigt war (vgl. § 2 4 Abs. 1 i.d.F. des 3. StRÄndG). Die Trennung der rein spezialpräventiven Weisungen von den mehr sühnenden Auflagen ist den § § 74, 75 E 1962 entnommen. Auch der AE enthält in seinen §§ 41, 4 2 die klare Trennung der Auflagen von den Weisungen.
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1. Genugtuungsfunktion. Mit der Möglichkeit, dem Verurteilten Auflagen zu erteilen, soll die Ausgleichsfunktion der Strafe verstärkt werden. Der Verurteilte soll nicht nur durch den Ausspruch der Verurteilung betroffen werden und mehr tun müssen, als sich straffrei führen. Ihm soll die Verurteilung auch auf andere Weise fühlbar gemacht werden. Insofern spricht das O L G Celle (NStZ 1 9 9 0 148 mit Anm. Arloth) von einer „Denkzettelfunktion" der Auflagen. Hieraus, wie auch aus dem Katalog des Absatzes 2 , ergibt sich, dass mit Genugtuung nicht nur die Wiedergutmachung gegenüber dem Verletzten gemeint ist, sondern auch die in § 41 AE ausdrücklich genannte Wiederherstellung des Rechtsfriedens (Sonderausschuss Prot. 2153). Dem Täter wird zu diesem Zweck ein besonderes Opfer abverlangt (OLG Stuttgart M D R 1971 1025; O L G Köln N J W 2 0 0 5 1671, 1673). Das Genugtuungsinteresse erfordert, dass die Auflagen in möglichst enger Beziehung zur Tat stehen. Diesbezüglich erfüllen sie auch einen spezialpräventiven Zweck. In jeder ihrer Funktionen treten die Auflagen nach geltendem Recht stets nur neben die Strafandrohung als solche. Der Vorschlag, bestimmte Auflagen - so z.B. die Schadenswiedergutmachung oder die Erbringung gemeinnütziger Leistungen - als eigenständige Sanktionsart für den Bereich der leichteren bis mittelschweren Kriminalität einzuführen, ist allerdings de lege ferenda immer wieder unterbreitet worden. 2
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2 . Begrenzung durch die Unzumutbarkeitsklausel. Für alle Auflagen gilt, dass dabei an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden dürfen. Mit dieser Formel werden dem Leistungsverlangen Grenzen gezogen, die sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben. Die Zumutbarkeits- oder Unzumutbarkeitsklausel hat sich als Regulativ zur Pflichtbegrenzung in der Praxis vielfach bewährt. Der Gesetzgeber verwendet sie nicht nur im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, sondern in zunehmendem M a ß e auch im Strafrecht (vgl. S 35 Abs. 1, § 323c). Dagegen sind verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt gesetzlicher Bestimmtheit der Strafbarkeit (Art. 103 Abs. 2 GG) grundsätzlich nicht zu erheben. Das gilt auch für § 5 6 b Abs. 1 Satz 2 (vgl. BVerfGE 83 119, 128). Der Richter muss den Maßstab für die Beurteilung dessen, was zumutbar oder unzumutbar ist, vor der Entscheidung aus den Umständen des Einzelfal-
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BayObLGSt. 1970 122, 124; OLG Frankfurt MDR 1994 498, 499; OLG Frankfurt NStZRR 1998 126, 127; OLG Hamburg wistra 2004 235, 236; OLG Hamm NStZ 1997 237; OLG Stuttgart Beschl. v. 2 4 . 9 . 2 0 0 4 - l W s 248/04; Horn StV 1992 537, 538.
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Vgl. hierzu B.-D. Meier GA 1999 1 ff; Streng ZStW 111 (1999) 827; Wolters ZStW 114 (2002) 63, 72-75; Böhm ZRP 1998 360; Dolling ZStW 104 (1992) 259, 281 f; Weigend GA 1992 345, 358 ff, 364 ff; Horn JZ 1992 828 ff; ders. ZRP 1990 81.
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les jeweils erst gewinnen. Unzumutbare Anforderungen sind mit einer Auflage verbunden, wenn ihre Anordnung einen zu einschneidenden Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten enthält (OLG Köln NStZ 1999 97, 98).
Π. Der Auflagenkatalog (§ 56b Abs. 2 Satz 1) Der Katalog des § 56b Abs. 2 Satz 1 enthält eine abschließende Aufzählung (BVerfG NStZ 1982 67; BVerfG NStZ 1995 25). 3 Die früher bestehende Befugnis des Gerichts, auch im gesetzlichen Katalog nicht genannte Auflagen auszusprechen, hatte im Schrifttum 4 im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot von Art. 103 Abs. 2 GG zu Bedenken geführt. Diesen Bedenken trägt die abschließende Aufzählung in Absatz 2 Rechnung (BTDrucks. V/4094 S. 12). Ob und welche Auflagen aus dem Katalog das Gericht erteilt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Es kann auch mehrere Auflagen nebeneinander anordnen. Der ihm zur Verfügung stehende Spielraum wird durch den Genugtuungszweck und die Unzumutbarkeitsklausel (Absatz 1 Satz 2) beschränkt. Die Frage einer weiter gehenden Beschränkung durch das Grundgesetz spielt für die Auflagen der Nummer 3 eine Rolle.
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1. Wiedergutmachung des Schadens (Nr. 1) a) Verursachter Schaden. Der durch die Tat verursachte Schaden soll wieder gutgemacht werden. Diese Auflage verstärkt die zivilrechtliche Schadensersatzpflicht durch den drohenden Widerruf (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) im Falle eines gröblichen oder beharrlichen Auflagenverstoßes. Hauptzweck der Auflage ist allerdings nicht die Beseitigung eines zivilrechtlichen Schadens, sondern die Einwirkung auf den Täter, damit er dem Geschädigten Genugtuung leistet. Die Auflage muss daher nicht nur zumutbar, sondern im Genugtuungsinteresse auch (noch) erforderlich sein (OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 126 f; OLG Hamm NStZ 1997 237). Daher kommt ihre Anordnung nur zu Gunsten des unmittelbar Geschädigten in Betracht; unzulässig wäre die Auferlegung einer Pflicht zur Zahlung an einen Dritten, der den Schaden - unter Umständen freiwillig beglichen hat (OLG Hamm NStZ 1997 237), oder an einen Mittäter zwecks Herbeiführung eines Gesamtschuldnerausgleichs (OLG Hamburg wistra 2 0 0 4 235, 236). Dieser Grundsatz darf auch nicht umgangen werden durch die Anordnung der Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung (Absatz 2 Satz 1 Nr. 2) unter dem Vorbehalt der Aufhebung dieser Auflage für den Fall einer Regressleistung an den nur „mittelbar" Geschädigten (OLG Hamm NStZ-RR 1998 138).
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Bei der Anordnung der Schadenswiedergutmachung ist der Strafrichter vom bürgerliehen Recht abhängig, 5 denn der Zweck der Auflage deckt nur die Auferlegung einer Ersatzleistung, auf die der Empfänger einen (zivilrechtlichen) Anspruch hat. Die Wiedergutmachung eines Schadens darf daher nur insoweit angeordnet werden, als eine Rechtsgrundlage nach dem Zivilrecht besteht. Eine darüber hinaus gehende Auflage wäre
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BayObLGSt. 1970 124; OLG Bremen StV 1986 253. Bruns GA 1959 193, 2 0 6 ff; Bruns NJW 1959 1393, 1395. OLG Stuttgart MDR 1971 1025; OLG Stuttgart NJW 1980 1114; OLG Karlsruhe Justiz
1978 112; OLG Hamburg MDR 1980 2 4 6 ; Baur GA 1957 338, 340; Pentz NJW 1956 1867; Pentz J R 1962 99; aA de lege ferenda Kintzi DRiZ 1998 65, 70; Dächer NJW 1956 1346; vgl. ferner Frehsee NJW 1981 1253 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
gesetzwidrig (OLG Hamburg M D R 1980 246; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 126). Doch steht die Verjährungseinrede der Auflage nicht entgegen (OLG Stuttgart M D R 1971 1025; OLG Hamm N J W 1976 527; Schall N J W 1977 1045). 6 Auch die Wiedergutmachung angerichteten immateriellen Schadens durch Leistung eines angemessenen Schmerzensgeldes wird von der Vorschrift erfasst (LG Bremen N J W 1971 153). In diesem Zusammenhang ist der Strafrichter an ein mangels Tatnachweises klageabweisendes Zivilurteil nicht gebunden, wenn er im Strafverfahren aufgrund der prozessual weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten zu einem Schuldspruch gelangt ist und die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes im Rahmen einer Auflage nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 für im Genugtuungsinteresse erforderlich hält (OLG Brandenburg NStZ 1998 196). Dagegen gehört die Zahlung der Gerichtskosten nicht zur Wiedergutmachung des Schadens; eine derartige Auflage wäre unzulässig. 7 7
b) Schadenshöhe. Die Höhe des Schadens festzustellen, bietet keine Schwierigkeiten, wenn der Anspruch bereits im Zivilprozess festgestellt ist, wenn er gleichzeitig im Adhäsionsverfahren gemäß §§ 4 0 3 ff StPO festgestellt wird oder wenn der Täter und der Verletzte über die Höhe einig sind. Andernfalls kann der Strafrichter der Schadensfestsetzung nicht vorgreifen. Er muss in diesem Fall von der Festlegung der Schadenshöhe absehen und sie den Beteiligten oder einem zivilgerichtlichen Verfahren überlassen. Ist ein Teil des Anspruchs unstreitig, so sollte allerdings dieser Teilbetrag der Höhe nach festgelegt werden. Im Übrigen reicht es aus, dem Verurteilten aufzuerlegen, den von ihm angerichteten Schaden in voller Höhe oder - etwa bei mitwirkendem Verschulden des Verletzten - zu einem Bruchteil zu ersetzen. Da dem Verurteilten nur aufgegeben werden darf, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen, ist der durch eine Auflage festgelegte Betrag, der sich aufgrund eines späteren Zivilurteils als zu hoch erweist, nach § 56e herabzusetzen, solange dies noch möglich ist; ein zuviel gezahlter Betrag kann zurückgefordert werden.
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c) Modalitäten der Wiedergutmachung. In der Regel wird die Auflage, den Schaden wiedergutzumachen, durch die Festsetzung eines Geldbetrages angeordnet. Dabei empfiehlt es sich, die Wiedergutmachung durch einen Zahlungsplan genau festzulegen. Die Auflage sollte im Hinblick auf § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 so bestimmt wie möglich sein. 8 Es kann jedoch auch Gegenstand der Auflage sein, den Schaden in Natur wiedergutzumachen. Eine Naturalrestitution kann bei Sachbeschädigungen in Betracht kommen, aber auch bei immateriellen Schäden, ζ. B. durch Widerruf ehrenkränkender Behauptungen. Da der Auflagenkatalog des § 56b Abs. 2 Satz 1 abschließenden Charakter trägt (vgl. Rdn. 4), darf dem Verurteilten zum Zweck der Absicherung einer Schadenswiedergutmachung nicht die weitere Auflage erteilt werden, „unverzüglich ein Arbeitsverhältnis zu begründen" (BVerfGE 58 358, 365 ff) oder seine Einkommensverhältnisse auf Anforderung offenzulegen (BVerfG NStZ 1995 2 5 f; OLG Oldenburg NStZ-RR 1997 9). Ein Rechtsverhältnis zwischen dem Verurteilten und dem Geschädigten wird durch die Auflage weder begründet noch abgeändert.
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Engler VersR 1994 1036 f. BGHSt 9 365; OLG München MDR 1957 5 0 0 ; OLG Hamm N J W 1956 1888; krit. Händel N J W 1957 1018.
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LG Bremen N J W 1971 153; OLG Karlsruhe Justiz 1978 112; Pentz NJW 1956 1867; Baur GA 1957 338, 341.
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aa) Leistungsfähigkeit des Verurteilten. Dem Täter kann nur auferlegt werden, den 9 Schaden nach Kräften wiedergutzumachen. Bei Vermögensleistungen sind deshalb seine wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich seiner sonstigen Verpflichtungen zu berücksichtigen. In vielen Fällen empfiehlt sich darum die Anordnung von Teilzahlungen. Dass keine die Möglichkeiten des Verurteilten übersteigenden Verpflichtungen auferlegt werden, ist wichtig im Hinblick auf § 56f. Ein Widerruf kann nicht ausgesprochen werden, wenn der Verurteilte sich ernsthaft bemüht hat, die Auflage zu erfüllen, ihm dies jedoch ohne sein Verschulden nicht möglich war. Mit Rücksicht hierauf hält das OLG Düsseldorf (NStZ 1993 136, 137) allerdings die Anordnung nur bei krassem Missverhältnis zur wirtschaftlichen Situation des Verurteilten für gesetzeswidrig im Sinne von § 305a Abs. 1 Satz 2 StPO. bb) Unzumutbarkeit der Wiedergutmachung. Neben der Einschränkung, die sich aus den Worten „nach Kräften" ergibt, ist die Unzumutbarkeitsklausel des Absatzes 1 Satz 2 im Rahmen des § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 nur von geringer Bedeutung; sie ist in jenem Merkmal gleichsam mitenthalten. Es fällt schwer, sich einen Sachverhalt vorzustellen, bei dem es einem leistungsfähigen Verurteilten unzumutbar sein sollte, eine ihm „nach Kräften" mögliche Wiedergutmachung überhaupt zu erbringen. Die Erfüllung der Auflage, den durch die Tat verursachten Schaden zu ersetzen, ist dem leistungsfähigen Täter grundsätzlich auch zuzumuten. Das gilt selbst dann, wenn die gerichtliche Durchsetzung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches wegen Verjährung scheitern könnte (OLG Hamm NJW 1976 527). Die Unzumutbarkeitsklausel kann im Bereich der Nummer 1 neben dem Merkmal „nach Kräften" - also nur dort eine Rolle spielen, wo es um bestimmte Modalitäten der Wiedergutmachung im Einzelfall geht (vgl. OLG Bremen StV 1986 253), etwa um die Frage, ob vom Verurteilten verlangt werden kann, die Befriedigung eigener Wünsche aufzuschieben oder den Geschädigten gegenüber anderen Gläubigern zu bevorzugen.
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cc) Wiedergutmachung durch Dritte. Da die Auflage, den Schaden wiedergutzuma- 11 chen, die zivilrechtliche Schadensersatzpflicht verstärken soll und von deren Bestand abhängig ist (oben Rdn. 5 f), wird sie durch die Leistung eines Dritten (z.B. einer Haftpflichtversicherung) gegenstandslos, gleichgültig, ob dieser dazu verpflichtet ist oder nicht (Baur GA 1957 338, 341). Die Zahlung eines freiwillig leistenden Dritten ist schon deshalb keine Strafvereitelung im Sinne von § 258, weil die Auflage trotz ihres strafähnlichen Charakters nicht Strafe ist. Doch kann sie dazu führen, dass dem Verurteilten nachträglich gemäß § 56e eine der Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 3 gemacht wird (Engler VersR 1994 1036, 1037). Zahlt der Verurteilte in Erfüllung der Auflage an den Verletzten, der bereits durch die Leistung eines Dritten befriedigt worden ist, so kann der Verurteilte den gezahlten Betrag zurückverlangen (Baur GA 1957 338, 342). d) Vorrang der Schadenswiedergutmachung. § 56b Abs. 2 Satz 2 wurde durch das VerbrBekG vom 28.10.1994 eingefügt und dient dem Primat des Opferschutzes. Durch die Neufassung soll der Wiedergutmachung ein relativer Vorrang gegenüber den übrigen Geldauflagen eingeräumt werden. Die Auflagen gemäß Satz 1 Nr. 2 bis 4 sind nach Satz 2 ausdrücklich subsidiär zur Wiedergutmachung (vgl. BTDrucks. 12/6853 S. 22).
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2. Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung (Nr. 2) a) Subsidiarität zur Schadenswiedergutmachung. Aufgrund § 56 Abs. 2 Satz 2 (vgl. Rdn. 12) und der gleichfalls durch das VerbrBekG eingefügten Einschränkung „wenn Jutta Hubrach
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist" ist der Schadenswiedergutmachung grundsätzlich der Vorrang bei der Entscheidung über eine Geldauflage eingeräumt worden, ohne jedoch die Möglichkeit der Zahlung eines Geldbetrages zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung im Einzelfall auszuschließen. Sie kommt daher in Betracht, wenn die Auflage, den Schaden wiedergutzumachen, keine genügende Sanktion darstellt, weil der Schaden sehr gering ist, weil überhaupt kein Schaden entstanden ist oder weil er von einem Dritten bezahlt worden ist (ebenso bereits Gribbohm LK 11 Rdn. 11 zum Rechtszustand vor dem VerbrBekG). 14
b) Zahlungsempfänger. Unter „gemeinnütziger Einrichtung" ist jede öffentliche oder private Einrichtung zu verstehen, die gemeinnützige, insbesondere soziale oder kulturelle Zwecke verfolgt (Händel JR 1955 377, 378). Dass sie steuerlich als gemeinnützig anerkannt ist, ist nicht erforderlich. Durch die Auflage entsteht kein Rechtsverhältnis zwischen Täter und Einrichtung. Weder kann die Einrichtung vom Täter Zahlung verlangen, noch kann sie ihm die Zahlung erlassen. Sie ist auch nicht zur Annahme der Leistung verpflichtet. Weist die Einrichtung die Leistung zurück, so besteht Veranlassung, gemäß § 56e eine andere Auflage zu erteilen.
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Die Auswahl der Einrichtung obliegt dem Gericht. Soweit möglich, sollte es die Beziehung zwischen Tat und Einrichtung berücksichtigen, z.B. durch Anordnung der Zahlung an einen Tierschutzverein bei Tierquälerei. Fehlt eine tatbezogene Einrichtung, so können solche in Betracht kommen, deren Aufgabe Gefangenen- oder Entlassenenfürsorge oder Bewährungshilfe ist. Die Auswahl steht im Ermessen des Gerichts. Die Unzumutbarkeitsklausel des Absatzes 1 Satz 2 scheidet aber im Einzelfall solche Einrichtungen aus, zu denen der Verurteilte in weltanschaulichem oder religiösem Gegensatz steht (OLG Köln NJW 2005 1671, 1672; Händel JR 1955 378). Bei der Auswahl können auch Einrichtungen berücksichtigt werden, zu denen der Täter in einer besonderen Beziehung steht. Zahlt er jedoch an eine solche Einrichtung ohnehin Mitgliedsbeiträge oder macht er ihr regelmäßige Zuwendungen, so ist die Auflage so zu erteilen, dass ihm aufgegeben wird, weitergehende Zahlungen zu erbringen. Ein Anspruch des Täters auf Berücksichtigung von ihm gewünschter Leistungsempfänger besteht nicht (OLG Köln NJW 2005 1671,1672).
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c) Höhe des Geldbetrages. Für die Höhe des Geldbetrages bestehen keine formellen Grenzen, sie ist nicht an § 40 gebunden. 9 Nach OLG Nürnberg (GA 1959 157) braucht sie auch nicht in einem angemessenen Verhältnis zu einer neben der ausgesetzten Freiheitsstrafe verhängten Geldstrafe zu stehen, sondern kann diese überschreiten. Sie muss sich aber in einem angemessenen Rahmen halten, wie sich aus der Unzumutbarkeitsklausel des Absatzes 1 Satz 2 ergibt. 10 Unzumutbarkeit ist anzunehmen, wenn die Höhe der Geldbuße entweder zur Tatschuld oder zu der Vermögens- und Einkommenslage des Verurteilten in einem offenbaren Missverhältnis steht (OLG Hamm VRS 37 262; KG Berlin Beschl. vom 27.9.1999 - 4 Ws 168/99). Dass die Geldbuße auch nicht zu niedrig sein darf, sondern sich in einem angemessenen Verhältnis zur Tat halten muss, verlangt der Genugtuungscharakter. Bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße ist ferner zu berücksichtigen, dass die Schadenswiedergutmachung den Vorrang vor der Sühneleistung haben muss. Keinesfalls dürfen fiskalische Interessen maßgebend sein.
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OLG Stuttgart NJW 1954 522; aA Horn StV 1992 537, 539 f.
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OLG Hamm VRS 12 61; OLG Hamm VRS 37 262; OLG Hamburg MDR 1971 66.
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Auflagen 3. Erbringen sonst gemeinnütziger Leistungen (Nr. 3) a) Begriffsdefinition. Diese Auflage betrifft vor allem Hilfsdienste in Krankenhäusern, Kinderheimen, Altersheimen und ähnlichen gemeinnützigen Einrichtungen (BayObLGSt. 1970 122, 124; OLG Nürnberg N S t Z 1982 429; zum Begriff der Gemeinnützigkeit vgl. Feuerhelm BewH 1998 323, 332), aber auch der Allgemeinheit zugute kommende Tätigkeiten in Parkanlagen, Friedhöfen oder Sportstätten. Z u denken ist ferner an Hilfsdienste für gemeinnützige Organisationen wie Rotes Kreuz, Verkehrswacht oder die Feuerwehr. Da das Gesetz von gemeinnützigen Leistungen spricht, kommen außer den erwähnten Arbeiten auch andere Leistungen in Betracht, z.B. Naturallieferungen von Kleidung und Büchern an gemeinnützige Heime.
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Durch die Arbeitsauflage wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Sie setzt das Einverständnis desjenigen voraus, in dessen Betrieb oder Organisation die Arbeiten geleistet werden sollen. Auflagen nach N u m m e r 3 kommen nur dann in Betracht, wenn Schadenswiedergutmachung ausscheidet (Absatz 2 Satz 2; vgl. Rdn. 12). Ist dies der Fall, so sind sie angebracht, wenn eine Auflage nach N u m m e r 2 wegen ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse des Probanden ungeeignet ist oder zur Genugtuung nicht ausreicht, aber auch dann, wenn die Anordnung, sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, zur Einwirkung auf den Täter im Einzelfall besonders geeignet erscheint. b) Verfassungsrechtliche Komponente. Gegen Auflagen nach N u m m e r 3 sind vor allem in der Rechtslehre, aber auch in der Rechtsprechung verfassungsrechtliche Bedenken erhoben worden. Sie richten sich einmal dagegen, ob Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 im Einklang mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 G G steht. Z u m anderen betreffen sie die Frage, o b auferlegte Dienst- und Arbeitsleistungen mit Artikel 12 Abs. 2 und 3 G G vereinbar sind. 1 1 Diese grundsätzlichen Bedenken sind, wie das BVerfG bestätigt hat (BVerfGE 83 119 ff; vgl. ferner BVerfGE 74 102 ff zu S 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 JGG), unbegründet.
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aa) Bestimmtheitsgebot. Der Begriff „sonst gemeinnützige Leistungen" als solcher ist hinreichend bestimmt. Mit seiner Verwendung verstößt das Gesetz nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG, da die Voraussetzungen, Ziele und Begrenzungen der Auflage in den §§ 56, 56a, 56b Abs. 1 und 2 so ausführlich geregelt sind, wie es in einem notwendig abstrakt formulierten Gesetz verfassungsrechtlich geboten ist (BVerfGE 83 119, 128). In seiner Entscheidung zu S 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 J G G hat das BVerfG speziell die jugendrichterliche Weisung, „sechzehn Stunden Hilfsdienst nach Weisung der Jugendgerichtshilfe zu leisten", nicht unter Bestimmtheitsgesichtspunkten beanstandet (BVerfGE 74 102, 105, 126). Auch im Bereich des § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 dürfte es daher keinen Bedenken begegnen, wenn der Richter in seiner Auflage nur die Anzahl der abzuleistenden Stunden und die Frist zur Erfüllung der Auflage (vgl. hierzu KG Berlin Beschl. vom 13.4.2005 5 Ws 157/05) festlegt, die Auswahl der gemeinnützigen Institution - und damit die nähere Ausgestaltung der gerichtlichen Auflage - aber dem Bewährungshelfer überlässt, weil er nach dem Eindruck in der Hauptverhandlung jegliche Art gemeinnütziger Leistungen als hinreichende Genugtuung ansieht (OLG H a m m 2. StS N S t Z 1998 56; str.). 12
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 14, 15; OLG Hamburg NJW 1969 1780; OLG Celle NStZ 1990 148 mit abl. Anm. Arloth.
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AA OLG Hamm 3. StS StV 2004 657; OLG Frankfurt NStZ-RR 1997 2, 3; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 220.
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§ 56b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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bb) Verbot von Arbeitszwang und Zwangsarbeit. Die Auferlegung gemeinnütziger Leistungen nach Maßgabe des § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 berührt nicht den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 2 und 3 GG. Das in diesen Normen geregelte verfassungsrechtliche Verbot erfasst - bei einer an völkerrechtlichen Mindeststandards orientierten Auslegung unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte - Arbeiten, die in einer die Menschenwürde missachtenden Weise unter gleichzeitigem Verstoß gegen bestimmte Grundrechte gefordert werden, die unnötig beschwerlich bzw. schikanös sind oder die im Rahmen von Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung und Verwendung von Arbeitskräften für Zwecke der wirtschaftlichen Entwicklung erfolgen (BVerfGE 83 119, 126 f unter Bezugnahme auf BVerfGE 74 102, 121 f). Es bezieht sich jedoch nicht auf begrenzte, dem Betroffenen durch einen Richter im Rahmen eines gesetzlich ausgeformten und abgestuften Reaktions- und Sanktionensystems als Folge einer von ihm begangenen Straftat auferlegte Arbeitspflichten (BVerfGE 74 102, 122). Dies gilt auch für die Auflage gemeinnütziger Leistungen, die in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung durch § 56b keinen Arbeitszwang begründet, sondern lediglich einen Weg darstellt, die Vollstreckung einer an sich verwirkten Freiheitsstrafe abzuwenden, und die schon wegen dieser besonderen Zweckbestimmung einer spezifischen zeitlichen und sachlichen Begrenzung unterliegt (BVerfGE 83 119, 126 f).
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Üblicherweise ehrenamtliche Arbeiten, wie etwa mehrmaliges Mitwirken bei Konzerten oder schauspielerische Darbietungen in Heimen oder Kinderheimen, Verkauf von UNICEF-Postkarten, Wochenendbereitschaft als Fahrer eines Rettungswagens des Malteserhilfsdienstes oder Roten Kreuzes, Telefondienst am Wochenende bei der Verkehrswacht oder Bergwacht, Mithilfe bei der Reinigung von Wald und Flur an Wochenenden, können nicht gegen Artikel 12 Abs. 2 verstoßen (vgl. BayObLGSt. 1970 122, 124; BVerfGE 74 102, 118 für Feuerwehrdienst und Deichhilfe).
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c) Die Unzumutbarkeitsklausel des Absatzes 1 Satz 2 hat im Rahmen der Nummer 3 eine erhöhte Bedeutung. Da § 56b in seinem Ausgangspunkt auf der Erwartung straffreier Führung beruht, darf die Auflage nicht einen solchen Umfang haben, dass sie einer Strafe gleichkommt (BVerfGE 83 119, 127; OLG Celle StV 2002 659, 660). Unzumutbar sind Arbeiten, die die körperliche Leistungsfähigkeit des Verurteilten übersteigen, seine Gesundheit schädigen (näher hierzu Feuerheltrt BewH 1998 323, 334-336) oder die den Zielen einer von ihm abgelehnten Weltanschauung oder Religion dienen. Arbeiten in der Öffentlichkeit, insbesondere auf der Straße, dürfen nicht angeordnet werden, wenn sie zu einer Bloßstellung des Verurteilten führen könnten. Die Verpflichtung zum Blutspenden ist eine unzumutbare Anforderung und deshalb unzulässig. Dem Verurteilten dürfen ferner auch keine Leistungen auferlegt werden, die mit seiner beruflichen Tätigkeit, einer Berufsausbildung oder auch mit der Ausübung des Sorgerechts für Kinder unvereinbar wären. Die Gesamtwürdigung aller auferlegten Pflichten (Schadenswiedergutmachung, Geldzahlung und sonstiger gemeinnütziger Leistungen) darf keine Belastung ergeben, die auf die konkreten Lebensumstände des Verurteilten nicht die gebotene Rücksicht nähme (BVerfGE 83 119,127).
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Auf der Basis berufsbezogener Zumutbarkeitserwägungen bestehen erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Auflage, die den Verurteilten verpflichtet, mit seiner gemeinnützigen Leistung in einer Kranken- oder Heil- und Pflegeanstalt zugleich den in § 15a ZDG vorgesehenen freiwilligen Dienst abzuleisten. Hierbei mag noch dahinstehen, ob schon die mit einer derartigen Anordnung verbundene Eingliederung des Verurteilten in ein „reguläres" vertragliches Arbeitsverhältnis gegen Art. 12 Abs. 2 und 3 GG verstößt (verneinend Gribbohm LK 11 Rdn. 18 unter Hinweis auf OLG Nürnberg NStZ 1982 429; vgl. ferner BayObLGSt. 70 122). Nach der Rechtsprechung des BVerfG 48
Jutta Hubrach
Auflagen
ermächtigt Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 jedenfalls nicht zur Auferlegung von Leistungen, die die Zuweisung eines Berufs, eines Arbeitsplatzes oder einer Ausbildungsstelle enthalten oder den Betroffenen sonst an der Wahrnehmung seiner Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG hindern (BVerfGE 83 119, 129). Ein derartiger Eingriff in die Berufsfreiheit dürfte mit Auflagen der hier zur Rede stehenden Art regelmäßig verbunden sein, da der freiwillige Dienst nach § 15a ZDG die volle Arbeitskraft des Verurteilten über einen erheblichen Zeitraum in Anspruch nimmt (ebenso OLG Koblenz NStZ-RR 1997 149,151 f). Da § 56b nur Auflagen ermöglicht, die der Genugtuung für begangenes Unrecht dienen (Absatz 1 Satz 1), ermächtigt die Vorschrift auch nicht zu Eingriffen in die Berufsfreiheit, die die zukünftige Erfüllung einer Dienstpflicht im Sinne von Art. 12a GG bezwecken (aA OLG Hamm NStZ-RR 2001 91, 92; vgl. ferner OLG Hamm NStZ-RR 1999 155, 156). 4. Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten der Staatskasse (Nr. 4) a) Subsidiarität. Auch die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 vorgesehene Auflage ist nach Ab- 2 4 satz 2 Satz 2 gegenüber der Schadens Wiedergutmachung subsidiär (Rdn. 12). Scheidet eine Anordnung nach Nummer 1 aus, hält das Gericht zugleich aber eine Geldzahlungsauflage im Genugtuungsinteresse für angebracht, so ist den gemeinnützigen Einrichtungen in der Regel der Vorrang vor der Staatskasse zu geben (vgl. BTDrucks. V/4094 S. 12). b) Zahlungsempfänger. Die Staatskasse war in § 24 Abs. 1 Nr. 5 i.d.F. des 3. StRÄndG 2 5 nicht als Empfänger genannt; auch in § 41 AE ist eine Auflage zur Zahlung an sie nicht vorgesehen. Die geltende Fassung, die schon in § 24 Abs. 2 Nr. 2 des 1. StrRG vorgesehen war, schließt sich an § 74 Abs. 2 Nr. 3 E 1962 an. Sie war notwendig geworden, weil die Rechtsprechung den Staat nicht als gemeinnützige Einrichtung im Sinne von § 24 Abs. 1 Nr. 5 StGB a.F. betrachtet hatte (OLG Hamm MDR 1954 245; OLG Köln NJW 1967 455). Die Begründung des E 1962 führt aus (S. 200): Es sei schon aus inneren Gründen nicht gerechtfertigt, dem Staat als Träger aller Aufwendungen für die Strafrechtspflege die Mittel vorzuenthalten, die aus der Tätigkeit der Strafgerichte einkämen; die sachgemäße Verwendung und die Kontrolle der Leistungen an die gemeinnützigen Einrichtungen sei auch nicht immer gewährleistet. Der erste Bericht weist darauf hin (S. 12), dass es oft der Tat adäquate gemeinnützige Einrichtungen nicht gebe. Den im Schrifttum geäußerten Bedenken, die Geldauflage zugunsten der Staatskasse komme einer verkappten Geldstrafe bedenklich nahe, ohne an deren Grenzen (§§ 40, 46) gebunden zu sein, 13 tritt die Begründung des E 1962 damit entgegen, die Verwandtschaft zwischen Geldstrafe und Geldauflage sei nur scheinbar. c) Sonderfälle. Die Zahlung einer neben der ausgesetzten Freiheitsstrafe verhängten 2 6 Geld- oder Wertersatzstrafe kann dem Verurteilten nicht gemäß § 56b aufgegeben werden. Dasselbe hat für den Verfall des Wertersatzes (§ 73a) zu gelten. Alle diese Rechtsfolgen, die besonders geregelt sind, fallen nicht unter den Begriff „Geldbetrag" im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4. Der Sicherung der Geldstrafe dient § 43, sie kann deshalb nicht noch zusätzlich die Widerrufsmöglichkeit des § 56f auslösen. Beim Wertersatz des § 74c steht der stark fiskalische Einschlag seiner Unterstellung unter die Widerrufsmöglichkeit entgegen (OLG Köln NJW 1957 1120). Mangels ausreichender Rechtsgrundlage ist es unzulässig anzuordnen, einen gemäß Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 bestimmten Geldbetrag durch
13
Bruns GA 1956 193, 210; Baumann GA 1958 193, 198 für jede „Spendenauflage".
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§ 56b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
freie Arbeit zu tilgen (aA OLG Celle NStZ 1990 148 mit abl. Anm. Arloth). Art. 293 EGStGB betrifft nur die Möglichkeit, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden. In Betracht kommt aber eine Anordnung nach Nummer 3. ΙΠ. Absehen von Auflagen (§ 56b Abs. 3) 27
1. Voraussetzungen. § 56b Abs. 3 enthält eine alle Auflagen (Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4) betreffende Sonderregelung für den Fall, dass sich der Verurteilte zu angemessenen Leistungen erbietet und die Erfüllung des Anerbietens zu erwarten ist. Anerbieten ist die Erklärung, von sich aus - d.h. ohne gerichtliche Anordnung - bestimmte Leistungen zu erbringen. Es muss sich auf „angemessene Leistungen" beziehen, die - insofern auflagengleich - „der Genugtuung für begangenes Unrecht dienen". Unter diesen Begriff fallen unbedenklich Leistungen, die auch Gegenstand einer gerichtlichen Anordnung nach § 56b Abs. 2 Satz 1 sein könnten. Darin erschöpft sich der Begriff jedoch nicht. Er umfasst auch angemessene Leistungen, die im gesetzlichen Auflagenkatalog nicht enthalten sind. Man denke etwa an das Anerbieten, dem Verletzten einen geeigneten Arbeitsplatz zu beschaffen.14 Die angebotene Leistung kann auch ein Opfer sein, dessen Auferlegung unzumutbar, unverhältnismäßig oder ein Verstoß gegen Grundrechte wäre und aus diesen Gründen nicht nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 verlangt werden dürfte. Dass ihre Annahme nach Absatz 3 zulässig ist, beruht auf ihrer Freiwilligkeit. Anerbieten zu verbotenen, sittenwidrigen oder die Menschenwürde des Verurteilten verletzenden Handlungen darf das Gericht nicht entgegennehmen. Es ist auch nur gehalten, ein zulässiges Anerbieten anzunehmen, wenn dessen Erfüllung zu erwarten ist.
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2. Die Entscheidung des Gerichts. Ist die angebotene Leistung unzulässig, reicht sie zur Genugtuung nicht aus oder ist die Erfüllung des Anerbietens nicht zu erwarten, so kann das Gericht eine Auflage festsetzen. Liegen die Voraussetzungen des § 56b Abs. 3 dagegen vor, so darf es von der gesetzlichen Regel nur aus besonderen Gründen abweichen.15 Dies kann - insbesondere nach der Einführung des Absatzes 2 Satz 2 durch das VerbrBekG - der Fall sein, wenn der Täter die Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung anbietet, das Gericht aber eine Auflage zur Schadenswiedergutmachung für erforderlich hält. Dass das Gericht zu einer derartigen Entscheidung befugt ist, folgt aus dem Wortlaut des Absatzes 3. Nimmt es das Angebot des Verurteilten an, so sieht es vorläufig von Auflagen ab. Es setzt ihm eine angemessene Frist, innerhalb derer er die versprochene Leistung zu erbringen hat. Wird die Erwartung enttäuscht, so berechtigt dies jedoch nicht zum Widerruf der gewährten Strafaussetzung gemäß § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3. Das Gericht kann vielmehr selbst eine Auflage nach Absatz 2 Satz 1 festsetzen, deren Nichterfüllung den Widerruf nach sich ziehen kann. IV. Verfahrensrechtliches
29
Zu den Einzelheiten der Beschlussfassung gemäß § 268a StPO - insbesondere auch zur Problematik des Verschlechterungsverbots und einer unterbliebenen Beschlussfassung - wird zunächst auf § 56a Rdn. 6-10 verwiesen. Ergänzend ist zu bemerken:
14
Sch/Schröder/Stree
15
Fischer Rdn. 9; weitergehend im Sinne eines freien Ermessens: BayObLGSt 1 9 7 0 1 2 2 ,
50
Rdn. 2 7 ; Horn SK Rdn. 15.
1 2 5 ; aA Horn SK Rdn. 14 und
Sch/Schröder/
Stree Rdn. 2 8 , die einen Ermessensspielraum des Gerichts vollständig verneinen.
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Weisungen
S 56c
1. Hinweispflicht und Anhörung. Bei Erörterungen mit dem Ziel einer strafprozessualen Verständigung muss das Gericht zwar nicht jeglichen Inhalt eines möglichen Bewährungsbeschlusses zur Sprache bringen, wohl aber auf eine beabsichtigte Zahlungsauflage als Teil des Gesamtumfangs der Rechtsfolgenerwartung hinweisen, wenn diese für den Angeklagten im Einzelfall einschneidenden Charakter trägt (OLG Köln NStZ 1999 97, 98 f m. abl. Anm. Kaetzler wistra 1999 253). Im Übrigen ist der Angeklagte nach § 265a Satz 1 StPO in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit des Absatzes 3 hinzuweisen, wenn Auflagen in Betracht kommen. Ungeeignet können Fälle sein, in denen der Angeklagte seine Schuld leugnet.
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2. Inhalt des Beschlusses. In den Beschluss nach § 268a StPO gehört auch die Bestimmung von Fristen und Teilzahlungen; sie darf nicht der Vollstreckungsbehörde überlassen werden (OLG Köln N J W 1957 1120). Zum Begründungserfordernis siehe B G H NStZ 1987 519.
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3. Belehrungspflicht. Der Verurteilte ist über die Auflagen zu belehren (§ 268a Abs. 3 Satz 1 StPO). Das Fehlen der Belehrung macht die Auflagen nicht unwirksam. Doch kann es einem Widerruf der Strafaussetzung nach § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 entgegenstehen, wenn der Verurteilte über das Wesen der Strafaussetzung, seine Pflichten oder die Möglichkeit des Widerrufs im Unklaren war (OLG Celle N J W 1958 1009; OLG Düsseldorf StV 1985 464).
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4. Beschwerdeverfahren. Die Beschwerde gegen den Auflagenbeschluss kann nur auf Gesetzwidrigkeit der Anordnung gestützt werden (§ 305a Abs. 1 Satz 2 StPO). Der insoweit eingeschränkte Prüfungsgegenstand umfasst auch die Frage, ob das Gericht bei der Anordnung der Auflage die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens eingehalten hat (OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 126). Die Entscheidung ist daher gesetzwidrig, wenn das Gericht eine in Absatz 2 Satz 1 nicht vorgesehene, unverhältnismäßige oder unzumutbare Auflage festgesetzt (OLG Stuttgart Beschl. vom 2 4 . September 2 0 0 4 - 1 Ws 248/04; OLG Köln NStZ 1999 97, 98; KG Berlin NStZ-RR 2 0 0 6 137) oder wenn es die gesetzgeberische Wertung des Absatzes 2 Satz 2 zum Vorrang der Schadenswiedergutmachung nicht berücksichtigt hat (OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 330).
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5. Überwachung der Erfüllung. Überwacht wird die Erfüllung der Auflagen und Anerbieten nach § 453b Abs. 1 StPO durch das Gericht, nicht durch die Staatsanwaltschaft (BGHSt 10 288). Auch Fristen und Ratenzahlungen sind vom Gericht zu bestimmen (OLG Köln N J W 1957 1120; aA OLG Düsseldorf N J W 1958 1007).
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§ 56c Weisungen (1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. (2) Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen, 1. Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen, 2. sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden,
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§ 56c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
3 . mit bestimmten Personen oder mit Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen, 4 . bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder 5. Unterhaltspflichten nachzukommen. (3) Die Weisung, 1. sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder 2 . in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen, darf nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden. (4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist.
Schrifttum Albrecht/Arnold/Schädler Der hessische Modellversuch zur Anwendung der „elektronischen Fußfessel", ZRP 2000 466; Boetticher Neue Aufgaben für die Bewährungshilfe - zum Umgang mit Sexualstraftätern, BewH 2000 196; Dahs Im Banne der elektronischen Fußfessel, NJW 1999 3469; Demski Psychotherapeutische Behandlung als Bewährungsauflage, NJW 1958 2100; Feuerbelm Gemeinnützige Arbeit als strafrechtliche Sanktion, BewH 1998 323; Groß Die Einwilligung des Verurteilten zu Weisungen und zur Reststrafaussetzung, Festschrift Rieß (2002) 691; Haverkamp Das Projekt „Elektronische Fußfessel" in Frankfurt am Main, BewH 2003 164; Hirschmann Die Indikation zur Psychotherapie bei Rechtsbrechern aus der Sicht des Psychiaters, NJW 1961 245; Jäger Sicherheit durch Therapie - Alibifunktion der Strafgesetzgebung? ZRP 2001 28; Lutz Handy-Verbot für organisierte Straftäter? NStZ 2000 127; Mrozynski Zur Problematik strafrechtlicher Weisungen, JR 1983 397; ders. Offene Fragen der gemeinnützigen Arbeit Straffälliger, JR 1987 272; Ostendorf Die „elektronische Fußfessel" - Wunderwaffe im „Kampf" gegen die Kriminalität? ZRP 1997 473; Redhardt Strafaussetzung zur Bewährung und ärztliche Behandlung als Bewährungsauflage, MschrKrim. 1958 164; Schädler/Wulf Thesen zur Erprobung der elektronischen Überwachung als Weisung und elektronischer Hausarrest, BewH 1999 3; Schlömer Die Anwendbarkeit des elektronisch überwachten Hausarrests nach geltendem Recht, BewH 1999 31; Schneider Die Verbesserung des Schutzes der Gesellschaft vor gefährlichen Sexualstraftätern, J Z 1998 436; Schöch Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998, NJW 1998 1257; Weichert Der elektronische Hausarrest aus der Sicht des Datenschutzes, StV 2000 335; Zöbeley „Negative" Berufsfreiheit und Zwangsarbeitsverbot bei Strafaussetzung zur Bewährung, Festschrift Faller (1984) 345.
Entstehungsgeschichte § 5 6 c Abs. 3 Nr. 1 ist durch das SexualdelikteBekG vom 2 6 . 1 . 1 9 9 8 um den Zusatz „die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist" ergänzt worden. Im Übrigen entspricht die Vorschrift der seit 1.1.1975 geltenden Fassung des 2 . StrRG, die identisch ist mit § 2 4 b in der Fassung des 1. StrRG, gültig vom 1.4.1970 bis 31.12.1974. Bis zum 31.3.1970 war § 2 4 in der Fassung des 3. StRÄndG vom 4 . 8 . 1 9 5 3 in Geltung. Sein im Hinblick auf § 56c allein interessierender Wortlaut der Absätze 1 bis 3 ist vor den Erläuterungen zu § 5 6 b abgedruckt.
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§ 56c
Weisungen
Ubersicht Rdn. I. Sinn und Zweck der Weisungen (S 56c Abs. 1) 1. Der Weisungsbegriff a) Inhalt (Satz 1) b) Begrenzung durch die Unzumutbarkeitsklausel (Satz 2) 2. Kein abschließender Weisungskatalog . Π. Der Kataloe der Weisungen (S 56c Abs. 2 und 3) 1. Einwilligungsunabhängige Weisungen (Absatz 2) a) Anordnungen zur Regelung persönlicher Angelegenheiten (Nr. 1) . . . b) Meldepflicht (Nr. 2) c) Verkehrsbeschränkungen (Nr. 3) . . d) Besitzverbote (Nr. 4) e) Erfüllung von Unterhaltspflichten (Nr. 5) 2. Einwilligungsbedürftige Weisungen (Absatz 3) a) Einwilligungserfordernis
Rdn. b) Heilbehandlung mit körperlichem Eingriff oder Entziehungskur (Nr. 1) c) Heim- oder Anstaltsaufenthalt (Nr. 2)
1 jj 2 3 5
6 10 11 12 13
14
[. Sonstige Weisungen
Γ '. Absehen von Weisungen (§ 56c Abs. 4) Weitere Beschränkungen der Weisungsmöglichkeiten 1. Grundrechte a) Allgemeiner Gemeinschaftsvorbehalt b) Spezieller Gesetzesvorbehalt . . . . c) Allgemeiner Gesetzesvorbehalt . . . d) Wesensgehalt eines Grundrechtes e) Zustimmung des Verurteilten . . . 2. Abschließende anderweitige Regelung a) Maßregeln der Besserung und Sicherung b) Andere gesetzliche Regelungen . . . VI. Verfahrensrechtliches
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I. Sinn und Z w e c k der Weisungen (§ 5 6 c Abs. 1) 1. Der Weisungsbegriff a) Inhalt (Satz 1). Weisungen sind richterliche Gebote und Verbote, die dem Zweck 1 dienen, dem Verurteilten bei seinem Bemühen zu helfen, keine Straftaten mehr zu begehen (OLG Koblenz NStZ 1987 24 mit Anm. Meyer). Durch die getrennte Regelung von Auflagen und Weisungen in zwei verschiedenen Vorschriften (§ 56b und § 56c) wird auch die verschiedenartige Zielrichtung dieser Rechtsinstrumente hervorgehoben. Während die Auflagen der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen (§ 56b Abs. 1 Satz 1), bezwecken die Weisungen eine Resozialisierung des Täters; sie sollen dem Verurteilten beim Erreichen des Bewährungsziels helfen. Deshalb werden sie nur erteilt, wenn der Verurteilte einer solchen Hilfe bedarf. Für diesen Fall sind sie nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt, sondern müssen erteilt werden. Sozial eingeordnete Täter, deren Tat einer einmaligen Situation, insbesondere einer Konfliktslage, entsprungen ist, bedürfen keiner Weisung. Es ist nicht zu verkennen, dass auch Auflagen - neben dem Genugtuungszweck - der Resozialisierung dienen können. Doch sollten die im Katalog des § 56b aufgeführten Maßnahmen stets als Auflagen (nicht als Weisungen) erteilt und als solche bezeichnet werden. b) Begrenzung durch die Unzumutbarkeitsklausel (Satz 2). Allgemein zur Bedeutung 2 der Unzumutbarkeit als Regulativ zur Pflichtbegrenzung im Einzelfall siehe § 56b Rdn. 3. Ein Verstoß gegen Abs. 1 Satz 2 liegt vor, wenn die Weisung einen unverhältnismäßig einschneidenden Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten enthält (BGHR Tatopfer 2). Die Unzumutbarkeit kann sich ergeben aus der Art der Weisung, wenn sie z.B. keine Beziehung zu der vom Verurteilten ausgehenden Gefahr hat, oder aus ihrem Umfang. 2. Kein abschließender Weisungskatalog. Der Katalog in Absatz 2 ist - im Gegensatz 3 zu § 56b Abs. 2 Satz 1 - nicht abschließend zu verstehen („namentlich"). Die General-
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§ 56c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
klausel soll den Gerichten ermöglichen, auch andere, in Absatz 2 nicht genannte Anordnungen zu treffen, wenn der Einzelfall dies angezeigt erscheinen lässt (Einzelheiten s. Rdn. 18 ff). Das Gericht soll die Weisungen der Vielgestaltigkeit des Lebens anpassen können, wobei die Anforderungen aber stets der Erfüllung des in Absatz 1 genannten Zwecks dienen, also zur Erziehung und Resozialisierung des Verurteilten beitragen müssen. 4
Gegen die beispielhafte Aufzählung in Absatz 2 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken;1 die Bestimmbarkeit im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG ergibt sich in ausreichendem Maße aus dem allein präventiven Zweck, dem die Weisungen dienen müssen. Anordnungen, die diesem Zweck auch nicht mittelbar dienen, sind als Weisungen unzulässig.2 Die mit einer Weisung verfolgte Zielsetzung, den Täter zu einem geordneten Leben anzuhalten, darf nicht Selbstzweck sein, sondern muss der Beseitigung von Schwierigkeiten dienen, die den Verurteilten in die Gefahr erneuter Straffälligkeit bringen können (Fischer 5 5 Rdn. la). Dem Erfordernis ausreichender Bestimmbarkeit wird ferner dadurch Rechnung getragen, dass die Weisungen der konkreten Gefahr begegnen sollen, die von dem Verurteilten ausgeht. Einem Schläger, der nicht zu Vermögensdelikten neigt, kann daher nicht aufgegeben werden, eine feste Arbeit anzunehmen; einem Täter, der ausschließlich auf sexuellem Gebiet strafrechtlich aufgefallen ist, darf nicht verboten werden, Gegenstände zu besitzen, die sich als Diebeswerkzeuge eignen. Ein Verurteilter bedarf einer Weisung überhaupt nicht, wenn seine Straftat Ausfluss einer Ausnahmesituation war, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wiederholen wird (BayObLG NJW 1980 2424, 2425; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4). Zur Bestimmbarkeit im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG trägt außerdem bei, dass die im Gesetz aufgezählten Beispiele dem Gericht Hinweise bei der Auswahl solcher Anordnungen geben können, die im Katalog nicht aufgeführt sind.
Π. Der Katalog der Weisungen (§ 56c Abs. 2 und 3) 5
Das Gesetz unterscheidet zwischen Weisungen, deren Zulässigkeit sich im Wesentlichen nach Art, Maß und Zweck richtet (§ 56c Abs. 2), und solchen, bei denen zusätzlich die Einwilligung des Verurteilten erforderlich ist (§ 56c Abs. 3). Die Unterscheidung bedeutet nicht, dass die Einwilligung nur bei Anordnungen nach Absatz 3 erheblich wäre. Sie kann auch bei Maßnahmen nach Absatz 2 wenigstens im Einzelfall dazu führen, dass Bedenken gegen sie - z.B. unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit - nicht zu erheben sind. 1. Einwilligungsunabhängige Weisungen (Absatz 2)
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a) Anordnungen zur Regelung persönlicher Angelegenheiten (Nr. 1). Hinsichtlich aufenthaltsbezogener Weisungen ermächtigt Absatz 2 Nr. 1 zu einer Einschränkung der Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Freizügigkeit
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Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz S. 146 f; s.a. Sonderausschuss Prot. 723 f; aA Bruns GA 1 9 5 9 193, 2 0 6 ff; Bruns N J W 1959 1393, 1395; auch der AE (Begr. zu § 4 2 ) hält aus rechtsstaatlichen Gründen einen abschließenden Katalog für erforderlich.
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BGHSt 9 365; OLG Hamm NJW 1956 1887; OLG Köln NJW 1 9 5 7 1120; OLG Saarbrücken NJW 1958 7 2 2 ; BayObLG NJW 1980 2 4 2 4 , 2 4 2 5 ; OLG München NStZ 1985 411, 412.
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Weisungen
§ 56c
(vgl. Art. 11 Abs. 2 GG), sofern die Anordnung im Einzelfall keine unzumutbare Belastung enthält und nicht ungeeignet ist, zum Resozialisierungsziel beizutragen. Daher begegnet die an einen Ausländer gerichtete Weisung, seinen Wohnsitz außerhalb des Aufenthaltsortes seiner Familie zu nehmen, im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 G G keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn hierdurch weitere Bedrohungen und Beleidigungen der Ehefrau erschwert werden sollen (BVerfG Beschl. vom 3.7.2001 - 2 BvR 1022/01). Gleiches gilt für die zwecks Hinwirkung auf eine künftige straffreie Führung erteilte Weisung, den Wohnsitz im Inland zu begründen und ihn nur mit Zustimmung des Bewährungshelfers zu wechseln (BVerfG NStE Nr. 1 zu § 56d; vgl. ferner OLG Hamm NStZ 1985 310, 311). Ein 23jähriger lediger Verurteilter darf angewiesen werden, zunächst in sein Elternhaus zurückzukehren (OLG Bremen GA 1957 415; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8). Nach ihrem Zweck gesetzwidrig ist eine Anordnung, der Verurteilte habe die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und dürfe sie während der Bewährungszeit nicht mehr betreten, denn hierdurch kann die in § 56c gemeinte Hilfe nicht erreicht werden (OLG Koblenz NStZ 1987 24 mit Anm. Meyer). Absatz 2 Nr. 1 umfasst ferner Aufenthaltsverbote für Orte, die Ausgangspunkt von Straftaten sein können, z.B. bestimmte Lokale, Spielcasinos oder Diskotheken; unter Umständen kann ein nächtliches Ausgehverbot in Betracht kommen. Einem Ladendieb in einer Großstadt kann aus Zumutbarkeitserwägungen nicht allgemein verboten werden, Warenhäuser oder Selbstbedienungsläden zu betreten, weil er dadurch fast jede Einkaufsmöglichkeit verliert. Zulässig ist aber das Verbot, sich während eines Schlussverkaufs in ein Warenhaus zu begeben. Aufenthaltsbeschränkende Weisungen kommen ferner auch für organisierte Täter in Betracht (vgl. hierzu Lutz NStZ 2 0 0 0 127, 129 f). Um eine Weisung nach Absatz 2 Nr. 1 handelt es sich bei der - auch unter den negativ besetzten Schlagworten „elektronischer Hausarrest" oder gar „elektronische Fußfessel" abgehandelten 3 - „elektronischen Aufenthaltsüberwachung", die seit dem 2. Mai 2000 in einem durch das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht (Freiburg) begleiteten Modellversuch in Frankfurt a.M. erprobt wird (hierzu Haverkamp BewH 2 0 0 3 164 ff; Albrecht/Arnold/Schädler ZRP 2 0 0 0 4 6 6 ff). Bei dieser Form der Bewährungsgestaltung wird der Verurteilte auf der Basis eines zuvor ausgehandelten „Wochenplans" angewiesen, seinen Wohnbereich nur zu festgelegten Zeiten für bestimmte Zwecke (Arbeit, Therapie, erlaubte Freizeitaktivitäten) zu verlassen, wobei die Anwesenheit in der Wohnung mittels technischer Gerätschaften überprüft werden kann. Dies erfolgt durch einen am Körper angebrachten Sender, der über ein ans Telefon angeschlossenes Empfangsgerät Signale an einen Zentralrechner übermittelt. Der Rechner registriert anhand eines Vergleichs mit den eingespeisten Daten des „Wochenplans" Abweichungen und leitet diese Informationen an den in der Projektgruppe zuständigen Sozialarbeiter weiter, so dass sofort reagiert werden kann. Die elektronische Aufenthaltsüberwachung kommt aufgrund ihrer Kontrolldichte zwar unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten nur als „ultima ratio" und nur für einen begrenzten Zeitraum in Betracht (der Modellversuch geht von maximal sechs Monaten aus, vgl. Haverkamp BewH 2003 164, 174). Sie kann indes bei geeignet erscheinenden Probanden mit einem verbliebenen Mindestmaß an sozialer Einbindung durch das wirksam begleitete Training einer regelmäßigen und sinnvollen Lebensgestaltung die ansonsten negative Sozialprognose unter Umständen deutlich verbessern. Richtigerweise handelt es sich nicht um eine freiheitsent-
3
Zu der teilweise polarisierend geführten Debatte um den „elektronischen Hausarrest" vgl. Streng ZStW 111 (1999) 827, 848 ff; Wei-
chert StV 2 0 0 0 335 ff; Ostendorf ZRP 1997 4 7 3 ff; Dahs NJW 1 9 9 9 3 4 6 9 f; Schädler/Wulf BewH 1999 3 ff; Schlömer BewH 1 9 9 9 31 ff.
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S 56c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ziehende, sondern um eine freiheitsbeschränkende Maßnahme (vgl. Haverkamp BewH 2003 164, 169 f), deren Durchführung zwar nicht aus Rechtsgründen (so auch Groß MK Rdn. 36; aA offenbar LG Frankfurt NJW 2001 697; Schlömer BewH 1999 31, 38), wohl aber aus praktischen Erwägungen zur Resozialisierungseignung regelmäßig der Einwilligung des Verurteilten und der in seinem Hausstand lebenden Personen bedarf. 7
Im Bereich Ausbildung und Arbeit stellt das Interesse der Allgemeinheit an der Verhinderung künftiger Straftaten ein überragendes Gemeinschaftsgut dar, das bei strikter Beachtung der Verhältnismäßigkeit gesetzliche Einschränkungen des Grundrechts auf freie Berufswahl durch § 56c zu rechtfertigen vermag. Zwar darf der Verurteilte nicht zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden. Zulässig ist indes die Anordnung, sich um einen nach Neigung und Fähigkeiten geeigneten Ausbildungsplatz oder um eine mit festen Einkünften verbundene Arbeitsstelle zu bemühen (OLG Jena NStZ-RR 2004 138 f; OLG Hamm NStZ 1985 310, 311; BVerfG NStE Nr. 1 zu § 56d), 4 die Arbeitsstelle nicht ohne vorherige Rücksprache mit dem Bewährungshelfer zu wechseln (OLG Hamm NStZ 1985 310, 311) oder bestimmte Fortbildungskurse zu besuchen, so z.B. an einem Aufbauseminar teilzunehmen und sich einer verkehrspsychologischen Beratung zu unterziehen (OLG Jena NStZ-RR 2004 138, 139). Zu den im Zusammenhang mit der Anordnung, auf eigene Kosten eine Fahrerlaubnis zu erwerben, auftauchenden Fragen vgl. Seiler DAR 1974 260 (dazu auch Händel DAR 1977 309). Einschränkungen der Berufsausübung im Resozialisierungsinteresse sind unproblematisch, soweit sie keinen zu weitreichenden Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten darstellen. Dies gilt beispielsweise für die Anordnung, eine Nebentätigkeit oder ein - ohnehin regelmäßig nicht dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG unterliegendes - Ehrenamt (Schiedsrichteramt beim Fußball, Leitung einer Jugendturnriege oder einer Jugendmusikkapelle) zwecks Vermeidung kriminogener Anreize aufzugeben. Zu den Zumutbarkeitsgrenzen bei Einschränkungen der Berufsausübung durch verkehrsbeschränkende Weisungen vgl. Rdn. 11. Weisungen, die den Verurteilten zu einem vorübergehenden Berufswechsel zwingen oder einem zeitlich begrenzten Berufsverbot gleichkommen, sind zwar nicht grundsätzlich unzulässig.5 Sie müssen aber sowohl zum Schutz der Allgemeinheit als auch im Interesse einer ungefährdeten Resozialisierung zwingend erforderlich und im Einzelfall zumutbar sein, was der Fall ist, wenn nur durch die Weisung die Voraussetzungen einer Strafaussetzung zur Bewährung sichergestellt werden können (OLG Nürnberg OLGSt Nr. 30 zu § 57 StGB; OLG Nürnberg Beschl. vom 25.9.2001 - Ws 935/01; OLG Zweibrücken NJW 2004 1190 f).
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Zu den die Freizeit betreffenden Anordnungen zählen Tätigkeiten im Rahmen der Nachbarschaftshilfe, die Übernahme einer ehrenamtlichen sozialen Tätigkeit oder die Ableistung von Hilfsdiensten gemeinnütziger Art, sofern diesbezügliche Anordnungen geeignet sind, zu einer straffreien Lebensführung des Verurteilten beizutragen. Unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten unbedenklich ist auch die Weisung, sich jeglichen Alkoholgenusses zu enthalten und die Treffen der Anonymen Alkoholiker zu besuchen (OLG Düsseldorf NStZ 1984 332) bzw. jeden Kontakt zu Betäubungsmitteln zu unterlassen (KG Berlin Beschl. vom 23.8.1999 - 5 Ws 472/99; LG Heidelberg Beschl. vom 25.7.2006 1 Qs 25/06), wenn die Neigung zum Rauschmittelkonsum bei dem Verurteilten bislang
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Vgl. ferner BVerfG NJW 1983 4 4 2 ; OLG Bremen N J W 1955 1606; OLG Celle NdsRpfl. 1 9 5 7 136. BGHSt 9 258, 2 6 0 ; vgl. OLG Hamburg NJW
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1972 168; OLG Hamm JMB1NW 1969 2 8 5 ; Gribbohm L K n Rdn. 2 4 ; aA Ruß LK 1 0 Rdn. 10.
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§ 56c
stets einen kriminogenen Faktor bildete. Zur Anordnung der Abgabe von Urinproben zwecks Nachweises der Drogenfreiheit vgl. Rdn. 20. Zur Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse gehören beispielsweise die Aufstellung eines Schuldentilgungsplanes und die Einschränkung nicht lebensnotwendiger Ausgaben. Einem Verurteilten, dessen Tat auf unwirtschaftliche Erwerbstätigkeit zurückzuführen ist, kann aufgegeben werden, in gewissen Abständen über seine Einnahmen und Ausgaben gegenüber dem Bewährungshelfer abzurechnen, wobei eine Pflicht zur täglichen Abrechnung allerdings unzumutbar sein dürfte. Um den Verurteilten von der Begehung weiterer Vermögensdelikte abzuhalten, kann ihm zur Konsolidierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse aufgegeben werden, den nur privat genutzten eigenen Wagen für eine gewisse Zeit abzumelden. b) Meldepflicht (Nr. 2). Sie dient vorwiegend der Überwachung und kommt vor allem für Verurteilte in Betracht, die häufig ihre Wohnung (mit Arbeitsplatz) wechseln oder sich nicht in ihrer Wohnung aufzuhalten pflegen. Die „andere Stelle" braucht keine staatliche zu sein (Fischer Rdn. 7; aA Sch/Schröder/Stree Rdn. 19), in Betracht kommt z.B. der Bewährungshelfer oder eine auch vom Verurteilten akzeptierte Vertrauensperson. Die Abstände zwischen den einzelnen Meldungen dürfen nicht zu kurz sein und müssen hinsichtlich der Tageszeit auf den Beruf und die sonstigen Verpflichtungen des Verurteilten Rücksicht nehmen. Zur Zulässigkeit der Begründung einer bloßen Anzeigepflicht für den Fall des Wohnsitzwechsels vgl. Rdn. 21.
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c) Verkehrsbeschränkungen (Nr. 3). Sie beziehen sich zum einen auf Personen, die 11 selbst zu Straftaten neigen und den Verurteilten in sie hineinziehen könnten; in diesem Fall wird häufig eine Kombination mit aufenthaltsbezogenen Weisungen nach Nummer 1 angezeigt sein. Zum anderen erfasst die Nummer 3 auch Kontakteinschränkungen im Hinblick auf mögliche Tatopfer. Das Verbot, fremde Kinder oder Jugendliche anzusprechen (OLG Hamburg JR 1965 265 m. Anm. Heinitz) oder in die eigene Wohnung mitzunehmen (BGHR Tatopfer 2), gehört in diesen Zusammenhang. Bei der Ausgestaltung der Weisung ist der vom Kontaktverbot erfasste Kreis von Personen oder Organisationen hinreichend bestimmt zu bezeichnen (OLG Jena NStZ 2006 39, 40: Die Formulierung „Personen aus der rechten Szene/Neonaziszene" reicht nicht). In den Grenzen der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit kommen auch Weisungen in Betracht, die den Verurteilten in seiner Berufsausübung einschränken. So kann einem Friseur aufgegeben werden, Kinder nur zu bestimmten Geschäftsstunden zu bedienen, in denen er erfahrungsgemäß mit ihnen nicht unbeobachtet allein sein wird (Bruns GA 1956 193, 210). Ein Verurteilter, der anlässlich seiner Tätigkeit als Tanztrainer ein dreizehnjähriges Mädchen missbraucht hat, darf angewiesen werden, während der Bewährungszeit Mädchen unter vierzehn Jahren keinen Tanzunterricht mehr zu erteilen (KG Berlin Beschl. vom 21.6.2001 - 5 Ws 284/01). Das Verbot jeglicher - mithin auch öffentlich beobachteter - Zusammenarbeit mit Kindern (vgl. BGHR Tatopfer 2 für den Fall eines „Kinderclowns") wird indes häufig weder im Resozialisierungsinteresse notwendig noch zumutbar sein. d) Besitzverbote (Nr. 4). Bei den Gegenständen der Nr. 4 kann es sich, je nach der vom Verurteilten ausgehenden Gefahr, z.B. um Diebeswerkzeuge, Waffen, zur Abtreibung geeignete Instrumente, Jagd- oder Fischereigeräte, Fälscherwerkzeuge oder Utensilien zum Abwiegen von Rauschmitteln handeln. Die Vorschrift ermöglicht in geeigneten Fällen auch die Anordnung, ein Moped oder Motorrad vorübergehend der Polizei in Verwahrung zu geben (Sch/Schröder/Stree Rdn. 21). Nicht von vornherein unzulässig ist ferner eine Weisung, den Führerschein für eine bestimmte Zeit zu den Akten zu geben oder Jutta Hubrach
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dem Bewährungshelfer abzuliefern (vgl. hierzu Rdn. 32). Ob sich ein „Handy-Verbot" als geeignete Weisung zur Verhinderung von Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität anbietet (so Lutz NStZ 2000 127, 128), dürfte angesichts der lückenhaften Kontrollmöglichkeiten und der bei den meisten Verurteilten aus diesem Täterkreis schwierigen Prognosesituation eher zweifelhaft sein. 13
e) Erfüllung von Unterhaltspflichten (Nr. 5). Weisungen dieser Art kommen vor allem bei Verurteilungen nach § 170 (OLG Bremen J R 1961 226; OLG Celle NJW 1971 718), aber auch in sonstigen Fällen in Betracht, die wegen ungeordneter wirtschaftlicher Verhältnisse des Verurteilten eine Verletzung bestehender Unterhaltspflichten befürchten lassen. Die auferlegten Leistungen dürfen die zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung nicht überschreiten (OLG Schleswig NStZ 1985 269). Ihre Anordnung wird häufig eine solche nach Nr. 1 ergänzen, wenn es darum geht, die Zahlung rückständiger Unterhaltsbeträge durch Aufstellung eines Tilgungsplanes in die Wege zu leiten. Zulässig ist auch die Weisung, unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen bestimmte Teile der Lohnforderung an den Unterhaltsberechtigten abzutreten. 2. Einwilligungsbedürftige Weisungen (Absatz 3)
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a) Einwilligungserfordernis. Von der Einwilligung des Verurteilten macht Absatz 3 Weisungen abhängig, die besonders schwer in dessen Lebensführung eingreifen. Während die Regelung vor dem 31.1.1998 noch sämtliche Heilbehandlungen umfasste, hat der Gesetzgeber durch das SexualdelikteBekG vom 26.1.1998 die - gerade im Bereich der Ahndung von Sexualdelikten häufig angezeigten - Heilbehandlungen ohne körperlichen Eingriff ausdrücklich vom Einwilligungserfordernis ausgenommen, um zu gewährleisten, dass sich der Verurteilte derartigen für sinnvoll erachteten Therapiemaßnahmen nicht mehr ohne weiteres verweigern kann (BTDrucks. 13/8586 S. 22; vgl. KG Berlin Beschl. vom 29.3.2001 - 5 Ws 159/01 ). 6 Ihre Anordnung ist daher außerhalb des gesetzlich vorgesehenen Weisungskatalogs ohne Mitwirkung des Verurteilten zulässig (im Einzelnen s. Rdn. 19), während es der Einwilligung des Verurteilten nur noch bei Heilbehandlungen mit körperlichem Eingriff sowie bei Entziehungskuren und Heim- oder Anstaltsaufenthalten bedarf.
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Die Einwilligung muss im Zeitpunkt der Weisung vorliegen. Ihre Erteilung führt nicht zum Verzicht auf eine an sich gebotene Maßregelanordnung gemäß § 63 oder § 64, sondern ermöglicht im Anwendungsbereich des § 56c Abs. 3 Nr. 2 eine Unterbringungsweisung außerhalb der für die Maßregeln geltenden Voraussetzungen und Verfahrensvorschriften (Horn SK 8 Rdn. 13; Fischer Rdn. 13; einschränkend Sch/Schröder/Stree Rdn. 25). Rechtsstaatliche Erfordernisse verlangen jedoch, dass ein Verurteilter außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 63, 64 nur so lange einer Heilbehandlung unterworfen wird, wie er damit einverstanden ist. Widerruft er daher die einmal erteilte Einwilligung durch ausdrückliche Erklärung und/oder einen eigenmächtigen Behandlungsabbruch, so wird die Weisung zwar nicht nachträglich unrechtmäßig; sie kann aber auch nicht zwangsweise durchgesetzt werden (BGHSt 36 97, 99; OLG Hamburg NStZ 1992 301). Kommt in diesem Fall ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nicht in Betracht (vgl. hierzu § 56f Rdn. 21), so kann das Ge-
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Kritisch hierzu Jäger ZRP 2 0 0 1 28 ff; Boetticher BewH 2 0 0 0 196 ff; befürwortend Schneider ]Z 1998 4 3 6 ff.
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rieht auf die insoweit veränderte Sachlage erforderlichenfalls nur durch nachträgliche Entscheidungen über Auflagen, Weisungen und Bewährungshilfe reagieren (BGHSt 36 97, 100; vgl. Sturm J Z 1970 86). b) Heilbehandlung mit körperlichem Eingriff oder Entziehungskur (Nr. 1). Die mit einem körperlichen Eingriff verbundene Heilbehandlung muss sich auf ein Leiden beziehen, das den Täter für Straftaten anfällig macht. Insoweit kommen nicht nur psychische, sondern auch körperliche Leiden in Betracht, z.B. wenn sie zur Erwerbsbehinderung führen und dadurch mittelbar einen Verbrechensanreiz bilden. Die Behandlung muss eine gewisse Aussicht dafür bieten, dass der Verurteilte bei Heilung für Straftaten weniger anfällig wird, sie muss erfolgversprechend sein. Denn nur eine in diesem Sinne erfolgreiche Behandlung dient dem Zweck des § 56c. Das Gericht muss deshalb auch prüfen, ob nach der Persönlichkeit des Verurteilten gerade der Umstand, dass er sich der Behandlung nur aus Furcht vor der Strafvollstreckung unterzieht, der Erfolgsaussicht entgegensteht.7 Die Anordnung der Heilbehandlung steht ferner unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit (Absatz 1 Satz 2). Die Zumutbarkeitsprüfung muss das Gericht trotz der vom Verurteilten erteilten Zustimmung vornehmen. Gefährliche Behandlungen sind unzumutbar, so regelmäßig eine Behandlung durch Elektroschock (Bruns GA 1956 193, 213; Fischer Rdn. 11). Ob eine Behandlung gefährlich ist, hängt vom Stand der medizinischen Wissenschaft ab. Wie das Gesetz ausdrücklich sagt, kann die Behandlung auch in einer Entziehungskur bestehen. Sie kann ambulant oder stationär durchgeführt werden. Wird sie nicht nur ambulant (Antabustabletten) durchgeführt, muss auch die Einwilligung zur Anstaltsunterbringung vorliegen.
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c) Für einen Heim- oder Anstaltsaufenthalt (Nr. 2) kommen in erster Linie Heil- und 17 Entziehungsanstalten in Betracht sowie Altenheime, z.B. bei Rentnern, die infolge altersbedingter Behinderungen ihre notwendigen Lebensbedürfnisse nicht befriedigen können und deshalb zu Straftaten neigen. Möglich ist auch die Weisung, für eine bestimmte Zeit in einem Schwesternheim Aufenthalt zu nehmen (Sch/Schröder/Stree Rdn. 29). ΙΠ. Sonstige Weisungen Außerhalb des gesetzlich vorgesehenen Weisungskatalogs sind auch sonstige Anordnungen grundsätzlich durch Absatz 1 Satz 1 gedeckt, sofern sie dem präventiven Zweck der Resozialisierung dienen und sich innerhalb der Zumutbarkeitsschranken halten.
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So kann das Gericht den Verurteilten namentlich anweisen, sich einer ambulanten Gesprächstherapie zu unterziehen, deren Durchführung zur Einwirkung auf ihn erforderlich und erfolgversprechend (vgl. hierzu Rdn. 16) erscheint. Die Anordnung bedarf nach der Neufassung des Absatzes 3 Nr. 1 nicht mehr der Einwilligung des Verurteilten, mag auch bei deren Fehlen die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Maßnahme besonders sorgfältig zu prüfen sein (vgl. hierzu Boetticher BewH 2000 196, 207). Da die Erarbeitung der psychischen Problematik und die hieran ausgerichtete Bestimmung von Art, Inhalt und Umfang der Behandlung regelmäßig erst im Verlauf der Therapie durch den fachkundigen Therapeuten zuverlässig beurteilt werden kann, muss das Gericht nicht schon
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Vgl. dazu Demski N J W 1958 2100; Redhardt MschrKrim. 1958 164; Hirschmann NJW 1961 245, 247.
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im Bewährungsbeschluss Detailanordnungen zur Behandlungseinrichtung sowie zur Art und Häufigkeit der wahrzunehmenden Termine treffen (aA OLG Frankfurt NStZ-RR 2003 199, 200). Die Weisung, „an einer Therapie zur Aufarbeitung der Sexualproblematik teilzunehmen" (OLG Hamm NStZ 2 0 0 0 373) oder eine bereits begonnene Gesprächstherapie fortzusetzen (KG Berlin Beschl. vom 29.3.2001 - 5 Ws 159/01), ist vielmehr schon aus sich heraus hinreichend bestimmt, da sie für den Verurteilten unmissverständlich erkennen lässt, was zur Vermeidung eines Widerrufs der Strafaussetzung zu tun ist, zumal er sich bei der Erfüllung der Weisung jederzeit der Hilfestellung seines Bewährungshelfers oder des zuständigen Gerichts bedienen kann. Die Verpflichtung des Verurteilten, „im Falle erneuter Alkoholauffälligkeit nach entsprechender Weisung seines Bewährungshelfers eine ambulante Therapie durchzuführen", findet allerdings in § 56c keine gesetzliche Grundlage, da sie dem Bewährungshelfer eine eigenständige, über seine gesetzliche Aufgabenstellung (§ 56d) hinausgehende Anordnungsbefugnis im Kern der grundsätzlich nur dem Richter zustehenden Weisungshoheit verleiht (OLG Zweibrücken BA 32 189, 190). Die Weisung, behandelnde Therapeuten von ihrer Schweigepflicht gegenüber dem Gericht zu entbinden, gefährdet den mit der Therapie verfolgten Zweck und stellt einen durch § 56c nicht gedeckten Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) dar (OLG Nürnberg NStZ-RR 1999 175; ebenso BVerfG MedR 2 0 0 6 586 für eine entsprechende Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht). 20
Bei suchtbedingter Straffälligkeit kommt die Anordnung einer Abgabe von Urinproben zum Nachweis der Drogenfreiheit als zulässige Weisung in Betracht, die verfassungsrechtlich unbedenklich ist, sofern mit ihr der Zweck verfolgt wird, auf die künftige Lebensführung des Verurteilten stabilisierend einzuwirken (BVerfG NStZ 1993 482 f; BVerfG NStE Nr. 5 zu § 56c; OLG Zweibrücken NStZ 1989 578 = J R 1990 121 mit Anm. Stree).8 Es verletzt nicht den Bestimmtheitsgrundsatz, dem Verurteilten diese Verpflichtung „nach jeweiliger Aufforderung durch den Bewährungshelfer" aufzuerlegen, da letzterer hierdurch kein eigenständiges Weisungsrecht erhält, sondern lediglich im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe die Einzelheiten der Mitwirkung des Verurteilten an den gerichtlich angeordneten Kontrollmaßnahmen festlegen soll (BVerfG NStE Nr. 5 zu § 56c).
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Die Anordnung einer Anzeigepflicht für den Fall des Wohnsitzwechsels ist nicht schon wegen der ihr innewohnenden Überwachungsfunktion als Weisung grundsätzlich ungeeignet und daher unzulässig (so aber OLG Köln NStZ 1994 509 f; OLG Köln Beschl. vom 28.3.2006 - 2 Ws 123/06). Sie kann sich vielmehr auch zur Stabilisierung eines Verurteilten eignen, dessen unstete Lebensführung bislang in besonderem Maße kriminalitätsbegünstigend gewirkt hat. Wird mit der Anzeigepflicht in diesem Sinne mehr erstrebt als eine bloße Überwachung des Verurteilten, so stehen ihrer Ausgestaltung als zulässige Weisung außerhalb des gesetzlich vorgesehenen Maßnahmenkatalogs keine Bedenken entgegen (ebenso OLG Celle NStZ 2004 627). Es besteht daher kein Anlass, in derart geeigneten Fällen auf die erheblich belastendere - und ebenfalls mit einer Überwachung des Verurteilten verbundene - Katalogweisung nach Absatz 2 Nr. 2 zurückzugreifen (so aber wohl Gribbohm LK 1 1 Rdn. 7), nachdem die allgemeine Anzeigepflicht bei einem Aufenthaltswechsel (§ 268a Abs. 2 Satz 2 StPO a.F.) in der Neufassung, die § 268a StPO durch das EGStGB erfahren hat, entfallen ist.
Vgl. ferner LG Heidelberg Beschl. v. 25.7. 2 0 0 6 - 1 Qs 2 5 / 0 6 (auch zur Kostenfrage).
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IV. Absehen von Weisungen (§ 5 6 c Abs. 4 ) § 56c Abs. 4 entspricht dem § 56b Abs. 3 (dort Rdn. 2 7 bis 28). Freiwillige Zusagen, die der Verurteilte nach Absatz 4 für seine Lebensführung macht, sind nicht an alle Schranken der Weisungen gebunden. So kann als Inhalt einer Zusage unter Umständen rechtmäßig sein, was als Weisung wegen Unzumutbarkeit der Anforderung gesetzwidrig wäre. Das Gericht hat Zusagen vor allem darauf zu prüfen, ob sie glaubhaft sind und es wahrscheinlich machen, dass der Verurteilte in Zukunft keine Straftaten begeht, so dass eine Einwirkung durch Weisungen auf ihn überflüssig ist. Zusagen, deren Erfüllung die Menschenwürde des Verurteilten verletzen würden oder für ihn gefährlich sind, darf das Gericht nicht entgegennehmen. Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 4 vor, so darf es von der gesetzlichen Regel nur abweichen, wenn besondere Gründe vorliegen. Ergänzende Weisungen sind möglich, wenn das Gericht sie für erforderlich hält (Fischer Rdn. 14). Die Nichteinhaltung der Zusagen durch den Verurteilten ist kein Widerrufsgrund nach § 56f, führt aber regelmäßig zu nachträglichen Weisungen.
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V. Weitere Beschränkungen der Weisungsmöglichkeiten Neben dem Weisungszweck (§ 56c Abs. 1 Satz 1), der Unzumutbarkeitsklausel (§ 56c Abs. 1 Satz 2) und dem Einwilligungserfordernis (§ 56c Abs. 3) können sich Einschränkungen für Weisungen aus den Grundrechten und der abschließenden anderweitigen Regelung einer bestimmten Materie ergeben. Systematisch ist ein Rückgriff auf solche Einschränkungen erst zu erwägen, wenn die in Betracht gezogene Anordnung nach der vorrangigen speziell strafrechtlichen Prüfung für zulässig zu erachten wäre. Mit dieser Maßgabe gilt folgendes:
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1. Grundrechte a) Allgemeiner Gemeinschaftsvorbehalt. Die in Art. 2 Abs. 1 GG aufgestellten Grenzen, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht die Rechte anderer verletzen und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen darf, gelten für alle Grundrechte. 9 Gegen Grundrechte, die nur unter diesem allgemeinen Gemeinschaftsvorbehalt stehen, dürfen Weisungen nicht verstoßen.
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Es ist deshalb nach Art. 1 Abs. 1 GG unzulässig, einem erwachsenen Verurteilten schulmäßige Strafarbeiten aufzuerlegen und von ihm beispielsweise mehrfaches Abschreiben einer Verkehrsnorm zu verlangen (Sch/Schröder/Stree Rdn. 8). Auch Weisungen, die einen mittelbaren Zwang in Angelegenheiten bedeuten, in denen die Menschenwürde völlig freie Entscheidung fordert, verstoßen gegen diese Grundrechtsbestimmung. Der Verurteilte kann daher nicht angewiesen werden, zu heiraten bzw. dies zu unterlassen (,Sch/Schröder/Stree Rdn. 8) oder die Trennung von seiner Familie zu beenden und zu ihr zurückzukehren. 10 Das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 GG) verbietet Weisungen, einer Religionsgemeinschaft beizutreten, aus ihr auszutreten (selbst wenn es sich um eine Sekte handelt) oder regelmäßig den Gottesdienst zu besuchen. Nicht zulässig ist es ferner, einen wegen Verstoßes gegen seine Zivildienstpflicht verur-
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GG Rdn. 20.
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Vorbem. vor Art. 1
Vgl. hierzu OLG Nürnberg N J W 1959 1451:
Unzumutbarkeit; Bruns NJW 1959 1393,
1396 und Sch/Schröder/Stree Rdn. 9: Verstoß
gegen § 888 Abs. 3 ZPO.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
teilten Überzeugungstäter, insbesondere aus dem Kreis der Zeugen Jehovas, anzuweisen, seiner Dienstpflicht nachzukommen. Eine solche Weisung würde nicht nur gegen den Zweck verstoßen, die künftige Begehung von Straftaten zu vermeiden, sie würde auch den für die Mehrfachbestrafung von Zivildienstverweigerern aus Gewissensgründen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 23 191) aufgestellten Grundsätzen widersprechen (BayObLG N J W 1980 2 4 2 4 , 2 4 2 5 ; OLG Hamm NStZ 1984 4 5 6 ; bedenklich deshalb OLG Hamburg N J W 1969 1780). Die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) lässt die Weisung nicht zu, einem Verein beizutreten oder aus ihm auszutreten. 26
b) Spezieller Gesetzesvorbehalt. Ein Grundrecht kann unter einem speziellen Gesetzesvorbehalt stehen, so dass der Gesetzgeber das Grundrecht nicht in jeder Beziehung, sondern nur aus bestimmten, im Grundgesetz selbst genannten Gründen einschränken kann. 11 Solche Grundrechte dürfen durch Weisungen nur soweit betroffen werden, wie der Gesetzesvorbehalt reicht. Art. 11 Abs. 2 GG sieht Einschränkungen der Freizügigkeit u.a. gerade zwecks Verhütung strafbarer Handlungen vor und deckt damit alle Weisungen, die eine Aufenthaltsbeschränkung zum Inhalt haben (vgl. hierzu Rdn. 6).
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c) Allgemeiner Gesetzesvorbehalt. Der Zusatz „in diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden", „das Nähere regelt ein Bundesgesetz" oder „kann durch Gesetz geregelt werden" ermächtigt den Gesetzgeber, das Grundrecht aus Gründen des allgemeinen Wohls einzuschränken. 12 Grundrechte mit einem solchen allgemeinen Gesetzesvorbehalt stehen den Weisungen grundsätzlich nicht entgegen. Dabei ist es unschädlich, dass § 56c nicht ausdrücklich auf das eingeschränkte Grundrecht verweist. Art. 19 Abs. 1 Satz 2 G G findet keine Anwendung auf nachkonstitutionelle Gesetze, die nur bereits geltende Grundrechtseinschränkungen unverändert oder mit gewissen Abweichungen wiederholen (BVerfGE 5 13; 15 288, 293). Art. 19 Abs. 1 Satz 2 betrifft auch nicht den Fall, dass ein nachkonstitutionelles Gesetz eine Grundrechtseinschränkung zwar neu festsetzt, aber gegenüber dem vorkonstitutionellen Rechtszustand nicht verschärft (BVerfGE 16 199 ff). 13 Das ist aber bei § 56c, und zwar auch für dessen Generalklausel mit Rücksicht auf § 42h StGB a.F. der Fall (Bruns GA 1959 193, 213). 1 4 Dass dieser Gedanke auch dem 1. StrRG zu Grunde lag, ergibt sich aus dessen Artikel 101. 15 Zu Recht werden daher Weisungen, die im Resozialisierungsinteresse die Berufsausübung beschränken, in der Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig gehalten (näher hierzu Rdn. 7).
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d) Wesensgehalt eines Grundrechtes. Ihn dürfen Weisungen niemals angreifen (Art. 19 Abs. 2 GG). Art. 5 Abs. 2 GG deckt deshalb nicht das Verbot, eine politische Tätigkeit als Redner oder Schriftsteller in der Öffentlichkeit auszuüben (aA OLG Braunschweig NJW 1957 759 für § 2 6 a.F. unter Berufung auf das besondere Gewaltverhältnis). Zulässig aber ist es, den Verurteilten auf die Grenzen solcher Rechte hinzuweisen, ihm etwa zu verbieten, eine als unwahr erwiesene Behauptung dem Sinne nach zu wiederholen.
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Schmidt-Bleibtreu/Klein7 Vorbem. vor Art. 1 GG Rdn. 22. Schmidt-Bleibtreu/Klein7 Vorbem. vor Art. 1 GG Rdn. 21. Schmidt-Bleibtreu/Klein7 Art. 19 GG Rdn. 7. Vgl. auch OLG Hamburg NJW 1972 168.
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Abweichend Heinitz J R 1965 265 f; Lackner/ Kühl Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; Fischer Rdn. 2, die nur den im Katalog des Absatzes 2 aufgeführten Weisungen die notwendige Einschränkung zubilligen.
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e) Zustimmung des Verurteilten. Sie macht eine Weisung, die gegen ein nicht oder nicht in der angeordneten Weise beschränkbares Grundrecht verstößt, nicht zulässig.
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2 . Abschließende anderweitige Regelung a) Maßregeln der Besserung und Sicherung. Insbesondere das Verhältnis der Weisungen zu den Maßregeln der Besserung und Sicherung ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, wobei sich die Frage stellt, ob als Weisung angeordnet werden darf, was inhaltlich Gegenstand einer Maßregel sein könnte. 1 6 Der Sonderausschuss war sich darüber einig (Prot. Seite 731), dass sich die Weisungen nicht inhaltlich mit Maßregeln decken dürfen, deren Voraussetzungen durch besondere Bestimmungen abgegrenzt sind. Diese Auffassung ist nur mit Einschränkungen richtig. Sie gilt für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 61 Nr. 3). Für die Fälle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (§ 61 Nrn. 1 und 2) lässt das Gesetz selbst (§ 5 6 c Abs. 3) unter bestimmten Voraussetzungen eine Durchbrechung des Grundsatzes zu (Rdn. 1 4 - 1 5 ) . Die Führungsaufsicht (§§ 61 Nr. 4 , 68 ff) entspricht inhaltlich weitgehend der Unterstellung des Verurteilten unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers (§ 56d). Weisungen, die in die Berufsfreiheit des Verurteilten eingreifen und einem jedenfalls zeitigen Berufsverbot (§§ 61 Nr. 6, 70) gleichkommen, sind von der Rechtsprechung anerkannt (Rdn. 7).
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Die Frage, ob als Weisung angeordnet werden darf, was inhaltlich Gegenstand einer Maßregel sein könnte, stellt sich auch im Hinblick auf die Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 61 Nr. 5, 69, 69a). Die Entziehung selbst kann als Weisung nicht ausgesprochen werden. Dagegen findet im Gesetz keine Stütze die Auffassung, eine Weisung dürfe „praktisch" nicht einer Entziehung der Fahrerlaubnis gleichkommen, auch wenn ihre Zielrichtung nicht Sicherung der Allgemeinheit sei, sondern zur besseren Wiedereingliederung des Täters beitragen solle (aA Ruß L K 1 0 Rdn. 10). So ist es nach § 5 6 c Abs. 2 Nr. 1 für zulässig zu erachten, einem Alkoholiker zu verbieten, vorübergehend (etwa bis zum Abschluss einer laufenden Entziehungskur) ein Kraftfahrzeug zu lenken, damit er keine Straftaten mehr begeht. Allgemein lässt sich sagen: Maßregeln der Besserung und Sicherung können nicht im Wege der Weisung verhängt werden. Das schließt jedoch nicht aus, dass Weisungen erlaubt sind, die - wenn auch mit anderer Zielrichtung - auf den Verurteilten in mancher Hinsicht wie eine Maßregel wirken können. Die Grenzen der Zulässigkeit ergeben sich je nach Lage des Einzelfalls aus dem Weisungszweck, der Unzumutbarkeitsklausel und den Grundrechten, nicht dagegen daraus, dass der Gesetzgeber den Katalog und die Voraussetzungen der Maßnahmen der Besserung und Sicherung als Rechtsmaterie abschließend geregelt hat.
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b) Andere gesetzliche Regelungen. Was für das Verhältnis der Weisungen zu den Maßregeln der Besserung und Sicherung ausgeführt ist (Rdn. 3 0 ff), gilt sinngemäß auch für deren Verhältnis zu anderen Rechtsmaterien. Auf dieser Grundlage ist nicht anzuerkennen, dass die Fahrverbote des § 4 4 StGB und des § 2 5 StVG als leges speciales gegenüber § 5 6 c angesehen werden müssten (aA Ruß L K 1 0 Rdn. 11). Nicht von vornherein unzulässig sind daher Weisungen gemäß Absatz 2 Nr. 1 oder 4 , die im Interesse einer straffreien Führung des Verurteilten auf ein zeitlich begrenztes Fahrverbot hinauslaufen (vgl. Rdn. 12, 31).
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Bruns GA 1956 211 und GA 1959 222 ff; Baumann GA 1958 197 f; OLG Köln JMB1NW 1964 221 m.w.N.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
S 56d VI. 33
Verfahrensrechtliches
Zum Verfahren gilt entsprechend, was zu § 5 6 b Rdn. 2 9 ff gesagt ist. Die Entscheidung nach § 5 6 c ist gesetzwidrig und damit nach § 3 0 5 a Abs. 1 Satz 2 StPO erfolgreich anfechtbar, wenn die erteilte Weisung nicht dem Resozialisierungszweck dient, wenn sie unverhältnismäßig, unzumutbar oder grundrechtswidrig ist (vgl. hierzu OLG Jena N S t Z - R R 2 0 0 4 138; O L G Stuttgart Beschl. vom 2 4 . 9 . 2 0 0 4 - 1 W s 248/04). Gleiches gilt bei einem Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (vgl. O L G Jena N S t Z 2 0 0 6 39, 40).
§56d Bewährungshilfe (1) Das Gericht unterstellt den Verurteilten für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers, wenn dies angezeigt ist, um ihn von Straftaten abzuhalten. (2) Eine Weisung nach Absatz 1 erteilt das Gericht in der Regel, wenn es eine Freiheitsstrafe von mehr als neun Monaten aussetzt und der Verurteilte noch nicht siebenundzwanzig Jahre alt ist. (3) Der Bewährungshelfer steht dem Verurteilten helfend und betreuend zur Seite. Er überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht die Erfüllung der Auflagen und Weisungen sowie der Anerbieten und Zusagen. Er berichtet über die Lebensführung des Verurteilten in Zeitabständen, die das Gericht bestimmt. Gröbliche oder beharrliche Verstöße gegen Auflagen, Weisungen, Anerbieten oder Zusagen teilt er dem Gericht mit. (4) Der Bewährungshelfer wird vom Gericht bestellt. Es kann ihm für seine Tätigkeit nach Absatz 3 Anweisungen erteilen. (5) Die Tätigkeit des Bewährungshelfers wird haupt- oder ehrenamtlich ausgeübt.
Schrifttum Böhm Aspekte der Bewährungshilfe aus richterlicher Sicht - Fragen zur gegenseitigen Einschätzung und zur Kommunikation, BewH 1995 297; Boetticher Neue Aufgaben für die Bewährungshilfe - zum Umgang mit Sexualstraftätern, BewH 2000 196; Fünfsinn Bewährungshilfe und Datenschutz im Strafverfahren, BewH 1993 117; Rahn Die Situation der Gerichtshilfe und Bewährungshilfe, NJW 1976 838; Schipholt Der Umgang mit einem zweischneidigen Schwert - Zu den Aufgaben der Bewährungshilfe, NStZ 1993 470; Schöch Bewährungshilfe und Führungsaufsicht in der Strafrechtspflege, NStZ 1992 364; Sindlinger Zur Berichtspflicht des Bewährungshelfers, insbesondere bei neuen Straftaten, BewH 1992 365; Wiirtenberger Zur Rechtsnatur der Bewährungshilfe im Strafrecht, MDR 1955 9.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen der seit 1.1.1975 geltenden Fassung des 2 . StrRG, ergänzt durch die Worte „Anerbieten oder Zusagen" in Abs. 3 S. 4 durch das EGStGB. Die Fassung des 2. StrRG war identisch mit § 2 4 c in der Fassung des 1. StrRG, gültig vom 1.4.1970 bis 31.12.1974. Bis zum 31.3.1970 galt § 2 4 a in der Fassung des 3. StRÄndG vom 4 . 8 . 1 9 5 3 mit folgendem Wortlaut:
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Bewährungshilfe
§ 56d
Der Bewährungshelfer (§24 Abs. 1 Nr. 6) wird von dem Gericht bestellt. Er überwacht nach dessen Anweisungen während der Bewährungszeit die Lebensführung des Verurteilten und die Erfüllung der Auflagen. Durch Art. 1 Nr. 6 des 23. StRÄndG hat der Gesetzgeber anerkannt, dass Bewährungshilfe auch für einen Teil der Bewährungszeit angeordnet werden kann (§ 56d Abs. 1).
Übersicht Rdn. I. Das Wesen der Bewährungshilfe U. Die Voraussetzungen der Anordnung 1. im Allgemeinen (Absatz 1) 2. im Regelfall (Absatz 2) ΙΠ. Bestellung und Stellung des Bewährungshelfers 1. Bestellung (Absatz 4) 2. Stellung (Absatz 5)
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IV. Die Aufgaben des Bewährungshelfers (Absatz 3) 1. Hilfe und Betreuung 2. Überwachung 3. Berichtspflicht 4. Mitteilungspflicht 5. Rollenkonflikt V. Verfahrensrechtliches
Rdn. 6 7 8 9 10 11
I. Das Wesen der Bewährungshilfe Die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers ist von 1 besonderer Bedeutung. Das Institut hat in dem „probation officer" des angelsächsischen Rechts sein Vorbild (zum englischen System: D. von Caemmerer Probation (1952); zur Rechtsnatur des deutschen Instituts im Jugend- und Erwachsenenstrafrecht: Lackner J Z 1953 428 und Würtenberger M D R 1955 9). Es handelt sich hierbei um die kriminalpolitisch wichtigste Weisung an den Verurteilten im Sinne des § 56c Abs. 1. Sie ermöglicht eine nachhaltige Einwirkung auf die Lebensführung kriminell Gefährdeter.
Π. Die Voraussetzungen der Anordnung 1. Im Allgemeinen (Absatz 1). Das Gericht unterstellt einen Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers, wenn dies angezeigt ist, um ihn von Straftaten abzuhalten. Die im Vergleich zu § 76 E 1962 abgeschwächtere Formulierung, mit der der Gesetzgeber das Institut der Bewährungshilfe stärken wollte, bringt zum Ausdruck, dass die Maßnahme unter den Weisungen gemäß § 56c Abs. 1 nicht etwa nur als „ultima ratio" in Betracht kommt (BVerfG NStE Nr. 1 zu § 56d; aA Gribbobm LK 1 1 Rdn. 2; Schöcb NStZ 1992 364, 365). Neben Weisungen, die eine häufige Kontrolle (z.B. Meldepflicht, Abrechnung über Einnahmen und Ausgaben, Ausgehverbote) erfordern, ist die Bestellung eines Bewährungshelfers meist geboten. Sie kann in Ausnahmefällen aber auch aus allgemeinen Verhältnismäßigkeitserwägungen unzulässig sein (so OLG Koblenz MDR 1976 946 in einem Fall, in dem von einer vierjährigen Freiheitsstrafe ein Strafrest von 11 Tagen zur Bewährung ausgesetzt und die Unterstellung unter einen Bewährungshelfer angeordnet wurde).
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2. Im Regelfall (Absatz 2). In der Regel wird die Bewährungshilfe nach Absatz 2 angeordnet. In diesen Fällen geht das Gesetz von der Vermutung aus, dass eine weniger einschneidende Weisung keinen oder nur geringeren Erfolg verspricht. Das Gericht muss einen Verzicht auf die Weisung begründen, wie es umgekehrt in den nicht unter Absatz 2 fallenden Fällen darzutun hat, weshalb es eine Weisung nach § 56d Abs. 1 für erforder-
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§56d
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
lieh hält. Im Sonderausschuss (Prot. 2160) wurde zur Begründung auf die obligatorische Bewährungshilfe im J G G sowie darauf hingewiesen, dass der Verein für Bewährungshilfe in einer Denkschrift zur Strafrechtsreform vorgeschlagen habe, bei ausgesetzten Freiheitsstrafen von mehr als neun Monaten nur ausnahmsweise auf die Bewährungshilfe zu verzichten.
ΠΙ. Bestellung und Stellung des Bewährungshelfers 4
1. Bestellung (Absatz 4). Das Verhältnis des Bewährungshelfers zum Gericht ist dadurch gekennzeichnet, dass er vom Gericht bestellt wird (Absatz 4 Satz 1), und zwar unabhängig davon, ob er organisatorisch in die Justiz eingegliedert ist oder nicht. Dass es ihn auch abberufen kann, folgt aus § 56e. Das Gericht kann ihm für seine Tätigkeit Anweisungen geben (Absatz 4 Satz 2), doch sollte nach Möglichkeit Einvernehmen erzielt werden. In Absatz 3 Satz 2 sieht das Gesetz auch vor, dass der Bewährungshelfer seine Überwachungsaufgabe im Einvernehmen mit dem Gericht erfüllt.
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2. Stellung (Absatz 5). Der Bewährungshelfer übt seine Tätigkeit haupt- oder ehrenamtlich aus. Hauptamtliche Bewährungshelfer stehen im öffentlichen Dienst und sind ausschließlich oder in erster Linie auf diesem Gebiet tätige Fachkräfte. Sie nehmen staatliche Aufgaben wahr und sind als Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 anzusehen. Zu den ehrenamtlichen Helfern gehören Sozialarbeiter privater Fürsorgeeinrichtungen, die im Rahmen ihres Berufes Bewährungshilfen übernehmen, sowie Einzelpersonen, die sich freiwillig zur Verfügung stellen und eine sozialpädagogische Ausbildung haben oder über Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügen. Vor allem Persönlichkeiten, die früher hauptberuflich Bewährungshelfer waren, kommen in Betracht. Da der Bewährungshelfer im Rahmen seiner Aufsichtstätigkeit (vgl. Rdn. 7 - 9 ) aus der Staatsgewalt abgeleitete Kontrollfunktionen wahrnimmt, kann er gegenüber demselben Gericht nicht als Bevollmächtigter des Verurteilten auftreten (OLG Koblenz NStZ-RR 1996 3 0 0 , 301).
IV. Die Aufgaben des Bewährungshelfers (Absatz 3) 6
1. Hilfe und Betreuung. Die Hilfe und Betreuung bezieht sich auf alle Gebiete, auf denen der Proband ihrer bedarf, vor allem auf Beschaffung von Arbeit und Wohnung, Anträge auf Mietbeihilfe und sonstige Sozialhilfe oder Erlangung von Zahlungsaufschub. Hierzu gehört auch (allerdings in der Regel nur mit Zustimmung des Verurteilten) die Einwirkung auf Dritte, bei denen der Verurteilte wegen seiner Tat Schwierigkeiten findet, z.B. auf Familie, Arbeitgeber, Arbeitskollegen, Vermieter oder Nachbarn. Bei Alleinstehenden wird nicht selten die Förderung des Kontakts zu anderen Menschen wichtig sein.
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2. Überwachung. Im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe wird der Bewährungshelfer festgestellte Verstöße in der Regel mit dem Verurteilten besprechen und ihn zur künftigen Einhaltung der gerichtlichen Anordnungen ermahnen. Der Bewährungshelfer darf zwar Ratschläge geben, nicht aber selbst Auflagen oder Weisungen erteilen; auch das Gericht darf ihn dazu nicht ermächtigen. Es kann jedoch die nähere Ausgestaltung der Weisungserfüllung und ihrer Kontrolle dem Bewährungshelfer überlassen, sofern nur die Weisung als solche im Beschluss gemäß § 268a StPO hinreichend bestimmt bezeichnet ist (näheres hierzu vgl. § 56c Rdn. 19, 20).
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Bewährungshilfe
§ 56d
3. Berichtspflicht. Den Bewährungshelfer trifft dem Gericht gegenüber eine Berichtspflicht. Er muss in Zeitabständen, die das Gericht bestimmt, über die Lebensführung des Verurteilten berichten. Diese Berichte sollen dem Gericht die Entscheidung ermöglichen, ob es Maßnahmen nach § 56e oder § 56f zu ergreifen hat. Die Berichte müssen deshalb vor allem ergeben, ob und wie der Verurteilte Auflagen, Weisungen, Anerbieten und Zusagen (Kunert M D R 1969 712) erfüllt oder nicht erfüllt hat (vgl. hierzu Böhm BewH 1995 297, 305) und ob er Straftaten begangen hat, soweit diese dem Bewährungshelfer bekannt geworden sind (hierzu ausführlich Sindlinger BewH 1992 365, 366 f). Sie sollen dem Gericht die Unterlagen für die Entscheidung geben, ob sich die bisherigen Auflagen und Weisungen als zweckmäßig erwiesen haben, ob sie ausreichen, ob die Auflagen endgültig erfüllt sind oder ihrer Erfüllung Hindernisse entgegenstehen, ob Weisungen nicht mehr erforderlich sind oder ob es wegen Nichterfüllung von Anerbieten oder Zusagen nunmehr Auflagen oder Weisungen erteilen muss.
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4. Mitteilungspflicht. Der Bewährungshelfer muss dem Gericht auch zu anderen Zeiten, als vom Gericht bestimmt, von sich aus berichten, wenn ihm Widerrufsgründe (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3) bekannt werden. Absatz 3 Satz 4 verlangt dies zwar ausdrücklich nur bei gröblichen oder beharrlichen Verstößen gegen Auflagen, Weisungen, Anerbieten oder Zusagen; dazu gehört jedoch auch die Unterstellung unter einen Bewährungshelfer, wie sich aus Absatz 2 ergibt (vgl. oben Rdn. 1). Die Berichtspflicht gilt ferner auch für § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, wenn der Bewährungshelfer von der Straftat erfahren hat.
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5. Rollenkonflikt. Die nach dem Gesetz einerseits sozialpädagogisch ausgerichtete, andererseits aber mit Kontroll- und Überwachungsfunktionen ausgestattete Aufgabenstellung kann für den Bewährungshelfer beim Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu bestimmten Verurteilten hinderlich sein, ist aber letztlich nicht vermeidbar, da die effiziente Kontrolle des Bewährungsverlaufs einer „Nahtstelle" zwischen dem Verurteilten und dem Gericht zwingend bedarf. Insoweit fordert das Gesetz dem Verurteilten eine konstruktive Mitarbeit an den Resozialisierungsbemühungen seines Bewährungshelfers trotz dessen Kontrollfunktion ausdrücklich ab. Im Interesse einer offenen und vertrauensvollen Zusammenarbeit sollte allerdings der Bewährungshelfer den Verurteilten bereits zu Beginn der Unterstellung umfassend über seine Funktion und den Inhalt seiner Aufgaben informieren (Böhm BewH 1995 297, 305; weitergehend im Sinne einer Belehrungspflicht des Bewährungshelfers analog § 136, § 163a StPO vgl. Schipholt NStZ 1993 4 7 0 , 472 f).
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V. Verfahrensrechtliches Da die Anordnung der Bewährungshilfe eine Weisung ist, kann auf § 56c Rdn. 33 verwiesen werden (zur eingeschränkten Überprüfung im Beschwerdewege vgl. OLG Hamm VRS 104 372, 374). Unterstellt (erstmals) das Berufungsgericht den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers, so obliegt ihm auch dessen namentliche Bestellung; nach Rechtskraft des Urteils ist die unterbliebene Benennung des Bewährungshelfers durch das nach §§ 4 5 3 Abs. 1, 4 6 2 a StPO zuständige Gericht nachzuholen (OLG Köln J R 1991 4 7 3 m. Anm. Horn). Während der Bewährungszeit wird der Bewährungshelfer unterrichtet, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlass in Betracht kommt (§ 4 5 3 Abs. 1 Satz 4 StPO).
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§ 56e
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
§56e Nachträgliche Entscheidungen Das Gericht kann Entscheidungen nach den §§ 56b bis 56d auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben.
Schrifttum Horn Die nachträgliche Auflage nach § 56e StGB, MDR 1981 13.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift hat die Fassung des 2. StrRG und ist identisch mit § 24d in der Fassung des 1. StrRG, gültig vom 1.4.1970 bis 31.12.1974. Bis zum 31.3.1970 entsprach ihr S 24 Abs. 3 i.d.F. des 3. StRÄndG vom 4.8.1953, abgedruckt vor den Erläuterungen zu § 56b.
Übersicht Rdn. I. Der Anwendungsbereich der Vorschrift 1. Entscheidungen nach §§ 56b bis J6d 2. Zeitpunkt 3. Anlass 4. Art der Entscheidung
a) Weisungen b) Auflagen .
Rdn. 4 5
Π. Verfahrensrechtliches
I. Der Anwendungsbereich der Vorschrift 1
1. Entscheidungen nach §§ 56b bis 56d. Betroffen sind die sich auf Auflagen und Weisungen einschließlich der Unterstellung unter einen Bewährungshelfer beziehenden Entscheidungen. Für die nachträgliche Änderung der Bewährungszeit gelten § 56a Abs. 2 Satz 2 und § 56f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2. Die Regelung soll dem Gericht im Verlauf der Bewährungszeit die Möglichkeit verschaffen, seine Anordnungen einer Änderung der ihnen zugrunde liegenden Situation anzupassen. Dieses Ziel der Vorschrift findet in § 56f Abs. 2 eine Ergänzung, der dem Gericht nahelegt, auch bei Vorliegen von Widerrufsgründen von einem Widerruf abzusehen, wenn es ausreicht, die Bewährungszeit zu verlängern oder weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen.
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2. Zeitpunkt. Nachträglich kann das Gericht die Entscheidungen nach §§ 56b bis 56d sowohl treffen oder aufheben als auch ganz oder teilweise abändern. „Nachträglich" bedeutet hierbei nicht nur nach Verkündung des Beschlusses gemäß § 268a StPO, sondern auch nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung (aA Gribbohm LK11 Rdn. 2 und 7), denn erst dieser Zeitpunkt markiert die endgültige inhaltliche Festlegung der Bewährungsanordnungen (vgl. hierzu § 56a Rdn. 7, 8) und den Beginn der Bewährungszeit sowie der gerichtlichen Bewährungsaufsicht (§ 56a Abs. 2 Satz 1, § 453b StPO).
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3. Anlass. Anlass zu nachträglichen Änderungen geben die Umstände, die dem Gericht, sei es infolge eigener Überwachungstätigkeit, sei es durch Berichte des Bewährungshelfers, über den Verurteilten bekannt werden. Nicht erforderlich ist, dass die Umstände,
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Nachträgliche Entscheidungen
§ 56e
die zur Abänderung führen, erst nach Verkündung des ursprünglichen Beschlusses eingetreten sind. Es genügt, dass sie dem Gericht nachträglich bekannt werden oder dass die bereits bekannten Umstände nachträglich erst im richtigen Zusammenhang gesehen werden. Ohne neu eingetretene oder bekannt gewordene Umstände ist eine Änderung nach dem Sinn und Zweck des § 56e indes nicht zulässig. Die bloß abweichende Bewertung von Anfang an bekannter Tatsachen durch das die Bewährungsaufsicht führende Gericht rechtfertigt keine nachträgliche Änderungsanordnung (OLG Hamm JMB1NW 1996 238, 239; OLG Stuttgart NJW 1969 1220; OLG Koblenz NJW 1977 1074). 1 4. Art der Entscheidung a) Weisungen. Soweit sich die nachträglichen Entscheidungen auf Weisungen bezie- 4 hen, führt die Bestimmung den Gedanken der ambulanten Behandlung folgerichtig aus. Der in die Zukunft gerichtete Resozialisierungszweck der Weisungen erfordert deren Anpassung an die Fortschritte bzw. Rückschläge des Verurteilten im Verlauf der Bewährungszeit und erlaubt daher im Rahmen der durch § 56c allgemein gezogenen Grenzen auch eine Verschärfung ursprünglich angeordneter Maßnahmen, wenn sich im Nachhinein deren Ineffektivität herausgestellt hat oder aus anderen Gründen eine ungünstige Entwicklung der prognoserelevanten Situation zu verzeichnen ist. b) Auflagen. Bei Auflagen ermöglicht § 56e eine Anpassung an Veränderungen der 5 ihnen zugrunde liegenden Situation. So können Geldzahlungsauflagen gemäß § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 4 bei einer maßgeblichen Verschlechterung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Verurteilten durch die Pflicht zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen ersetzt werden (§ 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3). Auch ist der Austausch des Begünstigten oder eine Auswechselung der in § 56b Abs. 2 Satz 1 vorgesehenen Geldzahlungsanordnungen überhaupt zulässig. Wegen des Vorrangs der Schadenswiedergutmachung (§ 56b Abs. 2 Satz 2) kommt allerdings die Aufhebung einer diesbezüglichen Auflage zu Gunsten der übrigen Geldzahlungsanordnungen nur in Betracht, wenn eine Schadenswiedergutmachung infolge nachträglich eingetretener Umstände nunmehr ausscheidet (Horn SK8 Rdn. 5; vgl. ferner OLG Frankfurt NStZ-RR 2002 330). Zweifelhaft und streitig ist, inwieweit Auflagen zu Ungunsten des Verurteilten ab- 6 geändert - oder erstmals angeordnet - werden dürfen. Zwar hat der Sonderausschuss (Prot. 2163) ein Verschlechterungsverbot bei Auflagen ausdrücklich abgelehnt (vgl. hierzu auch § 56a Rdn. 8). Da die Auflagen aber im Gegensatz zu den Weisungen der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, schränkt ihre grundsätzlich vergangenheitsbezogene Zweckrichtung zwangsläufig auch den Kreis derjenigen Umstände ein, deren Hervortreten im Verlauf der Bewährungszeit eine nachträgliche Anordnung nach § 56e rechtfertigen kann. In Betracht kommen insoweit zunächst Tatsachen, denen schon auf der Basis des ursprünglichen Bewährungsbeschlusses genugtuungsrelevante Bedeutung zukommt. Unbedenklich ist daher die Neuerteilung einer Auflage, wenn der Verurteilte ein entsprechendes Anerbieten nach § 56b Abs. 3 nicht erfüllt hat oder wenn sich das Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung die Auferlegung einer später noch zu beziffernden Geldbuße ausdrücklich vorbehalten hat (OLG Hamm NJW 1976 527). § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (Schadenswiedergutmachung „nach Kräften") rechtfertigt die nachträgliche Verschärfung einer bezifferten Anordnung bei einer irrtümlich zu
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OLG Stuttgart Beschl. v. 24.9.2004 - l W s 248/04.
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§56f
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
niedrig angesetzten Bemessung der Schadenshöhe oder bei einer maßgeblichen Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Verurteilten (ebenso Gribbohm LK 1 1 Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3; Horn SK Rdn. 4). 7
Auch außerhalb dieser Fallkonstellationen ist allerdings die nachträgliche Neuerteilung oder Abänderung einer Auflage zum Nachteil des Verurteilten nach dem Wortlaut und Sinn des § 56e nicht ausgeschlossen, sofern Umstände hervorgetreten sind, die speziell im Hinblick auf die abgeurteilte Straftat ein - erhöhtes - Genugtuungsbedürfnis ergeben. So kann eine ursprünglich nicht vorhersehbare Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Verurteilten durchaus Anlass für die erstmalige Anordnung von Genugtuungsleistungen gemäß § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 4 bieten (BGH J R 1982 338 m. Anm. Meyer; vgl. ferner OLG Hamm NJW 1978 1596 1597). 2 Auch mag die zeitnahe Begehung einer einschlägigen Straftat unter Umständen zur erstmaligen Annahme eines - noch in erhöhtem Maße vorhandenen - Genugtuungsbedürfnisses führen und damit die nachträgliche Erteilung oder Verschärfung einer Auflage rechtfertigen, wenn das Gericht mit dieser Anordnung vom Widerruf absehen kann (§ 56f Abs. 2, vgl. dort Rdn. 31). § 56e ermöglicht aber nicht eine vom Auflagenzweck unabhängige Sanktionierung bewährungsbrüchigen Verhaltens, wenn der Verurteilte Weisungen missachtet, sich der Aufsicht seines Bewährungshelfers entzogen oder ein sonstiges Verhalten an den Tag gelegt hat, das zwar die in ihn gesetzten Erwartungen enttäuscht, aber den Grad des Genugtuungsbedürfnisses hinsichtlich der Ursprungstat nicht zu beeinflussen vermag. Derartige Umstände sind kein geeigneter Anlass für eine nachträgliche Anordnung oder Verschärfung von Auflagen (OLG Hamm JMB1NW 1996 238, 239; OLG Zweibrücken J R 1991 290 m. Anm. Horn).3
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Die nachträglichen Entscheidungen werden durch das gemäß § 462a StPO zuständige Gericht ohne mündliche Verhandlung in einem zu begründenden Beschluss (§ 453 StPO) nach vorheriger Anhörung der Staatsanwaltschaft und des Verurteilten getroffen. Ist der Aufenthalt des Verurteilten nicht bekannt, muss nachträglich rechtliches Gehör gewährt werden. Zur Belehrung siehe § 453a StPO. Der Beschluss ist mit eingeschränkter einfacher Beschwerde anfechtbar (§ 453 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO), wobei die Ablehnung einer nachträglichen Entscheidung nach § 56e den gleichen Anfechtungsvoraussetzungen unterliegt wie ihre Anordnung (OLG Stuttgart Beschl. vom 24.9.2004 - 1 Ws 248/04; OLG Nürnberg Beschl. vom 25.9.2001 - Ws 935/01). Das Verschlechterungsverbot gilt nicht (hierzu bereits § 56a Rdn. 8).
§56f Widerruf der Strafaussetzung (1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn der Verurteilte 1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, 2
Ebenso Gribbohm LK11 Rdn. 6; einschränkend Horn SK Rdn. 3; aA Sch/Schröder/Stree Rdn. 3.
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AA OLG Nürnberg GA 1962 91; OLG Frankfurt NJW 1971 720; vgl. ferner OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 220.
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Widerruf der Strafaussetzung
S 56f
2. gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß er erneut Straftaten begehen wird, oder 3. gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt. Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft oder bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist. (2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, 1. weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, namentlich den Verurteilten einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder 2. die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern. In den Fällen der Nummer 2 darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden. (3) Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.
Schrifttum Boetticher Zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, NStZ 1991 1; Dölling Die Verlängerung der Bewährungszeit nach § 56f Abs. 2 StGB, NStZ 1989 345; Frank Strafaussetzung zur Bewährung: Widerruf und Mindestverbüßungsdauer, NJW 1981 1341; Frank Der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung und der Widerruf der Aussetzung des Strafrestes, MDR 1982 353; Groth Zur Anwendbarkeit der Wiederaufnahmevorschriften auf rechtskräftige, die Strafaussetzung widerrufende Beschlüsse, ZRP 1979 208; Hein Verlängerung der Bewährungsfrist nach deren Ablauf? NStZ 1983 252; Horn Der Aussetzungswiderruf und das Absehen davon, JR 1981 5; ders. Wann beginnt die nach § 56f Abs. 2 StGB verlängerte Bewährungszeit? NStZ 1986 356; Katzenstein Der Widerruf der Strafaussetzung in Abwesenheit des Verurteilten und die nachträgliche Überprüfung der Widerrufsentscheidung nach erfolgter Festnahme, StV 2003 359; Klussmann Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat bei mehreren Vorverurteilungen, NJW 1973 683; Krumm Bewährungswiderruf trotz Unschuldsvermutung? NJW 2005 1832; Lembert Die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Entscheidung über einen Bewährungswiderruf, NJW 2001 3528; Lemke Gegenvorstellungen gegen rechtskräftige, die Strafaussetzung widerrufende Beschlüsse, ZRP 1978 281; Maatz Die Verlängerung der Bewährungszeit anstelle des Widerrufs nach der Neufassung von § 56f Abs. 2 durch das 23. StRÄndG, MDR 1988 1017; Maatz Aufhebung eines Aussetzungsbeschlusses wegen „neuer" Tatsachen, StV 1989 39; Miesen „Verlängerung" der Bewährungszeit nach ihrem Ablauf ( § § 2 5 Abs. 2, 24 Abs. 2 Satz 2 StGB)? NJW 1974 1492; Mrozynski Die Wirkung der Unschuldsvermutung auf spezialpräventive Zwecke des Strafrechts, JZ 1978 255; Neubacher Der Bewährungswiderruf wegen einer neuen Straftat und die Unschuldsvermutung, GA 2004 402; Ostendorf Unschuldsvermutung und Bewährungswiderruf, StV 1990 230; ders. Bewährungswiderruf bei eingestandenen, aber nicht rechtskräftig verurteilten neuen Straftaten? StV 1992 288; Peglau Unschuldsvermutung (Art. 6 II EMRK) und Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen noch nicht rechtskräftig abgeurteilter (neuer) Straftat, JA 2001 244; ders. Unschuldsvermutung und Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, ZRP 2003 242; ders. Bewährungswiderruf und Unschuldsvermutung, NStZ 2004 248; ders. Prognose (§§ 56, 64 StGB) bei Aburteilung einer in laufender Bewährungszeit begangenen neuen Straftat und Widerrufsentscheidung nach § 56f I Nr. 1 StGB, GA 2004 288; Schräder Der Widerruf der Strafaussetzung nach
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Ablauf der Bewährungsfrist (§§ 25, 25a StGB), NJW 1973 1832; Schütz Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten oder Bestellung eines Pflichtverteidigers ins Verfahren nach §§ 56f, 57, 57a StGB? NStZ 1985 347; Seher Bewährungswiderruf wegen Begehung einer neuen Straftat, ZStW 118 (2006) 101; Stree Probleme des Widerrufs einer Strafaussetzung wegen einer Straftat, NStZ 1992 153; Stuckenberg Die normative Aussage der Unschuldsvermutung, ZStW 111 (1999) 422; Vogler Zum Aussetzungswiderruf wegen einer neuen Straftat (§ 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB), Festschrift Tröndle (1989) 423; Vogler Die strafschärfende Verwertung strafbarer Vor- und Nachtaten bei der Strafzumessung und die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK), Festschrift Kleinknecht (1985) 429.
Entstehungsgeschichte Vorläufer der Vorschrift war § 2 5 in der Fassung des 3. StRÄndG vom 4.8.1953 (BGBl. I S. 735). Er lautete: Hat der Verurteilte sich bewährt, so wird die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen. Das Geriebt kann anordnen, daß über die Verurteilung nur noch beschränkt Auskunft erteilt wird. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn 1. Umstände bekannt werden, die bei Würdigung des Wesens der Aussetzung zu ihrer Versagung geführt hätten, 2. der Verurteilte wegen eines innerhalb der Bewährungszeit begangenen Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens im Inland zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, 3. er den Bewährungsauflagen gröblich zuwiderhandelt oder 4. sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war. Leistungen, die der Verurteilte auf Grund von Auflagen erbracht hat, werden nicht zurückerstattet. Ab 1.4.1970 erhielt § 2 5 nach Art. 105 Nr. 2 des 1. StrRG folgende Fassung: Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn der Verurteilte 1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht, 2. gegen Auflagen oder Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder 3. sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, die Bewährungszeit zu verlängern (§ 24 Abs. 2) oder weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, namentlich den Verurteilten einem Bewährungshelfer zu unterstellen (§ 24d). Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Auflagen nach § 24a Abs. 2 Nr. 2, 3 oder entsprechenden Anerbieten nach § 24a Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen. Die Vorschrift des § 2 5 i.d.F. des 1. StrRG ist identisch mit § 56f des 2. StrRG. Abs. 1 wurde jedoch durch Art. 18 Nr. 17 EGStGB neu gefasst und hat seit 1.1.1975 im ersten Satz den heute noch geltenden Wortlaut. Durch das 2 0 . StRÄndG vom 8.12.1981 (BGBl. I S. 1329) erhielt § 56f die ab 1.5.1982 geltende Fassung. Während die Absätze 1 und 3 unverändert blieben, lautete Abs. 2 fortan wie folgt: (2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, die Bewährungszeit zu verlängern oder weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, namentlich den Verurteilten einem Bewährungshelfer zu unterstellen (§ S6e); das Höchstmaß der Bewährungszeit (§ 56a
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Abs. 1 Satz 2) kann überschritten werden, jedoch darf in diesem Falle die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte verlängert werden. Durch das 23. StRÄndG vom 13.4.1986 wurde dem Absatz 1 der Satz 2 mit folgendem Wortlaut angefügt: Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zuñschen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft begangen worden ist. Ferner erfolgte eine Neufassung des Absatzes 2. Die Vorschrift über die Verlängerung der Bewährungszeit sieht nunmehr vor, dass die Bewährungszeit „nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit"' verlängert werden darf. Durch das 6. StrRG wurde Absatz 3 Satz 2 an § 56b Abs. 2 in seiner durch das VerbrBekG modifizierten Fassung angepasst. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber mit dem 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3416), insoweit in Kraft getreten am 31.12.2006, die Vorschrift über den Widerruf der Strafaussetzung bei einer Straftat in Absatz 1 Satz 2 um eine weitere Alternative ergänzt. Durch diese Regelung, die - ebenso wie der neu geschaffene § 5 7 Abs. 5 Satz 2 im Bereich der Strafrestaussetzung - für den Widerruf an eine vor der Aussetzungsentscheidung begangene Straftat anknüpft, werden frühere Gesetzentwürfe des Bundesrates aus der 13., 14. und 15. Wahlperiode (BTDrucks. 13/9348, 14/1467 und 15/310) inhaltlich unverändert umgesetzt. Übersicht Rdn. I. Die Widerrufsgrunde (Absatz 1) 1. Begehung einer Straftat (Satz 1 Nr. 1, Satz 2) a) Straftat b) Tatzeit aa) Zwischen Strafaussetzungsentscheidung und dem Ende der Bewährungszeit bb) Zwischen Strafaussetzungsentscheidung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der nachträglichen Gesamtstrafenentscheidung cc) Nach Ablauf der Bewährungszeit c) Feststellung der Straftat aa) Ohne rechtskräftige Ahndung . bb) Nach rechtskräftiger Verurteilung cc) Nach Erlass eines Strafbefehls . d) Bedeutung für die Prognose aa) Straftaten nach der Aussetzungsentscheidung bb) Straftaten „in einbezogener Sache" 2. Verstoß gegen Weisungen (Satz 1 Nr. 2) a) Weisung b) Art des Verstoßes aa) Weisungen nach § 56c bb) Weisungen nach § 56d c) Bedeutung für die Prognose . . . . 3. Verstoß gegen Auflagen (Satz 1 Nr. 3) a) Auflage b) Art des Verstoßes c) Bedeutung für die Genugtuung . . .
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14 16a 17 19 22 23 24 25 26
Rdn. Π. Das Absehen vom Widerruf (Absatz 2 ) . . 1. Maßnahmen im Bereich der Spezialprävention 2. Maßnahmen im Bereich der Genugtuung für begangenes Unrecht 3. Sonderprobleme bei Verlängerung der Bewährungszeit a) Zulässige Höchstdauer aa) Verlängerung bis zu fünf Jahren bb) Verlängerung über fünf Jahre hinaus cc) Rechtsfolgen einer Ausschöpfung der Höchstdauer b) Verlängerung nach Ablauf der Bewährungszeit aa) Ablauf der höchstzulässigen Bewährungsdauer im „Rückwirkungszeitraum" bb) Verfehlungen des Verurteilten im „Rückwirkungszeitraum" . m . Die Entscheidung über den Widerruf oder ihn ersetzende Maßnahmen 1. Voraussetzungen 2. Zeitpunkt der Entscheidung a) Während des Laufs der Bewährungszeit b) Nach Ablauf der Bewährungszeit . IV. Nebenfolgen des Widerrufs (Absatz 3) 1. Nichterstattung von Leistungen (Satz 1) 2. Anrechnung von Leistungen auf die Strafe (Satz 2)
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32 34 35 40 41
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45
49 50
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Rdn.
a) b) c) d)
Ermessen des Gerichts Das O b der Anrechnung Modalitäten und Maßstab Anrechnung bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung
V. Verfahrensrechtliches 1. Zuständigkeit und Verfahren a) Zuständigkeit aa) Sachliche Zuständigkeit bb) Örtliche Zuständigkeit
. . . . . . . .
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Rdn. b) Ermittlungen c) Anhörung d) Form der Entscheidung 2. Rechtsmittel a) Anfechtung der Widerrufsentscheidung b) Anfechtung widerrufsersetzender Maßnahmen
63 64 68
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I. Die Widerrufsgründe (Absatz 1) 1
Die Widemifsgründe sind in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 abschließend aufgezählt (OLG Hamburg NJW 1979 2623), sie können durch andere Gründe nicht erweitert werden. Die Voraussetzungen der einzelnen Fälle müssen positiv festgestellt werden. Im Zweifel ist zu Gunsten des Verurteilten zu entscheiden (LG Kassel NJW 1971 476; Schulze NJW 1957 772). Er braucht sich im Zeitpunkt seines Verhaltens nicht des drohenden Widerrufs bewusst gewesen zu sein (OLG Düsseldorf NJW 1967 1380; aA OLG Neustadt NJW 1959 951; vgl. ferner OLG Hamburg Beschl. vom 26.7.2005 - 2 Ws 146/05 - für den Fall einer Straffälligkeit in Unkenntnis der durch Strafbefehl zuvor verhängten Bewährungsstrafe). 1. Begehung einer Straftat (Satz 1 Nr. 1, Satz 2)
2
a) Straftat. Unter diesen Begriff fallen nur tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlungen (OLG Karlsruhe Justiz 1998 569f). Sie können Verbrechen oder Vergehen sein (§ 12). Ordnungswidrigkeiten scheiden als Widerrufsgrund aus. Für den Fall einer Auslieferung des Verurteilten an die Bundesrepublik Deutschland steht der auslieferungsrechtliche Grundsatz der Spezialität zwar nicht dem Widerruf der Strafaussetzung, wohl aber der anschließenden Strafvollstreckung entgegen, wenn die Auslieferung nicht zu ihrem Zweck bewilligt wurde (OLG Stuttgart NJW 1983 1987; OLG Zweibrücken StV 1993 37 m. abl. Anm. Lagodny). b) Tatzeit
3
aa) Zwischen Strafaussetzungsentscheidung und dem Ende der Bewährungszeit. § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 setzt voraus, dass der Verurteilte die neue Straftat „in der Bewährungszeit" begeht, d.h. zwischen der Rechtskraft der Aussetzungsanordnung (§ 56a Abs. 2 Satz 1) und dem Ende der Bewährungszeit. Dem stellt Satz 2 in seiner ersten Alternative den Fall gleich, dass die Tatzeit in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft, also vor Beginn der Bewährungszeit (§ 56a Abs. 2 Satz 1) liegt.
4
Für die Frage, ob die neue Tat in dem hiernach maßgeblichen Zeitraum begangen wurde, kommt es bei Dauerdelikten auf die Phase der Herbeiführung und Fortdauer des rechtswidrigen Zustandes (vgl. RGSt. 44 428; BGHSt 20 227), bei echten Unterlassungsdelikten auf die Phase einer bestehenden Handlungspflicht an (vgl. RGSt. 65 362; 59 6). Eine nach der Aussetzungsentscheidung begangene, aber aus konkurrenzrechtlichen Gründen nicht gesondert sanktionsfähige Straftat (z.B. der Besitz von vor der Aussetzungsentscheidung erworbenen Betäubungsmitteln) behält für das Widerrufsverfahren
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Widerruf der Strafaussetzung
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eigenständige Bedeutung (OLG Düsseldorf N S t Z 1 9 9 5 2 5 6 ) . Zu den Sonderproblemen des Widerrufs wegen einer Deliktsbegehung innerhalb der durch Beschluss verlängerten Bewährungszeit s. Rdn. 4 4 , 4 6 . bb) Zwischen Strafaussetzungsentscheidung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der nachträglichen Gesamtstrafenentscheidung. Durch das 2 . Justizmodernisierungsgesetz vom 2 2 . 1 2 . 2 0 0 6 (BGBl. I S. 3416), insoweit in Kraft getreten am 31.12. 2 0 0 6 , hat der Gesetzgeber § 5 6 f Abs. 1 Satz 2 um eine zweite Alternative ergänzt. Satz 1 Nr. 1 soll fortan auch dann entsprechende Anwendung finden, wenn die Straftat „bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe" begangen worden ist. Diese Änderung steht in engem Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Widerrufsgrundes im Bereich der Strafrestaussetzung (§ 5 7 Abs. 5 Satz 2 n.F.). Beide Regelungen gehen auf frühere Gesetzentwürfe des Bundesrates aus der 13., 14. und 15. Wahlperiode zurück, durch die man Einzelfälle erfassen wollte, „in denen bereits verurteilte Straftäter erneut straffällig werden, ihnen in Unkenntnis dieses Umstandes gewährte Strafaussetzungen zur Bewährung aber nicht widerrufen werden können" (BTDrucks. 13/9348 S. 1, 14/1467 S. 1 und 15/310 S. 1).
4a
Die Vorschrift ist überflüssig, soweit sie Straftaten erfasst, die im Zeitraum zwischen Erlass und Rechtskraft der (Bewährung bewilligenden) nachträglichen Gesamtstrafenentscheidung begangen werden. Diesen Delikten kam schon nach § 5 6 f Abs. 1 Satz 2 in seiner bisherigen Fassung widerrufsbegründende Funktion zu ( O L G Stuttgart M D R 1 9 9 2 1067, 1068; O L G H a m m N S t Z 1 9 8 7 3 8 2 ; O L G Karlsruhe N S t Z 1 9 8 8 364f). Neu ist die Regelung nur hinsichtlich derjenigen Straftaten, deren Begehungszeitpunkt in der Phase zwischen der Strafaussetzungsentscheidung in einem einbezogenen Urteil und dem Erlass der nachträglichen Gesamtstrafenentscheidung liegt. Bei derartigen Sachverhaltskonstellationen kam nach bisherigem Recht ein Widerruf nicht in Betracht. 1 Der Gesetzgeber sah hier Regelungsbedarf „für die Fälle, in denen dem Gericht bei der Entscheidung über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung die innerhalb der Bewährung in der einbezogenen Sache begangene Straftat entweder überhaupt nicht bekannt war oder gegen die verurteilte Person zwar ein Tatverdacht bestand, sich das Gericht aber zum Beispiel mangels Geständnisses oder anderer sicherer Beweismittel noch kein zuverlässiges Urteil über ihre Täterschaft bilden konnte" (BTDrucks. 16/3038 S. 5 8 ; ebenso bereits BTDrucks. 13/9348 S. 5, BTDrucks. 14/1467 S. 4 und BTDrucks. 15/310 S. 6).
4b
Diese gesetzgeberische Motivation wird allerdings durch den Wortlaut der neuen Regelung mit ihrem Verweis auf Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 nicht in geeigneter Weise umgesetzt. Letztere Vorschrift ist ausschließlich auf ein Fehlverhalten nach der für das Widerrufsverfahren maßgeblichen Bewährungsentscheidung zugeschnitten. Für den Widerruf der in einer Gesamtstrafenentscheidung gewährten Strafaussetzung zur Bewährung verbietet sich schon aus dogmatischen Gründen der Rückgriff auf eine nicht erfüllte Erwartung der Strafaussetzung in einbezogener Sache, denn durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung haben sämtliche einbezogenen Strafen nebst den zugehörigen Strafausset-
4C
1
OLG Hamburg OLGSt. Nr. 41 zu § 56f; OLG Hamburg MDR 1982 246; KG Berlin NJW 2003 2468 f; OLG Stuttgart StV 2003 346; OLG Stuttgart MDR 1992 1067, 1068; OLG Schleswig SchlHA 2001 130; OLG Düsseldorf StV 2000 565 f; OLG Düsseldorf wistra 1991
31; OLG Düsseldorf J R 1984 508 m. zust. Anm. Beulke-, OLG Hamm StV 1998 212; OLG Hamm NStZ 1987 382; OLG Celle NdsRpfl. 1995 23; OLG Karlsruhe StV 1985 243 mit Anm. Horn; OLG Karlsruhe NStZ 1988 364; Frank MDR 1982 358.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Zungsentscheidungen ihre selbständige Bedeutung verloren. Darüber hinaus kommt durch den bloßen Verweis auf Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 in keiner Weise zum Ausdruck, dass die Widerrufsmöglichkeit nach der gesetzgeberischen Motivation auf die bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung unberücksichtigt gebliebenen Bewährungsverstöße aus einbezogener Sache beschränkt sein soll. 4d
Der Sache nach wird durch die zweite Alternative des § 5 6 f Abs. 1 Satz 2 ein zusätzlicher Widerrufsgrund eingeführt, der an ein Fehlverhalten des Verurteilten vor der maßgeblichen Strafaussetzungsentscheidung anknüpft und einen Eingriff in deren Rechtskraft ermöglicht (vgl. hierzu bereits BTDrucks. 13/9348 S. 6 und - jeweils gleichlautend BTDrucks. 14/1467 S. 5; BTDrucks. 15/310 S. 7). Identische Erwägungen lagen auch dem im Bereich der Strafrestaussetzung neu geschaffenen Widerrufsgrund des § 5 7 Abs. 5 Satz 2 (§ 5 7 Rdn. 7 0 - 7 2 ) zugrunde. Nur dort wurde die beabsichtigte Regelung allerdings auch dogmatisch korrekt umgesetzt. Die Voraussetzungen des § 5 7 Abs. 5 Satz 2 werden daher künftig bei der Anwendung der zweiten Alternative des § 5 6 f Abs. 1 Satz 2 „mitzulesen" sein; nur so lässt sich eine verfassungskonforme und zugleich an der gesetzgeberischen Regelungsmotivation orientierte Auslegung der neuen Vorschrift gewährleisten.
4e
Ein Widerruf aus Anlass der in § 5 6 f Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 bezeichneten Straftaten setzt mithin - neben deren Feststellung nach den in Rdn. 6 - 1 3 dargestellten Grundsätzen voraus, dass das Delikt bei der Aussetzungsentscheidung anlässlich nachträglicher Gesamtstrafenbildung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte. Hinsichtlich der Einzelheiten gelten die Ausführungen zu § 5 7 Abs. 5 Satz 2 (dort Rdn. 7 4 75) entsprechend. Stets wird zu prüfen sein, ob die Strafaussetzungsentscheidung bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung hinsichtlich der zur Rede stehenden Straftat auf unzureichender Tatsachengrundlage erging; nur dann ist Raum für einen nachträglichen Widerruf in Anwendung der neuen Vorschrift. Sah sich das erkennende Gericht bei der für die Bewährungssache maßgeblichen Gesamtstrafenentscheidung in letzter tatrichterlicher Instanz nur aufgrund des Verschlechterungsverbots - also aus rechtlichen Gründen - an einer Berücksichtigung des zwischenzeitlich bekannt gewordenen Delikts gehindert, so scheidet ein anschließender Widerruf ebenfalls aus. Der durch das Verschlechterungsverbot erlangte Vorteil darf dem Verurteilten nicht durch ein Widerrufsverfahren nach Rechtskraft der Entscheidung wieder entzogen werden.
5
cc) Nach Ablauf der Bewährungszeit. Für Taten, die nach Ablauf der Bewährungszeit, aber vor der Entscheidung über den Straferlass begangen werden, enthält § 56f Abs. 1 keine Regelung, die einen Widerruf der Strafaussetzung (oder des Straferlasses, § 56g Abs. 2 Satz 3) gestatten würde (OLG Düsseldorf V R S 85 103 f). Dagegen ist kaum etwas einzuwenden; denn in diesem Fall hat der Verurteilte die Bewährungszeit durchgestanden. Das geltende Recht beschränkt die Widerrufsgründe in rechtsstaatlicher Weise grundsätzlich auf solche Tatsachen und Umstände, die innerhalb der Bewährungszeit liegen. Nur § 5 6 f Abs. 1 Satz 2 bildet eine Ausnahme von diesem Grundsatz. Bleibt zweifelhaft, ob der Verurteilte innerhalb oder außerhalb des maßgeblichen Zeitraums straffällig geworden ist, so kommt ein Widerruf nicht in Betracht (OLG Hamm StV 1987 69). c) Feststellung der Straftat
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aa) Ohne rechtskräftige Ahndung. Für den Widerrufsgrund des § 5 6 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 kommt es nach dem Wortlaut der Vorschrift nur darauf an, dass der Verurteilte eine Straftat in dem bezeichneten Zeitraum (Rdn. 3 bis 5) begangen hat. Angesichts dieser Formulierung sah die nahezu einhellige Meinung nach der Fassungsänderung des
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Widerruf der Strafaussetzung
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§ 5 6 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 durch das 1. StrRG (vgl. hierzu Entstehungsgeschichte) in der rechtskräftigen - Verurteilung wegen der neuen Tat keine Widerrufsvoraussetzung, sofern sich nur das Widerrufsgericht von der Deliktsbegehung aufgrund eigener Feststellungen sicher überzeugt habe. 2 Diese Rechtsprechung, die auch das BVerfG nicht beanstandet hat (vgl. BVerfG N S t Z 1 9 8 7 118 und N S t Z 1 9 8 8 21), wurde in der Folgezeit indes durch mehrere Verfahren vor der Europäischen Gerichtsbarkeit unter dem Blickwinkel der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 E M R K ) maßgeblich beeinflusst. So fand im Oktober 1 9 8 9 die Individualbeschwerde Nr. 1 2 7 4 8 / 8 7 , die ein Verurteilter gegen den auf Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft gestützten Widerruf wegen neuerlicher Straffälligkeit beim E G M R eingelegt hatte, nach Erörterung vor der E K M R gemäß Art. 2 8 b E M R K ihre Erledigung in einer gütlichen Einigung, 3 die die Bundesregierung verpflichtete, zum einen die Landesjustizverwaltungen „auf eine Beachtung der Unschuldsvermutung bei der künftigen Anwendung des § 5 6 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 hinzuweisen" und zum anderen die Möglichkeit einer Änderung der Vorschrift zur Sicherstellung ihrer konventionskonformen Anwendung zu prüfen. Aufgrund dieses Verfahrensergebnisses hielten in der Folgezeit einige Oberlandesgerichte - in Abkehr von der bislang vertretenen Ansicht - den Widerruf gemäß § 5 6 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ohne rechtskräftige Verurteilung wegen der „Neutat" ausnahmslos für nicht mehr zulässig. 4 Die Gegenmeinung sah die erstmalige richterliche Feststellung der neuen Straftat im Widerrufsverfahren weiterhin als ausreichenden „gesetzlichen Schuldnachweis" im Sinne von Art. 6 Abs. 2 E M R K . 5 Eine gewisse Annäherung der gegensätzlichen Ansichten bewirkte die Entscheidung der E K M R im Verfahren über die Individualbeschwerde Nr. 1 5 8 7 1 / 8 9 (StV 1 9 9 2 2 8 2 f), die klarstellte, dass der Widerruf wegen einer noch nicht abgeurteilten, aber eingestandenen Neutat die Unschuldsvermutung jedenfalls nicht verletze. 6
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Den vorläufigen Schlusspunkt der Entwicklung bildete das Urteil des E G M R vom 3. Oktober 2 0 0 2 im Individualbeschwerdeverfahren Nr. 3 7 5 6 8 / 9 7 (StV 2 0 0 3 8 2 m. Anm. Pauly). In Fortführung seiner bisherigen Entscheidungen stellte sich der Gerichtshof auf den Standpunkt, dass der Widerruf gemäß § 5 6 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bezogen auf die Neutat eine ausdrückliche Schuldfeststellung beinhalte, und dass Art. 6 Abs. 2 E M R K derartige Inzidentfeststellungen strafbaren Verhaltens außerhalb des formell dafür vorgesehenen Erkenntnisverfahrens bei nicht Geständigen grundsätzlich verbiete. Der Gesetz-
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OLG Celle NJW 1971 1665; OLG Stuttgart Justiz 1972 318; OLG Hamm NJW 1973 911; OLG Karlsruhe MDR 1974 245; OLG Stuttgart NJW 1976 200; OLG Stuttgart NJW 1977 1249; OLG Koblenz VRS 54 192; OLG Koblenz VRS 60 426, 427; OLG Koblenz BA 18 111; OLG Bremen StV 1984 125; OLG Zweibrücken StV 1985 465; aA Mrozynski JZ 1978 255, 257 ff; Vogler FS Kleinknecht, 429, 442. Vgl. hierzu Ostendorf StV 1990 230; Boetticher NStZ 1991 1, 4. OLG Celle StV 1990 504; OLG Bamberg StV 1991 174; OLG Schleswig NJW 1991 2303; OLG Koblenz NStZ 1991 253; OLG München NJW 1991 2302, 2303. Jedenfalls für den Fall eines Geständnisses: BVerfG NStZ 1991 30; OLG Düsseldorf
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NStZ 1992 131 m. abl. Anm. Blumenstein·, OLG Köln NJW 1991 505, 506; weitergehend OLG Düsseldorf NJW 1993 1280, 1281 f; Gribbohm LK 11 Rdn. 11; vgl. ferner OLG Hamburg NStZ 1992 130, 131; OLG Düsseldorf NJW 1992 1183; OLG Düsseldorf OLGSt. Nr. 19 zu § 56f; KG Berlin Beschl. v. 23.1.2002 - 5 Ws 4/02; KG NStZ-RR 2001 136, 137; LG Kiel SchlHA 1992 10 m. Anm. Martensen; Peglau JA 2001 244, 245 f; Stree NStZ 1992 153 ff; Sickenberg ZStW 111 (1999)422, 435 f, 460. Dem folgend OLG Schleswig JR 1993 39 m. Anm. Stree; OLG Schleswig OLGSt. Nr. 25 zu § 56f; OLG Schleswig SchlHA 2002 142 f; OLG Karlsruhe MDR 1993 780; Ostendorf StV 1992 288, 289.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
geber hat auf dieses Urteil bislang nicht mit einer Neugestaltung der Vorschriften über das Widerrufsverfahren bei erneuter Straffälligkeit reagiert (zu den diesbezüglichen Möglichkeiten vgl. Neubacher GA 2004 402, 417; Peglau ZRP 2003 242 ff; Seher ZStW 118 [2006] 101, 155 f). Zu Recht sieht sich die neuere Rechtsprechung zwecks Vermeidung von Divergenzen veranlasst, die Auslegung des Art. 6 Abs. 2 EMRK durch den EGMR bei der Anwendung des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zu berücksichtigen.7 Für die künftige Handhabung ist daher wie folgt zu unterscheiden: 9 Bestreitet der Verurteilte die Begehung der Neutat, so ist ein Widerruf der Strafaussetzung erst nach deren Aburteilung im dafür vorgesehenen Erkenntnisverfahren zulässig. Ob es auch einer Rechtskraft der Schuldfeststellungen bedarf, mag aufgrund der Rechtsprechung des EGMR zweifelhaft sein.8 Immerhin hält der Gerichtshof einen Widerruf der Strafaussetzung bereits dann für unbedenklich, wenn er durch das erkennende Gericht erfolgt, das den Angeklagten der Neutat zuvor in einer Hauptverhandlung - nicht rechtskräftig - für schuldig befunden hat (EGMR StV 2003 82, 84 f unter Hinweis auf die - unveröffentlichte - Entscheidung Nr. 17664/91 vom 9.10.1991). Das Gebot der Unschuldsvermutung dürfte es nicht erfordern, mit dem Widerruf der Strafaussetzung zu warten, bis die unter den förmlichen Verfahrensgarantien einer Hauptverhandlung vor dem zuständigen Gericht getroffenen Schuldfeststellungen von endgültigem Bestand sind. Dennoch empfiehlt sich eine derartige Vorgehensweise, da sie Probleme vermeidet, die anderenfalls entstehen würden, wenn der Verurteilte nach dem unter Umständen rechtskräftigen Widerruf seiner Strafaussetzung zur Bewährung im Verfahren wegen der Neutat aufgrund später hervorgetretener entlastender Umstände doch noch freigesprochen wird (vgl. hierzu Rdn. 71; ebenso Seher ZStW 118 [2006] 101, 152 f; Krumm NJW 2005 1832,1833). 10
Liegt ein glaubhaftes, nicht widerrufenes richterliches Geständnis der Neutat durch den anwaltlich beratenen Verurteilten vor, so muss das Widerrufsgericht den weiteren Verlauf des Strafverfahrens nicht abwarten, bevor es seine Entscheidung trifft (EGMR StV 1992 282 f und StV 2003 82, 84 f). 9 Insoweit hält die Rechtsprechung die Schutzgarantie des Art. 6 Abs. 2 EMRK für disponibel (aA Seher ZStW 118 [2006] 101, 149151). Vor diesem Hintergrund mag auch der Widerruf aufgrund eines vor den Strafverfolgungsbehörden abgelegten Geständnisses konventions- und verfassungsrechtlich unbedenklich erscheinen (so OLG Koblenz Beschl. vom 19.5.2005 - 1 Ws 213/05 - unter Bezugnahme auf BVerfG NJW 2005 817; Krumm NJW 2005 1832, 1834). Im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit der Wiederaufnahme eines einmal rechtskräftig abgeschlossenen Widerrufsverfahrens (vgl. Rdn. 71) empfiehlt es sich indes, für die Entscheidung zwecks weitestgehender Ausschaltung möglicher Fehlerquellen zumindest auf ein richterliches Geständnis abzustellen. Liegt allerdings ein derart „abgesichertes" Geständnis vor, so setzt der Widerruf nicht zusätzlich noch voraus, dass dieses Geständnis im Verfahren wegen der Neutat durch einen nicht angefochtenen Schuldspruch „unwiderruflich" geworden ist.10
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OLG Zweibrücken NStZ-RR 2 0 0 5 8 f; OLG Stuttgart NJW 2 0 0 5 83 f; OLG Köln NStZ 2 0 0 4 685 f; OLG Düsseldorf NJW 2 0 0 4 790; OLG Jena StV 2 0 0 3 5 7 4 und 575; OLG Nürnberg NJW 2 0 0 4 2 0 3 2 ; OLG Hamm VRS 106 47; OLG Celle StV 2 0 0 3 575. Bejahend Neubacher GA 2 0 0 4 4 0 2 , 4 1 0 ; verneinend Peglau NStZ 2 0 0 4 2 4 8 251; Seher
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ZStW 118 (2006) 1 0 1 , 1 5 2 f; Krumm NJW 2 0 0 5 1832, 1833. 9 OLG Zweibrücken NStZ-RR 2 0 0 5 8 f; OLG Stuttgart NJW 2 0 0 5 83 f; OLG Köln NStZ 2 0 0 4 685 f; OLG Düsseldorf NJW 2 0 0 4 790. wNeubacher GA 2 0 0 4 4 0 2 , 413 f; zweifelnd OLG Hamm VRS 106 47, 48 f.
Jutta Hubrach
Widerruf der Strafaussetzung
S 56f
Wegen einer Tat, bezüglich derer das Verfahren nach den §§ 153ff StPO eingestellt wurde (vgl. hierzu Seher ZStW 118 [2006] 101, 145 f), dürfte ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 2 EMRK künftig nur noch in Betracht kommen, wenn ein Geständnis im Sinne der Ausführungen zu Rdn. 10 vorliegt oder wenn die Einstellungsentscheidung nach durchgeführter Hauptverhandlung erfolgt und die volle Überzeugung des Gerichts von der Schuld des Angeklagten ausdrücklich erkennen lässt (was allerdings selten der Fall sein wird). 11 Zu beachten ist, dass die bloße Zustimmung zur Einstellung gemäß § 153a StPO nicht als Schuldeingeständnis gewertet werden kann (so schon BVerfG NStZ-RR 1996 168, 169).
11
bb) Nach rechtskräftiger Verurteilung. Ist die neue Tat rechtskräftig abgeurteilt, so kann das Widerrufsgericht seine Überzeugung von der Deliktsbegehung auf das Strafurteil stützen, wenn es die darin getroffenen Feststellungen für zutreffend hält und die Rechtsansicht des erkennenden Gerichts teilt. Eine diesbezügliche Bindungswirkung besteht jedoch weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht. 12 Das Widerrufsgericht ist vielmehr nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, eigene Beweise zu erheben, wenn die Feststellungen des Strafurteils unzureichend sind oder wenn aufgrund nachträglich hervorgetretener Umstände (etwaiger Wiederaufnahmegründe) Zweifel an der Tatbegehung bestehen (OLG Düsseldorf StV 1996 45).
12
cc) Nach Erlass eines Strafbefehls. Ein Strafbefehl, gegen den der Verurteilte EinSpruch eingelegt hat, ist keine ausreichende Grundlage für die Feststellung der Neutat im Widerrufsverfahren (OLG Nürnberg NJW 2 0 0 4 2032; Krumm N J W 2005 1832, 1833 f). Der nicht angefochtene Strafbefehl steht zwar grundsätzlich einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 410 Abs. 3 StPO). Für die Überzeugungsbildung des Widerrufsgerichts ist er jedoch von geringerem Erkenntniswert, denn die Entscheidung im Strafbefehlsverfahren ergeht ohne Hauptverhandlung aufgrund einer nur summarischen Prüfung nach Aktenlage, und ihr Erlass setzt nach verbreiteter Ansicht 13 nur einen hinreichenden Tatverdacht voraus. Infolge dessen muss sich das Widerrufsgericht aufgrund zusätzlicher Indizien von der erneuten Straffälligkeit des Verurteilten überzeugen. 14 Hierbei ist es jedoch nicht erforderlich, dem abgeschlossenen Strafbefehlsverfahren, das als solches den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 EMRK genügt (EGMR N J W 1993 717), jegliche Indizwirkung abzusprechen und den Widerruf daher nur bei einem richterlichen Geständnis (s. Rdn. 10) zuzulassen.15 Vielmehr dürfte es regelmäßig ausreichen, wenn der Strafbefehl ausweislich der Verfahrensakten auf eindeutiger Beweisgrundlage ergangen ist oder wenn der Verurteilte die Begehung der neuen Tat im Strafbefehlsverfahren vor der Polizei bzw. bei seiner Anhörung im Widerrufsverfahren ausdrücklich eingeräumt hat. In diesen
13
11
12
13
AA im Sinne einer grundsätzlichen Unzulässigkeit des Widerrufs nach Verfahrenseinstellung wegen der Neutat: Krumm NJW 2 0 0 5 1832, 1834 f. KG NStZ-RR 2 0 0 1 136, 137; OLG Düsseldorf StV 1996 45; OLG Düsseldorf NStZ 1990 541; Stree NStZ 1992 153, 156 f; Seher ZStW 118 (2006) 101, 154; Krumm NJW 2 0 0 5 1832, 1833. Meyer-Goßner49 Vor § 4 0 7 Rdn. 1, § 4 0 8 Rdn. 7 m.w.N.
14
15
KG NStZ-RR 2 0 0 1 136, 137; OLG Düsseldorf JMB1NW 1995 248, 2 4 9 ; OLG Zweibrücken J R 1991 4 7 7 m. Anm. Stree; Neubacher GA 2 0 0 4 4 0 2 , 414; Stree NStZ 1992 153, 157 f. Im Erg. ebenso Seher ZStW 118 (2006) 101, 147 f; Krumm N J W 2 0 0 5 1832, 1833 f; aA Neubacher GA 2 0 0 4 4 0 2 , 416.
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§56f
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Fällen kann das Widerrufsgericht ohne weitere eigene Schuldfeststellungen davon ausgehen, dass die Rechtskraft des Strafbefehls nicht nur auf bloßen prozessualen Versäumnissen, sondern auf einem Schuldeingeständnis des Verurteilten beruht. d) Bedeutung für die Prognose 14
aa) Straftaten nach der Aussetzungsentscheidung. Im Falle einer Straftat, die nach der für das Widerrufsverfahren maßgeblichen Aussetzungsentscheidung begangen wurde (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Alt. 1), muss der Verurteilte durch die Deliktsbegehung gezeigt haben, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nicht erfüllt hat. Zwar ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, die Strafaussetzung nur bei solchen Neutaten zu widerrufen, die zugleich die Sozialprognose in Frage stellen, wenn das Widerrufsgericht im Einzelfall die Strafzwecke des Schuldausgleichs und der Generalprävention für vorrangig hält (BVerfG NStZ 1994 558 m. Anm. ter Veen NStZ 1995 437; BVerfG Beschl. vom 21.2.2001 - 2 BvR 2223/00). Die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur stellt jedoch bei der Auslegung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 eine neue Prognose an und hält den Widerruf nur anlässlich solcher Neutaten für zulässig, in denen angesichts der aktuellen Lebensumstände des Verurteilten - also auch unter Berücksichtigung etwaiger positiver Veränderungen nach der Neutatbegehung - zum Ausdruck kommt, dass der Verurteilte seine kriminelle Lebensführung nicht geändert hat. 16 Da die Strafaussetzung stets auf einer Erwartung vollständiger Straffreiheit beruht, müssen die frühere Tat und das neue Delikt nicht etwa einen kriminologischen Zusammenhang aufweisen oder nach Art und Schwere miteinander vergleichbar sein. 17 Die Erwartungsformel stellt jedoch klar, dass Gelegenheits- bzw. Fahrlässigkeitstaten oder auch sonstige Verfehlungen geringen Gewichts nicht in jedem Fall zum Widerruf führen müssen, wenn sie zu der früheren Tat in keiner Beziehung stehen. 18 Ist daher der Verurteilte innerhalb der Bewährungszeit erstmals durch ein nicht einschlägiges Bagatelldelikt aufgefallen, das sich in Anbetracht seiner mittlerweile wieder soliden Lebensführung und unter Berücksichtigung der Tatumstände als einmalige Entgleisung darstellt, so scheidet ein Widerruf der Strafaussetzung schon aufgrund der Erwartungsklausel - und nicht erst in Anwendung des Absatzes 2 (vgl. hierzu Rdn. 27) - aus. Für den Widerruf mag es aber andererseits ausreichen, wenn bei einer Mehrzahl neuer vorsätzlicher Taten jede einzelne zwar nur gering wiegt, alle zusammengenommen nach Unrecht und Schuld aber nicht als bedeutungslos bezeichnet werden können (BGH Beschl. vom 26.3.1980 - 7 BJs 265/75 StB 10/80).
15
Ist ein ersatzdienstpflichtiger Zeuge Jehovas wegen Dienstflucht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, so stellt die erneute Dienstpflichtverweigerung, die auf einer ein für allemal getroffenen Gewissensentscheidung beruht, keinen Widerrufsgrund dar (vgl.
16
17
OLG Karlsruhe Justiz 1993 387, 388; OLG Düsseldorf JMB1NW 1996 8; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 185; OLG Düsseldorf JMB1NW 1995 248, 249; OLG Düsseldorf StV 1994 200 f; OLG Schleswig StV 1982 527; OLG Koblenz VRS 62 269; Lembert NJW 2001 3528, 3529. BGH Beschl. v. 26.3.1980 - 7 BJs 265/75 StB 10/80; KG Berlin Beschl. v. 19.2.2002 5 Ws 74/02; KG Berlin Beschl. v. 23.6.2006 5 Ws 215/06; OLG Karlsruhe Justiz 1993
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18
387, 388; OLG Schleswig SchlHA 1996 278; OLG Schleswig StV 1982 527; OLG Düsseldorf StV 1983 338; differenzierend Stree NStZ 1992 153, 158 f. OLG Karlsruhe Justiz 1993 387, 388; OLG Düsseldorf JMB1NW 1995 248, 249; OLG Stuttgart StV 2003 346 f; OLG Koblenz VRS 60 426, 428; OLG Hamm StV 1982 262; OLG Frankfurt StV 1982 369; OLG Schleswig StV 1982 527; OLG Düsseldorf StV 1983 338; Stree NStZ 1992 153, 158.
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Widerruf der Strafaussetzung
§56f
hierzu § 56 Rdn. 14). Beruht eine Strafaussetzung auf § 183 Abs. 3, so zeigen neue einschlägige Straftaten innerhalb der Bewährungszeit nicht ohne weiteres an, dass sich die der Aussetzung zugrunde liegende Erwartung nicht erfüllt hat, da bis zum Beginn und während der Dauer der Heilbehandlung möglicherweise mit weiteren exhibitionistischen Handlungen gerechnet werden musste (OLG Düsseldorf NStZ 1984 2 6 3 ; vgl. ferner BGHSt 2 8 357, 359). Ein Fehlschlag der günstigen Prognose wird jedoch auch in diesen Fällen anzunehmen sein, wenn der Täter die neue Tat begeht, nachdem er die in Aussicht genommene Heilbehandlung abgebrochen hat oder nachdem sie erfolglos verlaufen ist. Hat das erkennende Gericht - mit seinen besseren prognostischen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund der Hauptverhandlung - dem Verurteilten wegen der neuen Straftat nochmals Strafaussetzung gewährt, so ist es zwar nicht verfassungsrechtlich geboten (BVerfG NStZ 1985 357; BVerfG NStZ 1987 118; BVerfG Beschl. vom 14.4.1999 2 BvR 534/99), im Regelfall aber nahe liegend, sich dieser Prognoseentscheidung auch im Widerrufsverfahren anzuschließen. 19 In Reaktion auf die in der Praxis oftmals unzureichende Urteilsbegründung zur Bewährungsfrage hält die Rechtsprechung allerdings einen Widerruf trotz erneuter Strafaussetzung hinsichtlich der Neutat für zulässig, wenn die günstige Prognoseentscheidung des erkennenden Gerichts inhaltlich nicht nachvollziehbar ist, weil sie erkennbar von falschen Voraussetzungen ausgeht, wesentliche prognostisch ungünstige Tatsachen außer Acht lässt oder sich in formelhaften Erwägungen erschöpft. 20
16
bb) Straftaten „in einbezogener Sache". In den Fällen des § 56f Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 (vgl. hierzu zunächst Rdn. 4 a - e ) ist der missglückte Verweis auf Satz 1 Nr. 1 durch einen Rückgriff auf die Widerrufsvoraussetzungen des § 57 Abs. 5 Satz 2 zu korrigieren. An die Stelle der „Erwartungsformel" tritt daher die Prüfung der Frage, ob die Straftat, die bei der Aussetzung in der nachträglichen Gesamtstrafenentscheidung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte, im Falle ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte. Auch dieser Untersuchungsmaßstab macht letztlich die Stellung einer neuen Prognose erforderlich, die sich am aktuellen Sachstand zu orientieren hat und die Entwicklung des Verurteilten seit der Aussetzungsentscheidung mit berücksichtigen muss. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu § 57 Abs. 5 Satz 2 n.F. (dort Rdn. 76) verwiesen.
16a
2. Verstoß gegen Weisungen (Satz 1 Nr. 2) a) Weisung. Die Vorschrift bezieht sich auf Weisungen gemäß § 56c Abs. 1 bis 3 und § 56d Abs. 1. Die Nichteinhaltung von Zusagen nach § 56c Abs. 4 fällt nicht unter Nr. 2. Ein solches Verhalten kann nur Anlass für eine nachträgliche Erteilung (§ 56e) anderer Weisungen gemäß § 56c Abs. 2 oder auch Abs. 3 sein. Erst wenn der Verurteilte dagegen gröblich oder beharrlich verstößt, liegt Anlass für einen Widerruf vor. Gegen Weisungen kann nur verstoßen werden, wenn und solange die Bewährungszeit läuft, denn § 56f Abs. 1 Satz 2 gilt nur für Satz 1 Nr. 1, nicht auch für Nr. 2.
19
20
OLG Nürnberg NJW 2 0 0 4 2 0 3 2 ; OLG Hamm VRS 104 131; OLG Hamm Beschl. v. 2 5 . 1 0 . 2 0 0 4 - 3 Ws 5 5 0 / 0 4 ; OLG Düsseldorf VRS 9 8 345; ausführlich hierzu feglau GA 2 0 0 4 2 8 8 ff. OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 3 183; OLG Hamm VRS 104 131, 132; OLG Celle
NdsRpfl. 2 0 0 2 61; OLG Nürnberg Beschl. v. 17.7.2001 - Ws 7 0 4 - 7 0 5 / 0 1 ; OLG Düsseldorf StV 1998 214; OLG Düsseldorf StV 1998 216 (LS); OLG Düsseldorf StV 1 9 9 4 198, 199; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2 0 0 0 171 (LS); OLG Düsseldorf VRS 9 4 4 4 5 f; einschränkend OLG Köln StV 1993 429.
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17
S 56f 18
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Auf eine Zuwiderhandlung gegen unzulässige Weisungen darf der Widerruf nicht gestützt werden (OLG Hamburg wistra 2 0 0 4 2 3 5 , 2 3 6 ; O L G Zweibrücken N J W 2 0 0 4 1190; O L G Köln N S t Z 1 9 9 4 5 0 9 ) . Das Gericht muss die Zulässigkeit im Widerrufsverfahren von Amts wegen prüfen, auch wenn der Verurteilte die Weisung nicht angefochten oder beanstandet hatte ( O L G Frankfurt N S t Z - R R 2 0 0 3 199, 2 0 0 ; O L G München NStZ 1985 411; O L G Zweibrücken J R 1991 2 9 0 m. Anm. Horn). b) Art des Verstoßes
19
aa) Weisungen nach § 56c. Der Widerruf wegen eines Verstoßes gegen Weisungen nach § 56c setzt eine gröbliche oder beharrliche Zuwiderhandlung voraus. Der Begriff Gröblichkeit bezeichnet einen objektiv erheblichen Verstoß. Wer sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden hat, verstößt gröblich gegen die Weisung, wenn er sich verborgen hält (vgl. hierzu O L G Düsseldorf V R S 8 9 2 9 1 , 2 9 3 ) . Subjektiv ist jedenfalls erforderlich, dass der Proband den Verstoß verschuldet hat, also bei gutem Willen, 2 1 wenn auch mit Anstrengungen, in der Lage war zu erfüllen. Er muss sich auch über das Wesen der Strafaussetzung und der ihn treffenden Pflicht klar gewesen sein; insoweit kann es wichtig sein, ob er vorschriftsmäßig belehrt worden ist. 2 2 O L G Schleswig (NStZ 1985 2 6 9 ) nimmt einen gröblichen (oder beharrlichen) Verstoß gegen eine Weisung nach § 5 6 c Abs. 2 Nr. 5 nur an, wenn der Verurteilte weiß, welchen Betrag er in welcher Zeit an welche Person als Unterhalt zu leisten hat. Hält der Verurteilte eine Weisung für unwirksam, so verstößt er subjektiv nicht gröblich gegen sie, wenn ihm daraus kein oder nur ein geringer Vorwurf gemacht werden kann. 2 3 Wenn auch eine förmliche Mahnung nicht erforderlich ist, weil dies z.B. mit Rücksicht auf Verurteilte mit unbekanntem Aufenthaltsort zu Schwierigkeiten führen würde (Sonderausschuss Prot. 2 1 6 3 f), so kann das Fehlen jeder Mahnung gegen die Gröblichkeit sprechen, wenn sie ohne Schwierigkeiten möglich gewesen wäre (OLG Hamm GA 1 9 5 9 5 9 ; LG Karlsruhe N J W 1960 495).
20
Beharrlich verstößt gegen Weisungen, wer sie wiederholt oder trotz Mahnung seitens des Gerichts oder des Bewährungshelfers nicht erfüllt, oder wer sich ihrer Erfüllung geflissentlich entzieht, z.B. weil er sich verborgen hält oder seinen Aufenthalt ständig wechselt, ohne dies dem Bewährungshelfer mitzuteilen. Das Verhalten muss Ausdruck einer ablehnenden Haltung gegen die erteilten Weisungen sein. Schwer braucht der Verstoß jedoch nicht zu sein.
21
Im Anwendungsbereich des § 56c Abs. 3 schließt der Umstand der Einwilligungsbedürftigkeit zwar einen Widerruf im Falle nachträglicher Missachtung der erteilten Therapieweisung nicht grundsätzlich aus (hierzu eingehend O L G Hamburg N S t Z 1992 301). Es bedarf jedoch im Einzelfall einer näheren Prüfung der Frage, ob die im Nichtantritt oder Abbruch der Therapie zum Ausdruck gekommene Rücknahme der zunächst erteilten Einwilligung als gröblich oder beharrlich zu gelten hat. Dies ist nicht der Fall, wenn der Verurteilte aus seiner Sicht die Einwilligung nachträglich aus verständlichen Gründen für verfehlt hält und er sich die Strafaussetzung nicht von vornherein unter Vortäuschung seines Einverständnisses erschlichen hat (BGHSt 3 6 97, 9 9 f = J R 1 9 9 0 71 mit abl. Anm.
21
22
OLG Oldenburg NJW 1961 1368; sehr weitgehend LG Mainz MDR 1975 772. OLG Celle NJW 1958 1009; OLG Celle JR 1978 337 m. Anm. Stree; OLG Düsseldorf
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23
VRS 91 115; Frank MDR 1982 354; siehe hierzu ferner Koch NJW 1977 419. OLG Nürnberg GA 1982 91; s. auch LG Bayreuth NJW 1970 2122.
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Widerruf der Strafaussetzung
§56f
Terhorst),24 obwohl grundsätzlich Therapiebedürftigkeit vorlag (hierzu OLG Schleswig NStZ-RR 2004 222). Eine aus disziplinarischen Gründen erfolgte Entlassung des Verurteilten aus der stationären Therapie ist im Regelfall als gröblicher oder beharrlicher Weisungsverstoß zu werten (OLG Düsseldorf OLGSt. Nr. 39 zu § 56f). bb) Weisungen nach § 56d. In Nr. 2 besonders aufgeführt ist der Weisungsverstoß, 2 2 dass sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht. Der Verurteilte muss durch sein Verhalten wiederholt oder auf längere Dauer bewirken, dass der Bewährungshelfer keinen Einfluss auf ihn ausüben kann. Abgesehen von den Fällen, in denen der Verurteilte seinen Aufenthalt gegenüber dem Bewährungshelfer verborgen hält, setzt hier Beharrlichkeit regelmäßig voraus, dass der Bewährungshelfer sich aktiv um den Verurteilten bemüht hat (OLG Hamm Beschl. vom 25.10.2004 3 Ws 550/04). Auch hier gilt, dass die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers zulässig gewesen sein muss. c) Bedeutung für die Prognose. Sowohl beim gröblichen als auch beim beharrlichen Weisungsverstoß verlangt das Gesetz, dass das Verhalten des Verurteilten Anlass zu der Besorgnis gibt, er werde erneut Straftaten begehen. Hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass der Weisungsverstoß für sich allein noch keine ungünstige Prognose rechtfertigt.25 Vielmehr hat das Gericht eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und dabei vor allem auch die Gründe zu würdigen, die den Verurteilten zu seinem Verstoß veranlasst haben (OLG Düsseldorf StV 1983 70). Nur wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass weitere Straftaten vom Verurteilten zu besorgen sind, deretwegen er zur Verantwortung gezogen werden kann (KG JR 1983 423; OLG Stuttgart NJW 1985 1299), liegen die Widerrufsvoraussetzungen vor. Die Besorgnis neuer Straftaten ist auch unbegründet, wenn die Weisungsverstöße nicht den Schluss auf eine kriminelle Neigung zulassen, sondern ihre Ursache in bloßer Nachlässigkeit oder in einer Trotzhaltung des Verurteilten finden (OLG Düsseldorf StV 1983 70; Frank MDR 1982 355 f). Die neu zu stellende Prognose hat sich an den ursprünglichen Voraussetzungen des § 56 oder des § 57 auszurichten. Welche Wirkungen der bevorstehende Strafvollzug haben wird, muss außer Betracht bleiben (vgl. Terhorst MDR 1973 864).
23
3. Verstoß gegen Auflagen (Satz 1 Nr. 3) a) Auflage. Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 bezieht sich auf Auflagen im Sinne des § 56b. Für sie gilt sinngemäß, was zu den Weisungen ausgeführt ist (Rdn. 17 und 18). Insbesondere ist auch bei Bewährungsverstößen dieser Art die Zulässigkeit der erteilten Auflage eine von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung für den Widerruf (OLG Frankfurt NStZ-RR 1997 2, 3; OLG Schleswig SchlHA 1995 16, 17; OLG Zweibrücken NStZ 1992 84, 85 mit Anm. Ostendorf).
24
b) Art des Verstoßes. Der Verstoß gegen die Auflage muss - ebenso wie bei Weisungen - gröblichen oder beharrlichen Charakter tragen. Gröblichkeit setzt einen objektiv
25
24
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OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 91, 92; OLG Hamburg NStZ 1992 301; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2 0 0 2 166; vgl. auch OLG Düsseldorf StV 1986 25. OLG Düsseldorf OLGSt. Nr. 3 9 zu § 56f;
OLG Schleswig SchlHA 1995 16, 17; OLG Karlsruhe GA 1975 2 4 3 ; OLG Hamm MDR 1976 5 0 5 ; LG Hamburg MDR 1976 9 4 6 ; Frank MDR 1982 355; Tröndle Justiz 1976 88, 89.
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§56f
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
erheblichen Verstoß voraus, der dem Verurteilten auch in subjektiver Hinsicht vorwerfbar ist, wobei Fahrlässigkeit ausreicht (OLG Hamburg NStZ-RR 2 0 0 4 364). Ist sich der Verurteilte der Gröblichkeit seiner Zuwiderhandlung nicht bewusst gewesen (OLG Hamm GA 1959 59), so kann dieser Umstand gegen die Annahme fehlender Genugtuungswilligkeit sprechen. An einem gröblichen Verstoß fehlt es auch, wenn der Verurteilte die Auflage für unwirksam hält und ihm daraus kein oder nur ein geringer Vorwurf gemacht werden kann. Bei Zuwiderhandlungen gegen Zahlungsauflagen ist Gröblichkeit nur dann gegeben, wenn der Verurteilte im fraglichen Zeitraum (zumindest teilweise) zahlungsfähig war oder seine Zahlungsunfähigkeit selbst verschuldet hatte (OLG Hamburg NStZ-RR 2 0 0 4 364; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997 323; OLG Hamm StV 1993 2 5 9 f). Diese Voraussetzungen sind durch das Gericht im Widerrufsverfahren festzustellen, ohne dass den Verurteilten eine Beweislast trifft (OLG Düsseldorf StV 1995 595; OLG Jena Beschl. vom 20.9.2005 - 1 Ws 358/05). Allerdings werden insoweit nähere Aufklärungsmaßnahmen nur dann erforderlich sein, wenn sich aus dem Akteninhalt, dem Vorbringen des Verurteilten oder sonstigen Umständen des Bewährungsverlaufs Anhaltspunkte für ein fehlendes Zahlungsvermögen als Ursache für den Auflagenverstoß ergeben (so ausdrücklich OLG Düsseldorf VRS 91 115, 116; vgl. ferner die Sachverhaltsgestaltung bei OLG Düsseldorf StV 1995 595 und OLG Hamm StV 1993 2 5 9 f). Beharrlichkeit des Auflagenverstoßes ist im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen in ablehnender Haltung gegeben. 26
c) Bedeutung für die Genugtuung. Bei der Begehung einer Straftat (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2) und bei einem Verstoß gegen Weisungen (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) kann das Fehlverhalten zum Widerruf nur führen, wenn es der bei der Strafaussetzung gestellten günstigen Prognose den Boden entzieht (vgl. Rdn. 1 4 - 1 6 a , 23). Bei einem Verstoß gegen Auflagen (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) kommt es dagegen nicht darauf an, ob sich daraus eine schlechte Prognose für den Verurteilten ergibt. Wesentlich ist vielmehr, ob die mit der Auflage ursprünglich bezweckte Genugtuung für das begangene Unrecht (§ 56b Rdn. 1 - 2 ) durch den Verstoß beeinträchtigt wird. Das ist nach der gesetzlichen Wertung bei Gröblichkeit oder Beharrlichkeit des Verstoßes stets der Fall. Im Bereich der Zuwiderhandlung gegen Auflagen bedarf es daher für die Feststellung der Widerrufsvoraussetzungen keiner weitergehenden Prüfung (OLG Hamburg NStZ-RR 2 0 0 4 364, 365).
Π. Das Absehen vom Widerruf (Absatz 2) 27
Liegt eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 vor, so ist damit der Widerruf der Strafaussetzung noch nicht zulässig. Das Gericht hat vielmehr vom Widerruf abzusehen, wenn minder schwere Maßnahmen ausreichen, um die mit den bisherigen Anordnungen verfolgten Zwecke (Spezialprävention und/oder Genugtuung für begangenes Unrecht) zu erreichen. Absatz 2 stellt insofern eine gesetzlich normierte Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. 26 Seine Anwendung setzt stets voraus, dass eine der Widerrufsvoraussetzungen des Absatzes erfüllt ist. 27 Andernfalls können ergänzende Anordnungen der Bewährungsaufsicht nur unter den Voraussetzungen des § 56a Abs. 2 Satz 2 (vgl. dort Rdn. 4 - 5 ) und § 56e (vgl. dort Rdn. 3 - 7 ) erfolgen.
26
OLG Düsseldorf StV 2 0 0 0 563, 564; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 185; OLG Düsseldorf StV 1994 198.
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OLG Zweibrücken NStZ 1993 510, 511; OLG Düsseldorf JMB1NW 1995 248, 249; Stree NStZ 1992 153, 160; Horn JR 1981 5.
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Widerruf der Strafaussetzung
§56f
1. Maßnahmen im Bereich der Spezialprävention. Hat der Verurteilte eine Straftat begangen oder gegen Weisungen verstoßen (Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 2), so kommt Absatz 2 zur Anwendung, wenn die erneut zu stellende Legalprognose an sich ungünstig ausfällt, nach Ansicht des Gerichts jedoch durch die hinzugedachte Wirkung minder schwerer Maßnahmen noch in ausreichender Weise positiv beeinflussbar ist. 2 8 Vom Widerruf ist daher abzusehen, wenn hierdurch inzwischen aufgebaute soziale und berufliche Bindungen des Verurteilten zerstört würden, die zusammen mit minder schweren Maßnahmen der Bewährungsaufsicht eine erfolgreiche Wiedereingliederung versprechen. 29 Dies gilt insbesondere bei rückfälligen, aber mittlerweile therapiebereiten Drogenabhängigen, 30 deren Behandlungserfolg unter Berücksichtigung der bisherigen Suchtkarriere nicht gänzlich ungewiss ist. 31 Als Maßnahmen zur Unterstützung einer straffreien Lebensführung kommen regelmäßig Weisungen in Kombination mit einer Verlängerung der Bewährungs- und/oder Unterstellungszeit in Betracht.
28
Strengere Anforderungen an die Prognose als in den Ausgangsfällen der § § 5 6 und 57 dürfen bei der Anwendung des Absatzes 2 nicht gestellt werden. 32 Umgekehrt bietet die Vorschrift keine Grundlage für ein Absehen vom Widerruf, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen und die noch zur Verfügung stehenden minder schweren Maßnahmen zur hinreichenden Einwirkung auf den Verurteilten nicht ausreichen. In solchen Fällen kann auf den Widerruf weder aufgrund allgemeiner Erwägungen zur Wirkung des zu erwartenden Strafvollzugs auf den Verurteilten bzw. seine Angehörigen 33 noch aufgrund übergeordneter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte 34 verzichtet werden.
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2. Maßnahmen im Bereich der Genugtuung für begangenes Unrecht. Im Falle eines Auflagenverstoßes (Absatz 1 Satz 1 Nr. 3) sind unter Verzicht auf den Widerruf weitere Auflagen zu erteilen (Absatz 2 Satz 1 Nr. 1), wenn diese dem beeinträchtigten Genugtuungszweck gleichwertig Rechnung tragen und zu erwarten ist, dass der Verurteilte ihnen in Zukunft nachkommen wird. Erforderlichenfalls muss die Maßnahme mit einer Verlängerung der Bewährungszeit (Absatz 2 Satz 1 Nr. 2) gekoppelt werden, um die Überwachung der Auflagenerfüllung sicher zu stellen. Das Gericht ist aber auch nicht gehindert, auf den als gröblich oder beharrlich festgestellten Auflagenverstoß ausschließlich mit einer Verlängerung der Bewährungszeit zu reagieren, wenn dies zur Zeit der Entscheidung ausreichend erscheint, weil der Verurteilte die Auflage unter dem Eindruck des drohenden Widerrufs zwischenzeitlich doch noch erfüllt hatte (OLG Ham-
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Dazu eingehend, insbesondere zum Verhältnis der Absätze 1 und 2 zueinander Horn JR 1981 5, 7; ferner OLG Stuttgart StV 2 0 0 3 346 f; OLG Nürnberg StV 1998 213, 214; OLG Schleswig NJW 1980 2 3 2 0 m. Anm. Schöch JR 1981 164. OLG Düsseldorf StV 1994 198; OLG Düsseldorf StV 1994 200; OLG Düsseldorf NStZRR 1996 185. OLG Düsseldorf OLGSt. Nr. 31 zu § 56f; OLG Düsseldorf StV 1998 216 (LS); OLG Düsseldorf StV 1994 199 f und 2 0 0 . Einschränkend daher OLG Nürnberg NStZ-RR 2 0 0 2 365, 366; KG Berlin Beschl. v. 10.1.2002 - 5 Ws 7 0 7 - 7 0 9 / 0 1 ; OLG Hamm Beschl. v. 30.11.1992 - 2 Ws 3 5 6 -
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3 5 8 / 9 2 ; OLG Jena Beschl. v. 19.6.2006 1 Ws 2 0 3 / 0 6 . OLG Karlsruhe Justiz 1980 4 4 6 ; OLG Schleswig NJW 1980 2 3 2 0 m. Anm. Schöch JR 1981 164; Horn JR 1981 5, 7; Meynert MDR 1974 808; aA OLG Bremen M D R 1974 593. OLG Hamm Beschl. v. 16.10.1992 - 2 Ws 2 9 7 / 9 2 ; OLG Düsseldorf VRS 9 4 4 4 5 f; Stree NStZ 1992 1 5 3 , 1 5 8 ; aA OLG München StraFo 2 0 0 3 315. Ebenso OLG Oldenburg NStZ-RR 2 0 0 6 189, 190; Fischer Rdn. 14 a.E.; aA OLG Zweibrücken MDR 1989 4 7 7 ; Stree NStZ 1992 153, 159; vgl. ferner OLG Nürnberg StV 2 0 0 1 411, 412.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
burg NStZ-RR 2004 364, 365). Maßgeblich hierfür ist die Erwägung, dass der Gesetzgeber einerseits schon den Auflagenverstoß als solchen ausdrücklich sanktioniert hat (Absatz 1 Satz 1 Nr. 3), andererseits in Absatz 2 aus Verhältnismäßigkeitsgründen die Anordnung minder schwerer Maßnahmen vorschreibt, sofern diese geeignet sind, die mit dem Auflagenverstoß verbundene Beeinträchtigung des Genugtuungsinteresses a b zugleichen. Dass eine Verlängerung der Bewährungszeit hierbei nur mit spezialpräventiver Zielrichtung erfolgen darf, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik des Gesetzes. Anderes gilt indes für die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 genannten Weisungen, denen naturgemäß keine Genugtuungs-, sondern ausschließlich Resozialisierungsfunktion zukommt und die daher als Reaktion auf einen Auflagenverstoß nicht in Betracht kommen. 31
Bei prognosebezogenen Widerrufsgründen (Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2) ist eine Auflagenanordnung als minder schwere Maßnahme nur ausnahmsweise zulässig. Sie setzt voraus, dass das Verhalten des Verurteilten nicht nur dessen Sozialprognose gefährdet, sondern zugleich auch das Genugtuungsbedürfnis speziell im Hinblick auf die ursprünglich abgeurteilte Straftat beeinträchtigt. Dies mag der Fall sein, wenn der Verurteilte zeitnah zur Strafaussetzungsentscheidung eine einschlägige Straftat begeht, die hinsichtlich ihres Unwertgehalts und ihrer Schwere mit dem durch die Bewährungsstrafe geahndeten Delikt vergleichbar ist (offen gelassen bei OLG Hamm JMB1NW 1996 238, 239; aA OLG Schleswig SchlHA 1995 16, 17). Abgesehen von diesen Ausnahmefällen verbietet die durch § 56b Abs. 1 begrenzte Zielrichtung der Auflagen eine Anordnung, die ausschließlich den Zweck verfolgt, auf den Verurteilten disziplinierend einzuwirken oder ihn für bewährungsbrüchiges Verhalten zu sanktionieren (vgl. hierzu bereits § 56e Rdn. 7). 3. Sonderprobleme bei Verlängerung der Bewährungszeit
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a) Zulässige Höchstdauer. Kommt zur Vermeidung des Widerrufs eine Verlängerung der Bewährungszeit in Betracht, so darf diese gemäß Absatz 2 Satz 2 „nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit" erfolgen. Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist deren Spannungsverhältnis zu § 56a Abs. 2 Satz 2 zu berücksichtigen, der eine Verlängerung der Bewährungszeit schon bei Anlässen unterhalb der Widerrufsschwelle (vgl. § 56a Rdn. 4 - 5 ) ohne zeitliche Begrenzung zulässt, soweit hierdurch das gesetzliche Höchstmaß von fünf Jahren nicht überschritten wird.
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§ 56f Abs. 2 enthielt in der Fassung des 20. StrRÄndG den Halbsatz „das Höchstmaß der Bewährungszeit (§ 56a Abs. 1 Satz 2) kann überschritten werden, jedoch darf in diesem Falle die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte verlängert werden". Diese Formulierung, die das Verhältnis der Vorschrift zu § 56a Abs. 2 Satz 2 noch ausdrücklich regelte, ist bei der Neufassung des § 56f Abs. 2 durch das 23. StrRÄndG in Wegfall gekommen. Dass der Gesetzgeber hierbei allerdings tatsächlich eine inhaltliche Änderung beabsichtigte, lässt sich den diesbezüglichen Materialien nicht entnehmen (eingehend hierzu Dölling NStZ 1989 345, 346). Es wäre auch nicht sinnvoll, allgemein eine Verlängerung der Bewährungszeit vor deren Ablauf bis auf fünf Jahre zu gestatten (§ 56a Abs. 2), aber gerade in den besonderen Fällen, bei denen wegen erheblicher Verfehlungen des Verurteilten sogar ein Widerruf der Strafaussetzung in Betracht kommt, die Möglichkeit der Verlängerung innerhalb dieser Höchstfrist noch zusätzlichen Beschränkungen zu unterwerfen (Gribbohm LK 1 1 Rdn. 32). Eine derart enge Auslegung des § 56f Abs. 2 Satz 2 (vgl. OLG Zweibrücken StV 1987 351, 352; LG Kiel NStZ 1988 501 f; Kusch Anm. zu OLG Oldenburg NStZ 1988 502) hat sich infolge dessen zu Recht nicht durch-
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Widerruf der Strafaussetzung
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setzen können. Nach ganz überwiegender Ansicht 35 ist die Vorschrift vielmehr nach wie vor in dem durch das 20. StrRÄndG ausgedrückten Sinne zu verstehen. Für die einzelnen Fallgestaltungen denkbarer Verlängerungsentscheidungen hat sich folgender Meinungsstand herausgebildet: aa) Verlängerung bis zu fünf Jahren. Da § 56f Abs. 2 Satz 2 die durch § 56a vorgegebene allgemeine Verlängerungsmöglichkeit bis zur gesetzlichen Höchstfrist unberührt lässt und sich nur bei deren Überschreitung einschränkend auswirkt, ist die Verlängerung der Bewährungszeit bis zu fünf Jahren zwecks Vermeidung des Widerrufs ohne weiteres zulässig (OLG Celle StV 1987 496; OLG Stuttgart Justiz 1999 142, 143; OLG Stuttgart NStZ 2 0 0 0 478, 479). 3 6 Hierbei darf der einzelne Verlängerungsschritt auch mehr als die Hälfte der zuerst angeordneten Bewährungszeit betragen (OLG Stuttgart Justiz 1999 1 4 2 , 1 4 3 f; OLG Celle NStZ 1991 206; OLG Düsseldorf StV 1990 118). 37 Eine ursprünglich kurze Bewährungszeit von zwei oder drei Jahren kann daher in mehreren Schritten, aber erforderlichenfalls ausnahmsweise auch durch eine einzige Entscheidung, bis auf fünf Jahre verlängert werden.
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bb) Verlängerung über fünf Jahre hinaus. Nach der herrschenden Meinung darf eine Bewährungszeitverlängerung, die den ansonsten drohenden Widerruf vermeiden soll, auch über das in § 56a vorgesehene Höchstmaß von fünf Jahren hinausgehen, wobei allerdings § 56f Abs. 2 Satz 2 für diese Fälle seine einschränkende Wirkung entfaltet (OLG Hamm NStZ 1988 291, 292 m. Anm. Funck NStZ 1989 46). 3 8 Zu welchem „absoluten Höchstmaß" dann aber die Begrenzung auf nicht mehr als die Hälfte „der zunächst bestimmten Bewährungszeit" führt, wird wiederum nicht einheitlich beantwortet.
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Einige Entscheidungen orientieren sich stets an dem durch § 56a vorgegebenen Regelhöchstmaß von fünf Jahren und halten dessen Überschreitung um die Hälfte der ursprünglich (im ersten Bewährungsbeschluss) bestimmten Bewährungszeit für zulässig (OLG Celle StV 1990 117, 118; OLG Frankfurt StV 1989 25; OLG Hamburg NStZ-RR 1999 330, 332). 3 9 Eine innerhalb der Grenzen des § 56a auf zunächst fünf Jahre verlängerte Bewährungszeit von ursprünglich zwei Jahren kann danach erneut bis auf maximal sechs Jahre, eine solche von ursprünglich drei Jahren bis auf maximal sechseinhalb Jahre verlängert werden. Zu einer noch weiteren Ausdehnung der Verlängerungsmöglichkeiten kommt die Ansicht, die auch bei Anwendung der „Hälftenregelung" ausschließlich auf das Regelhöchstmaß abstellt und daher in allen Fällen - unabhängig von der Dauer der ursprünglich festgesetzten Bewährungszeit - eine Verlängerung bis auf maximal sieben-
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Nachweise zum Meinungsstand s. bei Rdn. 3 4 - 3 8 . OLG Celle StV 1987 4 9 6 f; OLG Braunschweig StV 1989 25; OLG Hamm JMB1NW 1987 6; OLG Düsseldorf StV 1990 118; OLG Düsseldorf StV 1996 218; OLG Düsseldorf OLGSt. Nr. 3 0 zu § 56f; OLG Jena OLGSt. Nr. 4 6 zu § 56f; Dolling NStZ 1989 345, 3 4 6 f; Maatz MDR 1988 1017, 1020. Sch/Schröder/Stree Rdn. 10a; aA OLG Zweibrücken JR 1988 30 f m. Anm. Horn. OLG Oldenburg NStZ 1988 5 0 2 m. abl. Anm. Kusch; OLG Stuttgart Justiz 1999 142,
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143; OLG Stuttgart NStZ 2 0 0 0 478, 4 7 9 ; OLG Braunschweig StV 1989 2 5 ; OLG Frankfurt StV 1989 2 5 ; OLG Schleswig SchlHA 1988 31; OLG Hamburg NStZ-RR 1999 330, 331; OLG Hamm Beschl. v. 7.11.1991 - 2 Ws 4 2 / 9 1 ; OLG Hamm Beschl. v. 2 0 . 2 . 1 9 9 2 - 2 Ws 5 1 / 9 2 ; Dölling NStZ 1989 345, 3 4 6 f; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10a. OLG Hamm NStZ 1988 291, 2 9 2 m. Anm. Funck NStZ 1989 4 6 ; OLG Jena OLGSt. Nr. 4 6 zu § 56f; Dölling NStZ 1989 345, 3 4 7 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
einhalb Jahre für zulässig hält (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 185). 40 Beiden Berechnungsweisen ist entgegenzuhalten, dass § 56f Abs. 2 Satz 2 mit seinen Begriffen „Bewährungszeit" und „zunächst bestimmte Bewährungszeit" an die jeweils im Einzelfall festgelegte Dauer, nicht aber an das Regelhöchstmaß anknüpft (vgl. Gribbohm LK 11 Rdn. 30). Eine starre Orientierung am Regelhöchstmaß des § 56a wird vermieden, wenn man für die Höchstmaßberechnung auf die letzte, zur Überschreitung der Fünfjahresfrist führende Verlängerung abstellt und deren zulässige Reichweite auf die Hälfte der ursprünglich bestimmten Bewährungszeit beschränkt. Eine derartige Handhabung ist aber schon deshalb abzulehnen, weil sie - wie die hierzu ergangenen Entscheidungen (OLG Hamm Beschl. vom 7.11.1991 - 2 Ws 42/91 - und Beschl. vom 20.2.1992 - 2 Ws 51/92) zeigen zu eher zufälligen Ergebnissen führt. Hält nämlich das Gericht bei einer schon von drei auf vier Jahre verlängerten Bewährungszeit eine nochmalige Verlängerung über fünf Jahre hinaus für erforderlich, so läge das „absolute Höchstmaß" bei fünfeinhalb Jahren; eine zunächst von drei auf fünf Jahre verlängerte Bewährungszeit könnte hingegen nochmals auf bis zu sechseinhalb Jahre verlängert werden.
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Nach einer im Vordringen begriffenen Ansicht ermöglicht § 56f Abs. 2 Satz 2 eine Überschreitung der fünfjährigen Regelhöchstdauer nur bis zum Eineinhalbfachen der ursprünglich (im ersten Bewährungsbeschluss) bestimmten Bewährungszeit (Gribbohm LK 11 Rdn. 34; ihm folgend OLG Hamm NStZ-RR 2000 346, 347; OLG Stuttgart NStZ 2000 478, 479). 4 1 Die Vorschrift ist bei dieser Betrachtungsweise für ursprüngliche Bewährungszeiten von bis zu drei Jahren und vier Monaten ohne Bedeutung, da bei diesen das Eineinhalbfache die fünfjährige Regelhöchstdauer nicht überschreitet, in deren Rahmen schon im Hinblick auf § 56a ohnehin verlängert werden kann. Nur im Falle einer ursprünglichen Bewährungszeit von mehr als drei Jahren und vier Monaten erlaubt § 56f Abs. 2 Satz 2 eine Verlängerung über fünf Jahre hinaus, aber insgesamt höchstens um die Hälfte. Nach dieser Ansicht kann daher eine zunächst vierjährige Bewährungszeit auf maximal sechs und eine zunächst fünfjährige Bewährungszeit bis auf siebeneinhalb Jahre verlängert werden, während es bei den kurzen Bewährungszeiten von zwei oder drei Jahren mit der Verlängerungsmöglichkeit bis zur Regelhöchstdauer von fünf Jahren sein Bewenden haben muss.
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Dieser Auslegung des § 56f Abs. 2 Satz 2 ist der Vorzug zu geben. Sie gewährleistet eine in Relation zur ursprünglichen Anordnung angemessene Verlängerungsmöglichkeit und vermeidet die Entstehung überlanger Bewährungszeiten, an denen schon aus praktischen Erwägungen im Gesamtzusammenhang des § 56f kein Interesse besteht. Wer sich in einer zunächst zwei- oder dreijährigen und sodann - regelmäßig in mehreren Schritten bis auf fünf Jahre verlängerten Bewährungszeit nicht bewährt hat, wird im Zweifel auch durch eine nochmalige Verlängerung nicht wirkungsvoll zu beeindrucken sein. Die hier vertretene enge Interpretation des § 56f Abs. 2 Satz 2 lässt sich auch mit dem Wortlaut der Vorschrift unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte (s. Rdn. 33) am besten vereinbaren und steht im Einklang mit den Materialien zum 20. StrRÄndG, aus denen sich ergibt, dass dem Gesetzgeber bereits damals für ursprünglich vierjährige Bewährungszeiten eine Verlängerungsmöglichkeit bis auf maximal sechs Jahre vorschwebte (BTDrucks. 8/3857 S. 12).
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Im Ergebnis ebenso O L G Düsseldorf OLGSt. Nr. 3 0 zu § 5 6 f , allerdings unter Annahme einer Beschränkung auf die Hälfte der ursprünglich festgesetzten Bewährungszeit
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für den jeweils einzelnen Verlängerungsschritt. Fischer Rdn. 17; vgl. ferner bereits Funck Anm. zu O L G H a m m N S t Z 1 9 8 9 4 6 .
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Widerruf der Strafaussetzung
cc) Rechtsfolgen einer Ausschöpfung der Höchstdauer. Stellt das Gericht bei vorlie- 4 0 gendem Widerrufsgrund fest, dass eine - nochmalige - Verlängerung der Bewährungszeit wegen der gesetzlichen Begrenzung ihrer Gesamtdauer nicht mehr zulässig ist und dass weitere Auflagen oder Weisungen innerhalb der noch verbleibenden Bewährungszeit zur hinreichenden Einwirkung auf den Verurteilten nicht ausreichen, so ist die Strafaussetzung zu widerrufen. Zur Ausnahmekonstellation einer Entscheidung nach Ablauf der Bewährungszeit vgl. Rdn. 43. b) Verlängerung nach Ablauf der Bewährungszeit. Zur Vermeidung des Widerrufs ist 41 die Verlängerung der Bewährungszeit - anders als in den Fällen des § 56a Abs. 2 Satz 2 auch noch nach deren Ablauf möglich 42 (zu Einschränkungen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vgl. Rdn. 50). Hierüber besteht Einigkeit, nachdem der Gesetzgeber mit dieser Zielsetzung (BTDrucks. 8/3857 S. 12) anlässlich des 20. StrRÄndG den in § 56f Abs. 2 zuvor noch enthaltenen Klammerverweis auf § 56a gestrichen hat. Für die zulässige Höchstdauer gelten die Ausführungen der Rdn. 3 4 - 4 0 . Eine ursprünglich zweijährige Bewährungszeit kann daher auch nach ihrem Ablauf auf bis zu fünf Jahre verlängert werden (OLG Stuttgart Justiz 1999 142, 143 f; OLG Celle NStZ 1991 206; OLG Düsseldorf StV 1996 218). 4 3 Die Gegenansicht, die eine Verlängerung nach Ablauf der Bewährungszeit (als Ausnahme von § 56a) nur in unmittelbarem Rückgriff auf § 56f Abs. 2 Satz 2 zulässt und daher stets auf die Hälfte der ursprünglichen Bewährungsfrist beschränkt (Gribbohm LK 11 Rdn. 39; ihm folgend OLG Celle Beschl. vom 20.12.2001 2 Ws 311/01; vgl. Maatz MDR 1988 1017, 1018, 1020), ist abzulehnen. Der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hängt nämlich oft nur vom Zufall ab und stellt daher kein geeignetes Differenzierungskriterium für die zulässige Reichweite der in Betracht kommenden Verlängerung dar. Nach ganz herrschender Meinung beginnt die nach Ablauf der ursprünglichen Be- 4 2 Währungszeit angeordnete Verlängerung nicht „ex nunc", also erst mit Erlass der Verlängerungsentscheidung (so aber OLG Bamberg NStZ-RR 2006 326, 327; Horn NStZ 1986 356; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10). Sie schließt sich vielmehr rückwirkend unmittelbar an den Ablauf der ursprünglich geltenden Bewährungszeit an (OLG Zweibrücken StV 1987 351, 352; OLG Celle NStZ 1991 206; OLG Schleswig NStZ 1986 363). 4 4 Die Berechnung der Gesamtdauer erfolgt hiernach ebenso wie bei einer Verlängerung vor Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit. Zugleich kann nur auf diese Weise das unzuträgliche Ergebnis vermieden werden, dass der Verurteilte noch lange Zeit nach Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung einer zwischenzeitlich - unter Umständen mehrfach - „unterbrochenen" Bewährungsaufsicht unterliegt. Infolge dessen sind die
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OLG Celle StV 1990 117; OLG Celle Beschl. v. 20.12.2001 - 2 Ws 311/01; OLG Stuttgart Justiz 1 9 9 9 142; OLG Düsseldorf NStZ 1994 559; OLG Düsseldorf StV 1996 218; OLG Karlsruhe Justiz 1982 4 3 7 ; OLG Hamm JMB1NW 1982 57; OLG Schleswig NStZ 1986 363; OLG Zweibrücken StV 1987 351 f; Dötting NStZ 1 9 8 9 345, 3 4 8 ; Fischer Rdn. 16; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10; vgl. aber auch Frank MDR 1982 353, 359 f; abw. Hein NStZ 1983 2 5 2 . Sch/Schröder/Stree Rdn. 10a.
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OLG Celle StV 1990 117, 118; OLG Celle Beschl. v. 2 0 . 1 2 . 2 0 0 1 - 2 Ws 311/01; OLG Stuttgart Justiz 1 9 9 9 142, 144; OLG Stuttgart Justiz 1998 131, 132; OLG Hamm Beschl. v. 7.11.1991 - 2 Ws 42/91; OLG Hamm Beschl. v. 2 4 . 4 . 1 9 9 2 - 2 Ws 1 1 6 118/92; OLG Hamburg OLGSt. Nr. 41 zu § 56f; OLG Nürnberg Beschl. v. 4.10.1996 Ws 1132/96; OLG Düsseldorf NStZ 1994 559; OLG Zweibrücken NStZ 1993 510; OLG Rostock Beschl. v. 5 . 1 0 . 2 0 0 4 - 1 Ws 4 3 0 / 0 4 ; Dölling NStZ 1 9 8 9 345, 348.
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im Folgenden geschilderten Nachteile der Rückwirkung des Verlängerungsbeschlusses in Kauf zu nehmen. 43
aa) Ablauf der höchstzulässigen Bewährungsdauer im „Rückwirkungszeitraum". Ziehen sich die Ermittlungen zum Widerrufsgrund in die Länge (was insbesondere dann häufig der Fall ist, wenn das Gericht die neuerliche Straffälligkeit des Verurteilten erst nach Rechtskraft der diesbezüglichen Verurteilung feststellen kann, vgl. oben Rdn. 6 ff), so kann die Entscheidung über die widerrufsersetzende Maßnahme einer Verlängerung der Bewährungszeit erst geraume Zeit nach deren Ablauf erfolgen. Da der bis dahin verstrichene Zeitraum in die Gesamtberechnung der Bewährungsdauer einbezogen wird, ist unter Umständen ein geraumer Teil der höchstzulässigen Bewährungszeit bereits von der Rückwirkung des Verlängerungsbeschlusses umfasst, so dass dieser nur noch für einen geringen Zeitraum in die Zukunft weisende Möglichkeiten der Einwirkung auf den Verurteilten bieten kann. Manchmal ist die einer Verlängerung noch zugängliche Gesamtbewährungsdauer im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sogar schon abgelaufen. In solchen Fällen kommt ein Widerruf der Strafaussetzung nicht mehr in Betracht, und die Strafe ist nach § 56g Abs. 1 Satz 1 zu erlassen (OLG Celle StV 1990 117, 118; OLG Düsseldorf NStZ 1994 559). 45 Dies stellt keine unbotmäßige Privilegierung des bewährungsbrüchigen Verurteilten dar (eingehend hierzu OLG Zweibrücken StV 1987 351, 352), denn der Erlass setzt in dieser Ausnahmekonstellation stets voraus, dass die Verlängerung der Bewährungszeit vor ihrem Ablauf noch möglich gewesen wäre und grundsätzlich zur Einwirkung auf den Verurteilten auch nach wie vor ausreichen würde, dass ihre Anordnung daher ausschließlich an dem späten Zeitpunkt der Entscheidung scheitert, mithin an einem Umstand, der dem Verurteilten nicht zur Last gelegt werden kann.
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bb) Verfehlungen des Verurteilten im „Rückwirkungszeitraum". Die Zulässigkeit einer Verlängerung der Bewährungszeit nach ihrem Ablauf wirft weiterhin die Frage auf, ob Straftaten oder Weisungsverstöße zur Grundlage eines Widerrufs gemacht werden können, die der Verurteilte nach dem Ablauf der Bewährungszeit, aber vor Erlass bzw. Bekanntgabe des Verlängerungsbeschlusses begangen hat (vgl. Frank MDR 1982 360). Zwar handelt es sich infolge der Rückwirkung des Verlängerungsbeschlusses rechtlich um einen Verstoß „in der Bewährungszeit". Da letzterer Umstand dem Verurteilten zur Tatzeit aber noch nicht bewusst ist, darf der Verfehlung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten regelmäßig keine „bewährungsrelevante Bedeutung" beigemessen werden (OLG Düsseldorf StV 1994 382; OLG Schleswig SchlHA 2003 183 f; OLG Hamm StV 1998 215). 46 Dies gilt nach richtiger Ansicht (OLG Hamburg OLGSt. Nr. 41 zu § 56f; OLG Brandenburg StraFo 2004 214; OLG Düsseldorf OLGSt. Nr. 45 zu § 56f) 4 7 indes nicht, wenn der Verurteilte vor der neuen Verfehlung gerichtlicherseits im Rahmen der Bewährungsaufsicht bereits über die Möglichkeit einer späteren Verlängerung der Bewährungszeit informiert worden war (zum verfassungsrechtlichen Aspekt s. BVerfG StV 1996 160 m. Anm. Lammer). In diesen Fällen besteht für einen Vertrauensschutz zu Gunsten des
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OLG Celle NStZ 1991 206; OLG Celle StraFo 2002 413; OLG Celle Beschl. v. 20.12.2001 - 2 Ws 311/01 = StV 2003 345 (LS); OLG Zweibrücken StV 1987 351, 352; OLG Schleswig NStZ 1986 363; OLG Koblenz Beschl. v. 21.6.2006 - 1 Ws 379/06; OLG Nürnberg Beschl. v. 4.10.1996 - Ws 1132/96.
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OLG Köln JMB1NW 2006 139 f; OLG Schleswig NStZ 1986 363; OLG Stuttgart Justiz 1998 131, 133; OLG Zweibrücken NStZ 1993 510; KG Berlin StV 1986 165; OLG Hamm Beschl. v. 24.4.1992 - 2 Ws 116-118/92; Dötting NStZ 1989 345, 348. Vgl. ferner bereits OLG Stuttgart Justiz 1998 131, 133.
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Widerruf der Strafaussetzung
§56f
Verurteilten kein Anlass, da er zur Tatzeit damit rechnen musste, dass die neuerliche Verfehlung für das laufende Bewährungsverfahren trotz des Ablaufs der bislang geltenden Bewährungszeit noch Konsequenzen haben könne. Entsprechendes wird zu gelten haben, wenn der Verurteilte eine Kenntnisnahme vom Verlängerungsbeschluss schuldhaft vereitelt, indem er seine Wohnsitzwechsel weisungswidrig nicht mitteilt und für das Gericht nicht mehr erreichbar ist (OLG München NStZ 1999 638).
ΙΠ. Die Entscheidung über den Widerruf oder ihn ersetzende Maßnahmen 1. Voraussetzungen. Der Widerruf oder - falls ausreichend - eine ihn ersetzende Maßnahme nach Absatz 2 ist nur zulässig, wenn ein Widerrufsgrund im Sinne des Absatzes 1 vorliegt (Rdn. 2 ff, 17 ff, 24 ff). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Bewährungsverstoß, der in der Vergangenheit bereits Anlass für eine gerichtliche Maßnahme nach Absatz 2 war, „verbraucht" ist und daher als alleinige Grundlage für eine spätere Entscheidung nicht mehr zur Verfügung steht (OLG Frankfurt NStZ-RR 1997 2, 3), es sei denn, er ist erst nachträglich bekannt geworden (OLG Hamburg M D R 1980 600, 601; OLG Düsseldorf wistra 1991 151). Hat das Gericht über einen bislang „unverbrauchten" Widerrufsgrund zu befinden, so darf es frühere Maßnahmen nach Absatz 2 und die ihnen zugrunde liegenden Bewährungsverstöße bei der für die Prognose bedeutsamen Beurteilung des bisherigen Bewährungsverlaufs natürlich mit berücksichtigen.
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Kommt es für die Beurteilung der Widerrufsvoraussetzungen auf gerichtliche VorentScheidungen zur Strafaussetzung an, die der materiellen Rechtskraft nicht fähig sind, so ist deren Rechtmäßigkeit im Widerrufsverfahren inzidenter mitzuprüfen, denn die Entscheidung gemäß § 56f darf nur auf rechtlich einwandfreier Grundlage erfolgen. Der Widerruf wegen eines Weisungs- oder Auflagenverstoßes setzt daher die Gesetzmäßigkeit der zugrunde liegenden Weisung bzw. Auflage voraus (vgl. Rdn. 18, 24). Bei einem innerhalb verlängerter Bewährungszeit begangenen Bewährungsverstoß scheiden Maßnahmen nach § 56f aus, wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verlängerungsbeschluss nicht hätte ergehen dürfen (OLG Zweibrücken NStZ 1993 510 f; OLG Hamm NStZ-RR 2 0 0 0 346 f; vgl. ferner OLG Hamburg OLGSt. Nr. 41 zu § 56 f, zugleich auch zur Vorgehensweise bei mehrfacher Verlängerung der Bewährungszeit).
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Mängel der Belehrung gemäß § 268a Abs. 3 StPO schließen den Widerruf oder ihn ersetzende Maßnahmen nicht grundsätzlich aus, denn der Verurteilte verbindet mit dem Begriff „Bewährung" regelmäßig schon nach allgemeinem Sprachgebrauch die sichere Vorstellung, im Falle eines künftigen Fehlverhaltens mit Konsequenzen rechnen zu müssen (BVerfG NJW 1992 2877; OLG Hamm StV 1992 22 f m. Anm. Budde). Bei der Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen können etwaige Mängel der Belehrung allerdings im Zusammenhang mit der Erwartungsformel (Absatz 1 Satz 1 Nr. 1) oder für die Beurteilung von Intensität bzw. Beharrlichkeit eines Weisungs- oder Auflagenverstoßes Bedeutung gewinnen (OLG Düsseldorf VRS 91 115; vgl. Rdn. 19).
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Liegen die Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung nach § 56f vor, so ist für deren Zurückstellung bis zum Eintritt eines künftigen Ereignisses kein Raum (OLG Düsseldorf NStZ 2 0 0 0 55, 56; OLG Hamburg NStZ-RR 2 0 0 5 221, 222 f; OLG Jena Beschl. vom 19.6.2006 - 1 Ws 203/06). Das Gericht ist insbesondere nicht befugt, die ihm obliegende Prognosebeurteilung aufzuschieben, um zuvor den Verlauf einer in anderer Sache gemäß § 64 StGB oder § 35 BtMG veranlassten Therapie des Verurteilten abzuwarten (so aber OLG Zweibrücken StraFo 1998 140; OLG Celle StV 1998 216). Die diesbezüglichen Entscheidungen entfalten für das Widerrufsverfahren keine präjudizielle Wirkung (Feglau GA 2 0 0 4 288, 292 f). Kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
die in anderer Sache angeordnete oder bereits begonnene Therapie Erfolgsaussichten hat, so werden im Widerrufsverfahren regelmäßig minder schwere Maßnahmen im Sinne von Absatz 2 zur hinreichenden Einwirkung auf den Verurteilten genügen (vgl. Rdn. 28). Ist dies nicht der Fall, so besteht kein Anlass, vom Widerruf der Strafaussetzung zunächst abzusehen, „um den Resozialisierungsprozess in anderer Sache nicht zu gefährden" (so O L G Celle StV 1998 216). 2 . Zeitpunkt der Entscheidung 49
a) Während des Laufs der Bewährungszeit. Maßnahmen gemäß § 5 6 f können erfolgen, sobald die Entscheidung über die Strafaussetzung in Rechtskraft erwachsen ist, das heißt von dem Zeitpunkt an, in dem die Bewährungszeit beginnt (§ 5 6 a Abs. 2 Satz 1). Vor diesem Zeitpunkt kann die Strafaussetzung nur durch ein erfolgreiches Rechtsmittel beseitigt werden, das zu Ungunsten des Angeklagten gegen das Urteil eingelegt wird. Ein Widerruf nach Eintritt der Rechtskraft ist unter den Voraussetzungen des § 5 6 f Abs. 1 Satz 2 allerdings auch möglich wegen einer vor Rechtskrafteintritt begangenen Straftat. Die Regelung lässt sich - auch sinngemäß - nicht auf Verstöße gegen Auflagen und Weisungen anwenden, weil diese Anordnungen erst ab Rechtskraft der Strafaussetzung verbindlich sind.
50
b) Nach Ablauf der Bewährungszeit. Die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung - oder über eine ihn ersetzende Maßnahme nach Absatz 2 - kann nicht nur während der Bewährungszeit, sondern auch noch nach ihrem Ablauf getroffen werden 4 8 (zu den Sonderproblemen bei Verlängerung der Bewährungszeit vgl. bereits Rdn. 41 ff). Eine Ausnahme gilt für den Bewährungswiderruf, wenn die während der Bewährungszeit ruhende (§ 7 9 a Nr. 2b) Vollstreckungsverjährung eingetreten ist. Bei bereits erfolgtem Straferlass ist nach § 56g Abs. 2 zu verfahren. Im Übrigen sind den Maßnahmen gemäß § 5 6 f nach Ablauf der Bewährungszeit nur durch die dem Rechtsstaatsgebot zuzuordnenden Grundsätze der angemessenen Verfahrensbeschleunigung und des Vertrauensschutzes Grenzen gesetzt. Der Widerruf der Strafaussetzung - oder eine andere den Verurteilten belastende Maßnahme nach Absatz 2 - ist daher unzulässig, wenn die Entscheidung im Widerrufsverfahren oder in dem - regelmäßig abzuwartenden - Verfahren zur Feststellung einer für die Widerrufsprüfung relevanten Straftat ungebührlich verzögert wurde und der Verurteilte darauf vertrauen durfte, dass sein Verhalten im Rahmen der Bewährungsaufsicht keine Konsequenzen mehr nach sich ziehen werde (OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 2 142; O L G Karlsruhe StV 2 0 0 1 411; O L G Nürnberg N S t Z - R R 1 9 9 9 1 0 6 ) . 4 9
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OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 2 142; OLG Nürnberg NStZ-RR 1999 106; OLG Oldenburg NdsRpfl. 2 0 0 2 2 7 0 f; OLG Karlsruhe StV 2001 411; OLG Karlsruhe Justiz 1993 387 f; OLG Köln StV 1998 211 f; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997 254; OLG Düsseldorf VRS 90 284; OLG Frankfurt Beschl. v. 15.4. 2 0 0 3 - 3 Ws 361/03; OLG Koblenz MDR 1985 70; OLG Koblenz NStZ 1981 260; OLG Stuttgart Justiz 1982 273; OLG Hamm NStZ 1984 362; vgl. auch BGH NJW 1984 1975. OLG Oldenburg NdsRpfl. 2 0 0 2 270 f; OLG Karlsruhe Justiz 1993 387, 388; OLG Köln StV 1998 211, 212; OLG Düsseldorf
NStZ-RR 1997 254; OLG Düsseldorf VRS 9 0 284; OLG Frankfurt Beschl. v. 15.4.2003 - 3 Ws 361/03; OLG Celle NdsRpfl. 1980 91; OLG Celle StV 1987 30; OLG Koblenz NStZ 1981 260, 261; OLG Koblenz Beschl. v. 21.6.2006 - 1 Ws 379/06; OLG Zweibrücken NStZ 1988 501; OLG Braunschweig StV 1982 72; OLG Stuttgart Justiz 1982 273; OLG Hamm NStZ 1984 362; KG Berlin Beschl. v. 13.3.2006 - 5 Ws 636/05; KG Berlin Beschl. v. 23.6.2006 - 5 Ws 215/06; OLG Jena Beschl. v. 19.6.2006 - 1 Ws 203/06;
Schräder NJW 1973 1832; Frank MDR 1982 360.
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Widerruf der Strafaussetzung
§56f
Bei der diesbezüglichen Prüfung kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Neben den Bearbeitungszeiten der Justiz oder der Strafverfolgungsorgane sind Art, Schwere und Häufigkeit der dem Verurteilten anzulastenden Bewährungsverstöße zu berücksichtigen (OLG Köln StV 1998 211, 212; OLG Frankfurt Beschl. vom 15.4.2003 - 3 Ws 361/03 ). 5 0 Eine feste zeitliche Grenzziehung ist hierbei abzulehnen. 51 Insbesondere scheidet eine analoge Anwendung der für den Widerruf des Straferlasses geltenden Fristenregelung des § 56g Abs. 2 Satz 2 aus, denn diese Vorschrift bezieht ihre Rechtfertigung aus dem Umstand, dass mit der gerichtlichen Erlassentscheidung ein gesetzlich vertypter Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, der in den hier zur Rede stehenden Fallkonstellationen gerade fehlt. S 2 Ein Verurteilter, dessen Verfahren nicht gefördert wurde, weil er untergetaucht war, kann die erst nach Ablauf der Bewährungszeit ergangene Widerrufsentscheidung nicht unter Berufung auf Vertrauensschutz anfechten. Es stellt keine Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes dar, wenn das Gericht in einem solchen Fall von der grundsätzlich gegebenen Möglichkeit einer sofortigen Widerrufsentscheidung mit öffentlicher Zustellung (hierzu Rdn. 65) absieht und statt dessen zunächst durch Erlass eines Sicherungshaftbefehls (§ 453c StPO) darauf hinwirkt, dass der Verurteilte dem Verfahren wieder zur Verfügung steht (OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 2 142; aA OLG Nürnberg NStZ-RR 1999 106 für den Fall eines Widerrufs fünfeinhalb Jahre nach Ablauf der Bewährungszeit).
51
IV. Nebenfolgen des Widerrufs (Absatz 3) 1. Nichterstattung von Leistungen (Satz 1). Wird die Strafaussetzung widerrufen, so werden Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Auflagen (§ 5 6 b Abs. 1 und 2), Anerbieten (§ 56b Abs. 3), Weisungen (§ 56c Abs. 1 bis 3) oder Zusagen (§ 56c Abs. 4) erbracht hat, nicht erstattet (Abs. 3 Satz 1). Unter Leistungen in diesem Sinne sind alle Aufwendungen zu verstehen, die der Verurteilte im Zusammenhang mit der Strafaussetzung gemacht hat, um Auflagen und Weisungen nachzukommen oder Anerbieten und Zusagen zu erfüllen. Die Vorschrift des § 56f Abs. 3 Satz 1 gilt nicht nur im Verhältnis des Verurteilten zur Justizverwaltung; sie wirkt sich auch dahin aus, dass er den Leistungsempfänger (z.B. eine gemeinnützige Einrichtung im Falle des § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) auf Rückgewähr des Geleisteten nicht mit der Begründung in Anspruch nehmen kann, die Strafaussetzung sei widerrufen worden.
52
2. Anrechnung von Leistungen auf die Strafe (Satz 2). Von dem Grundsatz der Nichterstattung (Rdn. 52) macht das Gesetz keine Ausnahme. Es mildert seine Wirkung aber, und zwar für Leistungen zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 sowie von entsprechenden Anerbieten nach § 5 6 b Abs. 3. Zahlungen zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung, sonst gemeinnützige Leistungen oder Zahlungen zugunsten
53
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OLG Stuttgart Justiz 1982 2 7 3 ; OLG Hamm NStZ 1984 362; OLG Koblenz Beschl. v. 2 1 . 6 . 2 0 0 6 - 1 Ws 379/06; OLG Jena Beschl. v. 19.6.2006 - 1 Ws 203/06. OLG Düsseldorf VRS 8 9 35; OLG Düsseldorf VRS 85 2 9 0 ; OLG Frankfurt Beschl. v. 15.4.2003 - 3 Ws 361/03. OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 2 142; OLG
Düsseldorf NStZ-RR 1997 2 5 4 ; OLG Düsseldorf VRS 9 0 2 8 4 ; OLG Düsseldorf VRS 85 2 9 0 ; OLG Frankfurt Beschl. v. 15.4.2003 - 3 Ws 361/03; OLG Celle NdsRpfl. 1980 91; OLG Koblenz NStZ 1981 2 6 0 , 2 6 1 ; Schräder NJW 1973 1832 m.w.N.; aA Sch/Schröder/Stree Rdn. 13.
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§56f
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
der Staatskasse 53 kann das Gericht im Falle des Widerrufs auf die Strafe anrechnen (Absatz 3 Satz 2). Leistungen zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens fallen nicht unter diese Vorschrift, denn sie sind für den Verurteilten wegen ihrer zivilrechtlich befreienden Wirkung nicht „verloren" (OLG Frankfurt NStZ-RR 2004 262; OLG Hamm VRS 106 127, 129). Auch auf Weisungen ist Absatz 3 Satz 2 weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (OLG Hamm Beschl. vom 10.11.1992 - 2 Ws 332/92). 54
a) Ermessen des Gerichts. Die Anrechnung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, und zwar (mit Einschränkungen) sowohl, soweit es um die Frage des Ob geht, als auch hinsichtlich des Maßstabs. Die Ausübung des Ermessens ist ein Akt (nachträglicher) Strafzumessung, welcher der Sache nach das Urteil ergänzt (vgl. § 56 Rdn. 1; BGHSt 36 378, 383 = NStZ 1991 34 mit Anm. Weber) und hier notwendigerweise im Rahmen der Strafvollstreckung zu erfolgen hat. Zum Begriff „Anrechnung" im Fall des § 58 Abs. 2 Satz 2 siehe dort Rdn. 8.
55
b) Das Ob der Anrechnung. Die Anrechnung steht nicht im freien Belieben des Gerichts. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass der Genugtuungszweck der Auflagenerfüllung im Falle des späteren Widerrufs schon durch die Strafvollstreckung erfüllt wird. Das Gericht sollte daher Leistungen, die nicht nur ganz geringfügig sind und die der Verurteilte aus eigenen Mitteln erbracht hat, in der Regel anrechnen (BGHSt 36 378, 381 = NStZ 1991 34 mit Anm. Weber, KG Berlin Beschl. vom 17.1.2002 - 5 Ws 795/01). Bei der Abwägung sind der Widerrufsgrund und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist stets geboten, wenn es unbillig wäre, sie dem Verurteilten zu versagen. Hat sich der Verurteilte die Mittel für seine Leistung durch eine strafbare Handlung verschafft, so kann das Gericht befugt sein, die Anrechnung zu versagen (BGHSt 33 326, 327; BGHSt 36 378, 381 = NStZ 1991 34 mit Anm. Weber; BGHR Anrechnung l ) . 5 4 Eine solche Entscheidung stellt keine verfassungsrechtlich unzulässige Doppelbestrafung dar (vgl. BayVGH NJW 1968 587 für den Fall des Widerrufs einer im Gnadenweg gewährten Strafaussetzung).
56
c) Modalitäten und Maßstab. Das Gesetz schreibt nicht vor, in welcher Form und nach welchem Maßstab Leistungen gemäß Absatz 3 Satz 2 anzurechnen sind, wenn das Gericht von der Anrechnungsmöglichkeit Gebrauch macht. Es liegt nahe, danach zu unterscheiden, ob es sich um Geldleistungen (§ 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 4) oder sonst gemeinnützige Leistungen (§ 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3) handelt. Stets hat sich der Tatrichter bei der Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs an dem Ziel zu orientieren, einen angemessenen Ausgleich dafür zu gewähren, dass die Leistungen nicht erstattet werden (vgl. BGHSt 36 378, 383 = NStZ 1991 34 mit Anm. Weber; BayObLGSt. 1994 134 f). Bezugspunkt dieser Angemessenheitsprüfung kann hierbei nicht nur das gegenwärtige persönliche und wirtschaftliche Interesse des Verurteilten zur Zeit der Entscheidung sein. Zu berücksichtigen ist gerade im Hinblick auf die Genugtuungsfunktion der Auflagen (§ 56b Rdn. 2) auch, welches „strafmindernde" Gewicht den anzurechnenden Leistungen unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung und Sühne für begangenes Unrecht zuzumessen ist.
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Zu den insoweit vorübergehend eingetretenen Irritationen vor der durch das 6. StrRG erfolgten Anpassung des § 56f Abs. 3 Satz 2 an § 56b Abs. 2 in der Fassung des VerbrBekG vgl. OLG Hamm NStZ-RR 1996
54
357; OLG Hamm NStZ 1996 303, 304; OLG Dresden NStZ 1996 2 5 6 m. Anm. Vollmering NStZ 1997 130. BGH NStZ-RR 2 0 0 2 137.
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Widerruf der Strafaussetzung
§ 56f
Bei Geldleistungen mag das für Geldstrafen geltende Tagessatzsystem zwar gewisse Anhaltspunkte für die Bestimmung des Maßstabs bieten; seine Anwendung ist aber hier ebensowenig wie bei der Bemessung der Geldleistung im Auflagenbeschluss (§ 5 6 b Rdn. 16) vorgeschrieben (BGHSt 3 3 3 2 6 , 3 2 7 f = N S t Z 1 9 8 6 162 mit Anm. Stree = J R 1986 3 7 7 mit Anm. Frank-, BGHSt 3 6 378, 3 8 3 = N S t Z 1991 3 4 mit Anm. Weber).55 In Einzelfällen kann die Heranziehung des Tagessatzsystems mit praktisch kaum überwindbaren Schwierigkeiten verbunden sein, denn für die Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs müssten nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten im gegenwärtigen Zeitpunkt, sondern auch diejenigen zur Zeit des Urteils und der Leistungserbringung ermittelt werden. Darüber hinaus scheidet das Tagessatzsystem als alleiniger Maßstab für die Anrechnungsentscheidung schon deshalb aus, weil Zahlungsauflage und Strafe nicht im gleichen Verhältnis zueinander stehen wie Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe. Anordnungen im Sinne des § 5 6 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 4 tragen nicht etwa strafersetzenden Charakter mit der Folge, dass sich der Verurteilte durch ihre Erfüllung von der Strafe ganz oder teilweise „freikaufen" kann (so aber Horn StV 1 9 9 2 537, 5 3 9 f). Sie treten vielmehr als im Genugtuungsinteresse angeordneter Ausgleich für den Verzicht auf die Strafvollstreckung neben, nicht an die Stelle der angeordneten Freiheitsstrafe. Die im Ergebnis „strafmindernde" Wirkung der Anrechnung beruht daher nicht auf einer von vornherein angelegten inneren Beziehung zwischen Auflage und Strafmaß, sondern ist die bloße Folge des Härteausgleichs, der erforderlich wird, weil eine Erstattung der Genugtuungsleistungen unterbleibt, obwohl der Verzicht auf die Strafvollstreckung infolge des Widerrufs keinen Bestand hat. Schon aus diesem Grunde verbietet sich eine schematische Anwendung des Tagessatzsystems, das ansonsten allein aus rechnerischen Gründen zu einer Vollverbüßung der Strafe im Wege der Anrechnung führen könnte.
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Bei sonst gemeinnützigen Leistungen in Form von Arbeitsleistungen (§ 5 6 b Rdn. 17) gibt die aufgewendete Arbeitszeit einen Anhalt. Das Gericht ist aber nicht gezwungen, sie in dem Sinne voll anzurechnen, dass die Arbeitszeit eines Werktages einem Tag Freiheitsstrafe entspricht. Bei derart schematischer Anrechnung bliebe das zusätzliche Übel außer Betracht, das der mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe verbundene Verlust an persönlicher Freiheit bedeutet.
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d) Anrechnung bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung. Wird eine Strafe, deren VollStreckung unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzt war, nachträglich in eine Gesamtstrafe ohne Bewährung einbezogen, so sind die zur Auflagenerfüllung erfolgten Leistungen auf die zu bildende Gesamtstrafe anzurechnen. § 5 8 Abs. 2 Satz 2 ordnet für diese Fälle eine entsprechende Anwendung des § 5 6 f Abs. 3 an (zur Vorgehensweise vgl. § 5 8 Rdn. 8). Will das Gericht die nachträglich zu bildende Gesamtstrafe nochmals zur Bewährung aussetzen, so hat es über die Erforderlichkeit einer Auflagenerteilung neu zu entscheiden und hierbei zu berücksichtigen, inwieweit frühere Auflagen bereits erfüllt wurden. Die hierauf erbrachten Leistungen sind für den Verurteilten nicht „verloren", denn sie wirken sich bei der erneuten Entscheidung über die Strafaussetzung regelmäßig zu seinen Gunsten aus. Ergeht diese sodann ohne Auflagen, so sind bei einem späteren Widerruf die früheren Leistungen nicht mehr anrechnungsfähig, da sie aufgrund von Anordnungen erfolgten, die durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ihre selbständige Bedeutung verloren haben. Es bedarf insoweit auch keiner analogen Anwendung der
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OLG Hamm NStZ 2001 165; KG Berlin Beschl. v. 17.1.2002 - 5 Ws 795/01; aA im Sinne einer Unanwendbarkeit des Tagessatz-
systems OLG Celle NStZ 1992 336; aA im Sinne einer zwingenden Anwendung des Tagessatzsystems Horn StV 1992 537, 539 f.
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§56f
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
§§ 5 8 A b s . 2 Satz 2 , 5 6 f Abs. 3 Satz 2 aufgrund v o n Gerechtigkeitserwägungen ( O L G H a m m N S t Z 1991 5 5 8 ; a A O L G Dresden N S t Z - R R 1998 1 5 5 , 1 5 6 ) .
V.
Verfahrensrechtliches
1. Zuständigkeit und Verfahren 60
a) Zuständigkeit. Bei den Entscheidungen g e m ä ß § 56f handelt es sich um N a c h tragsentscheidungen über die Strafaussetzung im Sinne von § 4 5 3 A b s . 1 Satz 1 StPO. Sie sind g e m ä ß § 4 6 2 a StPO grundsätzlich (zur A u s n a h m e vgl. § 4 6 2 a A b s . 5 StPO) entweder durch eine Strafvollstreckungskammer oder durch das Gericht des ersten Rechtszuges zu treffen. Hinsichtlich der Einzelheiten m u s s auf die Kommentierungen zu § 4 6 2 a StPO verwiesen werden. Die wesentlichen Grundregeln zur Zuständigkeit lassen sich wie folgt z u s a m m e n f a s s e n :
61
aa) Sachliche Zuständigkeit. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit ordnet ξ 4 6 2 a StPO in A b s a t z 1 Satz 1 und 2 sowie in Absatz 4 Satz 3 einen Vorrang der Strafvollstrec k u n g s k a m m e r n gegenüber dem Gericht des ersten Rechtszuges an, sobald gegen den Verurteilten Freiheitsstrafe vollstreckt wird. M i t A u f n a h m e in eine Justizvollzugsanstalt zur Verbüßung von Strafhaft beginnt für sämtliche Nachtragsentscheidungen in den noch offenen Bewährungsverfahren dieses Verurteilten die sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, die erst mit der vollständigen Erledigung aller Vollstreckungssachen endet (vgl. B G H N S t Z 2 0 0 0 111; O L G Düsseldorf J M B 1 N W 2 0 0 2 114 f; O L G H a m m StraFo 2 0 0 0 2 8 2 ) . 5 6 Über den Widerruf der Strafaussetzung hat daher stets eine Strafvollstreckungskammer zu entscheiden, -
-
wenn der Verurteilte schon vor der Strafaussetzungsentscheidung entweder im anhängigen Verfahren (Fall des § 57) oder in anderer Sache eine Freiheitsstrafe teilverbüßt hatte, deren Vollstreckung zur Zeit der Strafaussetzung noch nicht vollständig erledigt war, oder wenn der Verurteilte im Verlauf der Bewährungszeit in anderer Sache Strafhaft verbüßt hat, m a g diese auch bei Beginn des Widerrufsverfahrens schon vollständig erledigt sein. Ist d a s Gericht des ersten Rechtszuges bei Beginn einer Strafvollstreckung in anderer Sache bereits mit der Prüfung des Widerrufs befasst, so hat es die Sache an die zuständige Strafvollstreckungskammer abzugeben ( B G H S t 2 6 187, 189).
In den verbleibenden Fällen einer sachlichen Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts hat dieses auch d a n n über den Widerruf zu entscheiden, wenn die Strafaussetzung zur Bewährung erstmals in der Berufungsinstanz angeordnet worden war ( O L G H a m m JMB1NW 2001 230). 62
bb) Örtliche Zuständigkeit. Für die Frage der örtlichen Zuständigkeit unter mehreren in Betracht k o m m e n d e n Strafvollstreckungskammern k o m m t es auf den Zeitpunkt des „gerichtlichen Befasstwerdens" im Sinne von § 4 6 2 a Abs. 1 Satz 1 StPO an. Ein „Bef a s s t s e i n " mit der Widerrufsfrage liegt vor, s o b a l d Tatsachen aktenkundig werden (zum Bewährungsheft gelangen), die eine Prüfung des Widerrufs erfordern ( B G H S t 3 0 189,
56
96
OLG Nürnberg StraFo 2000 280; OLG Stuttgart NStZ-RR 1996 61; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 382 f.
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Widerruf der Strafaussetzung
191; OLG Nürnberg StraFo 2000 280; OLG Düsseldorf VRS 86 460). Die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk der Verurteilte zu diesem Zeitpunkt Strafhaft verbüßt, hat über den Widerruf zu entscheiden. Bei einem zur Zeit des gerichtlichen „Befasstwerdens" auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten, für den aber aufgrund früherer Strafverbüßung die Strafvollstreckungskammer sachlich zuständig ist (Rdn. 61), kommt es auf das Gericht des letzten Haftortes an (BGH NStZ 1984 380f; BGH bei Kusch NStZ 1997 379; OLG Stuttgart NStZ-RR 1996 61). Die nach diesen Grundsätzen zur Prüfung der Widerrufsfrage berufene Strafvollstreckungskammer bleibt auch dann zuständig, wenn der Verurteilte vor der abschließenden Entscheidung in eine Haftanstalt aufgenommen (verlegt) wird, die zum Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer gehört (BGHSt 2 6 187, 189; BGHSt 30 189, 190). 5 7 b) Ermittlungen. Soweit das Gericht nicht schon aus der laufenden Überwachung (§ 453b StPO) die erforderlichen Informationen zur Prüfung der Widerrufsfrage erlangt hat, sind vor der Entscheidung Ermittlungen anzustellen. In der Regel wird es geboten sein, einen Auszug aus dem Bundeszentralregister einzuholen (OLG Düsseldorf VRS 85 431, 432; OLG Düsseldorf VRS 84 439 f) und bei der Polizei nach schwebenden Verfahren zu fragen. Der Bewährungshelfer ist zu unterrichten, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung in Betracht kommt (§ 453 Abs. 1 Satz 4 StPO). Grundsätzlich bedarf es auch der Anforderung eines aktuellen Berichts der Bewährungshilfe über die gegenwärtige Lebenssituation des Verurteilten (OLG Düsseldorf StV 2 0 0 0 563, 564; OLG Düsseldorf NStZ 1996 616). Der Aufklärung dienende Durchsuchungen beim Verurteilten sind mangels gesetzlicher Grundlage im Widerrufsverfahren nicht zulässig (KG Berlin NJW 1999 2979 f; OLG Hamburg NStZ-RR 2004 364).
63
c) Anhörung. Vor der Entscheidung bedarf es einer Anhörung der Staatsanwaltschaft und des Verurteilten (§ 453 Abs. 1 Satz 2 StPO). Kommt eine neue Straftat des Verurteilten als Widerrufsgrund in Betracht, so kann die Anhörung hierzu grundsätzlich schriftlich erfolgen. Ist indes über den Widerruf wegen eines Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll dem Verurteilten gemäß § 453 Abs. 1 Satz 3 StPO Gelegenheit zur mündlichen Anhörung gegeben werden. Trotz der Ausgestaltung dieser Norm als Sollvorschrift ist die darin vorgesehene Verpflichtung zur mündlichen Anhörung nach einhelliger Meinung zwingend, wenn sie weitere Aufklärung verspricht und schwerwiegende Gründe nicht entgegenstehen (OLG Düsseldorf NStZ 1988 243; OLG Hamm NStZ 1987 247; OLG Karlsruhe VRS 101 43 3, 435). 5 8 Ein Absehen von der mündlichen Anhörung ist daher nur in Ausnahmefällen zulässig.
64
Ein derartiger Ausnahmefall liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte die Befürchtung besteht, dass der Verurteilte sein Anhörungsrecht zu bloßen Beleidigungen oder groben Beschimpfungen des Richters missbrauchen wird (OLG Düsseldorf NStZ 1988 243). Die Anhörung ist ferner entbehrlich, wenn der Verurteilte ausdrücklich und eindeutig auf sie verzichtet hat (OLG Karlsruhe VRS 101 433, 435 f; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 91, 92) oder wenn sein Aufenthalt aus von ihm zu vertretenden Gründen
65
57
Vgl. auch OLG Düsseldorf NStZ 1981 156; OLG Düsseldorf MDR 1980 518; OLG Schleswig SchlHA 1986 155; OLG Karlsruhe NStZ 1981 4 9 4 ; OLG Hamm MDR 1979 336; OLG Zweibrücken MDR 1978 954; KG Berlin Beschl. v. 2 3 . 6 . 2 0 0 6 - 5 Ws 2 1 5 / 0 6 .
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OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 91, 92; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 3 199, 2 0 0 ; OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 2 143; OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 3 194; OLG Jena Beschl. v. 4 . 1 0 . 2 0 0 5 - 1 Ws 371/05.
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§56f
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
nicht zu ermitteln ist (OLG Düsseldorf NStZ 1988 243; ausführlich zum Verfahren in diesen Fällen Katzenstein StV 2003 359 ff). In letzterem Fall kann der Widerrufsbeschluss öffentlich zugestellt werden, und dem Verurteilten ist nach seiner Ergreifung die Anhörung im nachträglichen Verfahren analog § 33a StPO zu ermöglichen (BGHSt 26 127); 59 dies gilt auch nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Anhörungsrügengesetz vom 9.12.2004 (KG Berlin Beschl. vom 25.4.2005 - 5 Ws 202/05). Ob das Gericht im Einzelfall entsprechend verfährt oder vor der Widerrufsentscheidung zunächst versucht, sich durch Erlass eines Sicherungshaftbefehls (§ 453c StPO) der Person des Verurteilten zu versichern, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen; aus dem Gesetz ergibt sich weder ein Vorrang des Verfahrens gemäß § 453c StPO 60 noch ein Zwang zur Wahl der alternativen Vorgehensweise (vgl. hierzu bereits Rdn. 51). 66
Die Gelegenheit zur mündlichen Anhörung ist dem Verurteilten nur gegeben, wenn er zu einem gerichtlich angeordneten Anhörungstermin geladen wurde. Die bloße Aufforderung, sich mit dem Gericht zwecks Terminsbestimmung in Verbindung zu setzen, erfüllt weder die Anforderungen des § 453 Abs. 1 Satz 3 StPO noch darf das Gericht in einem solchen Fall das Schweigen des Verurteilten als Verzicht auf die mündliche Anhörung werten (OLG Karlsruhe VRS 101 433, 436; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 91, 92). Erscheint der ordnungsgemäß geladene Verurteilte unentschuldigt nicht zum Anhörungstermin, so ist den Anforderungen des § 453 Abs. 1 Satz 3 StPO Genüge getan; eine Teilnahme des Verurteilten am Anhörungstermin kann nicht erzwungen werden (OLG Hamm VRS 99 208, 209; OLG Schleswig SchlHA 2003 194). Eine zu Unrecht unterbliebene mündliche Anhörung macht den Widerrufsbeschluss anfechtbar (vgl. hierzu Rdn. 69) und führt im Falle schon eingetretener Rechtskraft zum Erfordernis eines nachträglichen Anhörungsverfahrens gemäß § 33a StPO (OLG Karlsruhe Justiz 2003 272).
67
Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers kommt im Widerrufsverfahren analog § 140 Abs. 2 StPO in Betracht, wenn die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage dies gebietet oder erkennbar ist, dass sich der Verurteilte allein nicht angemessen verteidigen kann (OLG Celle StV 2003 575; OLG Bamberg NStZ 1985 mit Anm. Pöpperl-, OLG Jena Beschl. vom 30.3.2006 - 1 Ws 100/06).61
68
d) Form der Entscheidung. Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (§ 453 Abs. 1 Satz 1 StPO), der keinen Ausspruch über Kosten und Auslagen enthält (OLG Braunschweig NStZ-RR 2001 185 f; OLG Stuttgart Justiz 1992 163). Die Entscheidung über die Anrechnung gemäß Abs. 3 Satz 2 ist mit dem Widerruf in die Entscheidungsformel aufzunehmen (OLG Stuttgart NJW 2005 83, 84). Sie kann nicht durch die Strafvollstreckungskammer nachgeholt werden (OLG Frankfurt NStZ-RR
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OLG Hamburg NJW 1972 219; OLG Hamburg NJW 1974 417; OLG Celle J R 1974 112 m. zust. Anm. Hanack; OLG Saarbrücken NJW 1974 2 8 3 ; OLG Karlsruhe MDR 1974 685; OLG Karlsruhe GA 1975 2 8 4 ; OLG Koblenz MDR 1975 595; OLG Koblenz MDR 1976 598; OLG Stuttgart NJW 1983 1987. OLG Hamburg NStZ 1988 2 9 2 mit Anm. Johann/Johnigk; OLG Düsseldorf JR 1989
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166 m. Anm. Wendisch·, OLG Karlsruhe MDR 1981 159; OLG Frankfurt MDR 1978 71; KG J R 1976 4 2 4 ; OLG Bremen MDR 1976 865; OLG Celle MDR 1976 948; aA OLG Hamburg NJW 1976 1327; OLG Frankfurt StV 1983 113; Krause NJW 1977 2249. OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 5 2 5 9 f ; OLG Koblenz MDR 1976 336; Schütz NStZ 1985 347.
Jutta Hubrach
Widerruf der Strafaussetzung
S 56f
2 0 0 6 353, 3 5 4 ) . 6 2 Zur Möglichkeit der öffentlichen Zustellung des Widerrufsbeschlusses vgl. Rdn. 65. Erst nach Rechtskraft des Widerrufs darf das Urteil vollstreckt werden. 6 3 2. Rechtsmittel a) Anfechtung der Widerrufsentscheidung. Gegen den Widerruf der Strafaussetzung kann sich der Verurteilte mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde wenden (§ 4 5 3 Abs. 2 Satz 3 StPO). Hat das Widerrufsgericht zu Unrecht von der gemäß § 4 5 3 Abs. 1 Satz 3 StPO erforderlichen mündlichen Anhörung abgesehen, so führt dieser Verfahrensfehler zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (OLG Karlsruhe VRS 101 4 3 3 , 436; OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 2 143; OLG Hamm VRS 9 9 208, 2 0 9 f). 6 4 Im Übrigen rechtfertigen bloße Begründungsmängel der Widerrufsentscheidung keine Zurückverweisung. 65 Das Beschwerdegericht hat vielmehr gemäß § 3 0 9 Abs. 2 StPO in der Sache zu entscheiden und die hierfür erforderlichen Ermittlungen selbst anzustellen. Es darf den Widerrufsgrund austauschen, sofern dem Verurteilten vorher rechtliches Gehör gewährt worden ist (OLG Düsseldorf M D R 1983 68). Auf einen Verstoß gegen Auflagen oder Weisungen kann hierbei jedoch nicht zurückgegriffen werden, wenn insoweit die - in erster Instanz vorzunehmende - mündliche Anhörung zur Sachaufklärung geboten ist (OLG Frankfurt N S t Z - R R 2 0 0 3 199, 200). Eine Entscheidung in der Sache selbst kommt selbst bei erstinstanzlichen Zuständigkeitsmängeln in Betracht, wenn das Beschwerdegericht auch über Rechtsmittel gegen Widerrufsbeschlüsse des eigentlich zuständigen Gerichts zu befinden hätte. 6 6
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Die mit dem Widerruf zu treffende Anrechnungsentscheidung gemäß Absatz 3 Satz 2 unterliegt im Beschwerdeverfahren dem Verschlechterungsverbot, 67 und ihre - grundsätzlich mögliche - isolierte Anfechtung hat mit sofortiger Beschwerde zu erfolgen. 68 Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass die gerichtliche Anordnung zur Anrechnung bzw. Nichtanrechnung von Leistungen den Umfang der noch zu verbüßenden Strafe festschreibt und auf diese Weise unmittelbar in die durch Urteil verhängten Rechtsfolgen der Straftat eingreift. Sie muss daher - ebenso wie der Widerruf - der materiellen Rechtskraft fähig sein und ist den für Urteile geltenden Schutzwirkungen der reformatio in peius zu unterstellen.
70
Gegen den rechtskräftig ausgesprochenen Widerruf steht dem Verurteilten kein Rechtsbehelf mehr zu; insbesondere scheidet ein nachträgliches „Wiederaufnahmeverfahren" in Anlehnung an die §§ 359 ff StPO aus (OLG Düsseldorf - 3. StS - J M B I N W 2 0 0 4
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Neumann NJW 1977 1185; vgl. auch Neumann DRiZ 1978 83 zur Frage der Behandlung der nach Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses geleisteten Zahlungen. OLG Karlsruhe N J W 1964 1085; Blösch NJW 1963 1296; Hanack J Z 1966 4 3 ff. OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 3 199, 2 0 0 ; OLG Jena Beschl. v. 4 . 1 0 . 2 0 0 5 - 1 Ws 371/05. OLG Düsseldorf - 3. StS - NStZ 1993 251, 2 5 2 ; aA OLG Düsseldorf - 1. StS - OLGSt. Nr. 35 zu § 56f; VRS 9 4 2 6 0 , 261 f; VRS 9 0 179, 180; NStZ-RR 2 0 0 0 169, 170. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2 0 0 1 111, 112;
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OLG Düsseldorf JMBINW 2 0 0 2 114 f; KG NStZ 1994 2 5 5 ; OLG Nürnberg StraFo 2 0 0 0 2 8 0 ; einschränkend im Hinblick auf den Sonderstatus der Strafvollstreckungskammern OLG Hamburg NStZ 1991 356. OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 4 2 6 2 f; OLG Hamm VRS 106 1 2 7 , 1 2 9 f; OLG Hamm NStZ 1996 303, 3 0 4 ; OLG München J Z 1980 365. OLG Düsseldorf MDR 1985 784; OLG Düsseldorf NStZ 2 0 0 1 2 7 8 (LS); OLG Hamburg MDR 1983 953; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 6 353 f; aA OLG Stuttgart MDR 1 9 8 0 1037; Gribbohm LK 1 1 Rdn. 63.
Jutta Hubrach
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§56f
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
81 f; OLG Hamburg StV 2 0 0 0 568, 569 m. Anm. Kunz; OLG Zweibrücken NStZ 1997 5 5 f). 6 9 Bei den Vorschriften über die Wiederaufnahme nach rechtskräftiger Verurteilung handelt es sich um eng auszulegende Ausnahmeregeln, die einer analogen Anwendung auf Beschlüsse nicht zugänglich sind. Materielle Ungerechtigkeiten, die im Einzelfall aufgrund neu hervortretender Umstände nach Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses entstehen können, sind durch das Gnadenverfahren aufzufangen; es besteht keine Notwendigkeit, für diese Ausnahmekonstellationen in Durchbrechung der Rechtskraft einen Rechtsbehelf eigener Art zu schaffen, der die Gerichte in einer Vielzahl von Fällen nur zur Neubescheidung auf der Basis unveränderter Sachverhalte zwingen wird. Angesichts der fehlenden Wiederaufnahmemöglichkeit ist allerdings bei der Prüfung der Widerrufsgründe schon im Verfahren selbst den Risiken einer nachträglichen Veränderung der Entscheidungsgrundlagen so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere, wenn der Widerruf wegen einer (noch) nicht rechtskräftig abgeurteilten Straftat des Verurteilten in Betracht kommt (vgl. hierzu bereits Rdn. 9 f). 72
b) Anfechtung widerrufsersetzender Maßnahmen. Die Entscheidungen nach Absatz 2 kann der Verurteilte mit der einfachen Beschwerde anfechten (§ 4 5 3 Abs. 2 Satz 1 StPO). Hierbei wird die Erteilung weiterer Auflagen oder Weisungen - anders als die Verlängerung der Bewährungszeit - im Beschwerdeverfahren nur auf Gesetzwidrigkeit überprüft (§ 453 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit Rücksicht auf den insoweit eingeschränkten Prüfungsumfang kommt eine Schlechterstellung des Verurteilten im Beschwerdeverfahren praktisch nicht in Betracht, mag auch das Verbot der reformatio in peius insoweit nicht gelten (vgl. hierzu bereits § 56a Rdn. 8, 10, 11; § 56e Rdn. 8).
73
Die Anfechtung gerichtlicher Anordnungen nach Absatz 2 durch die Staatsanwaltschaft mit dem Ziel eines Widerrufs der Strafaussetzung hat nach inzwischen wohl herrschender Meinung im Wege der sofortigen Beschwerde zu erfolgen (OLG Hamm NStZ 1988 291 f m. Anm. Funck NStZ 1989 46; OLG Hamburg StV 1990 270; OLG Stuttgart NStZ 1995 53, 54 m. Anm. Funck NStZ 1995 5 6 8 ) . 7 0 Gleiches gilt, wenn das Gericht die Entscheidung entgegen dem Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft zunächst aussetzt (OLG Hamburg NStZ-RR 2 0 0 5 221, 222). § 4 5 3 Abs. 2 Satz 3 StPO ist diesbezüglich nicht nur auf den Widerruf selbst, sondern auch auf die von ihm absehende Entscheidung anzuwenden, denn die Frage, ob ein festgestelltes Bewährungsversagen im Verfahren nach § 56f den Widerruf der Strafaussetzung zur Folge hat oder nicht, darf für den Verurteilten nicht auf unbestimmte Zeit in der Schwebe bleiben. Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung der Bewährungszeit steht der Staatsanwaltschaft hingegen die im Prüfungsumfang eingeschränkte einfache Beschwerde zu, § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO (OLG Stuttgart NStZ 2 0 0 0 478 f).
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OLG Stuttgart NStZ-RR 1996 176 f; OLG Stuttgart Justiz 2 0 0 1 170 f; LG Hamburg NStZ 1991 149, 150 = NStZ 1991 5 0 7 m. krit. Anm. Hobmann; vgl. auch OLG Düsseldorf - 1. StS - J R 1992 126 m. Anm. Wendisch; Fischer Rdn. 2 3 ; aA OLG Düsseldorf 4. StS - MDR 1993 67; OLG Oldenburg NJW 1962 1169; Schmidt SchlHA 1963 109; Hanack J R 1974 113, 115; Lemke ZRP 1978 281; Groth ZRP 1979 2 0 8 ; Lackner/Kühl25 Rdn. 15.
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OLG Stuttgart NStZ 2 0 0 0 478, 479; OLG Stuttgart Justiz 1999 142; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2 0 0 2 28 f; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998 93 f; OLG Naumburg Beschl. v. 19.9.2001 - 1 Ws 3 4 3 / 0 1 = NJ 2 0 0 2 102 (LS); aA noch OLG Düsseldorf JMB1NW 1994 142; OLG Köln NStZ 1995 1 5 1 , 1 5 2 ; OLG Stuttgart Justiz 1994 26 f; Gribbohm LK 11 Rdn. 63.
Jutta Hubrach
S 56g
Straferlaß
S 56g
Straferlaß (1) Widerruft das Gericht die Strafaussetzung nicht, so erläßt es die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit. § 56f Abs. 3 Satz 1 ist anzuwenden. (2) Das Gericht kann den Straferlaß widerrufen, wenn der Verurteilte im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes wegen einer in der Bewährungszeit begangenen vorsätzlichen Straftat zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird. Der Widerruf ist nur innerhalb von einem Jahr nach Ablauf der Bewährungszeit und von sechs Monaten nach Rechtskraft der Verurteilung zulässig. § 56f Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 gilt entsprechend. Schrifttum Thietz-Bartram
Gesamtstrafenbildung mit ausgelaufener Bewährungsstrafe, wistra 1 9 9 0 2 5 9 .
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift entspricht im wesentlichen der seit 1.1.1975 geltenden Fassung des 2. StrRG; durch Artikel 18 II Nr. 18 des EGStGB wurde jedoch Abs. 1 Satz 3 gestrichen, der folgenden Wortlaut hatte: Das Gericht kann anordnen, daß über die Verurteilung nur noch beschränkt Auskunft erteilt wird. Die Fassung des 2. StrRG war identisch mit § 25a in der Fassung des 1. StrRG, gültig vom 1.4.1970 bis 31.12.1974. Bis zum 31.3.1970 war der Straferlass in § 25 Abs. 1 in der Fassung des 3. StRÄndG geregelt, dessen Wortlaut vor den Erläuterungen zu § 56f abgedruckt ist. Durch Art. 1 Nr. 8 des 23. StRÄndG vom 13.4.1986 wurde in § 56g Abs. 2 Satz 3 die Paragraphenbezeichnung „§ 56f Abs. 3 " ersetzt durch „§ 56f Abs. 1 Satz 2, Abs. 3".
Übersicht Rdn. I. Sinn und Zweck der Vorschrift 1. Der Erlass der Strafe 2. Der Zeitpunkt der Entscheidung 3. Erbrachte Leistungen
.
Π. Der Widerruf des Erlasses 1. Die Voraussetzungen a) Vorsatztat b) Verurteilung c) Straferlass in Unkenntnis der Tat 2. Die Entscheidung
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Rdn. a) Bedeutung der Kann-Vorschrift (Absatz 2 Satz 1) b) Zeitliche Einschränkungen 3. Die Wirkungen a) Hinsichtlich der Strafe b) Hinsichtlich erbrachter Leistungen . ΙΠ. Verfahrensrechtliches 1. Beschlussverfahren 2. Rechtsmittel . . .
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I. Sinn und Zweck der Vorschrift 1. Der Erlass der Strafe. Kommt ein Widerruf der Strafaussetzung nicht in Betracht, 1 so hat das Gericht die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit zu erlassen. Die Strafe wird also nicht automatisch getilgt, sondern bedarf eines Erlasses durch gerichtlichen Ausspruch. Trotz des Erlasses bleibt der Verurteilte bestraft. Der Erlass betrifft auch nur die ausgesetzte Strafe, nicht etwa eine neben ihr verhängte Geldstrafe einschließlich deren Jutta Hubrach
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§ 56g
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Ersatzfreiheitsstrafe oder Nebenstrafe, Nebenfolge oder Maßregel. Alleiniger Prüfungsgegenstand der Erlassentscheidung ist die Feststellung, dass in der Person des Verurteilten keine Widerrufsgründe vorliegen. Das Verfahren gemäß Absatz 1 berechtigt daher nicht zur nachträglichen Korrektur der fälschlicherweise erfolgten Aussetzung einer durch Untersuchungshaft bereits vollständig verbüßten Strafe mittels Erlassentscheidung vor Ablauf der Bewährungszeit (OLG Köln NStZ 1999 5 3 4 ; vgl. hierzu bereits § 56 Rdn. 7). 2
2. Der Zeitpunkt der Entscheidung. Der Erlass der Strafe ist zulässig nach Ablauf der Bewährungszeit (Absatz 1 Satz 1) und erst dann, wenn das Gericht die zur Prüfung etwaiger Widerrufsgründe erforderlichen Ermittlungen durchgeführt hat; gegebenenfalls ist die Entscheidung bis zum Abschluss eines anderweitigen Verfahrens gegen den Verurteilten zurückzustellen (OLG Hamm NStZ 1998 478, 479; OLG Düsseldorf VRS 89 365 f; LG Zweibrücken VRS 101 4 2 9 f). Der Straferlass muss erfolgen, sobald das Gericht zu der Feststellung gelangt ist, dass Widerrufsgründe fehlen (BGH NStZ 1993 235) oder dass die Erlangung weiterer Erkenntnisse über die Lebensführung des Verurteilten nicht mehr zu erwarten ist (KG Berlin J R 1967 307). Vermeidbare Verfahrensverzögerungen sind hierbei nicht zulässig. Zu den Sonderfällen, in denen eine Strafe aufgrund Zeitablaufs trotz vorhandenen Widerrufsgrundes zu erlassen ist, vgl. § 5 6 f Rdn. 43, 50 f.
3
Dem StGB ist keine allgemeine Regel dafür zu entnehmen, welchem Verfahren der Vorrang gebührt, wenn sowohl der Erlass einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe wie auch deren Einbeziehung in eine nachträglich zu bildende Gesamtstrafe in Betracht kommt. Das in solchen Fällen entstehende Spannungsverhältnis zwischen § 56g und § 55 haben die Gerichte unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Einzelfall aufzulösen (vgl. BVerfG wistra 1990 262). 1 Die hierzu bislang ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung räumt § 56g keinen grundsätzlichen Vorrang vor der Entscheidung nach § 55 ein, da der Verurteilte in Kenntnis der gegebenen Gesamtstrafensituation auf einen Straferlass regelmäßig von vornherein nicht vertrauen durfte (BGH NStZ 1991 330; BGH NStZ 1993 235). Bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung sind dann aber die Härten besonders zu berücksichtigen, die sich für den Verurteilten aus der Einbeziehung erst nach Ablauf der - als solcher erfolgreich verlaufenen - Bewährungszeit ergeben (BGH NStZ 1993 235). Die „Erlassreife" der einzubeziehenden Strafe kann hierbei einen besonderen Umstand im Sinne von § 56 Abs. 2 darstellen und fällt im Falle einer nicht mehr aussetzungsfähigen Gesamtstrafe bei der Strafzumessung zu Gunsten des Verurteilten ins Gewicht.
4
3. Erbrachte Leistungen. Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden im Falle des Erlasses nicht erstattet (Absatz 1 Satz 2). Das zur Erfüllung der Auflagen und Anerbieten Geleistete hat der Genugtuung für das begangene Unrecht gedient, das zur Erfüllung der Weisungen und Zusagen Geleistete dem Verurteilten geholfen, ein Mensch zu werden, von dem keine Straftaten mehr zu erwarten sind. Es würde dem Sinn der Strafaussetzung widersprechen, wollte man bei Straferlass hiervon etwas erstatten.
1
Bespr. bei Thietz-Bartram wistra 1990 259.
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Straferlaß
Π. Der Widerruf des Erlasses Der Widerruf des Straferlasses gemäß Absatz 2 ist erst seit dem 1. StrRG zulässig. Er kommt erst in Betracht, wenn der Straferlass rechtskräftig geworden ist. Vor Eintritt der Rechtskraft wird die Staatsanwaltschaft, wenn Widerrufsvoraussetzungen vorliegen, gemäß § 453 Abs. 2 StPO den Straferlass anfechten, so dass das Gericht nach § 5 6 f Abs. 2 verfahren oder die Strafaussetzung widerrufen kann. Beim Widerruf des Straferlasses handelt es sich um eine Durchbrechung der Rechtskraft zu Ungunsten des Verurteilten. Dies stellt das kriminalpolitisch notwendige Korrelat dar zu der auf rechtsstaatlichen Erwägungen beruhenden Verpflichtung des Gerichts, nach Ablauf der Bewährungsfrist so bald wie möglich über den Erlass der Strafe zu entscheiden (Rdn. 2), da dabei zwangsläufig die Gefahr besteht, dass während der Bewährungszeit begangene Straftaten des Verurteilten noch nicht berücksichtigt worden sind.
5
1. Die Voraussetzungen. Der Widerruf ist an bestimmte sachliche und förmliche Voraussetzungen geknüpft. Er ist vorgesehen für einen näher beschriebenen Sonderfall, in dem das Gericht die Strafe erlassen hat, obwohl ein Grund vorlag, der Anlass hätte geben können, die Strafaussetzung zu widerrufen.
6
a) Vorsatztat. Während zum Widerruf der Strafaussetzung auch eine Fahrlässigkeitstat ausreichen kann (§ 56f Rdn. 2), setzt der Widerruf des Straferlasses nach Absatz 2 eine vorsätzliche Straftat voraus. Hinsichtlich des Begehungszeitraums ordnet § 56g Abs. 2 in Satz 1 und in Satz 3 - durch den Verweis auf § 5 6 f Abs. 1 Satz 2 in seiner durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz erweiterten Fassung - dieselben Voraussetzungen an wie beim Widerruf. Die Straftat muss daher entweder - zumindest teilweise (OLG Düsseldorf NStE Nr. 7 zu § 56g) - während der Bewährungszeit oder in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft begangen worden sein. War die Strafaussetzung anlässlich einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gewährt worden, so kommt auch ein Delikt in Betracht, das zwischen einer zuvor erfolgten Aussetzung in einbezogener Sache und der Gesamtstrafenentscheidung begangen worden war und bei letzterer aus tatsächlichen Gründen nicht hatte berücksichtigt werden können (vgl. hierzu § 56f Rdn. 4a-e). Bei einer nach Ablauf der Bewährungszeit begangenen Tat ist der Widerruf des Straferlasses ebenso wenig zulässig wie der Widerruf der Strafaussetzung (§ 56f Rdn. 5).
7
b) Verurteilung. Voraussetzung für den Widerruf des Straferlasses ist weiter, dass der Verurteilte im räumlichen Geltungsbereich des § 56g, das heißt grundsätzlich im Inland, 2 erneut rechtskräftig verurteilt wurde. Insoweit unterscheidet sich Absatz 2 Satz 1 von § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, dessen Wortlaut nur an die Begehung der Straftat anknüpft (vgl. hierzu § 56f Rdn. 6 bis 13). Auch eine Verurteilung zwischen Anordnung und Rechtskraft des Straferlasses kommt in Betracht, wenn sie sich auf eine Vorsatztat aus dem oben umschriebenen Zeitraum (Rdn. 7) bezieht.
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Die Verurteilung muss auf Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten lauten. Eine Geldstrafe von 180 oder mehr Tagessätzen reicht nicht aus, da die Ersatzfreiheitsstrafe ohne Bedeutung ist. Es kommt ferner auf die verhängte, nicht auf die nach Anrechnung ( § 5 1 ) noch zu verbüßende Strafe an. Im Falle einer Gesamtstrafenbildung muss mindes-
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2
Fischer § 56g Rdn. 2 und Rdn. 12 vor § 3; Lackner/Kühl25 Rdn. 5 vor § 3.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
tens eine sechsmonatige Einzelstrafe für eine Vorsatztat festgesetzt worden sein. Es genügt nicht, wenn nur die Gesamtfreiheitsstrafe oder die Summe der Einzelstrafen sechs Monate erreicht, denn Absatz 2 Satz 1 setzt eine Vorsatztat von einigem Gewicht voraus (OLG Hamburg MDR 1987 1046; OLG Hamm NStZ 1989 180, 181). 3 Ebenso wenig reicht eine Verurteilung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen einer fortgesetzten Handlung, wenn wesentliche Teile der Tat außerhalb der Bewährungszeit, insbesondere nach deren Ablauf begangen worden sind (OLG Hamm NStZ 1989 180, 181). Entsprechendes dürfte für ein Dauerdelikt gelten. 10
c) Straferlass in Unkenntnis der Tat. Nach dem Sinn und Zweck des Absatzes 2 (Rdn. 5) setzt der Widerruf des Straferlasses ferner voraus, dass die innerhalb der Bewährungszeit begangene Vorsatztat dem Gericht bei der Entscheidung über den Straferlass noch unbekannt war oder zumindest nicht zu seiner Überzeugung feststand. Die bloße abweichende Würdigung eines Sachverhalts, den das Gericht von vornherein zum Anlass einer Maßnahme nach § 56f hätte machen können, rechtfertigt keine nachträgliche Korrektur der Erlassentscheidung in Durchbrechung ihrer Rechtskraft (ebenso Gribbohm LK 11 Rdn. 12). Bei den in § 56f Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 beschriebenen Bewährungsverstößen in einbezogener Sache (s. Rdn. 7) setzt der Widerruf des Straferlasses daher voraus, dass das Delikt aus tatsächlichen Gründen weder bei der (Bewährung bewilligenden) Gesamtstrafenentscheidung noch beim anschließenden Straferlass berücksichtigt werden konnte. 2. Die Entscheidung
11
a) Bedeutung der Kann-Vorschrift (Absatz 2 Satz 1). Sind die genannten Voraussetzungen (Rdn. 7 bis 10) erfüllt, so kann das Gericht den Straferlass widerrufen. Hierbei besteht Einigkeit darüber, dass der Entscheidung eine Prüfung der Erwartungsformel des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - beziehungsweise der ihr entsprechenden Erwägungen im Fall des § 56f Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 (vgl. § 56f Rdn. 16a) - vorauszugehen hat. 4 Vom Widerruf des Straferlasses ist daher abzusehen, wenn das Gericht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände - ausnahmsweise - zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vorsatztat - trotz ihres in der Strafhöhe zum Ausdruck gekommenen Gewichts - prognostisch letztlich nicht entscheidend ins Gewicht fällt und daher schon einen Widerruf nach § 56f Abs. 1 nicht rechtfertigen würde. Maßgeblich hierfür kann der lange Zeitablauf seit der Tatbegehung oder der Umstand sein, dass wegen der Vorsatztat nochmals Strafaussetzung gewährt wurde (zu den Einzelheiten vgl. § 56f Rdn. 14-16a). Ob man diese Prüfung als Ausübung eines durch Absatz 2 eingeräumten Ermessens (Gribbohm LK 11 Rdn. 10-12) oder als bloße Untersuchung normativer Voraussetzungen einer ansonsten obligatorischen Widerrufsentscheidung (Sch/Schröder/Stree Rdn. 10) versteht, ist aus praktischer Sicht von nur untergeordneter Bedeutung (so auch Fischer Rdn. 2; Horn SK Rdn. 11). Nach der hier vertretenen Ansicht zu den Wirkungen der Entscheidung gemäß Absatz 2 (Rdn. 13-15) kommt ein Widerruf des Straferlasses auch dann nicht in Betracht, wenn das Gericht bei einer Anwendung der Prüfungsmaßstäbe des § 56f auf den gegebenen Sachverhalt von einem Widerruf der Strafaussetzung zu Gunsten minder schwerer Maßnahmen nach § 56f Abs. 2 absehen würde.
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Fischer Rdn. 2; Lackner/Kühl Sch/Schröder/Stree Rdn. 7.
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 10; Horn SK Rdn. 11; Gribbohm LK 11 Rdn. 11 f.
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b) Zeitliche Einschränkungen. Absatz 2 Satz 2 setzt für den Erlass des Widerrufsbeschlusses (nicht für dessen Rechtskraft) zwei zeitliche Grenzen. Der Widerruf ist nur innerhalb von einem Jahr nach Ablauf der Bewährungszeit (Fristbeginn am ersten Tag nach ihrem Ablauf) und von sechs Monaten nach Rechtskraft der Verurteilung (beginnend am Tag nach der Rechtskraft) möglich. Der Ablauf jeder der beiden Fristen macht den Widerruf unzulässig. Diese Bestimmung bewirkt eine erhebliche Reduzierung von möglichen Widerrufsbeschlüssen. Auch sie zeigt die Tendenz des Gesetzes, den Widerruf des Straferlasses in engen Grenzen zu halten.
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3. Die Wirkungen a) Hinsichtlich der Strafe. Die Wirkung des Erlasswiderrufs im Hinblick auf die verhängte Strafe ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Nach einer Ansicht versetzt die Widerrufsentscheidung das Verfahren lediglich in den Stand vor erfolgtem Straferlass. Hieraus folgt, dass das Gericht über Maßnahmen gemäß § 56f gesondert befinden muss und hierbei insbesondere die Möglichkeit hat, vom Widerruf zu Gunsten milderer Anordnungen nach § 56f Abs. 2 abzusehen (OLG Hamm NStZ 1989 323; OLG Düsseldorf - 2. StS - NStE Nr. 7 zu § 56g). 5
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Die Gegenmeinung behandelt den Erlasswiderruf hinsichtlich seiner Wirkungen als selbständige Entscheidung, die - ebenso wie der Widerruf der Strafaussetzung - zur sofortigen Vollstreckbarkeit der Strafe führt, ohne dass es eines besonderen Ausspruchs bedarf. Maßnahmen gemäß § 5 6 f Abs. 2 kommen nicht in Betracht. Vielmehr hat nach dieser Ansicht schon der Erlasswiderruf zu unterbleiben, wenn das Gericht eine Strafvollstreckung im Einzelfall trotz der durch Absatz 2 Satz 1 festgelegten Anforderungen an die Schwere der Vorsatztat nicht für geboten hält (OLG Stuttgart Justiz 1998 536; OLG Zweibrücken NStZ 1995 2 0 6 , 2 0 7 ; OLG Düsseldorf - 1. StS - M D R 1987 865 f). 6
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Die letztgenannte Ansicht verdient den Vorzug. Für sie spricht bereits die Gesetzessystematik, denn die in Absatz 2 Satz 3 enthaltene Verweisung auf § 5 6 f Abs. 3 setzt eine unmittelbar vollstreckbarkeitsbegründende Wirkung des Erlasswiderrufs begrifflich voraus und wäre sinnlos, wenn ohnehin noch eine gesonderte Entscheidung nach § 56f zu erfolgen hätte. Darüber hinaus wird die hier vertretene Auffassung dem Ausnahmecharakter des Absatzes 2 Satz 1 besser gerecht, indem sie die Möglichkeit des Erlasswiderrufs auf die Fälle beschränkt, die eine Strafvollstreckung erfordern. Nur in diesen schwerwiegenden Fallkonstellationen rechtfertigt sich die mit einer Korrektur der Erlassentscheidung verbundene Durchbrechung der Rechtskraft (so schon Gribbohm LK 1 1 Rdn. 15).
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b) Hinsichtlich erbrachter Leistungen. Für den Fall des Erlasswiderrufs schreibt Absatz 2 Satz 3 die entsprechende Geltung des § 56f Abs. 3 vor. Damit steht fest, dass Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, nicht erstattet werden (§ 5 6 f Rdn. 52). Leistungen, die der Erfüllung von Auflagen oder Anerbieten dienten, können nach Maßgabe des § 56f Abs. 3 Satz 2 auf die Strafe angerechnet werden (§ 56f Rdn. 53 bis 58).
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Lackner/Kühl Rdn. 11.
Rdn. 4 ; Sch/Schröder/Stree
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Fischer Rdn. 3.
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ΙΠ. Verfahrensrechtliches 17
1. Beschlussverfahren. Über den Straferlass und seinen Widerruf entscheidet das gemäß § 462a StPO zuständige Gericht (vgl. hierzu § 56f Rdn. 60-62) nach - nicht notwendigerweise mündlicher - Anhörung des Verurteilten sowie der Staatsanwaltschaft (§ 453 Abs. 1 Satz 2 StPO) durch Beschluss, der zu begründen ist (vgl. OLG Düsseldorf VRS 88 29 f). Eine Entscheidung über Kosten und Auslagen ergeht nicht (OLG Köln NStZ 1999 534 f). Der für den Verurteilten bestellte Bewährungshelfer ist zu unterrichten, wenn ein Erlasswiderruf in Betracht kommt (§ 453 Abs. 1 Satz 4 StPO). Bei unbekanntem Aufenthalt des Verurteilten kann dessen Anhörung entsprechend § 33a StPO nachträglich erfolgen (vgl. § 56f Rdn. 65). Ein förmlicher Beschluss ist auch erforderlich, wenn ein Antrag, die Strafe zu erlassen oder den Straferlass zu widerrufen, abgelehnt wird. Die Anhörungspflicht in diesen Fällen ergibt sich aus § 33 StPO.
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2. Rechtsmittel. Gegen den Straferlass und gegen seinen Widerruf ist die sofortige Beschwerde zulässig (§ 453 Abs. 2 Satz 3 StPO). Zur Anfechtung der Entscheidung über die Anrechnung erbrachter Leistungen des Verurteilten siehe § 56f Rdn. 70. Die - regelmäßig nur mit vorläufiger Wirkung ausgestattete - Ablehnung eines Antrags auf Straferlass unterliegt der einfachen Beschwerde (vgl. BGHSt 32 365, 366; OLG Köln NStZ 1999 534), wobei das Beschwerdegericht im Rahmen seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis (§ 453 Abs. 2 Satz 2 StPO) die erstinstanzliche Zurückstellung des Straferlasses auf Ermessensfehler zu untersuchen hat (vgl. hierzu Rdn. 2). Nach der bereits bei § 56f (dort Rdn. 73) befürworteten Ansicht muss die Ablehnung eines Antrags auf Erlasswiderruf ebenso wie der Widerruf selbst - durch die Staatsanwaltschaft mit dem fristgebundenen Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde angefochten werden, da es sich um eine als solche endgültige Entscheidung über die Vollstreckung der verhängten Strafe handelt. §57 Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe (1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind, 2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und 3. der Verurteilte einwilligt. Bei der Entscheidung sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten des Verurteilten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. (2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn 1. der Verurteilte erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder 2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen, und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind. (3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat der Ver-
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urteilte mindestens ein Jahr seiner Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, so unterstellt ihn das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers. (4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3. (5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn der Verurteilte in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. (6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn der Verurteilte unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die dem Verfall unterliegen oder nur deshalb nicht unterliegen, weil dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch der in § 73 Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Art erwachsen ist. (7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
Schrifttum Albrecht Die Determinanten der Sexualstrafrechtsreform, ZStW 111 (1999) 863; Blau Das Vollstreckungsgericht, in: Strafvollzug in der Praxis (1976) S. 359; Bock/Schneider Die Bedeutung des Leugnens einer Straftat im Verfahren nach § 57, NStZ 2003 337; Dötting Das Dreiundzwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz - Strafaussetzung zur Bewährung, NJW 1987 1041 ; Doller Organisation und Geschäftsgang der Strafvollstreckungskammern, DRiZ 1976 169; ders. Die mündliche Anhörung des Verurteilten durch die Strafvollstreckungskammer, DRiZ 1977 80; ders. Reststrafaussetzung bei Ersatzfreiheitsstrafen? NJW 1977 288; ders. Entlassung des Verurteilten vor Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses? NJW 1977 2153; ders. Reststrafaussetzung bei mehreren Strafen, ZRP 1978 55; Eisel Grundsätze der Halbstrafenaussetzung nach § 57 Abs. 2 StGB, StV 1986 312; Esser Videoanhörungen im Verfahren der Strafrestaussetzung, NStZ 2003 464; Frank Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 57 StGB? NJW 1978 141; Groß Reststrafenaussetzung von Ersatzfreiheitsstrafen? StV 1999 508; Heghmanns Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur gerichtlichen Überprüfung der Versagung von Vollzugslockerungen - eine Trendwende? ZStW 111 (1999) 647; Heinrich Die Strafrestaussetzung nach Abgabe der Vollstreckung gem. § 85 VI JGG, NStZ 2002 182; Hinze Findet § 57 StGB über die Aussetzung des Strafrestes bei Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe Anwendung? Rpfleger 1976 422; Jähnke Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des Gerichts des ersten Rechtszuges nach § 462a StPO, DRiZ 1977 236; Kölbel Strafrestaussetzung bei Überhaft, StV 1998 236; Kröber Gang und Gesichtspunkte der kriminalprognostischen psychiatrischen Begutachtung, NStZ 1999 593; Lampe Anlaufschwierigkeiten des neuen Strafverfahrensrechts, MDR 1975 529, 531; Laubenthal Die Einwilligung des Verurteilten in die Strafaussetzung zur Bewährung, J Z 1988 951; Maatz Noch einmal: Zur Erstverbüßerregelung des § 57 II Nr. 1 StGB, NStZ 1988 114; ders. Die Folgenbeseitigung verspäteter oder unterlassener Unterbrechung der Vollstreckung (§ 454b II 1 StPO), NStZ 1990 214; Meynert Die bedingte Entlassung und ihr Widerruf, MDR 1974 807; Müller-Dietz Probleme der Sozialprognose, NJW 1973 1065; Neubacher Die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei der Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes gemäß § 57 I StGB, § 454 II StPO, NStZ 2001 449; Neumann Zur Bindungswirkung einer Sperrfrist, NJW 1985 1889; Nöldeke Zur gerichtlichen Prüfung der Entlassungsreife von Amts wegen im Rahmen des § 26 Abs. 1 StGB, MDR 1972 479; Peters Der Auftrag des Gesetzgebers an die Strafvollstreckungskammer, GA 1977 97; ders. Die Tätigkeit der Strafvollstreckungskammer unter besonderer Berücksichti-
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gung von § 109 StVollzG, JR 1977 397; Rotthaus Neue Aufgaben für den Strafvollzug bei der Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten, NStZ 1998 597; ders. Die Pflichtverteidigung im Verfahren zur Strafrestaussetzung, NStZ 2000 350; Sandermann Setzt die Aussetzung des Strafrestes nach § 57 (§ 26 a.F.) StGB ein rechtskräftiges Urteil voraus? J Z 1975 628; Schatz Strafaussetzung zur Bewährung: Auch bei Ersatzfreiheitsstrafen, ZRP 2002 438; H. W. Schmidt Zur Aussetzung des Strafrestes nach § 57 Abs. 1 StGB bei geheimdienstlicher Tätigkeit (S 99 StGB), MDR 1977 901; W. Schmidt Die Strafvollstreckungskammer in der Praxis, NJW 1975 1485 und NJW 1976 224; Schneider Die Verbesserung des Schutzes der Gesellschaft vor gefährlichen Sexualstraftätern, J Z 1998 436; Schöch Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998, NJW 1998 1257; Schütz Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten oder Bestellung eines Pflichtverteidigers in Verfahren nach §§ 56f, 57, 57a StGB? NStZ 1985 347; Sonnen Die Bedeutung sozialtherapeutischer Maßnahmen für die Sozialprognose, JuS 1976 364; Stromberg Die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte, MDR 1979 353; Terhorst Die Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung, MDR 1973 627; ders. Bewährungsprognosen und der Grundsatz „in dubio pro reo", MDR 1978 973; Treptow Das Verfahren der Strafvollstreckungskammern, NJW 1975 1105 und NJW 1976 222; Ullenbruch Vollstreckung und erneute Aussetzung eines Strafrestes nach Bewährungswiderruf, NStZ 1999 8; Wagner Die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 StGB, Rpfleger 1997 421; Walter/Geiter/Fischer Halbstrafenaussetzung ein ungenutztes Institut zur Verringerung des Freiheitsentzugs, NStZ 1989 405; Walter/Geiter/ Fischer Halbstrafenaussetzung - Einsatzmöglichkeiten dieses Instituts zur Verringerung des Freiheitsentzugs, NStZ 1990 16; Weber Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 57 StGB? Gedächtnisschrift Schröder (1978) 175; Wittschier Die Festsetzung einer Sperrfrist gemäß den SS 57 V, 57a IV StGB und ihre Folgen, NStZ 1986 112.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift entsprach bis zum Inkrafttreten des 23. StRÄndG der Fassung des 2. StrRG mit den Änderungen durch Art. 18 II Nr. 19 EGStGB. In der Zeit vom 1.4.1970 bis 31.12.1974 galt die Vorschrift in der - nahezu identischen - Fassung des 1. StrRG (§ 26). Bis zum 31.3.1970 hatte § 2 6 folgenden Wortlaut (Fassung des 3. StRÄndG vom 4.8.1953): Das Gericht kann den zu zeitiger Freiheitsstrafe Verurteilten mit seiner Zustimmung bedingt entlassen, wenn dieser zwei Drittel der Strafe, mindestens jedoch drei Monate, verbüßt hat und erwartet werden kann, daß er in Zukunft ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen wird. Die Bewährungszeit darf die Dauer des Strafrestes auch im Falle einer nachträglichen Verkürzung nicht unterschreiten. Im übrigen gelten die Vorschriften der §§ 24, 24a und des § 25 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 sinngemäß. Vor Inkrafttreten des 3. StRÄndG war die „bedingte Entlassung" in den § § 2 3 bis 2 6 geregelt. Das 2 3 . StRÄndG vom 13.4.1986 fügte den heutigen § 5 7 Abs. 6 ein und fasste die Absätze 2 und 4 neu. Die Änderungen betrafen im wesentlichen die Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung der Hälfte der zeitigen Freiheitsstrafe, wobei die Mindestverbüßungsdauer von einem Jahr auf sechs Monate ermäßigt, eine Sonderregelung für „Erstverbüßer" mit einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren eingeführt und die „Umständeklausel" der Entwicklung der Rechtsprechung angepasst wurde. Das dem Schutz der Gesellschaft vor besonders schwerwiegenden Sexualstraftaten dienende SexualdelikteBekG vom 2 6 . 1 . 1 9 9 8 führte zur Betonung der Bedeutung allgemeiner Sicherheitsinteressen bei der Entscheidung über die Strafrestaussetzung, indem die Prognoseklausel des § 5 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 neu gefasst und Satz 2 um den Zusatz „das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes" ergänzt wurde.
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Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
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Mit dem 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3416, 3432) änderte der Gesetzgeber § 57 Abs. 3 Satz 1 im 1. Halbsatz und ergänzte die Regelung um einen neuen Absatz 5; die bisherigen Absätze 5 und 6 wurden zu Absatz 6 und Absatz 7. Kernstück der Neuregelung ist die Einführung einer Widerrufsmöglichkeit, die an strafbares Verhalten des Verurteilten vor der Reststrafenaussetzung anknüpft. Übersicht Rdn. I. Rechtsnatur und Anwendungsbereich 1. Rechtsnatur und Zweck des § 5 7 . . . 2. Der Anwendungsbereich der Vorschrift a) Zeitige Freiheitsstrafe b) Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe c) Verurteilte auf freiem Fuß Π. Die Aussetzung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (§ 5 7 Abs. 1) 1. Verbüßungszeit (Satz 1 Nr. 1) a) Mindestdauer b) Anrechnungen 2. Günstige Prognose (Satz 1 Nr. 2) a) Anforderungen im Allgemeinen . . b) Die namentlich zu berücksichtigenden Tatsachen (Satz 2) aa) Allgemein prognoserelevante Umstände bb) Das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts cc) Das Verhalten des Verurteilten im Vollzug c) Gesamtwürdigung 3. Einwilligung des Verurteilten (Satz 1 Nr. 3) 4 . Rechtsfolgen ΙΠ. Die Aussetzung nach Verbüßung der Hälfte der Strafe (§ 5 7 Abs. 2 ) 1. Verbüßungszeit a) Mindestdauer b) Anrechnungen 2. Anforderungen des § 5 7 Abs. 1 . . . . 3. Erstverbüßung oder besondere Umstände a) Erstverbüßerregelung (Nummer 1 ) aa) Der Begriff „erstmals" bb) Die Obergrenze der Freiheitsstrafe b) Besondere Umstände (Nummer 2) . 4. Rechtsfolgen a) Fälle der Umständeklausel b) Fälle der Erstverbüßerregelung
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IV. Die Entscheidung im Verfahren nach ; s 7 1. Einleitung und Modalitäten des Prüfungsverfahrens a) Allgemeines b) Fälle der Anschlussvollstreckung aa) Mehrere Freiheitsstrafen . . . bb) Freiheitsstrafe und Jugendstrafe c) Fälle der zusätzlichen Maßregelanordnung
Rdn. 2. Aussetzung der Reststrafe a) Entscheidungs- und Entlassungszeitpunkt b) Anordnungen (§ 5 7 Abs. 3) aa) Bewährungszeit bb) Auflagen und Weisungen . . cc) Bewährungshelfer 3. Absehen von der Aussetzung (§ 5 7 Abs. 6) a) Inhalt der Vorschrift b) Bedeutung der Vorschrift im Normzusammenhang 4. Ablehnung der Aussetzung und Sperrfrist a) Ablehnung b) Sperrfrist (§ 5 7 Abs. 7)
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V. Folgeentscheidungen bei Aussetzung der Reststrafe 1. Nachträgliche Änderung von Anordnungen (§ 5 7 Abs. 3 Satz 1) 2. Aufhebung der Aussetzung (§ 4 5 4 a Abs. 2 StPO) 3. Widerruf der Aussetzung (§ 5 7 Abs. 5) a) Verweisung auf § 5 6 f (Absatz 5 Satz 1 ) b) Zusätzlicher Widerrufsgrund (Absatz 5 Satz 2) aa) Hintergrund der Regelung . . bb) Voraussetzungen 4. Erlass und Erlasswiderruf VI. Verfahrensrechtliches 1. Zuständigkeit a) Sachliche Zuständigkeit b) Örtliche Zuständigkeit 2. Ermittlungsmaßnahmen a) Anhörungserfordernisse (§ 4 5 4 Abs. 1 Satz 2 - 4 StPO) aa) Staatsanwaltschaft, Vollzugsanstalt bb) Mündliche Anhörung des Verurteilten b) Prognosebegutachtung (§ 4 5 4 Abs. 2 StPO) c) Sonstige Nachforschungen 3. Bestellung eines Pflichtverteidigers . . 4. Form und Vollziehbarkeit der Entscheidung 5. Rechtsmittel
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I. Rechtsnatur und Anwendungsbereich 1
1. Rechtsnatur und Zweck des § 57. Das Gesetz nennt die „bedingte Entlassung" des früheren Rechts mittlerweile Aussetzung des Strafrestes und bringt dadurch die kriminalpolitische Zusammengehörigkeit der Vorschrift mit § 56 zum Ausdruck. Während die ambulante Behandlung des Verurteilten bei der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 die Vollstreckung der Freiheitsstrafe vollständig ersetzt, schließt sie sich im Falle des § 57 an einen vorangegangenen Teilvollzug an und ist hier deshalb auch bei hohen Strafen zulässig. Dem Wesen nach handelt es sich bei der Aussetzung des Strafrestes um eine Modifikation der ausgesprochenen Strafe als Akt der Strafvollstreckung,1 keinesfalls um eine nachträgliche Strafkorrektur2 oder um eine Gnadenentscheidung; die Möglichkeit der Gnade bleibt vielmehr daneben bestehen. Ob auf die Vollstreckung der Strafe zum Teil verzichtet werden kann, richtet sich im Falle des rein spezialpräventiv ausgerichteten § 57 Abs. 1 ausschließlich nach der Prognose für das künftige Legalverhalten des Verurteilten, während bei § 57 Abs. 2 auch Gesichtspunkte der Schuldschwere in Betracht kommen. Die von dem ausgesetzten Strafrest ausgehende Zwangswirkung soll dem Verurteilten helfen, sich an ein straffreies Leben in der Freiheit zu gewöhnen. Damit einhergehen muss Hilfe und Fürsorge für den Entlassenen, erforderlichenfalls durch Bestellung eines Bewährungshelfers, um ihm die Anpassung an das Leben in der Freiheit zu erleichtern. Der Erfolg der Einrichtung hängt weitgehend von solchen unterstützenden Maßnahmen ab. 2. Der Anwendungsbereich der Vorschrift
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a) Zeitige Freiheitsstrafe. Der Täter muss zu zeitiger Freiheitsstrafe ( § 3 8 Abs. 1) verurteilt sein. Zur Behandlung der Fälle einer gnadenweisen Umwandlung lebenslanger Freiheitsstrafen in zeitige vgl. S 57a Rdn. 5. Beim Strafarrest sind die Modifikationen des § 14a Abs. 2 WStG zu beachten. Für die Jugendstrafe gelten die speziellen Vorschriften der §§ 88, 89 JGG. Sie bleiben auch dann Prüfungsmaßstab, wenn Jugendstrafe nach den Vorschriften des Erwachsenenvollzugs vollzogen wird (§ 92 Abs. 2 JGG) und ihre Vollstreckung gemäß § 85 Abs. 6 JGG an die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde abgegeben ist (OLG Hamm NStZ-RR 2000 92 f; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 91; OLG Düsseldorf JMB1NW 2003 179,180). 3
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Die Anwendung des § 57 ist auch bei solchen Strafen in Betracht zu ziehen, deren Vollstreckung nach Widerruf einer zuvor schon einmal gewährten (Rest)Strafaussetzung (OLG Bremen MDR 1958 263; Ollenbruch NStZ 1999 8, 9) oder eines Straferlasses erfolgt. Aus § 454b Abs. 2 Satz 2 StPO ergibt sich nichts anderes (näher hierzu Rdn. 47; vgl. LG Heilbronn NStZ 1989 291 mit zust. Anm. Wendisch). Der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses kommt nicht die Wirkung zu, dass die ursprünglich verhängte Strafe nun zwingend vollständig verbüßt werden muss (OLG München MDR 1959 324). Vielmehr können sich im Haftverlauf bis zu der von Amts wegen oder auf Antrag zu treffenden Entscheidung gemäß § 57 die Lebensverhältnisse des Verurteilten so zu seinen
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Dreher JR 1955 31; Meynert MDR 1974 808. Mittelbach J R 1956 165; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2. OLG Hamm StV 1996 2 7 7 ; OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 0 149; OLG Dresden NStZ-RR 2 0 0 0 381; OLG Rostock Beschl. v. 17.12.
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2 0 0 4 - 1 Ws 5 4 9 / 0 4 ; OLG Bamberg Beschl. v. 2 5 . 1 0 . 2 0 0 5 - Ws 768/05; Frunze Jura 1997 72, 79 f; Kühn NStZ 1992 526; aA OLG Düsseldorf JR 1 9 9 7 212 f m. Anm. Böhm = StV 1998 348 f m. Anm. Rzepka; Heinrich NStZ 2 0 0 2 182 ff.
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Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
§57
Gunsten verändern, dass eine Aussetzung des Strafrestes - nochmals - in Betracht kommt. b) Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe. Eine vom Gericht verhängte Geldstrafe ist nach § 57 nicht aussetzungsfähig. Hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43) ist die Zulässigkeit der Aussetzung eines noch nicht vollstreckten Restes umstritten, 4 nach inzwischen wohl herrschender Meinung de lege lata zu verneinen. Zwar mag sich ein mittelloser Verurteilter bei der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe faktisch in einer vergleichbaren Situation befinden wie der von vornherein zu Freiheitsstrafe verurteilte Täter (OLG Zweibrücken NJW 1976 155). Rechtlich stellt die Ersatzfreiheitsstrafe indes keine eigenständige Sanktion dar, sondern bleibt bis zum letzten Tag ihrer Vollstreckung abhängig von der primär verhängten Geldstrafe. Für dieses Verhältnis der Akzessorietät enthält § 57 keine passende Regelung, die insbesondere das Schicksal des nicht entrichteten Teils der Geldstrafe für den Fall einer bedingten Entlassung aus dem Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe klären könnte (hierzu ausführlich OLG Bamberg NStZ-RR 1998 380 f; OLG Oldenburg NdsRpfl. 2 0 0 6 221). Die insoweit verbleibenden Ungereimtheiten dürfen nicht im Wege des Richterspruchs in freier Rechtsschöpfung beseitigt werden; dies ist vielmehr Sache des Gesetzgebers (so richtig OLG Düsseldorf N J W 1980 250; OLG Bamberg NStZ-RR 1998 380, 381). 5 Der strafprozessualen Regelung zur Vollstreckungsunterbrechung (§ 454b StPO) kommt insoweit keine den Anwendungsbereich des § 57 erweiternde Wirkung zu (vgl. OLG Bamberg NStZ-RR 1998 380, 381; Wendisch NStZ 1989 293; aA OLG Koblenz NStZ 1987 120, 121).
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c) Verurteilte auf freiem Fuß. Für das Prüfungsverfahren nach § 57 kommt es nicht darauf an, dass sich der Verurteilte zur Zeit der Entscheidung tatsächlich in Haft befindet. Liegen daher im Zeitpunkt der Urteilsrechtskraft infolge einer Anrechnung früher erlittener Untersuchungshaft (§ 57 Abs. 4) die Mindestverbüßungsvoraussetzungen einer Strafrestaussetzung bereits vor, so muss der auf freiem Fuß befindliche Verurteilte nicht erst die Strafe antreten, um eine Entscheidung nach § 57 herbeizuführen. Über einen Aussetzungsantrag des Verurteilten hat das zuständige Gericht auch dann zu entscheiden, wenn die Strafvollstreckung aufgrund einer Gnadenentscheidung unterbrochen ist (OLG Düsseldorf VRS 86 112 f und VRS 99 44 f) oder die Staatsanwaltschaft mit Rücksicht auf die erfolgte Auslieferung bzw. Ausweisung des Verurteilten von der - weiteren - Voll-
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Dafür: OLG Hamm StV 1998 151; OLG Hamm MDR 1976 159; OLG Koblenz NStZ 1995 254; OLG Koblenz M D R 1977 4 2 3 ; OLG Koblenz NStZ 1987 120; OLG Zweibrücken NJW 1976 155 = J R 1976 4 6 6 m. Anm. Preisendanz; OLG Düsseldorf NJW 1977 308; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4; Doller NJW 1977 2 8 8 ; Dölling NStZ 1981 86; Weber GedS Schröder, 175, 180; dagegen: OLG Oldenburg NdsRpfl. 2 0 0 6 221; OLG Zweibrücken StV 2 0 0 1 414 (LS) unter Aufgabe der in OLGSt. Nr. 2 2 zu § 57 noch vertretenen Gegenansicht; OLG Hamm StV 1999 495; OLG Schleswig SchlHA 1997 1 7 3 , 1 7 4 ; OLG Bamberg NStZ-RR 1998 380; OLG Celle NStZ 1998 533, 5 3 4 ; OLG Celle
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NJW 1977 3 0 8 = J R 1977 121 m. abl. Anm. Zipf-, OLG Hamburg NJW 1976 681; OLG Hamm MDR 1977 4 2 2 ; OLG München N J W 1977 309; KG GA 1977 2 3 7 ; OLG Stuttgart MDR 1978 331; OLG Stuttgart Justiz 1986 469, 4 7 0 ; OLG Karlsruhe Justiz 1978 146; OLG Karlsruhe Justiz 1979 232; OLG Düsseldorf NJW 1980 2 5 0 ; AG Tiergarten N J W 1972 4 5 7 ; LG Lüneburg Rpfleger 1973 4 3 6 m. Anm. Pohlmann·, Horn SK Rdn. 3; Groß MK Rdn. 9; Fischer Rdn. 3; Wagner Rpfleger 1997 421, 4 2 2 f; Frank NJW 1978 141; Hinze Rpfleger 1976 4 2 2 . Vgl. die Regelungsvorschläge de lege ferenda bei Schatz ZRP 2 0 0 2 438 ff und bei Groß StV 1999 508, 510.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Streckung gemäß § 456a StPO abgesehen hat (OLG Düsseldorf StV 2000 382; OLG Karlsruhe StV 2002 322; OLG Stuttgart StV 1999 276 f). 6
Π. Die Aussetzung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (§ 5 7 Abs. 1) 1. Verbüßungszeit (Satz 1 Nummer 1) 6
a) Mindestdauer. Ausgangspunkt für die Berechnung der nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 maßgeblichen Mindestverbüßungsdauer ist nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung die verhängte Strafe. Ein teilweiser Erlass dieser Strafe im Gnadenwege hat außer Betracht zu bleiben (OLG Saarbrücken NJW 1973 2037; OLG Düsseldorf NJW 1975 1526; OLG Oldenburg MDR 1984 772)7 Bei einer Gesamtstrafe ist diese, nicht etwa die Summe der Einzelfreiheitsstrafen maßgebend. Dies gilt allerdings nicht, wenn nach Einlieferung eines Verurteilten zur Strafvollstreckung die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe wegen einer Beschränkung der Auslieferungsbewilligung nicht in vollem Umfang vollstreckbar ist (OLG München NStZ 1989 278; aA OLG Düsseldorf JMB1NW 1986 43). In einem solchen Fall gilt im Hinblick auf den Spezialitätsgrundsatz als „verhängte Strafe" die nach der Auslieferungsbewilligung vollstreckbare Einzelfreiheitsstrafe, und zwar ohne deren Reduzierung nach Grundsätzen der Gesamtstrafenbildung (OLG München NStZ 1989 278, 279).
7
Von der verhängten Strafe muss der Verurteilte zwei Drittel, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt haben. Freiheitsstrafen, die zwei Monate oder weniger betragen, scheiden daher für eine Aussetzung des Strafrestes aus. In Betracht kommt die Vorschrift aber für jede zeitige Freiheitsstrafe, die zwei Monate übersteigt. Es ist nicht erforderlich, dass zwei Drittel der verhängten Strafe zwei Monate ausmachen, die verhängte Strafe also mindestens drei Monate beträgt (vgl. OLG Köln NJW 1959 783).
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b) Anrechnungen. Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe (§ 57 Abs. 4). Für die Anrechnung kommen in Betracht: Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung, z.B. Auslieferungshaft (§ 51 Abs. 1); inländische und ausländische Strafhaft nach § 51 Abs. 2 und 3; Geldstrafe (§ 51 Abs. 4); Leistungen nach § 56f Abs. 3 Satz 2 und § 56g Abs. 2 Satz 3; Maßregelvollzug nach § 67 Abs. 4 Satz 1 (vgl. BVerfG NJW 1995 1080, 1081), Organisationshaft (OLG Zweibrücken NStZ 2001 54, 55) sowie Therapiezeiten nach § 36 Abs. 1 und 3 BtMG (Fischer Rdn. 7). Auch im Gnadenwege angerechnete Untersuchungshaft gilt als verbüßte Strafe und ist deshalb zu berücksichtigen (OLG Hamburg NJW 1970 2123; MDR 1970 781; MDR 1977 772). Entsprechendes gilt für Anrechnungen im Sinne von § 56f Abs. 3 Satz 2, die durch die Gnadenbehörde erfolgt sind. Beträgt die nach § 57 Abs. 4 mögliche Anrechnung zwei Drittel oder mehr der verhängten Strafe und mindestens zwei Monate, so setzt das Gericht, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen, die Vollstreckung des gesamten Strafrestes aus.
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OLG Düsseldorf NStZ 2 0 0 0 333; OLG Celle StV 2 0 0 3 90 (LS). Ebenso Groß MK Rdn. 11; Fischer Rdn. 9; Lackner/Kühl25 Rdn. 3; vgl. auch OLG Nürnberg MDR 1975 949 und OLG Hamburg
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MDR 1977 771 für die Zeit einer gnadenweisen Strafunterbrechung; aA OLG Hamm NJW 1970 2126; OLG Hamburg NJW 1970 2123; Horn SK Rdn. 4; Scb/Schröder/Stree Rdn. 5.
Jutta Hubrach
Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
§57
2. Günstige Prognose (Satz 1 Nummer 2 ) a) Anforderungen im Allgemeinen. Neben der Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe (Satz 1 Nr. 1) verlangt das Gesetz als weitere Voraussetzung, dass die Strafrestaussetzung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (Satz 1 Nr. 2). Diese Formulierung geht auf das SexualdelikteBekG vom 2 6 . 1 . 1 9 9 8 zurück; Satz 1 Nr. 2 in seiner früheren Fassung sah eine Strafrestaussetzung vor, wenn „verantwortet werden kann zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird". Ungeachtet der erfolgten Änderung drückt die Vorschrift nach wie vor das Erfordernis einer günstigen Sozialprognose aus, wobei es der Verfassung entspricht, hierbei grundsätzlich auf die Erwartung genereller Straffreiheit abzustellen (BVerfG Beschl. vom 3 0 . 1 0 . 2 0 0 0 - 2 BvR 1621/00).
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Liegt bei dem Verurteilten die Gefahr eines Rückfalls nahe, so lässt sich seine Entlassung aus dem Strafvollzug in der Regel nicht verantworten; dann darf auch nicht etwa aus Gründen der Fürsorge ausgesetzt werden (OLG Karlsruhe Justiz 1 9 7 7 4 6 5 ; O L G Oldenburg Beschl. vom 3 0 . 9 . 1 9 9 8 - 1 Ws 421/98). Da allerdings die zukünftige straffreie Führung eines Verurteilten nie mit letzter Sicherheit prognostizierbar ist ( O L G Düsseldorf N S t Z 1988 2 7 2 ) , setzt die Erprobung keine dahingehende Gewissheit voraus. Es genügt vielmehr die realistische Chance im Sinne einer mit Tatsachen belegten überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass der Verurteilte die kritische Probe bestehen werde ( O L G Karlsruhe StV 1993 2 6 0 f; O L G Düsseldorf N S t Z 1 9 9 9 4 7 8 ; O L G Koblenz N S t Z - R R 1998 9, 10). 8 Diese Wahrscheinlichkeit muss nicht den in § 5 6 vorausgesetzten Grad erreichen (OLG Brandenburg N S t Z 1994 510; O L G Bamberg N J W 1 9 9 8 3 5 0 8 , 3 5 0 9 ; O L G Koblenz OLGSt. Nr. 3 9 zu § 57), da der Verurteilte im Falle des § 5 7 - anders als bei der Strafaussetzung gemäß § 5 6 - bereits einen erheblichen Teil der gegen ihn verhängten Strafe verbüßt hat. Insoweit hat die Modifikation der Prognoseklausel durch das SexualdelikteBekG keine Änderung bewirkt. Auch die neue Fassung des § 5 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lässt es vielmehr zu, dass bei der Strafrestaussetzung ein vertretbares Restrisiko eingegangen wird (BVerfG N J W 1998, 2 2 0 2 , 2 2 0 3 ; OLG Nürnberg StraFo 2 0 0 0 210 f; O L G Köln N S t Z - R R 2 0 0 0 317). 9
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Wie groß das noch hinnehmbare Restrisikos einerseits und der zu fordernde Grad der Wahrscheinlichkeit straffreien Verhaltens andererseits sein darf, hängt in rechtlicher Hinsicht vom Ausmaß der Gefahr ab, die der rückfällige Verurteilte für die Allgemeinheit darstellen würde. Dieser Aspekt wiederum wird ganz wesentlich von der Art und Schwere der Taten bestimmt, mit denen bei dem Verurteilten im Falle eines negativen Verlaufs der Erprobung möglicherweise zu rechnen ist ( B G H R Abs. 1 Erprobung 1). Die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens muss daher umso größer sein, je gewichtiger die Taten sind, denen es durch Einwirkung auf den Verurteilten vorzubeugen gilt (BGH
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OLG Brandenburg NStZ 1994 510; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997 60, 61; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2000 187; OLG Karlsruhe OLGSt. Nr. 36 zu § 57; OLG Jena Beschl. v. 17.3.2005 - 1 Ws 64/05. OLG Bamberg NJW 1998 3508 f; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 306; OLG Saarbrücken NJW 1999 438; OLG Karlsruhe OLGSt. Nr. 36 zu § 57; OLG Hamm StV 2002 320 f; NJW 1999 2453, 2454; OLG
Oldenburg Beschl. v. 30.9.1998 - 1 Ws 421/98; OLG Köln NStZ-RR 2000 317; aA im Sinne einer strengeren Auslegung noch OLG Koblenz NStZ 1998 591 m. abl. Anm. Feuerhelm NStZ 1999 270 und OLG Koblenz NJW 1999 734 f sowie Schneider JZ 1998 436, 440; kritisch zu restriktiven Auslegungstendenzen dieser Art: Albrecht ZStW 111 (1999) 863, 879; Schöch NJW 1998 1257, 1258 f; Rotthaus NStZ 1998 597, 599 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
NStZ-RR 2003 200, 201; OLG Karlsruhe OLGSt. Nr. 36 zu § 57; OLG Koblenz NStZ-RR 1998 9, 10). 10 Dieser Grundsatz galt bereits für § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in alter Fassung (vgl. Gribbohm LK 11 Rdn. 16). Die Änderung der Prognoseklausel durch das SexualdelikteBekG hat insoweit nur hervorgehoben und klargestellt, dass das Maß der für eine Reststrafenaussetzung zu fordernden Erfolgswahrscheinlichkeit von dem Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts (vgl. Rdn. 14) und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit abhängt (vgl. BTDrucks. 13/8586 S. 8; BVerfG NJW 2000 502, 503 f; OLG Köln NStZ-RR 2000 317; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 346). 1 1 Hieraus folgt, dass bei Anlasstaten schwerwiegender Natur, insbesondere bei Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005 172 [LS]) und bei Tötungsdelikten (OLG Saarbrücken NJW 1999 439 f; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 346, 347; OLG Karlsruhe VRS 108 260, 261), in tatsächlicher Hinsicht erhöhte Anforderungen an die Kriminalprognose zu stellen sind. 12
Die Entscheidung ist unter rein spezialpräventiven Gesichtspunkten zu treffen (vgl. BVerfG NJW 1994 378; OLG München StV 1999 550 und 550 f; OLG Hamm NStZ-RR 1996 382, 383). 1 2 Die Gedanken des Schuldausgleichs und der Verteidigung der Rechtsordnung dürfen die Aussetzung des Strafrestes auch dann nicht verhindern, wenn es sich um schwere Vergehen handelt13 (bedenklich daher OLG München StV 2000 683 mit abl. Anm Wolters). Eine Aussetzung des letzten Strafdrittels hat daher in der Regel zu erfolgen, wenn ein Verurteilter, der in der Bundesrepublik schwere politisch motivierte Straftaten (wie Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, schwere Brandstiftung und versuchte Anstiftung zum Mord) begangen hat, an seiner politischen Überzeugung zwar grundsätzlich festhält, sich aber inzwischen von Gewaltanwendung als Mittel politischer Auseinandersetzung distanziert hat und keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass er sich erneut strafbar macht (BGHR Abs. 1 Erprobung 1; vgl. ferner OLG Koblenz StV 2001 304 [LS]). Diese Konsequenz hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, indem er § 57 Abs. 1 obligatorischen Charakter verliehen und eine dem § 56 Abs. 3 vergleichbare Ausnahmeregelung nicht getroffen hat (OLG Hamm NJW 1970 2124). Dass die verhängte Strafe nach der Einschätzung des für die Prüfung zuständigen Gerichts besonders milde ausgefallen ist, kann erst recht nicht zur Verweigerung der Strafrestaussetzung führen (OLG Koblenz OLGSt. Nr. 39 zu § 57). b) Die namentlich zu berücksichtigenden Tatsachen (Satz 2)
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aa) Allgemein prognoserelevante Umstände. Soweit § 57 Abs. 1 Satz 2 als namentlich zu berücksichtigende Tatsachen die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Verurteilten und die für ihn zu erwartenden Wirkungen der Aussetzung nennt, handelt es sich um allgemein prognoserelevante Umstände, die auch bei der „originären" Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56
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OLG Bamberg NStZ-RR 1997 3, 4; OLG Brandenburg NStZ 1994 510; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 346, 347; Κ. H. Meyer JR 1970 348; Müller-Dietz NJW 1973 1067; Schmidt MDR 1977 901; Terhorst MDR 1978 976. OLG Hamm NStZ 1998 376; OLG Hamm JMB1NW 1999 85; OLG Stuttgart StV 1998 668 m. Anm. Schüler-Springorum-, OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 306; OLG Bam-
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berg NJW 1998 3508 f; Wolters StV 2000 683, 684. OLG Koblenz NStZ-RR 1998 9, 10; Bemmann StV 1989 542, 549; Wagner Rpfleger 1997 421; aA OLG Bamberg NStZ 1989 389. OLG Hamm NJW 1970 2124; OLG Hamm NJW 1972 1583; Terhorst MDR 1973 627; Bruns FS Dreher, 260; Roxin FS Bruns, 193.
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Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
§57
Bestandteil der Würdigung sind. Die Ausführungen zu § 56 Rdn. 17-28 gelten daher für die Aussetzung des Strafrestes entsprechend. Obwohl § 57 Abs. 1 Satz 2 hinsichtlich des Nachtatverhaltens nur auf den Vollzugszeitraum abstellt („Verhalten des Verurteilten im Vollzug"), ist es angesichts des nicht abschließenden Charakters der Norm selbstverständlich möglich und gegebenenfalls auch erforderlich, bei der Prognosebeurteilung Handlungen des Verurteilten aus dem Zeitraum zwischen Tatbegehung und Inhaftierung mit zu berücksichtigen. Zu den Lebensverhältnissen des Verurteilten als prognostisch relevanter Faktor zählt im Fall des § 57 insbesondere die für ihn zu erwartende Entlassungssituation, die je nach Einzelfall Chancen für eine künftige Legalbewährung bieten oder Rückfallrisiken bergen kann. Allein der ausländerrechtlich ungeklärte Status des Verurteilten oder die ihm drohende Abschiebung aus dem Bundesgebiet vermag bei ansonsten positiver Prognoselage keine Ablehnung der Strafrestaussetzung zu rechtfertigen (OLG Hamm StV 2001 304 f und StV 2002 320, 321; OLG Stuttgart StV 2 0 0 3 677 [LS] und StraFo 2 0 0 4 326 f). Die Verwertung von Vorstrafen im Rahmen der Legalprognose nach § 57 Abs. 1 verstößt nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 103 Abs. 3 GG (BVerfG Beschl. vom 30.10.2000 - 2 BvR 1746/00). bb) Das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts. Der Hinweis auf das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts wurde durch das SexualdelikteBekG vom 26.1.1998 eingefügt. Er verdeutlicht den in der neuen Prognoseklausel enthaltenen Begriff des „Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit" und betont zusätzlich, dass die Wahrscheinlichkeit eines positiven Erprobungsverlaufs um so größer sein muss, je gewichtiger die für den Fall eines Scheiterns zu erwartenden Delikte des Verurteilten wären. Auch insoweit handelt es sich bei der Gesetzesänderung nicht um eine grundsätzliche Neuerung, sondern lediglich um eine Klarstellung (zur alten Rechtslage vgl. bereits Gribbohm LK 1 1 Rdn. 21).
14
cc) Das Verhalten des Verurteilten im Vollzug. Die Wertung des Verhaltens im StrafVollzug ist bei der Prognosebeurteilung gemäß § 57 von erheblichem Interesse. Mit der diesbezüglichen Sachaufklärungspflicht des Gerichts korrespondiert die im Verfahren gebotene Anhörung der Vollzugsanstalt (§ 454 Abs. 1 Satz 2 StPO). Von Bedeutung sind die Mitwirkung des Verurteilten an Arbeits-, Unterrichts- oder Sportmaßnahmen, sein Umgang mit Anstaltspersonal und anderen Gefangenen sowie im Vollzugsverlauf gewonnene sozialtherapeutische Erkenntnisse. 14 Für die einzelfallbezogene Bewertung, die stets die Persönlichkeit des Verurteilten und seinen bisherigen Werdegang im Blick haben muss, lassen sich nur begrenzt allgemeingültige Kriterien aufstellen. So kommt bei haftgewohnten Verurteilten und solchen, deren Taten auf Charakterschwäche, vor allem Beeinflussbarkeit durch Dritte, zurückzuführen sind, einem geduldigen Sicheinfügen in den Anstaltsbetrieb nicht zwingend positive Aussagekraft zu, während umgekehrt bei temperamentvollen Tätern ein Aufbegehren nicht ohne weiteres ungünstige Schlüsse zulässt. 15 Ein durch Vorstrafen, Bewährungsversagen und Freiheitsentzug gekennzeichnetes Vorleben des Verurteilten schmälert regelmäßig die Indizwirkung eines unauffälligen Haftverlaufs, schließt jedoch im Einzelfall eine günstige Prognose aufgrund neuer Ent-
15
14
Aus der älteren Rechtsprechung hierzu KG NJW 1972 2228 und KG NJW 1973 1420 mit krit. Ausführungen von Sonnen JuS 1976 364; vgl. ferner Müller-Dietz NJW 1973 1065.
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Eisenberg NStZ 1989 366; H. W. Schmidt MDR 1961 195; Müller-Dietz NJW 1973 1 0 6 5 , 1 0 6 7 f; Terhorst MDR 1973 627, 628 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
wicklungstendenzen nicht notwendig aus (OLG Düsseldorf NStZ 1988 272; OLG Braunschweig StV 1992 588). 16
Gibt bei Erstverbüßung das Vollzugsverhalten keinen Anlass zu gewichtigen Beanstandungen, so kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass die Strafe ihre spezialpräventiven Wirkungen entfaltet hat und es verantwortbar ist, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen (BGH NStZ-RR 2003 200, 201; OLG Frankfurt StV 2005 277, 278; OLG Saarbrücken NJW 1999 438). 16 Ein generell engerer Beurteilungsmaßstab für Fälle, in denen der Erstverbüßung ein Bewährungsbruch vorausging, ist hierbei nicht gerechtfertigt (BGH NStZ-RR 2003 200, 201; vgl. ferner OLG Braunschweig StV 1992 588). Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos, sofern besondere Umstände in Form gewichtiger negativer Prognoseindizien - einer vorzeitigen Entlassung entgegenstehen (OLG Schleswig SchlHA 2002 143). So kann eine Strafrestaussetzung trotz Erstverbüßung im Einzelfall ausscheiden, wenn die Umstände der Tatbegehung sowie das Umfeld des Verurteilten auf dessen nachhaltige Verstrickung in ein kriminogenes Milieu schließen lassen (OLG Karlsruhe OLGSt. Nr. 36 zu § 57, S. 3 f; vgl. ferner OLG Frankfurt NStZ-RR 2006 357, 358; OLG Bamberg NStZ-RR 1997 3) oder in seiner Persönlichkeitsstruktur und seinen Lebensverhältnissen nach wie vor ernstzunehmende Rückfallrisiken angelegt sind (OLG Stuttgart StV 1998 668 m. Anm. Schüler-Springorum; OLG Saarbrücken NJW 1999 439 f). 17
17
Einer beanstandungsfreien Bewältigung schrittweiser Vollzugslockerungen (Ausgänge, Urlaub, offener Vollzug) kommt insbesondere bei längerfristigem Freiheitsentzug regelmäßig erhebliches prognostisches Gewicht zu (OLG Frankfurt StV 2005 277, 278). Diesbezügliche Erfahrungen können bei der Entscheidung auch dann nicht vollständig ausgeblendet werden, wenn sie nur von kurzer Dauer waren (BVerfG NJW 2000 501, 502). Umgekehrt darf sich das Gericht im Falle einer Ablehnung der Strafrestaussetzung nicht mit dem bloßen Hinweis auf bislang fehlende Vollzugslockerungen begnügen: Zum einen muss die positive Prognose an fehlenden Vollzugslockerungen nicht zwingend scheitern (vgl. OLG Karlsruhe StV 1993 260 f). Zum anderen hat das Gericht im Rahmen seiner Pflicht zur eigenständigen Aufklärung sämtlicher Prognosefaktoren im Verfahren gemäß § 57 zu prüfen, ob die bislang ablehnende Haltung der Vollzugsbehörde gegenüber Lockerungen auf einer tragfähigen Begründung beruht (BVerfG NJW 1998 2202, 2203; BVerfG NJW 2000 502, 504; BVerfG StV 2003 677 f).18 Ist dies nicht der Fall, so sind im Verfahren nach § 57 die prozessualen Möglichkeiten - auch im Hinblick auf § 454a Abs. 1 StPO - auszuschöpfen (BVerfG NJW 1998 2202, 2204). Bei ansonsten positiver Beurteilung des Verurteilten kann daher eine Aussetzung der Reststrafe unter Festlegung eines späteren Entlassungstermins (vgl. hierzu Rdn. 53) erfolgen, um der Vollzugsbehörde im noch verbleibenden Zeitraum die zuvor zu Unrecht unterbliebenen Wiedereingliederungsmaßnahmen zu ermöglichen (vgl. OLG Köln Beschl. vom 26.8.2005 - 2 Ws 202/05 - , in StraFo 2005 478 nicht vollständig abgedr.). Sieht sich das Gericht im Entscheidungszeitpunkt allerdings nicht in der Lage, die Erfolgsaussichten und die voraussichtliche Dauer derartiger Maßnahmen einzuschätzen, so rechtfertigt allein die ungerechtfertigte Versagung schrittweiser Lockerungen im bisherigen Vollzugsverlauf noch keine positive Entscheidung gemäß § 57, wenn deren längerfristige Bewältigung sich als
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Ebenso OLG München StV 1999 5 5 0 und 5 5 0 f. OLG Düsseldorf NStZ 1999 478. OLG Koblenz OLGSt. Nr. 38 zu § 57 StGB; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2 0 0 0 187; vgl.
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ferner OLG Schleswig StV 1998 670; zum Prüfungsmaßstab angesichts des prognostischen Beurteilungsspielraums der Vollzugsanstalt vgl. Heghmanns ZStW 111 (1999) 647, 671.
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Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
§57
zwingend prognoseentscheidend darstellt (OLG Frankfurt N S t Z - R R 2 0 0 1 311, 312 f; O L G Frankfurt N S t Z - R R 2 0 0 4 62, 63; O L G Jena N S t Z - R R 2 0 0 6 3 5 4 [LS]). In solchen Fällen verbleibt vielmehr nur die Möglichkeit, die Vollzugsbehörde in der ablehnenden Entscheidung gemäß § 5 7 auf das Erfordernis einer zeitgerechten Entlassungsvorbereitung mittels Vollzugslockerungen hinzuweisen, gegen deren Versagung der Verurteilte im Übrigen den Rechtsweg beschreiten kann ( § § 109 ff StVollzG). Bei ansonsten beanstandungsfreiem Haftverlauf steht allein das Leugnen bzw. Bagatellisieren der Tat oder die unzureichende Auseinandersetzung mit dem Delikt einer positiven Prognose nicht ohne weiteres entgegen (BVerfG N J W 1 9 9 8 2 2 0 2 , 2 2 0 4 ; O L G Saarbrücken N J W 1 9 9 9 4 3 8 , 4 3 9 ; O L G Koblenz N S t Z - R R 1 9 9 8 9, 10). 1 9 Ein prognostisch ungünstiger Umstand ist hierin aber dann zu sehen, wenn die mangelnde Tataufarbeitung ihre Ursache in einem fortbestehenden Persönlichkeitsdefizit hat und sich darauf die Besorgnis gründet, ohne eine Überwindung dieser Störung könne es nach der Haftentlassung zu erneuter Straffälligkeit kommen ( O L G Karlsruhe V R S 108 2 6 0 , 2 6 2 und N S t Z - R R 2 0 0 5 172 [LS]; O L G Hamm J M B 1 N W 1 9 9 9 85, 8 6 ) . 2 0 Gleiches gilt, wenn dem Gericht oder dem Prognosesachverständigen infolge der Verweigerungshaltung des Verurteilten jede Einsicht in die tatzeitrelevanten Motive - als wesentliche Grundlage für die Einschätzung des Rückfallrisikos - fehlt und infolge dessen eine hinreichend zuverlässige Prognosebeurteilung nicht möglich ist (OLG Frankfurt N S t Z - R R 1 9 9 9 3 4 6 , 3 4 7 ) .
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O b ein Fehlverhalten des Verurteilten im Vollzugsverlauf bei der Prognosebeurteilung zu seinen Lasten den Ausschlag gibt, hängt vom Gewicht und Zeitraum der Verfehlung unter Berücksichtigung der übrigen prognoserelevanten Umstände ab. So muss ein geringfügiges Urlaubsversagen bei ansonsten positiver Gesamtentwicklung der günstigen Prognose nicht im Wege stehen (vgl. O L G Schleswig SchlHA 1 9 9 5 2; O L G Brandenburg N S t Z 1994 510, 511). Langfristiges Entweichen aus dem Vollzug stellt allerdings einen schwerwiegenden Angriff auf die Sicherheit und Ordnung in der Vollzugsanstalt dar auch wenn ein solcher Pflichtenverstoß nicht immer automatisch den Schluss auf eine fehlende Schuldeinsicht oder Sühnebereitschaft des Verurteilten zulässt - mit der Folge, dass in derartigen Fällen regelmäßig eine günstige Sozialprognose nicht gestellt werden kann (OLG Hamm N S t Z - R R 2 0 0 5 154, 155). Gleiches gilt, wenn der Verurteilte im Vollzugsverlauf oder während einer Fluchtphase neue Straftaten von einigem Gewicht begangen hat (vgl. O L G Düsseldorf VRS 8 6 113; O L G Hamm N S t Z - R R 2 0 0 5 1 5 4 f; O L G Stuttgart Beschl. vom 5 . 1 0 . 2 0 0 6 - 1 Ws 2 8 0 / 0 6 ) . Deren Berücksichtigung setzt anders als im Fall des § 5 6 f Abs. 1 Satz 1 Nr. I 2 1 - nicht etwa ein richterliches Geständnis des Verurteilten oder dessen rechtskräftige Verurteilung voraus (OLG H a m m N S t Z - R R 2 0 0 5 154 f und N S t Z 2 0 0 4 6 8 5 ; O L G Jena Beschl. vom 17.3.2005 - 1 W s 64/05); vielmehr kann das Vollstreckungsgericht im Verfahren gemäß § 5 7 zu einer zwischenzeitlichen Straffälligkeit - wie zu jedem anderen prognoserelevanten Verhalten des Verurteilten eigene Feststellungen treffen ( O L G Frankfurt N S t Z - R R 2 0 0 5 2 4 8 , 2 4 9 ) . 2 2 Wird wegen etwaiger neuer Taten des Verurteilten zur Zeit der Entscheidung gemäß § 5 7 noch ermittelt, so kann schon der dringende Verdacht der Deliktsbegehung -
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OLG Koblenz StV 2001 304 (LS); OLG Hamm StV 1997 92; Bock/Schneider NStZ 2003 337 ff; aA offenbar OLG Hamm NStZ 1989 27, 28 m. krit. Anm. Eisenberg NStZ 1989 366 f. Vgl. ferner OLG Stuttgart StV 1998 668 m. Anm. Schiiler-Springorum.
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Zu der dort unter dem Gesichtspunkt der Unschuldsvermutung maßgeblichen Rechtsprechung des EGMR vgl. § 56f Rdn. 6—11 Zur parallelen Situation bei der Prognosebeurteilung gemäß § 56 vgl. dort Rdn. 23.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
im Sinne einer durch Tatsachen belegten hohen Wahrscheinlichkeit - eine Versagung der Reststrafenaussetzung rechtfertigen, wenn dieserhalb eine günstige Prognose aufgrund gewichtiger Zweifel an der spezialpräventiven Wirkung des bisherigen Vollzugsverlaufs vorerst - nicht zu stellen ist (OLG Hamm NStZ-RR 2 0 0 5 154, 155 und NStZ 2 0 0 4 685; OLG Düsseldorf VRS 8 6 113). 2 3 20
c) Gesamtwürdigung. Das Wort „namentlich" in § 57 Abs. 1 Satz 2 macht deutlich, dass die Aufzählung der tatsächlichen Gesichtspunkte, die nach gesetzlicher Wertung für die Prognose erheblich sind, nicht abschließend ist. Es bedarf einer Gesamtwürdigung sämtlicher prognostisch relevanten Umstände, wobei aus verfassungsrechtlicher Sicht das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung gilt (BVerfG N J W 2 0 0 0 501 f und 502, 503). 2 4 Bei der Gesamtbewertung ist zu berücksichtigen, dass mit zunehmender Dauer der Freiheitsentziehung die länger zurückliegenden Erkenntnisse - insbesondere die Umstände der Tat - an Aussagekraft verlieren zu Gunsten derjenigen Faktoren, die Rückschlüsse auf das Erreichen des Vollzugsziels zulassen, wie zum Beispiel der aktuellen Entwicklung des Verurteilten im Vollzug, seiner augenblicklichen Lebensverhältnisse und der zu erwartenden Entlassungssituation (BVerfG N J W 2 0 0 0 501, 5 0 2 und 502, 5 0 3 f). 2 5 So muss die Anhängigkeit eines Strafverfahrens wegen einer vor Inhaftierung begangenen Tat der Reststrafenaussetzung nicht entgegenstehen, wenn das Erprobungsrisiko angesichts der positiven Entwicklung des Verurteilten im Vollzugsverlauf nunmehr vertretbar erscheint (OLG Hamm StV 1998 502; vgl. ferner Kölbel StV 1998 236, 238 f).
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Hinsichtlich der Frage, ob der Grundsatz „in dubio pro reo" anwendbar ist, gilt das zu § 56 Rdn. 12 Gesagte entsprechend. Es ist zu unterscheiden, worauf sich die Zweifel beziehen. Der Satz ist bei Zweifeln über Tatsachen anwendbar, auf denen die Prognose beruht. Diese müssen also erwiesen sein, wenn sie zur Begründung einer ungünstigen Prognose dienen sollen. Bloße Vermutungen oder Gerüchte genügen nicht. Dagegen gehen die sich aus festgestellten Tatsachen ergebenden Zweifel an der Vertretbarkeit des Erprobungswagnisses zu Lasten des Verurteilten (OLG Zweibrücken NStZ 2 0 0 0 4 4 6 , 447; OLG Karlsruhe OLGSt. Nr. 36 zu § 57, S. 2 f; OLG Düsseldorf NStZ 1999 478 und NStZ-RR 2 0 0 0 187) 2 6
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3. Einwilligung des Verurteilten (Satz 1 Nr. 3). Weitere Voraussetzung für die Aussetzung des Strafrestes ist schließlich die Einwilligung des Verurteilten. Es soll ihm überlassen bleiben, ob er seine Strafe weiter verbüßen oder sich den Überwachungsmaßnahmen aussetzen will, die mit der Aussetzung verbunden sind und über die Dauer der Reststrafe hinausreichen können. Anlass für eine Verweigerung kann beispielsweise sein, dass der noch zu verbüßende Strafrest verhältnismäßig gering ist oder dass der Verurteilte im Vollzug begonnene Rehabilitationsmaßnahmen sozialtherapeutischer bzw. ausbildungsbezogener Art beenden und sich hierdurch für einen späteren Zeitpunkt bessere Chancen
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OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 5 248, 2 4 9 ; OLG Jena Beschl. v. 17.3.2005 - 1 Ws 6 4 / 0 5 ; vgl. ferner BVerfG NJW 1994 3 7 7 zu § 454a Abs. 2 Satz 1 StPO; aA offenbar OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997 60 f; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997 87 zu § 36 Abs. 1 BtMG: Gewissheit erforderlich; vgl. ferner Kölbel StV 1998 236, 238 f. OLG Stuttgart Justiz 2 0 0 4 123; OLG Nürnberg StV 2 0 0 3 682.
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OLG Frankfurt StV 2 0 0 5 277, 278; OLG Karlsruhe StV 2 0 0 2 322 f; OLG Bremen NStZ 2 0 0 0 671, 672; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2 0 0 0 187; vgl. ferner OLG Hamm StV 2 0 0 0 682 f: Lange zurückliegende Taten, keine einschlägige Rückfallgefahr. Terhorst MDR 1973 627, 6 2 8 und MDR 1978 973, 976.
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Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
§57
für die Prognosebeurteilung verschaffen will. Die Einwilligung ist eine höchstpersönliche Erklärung, bei der eine Vertretung nach dem Betreuungsrecht nicht in Betracht kommt (OLG Hamm NJW 2001 1150 f). Sie kann bis zur Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses zurückgenommen (OLG Düsseldorf VRS 88 348 f; OLG Rostock Beschl. vom 17.12. 2004 - I Ws 549/04; OLG Celle JR 1978 337 m. Anm. Stree)17 und noch im Beschwerdeverfahren erklärt werden (OLG Hamm Rpfleger 2002 170 f; OLG Hamburg Beschl. vom 3.1.1994 - 2 Ws 584-585/93 - , in StV 1994 195 f nicht vollständig abgedr.; OLG Karlsruhe MDR 1977 333). Allerdings ist die sofortige Beschwerde gegen eine aufgrund fehlender Einwilligung erfolgte Ablehnung der Strafrestaussetzung mangels Beschwer unzulässig, wenn das Rechtsmittel eindeutig nicht im Sinne einer nachträglichen Einwilligung ausgelegt werden kann (vgl. die Fallkonstellationen bei OLG Nürnberg Beschl. vom 17.1.2001 - Ws 27-28/01; OLG Rostock Beschl. vom 3.7.2001 - 1 Ws 254/01). 4. Rechtsfolgen. Sind alle Voraussetzungen des Absatzes 1 gegeben, so ist die Ausset- 2 3 zung der Vollstreckung des Strafrestes zwingend vorgeschrieben. Dem Richter steht zwar ein Beurteilungsspielraum bei der prognostischen Gesamtwürdigung zu. Sieht er jedoch die Voraussetzungen einer günstigen Sozialprognose als gegeben an, so ist ihm kein Rechtsfolgeermessen mehr eingeräumt. In der Ausgestaltung als Mussvorschrift zeigt sich die ausschließlich spezialpräventive Ausrichtung des § 57 Abs. 1 (vgl. Rdn. 12). ΙΠ. Die Aussetzung nach Verbüßung der Hälfte der Strafe (§ 5 7 Abs. 2) 1. Verbüßungszeit a) Mindestdauer. Zeitliche Voraussetzung für die Aussetzung des Strafrestes nach 2 4 § 57 Abs. 2 ist, dass der Verurteilte die Hälfte der - zeitigen - Freiheitsstrafe, mindestens aber sechs Monate, verbüßt hat. Die Mindestverbüßungszeit bedeutet nicht, dass die verhängte Strafe ein Jahr betragen muss (vgl. OLG München NJW 1970 2224; auch BGH NJW 1980 1967). Sie muss aber höher als neun Monate sein, weil bis zu dieser Höhe bei Verbüßung von sechs Monaten die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gegeben sind. Absatz 2 ist auch anwendbar, wenn mehr als die Hälfte, aber weniger als zwei Drittel der verhängten Strafe verbüßt ist, etwa deshalb, weil der Verurteilte erst später einwilligt oder die erforderliche günstige Prognose zum frühestmöglichen Zeitpunkt noch nicht gestellt werden konnte. b) Anrechnungen. § 57 Abs. 4 gilt auch im Rahmen des Absatzes 2 der Vorschrift. Vergleiche Rdn. 8.
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2. Anforderungen des § 57 Abs. 1. Eine Halbstrafenaussetzung nach Absatz 2 2 6 kommt nur dann in Betracht, wenn auch den gesetzlichen Anforderungen für eine vorzeitige Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe Genüge getan ist. Es bedarf daher der Einwilligung des Verurteilten gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 (Rdn. 22) und einer günstigen Sozialprognose im Sinne der Legaldefinition des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (Rdn. 9 ff). Um eine Aussetzung der Reststrafe schon nach hälftiger Verbüßung zu rechtfertigen, müssen darüber hinaus die Voraussetzungen entweder der Erstverbüßerrege27
OLG Karlsruhe MDR 1 9 7 7 3 3 3 ; OLG Koblenz GA 1977 374; OLG Celle NJW 1956 1608.
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§ 57
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
lung des § 57 Abs. 2 Nr. 1 (Rdn. 27 ff) oder der Umständeklausel des § 57 Abs. 2 Nr. 2 (Rdn. 35 ff) erfüllt sein. 3. Erstverbüßung oder besondere Umstände 27
a) Erstverbüßerregelung (Nummer 1). Die durch das 23. StRÄndG eingeführte „Erstverbüßerregelung", in Kraft seit dem 1.5.1986, setzt voraus, dass der Verurteilte „erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt". Der Regelung lag das Bestreben zugrunde, in Fällen allenfalls mittelschwerer Kriminalität der besonderen Wirkung des erstmaligen Freiheitsentzugs durch eine möglichst frühzeitige Erprobung des Verurteilten Rechnung zu tragen (OLG Oldenburg NStZ 1987 174, 175; OLG Stuttgart NStZ 1988 128).
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aa) Der Begriff „erstmals". Eine Strafaussetzung nach Absatz 2 Nr. 1 kann nur erfolgen, wenn der Verurteilte „erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt". Hierbei kommt es nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht auf die isolierte Verbüßung einer einzelnen Strafe, sondern auf den Umstand an, dass sich der Verurteilte zum ersten Mal ununterbrochen im Strafvollzug befindet. Zu Recht sieht daher die ganz herrschende Meinung in den Fällen einer Anschlussvollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen (§ 454b StPO, § 43 StVollstrO) gegen einen bislang nicht in Haft befindlichen Verurteilten eine Erstverbüßung nicht nur hinsichtlich der ersten zu vollstreckenden Strafe (so aber OLG Hamm NStZ 1987 367; Gribbohm LK 11 Rdn. 37), 2 8 sondern auch hinsichtlich aller Anschlussstrafen als gegeben an (OLG Stuttgart NStZ 1988 128 m. zust. Anm. Maatz NStZ 1988 114; OLG Karlsruhe NStZ 1989 323 f; OLG Düsseldorf StV 1990 271). 2 9 Zu einer unangemessenen Privilegierung notorischer Wiederholungstäter muss diese Ansicht nicht führen, denn der Charakter des S 57 Abs. 2 als „Kann-Vorschrift" (vgl. hierzu Rdn. 41 und 42) gestattet es, in den - seltenen - Einzelfällen einer Unvertretbarkeit des Erstverbüßerprivilegs trotz günstiger Sozialprognose die Halbstrafenaussetzung aufgrund generalpräventiver Erwägungen oder aus Gründen des Schuldausgleichs zu versagen (Maatz NStZ 1988 114, 115).
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Nach einer Unterbrechung des Vollstreckungszusammenhangs scheidet die Anwendung der Erstverbüßerregelung allerdings aus. Ist der Verurteilte daher bereits einmal gemäß Absatz 2 Nr. 1 oder aufgrund einer Gnadenentscheidung - vorzeitig entlassen und nach Widerruf der Aussetzung des Strafrestes wieder inhaftiert worden, so kann er sich für einen neuerlichen Antrag auf vorzeitige Entlassung vor Ablauf von zwei Dritteln der Vollstreckungsdauer nicht nochmals auf das Erstverbüßerprivileg berufen (OLG Karlsruhe J R 1989 512 mit zust. Anm. Bietz).30 Gleiches gilt bei einer zeitlichen Unterbrechung der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen, und zwar auch dann, wenn der Verurteilte alle zugrunde liegenden Taten vor der ersten Vollstreckung begangen hatte
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Greger NStZ 1986 573; Bietz J R 1989 512, 513; Lackner/Kühl Rdn. 16. OLG Düsseldorf Rpfleger 1999 147 f; OLG Stuttgart NStZ 2 0 0 0 5 9 3 und Justiz 1994 154, 155; OLG Zweibrücken NStZ 1986 572 m. abl. Anm. Greger = StV 1987 70 (LS) m. zust. Anm. Maatz StV 1987 71 f; OLG Zweibrücken NStZ 1987 175; OLG Oldenburg NStZ 1987 174, 175 = StV 1987 70
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m. zust. Anm. Maatz StV 1987 71 f; OLG Braunschweig Beschl. v. 6 . 4 . 2 0 0 5 Ws 9 1 - 9 4 / 0 5 ; OLG Bamberg Beschl. v. 3 . 2 . 2 0 0 6 - 1 Ws 6 8 - 6 9 / 0 6 ; OLG Jena Beschl. v. 18.7.2006 - 1 Ws 2 4 0 / 0 6 ; Groß MK Rdn. 45; Fischer Rdn. 2 5 ; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 23a. Fischer Rdn. 27; kritisch Lackner/Kühl Rdn. 16 a.E.
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Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
§57
und eine unmittelbare Anschlussvollstreckung möglich gewesen wäre (Maatz NStZ 1988 114, 115; Fischer Rdn. 27). Der abweichenden Ansicht des OLG Zweibrücken (NStZ 1987 175 = StV 1987 70 [LS] m. abl. Anm. Maatz StV 1987 71, 72 f) 31 ist entgegenzuhalten, dass § 57 Abs. 2 Nr. 1 allein an den tatsächlichen Erstvollzug anknüpft und für eine dahingehende Fiktion keinen Raum lässt. Die sich hieraus ergebenden Unbilligkeiten können indes bei der Frage, ob „besondere Umstände" im Sinne von Absatz 2 Nr. 2 (vgl. Rdn. 35 ff) vorliegen, zu Gunsten des Verurteilten Berücksichtigung finden (Maatz StV 1987 71, 72 f). Das vorübergehende Entweichen aus der Haft gilt nicht als Unterbrechung des Vollstreckungszusammenhangs und schließt daher die Anwendung der Erstverbüßerregelung nicht aus (OLG Hamm StV 1995 482 [LS]). Als Vorverbüßung, die zum Ausschluss des § 57 Abs. 2 Nr. 1 führt, kommt nicht nur 3 0 Freiheitsstrafe im engeren Sinne des § 38 in Betracht, sondern auch Jugendstrafe (OLG Oldenburg NStZ 1987 174, 175; OLG Karlsruhe NStZ 1989 323, 324) 3 2 und Strafarrest nach dem WStG. 33 Eine Vorverbüßung von Ersatzfreiheitsstrafe genügt dagegen nicht, denn die Ersatzfreiheitsstrafe tritt nur im Rahmen der Strafvollstreckung an die Stelle einer verwirkten Geldstrafe und kann deshalb - ebenso wenig wie die Geldstrafe im Beitreibungsfalle (§ 459 StPO) - die Anwendung der Erstverbüßerregelung ausschließen (OLG Zweibrücken MDR 1988 984; OLG Stuttgart Justiz 1994 154, 155). 34 § 57 Abs. 2 Nr. 1 bezieht sich für die Fälle einer Vorverbüßung in erster Linie auf den 31 Vollzug von Freiheitsstrafe, die im Inland oder räumlichen Geltungsbereich des StGB verhängt und vollstreckt worden ist. Ob auch eine im Ausland vollstreckte ausländische Freiheitsstrafe die Anwendung der Erstverbüßerregelung ausschließt,35 ist differenzierend zu beantworten. Handelt es sich um eine Strafe, die aufgrund von Auslieferungs- und Rechtshilfeverträgen mit inländischer Unterstützung verhängt und vollstreckt werden könnte, so dürften keine Bedenken dagegen bestehen, auch deren Verbüßung im Ausland als „Vorverbüßung" im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 1 gelten zu lassen. Durch solche völkerrechtlichen Vereinbarungen (wie das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13.12.1957 und das Europäische Rechtshilfeübereinkommen vom 3.11.1964) wird in der Regel zum Ausdruck gebracht, dass die ausländischen Rechtsordnungen dem inländischen ordre public nicht zuwiderlaufen. Zu Freiheitsstrafen, die vor der Wiedervereinigung in der früheren DDR ausgesprochen wurden, vgl. Gribbohm LK 11 Rdn. 35. Früher erlittener Freiheitsentzug, der gemäß § 51 auf die nunmehr zu verbüßende 3 2 Strafe angerechnet wurde, kommt als „Vorverbüßung" nicht in Betracht und steht daher einer Anwendung des § 57 Abs. 2 Nr. 1 nicht entgegen. Dies gilt insbesondere für die Untersuchungshaft (§ 51 Abs. 1), die ohnehin keinen Strafcharakter trägt (OLG Stuttgart NStZ 1990 103, 104; OLG Braunschweig NStZ 1999 532; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 186 f). 36 Auch der Teilvollzug einer später im Wege nachträglicher Gesamtstrafenbildung einbezogenen Strafe (Fall des § 51 Abs. 2) lässt das Erstverbüßerprivileg nicht entfallen (Groß MK Rdn. 25; Fischer Rdn. 27). Gleiches hat für eine im Ausland vollstreckte Strafe zu gelten, sofern sie „wegen derselben Tat" im Sinne von § 51 Abs. 3 ver-
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Ebenso Groß MK Rdn. 45; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 23a. Fischer Rdn. 23; Lackner/Kühl Rdn. 15; unentschieden OLG Zweibrücken NStZ 1987 175; aA Groß MK Rdn. 25. Fischer Rdn. 23; aA Lackner/Kühl Rdn. 15; Groß MK Rdn. 25. Im Ergebnis ebenso Fischer Rdn. 2 3 ;
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Lackner25 Rdn. 15; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 3 a a.E.; Groß MK Rdn. 25. Abi. Lackner/Kühl Rdn. 15; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 2 3 a a.E.; Groß MK Rdn. 2 5 . OLG Zweibrücken StV 1998 6 7 0 f; Fischer Rdn. 2 4 ; Lackner/Kühl Rdn. 15; Groß MK Rdn. 25; aA OLG Karlsruhe StV 1990 119 m. abl. Anm. Groß.
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§57
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
hängt wurde. 3 7 In allen diesen Fällen entspricht es dem Sinn und Zweck der Anrechnungsregelung, den aktuellen Freiheitsentzug und die frühere Haftzeit als Einheit zu betrachten. Die gesetzliche Fiktion des § 5 7 Abs. 4 ( „ g i l t . . . als verbüßte Strafe") spricht nicht dagegen, denn diese Vorschrift gibt nichts her für die Abgrenzung zwischen Erstund Vorverbüßung, sondern bezieht sich inhaltlich allein auf die Errechnung der für die Entscheidung nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Mindestverbüßungszeiten (OLG Stuttgart N S t Z 1 9 9 0 103 f). 33
Nach Eintritt der Tilgungsreife einer Verurteilung darf dem Verurteilten auch die Vollstreckung der getilgten oder zu tilgenden Freiheitsstrafe nicht mehr vorgehalten werden (§ 51 Abs. 1 B Z R G ) , so dass die mit einer solchen Strafe zusammenhängende Haft keine Vorverbüßung darstellt, die die Anwendung des § 5 7 Abs. 2 Nr. 1 ausschließen könnte. 3 8
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bb) Die Obergrenze der Freiheitsstrafe. Die „Erstverbüßerregelung" ist nur anwendbar bei Freiheitsstrafen, die zwei Jahre nicht übersteigen. Maßgebend ist die Höhe der vollstreckungsrechtlich selbständigen Strafe. Daher kommt es in den Fällen eines Erstvollzugs in Form der Anschlussvollstreckung mehrerer Strafen (§ 4 5 4 b StPO, § 4 3 StVollstrO, vgl. Rdn. 2 8 ) für die Berechnung der Zweijahresgrenze nicht auf deren Summe, sondern auf die einzelnen Strafen an, deren Aussetzungsfähigkeit gemäß § 5 7 Abs. 2 Nr. 1 jeweils isoliert zu ermitteln ist (OLG Stuttgart N S t Z 1 9 8 8 128; OLG Düsseldorf StV 1 9 9 0 2 7 1 ; O L G Zweibrücken J R 1 9 8 9 511 f mit Anm. Bietz).39 Dies entspricht auch dem kriminalpolitischen Sinn der Vorschrift, denn die Erwägungen zur Vertretbarkeit einer Halbstrafenaussetzung bei bis zu zweijähriger Strafhöhe verlieren durch eine Anschlussvollstreckung mehrerer solcher Strafen nicht an Bedeutung (Fischer Rdn. 26). Für die Prüfung der maßgebenden Obergrenze ist es auch unerheblich, ob die Bildung einer Gesamtstrafe versehentlich unterblieben ist (Groß M K Rdn. 4 6 ) .
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b) Besondere Umstände (Nummer 2). Scheidet eine Anwendung des § 5 7 Abs. 2 Nr. 1 aus, weil der Verurteilte nicht Erstverbüßer ist oder die zu vollstreckende Strafe zwei Jahre übersteigt, so kommt eine Halbstrafenaussetzung nach Nummer 2 dennoch in Betracht, sofern „die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorliegen". Die Vorschrift ist seit ihrer Neufassung durch das 23. StRÄndG an § 5 6 Abs. 2 angeglichen, so dass für die Begriffsdefinition als solche auf die Erläuterungen zu § 5 6 Abs. 2 (dort Rdn. 36 ff) verwiesen werden kann. Bei der Prüfung der „Umständeklausel" ist eine einzelfallbezogene, auf Sinn und Zweck des § 5 7 Abs. 2 Nr. 2 abstellende Gesamtschau aller in der Vorschrift genannten Faktoren vorzunehmen ( B G H R Abs. 2 Umstände l ) . 4 0 Eine Anwendung der Nummer 2 setzt hierbei Umstände voraus, die im Vergleich zu gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsgründen be-
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Insoweit offenbar differenzierend: Gribbohm LK11 Rdn. 40. Fischer Rdn. 27; Groß MK Rdn. 25; Lackner/Kühl Rdn. 15. OLG Stuttgart Justiz 1994 154,155 fund NStZ 2000 593; OLG Karlsruhe StV 2006 255 unter Aufgabe der in NStZ 1989 323, 324 noch vertretenen Gegenansicht; OLG Braunschweig Beschl. v. 6.4.2005 - Ws 9194/05; OLG Bamberg Beschl. v. 3.2.2006 - 1
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Ws 68-69/06; OLG Jena Beschl. v. 18.7.2006 - 1 Ws 240/06; Groß MK Rdn. 46; Maatz NStZ 1988 114, 115 f und StV 1987 71, 72; Wagner Rpfleger 1997 421, 423 f. OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 213 und NStZ-RR 2002 282 und StV 2005 277, 278; OLG Jena StV 1998 503, 504; OLG Karlsruhe StV 2005 276, 277; OLG Zweibrücken NJW 2005 3439 und OLGSt. Nr. 32 zu § 57.
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Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
§57
sonderes Gewicht haben oder die jedenfalls vom Durchschnitt der Fallgestaltungen erheblich abweichen (OLG Schleswig SchlHA 1993 70 f), was auch bei einer Kumulation „gewöhnlicher" Milderungsgründe der Fall sein kann (OLG Brandenburg NStZ 1994 510, 511; OLG Hamm StV 1998 503). 4 1 In die Gesamtwürdigung dürfen auch solche Umstände einbezogen werden, die schon Gegenstand der Strafzumessungserwägungen waren (OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997 323 f; OLG Frankfurt StV 2 0 0 5 277, 278; OLG Düsseldorf StV 1997 9 4 , 95). Hierzu gehören zum Beispiel geleistete Aufklärungshilfe (OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 213 f; OLG Zweibrücken N J W 2 0 0 5 3439; OLG Stuttgart StV 1999 2 7 6 , 277), eine Verstrickung des Verurteilten in das Tatgeschehen durch staatliche Verfolgungsorgane (OLG Stuttgart M D R 1980 1038; OLG Düsseldorf StV 1988 160; OLG Koblenz NStZ 1991 301, 3 0 2 ) , 4 2 der lange Zeitraum zwischen Tatbegehung und Verurteilung (OLG Hamburg StV 1994 551), die Annahme eines minder schweren Falles bzw. sonst mildernde Tatumstände (OLG Zweibrücken OLGSt. Nr. 32 zu § 57, S. 3, und N J W 2 0 0 5 3 4 3 9 ; OLG Stuttgart StV 1999 2 7 6 f) oder besonders negative Tatfaktoren (OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 2 8 2 und NStZ-RR 1999 3 4 0 f).
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Da die Anwendung des § 5 7 Abs. 2 Nr. 2 - anders als die Erstverbüßerregelung der Nummer 1 - hinsichtlich der jeweils zu vollstreckenden zeitigen Freiheitsstrafe keine Bindung an eine Obergrenze kennt, steht der auf besondere Umstände gestützten Halbstrafenaussetzung nicht ohne weiteres entgegen, dass die abgeurteilte Tat nach Art und Schwere erhebliches Gewicht hat (BGHR Abs. 2 Umstände 1; OLG Karlsruhe StV 2 0 0 5 276, 277; OLG Jena StV 1998 503, 5 0 4 ) . 4 3 Dennoch können in die Gesamtwürdigung Sühnegesichtspunkte sowie generalpräventive Erwägungen zur Verteidigung der Rechtsordnung mit einfließen (OLG Braunschweig OLGSt. Nr. 4 0 zu § 57, S. 2; OLG Stuttgart StV 1999 2 7 6 , 277; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 2 8 2 f). 4 4 Insbesondere in Fällen schwerer und schwerster Kriminalität bedarf es positiver Umstände von herausragender Bedeutung, um eine vorzeitige Entlassung bereits vor Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe zu rechtfertigen (OLG Hamm Beschl. vom 29.10.1992 - 2 Ws 320/92; vgl. ferner BGHR Abs. 2 Versagung 2). Unter Resozialisierungsaspekten ist aber zu berücksichtigen, dass die Tatumstände mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzugs infolge des größeren zeitlichen Abstandes gegenüber den aktuellen persönlichen Verhältnissen des Verurteilten an Gewicht verlieren (OLG Jena StV 1998 503, 504). Der Aspekt einer „fundiert günstigen Prognose" aufgrund der außergewöhnlich positiven Entwicklung des Verurteilten im Vollzug kann hierdurch im Einzelfall so große Bedeutung gewinnen, dass er die Beurteilung insgesamt trägt und die Annahme besonderer Umstände rechtfertigt (OLG Celle NStZ 1986 5 7 3 ) . 4 5
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OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 213 und NStZ-RR 2 0 0 2 2 8 2 und StV 2 0 0 5 277, 2 7 8 ; OLG Zweibrücken N J W 2 0 0 5 3 4 3 9 und OLGSt. Nr. 32 zu S 57. OLG Düsseldorf NStZ 1987 328 m. Anm. Krüger. OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997 323; OLG München NStZ 1988 129; OLG Hamm Beschl. v. 29.10.1992 - 2 Ws 320/92. OLG München NStZ 1987 74; Fischer Rdn. 29; im Erg. ebenso Groß MK Rdn. 30;
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zu § 5 7 Abs. 2 in der Fassung vor dem 23. StRÄndG vgl. bereits OLG Celle NStZ 1986 4 5 6 m. Anm. Schöch-, OLG Frankfurt M D R 1980 597 und NJW 1 9 7 9 1993; OLG Hamburg JR 1977 167 m. krit. Anm. Schreiber·, OLG Hamm M D R 1972 161 und MDR 1974 55; OLG Karlsruhe J R 1 9 7 7 517 m. Anm. Bruns. Vgl. ferner OLG Stuttgart Justiz 1993 198 f; OLG Frankfurt StV 2 0 0 5 277, 2 7 8 f; OLG Karlsruhe StV 2 0 0 5 276, 277.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Bei der Prüfung des § 57 Abs. 2 Nr. 2 kommt es auch auf den Entscheidungszeitpunkt an. Je mehr sich der Vollstreckungsstand dem Zwei-Drittel-Termin nähert, nach dessen Ablauf die vorzeitige Entlassung ohnehin schon unter den erleichterten Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 möglich wäre, desto geringer muss das Gewicht der „besonderen Umstände" sein (OLG Hamm Beschl. vom 29.10.1992 - 2 Ws 320/92). Zur Prüfung des § 57 Abs. 2 Nr. 2 beim Halbstrafenantrag eines gemäß § 456a StPO ausgewiesenen oder abgeschobenen Verurteilten vgl. OLG Braunschweig OLGSt. Nr. 40 zu § 57 und OLG Karlsruhe StV 2005 677 m. Anm. Heghmanns.
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4. Rechtsfolgen. Im Gegensatz zu S 57 Abs. 1 ist Absatz 2 der Vorschrift als Ermessensregelung ausgestaltet („kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen"). Bei der Frage, welche Erwägungen das Gericht dazu veranlassen können, von einer Halbstrafenaussetzung trotz Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 abzusehen, bedarf es eines Rückgriffs auf die Strafzwecke (Groß MKRdn. 30).
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a) Fälle der Umständeklausel. Für die Fälle der „Umständeklausel" (§ 57 Abs. 2 Nr. 2) ist in der Praxis seit jeher überwiegend anerkannt, dass eine Gesamtwürdigung zu erfolgen hat, bei der alle zulässigen Strafzwecke, insbesondere auch der Gedanke der gerechten Sühne für schwere Tatschuld und der Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung, zu berücksichtigen sind (vgl. Rdn. 37 sowie die Nachweise bei Fn. 44). Stehen derartige Aspekte einer Halbstrafenaussetzung - auch nach der gebotenen Abwägung mit spezialpräventiven Gesichtspunkten - noch entgegen, so wird es in der Regel schon an den „besonderen Umständen" im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 fehlen (so schon OLG Frankfurt NJW 1979 1993 für § 57 Abs. 2 a.F.). Im Falle einer Annahme besonderer Umstände führt die fehlerfreie Ausübung des Rechtsfolgeermessens - ebenso wie bei § 56 Abs. 2 (vgl. dort Rdn. 43) - regelmäßig zur Aussetzung der Reststrafe.
41
b) Fälle der Erstverbüßerregelung. Erst in den Fällen der Erstverbüßung (§ 57 Abs. 2 Nr. 1) kommt der Frage nach Inhalt und Umfang eines etwaigen Rechtsfolgeermessens selbständige Bedeutung zu, denn Absatz 2 Nr. 1 knüpft - anders als die Umständeklausel - nicht an tatbestandliche Voraussetzungen an, die einer Berücksichtigung aller Strafzwecke von vornherein Raum lassen. Maßgebend für die Einführung der Vorschrift durch das 23. StRÄndG war der Gedanke, dass bei erstmaligem Freiheitsentzug eine Halbstrafenvollstreckung unter spezialpräventiven Gesichtspunkten oft ausreichend sei und - angesichts der Beschränkung auf Freiheitsstrafen von nicht mehr als zwei Jahren auch generalpräventiv vertretbar erscheine. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird jedoch zugleich darauf hingewiesen, dass das Gericht im Rahmen der „Kann-Vorschrift" generalpräventiven Gesichtspunkten Rechnung tragen könne, soweit diese ausnahmsweise einmal besondere Berücksichtigung verlangten (BTDrucks. 10/2720, S. 11). Mag daher die Halbstrafenaussetzung unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 auch die Regel sein (OLG Düsseldorf StV 1987 446; OLG Zweibrücken OLGSt. Nr. 24 zu § 57), so steht dem Gericht bei ihrer Anwendung doch ein Ermessen zu, das es unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Tat und Täter sowie auch - soweit geboten des Gedankens der Generalprävention auszuüben hat (BGH NStZ 1988 495; vgl. ferner Fischer Rdn. 22).
42
Eine Versagung der Halbstrafenaussetzung gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1 kann daher bei Besonderheiten im Tatbild (vgl. die dem Beschluss des OLG Schleswig vom 20.4.1999 2 Ws 99/99 - zugrunde liegende Sachverhaltsgestaltung, in SchlHA 2000 124 f nicht mit abgedr.) oder im Falle der Erstverbüßung eines notorischen Wiederholungstäters (vgl. 124
Jutta Hubrach
Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
§57
hierzu Rdn. 28 und die Fallgestaltung bei OLG Düsseldorf NStZ 1999 478 f) in Betracht kommen. Stets ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Strafzweck der positiven Generalprävention im Sinne des Begriffs der „Verteidigung der Rechtsordnung" regelmäßig schon durch die Strafvollstreckung als solche erfüllt wird und einer Verbüßung von mindestens zwei Dritteln - statt der Hälfte - der Strafe vielfach nicht bedarf. Die Anwendung des § 56 Abs. 3 durch das erkennende Gericht hat daher für das Halbstrafenverfahren gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1 keine präjudizierende Bedeutung (OLG Zweibrücken OLGSt. Nr. 24 zu § 57, S. 4; Fischer Rdn. 22). Ferner ist dem Gedanken der Schuldschwere grundsätzlich schon durch die Beschränkung des Anwendungsbereichs der Erstverbüßerregelung auf Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren Genüge getan, und das Verfahren nach § 57 bietet keine Möglichkeit, eine als zu milde empfundene Strafe durch die Versagung einer Halbstrafenaussetzung zu „kompensieren" (zu weitgehend daher OLG Düsseldorf JR 2001 296, 297 m. abl. Anm. Gotting = StV 2003 679 m. Anm. SchülerSpringorum). Sind daher die Voraussetzungen der Erstverbüßerregelung erfüllt, so bleibt nur in außergewöhnlichen Ausnahmefällen Raum für eine ablehnende Entscheidung aufgrund fehlerfrei ausgeübten Rechtsfolgeermessens (im Ergebnis ebenso Maatz StV 1987 71, 73).
IV. Die Entscheidung im Verfahren nach § 5 7 1. Einleitung und Modalitäten des Prüfungsverfahrens a) Allgemeines. Erst nach Rechtskraft der Verurteilung kann über die Aussetzung des 4 3 Strafrestes entschieden werden (OLG Düsseldorf DRiZ 1973 24; OLG Schleswig SchlHA 1976 44 und 1977 178). Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Verurteilung bereits zwei Drittel der Strafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft verbüßt und die materiellen Voraussetzungen des § 57 gegeben sind (vgl. BGHSt 27 302). Eine Entscheidung ergeht zum Zweidrittelzeitpunkt (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) von 4 4 Amts wegen (BGHSt 27 302, 303; OLG Zweibrücken MDR 1974 329). Bei Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren ist in den Fällen der Erstverbüßung (§ 57 Abs. 2 Nr. 1) schon zum Halbstrafenzeitpunkt eine Amtsprüfung vorzunehmen,46 die - wenn sie zu Ungunsten des Verurteilten ausfällt - eine nochmalige Amtsprüfung zum Zweidrittelzeitpunkt nicht etwa ersetzt (insoweit aA OLG Oldenburg StV 1987 70 mit zu Recht abl. Anm. Maatz StV 1987 71, 73 f; OLG Braunschweig NdsRpfl. 2002 62 f). Die Vollstreckungsbehörde hat in allen Fällen der Amtsprüfung eine rechtzeitige Aktenvorlage zu veranlassen (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 5 StVollstrO), und das Gericht muss nach Durchführung der gebotenen Ermittlungen (vgl. Rdn. 81 ff) umgehend entscheiden, damit im Falle einer Reststrafenaussetzung die Entlassung - auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen - möglichst zeitnah zum Ablauf der jeweiligen Mindestverbüßungsdauer erfolgen kann (näheres s. Rdn. 52 f; vgl. OLG Zweibrücken GA 1979 277; Groß MK Rdn. 50). Eine Entscheidung hat allerdings zu unterbleiben, wenn der für die Prognose maßgebliche Mindestverbüßungszeitpunkt im Verlauf des Verfahrens durch eine Vollstreckungsunterbrechung nach § 455a StPO auf nicht absehbare Zeit hinausgeschoben wird (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2000 350).
46
OLG Oldenburg StV 1987 70 m. Anm. Maatz StV 1987 71, 73; Groß MK Rdn. 50; Fischer Rdn. 31; Maatz NStZ 1988 114, 116.
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§57 45
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
In den Fällen des § 57 Abs. 2 Nr. 2, aber auch zu jedem Zeitpunkt nach Ablauf der Mindestverbüßungszeiten, kann das Prüfungsverfahren darüber hinaus auf Antrag eingeleitet werden, über den - nach Abschluss ggfs. erforderlicher Ermittlungen - alsbald zu entscheiden ist (OLG Karlsruhe Die Justiz 1977 205; OLG Zweibrücken MDR 1980 1038). Antragsbefugt sind nur die Verfahrensbeteiligten, die auch Rechtsmittel einlegen können (KG J R 1972 430; Oske MDR 1964 726), also nicht die Ehefrau des Verurteilten (OLG Schleswig SchlHA 1958 288). Der Antrag ist verfrüht eingelegt und damit unzulässig, wenn eine auf den Ablauf der Mindestverbüßungsdauer bezogene Prognosebeurteilung noch nicht möglich ist. Gegenstandslos wird ein nach Ablauf der Mindestverbüßungsdauer gestelltes Reststrafengesuch durch die Vollverbüßung der Strafe im Verlauf des Prüfungsverfahrens (OLG Hamm NStZ 1998 638 und NStZ-RR 1999 320 [LS]), nicht aber durch die Ausweisung oder Abschiebung des Verurteilten unter Absehen von der weiteren Strafvollstreckung gemäß § 456a StPO (OLG Oldenburg StV 1993 205; OLG Düsseldorf StV 2 0 0 0 382). Außerhalb der Fälle einer Unzulässigkeit hat das Gericht auch wiederholte Anträge sachlich zu bescheiden, sofern sie nicht innerhalb einer zuvor gesetzten Sperrfrist gemäß § 57 Abs. 7 (Rdn. 65) gestellt wurden. b) Fälle der Anschlussvollstreckung
46
aa) Mehrere Freiheitsstrafen. Stehen mehrere Freiheitsstrafen zur Vollstreckung an, so trifft das Gericht die Entscheidung gemäß § 454b Abs. 3 StPO erst dann, wenn in Bezug auf sämtliche Strafen „Aussetzungsreife" besteht. Um diesem Grundsatz der Entscheidungskonzentration Rechnung zu tragen, hat die Vollstreckungsbehörde die zunächst zu vollstreckende(n) Strafe(n) zu den in § 454b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StPO festgesetzten Zeitpunkten, also grundsätzlich nach Verbüßung von zwei Dritteln, bei Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren im Falle der Erstverbüßung nach der Hälfte - und nach zwei Dritteln (str.; vgl. Rdn. 44) - zu unterbrechen. Die Unterbrechungspflicht besteht unabhängig vom Einverständnis des Verurteilten (OLG Hamburg StV 1994 195) und auch dann, wenn die Anschlussvollstreckung eine Maßregel sowie - danach - eine Freiheitsstrafe zum Gegenstand hat (OLG Hamm NStZ-RR 1997 124, 125; vgl. ferner OLG Karlsruhe Justiz 1998 602 f).
47
Für die Halbstrafenentscheidung aufgrund „besonderer Umstände" sehen die § § 5 7 StGB, 454b StPO weder eine Vollstreckungsunterbrechung noch eine Amtsprüfung vor. Auch ein Antrag des Verurteilten auf isolierte „Vorabentscheidung" nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 hinsichtlich einer einzelnen Strafe ist bei Anschlussvollstreckung unzulässig (OLG Frankfurt NStZ-RR 1997 95; OLG Stuttgart NStZ-RR 20 0 3 2 53). 4 7 Allerdings kann die Vollstreckungsbehörde bei der Festlegung der Vollstreckungsreihenfolge nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 43 Abs. 4 StVollstrO) eine Unterbrechung derartiger Strafen schon zum Zeitpunkt hälftiger Verbüßung anordnen, wenn die Annahme „besonderer Umstände" zu erwarten ist (OLG Hamm NStZ 1993 302 f). Ähnliches gilt für Strafreste, die aufgrund Widerrufs ihrer Aussetzung zur Vollstreckung anstehen. Sie sind von der gesetzlichen Unterbrechungsregelung nicht erfasst (§ 454b Abs. 2 Satz 2 StPO) und werden regelmäßig vorab vollstreckt (vgl. OLG Bremen OLGSt. Nr. 2 zu § 454b StPO). 48 Auch insoweit kommt indes eine Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach pflichtgemäßem Ermessen der Vollstreckungsbehörde in Betracht (§ 43 Abs. 4 StVollstrO), wenn eine realistische Chance für eine positive Veränderung der Prognoselage noch vor
47 48
Fischer Rdn. 10. AA LG Hamburg NStZ 1992 253 m. Anm.
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Volckart-, Ullenbruch NStZ 1999 8, 10-12; Wagner Rpfleger 1997 421, 422.
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Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
§57
dem bei einer Vorabvollstreckung maßgeblichen Prüfungszeitpunkt besteht (OLG Frankfurt NStZ-RR 2000 282, 283 f; OLG Karlsruhe StV 2003 348, 349). „Widerrufene" Strafreste, die aus diesem Grund in den Unterbrechungszusammenhang eingegliedert wurden, hat auch das Gericht in die Amtsprüfung bei Aussetzungsreife sämtlicher Strafen mit einzubeziehen (OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 221; OLG Oldenburg NStZ 1998 271, 272, zustimmend besprochen bei Ullenbruch NStZ 1999 8 ff). Der Umstand, dass sie schon einmal Gegenstand einer Entscheidung nach § 57 waren, steht ihrer erneuten Aussetzung für sich allein nicht entgegen (vgl. hierzu bereits Rdn. 3 m.w.N.). Liegt bei Ablauf der gesetzlichen Mindestverbüßungszeit (also im Halbstrafen- bzw. Zweidrittelzeitpunkt) noch keine vollstreckbare Anschlussverurteilung vor, so scheidet auch eine Vollstreckungsunterbrechung - vorerst - aus. Die in diesem Verfahrensstadium anstehende Sachentscheidung nach § 57 darf das Gericht dem Verurteilten nicht mit dem bloßen Hinweis auf die zu erwartende Anschlussvollstreckung einer noch nicht rechtskräftigen Freiheitsstrafe versagen (Gribbohm LK 11 Rdn. 13; aA OLG Karlsruhe NStZ 1988 73 f). Solange sich der Verurteilte weiterhin in Haft befindet, wird aber durch den Eintritt der Rechtskraft - und damit der Vollstreckbarkeit - einer weiteren Verurteilung nach Ablauf der Mindestverbüßungszeit das noch anhängige Reststrafengesuch bzw. die bereits ergangene Aussetzungsentscheidung wegen § 454b Abs. 3 StPO gegenstandslos (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2000 350; vgl. ferner OLG Schleswig SchlHA 2003 205 [LS]), und die Vollstreckung der Strafe ist rückwirkend auf den Zeitpunkt des Rechtskrafteintritts (Eintritts der Vollstreckbarkeit) der Anschlussverurteilung zu unterbrechen. Letzteres ergibt sich aus § 454b Abs. 2 Satz 3 StPO in der durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3416) geänderten Fassung. Diese Neuregelung soll dem verfassungsrechtlichen Gebot einer möglichst frühzeitigen Herbeiführung der „Aussetzungsreife" bei Anschlussvollstreckung (vgl. BVerfG NStZ 1988 474, 475 und NJW 1995 1885, 1886) Rechnung tragen. In der Rechtsprechung war bislang umstritten, ob Verspätungen oder Versäumnisse bei der Vollstreckungsunterbrechung durch eine nachträgliche „Umbuchung" von Vollstreckungszeiten („vollstreckungsrechtliche Lösung") 49 oder durch eine nur fiktive Berücksichtigung im Verfahren nach § 57 („materiellrechtliche Lösung") 50 zu kompensieren sind. Für die in § 454b Abs. 2 Satz 3 StPO n.F. geregelte Fallgestaltung hat sich der Gesetzgeber der vollstreckungsrechtlichen Lösung angeschlossen (BTDrucks. 16/3038 S. 49 f).
48
bb) Freiheitsstrafe und Jugendstrafe. § 454b Abs. 3 StPO findet keine unmittelbare Anwendung, wenn eine Freiheitsstrafe zur anschließenden Verbüßung einer Jugendstrafe unterbrochen wurde, bezüglich derer keine Abgabe der Vollstreckung an die Staatsanwaltschaft (§ 85 Abs. 6 JGG) erfolgt war. Auch in einem solchen Fall darf aber eine Sachentscheidung über die Aussetzung der restlichen Freiheitsstrafe erst dann ergehen, wenn der für die Vollstreckung der Jugendstrafe zuständige Vollstreckungsleiter zeitgleich - oder zumindest zeitnah - auch über deren Restaussetzung entscheiden kann. Ist daher die Mindestverbüßungszeit hinsichtlich der Jugendstrafe (§ 88 Abs. 2 JGG) bei weitem noch nicht erreicht, so fehlt auch einem Antrag auf Aussetzung des Restes der Freiheitsstrafe die Zulässigkeit (OLG Frankfurt NStZ-RR 2000 95 f; OLG Jena NStZ 2005 167 f; vgl. auch OLG Karlsruhe Justiz 1998 602).
49
49
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Vgl. OLG Frankfurt NStZ 1990 254, 255; OLG Celle NStZ 1990 2 5 2 , 2 5 3 ; OLG Zweibrücken StV 1998 6 7 0 f; OLG Braunschweig Beschl. v. 6 . 4 . 2 0 0 5 - Ws 9 1 - 9 4 / 0 5 . Vgl. OLG Karlsruhe NStE Nr. 11 zu § 454b
StPO und NStZ-RR 1996 60 f; OLG Hamburg StV 1994 195 f; OLG Stuttgart NStZ 1991 150 f; OLG Düsseldorf StV 1993 88;
Maatz NStZ 1990 214, 216 f.
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§57
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
50
c) Fälle der zusätzlichen Maßregelanordnung. Wird eine neben der Strafe im gleichen Urteil angeordnete Unterbringung gemäß § 63 oder § 64 entsprechend der Regel des § 6 7 Abs. 1 vorab vollzogen, so wird die Zeit des Maßregelvollzugs nach § 6 7 Abs. 4 auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind, so dass das Gericht in diesem Fall mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Maßregelvollzug (vgl. § 67d) auch die Voraussetzungen des § 5 7 zu prüfen hat. Erlaubt es die Prognose, kann der Verurteilte schon nach Erledigung der Strafhälfte (§ 6 7 Abs. 5) mit seiner Einwilligung zur Bewährung entlassen werden.
51
Sofern - bei Anordnung der Sicherungsverwahrung oder in den Fällen des § 67 Abs. 2 die Strafe vor der Maßregel vollzogen wird, hat das Gericht in dem nach § 5 7 maßgeblichen Prüfungszeitpunkt zugleich darüber zu befinden, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert (§ 6 7 c Abs. 1 Satz 1). Ist dies nicht der Fall, weil sich die Prognosesituation günstig darstellt, so erfolgt eine Aussetzung sowohl der Reststrafe (§ 57) als auch der Unterbringung (§ 6 7 c Abs. 1 Satz 2). Bei fortbestehendem Erfordernis der Unterbringung kommt auch eine Reststrafenaussetzung grundsätzlich nicht in Betracht ( O L G Stuttgart M D R 1975 241; O L G Frankfurt N J W 1 9 8 0 2 5 3 6 ) . 5 1 Dies gilt selbst dann, wenn das Gericht bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die von dem Verurteilten ausgehende Gefahr aus gegenwärtiger Sicht mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Behandlung in der Unterbringung beseitigt werde. Derartigen Erwägungen kann durch eine nachträgliche Änderung der Vollzugsreihenfolge (§ 6 7 Abs. 3) Rechnung getragen werden. 2. Aussetzung der Reststrafe
52
a) Entscheidungs- und Entlassungszeitpunkt. Im Beschluss, der die Aussetzung der Reststrafe anordnet, hat das Gericht den Termin der Haftentlassung konkret zu bestimmen ( O L G Braunschweig N S t Z 1 9 9 9 532). Er deckt sich im Falle der Amtsprüfung - bei rechtzeitiger Vorlage der Akten durch die Vollstreckungsbehörde (Rdn. 4 4 ) - günstigstenfalls mit dem Ablauf der nach § 5 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Abs. 2 maßgeblichen Mindestverbüßungszeit, kann aber auch danach liegen. Letzteres versteht sich von selbst, wenn das Gericht im Rahmen der Amtsprüfung eine Aussetzung des Strafrestes abgelehnt hatte und erst im weiteren Verlauf der Vollstreckung auf Antrag des Verurteilten zu seinen Gunsten entscheidet. Die Festsetzung eines Entlassungstermins nach Ablauf der Mindestverbüßungsdauer mag im Einzelfall aber auch unter Prognosegesichtspunkten in Betracht kommen. Ist das Gericht beispielsweise der Auffassung, die Erprobung könne nur verantwortet werden, wenn der Verurteilte sofort nach der Entlassung eine ihm zuvor zugesagte Arbeitsstelle antritt, wird es die Entlassung so terminieren, dass die Arbeitsaufnahme sich nahtlos anschließen kann. Eine nicht durch prognoserelevante Gesichtspunkte gerechtfertigte Aussetzung des Entlassungstermins ist allerdings unzulässig (vgl. O L G Koblenz StV 1 9 9 9 219 [LS]: Entlassungsanordnung für den Tag der Abschiebung des Verurteilten aus dem Bundesgebiet).
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Die Frage, wie lang der Zeitraum zwischen Entscheidung und frühestmöglicher Haftentlassung unter dem Aspekt einer hinreichend sicheren Prognosebeurteilung sein darf, ist einzelfallabhängig. Bei kurzen Freiheitsstrafen wird die Entscheidung in der Regel nur zeitnah zum Ablauf der Mindestverbüßungsdauer erfolgen können, weil sich die Auswirkung des Strafvollzugs als wesentlicher Prognosefaktor erst dann zuverlässig feststellen
51
Ebenso Fischer Rdn. 11; Groß MK Rdn. 44; vorsichtiger Gribbohm LK11 Rdn. 22; vgl.
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ferner schon KG Berlin GA 1956 155 und GA 1957 148.
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Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
§57
lässt. War der Verurteilte hingegen einem zu seiner Beobachtung und Beurteilung ausreichenden langfristigen Strafvollzug unterworfen, so kann die ihm günstige Prognose unter Umständen bereits geraume Zeit vor dem frühestmöglichen Entlassungszeitpunkt gestellt werden (OLG Zweibrücken NStZ 1992 148). Wie sich aus § 454a StPO ergibt, ist eine frühzeitige Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes im Interesse einer Förderung sachgerechter Wiedereingliederungsmaßnahmen sogar gesetzlich erwünscht (vgl. auch OLG Zweibrücken NStZ 1991 207; OLG Schleswig Beschl. vom 21.2.2002 - 1 Ws 52-54/02, in SchlHA 2 0 0 3 2 0 5 insoweit nicht abgedr.). Stets bedarf es aber schon im Entscheidungszeitpunkt einer hinreichend gesicherten Beurteilungsgrundlage für die auf den Entlassungstermin bezogene Prognose. Zur diesbezüglichen Problematik in den Fällen unterbliebener Vollzugslockerungen vgl. Rdn. 17. b) Anordnungen (§ 57 Abs. 3) aa) Bewährungszeit. Die Dauer der Bewährungszeit darf nach § 56a Abs. 1 Satz 2 fünf Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten. Diese Regelung erfährt für Entscheidungen nach § 57 durch Absatz 3 Satz 1 eine Modifikation: Hier darf bei der Bemessung der Bewährungszeit die Dauer des Strafrestes nicht unterschritten werden. Bei Reststrafen bis zu zwei Jahren gilt daher die allgemeine Regelung des § 56a Abs. 1 Satz 2. Liegt der Strafrest über zwei Jahren, aber unter fünf Jahren, so bestimmt seine Dauer das Mindestmaß der Bewährungszeit. Bei Reststrafen von fünf Jahren oder mehr ist die Dauer der Bewährungszeit zwingend mit der verbliebenen Reststrafe identisch.
54
Die Bewährungszeit beginnt gemäß § 57 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 56a Abs. 2 Satz 1 mit Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung (OLG Hamburg N S t Z - R R 1999 330, 331; Groß M K Rdn. 32; Fischer Rdn. 37), 5 2 nicht etwa mit dem - möglicherweise späteren Termin der Haftentlassung des Verurteilten. 53 Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung ist es auch unzulässig, im Aussetzungsbeschluss die Bestimmung zu treffen, dass die Bewährungszeit erst vom Entlassungstag an rechne (OLG Hamburg Beschl. vom 3.1.1994 - 2 Ws 584-585/93 - , in StV 1994 195 f insoweit nicht abgedr.). Den Unzuträglichkeiten, die daraus entstehen, dass sich der Verurteilte unter Umständen während eines Teils der Bewährungszeit nicht in Freiheit beweisen kann, trägt § 4 5 4 a Abs. 1 StPO Rechnung: Liegt zwischen Aussetzungsentscheidung und Haftentlassung ein Zeitraum von mindestens drei Monaten, so verlängert sich die Bewährungszeit um die Zeitdauer zwischen der Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses und der Entlassung. Diese Regelung bleibt bei der Berechnung der Mindest- und Höchstfrist (Rdn. 54) außer Ansatz (Groß M K Rdn. 32; vgl. ferner OLG Koblenz RPfleger 1994 381). § 454a bezieht sich ausschließlich auf die Entlassung in der/den Strafsache(n), die dem Aussetzungsbeschluss zugrunde liegen (OLG Hamm NStZ-RR 1996 30; vgl. ferner Rdn. 67). Bleibt der Verurteilte nach dem festgesetzten Entlassungstermin noch zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe in Haft, so ist deren Dauer in die Berechnung der Fristen des § 454a Abs. 1 nicht mit einzubeziehen.
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OLG Düsseldorf MDR 1973 4 2 6 ; OLG Hamm MDR 1974 9 4 7 ; OLG Karlsruhe NJW 1976 814; OLG Hamburg MDR 1977 512; OLG Celle J R 1978 338 m. Anm. Stree-, OLG Stuttgart MDR 1979 954; OLG Ham-
53
burg NJW 1979 2 6 2 3 ; Oske MDR 1970 189; Doller NJW 1977 2153. Zum früheren Meinungsstreit diesbezüglich vgl. Gribbohm LK 1 1 Rdn. 56 m.w.N.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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bb) Auflagen und Weisungen. Für Auflagen und Weisungen gelten die §§ 56b und 56c entsprechend (§ 5 7 Abs. 3 Satz 1). Bei der Reststrafenaussetzung stehen unter den vorgesehenen Begleitanordnungen naturgemäß die Weisungen im Vordergrund, da sie dem mit der Erprobung verbundenen Risiko nach Möglichkeit entgegenwirken sollen. Ihre spezialpräventive Erforderlichkeit muss allerdings feststehen (vgl. die Fallgestaltung bei OLG Braunschweig StraFo 1998 67 f). In der Praxis besonders häufig sind Therapieweisungen, insbesondere bei Drogenabhängigen (vgl. OLG Düsseldorf StV 1995 32 f zu der Frage, wann im Einzelfall ambulante Behandlungsmaßnahmen ausreichen können).
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Die rechtlich vorgesehene Möglichkeit, die Strafrestaussetzung mit der Erteilung von Auflagen zu verbinden, hat in der Praxis keine große Bedeutung erlangt. Häufig wird es sogar unzweckmäßig sein oder der Intention des Gesetzes widersprechen, den Verurteilten bei seiner Entlassung aus dem Vollzug mit Auflagen zu belasten. Dies gilt vor allem für die in § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 vorgesehenen Anordnungen. Derartige Auflagen dürfen nur erteilt werden, wenn die Genugtuung für das begangene Unrecht ihre Erfüllung trotz bereits erfolgter Teilverbüßung der Strafe noch verlangt. Auch die Frage der Zumutbarkeit bedarf hier sorgfältiger Prüfung. Erweist sich die Auflage als resozialisierungsfeindlich, so ist sie unzulässig. Sinnvoll und notwendig kann sich allerdings die Auflage der Schadenswiedergutmachung (§ 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) erweisen (OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 126, 127).
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cc) Bewährungshelfer. Einem Bewährungshelfer unterstellt das Gericht den Verurteilten unter den Voraussetzungen des § 56d Abs. 1. Hierbei verweist § 57 Abs. 3 Satz 1 auch auf die in § 56d Abs. 2 vorgesehene Regelbeiordnung. Sie gilt für Verurteilte, die zur Zeit der Aussetzung des Strafrestes noch nicht 2 7 Jahre alt sind, wenn die verhängte Strafe mehr als neun Monate betragen hat. Dass der ausgesetzte Strafrest unter Umständen nur wenig mehr als zwei Monate beträgt, steht zwar grundsätzlich nicht entgegen. Allerdings kann die Unterstellung unter einen Bewährungshelfer bei minimalen Strafresten wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unzulässig sein, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu dem noch geringen Strafübel steht, das dem Verurteilten durch die Strafaussetzung erspart wird, z.B. bei Aussetzung eines elftägigen Restes einer ursprünglich vierjährigen Freiheitsstrafe (OLG Koblenz M D R 1976 946).
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§ 5 7 Abs. 3 Satz 2 stellt eine gegenüber § 56d Abs. 2 zusätzliche Regel auf. Nach ihr erhält der Verurteilte regelmäßig einen Bewährungshelfer, wenn er bis zur Aussetzung (einschließlich der angerechneten Freiheitsentziehungen nach Absatz 4) mindestens ein Jahr der Strafe verbüßt hat. Der Vorschrift kommt neben § 56d Abs. 2 praktisch nur für Verurteilte Bedeutung zu, die zur Zeit der Aussetzung des Strafrestes mindestens 27 Jahre alt sind. Ihre Rechtfertigung liegt in dem Umstand, dass hier verhältnismäßig schwere Strafen betroffen sind und dass es nach mindestens einjähriger Haftdauer häufig einer Lebenshilfe bedarf, damit sich der Verurteilte in Freiheit zurechtfinden kann. Auch Absatz 3 Satz 2 stellt nur eine Regel auf, an die das Gericht nicht schlechthin gebunden ist. Ausnahmen können sich gerade bei verhältnismäßig langen Strafresten in den Fällen des Absatzes 2 mit Rücksicht auf die Persönlichkeit des Verurteilten ergeben.
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Falls die Regelvoraussetzungen des S 56d Abs. 2 oder § 57 Abs. 3 Satz 2 nicht vorliegen, darf dem Verurteilten ein Bewährungshelfer nur bestellt werden, wenn anderenfalls eine günstige Prognose nicht gestellt werden kann. Die Beiordnung eines Bewährungshelfers im Verfahren nach § 5 7 kann mit einem Fall von Führungsaufsicht zusammentreffen (vgl. S§ 68 Abs. 1, 67c Abs. 1 Satz 2, 67d Abs. 2 Satz 2 bzw. S 67d Abs. 5 Satz 2). In diesen Fällen ist S 68g zu beachten.
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Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
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3. Absehen von der Aussetzung (§ 57 Abs. 6) a) Inhalt der Vorschrift. Unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 6 in der Fassung 61 des 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom 22.12.2006 (= Absatz 5 a.F.) kann das Gericht davon absehen, die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung auszusetzen. Es handelt sich um Fälle, in denen der Verurteilte unzureichende oder falsche Angaben insbesondere über den Verbleib der Tatbeute macht und es auf diese Weise unterlässt, zur Schadenswiedergutmachung beizutragen. Eine entsprechende Vorschrift gibt es im Rahmen des § 56 nicht. Das hängt damit zusammen, dass ein Angeklagter, der die Tat leugnet, in seiner Verteidigung beeinträchtigt sein könnte, wenn er bei unzureichenden oder falschen Angaben über den Verbleib der Tatbeute mit schärferer Strafe oder Versagung einer an sich möglichen Strafaussetzung rechnen müsste. Nach rechtskräftiger Verurteilung ist solche Rücksichtnahme in der Regel nicht mehr geboten. Die Annahme „unzureichender oder falscher Angaben" im Sinne von § 57 Abs. 6 setzt voraus, dass der Verurteilte Tatsachen kennt, mit deren Hilfe der Zugriff auf das aus der Tat Erlangte - zumindest mittelbar (OLG Düsseldorf OLGSt. Nr. 31 zu § 57) erleichtert würde. Lässt sich dies anhand der rechtskräftigen Urteilsfeststellungen oder aufgrund sonstiger Erkenntnisse feststellen, so greift § 57 Abs. 6 auch dann ein, wenn der Verurteilte die Tat nach wie vor bestreitet (OLG Düsseldorf OLGSt. Nr. 31 zu § 57; zweifelnd Groß MK Rdn. 41). Im Rechtsfolgenbereich wird dem Gericht durch die Vorschrift allerdings ein Ermessen eingeräumt. Dies ist auch sachgerecht. Es sind Fälle vorstellbar, in denen das missbilligte Verhalten des Verurteilten auf verständlichen Gründen beruht, etwa wenn er bei Angaben über den Verbleib der Beute Repressalien seiner Mittäter zu befürchten hätte ( G r o ß MK Rdn. 41) oder zur Überführung Angehöriger beitragen müsste.
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b) Bedeutung der Vorschrift im Normzusammenhang. Die trotz rechtskräftiger Verurteilung und Teilverbüßung der Strafe fehlende Bereitschaft des Verurteilten, zur Schadenswiedergutmachung beizutragen, mag in Einzelfällen den Schluss auf eine mögliche Rückfallgefährdung zulassen, so dass die Aussetzung des Strafrestes schon mangels günstiger Sozialprognose ausscheidet (vgl. OLG Karlsruhe M D R 1978 71; OLG Hamburg NStZ 1988 274 = StV 1989 211 mit abl. Anm. Geiler/Walter). Die Regelung des S 57 Abs. 6 erlangt daher nur dort Bedeutung, wo das in ihr umschriebene Verhalten des Verurteilten trotz günstiger Beurteilung im Übrigen gegen die Aussetzung spricht (OLG Hamburg NStZ 1988 274 = StV 1989 211 mit abl. Anm. Geiler/Walter; OLG Zweibrücken NStZ 1999 104) und das Gericht im Hinblick auf die zu erwartende straffreie künftige Lebensführung ohne die Sonderregelung zur Aussetzung verpflichtet wäre, weil ihm ein Ermessen bei der Entscheidung nicht zustehen würde. § 57 Abs. 6 ist also vor allem im Zusammenhang mit Absatz 1 zu sehen, der die Aussetzung gebietet, wenn die dort bezeichneten Voraussetzungen vorliegen (Rdn. 23). Im Rahmen des Absatzes 2, der dem Gericht schon bei der Aussetzungsentscheidung als solcher ein Rechtsfolgeermessen einräumt (Rdn. 39-42), wirkt sich die Vorschrift im Sinne einer Richtlinie aus.
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4. Ablehnung der Aussetzung und Sperrfrist a) Ablehnung. In den Fällen der Amtsprüfung oder einer zulässigen Antragstellung (Rdn. 44, 45) lehnt das Gericht die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes ab, wenn es nicht zu einer günstigen Prognose gelangt oder - bei einer Halbstrafenentscheidung - das Vorliegen besonderer Umstände (§ 57 Abs. 2 Nr. 2) verneint bzw. von dem durch Absatz 2 eingeräumten Rechtsfolgeermessen (Rdn. 39 ff) zu Ungunsten des Ver-
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urteilten Gebrauch macht. Auch das Absehen von der Aussetzung gemäß § 5 7 Abs. 6 ist sachlich eine Ablehnung in diesem Sinne. 65
b) Sperrfrist (§ 5 7 Abs. 7). Die verfahrensrechtliche Regelung des § 5 7 Abs. 7 in der Fassung des 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom 2 2 . 1 2 . 2 0 0 6 (= Absatz 6 a.F.) eröffnet die Möglichkeit, im ablehnenden Beschluss eine Sperrfrist von höchstens sechs Monaten festzusetzen, vor deren Ablauf ein - erneutes - Reststrafengesuch des Verurteilten unzulässig ist. Die Vorschrift soll dazu dienen, nutzlose und die Arbeit der Strafvollstreckungskammer unnötig belastende Wiederholungen von Aussetzungsanträgen zu verhindern und nach Ablehnung einer Strafaussetzung den weiteren ungestörten und kontinuierlichen Vollzug der Strafe zu gewährleisten. Entsprechend dieser Zielsetzung darf die Frist nur einen Zeitraum umfassen, in dem eine günstige Veränderung der Täterprognose nicht zu erwarten ist (OLG Hamm NStZ-RR 1999 285; OLG Stuttgart Justiz 1976 212). Sie darf daher im Falle einer Halbstrafenpriifung nicht über den Zweidrittelzeitpunkt hinausreichen (OLG Nürnberg ZfStrVo 1999 181 f). Eine einmal gesetzte Sperrfrist steht bei grundlegender Veränderung der Lage des Verurteilten 54 oder im Falle eines gerichtlichen Zuständigkeitswechsels (vgl. BGHSt 2 6 278, 280) der sachlichen Bescheidung eines innerhalb ihrer Geltung gestellten Reststrafengesuchs nicht entgegen. Sie bedeutet daher im Ergebnis lediglich eine Begründungserleichterung für das Gericht bei sich wiederholenden aussichtslosen Anträgen des Verurteilten. 55 Die Sperrfrist beginnt mit dem Erlass des Beschlusses, nicht erst mit dessen Rechtskraft (OLG Hamm N J W 1971 949; OLG Braunschweig N J W 1975 1847). 5 6 Ihre Anordnung ist - zumindest unter Darlegung der tragenden Erwägungen - zu begründen (OLG Hamm NStZ-RR 1999 285). Einer eingehenderen Begründung bedarf es, wenn der gesperrte Zeitraum in etwa der noch verbleibenden Reststrafzeit entspricht (OLG Hamm NStZ-RR 1999 286). In der Praxis wird die Anwendung des § 57 Abs. 7 StGB sinnvollerweise auf Fälle beschränkt, in denen aufgrund der Persönlichkeit des Verurteilten und des bisherigen Vollzugsverlaufs mit querulatorischen Anträgen bzw. Antragswiederholungen zu rechnen ist.
V. Folgeentscheidungen bei Aussetzung der Reststrafe 66
1. Nachträgliche Änderung von Anordnungen (§ 57 Abs. 3 Satz 1). Für die Nachholung oder Änderung von Weisungen, Auflagen oder Anordnungen betreffend die Bewährungszeit verweist § 5 7 Abs. 3 Satz 1 auf die Geltung der §§ 56a Abs. 2 Satz 2, 56e. Zu beachten ist, dass im Falle des § 57 die Bewährungszeit auch bei nachträglicher Verkürzung die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten darf (Absatz 3 Satz 1, 2. Halbs.; vgl. hierzu bereits Rdn. 54).
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2. Aufhebung der Aussetzung (§ 4 5 4 a Abs. 2 StPO). Gemäß § 454a Abs. 2 Satz 1 StPO kann das Gericht eine einmal erfolgte Aussetzung bis zur Haftentlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn die Entscheidung aufgrund neu eingetretener oder bekanntgewordener Tatsachen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann. Die Vorschrift deckt - unabhängig von dem in § 454a Abs. 1 festgelegten Dreimonatszeitraum - alle Fälle ab, in denen sich die auf einen späteren Entlassungstermin bezogene Prognose (vgl. hierzu Rdn. 53) noch im
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Wittscbier NStZ 1986 1 1 2 , 1 1 3 ; aA Neumann NJW 1985 18 89.
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Wittschier NStZ 1986 112, 113. Fischer Rdn. 35; Groß MK Rdn. 54.
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weiteren Haftverlauf aufgrund bislang nicht berücksichtigter Tatsachen als falsch erweist. Hierbei kann - ohne Verstoß gegen die Unschuldsvermutung (BVerfG NJW 1994 377) - auch der hinreichend konkrete Verdacht einer Straftat des Verurteilten berücksichtigt werden (näheres hierzu vgl. Rdn. 19). Die Aufhebungsentscheidung darf nur bis zur Haftentlassung des Verurteilten in der/den Strafsache(n) ergehen, die dem Aussetzungsbeschluss zugrunde liegen (OLG Hamm NStZ-RR 1996 30; Gribbohm LK 11 Rdn. 60). Auf den unter Umständen späteren Zeitpunkt der tatsächlichen Entlassung in die Freiheit kommt es nicht an (aA OLG Dresden JR 2001 171 m. abl. Anm. Laubenthal), erst recht dann nicht, wenn die Verzögerung der Haftentlassung auf einem Verschulden der Vollzugsbehörden beruhte (BVerfG NJW 2001 2247 f). Angesichts des regelmäßig nur kurzen Zeitfensters für eine Aufhebung der AussetZungsentscheidung ist der Anwendungsbereich des § 454a Abs. 2 Satz 1 StPO in der Praxis gering, zumal im Falle eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft gegen die Reststrafenaussetzung dem Beschwerdeverfahren Vorrang zukommt (OLG Frankfurt NStZ-RR 1997 176). Aus § 454a Abs. 2 Satz 2 StPO ergibt sich ferner, dass die Vorschriften zum Widerruf der Reststrafenaussetzung (§ 57 Abs. 5 n.F., s. Rdn. 69 ff) unberührt bleiben.
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3. Widerruf der Aussetzung ( § 5 7 Abs. 5) a) Verweisung auf § 56f (Absatz 5 Satz 1). Die Voraussetzungen und Modalitäten eines Widerrufs der Strafrestaussetzung sind im neuen Absatz 5 geregelt, eingefügt durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3416). Die Neuregelung ist gegenüber dem früheren Rechtszustand insoweit unverändert, als sie in Satz 1 (= Absatz 3 Satz 1 a.F.) auf die entsprechende Geltung des § 56f verweist. Ein Widerruf der Strafrestaussetzung kommt daher in Betracht, wenn der Verurteilte nach der Entscheidung gemäß § 57 eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass sich die der Aussetzung zugrunde liegende Erwartung nicht erfüllt hat (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Alt. 1), oder wenn er in der Bewährungszeit - also nach Rechtskraft der Aussetzungsanordnung (OLG Schleswig SchlHA 2000 124) durch einen Weisungs- oder Auflagenverstoß auffällt, der die Voraussetzungen des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. 3 erfüllt. Für die Entscheidung über den Widerruf gelten die Absätze 2 und 3 des § 56f; auf die Kommentierung zu dieser Vorschrift kann daher verwiesen werden.
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b) Zusätzlicher Widerrufsgrund (Absatz 5 Satz 2). Die einzige materiellrechtliche Neuerung, die mit der Umgestaltung des § 57 durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 verbunden ist, liegt in der Einführung eines zusätzlichen Widerrufsgrundes speziell für die Fälle der Strafrestaussetzung. Nach Absatz 5 Satz 2 der Vorschrift in ihrer neuen Fassung widerruft das Gericht eine gemäß § 57 erfolgte Strafaussetzung „auch dann, wenn der Verurteilte in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden Feststellungen letztmals geprüft werden konnten."
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aa) Hintergrund der Regelung. Der neue Widerrufsgrund knüpft - im Gegensatz zur 71 bisherigen Rechtslage - an ein Fehlverhalten vor der Strafaussetzungsentscheidung an und ermöglicht unter den genannten Voraussetzungen einen Eingriff in deren Rechtskraft. Eine derartige Regelung ist durchaus nicht neu: § 25 Abs. 2 Nr. 1 i.d.F. des 3. StrRÄndG vom 4.8.1953 (vgl. Entstehungsgeschichte zu § 56f) sah - in sehr weitreiJutta Hubrach
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chender Weise - einen Widerruf der Strafaussetzung schon bei nachträglichem Bekanntwerden aller Umstände vor, die „bei Würdigung des Wesens der Aussetzung zu ihrer Versagung geführt hätten". Eine Regelung dieser Art hat der Gesetzgeber nunmehr für den Bereich der Reststrafenaussetzung im Ergebnis wieder eingeführt, allerdings in sachlicher und zeitlicher Hinsicht begrenzt auf nach der Ursprungsverurteilung begangene Straftaten. Ausschlaggebend hierfür war die Erwägung, dass in diesen Fällen eine Bindung an die auf unzureichender Tatsachengrundlage erfolgte Reststrafenaussetzung nicht hinnehmbar sei (BTDrucks. 16/3038 S. 25, 58). § 57 Abs. 5 Satz 2 geht - ebenso wie die zugleich erfolgte Änderung des § 56f Abs. 1 Satz 2 (vgl. dort Rdn. 4a und 4b) - auf frühere Gesetzentwürfe des Bundesrates aus der 13., 14. und 15. Wahlperiode zurück, durch die man Einzelfälle erfassen wollte, „in denen bereits verurteilte Straftäter erneut straffällig werden, ihnen in Unkenntnis dieses Umstandes gewährte Strafaussetzungen zur Bewährung aber nicht widerrufen werden können" (BTDrucks. 13/9348 S. 1, 14/1467 S. 1 und 15/310 S. 1). 72
Die im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung (vgl. hierzu BTDrucks. 16/3640 S. 60 - elektronische Vorabfassung - und Plenarprotokoll 16/70 S. 7 0 0 8 A und B) sind unbegründet. Zwar stellt das aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Erfordernis der Rechtssicherheit an die Wiederaufnahme abgeschlossener Verfahren im Interesse der materiellen Gerechtigkeit grundsätzlich hohe Anforderungen (BVerfGE 2 380, 394 f, 4 0 3 f). Für den hier zur Rede stehenden Regelungsbereich der Strafaussetzung zur Bewährung erlaubt indes bereits das geltende Recht (vgl. § 56g Abs. 2 StGB und § 454a Abs. 2 StPO) einen Eingriff in die Bestandskraft gerichtlicher Entscheidungen, soweit sie auf unrichtiger Tatsachengrundlage ergangen sind. Das Vertrauen des Verurteilten in den Fortbestand einer Prognoseentscheidung ist jedenfalls dann nicht schützenswert, wenn deren Unrichtigkeit auf der Nichtberücksichtigung einer zuvor trotz Verurteilung begangenen Straftat basiert. Der Gesetzgeber war daher aufgrund verfassungsrechtlicher Erwägungen nicht daran gehindert, für diese Fälle ein Regulativ vorzusehen. Durch die in Absatz 5 Satz 2 normierten tatbestandlichen Voraussetzungen („aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte") ist sichergestellt, dass der neue Widerrufsgrund trotz seiner Anknüpfung an ein vor der Strafaussetzung liegendes Verhalten nicht zur bloßen „Korrektur" einer für unrichtig erachteten Prognoseentscheidung im Widerrufsverfahren führen kann.
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bb) Voraussetzungen. Ein Widerruf der Reststrafenaussetzung gemäß § 57 Abs. 5 Satz 2 n.F. setzt zunächst voraus, dass der Verurteilte im Zeitraum zwischen der Verkündung des letzten tatrichterlichen Urteils und der Entscheidung über die Reststrafenaussetzung - also zum Beispiel vor Beginn der Strafvollstreckung, während des Vollzugs oder im Verlauf eines Hafturlaubs (BTDrucks. 16/3038 S. 58) - eine Straftat begangen hat. Deren Feststellung erfolgt nach den bei § 56f Rdn. 6 - 1 3 dargestellten Grundsätzen; insbesondere ist die Rechtsprechung des E G M R zur Unschuldsvermutung zu beachten (BTDrucks. 16/3038 S. 58). Liegt daher kein richterliches Geständnis des anwaltlich beratenen Verurteilten vor, so wird ein Widerruf regelmäßig erst in Betracht kommen, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen des zur Rede stehenden Tatgeschehens vorliegt.
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Es ist ferner erforderlich, dass das Delikt bei der Entscheidung über die Reststrafenaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte. Dies ist der Fall, wenn die Straftat dem für die Aussetzung zuständigen Gericht nicht bekannt war (BTDrucks. 16/3038 S. 25, 58), weil sie erst später ermittelt wurde oder die bereits laufenden Ermittlungen nicht zur Kenntnis des Gerichts gelangt waren. Darauf, dass die Straftat dem Gericht im Falle einer sorgfältigeren Aufklärung der prognoserelevanten Gesichtspunkte hätte bekannt werden können, kommt es nach dem Sinn und Zweck der Vor-
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schrift nicht an (für den Anwendungsbereich des § 25 Abs. 2 Nr. 1 i.d.F. des 3. StrRÄndG vgl. hierzu bereits Schmidt SchlHA 1963 109 und Schulze NJW 1957 772, 773). Eine fehlende Möglichkeit der Berücksichtigung des Delikts aus tatsächlichen Gründen soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch dann vorliegen, wenn bei der Reststrafenaussetzung zwar bereits Verdachtsgründe vorlagen, „sich das Gericht aber zum Beispiel mangels Geständnisses oder anderer sicherer Beweismittel noch kein zuverlässiges Urteil über die Täterschaft bilden konnte" (BTDrucks. 16/3038 S. 25; vgl. ferner S. 58). Derartige Sachverhaltskonstellationen sind in der Praxis selten. Wird die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt, obwohl konkrete Verdachtsmomente für ein weiteres deliktisches Verhalten im Zeitraum nach der Verurteilung vorliegen, so beruht dies meist auf einem Uberwiegen günstiger Prognosefaktoren, denen gegenüber die dem Verurteilten vorgeworfene Straftat - ihren Nachweis unterstellt - nicht maßgeblich ins Gewicht fällt, beispielsweise weil sie längere Zeit zurückliegt und der Verurteilte seither im Vollzug eine durchweg positive Entwicklung durchlaufen hat. Bei einer derart begründeten Aussetzungsentscheidung wird das zur Rede stehende Delikt in der Gesamtabwägung ausdrücklich berücksichtigt. Der anschließende Nachweis dieser Tat rechtfertigt daher keine Anwendung des § 57 Abs. 5 Satz 2 n.F., es sei denn, der durch spätere Ermittlungen zum Deliktsgeschehen aufgedeckte Unwertgehalt stellt sich als weitaus höher dar als dem Gericht zur Zeit der Aussetzungsentscheidung vorschwebte. Im übrigen kommt ein Widerruf gemäß § 57 Abs. 5 Satz 2 n.F. nur in Betracht, wenn das Gericht bei seiner Strafaussetzungsentscheidung der zur Rede stehenden Tat im Rahmen einer prognostischen Gesamtabwägung durchaus entscheidende Bedeutung zu Ungunsten des Verurteilten zugemessen, sich aber - aufgrund der nur äußerst vagen Verdachtsmomente oder in irriger Annahme einer Unmöglichkeit des Tatnachweises - dennoch nicht zu Zweifeln an einer günstigen Prognose veranlasst gesehen hatte. Außerhalb dieser Ausnahmekonstellationen hat ein Widerruf wegen vor der Reststrafenaussetzung begangener Straftaten regelmäßig zu unterbleiben, wenn die Aussetzung trotz insoweit bereits bestehender Verdachtsgründe erfolgt war.
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Die Anwendung des § 57 Abs. 5 Satz 2 n.F. setzt ferner voraus, dass die vor der RestStrafenaussetzung begangene Straftat im Falle ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte. Dieses Erfordernis tritt für den neuen Widerrufsgrund an die Stelle der „Erwartungsformel", die gemäß § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 für nach der Strafaussetzung begangene Straftaten gilt (BTDrucks. 16/3038 S. 58). Bei seiner Prüfung hat sich der Richter im Widerrufsverfahren am aktuellen Sachstand zu orientieren, also neben der Deliktsschwere auch das Verhalten des Verurteilten seit dem Erlass der Aussetzungsentscheidung zu berücksichtigen (für den Anwendungsbereich des § 25 Abs. 2 Nr. 1 i.d.F. des 3. StrRÄndG vgl. hierzu bereits Schmidt SchlHA 1963 109 und Schulze N J W 1957 772). Kommt er zu dem Ergebnis, dass die bei der Aussetzungsentscheidung nicht berücksichtigte, in ihrem Ursprung prognostisch ungünstige Straftat durch den Zeitablauf, das einwandfreie Verhalten des Verurteilten in der bisherigen Bewährungsdauer und seine inzwischen gefestigte Lebenssituation so maßgeblich an Bedeutung verloren hat, dass eine Versagung der Strafaussetzung im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr gerechtfertigt erschiene, so hat eine Anwendung des § 57 Abs. 5 Satz 2 n.F. zu unterbleiben. Fällt die prognostische Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der bei der Aussetzungsentscheidung unbeachtet gebliebenen Straftat hingegen auch beim aktuellen Sachstand noch zu Ungunsten des Verurteilten aus, so ist die Strafaussetzung zu widerrufen, sofern nicht minder schwere Maßnahmen im Sinne von § 56f Abs. 2 ausreichen. Insgesamt ist zu erwarten, dass ein Widerruf wegen vor der Strafaussetzung begangener Straftaten um so weniger in Betracht kommen wird, je länger die Bewährungszeit bean-
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standungsfrei andauert. Im Anwendungsbereich des § 57 Abs. 5 Satz 2 n.F. wird daher ein - grundsätzlicher möglicher (vgl. hierzu § 56f Rdn. 50 f) - Widerruf oder eine ihn ersetzende Maßnahme nach Ablauf der Bewährungszeit nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig sein. 77
4. Erlass und Erlasswiderruf. Für den Erlass der Reststrafe nach Ablauf der Bewährungszeit und für seinen etwaigen Widerruf verweist § 57 Abs. 5 Satz 1 n.F. (= Absatz 3 Satz 1 a.F.) auf die entsprechende Geltung des § 56g. In Bezug auf die Fallgestaltungen der Strafrestaussetzung kommt daher ein Widerruf des Straferlasses in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 56g Abs. 2 hinsichtlich einer Vorsatztat gegeben sind, die der Verurteilte entweder in der Bewährungszeit (§ 56g Abs. 2 Satz 1) oder im Zeitraum zwischen Erlass und Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung (§ 56g Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 56f Abs. 1 Satz 2 Alt. 1) begangen hat. Eine dem § 57 Abs. 5 Satz 2 entsprechende Sanktionsmöglichkeit für die vor der Strafrestaussetzung begangenen Straftaten des Verurteilten sieht das Gesetz auf der Ebene des Erlasswiderrufs nicht vor. Das Problem wurde bei den Beratungen zum 2. Justizmodernisierungsgesetz offenkundig nicht gesehen. Eine Analogie zum Nachteil des Verurteilten verbietet sich. Solange der Gesetzgeber für diese Fälle keine Regelung geschaffen hat, scheidet daher ein Widerruf des Strafresterlasses im Falle der Verurteilung wegen einer vor der Aussetzung begangenen Straftat aus, selbst wenn dieses Delikt - wäre es nicht zur Erlassentscheidung gekommen - den Widerruf der Strafrestaussetzung gemäß § 57 Abs. 5 Satz 2 gerechtfertigt hätte.
VI. Verfahrensrechtliches 78
1. Zuständigkeit. Für Entscheidungen nach § 57 verweist § 454 StPO auf die Zuständigkeitsregelung des § 462a StPO. Hinsichtlich der Einzelheiten sei auf die Kommentierungen zu dieser Vorschrift verwiesen, vgl. ferner § 56f Rdn. 6 0 - 6 2 . In speziellem Bezug zu § 57 gelten folgende Grundregeln:
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a) Sachliche Zuständigkeit. Da das Prüfungsverfahren gemäß § 57 meist während der laufenden Strafvollstreckung betrieben wird, ist für die Entscheidung regelmäßig nicht das Prozessgericht, sondern die Strafvollstreckungskammer sachlich zuständig. Dies gilt - wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Strafvollstreckungskammern gegenüber dem Gericht des ersten Rechtszuges (§ 56f Rdn. 61) - aber auch dann, wenn die Prüfung während einer längerfristigen Vollstreckungsunterbrechung nach § 455 StPO erfolgt (OLG Düsseldorf JMB1NW 2002 114 f) oder das Reststrafengesuch des zuvor in Haft befindlichen Verurteilten noch nach dessen Abschiebung in sein Heimatland (Fall des § 456a StPO) zu bescheiden ist (BGH NStZ 2000 111). In diesen Fällen entscheidet die Strafvollstreckungskammer am Gericht des letzten regulären Haftortes, und zwar unabhängig davon, ob sie zuvor schon einmal mit diesem Verurteilten „befasst" war. Eine sachliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts bleibt daher im Ergebnis nur den Fallkonstellationen vorbehalten, in denen sich der Verurteilte bei Rechtskraft der Verurteilung auf freiem Fuß befindet und aufgrund der Anrechnung zuvor erlittener Untersuchungshaft bereits die Mindestverbüßungsdauer erreicht hat (OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 155, 156; OLG Dresden NStZ-RR 1998 382; OLG Hamm NStZ 2002 223 ). 5 7 Dies
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Vgl. ferner O L G H a m m M D R 1978 5 9 2 und N J W 1980 2 0 9 0 .
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gilt aber wiederum nicht, wenn aufgrund einer Strafvollstreckung in anderer Sache noch die sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für Nachtragsentscheidungen begründet ist (Grundsatz der Entscheidungskonzentration, § 462a Abs. 4 Satz 3). 5 8 Im Falle eines Vollzugs von Jugend- und Freiheitsstrafe gegen denselben Verurteilten bestehen jeweils getrennte sachliche Zuständigkeiten des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter einerseits und der Strafvollstreckungskammer andererseits (BGHSt 28 351); letztere entscheidet auch über die Aussetzung der restlichen Jugendstrafe, wenn deren Vollstreckung im Erwachsenenvollzug angeordnet und an die nach allgemeinen Vorschriften zuständige Vollstreckungsbehörde abgegeben ist (OLG Düsseldorf MDR 1992 1078 und MDR 1993 171; Franze Jura 1997 72, 79). b) Örtliche Zuständigkeit. Hat eine Strafvollstreckungskammer die Entscheidung gemäß § 57 zu treffen, so ist in örtlicher Hinsicht diejenige zuständig, in deren Bezirk der Verurteilte zur Zeit des „gerichtlichen Befasstwerdens" Strafhaft verbüßt. Ein „Befasstwerden" im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO ist anzunehmen, sobald bei einem potentiell zuständigen Gericht ein Reststrafengesuch eingeht (BGHSt 26 214; BGH StraFo 2005 171) oder eine Aktenvorlage durch die Staatsanwaltschaft zur Amtsprüfung erfolgt (BGH StraFo 2005 171 und StraFo 2003 431). 5 9 Die solcherart begründete örtliche Zuständigkeit einer bestimmten Strafvollstreckungskammer wird durch nachträgliche Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt eines anderen Landgerichtsbezirks nicht berührt. Sie bleibt vielmehr bestehen, bis in dem anstehenden Verfahren nach § 57 abschließend entschieden ist (BGH StraFo 2005 171 und StraFo 2003 431) oder der Verurteilte seine Einwilligung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 verweigert hat. Erneuert in letzterem Falle der Verurteilte seine Einwilligung nach der Verlegung in den Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer, so wird deren Zuständigkeit begründet (OLG Karlsruhe MDR 1992 595 f). In den Fällen einer Vollstreckungsunterbrechung oder eines Absehens von der weiteren Vollstreckung (§ 456a StPO) entscheidet die Strafvollstreckungskammer des letzten Haftortes (BGH NStZ 2000 111; OLG Düsseldorf JMB1NW 2002 114 f).
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2. Ermittlungsmaßnahmen a) Anhörungserfordernisse (§ 454 Abs. 1 Satz 2 - 4 StPO) aa) Staatsanwaltschaft, Vollzugsanstalt. Gemäß § 454 Abs. 1 Satz 2 StPO sind im 8 1 Verfahren nach § 57 die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt zu hören. Im Falle einer Anschlussvollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen mit jeweils unterschiedlichen Vollstreckungsbehörden bedarf es einer Anhörung sämtlicher beteiligten Staatsanwaltschaften. Die Einholung einer - möglichst aktuellen (OLG Düsseldorf StV 1996 44, 45) Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt kann für die Beurteilung des bisherigen Vollzugsverlaufs als eines maßgeblichen Prognosefaktors von entscheidender Bedeutung sein. Sie ist in der Regel schriftlich einzureichen (OLG Hamm NStZ-RR 2000 316) und wird durch die Beauftragung einer Prognosebegutachtung (vgl. hierzu Rdn. 84 ff) nicht entbehrlich (OLG Hamm StV 2001 30).
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BGHSt 2 6 118, 120; BGHSt 2 6 2 7 6 277; OLG Zweibrücken MDR 1978 954; Jähnke DRiZ 1 9 7 7 2 3 6 ; vgl. auch OLG Stuttgart Justiz 1976 4 4 3 ; OLG Schleswig MDR 1978 594.
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Vgl. ferner BGHSt 2 7 3 0 2 m. Anm. Paeffgen NJW 1978 1443.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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bb) Mündliche Anhörung des Verurteilten. Die nach § 4 5 4 Abs. 1 Satz 2 StPO ebenfalls erforderliche Anhörung des Verurteilten (auch zu den Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Justizvollzugsanstalt) hat regelmäßig mündlich zu erfolgen (Satz 3 der Vorschrift), auch wenn er sich zur Zeit des Prüfungsverfahrens auf freiem Fuß befindet (OLG Hamm M D R 1 9 7 8 5 9 2 ; O L G München StV 2 0 0 0 213). Sie obliegt dem erkennenden Richter, der auch die Entscheidung trifft (OLG Nürnberg N S t Z 1 9 9 8 376); eine „Vernehmung" im Wege der Rechtshilfe genügt nicht (OLG Düsseldorf J M B 1 N W 1996 71 f). Die Anhörung ist keine mündliche Verhandlung, und das Gesetz trifft für ihren Ablauf keine ausdrückliche Regelung. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gebietet es jedoch, das Vorbringen des Verurteilten bei der mündlichen Anhörung - entweder in einem Anhörungsprotokoll oder in den Entscheidungsgründen des Beschlusses - so festzuhalten, dass Art und Umfang seiner Berücksichtigung nachvollziehbar werden (OLG Hamm N S t Z - R R 2 0 0 4 383). Zur Zulässigkeit einer mündlichen Anhörung per Videokonferenz vgl. O L G Frankfurt N S t Z - R R 2 0 0 6 357, O L G Karlsruhe N J W 2 0 0 5 3013 f und Esser N S t Z 2 0 0 3 4 6 4 ff. Erscheint zum Anhörungstermin ein Wahlverteidiger des Verurteilten, so ist ihm die Anwesenheit zu gestatten (OLG Düsseldorf N S t Z 1 9 8 9 291). Seine Ladung ist zwar grundsätzlich nicht geboten. Das Gericht hat den Wahlverteidiger jedoch vom Termin zu benachrichtigen, wenn die Anhörung so kurzfristig angesetzt oder dem Verurteilten bekannt gegeben wird, dass er selbst seinen Rechtsbeistand nicht mehr informieren kann (BVerfG N J W 1993 2 3 0 1 , 2 3 0 2 f und StV 1 9 9 4 5 5 2 f). 6 0 Die ohne Benachrichtigung des Wahlverteidigers erfolgte Anhörung ist in einem solchen Fall auch dann verfahrensfehlerhaft und daher zu wiederholen, wenn dessen Bestellungsschrift dem Gericht vor der Anhörung noch nicht vorlag, bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang aber hätte vorliegen können (BVerfG StV 1 9 9 4 5 5 2 , 5 5 3 ) . Die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme des Wahlverteidigers kann den Fehler nicht heilen (BVerfG N J W 1993 2 3 0 1 , 2 3 0 2 und StV 1 9 9 4 5 5 2 , 5 5 3 ) .
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Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten darf in den Fällen des § 4 5 4 Abs. 1 Satz 4 StPO generell abgesehen werden, wenn Staatsanwaltschaft und Vollzugsanstalt die Aussetzung befürworten und das Gericht sie beabsichtigt (Nr. 1), wenn der Verurteilte im Falle einer durch Antrag veranlassten Prüfung noch nicht die Hälfte der Strafe oder weniger als zwei Monate verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt (Nr. 2a) oder wenn der Antrag nach § 5 7 Abs. 7 unzulässig ist (Nr. 3). Außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle ist die mündliche Anhörung entbehrlich bei einem ausdrücklichen und unzweifelhaften Verzicht des Verurteilten auf ihre Durchführung (OLG Frankfurt N S t Z - R R 1 9 9 7 2 8 ; O L G Düsseldorf OLGSt. Nr. 9 zu § 4 5 4 StPO und N J W 1993 1665, 1666), bei einer eindeutigen Verweigerung der Einwilligung gemäß S 5 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 6 1 und in allen Fällen der Unzulässigkeit eines Reststrafengesuchs mangels Erreichung der Mindestverbüßungsdauer (vgl. O L G Düsseldorf GA 1977 120; O L G Stuttgart Justiz 1976 3 9 6 ) . Gleiches gilt, wenn die mündliche Anhörung vor Gericht dem aus Deutschland ausgewiesenen Verurteilten nicht zuzumuten ist, weil er bei einer Wiedereinreise die Verhaftung und Nachholung der Vollstreckung gemäß § 4 5 6 a Abs. 2 StPO zu befürchten hätte. 6 2 Die - erneute - mündliche Anhörung kann
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Vgl. ferner OLG Zweibrücken StV 1993 315 f und ZfStrVo 2000 125 f; OLG Düsseldorf JMB1NW 2002 62 f; vgl. ferner OLG Nürnberg StV 2003 683. OLG Stuttgart MDR 1976 1041; Treptow NJW 1976 222; aA OLG Koblenz GA 1977
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246; W. Schmidt NJW 1975 1485 und NJW 1976 224. OLG Karlsruhe StV 2005 677, 678 mit Anm. Heghmanns-, OLG Düsseldorf StV 2000 382; OLG Düsseldorf NStZ 2000 333; OLG Düsseldorf JMB1NW 1996 71, 72.
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Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
§57
auch dann unterbleiben, wenn vor dem gleichen Gericht (vgl. hierzu OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 153, 154) eine solche erst kurze Zeit zuvor stattgefunden hat und der dabei gewonnene persönliche Eindruck noch fortwirkt (KG StV 1987 30; OLG Düsseldorf NStZ 1988 95). 63 Auf keinen Fall darf aber die mündliche Anhörung nur deshalb entfallen, weil das erkennende Gericht die Voraussetzungen einer Strafrestaussetzung aufgrund der Aktenlage verneint und es für ausgeschlossen hält, dass der Verurteilte maßgebliche positive Tatsachen vorbringen könne (OLG Frankfurt NStZ-RR 1997 28 f; OLG Nürnberg Beschl. vom 22.2.2001 - Ws 197/01 ). 64 b) Prognosebegutachtung (§ 454 Abs. 2 StPO). Im Rahmen des Gebots bestmöglicher Sachaufklärung (vgl. hierzu Rdn. 20) sollte das Gericht ein Prognosegutachten einholen, wenn es die Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe bei der Beurteilung des Erprobungsrisikos für erforderlich hält, was insbesondere bei psychiatrisch auffälligen Verurteilten der Fall sein kann. § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO statuiert eine dahingehende Ermittlungspflicht, wenn das Gericht erwägt, die Vollstreckung des Restes einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
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Für die Anwendung der Vorschrift kommt es auf die von der Entscheidung umfassten Einzelstrafen an (OLG Stuttgart NStZ-RR 2000 86). Erfüllt eine davon die Voraussetzungen des § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO, so ist ein Prognosegutachten einzuholen, wenn das Gericht die Aussetzung der Reststrafe erwägt. Hält es also eine Erprobung des Verurteilten nach den Umständen des Einzelfalles für offensichtlich nicht verantwortbar, so erübrigt sich auch die Prognosebegutachtung durch einen Sachverständigen (OLG Köln NStZ-RR 2000 317; OLG Zweibrücken NStZ 2000 446; OLG Karlsruhe OLGSt. Nr. 36 zu § 57 S. 4). 65 Kommt hingegen eine Aussetzung der Reststrafe realistisch in Betracht, so muss ein Sachverständiger hinzugezogen werden, sofern nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung entgegenstehen. Diese Formulierung lässt dem Gericht im Grundsatz keinen Entscheidungsspielraum. Die Aussetzung des Restes einer Strafe der in § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO genannten Art kommt ohne vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens nur dann in Betracht, wenn alle prognoserelevanten Umstände zweifelsfrei die Beurteilung zulassen, dass vom Verurteilten praktisch keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit mehr ausgeht (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2000 315 und StV 2005 677, 678 mit Anm. Heghmanns; OLG Hamm NJW 1999 2453 f). Zu seltenen Ausnahmekonstellationen dieser Art vgl. OLG Köln StV 2000 155 f; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 306; OLG Zweibrücken OLGSt. Nr. 32 zu § 57 S. 4; zu weitgehend OLG Zweibrücken NJW 2005 3439, 3440.
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Welcher Sachverständige mit der Erstellung des Gutachtens betraut wird, obliegt dem Ermessen des Gerichts. In geeigneten Fällen kann auch der Anstaltspsychologe die Exploration vornehmen (OLG Stuttgart NStZ-RR 2000 86; OLG Hamm NJW 1999 2453, 2454). 66 Zu den inhaltlichen Anforderungen an das Prognosegutachten vgl. § 454 Abs. 2
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OLG Hamm NStE Nr. 12 zu § 454 StPO; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 153 f und StV 1996 44 f. OLG Zweibrücken StV 1989 542; zu der vor Inkrafttreten des 23. StRÄndG teilweise abweichenden Ansicht im Falle eines Fehlens
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„besonderer Umstände in der Tat" vgl. Gribbohm L K " Rdn. 77 a.E. OLG Stuttgart Justiz 2004 123, 124; ausführlich hierzu Neubacher NStZ 2001 449, 453. Rotthaus NStZ 1998 597, 600; kritisch Neubacher NStZ 2001 449, 454.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Satz 2 StPO sowie OLG Nürnberg NStZ-RR 2002 154 f; OLG Zweibrücken NStZ 2001 54, 55; OLG Bamberg NStZ-RR 1999 122 f. 6 7 Der Sachverständige ist zu seinem Gutachten mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist (§ 454 Abs. 2 Satz 3 StPO). Von der mündlichen Anhörung kann bei einem Verzicht sowohl des Verurteilten als auch seines Verteidigers und der Staatsanwaltschaft abgesehen werden (§ 454 Abs. 2 Satz 4 StPO). Haben diese Verfahrensbeteiligten in Kenntnis des dem Verurteilten ungünstigen Gutachtens auf eine mündliche Erörterung verzichtet, so muss das Gericht die Vollzugsanstalt vor der Entscheidung nicht nochmals gesondert zu den Explorationsergebnissen anhören, sofern dies keine weitere Aufklärung zu Gunsten des Verurteilten verspricht (OLG Düsseldorf JMB1NW 2 0 0 4 248). 87
c) Sonstige Nachforschungen. Außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Ermittlungsmaßnahmen können weitere Nachforschungen des Gerichts vor der Entscheidung angebracht sein, wenn z.B. Angaben des Verurteilten über Unterkunft und Arbeitsplatz überprüft werden müssen oder wenn es erforderlich ist, die vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft vorzubereiten. In diesem Zusammenhang ist die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung der Vollzugsanstalt (Rdn. 81) wichtig.
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3. Bestellung eines Pflichtverteidigers. Für die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Verfahren nach § 57 ist § 140 Abs. 2 StPO analog anzuwenden (vgl. hierzu Schütz NStZ 1985 347; Rotthaus NStZ 2 0 0 0 350). Hierbei ist auf die Schwere des Vollstreckungsfalles (Höhe der insgesamt zu vollstreckenden Strafe) abzustellen, auf besondere Schwierigkeiten des Prüfungsverfahrens und/oder auf die Unfähigkeit des Verurteilten, sich selbst zu verteidigen (OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 2 150, 151; OLG Nürnberg ZfStrVo 1999 181 f und Beschl. vom 22.11.1996 - Ws 1283/96). Allein der Umstand, dass der Strafrest mehr als ein Jahr beträgt, rechtfertigt noch nicht die Beiordnung eines Pflichtverteidigers (OLG Hamm NStZ-RR 1999 319; OLG Schleswig SchlHA 2002 150, 151; OLG Oldenburg NdsRpfl. 2005 348 f). 6 8 Gleiches gilt für sprachbedingte Verständnisschwierigkeiten des Verurteilten, denen durch die Einschaltung eines Dolmetschers begegnet werden kann (OLG Nürnberg ZfStrVo 1999 181 f; OLG Hamm NStZ-RR 1999 319). Ob die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Verfahren nach § 57 bei langjährigen Freiheitsstrafen per se geboten ist (so OLG Karlsruhe StV 1994 552 [LS] für den Fall einer zehnjährigen Gesamtfreiheitsstrafe), mag zweifelhaft sein. Sie muss jedenfalls dann erfolgen, wenn komplexe Fragen zur Prognosebeurteilung anstehen, die die Einschaltung eines Sachverständigen erforderlich machen.
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4. Form und Vollziehbarkeit der Entscheidung. Das Gericht trifft seine - positive oder negative - Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch förmlichen Beschluss (§ 454 Abs. 1 Satz 1 StPO), der zuzustellen ist, um die Rechtsmittelfrist in Lauf zu setzen. Eine Verkündung im Anhörungstermin ist unzulässig (OLG Brandenburg NStE Nr. 18 zu § 454 StPO). Der Beschluss ergeht ohne Kosten- und Auslagenentscheidung (OLG Karlsruhe NStZ 1998 272) und bedarf der Begründung.69 Eine „Entscheidung" 67
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Ferner OLG Nürnberg StV 2 0 0 3 6 8 2 f; OLG Zweibrücken NStZ 2 0 0 0 4 4 6 , 4 4 7 ; Kröber NStZ 1 9 9 9 593. OLG Hamm Beschl. v. 4 . 2 . 2 0 0 2 - 2 Ws
12/02.
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121; aA OLG Celle NJW 1972 2 0 5 4 , das eine mit Gründen versehene Entscheidung nur verlangt, wenn ein Antrag vorliegt oder wenn das Gericht aussetzen will; Nöldecke MDR 1972 4 7 2 .
OLG Hamm N J W 1973 337; Peters JR 1973
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durch bloßen Aktenvermerk sieht das Gesetz nicht vor. 70 Sie ist auch nicht zulässig, da die Verfahrensbeteiligten das Recht haben, Rechtsmittel gegen den Beschluss einzulegen, und der Verurteilte dies auch unter Nachholung seiner Einwilligungserklärung tun kann (vgl. Rdn. 22). Im Falle der Reststrafenaussetzung wird die Entscheidung zu dem im Beschluss genannten Entlassungszeitpunkt wirksam. Eine rückwirkende Anordnung der Aussetzung ist nicht möglich (OLG Zweibrücken J R 1977 292 m. zust. Anm. Schätzler). Das die Aussetzung beschließende Gericht darf nicht selbst die Vollziehung vornehmen, indem es kurzerhand die Entlassung verfügt (OLG Hamm NJW 1978 175 m. abl. Anm. Herrmann NJW 1978 653; aA OLG Hamm JMB1NW 1977 235), sondern hat den Aussetzungsbeschluss gem. § 36 Abs. 2 StPO an die Staatsanwaltschaft zu übergeben, die dann das Erforderliche veranlasst (OLG Zweibrücken JR 1977 292; OLG Celle Beschl. vom 3.1.1992 - 1 Ws 365/91). Zur Belehrung des Verurteilten vgl. § 454 Abs. 4 StPO. 5. Rechtsmittel. Die Aussetzung des Strafrestes, ihre Ablehnung sowie die Festsetzung einer Sperrfrist nach Absatz 7 sind gemäß § 454 Abs. 3 StPO mit sofortiger Beschwerde anfechtbar, wobei dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gegen die Aussetzungsentscheidung aufschiebende Wirkung zukommt. Zur Beschwerdebefugnis im Falle einer Betreuung des Verurteilten vgl. OLG Schleswig SchlHA 1995 7. Die sofortige Beschwerde wird durch Vollverbüßung der zu vollstreckenden Strafe(n) gegenstandslos (OLG Rostock Beschl. vom 2.7.2002 - 1 Ws 291/02), nicht aber durch eine zwischenzeitlich getroffene Maßnahme der Staatsanwaltschaft gemäß § 456a StPO (OLG Karlsruhe Justiz 1993 233; vgl. hierzu bereits Rdn. 45). Das Beschwerdegericht entscheidet grundsätzlich in der Sache selbst (§ 309 Abs. 2 StPO). Eine Aufhebung und Zurückverweisung kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn das erstinstanzliche Gericht ein Reststrafengesuch zu Unrecht als unzulässig verworfen und daher keine Sachentscheidung getroffen hat, ferner bei Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit der mündlichen Anhörung des Verurteilten gemäß § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO 71 oder mit der Einholung eines Prognosegutachtens im Verfahren gemäß § 454 Abs. 2 StPO, 72 das ebenfalls eine mündliche Anhörung in erster Instanz vorsieht. Bloße Begründungsmängel der angefochtenen Entscheidung vermögen indes eine Zurückverweisung entgegen § 309 Abs. 2 StPO nicht zu rechtfertigen (aA OLG Düsseldorf VRS 89 119 f und NStZ-RR 2000 187,188).
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Die gerichtlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 57 - so zum 91 Beispiel die Anordnung einer Prognosebegutachtung oder die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs gegen den Sachverständigen - sind analog § 305 Satz 1 StPO nicht selb-
70
OLG Rostock NStZ 2001 278, 279; OLG Düsseldorf NJW 1993 1665 f; OLG Hamm NJW 1973 337; OLG Zweibrücken MDR 1974 329; KG Berlin JR 1973 120 m. Anm. Peters; Groß MK Rdn. 53; W. Schmidt NJW 1975 1485, 1487; aA OLG Celle NJW 1972 2054; Nöldecke MDR 1972 4 7 9 ; Wolf NJW 1975 1962; für die Zulässigkeit eines Aktenvermerks beschränkt auf den Fall, dass es an der Einwilligung des Verurteilten fehlt: OLG Düsseldorf NStZ 1994 4 5 4 f und MDR 1979 956; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001 311; OLG Nürnberg Beschl. v. 17. 1. 2001 - Ws 2 7 - 2 8 / 0 1 ; OLG Hamburg MDR 1979 516; Fischer Rdn. 19a; Wagner Rpfleger 1997 421.
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OLG Karlsruhe NJW 2 0 0 5 3013, 3014; OLG Nürnberg NStZ 1998 376; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 153, 154; OLG Hamm NStZ-RR 2 0 0 4 383; OLG Zweibrücken StV 1993 315, 316; OLG München StV 2 0 0 0 213. OLG Stuttgart Justiz 2 0 0 4 123, 124; OLG Hamm NJW 1999 2 4 5 3 , 2 4 5 4 ; OLG Frankfurt StV 2 0 0 5 277, 2 7 9 und NStZ-RR 1998 306, 3 0 7 ; OLG Koblenz OLGSt. Nr. 38 zu § 57; OLG Nürnberg NStZ-RR 2 0 0 2 154, 155; OLG Köln NStZ-RR 2 0 0 0 317, 318; OLG Bamberg NStZ-RR 1 9 9 9 122, 123; OLG Zweibrücken StV 2 0 0 3 6 8 3 f.
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ständig anfechtbar ( O L G Düsseldorf N S t Z 1 9 9 9 5 9 0 f und N S t Z - R R 1 9 9 9 2 9 ; vgl. ferner O L G Frankfurt N S t Z - R R 2 0 0 2 189). Auch die im Prüfungsverfahren eingeholte Stellungnahme des Leiters der Vollzugsanstalt unterliegt - mangels selbständigen Regelungscharakters - nicht der Überprüfung gemäß §§ 109 ff StVollzG ( O L G H a m m bei Matzke N S t Z 1 9 9 7 4 2 8 [LS]). Für die Anordnungen nach § 5 7 Abs. 3 sowie die Folgeentscheidungen des § 5 7 Abs. 5 gilt § 4 5 3 Abs. 2 StPO entsprechend. Eine Aufhebung der Strafrestaussetzung gemäß § 4 5 4 a Abs. 2 StPO ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar, da Satz 1 der Vorschrift auf § 4 5 4 Abs. 3 Satz 1 verweist.
§ 57a A u s s e t z u n g des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe (1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind, 2 . nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und 3. die Voraussetzungen des § 5 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen. § 5 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend. (2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat. (3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 5 6 a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 5 6 b bis 56g, 5 7 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend. (4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
Schrifttum Beckmann Die bedingte Entlassung aus der Strafhaft bei „lebenslanger" Freiheitsstrafe, DRiZ 1979 145; ders. Die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe, NJW 1983 537; Bock/Mährlein Die lebenslange Freiheitsstrafe in verfassungsrechtlicher Hinsicht, ZRP 1997 376; Bode Die bedingte Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe, Festschrift Faller (1984) 325; Böhm Zusammentreffen von lebenslanger Freiheitsstrafe mit anderen Strafen und freiheitsentziehenden Maßregeln, NJW 1982 135; v. Bubnoff Zur Problematik des Mehrfachtäters im Rahmen des § 57a StGB, J R 1982 441; Deckers Zur Frage der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung bei lebenslanger Haft (1982); Dreher Richterliche Aussetzung des Strafrechtes auch bei lebenslanger Freiheitsstrafe? Festschrift Lange (1976) 323; Elf Die Relativierung der lebenslangen Freiheitsstrafe für Mord durch die rechtsgestaltende Wirkung der Rechtsprechung des BVerfG und der Strafgerichte, NStZ 1992 468; Foth Die „besondere Schwere der Schuld" i.S. von § 57a StGB, NStZ 1993 368; Geis Die pragmatische Sanktion der „verfassungskonformen Analogie": Kritische Anmerkung zur neuesten „Lebenslänglich-Entscheidung" des BVerfG, NJW 1992 2938; Groß Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe, ZRP 1979 133; Haffke „Besondere Schwere der Schuld" und „Verteidigung der Rechtsordnung" in den Gesetzentwürfen zur Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe (1982); Hamann Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe, Rpfleger 1983 246; Häuf Die Schuldschwerefeststellung bei Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe, NJW 1995 1072; Heine Mord und Mordstrafe: Grundmängel der deutschen Konzeption und rechtsvergleichende Reformüberlegungen, GA 2000 305; Hinz Anhebung der Mindestverbüßungsdauer bei der lebenslangen Freiheitsstrafe? ZRP 2003 322; Hoffmann-Holland Besondere Schwere der Schuld i.S.d. § 57a
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§ 57a
StGB, StraFo 2006 275; Horn Wie lange dauert der Strafrest beim Widerruf einer ausgesetzten Lebenszeit-Strafe? ZRP 1980 62; Jung Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe (Gesetzgebungsübersicht), JuS 1982 222; Köhne Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe 25 Jahre nach BVerfGE 45, 187 ff, JR 2003 5; Kreuzer Kriminologische Aspekte zur Debatte um die lebenslange Freiheitsstrafe, ZRP 1977 49; Krökel Die vorzeitige Entlassung Lebenslanger (1982); Kunert Gerichtliche Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe kraft Gesetzes, NStZ 1982 89; Lackner Zur rechtlichen Behandlung der Mehrfachtäter bei Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe, Festschrift Leferenz (1983) 609; Laubenthal § 57a StGB - Aussetzung des Strafrestes der lebenslangen Freiheitsstrafe, JA 1984 471; Lenzen Die besondere Schwere der Schuld i.S. des § 57a StGB in der Bewertung durch die Oberlandesgerichte, NStZ 1983 543; Meier-Beck Schuld und Generalprävention im Vollzug der Freiheitsstrafe, MDR 1984 447; Meurer Strafaussetzung durch Strafzumessung bei lebenslanger Freiheitsstrafe, J R 1992 441; Müller-Dietz Lebenslange Freiheitsstrafe und bedingte Entlassung (1972); ders. Der Versagungsgrund der Schuldschwere nach § 57a I Nr. 2 StGB, StV 1983 162; ders. Mord, lebenslange Freiheitsstrafe und bedingte Entlassung, Jura 1983 628; ders. Lebenslange Freiheitsstrafe und bedingte Entlassung, Jura 1994 72; Oppitz Der Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe bei NS-Gewaltverbrechern, MSchrKrim. 1977 152; Revel Anwendungsprobleme der Schuldschwereklausel des § 57a StGB, Diss. Osnabrück 1989; Rotthaus Nochmals: BVerfG zur Aussetzung lebenslanger Freiheitsstrafe, NStZ 1993 218; Saiger Zur besonderen Schwere der Schuld i.S. des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, DRiZ 1993 391; Scheffler Von zeitiger lebenslanger und lebenslanger zeitiger Freiheitsstrafe, JR 1996 485; Stark Die lebenslange Freiheitsstrafe nach der Entscheidung des BVerfG vom 3. Juni 1992, JZ 1994 189; Stree Das Merkmal der besonders schweren Schuld im Rahmen des § 57a StGB, NStZ 1983 289; ders. Neue Probleme der Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe, NStZ 1992 464; Streng „Besonders schwer" in Relation wozu? - § 57a I S. 1 Nr. 2 StGB, JZ 1995 556; Triffterer Zur Behandlung „Lebenslänglicher" in der Bundesrepublik, ZRP 1970 13, 38; Triffterer/Bietz Strafaussetzung für „Lebenslängliche"? ZRP 1974 141; Wittschier Die Festsetzung einer Sperrfrist gemäß den §§ 57 V, 57a IV StGB und ihre Folgen, NStZ 1986 112; Wolf Zum Beschluß des BVerfG vom 3.6.1992 zu § 57a StGB, NStZ 1992 579; Wollweber Besondere Fürsorge trotz besonderer Schuldschwere? NJW 1998 121.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 3 des 2 0 . StRÄndG vom 8.12.1981 (BGBl. I S. 1329) in das StGB eingefügt und ist am 1.5.1982 in Kraft getreten. Aus den Gesetzesmaterialien sei verwiesen auf den Regierungsentwurf eines 17. StRÄndG (BTDrucks. 8/3218), die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses (BTDrucks. 8/3857), die 2. und 3. Beratung im Bundestag (Sitzungsberichte 8 S. 1 7 3 7 0 ff), den Einspruch des Bundesrates (BTDrucks. 8/4413), den Entwurf der Fraktionen SPD/FDP eines 19. StRÄndG (BTDrucks. 9 / 2 2 ) , die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses (BTDrucks. 9 / 4 5 0 ) , den Gesetzesbeschluss des Bundestages (BTDrucks. 2 6 1 / 81), die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat (BTDrucks. 9 / 8 2 5 ) , den Einspruch des Bundesrates (BTDrucks. 9 / 8 9 6 ) und die Zurückweisung des Einspruchs (BTDrucks. 9 / 9 5 9 ) 1 . Durch Art. 1 Nr. 10 des 23. StRÄndG vom 1 3 . 4 . 1 9 8 6 , in Kraft ab 1.5.1986, und durch Art. 2 2 Nr. 4 des 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom 2 2 . 1 2 . 2 0 0 6 , in Kraft ab 31.12.2006, wurde die Fassung des § 57a den jeweiligen Änderungen des § 5 7 angepasst.
1
Zum Gesetzgebungsverfahren und zur Entstehungsgeschichte ferner Groß ZRP 1979 133; Böhm NJW 1982 135; Kunert NStZ 1982 89, 90 f; Jung JuS 1982 222; Müller-
Dietz StV 1983 162; Beckmann NJW 1983 537; Laubenthal JA 1984 471; Lackner FS Leferenz, 609.
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§ 57a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Das BVerfG hat in einem Beschluss vom 3.6.1992 (BVerfGE 86 288 = EuGRZ 1992 225 = NJW 1992 2947 = NStZ 1992 484 und 585 = J Z 1992 1176 mit Anm. Eisenberg) zwar festgestellt, dass das Merkmal der besonderen Schwere der Schuld in § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 verfassungsrechtlich hinreichend bestimmt ist. Es hat aber tief in die praktische Anwendung der Vorschrift eingegriffen, indem es das Aussetzungsverfahren im Wege verfassungskonformer Auslegung der einschlägigen Bestimmungen wie folgt umgestaltet hat (sog. „Schwurgerichtslösung"):
3. a) Die Regelungen der §§ 454, 462a StPO und des § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG sind, insoweit sie die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes betreffen, mit dem Grundgesetz nur dann vereinbar, wenn die für die Bewertung der Schuld gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB erheblichen Tatsachen im Erkenntnisverfahren vom Schwurgericht festgestellt und im Urteil dargestellt werden, wenn das Urteil darüber hinaus auf dieser Grundlage die Schuld - unter dem für die Aussetzungsentscheidung erheblichen Gesichtspunkt ihrer besonderen Schwere - gewichtet und wenn das Strafvollstreckungsgericht daran gebunden ist. b) Bei der Entscheidung über die Aussetzungsanträge von Verurteilten, deren Schuld noch nicht im vorstehenden Sinne gewichtet ist (Altfälle), darf das Vollstreckungsgericht zu Lasten des Verurteilten nur das dem Urteil zugrunde liegende Tatgeschehen und die dazu festgestellten Umstände der Ausführung und der Auswirkung der Tat berücksichtigen. 4. a) Die Vorschrift des § 454 Abs. 1 StPO ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß im Falle der Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe das Strafvollstreckungsgericht nicht nur darüber entscheidet, ob deren weitere Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist, sondern im Falle der Ablehnung auch, bis wann die Vollstreckung unbeschadet sonstiger Voraussetzungen und Möglichkeiten ihrer Aussetzung - unter dem Gesichtspunkt der besonderen Schwere der Schuld fortzusetzen ist. b) Der voraussichtliche Zeitpunkt einer Aussetzung der Strafvollstreckung muß so rechtzeitig festgelegt werden, daß die Vollzugsbehörden die Vollzugsentscheidungen, die die Kenntnis dieses Zeitpunktes unabdingbar voraussetzen, ohne eigene Feststellungen zur voraussichtlichen Verbüßungszeit so treffen können, daß die bedingte Entlassung nicht verzögert wird."
Übersicht Rdn. I. Zweck und Anwendungsbereich der Vorschrift 1. Zweck 2. Anwendungsbereich Π. Die Voraussetzungen der Aussetzung (§ 5 7 a Abs. 1) 1. Verbüßungszeit (Satz 1 Nr. 1) a) Mindestdauer b) Ermittlung der Mindestverbüßungszeit 2. Schuldschwereklausel (Satz 1 Nr. 2) a) Bedeutung b) Die „Schwurgerichtslösung" des BVerfG c) Besondere Schwere der Schuld
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Rdn. aa) Begriffsdefinition bb) Einzelfallkriterien und Prüfungsgrundsätze d) Gebot der weiteren Vollstreckung aa) Entscheidung des Vollstreckungsgerichts bb) Vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung 3. Günstige Prognose (Satz 1 Nr. 3) a) Anforderungen im Allgemeinen . . b) Prognoserelevante Umstände . . . . c) Gesamtwürdigung 4. Einwilligung des Verurteilten (Satz 1 Nr. 3) 5. Rechtsfolgen
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Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe
§ 57a
Rdn. ΙΠ. Die Entscheidung im Verfahren nach § S 7a 1. Maßgeblicher Prüfungszeitpunkt a) Entscheidung vor Ablauf der Mindestverbüßungsdauer b) Fälle der Anschlussvollstreckung . . c) Wiederholte Prüfung der Aussetzungsfähigkeit 2. Aussetzung der Reststrafe a) Bewährungszeit b) Auflagen, Weisungen und Bewährungshelfer 3. Absehen von der Aussetzung ($ 57a Abs. 1 Satz 2, § 57 Abs. 6) .. 4. Ablehnung der Aussetzung und Sperrfrist a) Schuldbedingt gebotene Fortsetzung der Vollstreckung aa) Zeitliche Festlegung bb) Bindungswirkung b) Sonstige Ablehnungsgründe . . . . c) Sperrfrist (§ 57a Abs. 4)
Rdn. IV. Folgeentscheidungen bei Aussetzung der Reststrafe
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V. Verfahrensrechtliches 1. Erkenntnisverfahren a) Schuldschwerefeststellung b) Revisibilität 2. Verfahren nach § 57a a) Zuständigkeit b) Anhörungserfordernisse c) Prognosebegutachtung (§ 454 Abs. 2 StPO) d) Bestellung eines Pflichtverteidigers . e) Entscheidung und Rechtsmittel . . VI. Die Behandlung der „Altfälle" 1. Problemkonstellation 2. Schuldschwerefeststellung durch das Vollstreckungsgericht a) Bindung an die Urteilsfeststellungen b) Verfahrensrechtliche Besonderheiten
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I. Zweck und Anwendungsbereich der Vorschrift 1. Zweck. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 21.6.1977 (BVerfGE 45 1 187, 253-259, zuletzt bestätigt durch BVerfG EuGRZ 2007 66, 72) entschieden, dass die in § 211 StGB für Mord vorgesehene lebenslange Freiheitsstrafe bei einer am verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Anwendung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es hat jedoch in dieser Entscheidung zugleich gefordert, dass ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter die Chance haben müsse, vor seinem Tod wieder in die Freiheit zu gelangen (BVerfGE 45 187, 245, vgl. ferner BVerfG EuGRZ 2007 66, 73), und dass zur Verwirklichung dieser Chance die Möglichkeit der Begnadigung nicht ausreiche, das Rechtsstaatsprinzip es vielmehr gebiete, die Voraussetzungen, unter denen die lebenslange Strafe ausgesetzt werden könne, samt dem dabei anzuwendenden Verfahren gesetzlich zu regeln (BVerfGE 45 187, 246). Der Gesetzgeber hat versucht, diesem verfassungsrechtlichen Auftrag durch das 20. StRÄndG vom 8.12.1981 nachzukommen. Er hat mit § 57a dem verfassungsrechtlichen Gebot entsprochen, dem rechtskräftig zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance zu erhalten, seine Freiheit zu einem späteren Zeitpunkt wiederzugewinnen. Die Regelung konkretisiert in der Strafvollstreckung den Schutz der Menschenwürde. Es träfe deren Kern, wenn der Verurteilte ungeachtet der Entwicklung seiner Persönlichkeit jegliche Hoffnung auf Freiheit aufgeben müsste und damit von vornherein zum Versterben in der Haft verurteilt würde; das gilt auch für denjenigen, der mit besonders schwerer Tatschuld beladen ist (BVerfG StV 1992 25). Die Regelung des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 trägt dem Umstand Rechnung, dass das 2 individuelle Schuldmaß wegen der absolut angedrohten Strafe des lebenslangen Freiheitsentzuges bei der Strafzumessung nicht zum Ausdruck kommt (vgl. BVerfGE 72 105, 114). Der Gesetzgeber hat es als sachwidrig angesehen, den Aussetzungszeitpunkt für alle Täter unterschiedslos zu bestimmen, obgleich die bei Mord zu verhängende lebenslange Freiheitsstrafe in jedem Einzelfall auf ein ganz unterschiedliches Schuldmaß gegründet sein kann (vgl. BTDrucks. 8/3218 S. 7). Durch § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 wird das Prin-
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zip der Schuldangemessenheit der Strafe über dessen Geltung für die Zumessung der Strafe ( § 4 6 ) hinaus auch zur Grundlage für die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe (vgl. BVerfGE 64 261, 271; BVerfGE 86 288, 312 f). 3
Verfassungsrechtlich bestehen gegen die Vorschrift des § 57a keine Bedenken (BVerfGE 64 261, 272; BVerfGE 72 105, 113). Das gilt auch für die Regelung, dass die besondere Schwere der Schuld die Vollstreckung der Strafe über die fünfzehnjährige Mindestverbüßungszeit hinaus gebieten kann (BVerfGE 72 105, 114; BVerfGE 86 288, 310 ff).
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Die Voraussetzungen der Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe waren im gesamten Gesetzgebungsverfahren heftig umstritten. Dies galt für die Dauer der Mindestverbüßungszeit, für den Inhalt der Prognoseklausel, vor allem aber auch für den in § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 geregelten Vorbehalt der Schuldschwere (vgl. die zur Entstehungsgeschichte zitierten Gesetzesmaterialien), der bis zum heutigen Zeitpunkt unverändert kontrovers diskutiert wird. Die Gesetzesfassung des § 57a hat die lebenslange Strafe faktisch zu einer zeitigen gemacht (vgl. Lackner FS Leferenz, 609, 614), hierbei aber mit dem - schwer eingrenzbaren (Rdn. 13 f) - Kriterium der „besonderen Schuldschwere" ein Regulativ eingeführt, das die - im Tatbestand absoluter Strafandrohung (§ 211) nicht zum Ausdruck gekommene - Gewichtung individueller Schuld zum Maßstab der Aussetzungsentscheidung erhoben hat. Diese Schuldgewichtung ist überdies mit der „Schwurgerichtslösung" des BVerfG (Rdn. 10 f) aus dem Vollstreckungsverfahren heraus ins Erkenntnisverfahren verlagert worden. Die so geschaffene Gesamtkonzeption hat nicht nur die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe neu belebt, 2 sondern auch den vielstimmigen Ruf nach einer - neuerlichen Initiative des Gesetzgebers verursacht.3
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2. Anwendungsbereich. Die Vorschrift ist anwendbar bei lebenslanger Freiheitsstrafe, und zwar selbst dann, wenn die Strafe im Gnadenwege in eine zeitige umgewandelt worden ist (OLG Düsseldorf NStZ 1984 218; OLG Hamm J R 1989 433 mit zust. Anm. Laubenthal = StV 1989 493 mit abl. Anm. Hohmann).4 Ob dies auch für lebenslange Freiheitsstrafen gilt, die vor dem Beitritt in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik verhängt und im Wege der DDR-Amnestie in zeitige Freiheitsstrafen umgewandelt worden sind, war bis zum Beschluss des BVerfG vom 21.12.1994 (NStZ 1995 205 m. Anm. Alex NStZ 1995 615) umstritten;5 nach dieser Entscheidung kann bei derartigen Konstellationen im Einzelfall aus Vertrauensschutzgründen eine Anwendung des § 57 zu erwägen sein. Zu den durch rechtskräftiges Urteil vor Inkrafttreten des 20. StRÄndG (1.5.1982) abgeschlossenen Fällen vgl. Gribbohm LK 11 Rdn. 6 f.
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BVerfGE 8 6 288, 352 (abw. Meinung Mahrenholz); vgl. ferner Köhne JR 2 0 0 3 5, 8 f; Bock/Mährlein ZRP 1997 376, 3 8 0 f. Vgl. nur Elf NStZ 1992 468, 4 7 0 ; Stark J Z 1994 189, 191; Müller-Dietz Jura 1994 72, 82; Streng J Z 1995 5 5 6 , 562. OLG Brandenburg NStZ 1995 4 0 7 ; OLG Frankfurt NStE Nr. 18 zu § 57a.
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Bejahend OLG Rostock OLGSt. Nr. 8 zu S 57a; MDR 1993 1099; OLG Frankfurt NStE Nr. 18 zu § 57a; für Anwendung des § 57: OLG Brandenburg NStZ 1995 102; OLG Jena ZfStrVo 1996 50.
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Π. Die Voraussetzungen der Aussetzung (§ 5 7 a Abs. 1) 1. Verbüßungszeit (Satz 1 Nr. 1) a) Mindestdauer. Als erste Voraussetzung nennt das Gesetz die Verbüßungszeit von 6 15 Jahren. Bestrebungen, die Verbüßungszeit auf 18 oder 20 Jahre festzusetzen, sind im Gesetzgebungsverfahren ebenso wenig durchgedrungen wie der Vorschlag, als Verbüßungszeit 12 Jahre vorzusehen.6 Mit 15 Jahren glaubt das Gesetz einen ausreichenden Abstand zu den Aussetzungsmöglichkeiten bei der höchsten zeitigen Freiheitsstrafe gefunden zu haben (vgl. Jung JuS 1982 222, 223), obgleich die Frist erheblich unter der durchschnittlichen Vollstreckungsdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe liegt, die das Bundesverfassungsgericht aufgrund einer Umfrage bei den Landesjustizverwaltungen für die Zeit vom 8.5.1945 bis 31.12.1975 mit etwa 20 Jahren ermittelt hat (BVerfGE 45 187, 203 f; vgl. ferner BVerfGE 86 288, 308; Deckers S. 111; Bode FS Faller, 325, 326). Vor dem Zeitraum von 15 Jahren ist eine gerichtliche Aussetzung nicht zulässig, auch nicht bei betagten Verurteilten (OLG Hamburg MDR 1984 163); sie ist in einem solchen Fall nur aufgrund einer Gnadenentscheidung möglich (vgl. Kunert NStZ 1982 89, 95 f; Laubenthal JA 1984 471, 472). b) Ermittlung der Mindestverbüßungszeit. Als verbüßte Strafe im Sinne von § 57a 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 gilt gemäß Absatz 2 jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlass der mit lebenslanger Strafe geahndeten Tat erlitten hat. Anders als bei zeitigen Freiheitsstrafen (§ 57 Abs. 4) ist hierbei gleichgültig, ob eine Anrechnung der Freiheitsentziehung im Urteil erfolgt oder - in Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 2 - unterblieben ist. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Aus ihrer Formulierung folgt ferner, dass als verbüßte Strafe nicht nur Strafhaft oder Untersuchungshaft gilt, sondern jede aus Anlass der Tat erfolgte freiheitsentziehende Maßnahme,7 also auch Unterbringung. Da ferner auch im Ausland erlittene Freiheitsentziehung zu berücksichtigen ist, muss das erkennende Gericht für die in der Sache erlittene Auslieferungshaft schon im Erkenntnisverfahren einen Anrechnungsmaßstab bestimmen (BGH NJW 2004 3789). Wegen der Berechnung der Mindesthaftzeit vgl. Hamann Rpfleger 1983 246. 2. Schuldschwereklausel (Satz 1 Nr. 2) a) Bedeutung. Eine Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe nach 8 Ablauf der 15jährigen Mindestverbüßungsdauer kommt nur in Betracht, wenn nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet. Das Gesetz stellt damit auf ein Merkmal ab, das bei der zeitigen Freiheitsstrafe (§ 57) in dieser Form nicht relevant ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass das Schuldmaß bei der Verhängung lebenslanger Strafe durchaus verschieden sein kann. Ein kaltblütig geplanter und ausgeführter Mord oder ein Massenmord ist in seiner Gewichtung anders einzuschätzen als eine Affekttat, die aus der Augenblickssituation entsprungen ist. Dieses unterschiedliche Schuldmaß, das bei der absoluten Strafe im Rahmen der Strafzumessung
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Kunert N S t Z 1 9 8 2 89, 9 2 ; Müller-Dietz StV 1 9 8 3 1 6 2 ; Jung JuS 1 9 8 2 2 2 2 , 2 2 3 ; zu einer Gesetzesinitiative aus neuerer Zeit ( 2 0 Jahre Mindestverbüßungszeit) vgl. Hinz Z R P 2 0 0 3 322.
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Lackner/Kühl25 Rdn. 8; Fischer Rdn. 5 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3 ; Groß M K Rdn. 8; Kunert N S t Z 1 9 8 2 89, 9 5 ; Laubenthal JA 1984 471, 472.
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nicht zum Ausdruck kommt, 8 kann bei der Entscheidung über die Strafrestaussetzung zu der Erkenntnis führen, dass die begangene Tat nach 15 Jahren noch keinen Schuldausgleich gefunden hat und die weitere Verbüßung erforderlich ist (BVerfGE 72 105, 113 f). Die richterliche Entscheidung im Rahmen des § 57a stellt sich daher als Bemessungsakt dar, durch den in Anknüpfung an die Strafzumessungsschuld im Sinne von § 46 Abs. 1 Satz 1 über die Dauer der schuldangemessenen Vollstreckung entschieden wird (BVerfGE 72 105,114 f; BVerfGE 86 288, 312 f; OLG Karlsruhe J R 1988 163). 9 9 S 57a führt auch nach Ablauf der Mindestverbüßungszeit und günstiger Täterprognose nicht zu einer „Entlassungsautomatik" (vgl. BGHSt 31 189, 192), 10 falls die Schuldschwere die weitere Vollstreckung erforderlich macht (BVerfGE 64 261, 272; OLG Koblenz GA 1983 278). Wiegt die Schuld besonders schwer, so bedeutet dies nicht, dass die lebenslange Strafe voll verbüßt werden muss, sondern nur, dass eine Aussetzung erst später in Betracht kommt (vgl. OLG Frankfurt NStZ 1983 555), dann nämlich, wenn der erforderliche Ausgleich der Schuld stattgefunden hat, die erhöhte Schuld den weiteren Vollzug der Strafe nicht mehr gebietet. Das unterschiedliche Maß gesteigerter Schuld spiegelt sich daher in einer entsprechend differenzierten Dauer der Vollstreckung wider (OLG Karlsruhe NStZ 1983 74, 75; JR 1988 163, 164; OLG Celle StV 1983 165). 11 Da das Gesetz selbst einen Vollstreckungsendzeitpunkt nicht erkennen lässt, kann die Schuldschwereklausel im Einzelfall auch zur Folge haben, dass die Strafe im Wortsinn ein Leben lang vollstreckt wird, ohne dass verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestünden (BVerfGE 64 261, 272; BVerfGE 72 105, 116). 12 Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Voraussetzungen für die weitere Vollstreckung ständiger Überprüfung bedürfen, da nach dem „Prinzip Hoffnung" (vgl. BVerfGE 45 187) jedem Verurteilten die Chance verbleiben muss, vor seinem Tode wieder in Freiheit zu gelangen (BVerfGE 64 261, 272; BVerfGE 72 105,116 f). 13 Fallgestaltungen, die es strikt verwehren, dem innerlich gewandelten, für die Allgemeinheit ungefährlich gewordenen Verurteilten die Wiedergewinnung der Freiheit zu gewähren, sind dem Strafvollzug unter der Herrschaft des Grundgesetzes grundsätzlich fremd (BVerfGE 64 261, 272; BVerfG EuGRZ 2007 66, 73). Verfehlt wäre insbesondere die Annahme, eine Entlassung in die Freiheit könne bei besonderer Schuldschwere trotz günstiger Prognose und weit über fünfzehn Jahre hinausreichender Strafverbüßung erst dann in Betracht gezogen werden, wenn körperliche oder geistige Gebrechlichkeit eingetreten oder der Tod nahe sei (BVerfGE 72 105, 116 f; BVerfG NStZ 1996 53, 54). 10
b) Die „Schwurgerichtslösung" des BVerfG. Das BVerfG hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 3.6.1992 zur Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes (Leitsätze s. Entstehungsgeschichte) die im Schrifttum teilweise erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Schuldschwereklausel (vgl. Beckmann NJW 1983 8
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OLG Karlsruhe NStZ 1983 74, 75; OLG Koblenz NStZ 1984 167; Haffke S. 54 f; Kunert NStZ 1982 89, 94; Müller-Dietz StV 1983 162, 1 6 3 , 1 6 4 ; Laubenthal JA 1984 471, 4 7 3 ; Fischer Rdn. 8; Lackner/Kühl25 Rdn. 3a. OLG Karlsruhe NStZ 1983 74 ff; Stree NStZ 1983 2 8 9 ; Haffke S. 55, 60; Krökel S. 97 ff; Müller-Dietz StV 1983 162, 163; MüllerDietz Jura 1983 628, 632; Laubenthal]A 1984 471, 4 7 3 ; vgl. auch OLG Koblenz GA 1983 278, 2 8 0 .
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Zust. OLG Celle StV 1983 156; Kunert NStZ 1982 89, 94; Stree NStZ 1983 289, 2 9 3 ; aA Beckmann N J W 1983 537, 5 4 2 f, der die Schuldschwereklausel für verfassungswidrig hält. Krit. Meier-Beck MDR 1984 447, 448. BVerfG N J W 1995 3244, 3246; NStZ 1996 53, 54. OLG Frankfurt NJW 1986 5 9 8 ; OLG Hamm NStZ 1986 315.
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Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe
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537 ff) nicht geteilt und insbesondere keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot gesehen (BVerfGE 86 288, 310-315). 14 Es hat indes die gesetzgeberische Konzeption insoweit beanstandet, als die Feststellung der besonderen Schuldschwere den Strafvollstreckungskammern zugewiesen war, die hierüber ohne die Verfahrensgarantien einer mündlichen Hauptverhandlung in regelmäßig großem zeitlichen Abstand zur Aburteilung der Tat zu befinden hatten. In verfassungskonformer Auslegung der maßgeblichen Verfahrensvorschriften (SS 454, 462a StPO, S 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG) hat das BVerfG daher die Entscheidung über die besondere Schuldschwere als solche - einschließlich der Feststellung und Gewichtung hierfür maßgeblicher Tatsachen - aus dem eigentlichen Strafaussetzungsverfahren herausgetrennt und dem Schwurgericht zugewiesen, das hierüber bei der Verurteilung im Erkenntnisverfahren - mit für die Vollstreckungsgerichte bindender Wirkung bei der Bestimmung der Vollzugsdauer (Rdn. 17 f) zu befinden hat (BVerfGE 86 288, 315-324). Der - in seinen tragenden Erwägungen nicht einstimmig ergangene15 - Beschluss des BVerfG begegnete erheblicher Kritik, die sich nicht nur gegen die verfassungsrechtliche Beurteilung der Schuldschwereklausel16 und gegen die „Splittung" der diesbezüglichen Entscheidungszuständigkeit17 richtete, sondern auch den Vorwurf beinhaltete, das BVerfG habe mit seiner Entscheidung die Grenzen der Zulässigkeit verfassungskonformer Auslegung überschritten.18 Dessen ungeachtet hat die Rechtsprechung seit 1992 die „Schwurgerichtslösung" des BVerfG in einer Weise umgesetzt, die sowohl für die Definition des Schuldschwerebegriffs (Rdn. 13 ff) als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht (Rdn. 41 ff) praktisch handhabbar ist. Erleichternd wirkt sich hierbei aus, dass die Problematik der Behandlung sämtlicher vor dem 3.6.1992 erfolgten Verurteilungen (sog. „Altfälle", vgl. hierzu Rdn. 53 ff) mittlerweile infolge Zeitablaufs weitgehend obsolet geworden ist.
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Das BVerfG hat seine „Schwurgerichtslösung" zwar aus Anlass einer Verurteilung wegen vollendeten Mordes (S 211) entwickelt und damit Fallgestaltungen erfassen wollen, bei denen das Urteil angesichts der absoluten Strafandrohung eine individuell schuldbezogene Strafzumessung regelmäßig nicht enthält und deshalb seine Eignung als Grundlage für eine spätere Schuldschwerefeststellung durch das Strafvollstreckungsgericht besonders fragwürdig erscheint (BVerfGE 86 288, 316 f). Da jedoch die weitergehenden Entscheidungserwägungen zur Sachnähe des Tatgerichts und zur Überlegenheit der Verfahrensgarantien einer Hauptverhandlung (BVerfGE 86 288, 318 f) allgemein Geltung beanspruchen, ist die Entscheidung über das Vorliegen besonderer Schuldschwere im Sinne von S 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in allen Fällen einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe durch das Tatgericht zu treffen (BGHSt 44 350 = J R 2000 121 m. Anm. Müller-Dietz),19 also auch dann, wenn die verhängte Rechtsfolge nicht auf einer absoluten Strafandrohung beruht (vgl. z.B. S 212 Abs. 2). 2 0
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Entscheidungsbesprechungen bei Rotthaus NStZ 1993 218; Stree NStZ 1992 464; Elf NStZ 1992 4 6 8 ; Geis NJW 1992 2938; Meurer NStZ 1993 135; Müller-Dietz Jura 1994 72 und JR 1992 441; Stark J Z 1994 189. BVerfGE 86 288, 340 ff (abw. Meinung Mahrenbolz) und 355 ff (abw. Meinung Winter). Vgl. hierzu Groß MK Rdn. 16. BVerfGE 86 288, 359 (abw. Meinung
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Winter); Meurer JR 1992 441, 445; Bock/ Mährlein ZRP 1997 376, 379; vgl. ferner Stark J Z 1994 189 f. BVerfGE 86 288, 348 (abw. Meinung Mahrenholz); Meurer NStZ 1993 135 und JR 1992 441, 4 4 5 f; Geis NJW 1992 2938; Krey JR 1995 221, 223 f. Ebenso Groß MK Rdn. 15; Fischer Rdn. 3. Differenzierend insoweit noch Gribbohm LK 11 Rdn. 4 6 - 4 9 .
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c) Besondere Schwere der Schuld 13
aa) Begriffsdefinition. Die Bemühungen um eine allgemeine Begriffsdefinition führten in der Rechtsprechung - insbesondere unter den Strafsenaten des BGH - alsbald zu der Streitfrage, ob für die Feststellung der besonderen Schuldschwere eine deutliche Überschreitung des bei jeder Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe vorauszusetzenden Mindestschuldmaßes ausreicht21 oder vielmehr eine Abweichung von der gewöhnlich vorkommenden Regelschuld zu verlangen ist. 22 Derartigen Versuchen einer Kategorisierung anhand fester Vergleichsmaßstäbe hat der Große Senat des BGH durch seinen Beschluss vom 22.11.1994 (BGHSt 40 360 = JR 1995 246 m. Anm. Kintzi)23 eine Absage erteilt. Hiernach hat der Tatrichter die Entscheidung ohne Bindung an begriffliche Vorgaben im Wege einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit zu treffen, wobei die besondere Schwere der Schuld im Sinne von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nur dann vorliegt, wenn Umstände vorliegen, die Gewicht haben (BGHSt 40 360, 370, mittlerweile st. Rspr.). 24
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Soweit dieser Rechtsprechung der Vorwurf gemacht wird, sie trage zur eigentlichen Begriffsbildung nichts bei ( G r o ß MK Rdn. 18), 25 ist dem entgegenzuhalten, dass für die Bewertung der besonderen Schuldschwere ein aus dem Deliktsvergleich herzuleitender „Fixpunkt" nicht zur Verfügung steht. Zu Recht weist der Beschluss des Großen Senats darauf hin, dass sich der „Normalfall" einer mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten Straftat angesichts der Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen weder normativ noch empirisch bestimmen lässt, zumal die Bewertung hier - anders als sonst im sachlichen Strafrecht - nicht abgestützt wird durch den Vergleich verschiedener Strafrahmen (BGHSt 40 360, 368 f). 26 Vor diesem Hintergrund bieten auch die Begriffe der „Mindestschuld" oder „Regelschuld" keine zuverlässigen Bezugspunkte. Die für die Strafzumessung geltenden Regeln sind nur entsprechend anwendbar (vgl. hierzu Rdn. 16), da die Prüfung des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nicht der Bemessung einer Sanktion, sondern der Vorbereitung einer Entscheidung über die Aussetzung ihrer weiteren Vollstreckung dient (BGHSt 40 360, 366 f). Nur der letztere Gesichtspunkt liefert daher die erforderliche Bezugsgröße für die mit dem Begriff der „besonderen Schwere" vorausgesetzte Relation: Schulderschwerende „Umstände von Gewicht" sind nur solche, die nach Ansicht des Tatgerichts zur Zeit der Aburteilung eine länger als 15 Jahre währende Vollzugsdauer erforderlich erscheinen lassen (zutreffend Streng J Z 1995 556, 561: „Die Mindestverbüßungsdauer als Nullpunkt für ein quantifizierbares Wertungsergebnis"). Für die diesbezügliche Gesamtwürdigung hat die Rechtsprechung weitgehend anerkannte Grundsätze erarbeitet (Rdn. 15 f), die eine praktische Handhabung des Schuldschwerebegriffs erleichtern (so im Ergebnis auch Groß MK Rdn. 19).
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So der 1. StS des BGH: NStZ 1994 5 4 0 und 77, 78; BGHR § 57a Abs. 1 Schuldschwere 3; ebenso OLG Hamm NStZ 1994 53; MDR 1993 888; NStZ 1993 4 5 2 f; Foth NStZ 1993 368 f; Hoffmann-Holland StraFo 2 0 0 6 275, 279. So die Entscheidungen des 3., 4. und 5. StS: BGHSt 3 9 1 2 1 , 1 2 5 und 2 0 8 , 211; BGH NStE Nr. 14 und 15 zu § 57a; BGHR § 57a Abs. 1 Schuldschwere 13, 16; BGH StV 1993 4 2 0 f; ebenso OLG Hamburg J R 1995 299, 301 m. Anm. Böhm-, OLG Düsseldorf OLGSt. Nr. 10 zu § 5 7 a S. 3; OLG Karlsruhe
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NStE Nr. 17 zu § 57a; Groß MK Rdn. 18; Saiger DRiZ 1993 391, 393. Besprochen bei Häuf NJW 1995 1072. BGHSt 42 2 2 6 , 2 2 7 = JR 1997 2 4 6 , 2 4 7 m. Anm. Horn; BGH StV 2 0 0 5 329; BGH NStZ 2 0 0 5 88; BGH NStZ 2 0 0 2 4 9 ; OLG Karlsruhe Justiz 1995 379; OLG Brandenburg NStZ-RR 1999 2 3 6 , 237. Krit. auch Krümpelmann NStZ 1995 337; Hoffmann-Holland StraFo 2 0 0 6 275, 2 7 7 ; Heine GA 2 0 0 0 305, 308. Ähnlich schon BGH Beschl. v. 19.1.1994 2 ARs 3 9 9 / 9 3 ; Gribbohm L K n Rdn. 12 ff.
Jutta Hubrach
Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe
§ 57a
bb) Einzelfallkriterien und Prüfungsgrundsätze. Als Kriterien für gesteigerte Schuld kommen in Betracht: Die besondere Verwerflichkeit der Tatausführung oder der Motive (insbesondere die Erfüllung mehrerer Mordmerkmale), 2 7 die Begehung mehrerer M o r d taten bzw. Tötung mehrerer Opfer durch ein D e l i k t 2 8 oder die Verwirklichung zusätzlicher Straftatbestände erheblichen Gewichts, 2 9 wobei jedoch stets zu bedenken ist, dass diese Umstände nicht ohne weiteres, sondern nur im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung zur Annahme einer besonderen Schuldschwere i.S.v. § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 führen können (BGHSt 4 0 3 6 0 , 3 7 0 ) . 3 0 Eine gesteigerte Schuld kann daher im Einzelfall durch einen langen Zeitraum zwischen Tat und Entscheidung (BGH N S t Z 2 0 0 6 5 0 5 , 5 0 6 ) oder durch besondere Umstände in der Persönlichkeit des Verurteilten - teilweise wieder ausgeglichen werden, z.B. durch eine auf dem Täter lastende Drucksituation, die nicht zur Anwendung der §§ 21, 4 9 Abs. 1 Nr. 1 geführt hat (BGH N S t Z 2 0 0 3 146, 1 4 8 ; B G H bei Theune N S t Z - R R 2 0 0 4 164). 3 1 Andererseits schließt die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit eine besondere Schuldschwere auch nicht von vornherein aus; dies gilt insbesondere in Fällen selbstverschuldeter Trunkenheit (BGH N S t Z 2 0 0 5 88).
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Für den generalpräventiven Aspekt der „Verteidigung der Rechtsordnung" ist bei der gebotenen Gesamtwürdigung im Rahmen des § 5 7 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 kein R a u m (OLG Frankfurt N S t Z 1994 54, 5 5 ) ; 3 2 der Gesetzgeber hielt diesen Begriff als M a ß s t a b für die Entscheidung im konkreten Einzelfall für unangemessen (BTDrucks. 8 / 3 8 5 7 S. 12). Bei der Prüfung der besonderen Schuldschwere hat sich der Tatrichter an den für die Strafzumessungsschuld im Sinne von § 4 6 geltenden Regeln zu orientieren. Insbesondere finden der Grundsatz „in dubio pro r e o " und das Doppelverwertungsverbot des § 4 6 Abs. 3 entsprechende Anwendung (BGH N S t Z - R R 2 0 0 1 2 9 6 und N S t Z 1 9 9 9 5 0 1 , 5 0 2 ) . Bei einer Verurteilung wegen Mordes dürfen daher solche Merkmale nicht als schuldsteigernd herangezogen werden, die überhaupt erst die Mordqualifikation ergeben und deshalb die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe begründen (BGHSt 4 2 2 2 6 , 2 2 8 = J R 1 9 9 7 2 4 6 , 2 4 7 m. Anm. Horn). Nach dem gleichen Grundgedanken kann bei einem „Raubmord" die regelmäßig gleichzeitige Verwirklichung der Mordmerkmale „Habgier" und „Ermöglichen einer Straftat" dem Delikt jedenfalls nicht für sich allein ohne weiteres schulderhöhendes Gewicht im Sinne von § 5 7 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 verleihen ( B G H R S 57a Abs. 1 Schuldschwere 16). Auch bei der Prüfung besonderer Schuldschwere gilt der Grundsatz, dass dem Angeklagten zulässiges Verteidigungsverhalten (wie auch fehlende Reue im Falle einer bestreitenden Einlassung) nicht anzulasten ist (BGH StV 2 0 0 3
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Vgl. BVerfG NJW 1995 3244, 3245 und NStE Nr. 16 zu S 57a; BGH NStZ 2005 88 und NStZ 2003 146,148; BGHR § 57a Abs. 1 Schuldschwere 13; OLG Düsseldorf OLGSt. Nr. 10 zu § 57a; OLG Hamburg JR 1995 299, 301 m. Anm. Böhm-, OLG Frankfurt NStZ 1987 329; OLG Koblenz MDR 1983 338. Vgl. BVerfG NJW 1995 3244, 3245 und NStE Nr. 16 zu § 57a; BGH NStZ 2003 146, 148; BGHR § 57a Abs. 1 Schuldschwere 13; OLG Düsseldorf OLGSt. Nr. 10 zu § 57a; OLG Karlsruhe Justiz 1995 379 und Justiz 1994 92, 93 und NStZ 1983 74, 75; OLG Hamburg JR 1995 299, 301 m. Anm. Böhm;
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OLG Bamberg NStZ 1983 320, 321; OLG Frankfurt NJW 1986 598 f und NStZ 1987 329; Stree NStZ 1983 289, 291. Zu dieser Voraussetzung vgl. BGH NStZ-RR 2002 137 f. BGH NStZ 1994 540, 541 und NStZ 1999 501, 502; OLG Karlsruhe Justiz 1995 379; OLG Brandenburg NStZ-RR 1999 236, 237. Vgl. ferner BVerfG NJW 1994 1273 f. Fischer Rdn. 23; Sch/Schröder/Stree Rdn. 1; Kunert NStZ 1982 89, 94 und NStZ 1982 510; Stree NStZ 1983 289, 291; Müller-Dietz StV 1983 162, 164; Meier-Beck MDR 1984 447, 449; Laubenthal JA 1984 471, 474.
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§ 57a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
17 f und 18 f). 33 Hinsichtlich tilgungsreifer Vorstrafen ist das Verwertungsverbot der §§ 63 Abs. 4, 51 Abs. 1 BZRG zu beachten (BGH NStZ-RR 2001 237 f). d) Gebot der weiteren Vollstreckung 17
aa) Entscheidung des Vollstreckungsgerichts. Ist die besondere Schwere der Schuld im tatrichterlichen Erkenntnis festgestellt worden, so kommt eine Strafrestaussetzung nach Ablauf der 15jährigen Mindestverbüßungsdauer gemäß S 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nur dann in Betracht, wenn nicht die besondere Schuldschwere „die weitere Vollstreckung gebietet". Das Merkmal des „Gebotenseins" hat neben dem vor allem tat- und tatzeitbezogenen Kriterium der besonderen Schuldschwere als solcher selbständige Bedeutung. Es ermöglicht dem Gericht, bei der Entscheidung die Entwicklung des Verurteilten und der Verhältnisse nach dem Urteil zu berücksichtigen unter dem Gesichtspunkt, inwieweit noch ein Sühnebedürfnis besteht. Während den Tatgerichten auf der Grundlage der „Schwurgerichtslösung" des BVerfG (Rdn. 10 ff) die tatbezogene Gewichtung der Schuld obliegt, kommen deren vollstreckungsrechtliche Auswirkungen in dem Merkmal des „Gebietens" zum Ausdruck, dessen Beurteilung in der Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts verbleibt. An dieser Rechtslage hat sich durch den Beschluss des BVerfG vom 3.6.1992 nichts geändert (vgl. bereits Gribbohm LK 11 Rdn. 21). Es ist Aufgabe des Vollstreckungsgerichts, im Verfahren nach S 57a mit Hilfe einer vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung (Rdn. 19 f) zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des Geschehens und der Persönlichkeitsentwicklung des Verurteilten im Vollzug eine vom Tatgericht festgestellte besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung der (lebenslangen) Freiheitsstrafe auch gebietet (BVerfGE 86 288, 323).
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Ist dies der Fall, so darf sich das Vollstreckungsgericht nicht damit begnügen, die Aussetzung der Reststrafe abzulehnen. Der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte, der aus schuldbezogenen Erwägungen mit einer Aussetzung nach Ablauf der 15jährigen Mindestverbüßungsdauer nicht rechnen kann, hat aus Gründen der Rechtssicherheit einen Anspruch darauf, über das Ausmaß der schuldbedingt zu erwartenden Gesamtvollstreckungsdauer möglichst frühzeitig informiert zu werden. Wird daher die bedingte Entlassung gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 abgelehnt, so ist nach dem - auch insoweit grundlegenden Beschluss des BVerfG vom 3.6.1992 (BVerfGE 86 288, 326 ff) jedenfalls in den Gründen des Beschlusses mitzuteilen, wann auf der Grundlage der gegenwärtigen Beurteilung entsprechend der vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung mit einer Aussetzung zu rechnen ist. Diese zeitliche Festlegung erfasst wohlgemerkt nur die schuldbedingt zu erwartende Gesamtvollstreckungsdauer und enthält keine bindende Aussage zu der Frage, wann aus prognostischen Erwägungen (vgl. Rdn. 21 ff) eine Reststrafenaussetzung verantwortbar sein wird (BVerfGE 86 288, 332). Zu den Konsequenzen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung für das Verfahren nach § 57a - insbesondere zum frühestmöglichen Prüfungszeitpunkt und zur Bindungswirkung der Entscheidung über die schuldbedingte Vollstreckungsdauer - vgl. Rdn. 27, 34 ff.
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bb) Vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung. Die Frage, ob und wie lange die besondere Schuldschwere eine Fortsetzung der Vollstreckung über 15 Jahre hinaus gebietet, hat das Vollstreckungsgericht auf doppelter Beurteilungsgrundlage zu prüfen. Zum einen sind die tatschuldrelevanten Faktoren zu berücksichtigen (vgl. OLG Schleswig SchlHA
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BGH StV 2 0 0 1 571 (LS); vgl. ferner BGH StV 1993 639.
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Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe
S 57a
2003 184), wobei insoweit eine Bindung an die im Erkenntnisverfahren getroffenen Feststellungen zur besonderen Schuldschwere besteht (Rdn. 10). Zum anderen fließen in die vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung auch diejenigen Umstände ein, die die Entwicklung des Verurteilten nach dem Straferkenntnis prägen (OLG Nürnberg NStZ-RR 1997 168, 169; OLG Koblenz StV 1994 382, 383; OLG Hamburg J R 1995 299, 300 m. Anm. Böhm) und die naturgemäß aufgrund eigener Feststellungen des Vollstreckungsgerichts zu ermitteln sind. Hierbei kann sich insbesondere eine positive Persönlichkeitsveränderung des Verurteilten im Vollzugsverlauf zu seinen Gunsten auswirken und eine Verkürzung der unter rein tatschuldrelevanten Gesichtspunkten an sich erforderlichen Gesamtvollstreckungsdauer rechtfertigen (OLG Frankfurt NStZ 1994 54). Das Vollstreckungsgericht muss bei seiner Würdigung die progressive Steigerung der mit dem Fortschreiten der Zeit und dem Ansteigen des Lebensalters sich ergebenden Straf- und Vollzugswirkung hinreichend beachten (vgl. hierzu Scheffler JR 1996 485, 489) und auch den Gesundheitszustand des Verurteilten in Beziehung zur Vollstreckungsdauer setzen sowie seine Aussicht würdigen, noch zu Lebzeiten aus der Strafhaft entlassen zu werden (BVerfG NStZ 1996 53, 54). Insoweit fließt in die Entscheidung auch der verfassungsrechtlich relevante Gerichtspunkt ein, dass es mit der Würde des Menschen unvereinbar wäre, die geforderte konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance zur Wiedererlangung der Freiheit auf einen von Siechtum und Todesnähe gekennzeichneten Lebensrest zu reduzieren (BVerfGE 72 105, 116 f). Für die beim Merkmal des „Gebotenseins" zu prüfende Frage nach dem noch bestehenden Sühnebedürfnis können Umstände Bedeutung erlangen wie das hohe Lebensalter des Verurteilten, eine schwere Dauererkrankung (BVerfG NStZ 1996 53 ff), 3 4 Sühneanstrengungen und Wiedergutmachungsbemühungen gegenüber Angehörigen des Opfers, Suizidversuch aus Verzweiflung über die Tat und eigene Bemühungen um die soziale Integration (OLG Karlsruhe NStZ 1991 37, 38). Im Allgemeinen übersteigt die schuldschwerebedingte Gesamtvollstreckungsdauer nicht den Zeitraum von 25 Jahren (vgl. hierzu Heine GA 2000 305, 316); sie kann jedoch in Fällen außergewöhnlichen Unrechts- und Schuldgehalts auch deutlich darüber liegen (vgl. BVerfG NJW 1995 3244, 3246; für eine „gesetzesergänzende" Begrenzung der schuldbedingten Verbüßungsdauer auf 20 Jahre unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung des Verurteilten: Scheffler JR 1996 485, 491).
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3. Günstige Prognose (Satz 1 Nr. 3) a) Anforderungen im Allgemeinen. Auch die Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist nur bei günstiger Prognose möglich. Da § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 insoweit auf § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Bezug nimmt, kann auf die Erläuterungen zu § 57 (dort Rdn. 9-12) verwiesen werden. Die Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit schließt auch im Falle einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit ein, dass bei der Entscheidung über die Reststrafenaussetzung ein vertretbares Restrisiko eingegangen wird (BVerfG EuGRZ 2007 66, 74; OLG Nürnberg StV 2000 266, 267), denn sicher ausschließen lässt sich eine neuerliche Straffälligkeit des Verurteilten außerhalb des Strafvollzugs nie. Die Vertretbarkeit des Restrisikos ist nicht nur von den im Falle eines Rückfalls bedrohten Rechtsgütern abhängig, sondern auch vom Grad der Wahrscheinlichkeit erneuter Straffälligkeit. Daher steht auch im Bereich der Schwerkriminalität die bloße theoretische Möglichkeit eines Rückfalls der Aussetzung nicht von vornherein entgegen
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OLG Hamm NStZ 1986 315; OLG Frankfurt NStZ 1987 329 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
(BVerfG EuGRZ 2 0 0 7 66, 74). Bei Taten, die wie der Mord mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, kommt jedoch dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit naturgemäß besondere Bedeutung für die Frage zu, ob eine Erprobung verantwortet werden kann (BVerfG StV 1992 25, 2 6 und EuGRZ 2 0 0 7 66, 74; ebenso OLG Karlsruhe NStZR R 2 0 0 4 2 8 7 f). Bestehen daher irgendwelche konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Verurteilte ein neues schweres Verbrechen begehen werde, so kommt eine Reststrafenaussetzung nicht in Betracht (BVerfG EuGRZ 2 0 0 7 66, 75; OLG Nürnberg StV 2 0 0 0 2 6 6 , 267).35 22
Die Wahrung allgemeiner Sicherheitsinteressen kann im Einzelfall - verfassungsrechtlich unbedenklich - zu einer im Wortsinn lebenslangen Strafvollstreckung über den durch die besondere Schuldschwere bedingten Zeitpunkt (vgl. Rdn. 18) hinaus führen, sofern dies wegen fortdauernder Gefährlichkeit des Verurteilten erforderlich ist (BVerfGE 45 187, 2 4 2 ; BVerfG EuGRZ 2 0 0 7 66, 72). Da jedoch die konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance des Verurteilten auf Wiedererlangung seiner Freiheit zu Lebzeiten durch eine strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Entscheidung nach § 57a sicherzustellen ist, steht ein gewisses Risiko von Straftaten nur mittleren oder geringen Gewichts der Reststrafenaussetzung nicht entgegen. Andernfalls würde die weitere Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe mit zunehmender Vollzugsdauer gegen das Übermaßverbot verstoßen (BVerfG EuGRZ 2 0 0 7 66, 75). 3 6
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b) Prognoserelevante Umstände. Hinsichtlich der prognoserelevanten Faktoren verweist § 57a Abs. 1 Satz 2 auf die - nicht abschließende - Aufzählung des § 57 Abs. 1 Satz 2. Die diesbezüglichen Ausführungen zur Aussetzung des Restes zeitiger Freiheitsstrafen (§ 5 7 Rdn. 13-19) gelten entsprechend, wobei im Falle des § 57a das Verhalten und die Persönlichkeitsentwicklung des Verurteilten im Vollzugsverlauf für die prognostische Beurteilung naturgemäß im Vordergrund steht. Auch und gerade bei der Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen sind die Vollzugsbehörden von Verfassungs wegen gehalten, im Rahmen eines sinnvollen Behandlungsvollzugs auf die Resozialisierung des Verurteilten hinzuwirken, ihn lebenstüchtig zu erhalten sowie schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs und damit vor allem deformierenden Persönlichkeitsveränderungen entgegenzuwirken (BVerfG NStZ 1996 614 und N J W 1998 1133). Hieraus kann sich im Einzelfall die Verpflichtung ergeben, den Verurteilten einer psychiatrischen oder sozialtherapeutischen Behandlung zuzuführen zwecks Heilung einer Erkrankung, die der positiven Prognose im Wege steht (BVerfG NStZ 1996 614 und EuGRZ 2 0 0 7 66, 72 f), 3 7 oder ihn in eine andere JVA zu verlegen, von der aus günstigere Bedingungen für den Wiederaufbau eines sozialen Empfangsraums geschaffen werden können (BVerfG N J W 1998 1133, 1135). Auch durch die schrittweise Erprobung des Verurteilten in Vollzugslockerungen wird die prognostische Basis für die Aussetzungsentscheidung des Vollstreckungsgerichts entscheidend beeinflusst (BVerfG N J W 1998 1133, 1134). 3 8 Ist die Vollzugsbehörde bei der Lockerungsprüfung dem grundrechtlich garantierten Freiheitsanspruch des Verurteilten nicht hinreichend gerecht geworden, so muss ihr im Aussetzungsverfahren von den Vollstreckungsgerichten - unter Ausschöpfung der prozessualen
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Kunert NStZ 1982 89, 93; Müller-Dietz Jura 1983 628, 633; vgl. auch Krökel S. 94. Ebenso OLG Nürnberg StV 2 0 0 0 266, 2 6 7 f und KG Berlin NStZ-RR 1 9 9 7 3 8 2 betr. Eigentumsdelikte; Fischer Rdn. 19; aA Groß MK Rdn. 10.
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Vgl. ferner OLG Karlsruhe StV 2 0 0 2 3 4 f und NStZ-RR 2 0 0 4 287, 288. Zum Maßstab für die Lockerungsprüfung aus vollzugsrechtlicher Sicht vgl. OLG Karlsruhe StV 2 0 0 2 34, 35.
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Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe
§ 57a
Möglichkeiten - deutlich gemacht werden, dass Lockerungen geboten sind (BVerfG EuGRZ 2007 66, 77). Ausführlich zu dieser Problematik vgl. § 57 Rdn. 17 sowie OLG Nürnberg StV 2000 266, 267; OLG Hamm NStZ 2006 64 (LS). Das Leugnen der Tat kann zum Nachteil des Verurteilten zu berücksichtigen sein, wenn es Rückschlüsse auf dessen Persönlichkeit zulässt und die faktische Einschätzung seiner Gefährlichkeit berührt (OLG Hamm NStZ 1989 27, 28 mit Anm. Eisenberg NStZ 1989 366), oder wenn es eine Aufarbeitung des Motivationsgefüges der Tat nicht ermöglicht und damit einer hinreichend zuverlässigen Prognosestellung von vornherein entgegensteht (BVerfG EuGRZ 2007 66, 77). c) Gesamtwürdigung. Ebenso wie bei zeitigen Freiheitsstrafen (vgl. § 57 Rdn. 20 f) ist auch im Falle des § 57a die Prognose aufgrund einer Gesamtwürdigung aller für sie relevanten Umstände zu stellen, wobei die Tatumstände gegenüber dem Vollzugsverhalten und der augenblicklichen Lebenssituation des Verurteilten mit zunehmendem Alter oder fortschreitender Vollzugsdauer an prognostischer Bedeutung verlieren (BVerfG EuGRZ 2007 66, 75). Das Prüfungsverfahren unterliegt dem Gebot bestmöglicher Sachaufklärung (BVerfG EuGRZ 2007 66, 76 f; zur regelmäßig erforderlichen Einholung eines Prognosegutachtens vgl. Rdn. 48). Vor allem wenn die bisherige Dauer der Vollstreckung die Mindestverbüßungszeit von fünfzehn Jahren übersteigt und die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung nicht mehr gebietet, gewinnt der Anspruch des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde und seiner freien Persönlichkeit zunehmendes Gewicht auch für die Anforderungen, die an die für die Prognoseentscheidung notwendige Sachverhaltsaufklärung zu stellen sind (BVerfG StV 1992 25, 26; OLG Nürnberg StV 2000 266, 267). Verbleibende Zweifel an einer hinreichend günstigen Prognose wirken sich bei der Entscheidung zu Lasten des Verurteilten aus; 39 auch dies ist unter dem Vorbehalt einer Ausschöpfung sämtlicher gebotenen Aufklärungsmaßnahmen - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG EuGRZ 2007 66, 75).
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4. Einwilligung des Verurteilten (Satz 1 Nr. 3). Die Einwilligung des Verurteilten ist für die Aussetzung der Reststrafe bei lebenslanger Freiheitsstrafe ebenso erforderlich wie bei zeitiger (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3). Wegen der Einzelheiten siehe § 57 Rdn. 22.
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5. Rechtsfolgen. Liegen die Voraussetzungen des § 57a Abs. 1 Satz 1 vor, so muss das Gericht die weitere Vollstreckung aussetzen,40 der Verurteilte hat hierauf einen Rechtsanspruch (vgl. BGHSt 32 93, 94). Dem Gericht steht bei seiner Entscheidung - abgesehen vom Fall des entsprechend geltenden § 57 Abs. 6 - kein Ermessensspielraum zur Verfügung, es kann also die Aussetzung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig machen. Unzulässig ist es deshalb, die Ablehnung einer Aussetzung damit zu begründen, dass ihr die Verteidigung der Rechtsordnung entgegenstehe (aA OLG Nürnberg NStZ 1982 509). Dieses Merkmal ist auch nicht Bestandteil der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 geregelten Voraussetzung. Im Gesetzgebungsverfahren ist eindeutig erkennbar geworden, dass die Verteidigung der Rechtsordnung als zusätzliches Kriterium neben dem Gesichtspunkt der besonderen Schuldschwere auszuscheiden habe (vgl. hierzu bereits Rdn. 16).
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Kunert NStZ 1982 89, 93; Müller-Dietz Jura 1983 628, 633; Laubenthal JA 1984 471, 475.
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Böhm NJW 1982 135; Laubenthal JA 1 9 8 4 471, 475; Lackner/Kühl Rdn. 13; Fischer Rdn. 23; Horn SK Rdn. 17.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ΙΠ. Die Entscheidung im Verfahren nach § 5 7 a 1. Maßgeblicher Prüfungszeitpunkt 27
a) Entscheidung vor Ablauf der Mindestverbüßungsdauer. Das Verfahren wird ebenso wie bei zeitigen Freiheitsstrafen - auf Antrag oder von Amts wegen eingeleitet. Hierbei ist im Falle des § 57a zu berücksichtigen, dass das Vollstreckungsgericht bei der Prüfung der Reststrafenaussetzung vor Ablauf der 15jährigen Mindestverbüßungsdauer nicht nur die Prognosefrage zu beurteilen, sondern in den Fällen festgestellter besonderer Schuldschwere im Sinne von Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 auch darüber zu befinden hat, ob und bejahendenfalls - für welchen Gesamtzeitraum eine schuldbedingte Vollstreckung über 15 Jahre hinaus geboten ist (vgl. Rdn. 17 f, 34 f). Überdies ist in Rechnung zu stellen, dass die Maßnahmen zur Vorbereitung einer Entlassung des Verurteilten bei den hier zur Rede stehenden langen Haftzeiten regelmäßig größeren Aufwand erfordern. Der Zeitpunkt für den erstmaligen Eintritt in die Prüfung der bedingten Entlassung muss also so gewählt sein, dass einerseits für den Verurteilten und die Vollzugsbehörde möglichst frühzeitig Rechtsklarheit geschaffen wird, andererseits aber auch dem Vollstreckungsgericht bereits ausreichende Beurteilungsgrundlagen zur Verfügung stehen, die es ermöglichen, eine hinreichend zuverlässige Prognose zu stellen und - gegebenenfalls - die nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 erforderliche „vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung" vorzunehmen.
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Wie sich aus § 454 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2b StPO ergibt, geht der Gesetzgeber im Grundsatz von einer Einleitung des Prüfverfahrens nach Ablauf einer 13jährigen Vollzugsdauer aus. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist jedenfalls so rechtzeitig in die Prüfung einzutreten, dass der Aussetzungsbeschluss vor dem Entlassungstermin zu einer Zeit ergehen kann, die hinreichend Spielraum für eine sachgerechte Entlassungsvorbereitung eröffnet (BVerfG EuGRZ 2 0 0 7 66, 77). Im Einzelfall kann eine Entscheidung auch schon vor Ablauf von 13 Jahren Verbüßungsdauer erforderlich sein (vgl. BVerfGE 86 288, 331; BVerfG NStZ 1997 333; BVerfG NJW 1994 1273, 1274: Antragstellung nach elf Jahren und neun Monaten Vollzugsdauer), ohne dass sich hierfür von Verfassungs wegen eine Regel aufstellen ließe (BVerfG NJW 1995 3246, 3247). Die Rechtsprechung der Fachgerichte orientiert sich zur Bestimmung des Zeitpunkts einer sachgerechten Prüfungsmöglichkeit im Grundsatz an der gesetzlich bezeichneten Richtschnur von 13 Jahren Verbüßungszeit (OLG Hamburg NStZ-RR 1996 124, 125 = J R 1996 247, 248 m. Anm. Kintzi = StV 1996 277 m. Anm. Ritter, OLG Hamm OLGSt. Nr. 7 zu § 454 StPO), hält aber zum Teil auch Antragstellungen nach 11 Jahren 41 oder bereits vor Ablauf von 10 Jahren Vollzugsdauer42 für zulässig. Eine derart weit vorgelagerte Entscheidung des Vollstreckungsgerichts steht indes häufig mangels ausreichender Beurteilungsgrundlagen so sehr unter dem Vorbehalt einer späteren Änderung der Verhältnisse, dass sie die mit ihr erstrebte verlässliche Orientierung für alle am Vollzug Beteiligten nicht mehr bieten kann (krit. insoweit auch OLG Hamburg J R 1995 299, 300 m. Anm. Böhm; OLG Koblenz Beschl. vom 23.8.2004 - 1 Ws 529/04).
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b) Fälle der Anschlussvollstreckung. Bei Anschlussvollstreckung einer lebenslangen und einer weiteren, nicht gesamtstrafenfähigen (lebenslangen oder zeitigen) Freiheits-
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OLG Nürnberg NStZ-RR 1998 220, 221; NStZ 1997 4 0 8 ; OLGSt. Nr. 11 zu § 57a.
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OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 1 2 2 , 1 2 3 .
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Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe
§ 57a
strafe sieht § 454b StPO für das Verfahren nach § 57a - ebenso wie bei § 57 (vgl. dort Rdn. 46 ff) - eine Unterbrechung der Vollstreckung (§ 454b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO) und die gleichzeitige Entscheidung über die Aussetzung aller Strafreste vor (§ 454b Abs. 3 StPO). Wegen der in Rdn. 27 f dargestellten Grundsätze zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt wird das Gericht in die Prüfung deutlich vor dem Ablauf sämtlicher maßgeblichen Mindestverbüßungszeiten einzutreten haben (vgl. OLG Nürnberg OLGSt. Nr. 11 zu § 57a). Näheres zur Problemkonstellation der Anschlussvollstreckung vgl. § 57b Rdn. 7. c) Wiederholte Prüfung der Aussetzungsfähigkeit. Hat das Gericht vor Ablauf der 3 0 gesetzlichen Mindestvollzugsdauer von 15 Jahren eine Entlassung abgelehnt und hierbei den schuldbedingt gebotenen Gesamtverbüßungszeitraum festgelegt (zur Bindungswirkung der Entscheidung nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 vgl. Rdn. 36 f), so erfolgt spätestens vor dessen Ablauf eine erneute Prüfung der Aussetzungsfrage von Amts wegen. Jenseits der schuldbedingt gebotenen Vollstreckungsdauer kennt das Verfahren gemäß § 57a kein System wiederkehrender gesetzlicher Überprüfung der Aussetzungsfrage. Dies betrifft die Fallgestaltungen, bei denen wegen fortbestehender Gefährlichkeit des Verurteilten eine Vollstreckung über den schuldbedingt gebotenen Zeitpunkt hinaus erforderlich ist. Der Gesetzgeber geht - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG E u G R Z 2007 66, 76) - davon aus, dass der Verurteilte die ihm gebotene Möglichkeit einer Antragstellung zwecks Überprüfung der Dauer seines Freiheitsentzugs auch wahrnimmt. Da die in § 57a Abs. 4 vorgesehene Sperrfristsetzung (vgl. Rdn. 39) nur für maximal zwei Jahre zulässig ist, wird eine regelmäßige Überprüfung gesetzlich hinreichend sichergestellt. Aus Verhältnismäßigkeitserwägungen ist die Staatsanwaltschaft allerdings gehalten, die Aussetzungsfrage von Amts wegen zu prüfen und ggfs. das Verfahren nach § 57a einzuleiten, wenn seit der letzten Prüfung durch das Gericht zwei Jahre verstrichen sind und Anzeichen dafür bestehen, dass der Verurteilte selbst nicht in der Lage ist, einen Antrag zu stellen (BVerfG EuGRZ 2007 66, 76). 2. Aussetzung der Reststrafe a) Bewährungszeit. Im Falle einer Aussetzung der Reststrafe beträgt die Bewährungs- 31 zeit nach § 57a Abs. 3 Satz 1 fünf Jahre. Es handelt sich um eine von § 56a Abs. 1 Satz 2 abweichende, gesetzlich festgelegte Dauer, die zugleich die Mindestdauer ist und auch nachträglich nicht verkürzt werden kann: § 56a Abs. 2 Satz 2 ist nach § 57a Abs. 3 nicht anwendbar, auch nicht entsprechend. Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes (§ 57a Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 56a Abs. 2 Satz 1). Da die §§ 56b bis 56g, also auch § 56f Abs. 2, entsprechend gelten, kann die Bewährungszeit bei Vorliegen der dafür genannten Voraussetzungen nachträglich höchstens um 2 Jahre und sechs Monate verlängert werden. Die Bewährungszeit kann also im Höchstmaß hier - ebenso wie bei zeitiger Freiheitsstrafe (§ 56f Rdn. 38) - 7 Jahre und sechs Monate dauern. Zur gesetzlichen Verlängerung gemäß § 454a Abs. 1 StPO vergleiche § 57 Rdn. 55. b) Auflagen, Weisungen und Bewährungshelfer. Nach § 57a Abs. 3 Satz 2 kann das 3 2 Gericht bei der Aussetzung gleiche Anordnungen treffen, wie sie in den §§ 56b bis 56d und in § 57 Abs. 3 Satz 1 für die Aussetzung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe genannt sind. Es handelt sich also um Auflagen (§ 56b), Weisungen (§ 56c) und die Unterstellung unter die Aufsicht eines Bewährungshelfers (§ 56d). Dabei kommt der nach § 57 Abs. 3 Satz 2 in Fällen der vorliegenden Art stets gebotenen Unterstellung des Jutta Hubrach
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Verurteilten unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers (§ 56d) große Bedeutung zu (vgl. Kunert NStZ 1982 89, 94), da der Verurteilte dieser Hilfestellung bei der Eingliederung in die Freiheit nach den langen Jahren der Haft in besonderem Maße bedarf. Von den übrigen Maßnahmen kommen vor allem Weisungen in Betracht; von der Möglichkeit der Erteilung von Auflagen wird das Gericht nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen (vgl. hierzu auch § 57 Rdn. 57). 33
3. Absehen von der Aussetzung (§ 57a Abs. 1 Satz 2, § 57 Abs. 6). Die in § 57 Abs. 6 vorgesehene Möglichkeit, insbesondere bei einem Verheimlichen der Tatbeute nach pflichtgemäßem Ermessen von einer an sich gebotenen Aussetzung des Strafrestes abzusehen, besteht infolge der Verweisung auf diese Vorschrift (§ 57a Abs. 1 Satz 2) auch für die Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Hinsichtlich der Einzelheiten gelten die Ausführungen zu § 57 Abs. 6 (dort Rdn. 61-63) entsprechend.
4. Ablehnung der Aussetzung und Sperrfrist a) Schuldbedingt gebotene Fortsetzung der Vollstreckung 34
aa) Zeitliche Festlegung. Bei Verurteilten, deren besondere Schwere der Schuld im Erkenntnisverfahren festgestellt wurde, ist die Aussetzung der Reststrafe zum Ablauf der 15jährigen Mindestverbüßungszeit abzulehnen, wenn die besondere Schuldschwere eine weitere Vollstreckung gebietet (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2). In diesem Fall hat das Vollstreckungsgericht bei der erstmaligen Prüfung der Aussetzungsfrage (zum Zeitpunkt vgl. Rdn. 27 f) zumindest in den Gründen des ablehnenden Beschlusses zusätzlich darüber zu befinden, bis wann die Vollstreckung - unbeschadet sonstiger Voraussetzungen und Möglichkeiten ihrer Aussetzung - unter dem Gesichtspunkt der besonderen Schwere der Schuld fortzusetzen ist (BVerfGE 86 288, 331 f). Diese zeitliche Festlegung wird nicht dadurch entbehrlich, dass das Vollstreckungsgericht im maßgeblichen Prüfungszeitpunkt auch die Voraussetzungen einer günstigen Sozialprognose verneint (OLG Schleswig SchlHA 2003 194 f; vgl. ferner Stree NStZ 1992 464, 467). Sie entfällt nur dann, wenn der Verurteilte schon seine Einwilligung in die Reststrafenaussetzung nicht erteilt und durch dieses Verhalten zeigt, dass ihm an einer zeitlichen Konkretisierung seiner grundsätzlichen Entlassungschance (noch) nicht gelegen ist (OLG Düsseldorf NJW 1993 1665, 1666). Die erstinstanzlich erfolgte Festlegung einer 15 Jahre übersteigenden Verbüßungsdauer ist daher auch aufzuheben, wenn der Verurteilte im Beschwerdeverfahren seine zuvor erteilte Einwilligung widerruft (OLG Celle StV 1996 220 m. Anm. Plähn StV 1996 221).
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Die Bestimmung der schuldbedingt gebotenen Vollstreckungszeit erfolgt innerhalb der Grundstruktur des Verfahrens nach § 57a (vgl. BVerfG NJW 1995 3246, 3247; BVerfG Beschl. vom 28.2.1993 - 2 BvR 181/93), also bei der Prüfung der Aussetzungsfrage aufgrund einer am aktuellen Zeitpunkt ausgerichteten vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung (hierzu Rdn. 19 f). Ein Anspruch auf isolierte Festsetzung der rein tatschuldbezogenen Vollstreckungsdauer - ohne vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung steht dem Verurteilten nicht zu (OLG Nürnberg NStZ-RR 1997 168, 169).
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bb) Bindungswirkung. Die rechtskräftig erfolgte Festsetzung der schuldbedingt gebotenen Vollzugsdauer ist für das weitere Vollstreckungsverfahren grundsätzlich bindend; die Bindungswirkung gilt allerdings „vorbehaltlich einer Änderung der für die Beurteilung maßgebenden Verhältnisse des Gefangenen" (BVerfGE 86 288, 332; vgl. ferner OLG Nürnberg OLGSt. Nr. 11 zu § 57a S. 2 f). Dieser Vorbehalt trägt dem Umstand
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Rechnung, dass in die vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung nicht nur tatschuldrelevante Faktoren einfließen (die schon das erkennende Gericht verbindlich gewichtet hat), sondern - beim Merkmal des „Gebotenseins" - auch aktualitätsbezogene Gesichtspunkte, die die Persönlichkeitsentwicklung des Verurteilten nach dem Straferkenntnis prägen. Erfahren diese Verhältnisse im weiteren Vollzugsverlauf eine so maßgebliche Veränderung, dass eine Neubewertung des „Gebotenseins" erforderlich wird, so kann die aus Gründen der besonderen Schuldschwere festgelegte Vollstreckungsdauer nachträglich geändert werden (OLG Frankfurt NStZ 1994 54 f; OLG Hamm NStZ 1994 53, 54). 43 Eine derartige nachträgliche Änderung kommt vorrangig zu Gunsten des Verurteilten in Betracht, wenn zum Beispiel dessen Führung im Vollzug einen unerwartet positiven Verlauf nimmt - die konsequente Fortführung einer bereits bei der Erstentscheidung absehbaren Entwicklung reicht nicht (OLG Frankfurt NStZ 1996 56) - oder eine schwere Erkrankung seiner Person dazu veranlasst, die schuldbedingt gebotene Vollstreckungsdauer zu verkürzen. Aber auch eine Modifizierung der Entscheidung zum Nachteil des Verurteilten ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen (so ausdrücklich OLG Frankfurt NStZ 1994 54 f; aA Gribbohm LK 11 Rdn. 30). Sie mag dann zu erwägen sein, wenn sich eine bei der Ursprungsentscheidung berücksichtigte positive Persönlichkeitsentwicklung im weiteren Vollzugsverlauf nicht fortsetzt oder gar ins Negative verkehrt, so zum Beispiel im Falle einer schweren Straftat des Verurteilten. Für eine nachträgliche Verlängerung der schuldbedingt gebotenen Vollstreckungsdauer bedarf es insoweit allerdings schon aus Gründen der Rechtssicherheit nachteiliger Veränderungen gravierender und grundlegender Art, die eher die Ausnahme sein werden.
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b) Sonstige Ablehnungsgründe. Wenn die besondere Schwere der Schuld nicht festge- 3 8 stellt ist oder eine weitere Vollstreckung nicht gebietet, kann die Reststrafenaussetzung abgesehen von den Fallgestaltungen des § 57a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 57 Abs. 6 - bei vorhandener Einwilligung des Verurteilten nur abgelehnt werden, wenn die Voraussetzungen einer günstigen Sozialprognose im Entscheidungszeitpunkt fehlen. Das Gericht ist dann nicht gehindert, in den Gründen seiner ablehnenden Entscheidung (allerdings rechtlich nicht bindende) Hinweise zu geben, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen es bei einer späteren Prüfung eine Aussetzung in Betracht ziehen würde. Derartige Hinweise können der Vollzugsanstalt die weitere Vollzugsgestaltung und dem Verurteilten die Mitwirkung hieran erleichtern und zur Verbesserung der prognostischen Situation beitragen (vgl. OLG Hamm NStZ 1989 27, 28 mit Anm. Eisenberg NStZ 1989 366). c) Sperrfrist (§ 57a Abs. 4). Nach § 57a Abs. 4 kann das Gericht eine Frist bestimmen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten auf Aussetzung des Strafrests unzulässig ist. Die Vorschrift entspricht im Prinzip der des § 57 Abs. 7; doch beträgt die Frist hier statt höchstens sechs Monate höchstens zwei Jahre. Zur Bedeutung der Sperrfrist vergleiche § 57 Rdn. 65. Für die Festsetzung einer Sperre ist nur im Zusammenhang mit einer Sachentscheidung über die Strafaussetzung Raum; eine nachträgliche Anordnung oder „Verlängerung" scheidet aus (OLG Celle NStZ-RR 2003 381). Die Änderung der Entscheidung über die schuldbedingt gebotene Verbüßungsdauer zu Gunsten des Verurteilten (vgl. hierzu Rdn. 37) ist auch innerhalb einer festgesetzten Sperrfrist jederzeit von Amts wegen möglich (OLG Nürnberg OLGSt. Nr. 15 zu § 57a S. 7); überhaupt steht die Sperrfrist - ebenso wie bei zeitigen Freiheitsstrafen ( § 5 7 Rdn. 65) - einer nochmaligen
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OLG Frankfurt NStZ 1996 56; OLG Hamm NStZ 2 0 0 6 64 (LS).
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Sachentscheidung des Gerichts bei maßgeblich geänderten Verhältnissen des Verurteilten nicht entgegen.
IV. Folgeentscheidungen bei Aussetzung der Reststrafe 40
Wie sich aus der Verweisungsnorm des § 57a Abs. 3 Satz 2 ergibt, kann das Gericht im Zusammenhang mit der Aussetzung der Reststrafe Entscheidungen über Auflagen (§ 56b), Weisungen (§ 56c) und Bewährungshilfe (§ 56d) nachträglich treffen, ändern oder aufheben (§ 56e). Entsprechend anwendbar sind auch die Vorschriften über den Widerruf der Aussetzung (§ 56f und § 57 Abs. 5 Satz 2) sowie den Straferlass und dessen Widerruf (§ 56g). Hinsichtlich der Einzelheiten sei auf § 57 Rdn. 6 9 - 7 7 verwiesen. Im Bereich lebenslanger Freiheitsstrafen ist zu berücksichtigen, dass im Falle eines Widerrufs vom Verurteilten kein zeitiger Strafrest zu verbüßen ist, der Verurteilte vielmehr wieder in eine zeitlich unbeschränkte Verwahrung genommen wird, da die lebenslange Strafe vor der Strafrestaussetzung nicht in eine zeitige Freiheitsstrafe umgewandelt worden ist. 44 Hier gilt in verstärktem Maße die Überlegung, dass nicht jede in der Bewährungszeit begangene Straftat oder jeder Verstoß gegen eine Weisung zum Widerruf führen kann (BTDrucks. 8/3218 S. 8). Allgemein ist zu sagen, dass Fahrlässigkeitstaten oder Vorsatzdelikte geringeren Gewichts die der Aussetzung zugrunde gelegte Prognose nicht widerlegen werden.45 Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der aktuellen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Prognosefrage (Rdn. 22 m.w.N.). Nach einem Widerruf der Reststrafenaussetzung ist - bei Vorliegen der Voraussetzungen - eine spätere erneute Aussetzung rechtlich zulässig (vgl. Kunert NStZ 1982 89, 92; OLG Stuttgart NStZ 1984 363, 364 m. Anm. Ruß). Zur Möglichkeit, die Aussetzung der Reststrafe gemäß § 454a Abs. 2 StPO wieder aufzuheben, siehe § 57 Rdn. 67 f.
V. Verfahrensrechtliches 1. Erkenntnisverfahren 41
a) Schuldschwerefeststellung. Nach der „Schwurgerichtslösung" des BVerfG (Rdn. 10 ff) ist es Sache des Tatgerichts, aufgrund der Hauptverhandlung die für die Beurteilung der Schuldschwere i.S.v. § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erheblichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und sie im Urteil - mit bindender Wirkung für die Strafvollstreckungskammer - unter dem für die Aussetzungsentscheidung erheblichen Gesichtspunkt ihrer besonderen Schwere zu gewichten (BVerfGE 86 288, 320). Dies gilt für alle, nicht nur für die wegen Mordes ergehenden Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe (Rdn. 12 m.w.N.). Eine Verpflichtung des Gerichts, nach dem Rechtsgedanken des § 265 StPO darauf hinzuweisen, dass neben der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe die Feststellung besonderer Schuldschwere in Betracht kommen könnte, besteht nicht, da diese Möglichkeit dem - verteidigten - Angeklagten regelmäßig schon aufgrund der Anklage oder des Verlaufs der Hauptverhandlung klar werden muss (BGH StV 2006 60 f
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Dazu Kunert NStZ 1982 89, 92; Groß ZRP 1979 133, 135; Horn ZRP 1980 62; Jung JuS 1982 2 2 2 , 2 2 3 f. KG Berlin NStZ 2 0 0 4 156 f; Sch/Schröderi
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Stree Rdn. 17; Fischer Rdn. 2 5 ; Lackner/ Kühl Rdn. 16; Jung JuS 1982 2 2 2 , 223 f; BTDrucks. 8/3218 S. 18; aA Groß MK Rdn. 2 4 .
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Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe
m. Anm. Lüderssen 291). 4 6
und N J W 1996 3285; vgl. ferner BGH bei Becker
S 57a NStZ-RR 2 0 0 3
Die Feststellung der besonderen Schuldschwere ist in die Urteilsformel (Formulierungsbeispiel: „Der Angeklagte wird wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Schuld wiegt besonders schwer.") aufzunehmen (BGHSt 39 121, 123 = J R 1993 250 m. Anm. Meurer; BGH NStZ 2 0 0 0 194; BGHR § 57a Abs. 1 Schuldschwere 8). 4 7 Es bedarf einer Begründung der Entscheidung unter Darlegung der für sie maßgeblichen Erwägungen. Hierbei hat sich das Tatgericht jeglicher - auch vorläufiger - Ausführungen zur Verbüßungsdauer zu enthalten, weil insoweit ausschließlich das Vollstreckungsgericht im Verfahren nach § 57a entscheidungsbefugt ist. Die unzulässige Angabe einer Mindestverbüßungsdauer in den Urteilsgründen entfaltet zwar keine rechtliche Bindungswirkung, ist aber gleichwohl wegen des von ihr ausgehenden Rechtsscheins auf Revision des Angeklagten hin aufzuheben (BGH NStZ-RR 2 0 0 2 2 6 4 f). 4 8 Ein fehlender Ausspruch zur besonderen Schwere der Schuld im Urteilstenor unterliegt zu Gunsten des Angeklagten dem Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO 4 9 und ist im Falle seiner Rechtskraft für das Vollstreckungsverfahren bindend im Sinne eines NichtVorliegens der Voraussetzungen des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (BGH NStZ 1993 449 f und NStZ 2 0 0 0 194). 5 0 Die Verneinung der besonderen Schuldschwere bedarf keiner Negativfeststellung im Tenor, sondern nur einer Auseinandersetzung mit den sie tragenden Erwägungen in den Urteilsgründen (BGHSt 39 208, 212 = J R 1994 164 m. Anm. Stree; BGH NJW 1993 2001).
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b) Revisibilität. Da die Gewichtung der Schuld unter dem Gesichtspunkt ihrer besonderen Schwere bereits im Urteil vorzunehmen ist, unterliegt dieses auch insoweit der Revision (BVerfGE 86 288, 323 f). Die Revisibilität ergibt sich daraus, dass die Entscheidung - mag sie auch in den Fällen einer absoluten Strafandrohung keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Strafausspruch haben - eine verbindliche Weichenstellung für die Frage der Vollzugsdauer setzt und nach ihrer Vorverlagerung ins Erkenntnisverfahren durch die „Schwurgerichtslösung" des BVerfG als weiterer notwendiger Bestandteil des Urteils zu behandeln ist (ebenso Gribbohm LK 1 1 Rdn. 58). Die Feststellung der besonderen Schuldschwere ist daher durch den Angeklagten, ihre Verneinung durch die Staatsanwaltschaft anfechtbar. Eine diesbezügliche Beschränkung der Revision ist zulässig, sofern die Feststellungen zur Schuldgewichtung den Schuld- und Strafausspruch als solchen nicht berühren. Diese Voraussetzung ist bei Verurteilungen wegen Mordes regelmäßig erfüllt (BGHSt 39 208, 209 f = J R 1994 164 m. Anm. Stree). Auch dann, wenn aufgrund der getroffenen Feststellungen die Bejahung eines weiteren Mordmerkmals in Betracht kommt, kann die Staatsanwaltschaft ihre Revision auf die Frage der besonderen Schuldschwere beschränken (BGHSt 41 57).
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Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle der tatrichterlichen Gesamtwürdigung zur Frage der besonderen Schuldschwere findet im Revisionsverfahren nicht statt. Das Revisionsgericht hat die Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und nur zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (BGHSt 4 0 360, 370 = J R 1995 246, 2 4 9 m. Anm. Kintzi; BGHSt 42 226, 227 =
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AA Wollweber NJW 1998 121 f.
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BGH NJW 1993 2001 und NStZ 1993 449 f. BGH StraFo 2003 208; BGH NJW 1997 878 = NStZ 1997 277 m. Anm. Stree-, BGH StV 1993 420 f.
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Insoweit aA: Gribbohm LK 11 Rdn. 59. Vgl. ferner OLG Jena NStZ-RR 2002 167; OLG Brandenburg Beschl. v. 23.1.2006 1 Ws 186/05.
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S 57a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
J R 1997 246, 247 m. Anm. Horn).51 Hierbei ist in entsprechender Anwendung der zu § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO entwickelten Grundsätze zu bedenken, dass eine allumfassende tatrichterliche Darlegung sämtlicher irgendwie einfließenden Erwägungen in der Regel nicht möglich ist und daher ein Schweigen der Urteilsgründe zu bestimmten Gesichtspunkten nicht stets besorgen lässt, dass diese Aspekte übersehen wurden (BGH NStZ-RR 1996 321). Ein Rechtsfehler liegt vor, wenn das angefochtene Urteil unzulässige Angaben zur Mindestverbüßungsdauer enthält (vgl. hierzu Rdn. 42 m.w.N.), wenn es maßgebliche Umstände von Gewicht nicht erkennbar in die Gesamtwürdigung einbezieht (BGH NStZ 2005 88 und 2002 49, 50) oder wenn den Urteilsgründen die fehlerhafte Annahme eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses hinsichtlich der Feststellung besonderer Schuldschwere zu entnehmen ist (BGH StV 2005 329). Bei Rechtsfehlern erfolgt regelmäßig eine Zurückverweisung an die Vorinstanz zwecks neuer tatrichterlicher Gesamtwürdigung zur Schuldgewichtung (vgl. BGHSt 42 226, 230 = J R 1997 246, 248 m. Anm. Horn); sind weitere Feststellungen nicht zu erwarten, kommt auch eine eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts in Betracht (BGH StV 1993 420; BGHR § 57a Abs. 1 Schuldschwere 16). 2. Verfahren nach § 57a 45
a) Zuständigkeit. Welches Vollstreckungsgericht für die Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe und - in dem Rahmen - ggfs. für die Festsetzung der schuldbedingten Mindestverbüßungsdauer über 15 Jahre hinaus (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) zuständig ist, bestimmt sich nach den §§ 454, 462a StPO (vgl. hierzu § 57 Rdn. 78-80). In der Regel ist also die Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung berufen, im Falle des § 462a Abs. 5 das Oberlandesgericht als Gericht des ersten Rechtszuges.
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b) Anhörungserfordernisse. Zur gebotenen Anhörung der Staatsanwaltschaft, der Vollzugsanstalt und des Verurteilten vgl. zunächst § 454 Abs. 1 Satz 2 - 4 StPO sowie § 57 Rdn. 81-83. Der Verurteilte und sein Verteidiger sind zum Termin unter Einhaltung einer angemessenen Frist förmlich zu laden (OLG Karlsruhe Justiz 1994 65, 66). Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten darf in den Fällen des § 454 Abs. 1 Satz 4 Nrn. 1, 2b und 3 StPO abgesehen werden, wobei im Falle der Nummer 2b zu berücksichtigen ist, dass ein vor Ablauf von dreizehn Jahren Vollzugsdauer gestellter Antrag nicht stets als verfrüht und damit unzulässig behandelt werden kann (vgl. Rdn. 28).
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Da im Verfahren nach § 57a die mit drei Richtern besetzte „große" Strafvollstreckungskammer zu entscheiden hat (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG), stellt sich die Frage, ob auch die mündliche Anhörung des Verurteilten (§ 454 Abs. 1 Satz 3 StPO) in der vollen Besetzung durchzuführen ist. Nach der - auch im Hinblick auf § 57a verfassungsrechtlich nicht beanstandeten (BVerfGE 86 288, 339) - Rechtsprechung des BGH (BGHSt 28 138, 141 und 143) kann die mündliche Anhörung je nach Sach- und Verfahrensstand vor einem beauftragten oder ersuchten Richter stattfinden, wobei es im Einzelfall auf die Bedeutung der Sache, die Schwierigkeit der Entscheidung und - maßgeblich - darauf ankommt, ob dem persönlichen Eindruck des Gerichts besonderes Gewicht beizumessen ist. Ob sich diese Entscheidung, die vor der Neufassung des § 78b GVG erging und den Fall der Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe betraf, auf den Anwendungsbereich des § 57a übertragen lässt, ist umstritten. Ein Teil der Oberlandesgerichte verneint die Frage
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BGH NStZ 2006 505, 506; NStZ 2005 88; NStZ 2003 146,148; NStZ 2002 49; NStZ-RR 2001 296; StV 2003 18, 19; NStZ
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1999 501; NStZ 1998 352, 353; NStZ-RR 1996 354 und 321.
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und hält im Verfahren zur Prüfung der Aussetzung lebenslanger Freiheitsstrafen wegen der besonderen Tragweite der Entscheidung eine mündliche Anhörung des Verurteilten durch den Spruchkörper in voller Besetzung grundsätzlich für geboten (OLG Karlsruhe Justiz 1983 161; OLG Brandenburg NStZ 1996 405, 4 0 7 m. Anm. Kröber NStZ 1996 567). 5 2 Richtigerweise wird zu differenzieren sein. Eine Anhörung vor dem ersuchten Richter würde den vom Gesetz erwünschten unmittelbaren persönlichen Eindruck nicht mehr garantieren und hat daher bei den folgeträchtigen Entscheidungen gemäß § 57a zu unterbleiben (ebenso für das Verfahren nach § 67d: OLG Rostock Beschl. vom 10.7. 2001 - 1 Ws 247/01). Es sind aber durchaus Entscheidungssituationen denkbar, in denen es auf den aktuellen Eindruck von der Person des Verurteilten nicht maßgeblich ankommt und die bei seiner Anhörung vermittelten Erkenntnisse auch durch ein beauftragtes Mitglied des Spruchkörpers vermittelt werden können. Dies ist insbesondere der Fall, wenn bei der Entscheidung kein prognoserelevanter Gesichtspunkt, sondern das Maß einer schuldausgerichteten Verlängerung der Vollstreckungsdauer über 15 Jahre hinaus im Vordergrund steht 5 3 und das Vorbringen des Verurteilten zu seiner Vollzugsentwicklung von der diesbezüglichen Stellungnahme der JVA nicht abweicht (OLG Frankfurt NStZ-RR 1997 29 f). c) Prognosebegutachtung (§ 4 5 4 Abs. 2 StPO). Weil die Prognose in den Fällen des § 57a überaus schwierig sein kann und der Entscheidung selbst erhebliche Tragweite zukommt, wird dem Gericht durch § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StPO die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Pflicht gemacht, das sich namentlich zu der Frage einer etwa fortbestehenden Gefährlichkeit des Verurteilten zu äußern hat. Nach dem Grundsatz bestmöglicher Sachaufklärung (Rdn. 24) besteht diese Verpflichtung - über den Gesetzeswortlaut hinausgehend - in allen Fällen einer anstehenden Prognoseentscheidung, nicht nur dann, wenn das Gericht aufgrund der Aktenlage eine Aussetzung „erwägt", denn schon die Frage des „Erwägens" lässt sich regelmäßig nur mit sachverständiger Hilfe beantworten (BVerfG EuGRZ 2 0 0 7 66, 76 f). Überdies kann die prognostische Begutachtung im Verfahren nach § 57a auch für die Vollzugsgestaltung von maßgeblichem Nutzen sein (OLG Karlsruhe Justiz 1993 459).
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In der Auswahl des Gutachters ist das Gericht frei. Das Gesetz schreibt auch nicht vor, welcher Fachrichtung der Gutachter angehören muss. In Betracht kommen kann ein kriminologisch erfahrener Arzt oder ein Psychologe, möglicherweise auch ein Soziologe (BTDrucks. 8/3218 S. 9) oder ein Gutachtergremium (vgl. Kunert NStZ 1982 89, 94). Das Gutachten muss den Mindeststandards für sachverständige Stellungnahmen zur Gefährlichkeitsprognose genügen (vgl. § 57 Rdn. 86 m.w.N.). Der Gefahr repetitiver Routinebeurteilungen hat das Gericht durch eine sorgfältige Auswahl des Sachverständigen entgegenzuwirken (BVerfG EuGRZ 2 0 0 7 66, 76 f). Lehnt der Verurteilte eine Exploration ab, so schmälert er die prognostische Basis der Entscheidung, was die Ablehnung der Strafaussetzung rechtfertigen kann (vgl. OLG Koblenz M D R 1983 1044; OLG Karlsruhe NStZ 1991 207). Auch in diesen Fällen empfiehlt es sich jedoch, vor der Entscheidung einen Sachverständigen zu beauftragen, der dann auf der Grundlage der übrigen eingeschränkten - Erkenntnisgrundlagen sein Gutachten zu erstatten hat (BGH N J W 1993 2449, 2 4 5 0 = StV 1994 252, 254 m. Anm. Schüler-Springorum). Zur mündlichen Anhörung des Gutachters vgl. § 454 Abs. 2 Satz 3 - 4 sowie § 57 Rdn. 86. Das Anhörungserfordernis besteht auch dann, wenn die Strafvollstreckungskammer für die Prog-
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Ebenso Gribbohm L K n Rdn. 54.
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Ähnlich differenzierend: Groß MK Rdn. 31.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
nosebeurteilung eine von der JVA zur Frage der Lockerungseignung eingeholte psychiatrische Stellungnahme verwertet (OLG Hamm NStZ 2005 55, 56). 50
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen ändert nichts an der alleinigen Verantwortung des Vollstreckungsgerichts für die Aussetzungsentscheidung (OLG Karlsruhe Justiz 1983 161, 162; Bode FS Faller, 325, 344). Es ist an die Auffassung des Gutachters nicht gebunden (Jung JuS 1982 222, 223). Auch die Stellung einer ungünstigen Prognose durch den Sachverständigen hindert das Gericht nicht, gleichwohl die Aussetzung zu beschließen; allerdings dürfte es dann geboten sein, ein weiteres Gutachten einzuholen (vgl. Müller-Dietz Jura 1983 628, 634).
51
d) Bestellung eines Pflichtverteidigers. Die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe ist regelmäßig von solchem Gewicht, dass dem nicht verteidigten Verurteilten ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist. Das gilt nicht nur in den Fällen, in denen die Festsetzung einer schuldschwerebedingten Mindestverbüßungsdauer im Sinne von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bevorsteht (BVerfGE 86 288, 338; BVerfG NJW 1994 1273, 1274), sondern auch für die auf prognostische Fragestellungen beschränkten Entscheidungen nach Ablauf der durch die Schuldschwere gebotenen Vollzugszeit (BVerfG EuGRZ 2 0 0 7 66, 77). Eine Beiordnung ist nicht erforderlich, wenn die Voraussetzungen einer Strafaussetzung zweifelsfrei vorliegen oder wenn der Aussetzungsantrag des Verurteilten, weil verfrüht gestellt, gar nicht sachlich beschieden wird (OLG Nürnberg NStZ-RR 1998 220, 221).
52
e) Entscheidung und Rechtsmittel. Zu Form, Vollziehbarkeit und Anfechtbarkeit der Entscheidung vgl. zunächst § 57 Rdn. 89-91. Die Begründungsanforderungen an den eine Aussetzung der Reststrafe ablehnenden Beschluss wachsen mit zunehmendem Gewicht des Freiheitsanspruchs bei lang andauernder Haft: Das Vollstreckungsgericht darf sich nicht mit allgemeinen Wendungen begnügen, sondern muss seine Bewertung substantiiert offen legen (BVerfG EuGRZ 2 0 0 7 66, 77). Lehnt die Strafvollstreckungskammer bei der erstmaligen Prüfung eine Aussetzung ab, spricht aber zugleich aus, dass aus Gründen der Schuldschwere eine über 15 Jahre hinausgehende Vollstreckungsdauer nicht geboten sei, so unterliegt dieser Ausspruch - unbeschadet seiner möglichen Abänderung aufgrund neuer Umstände (vgl. hierzu Rdn. 36 f) - im Beschwerdeverfahren auf ein Rechtsmittel des Verurteilten dem Verschlechterungsverbot (OLG Hamm NStZ 1994 53 f). Die mit der Ablehnung getroffene Entscheidung über die schuldbedingt gebotene Verbüßungsdauer ist als selbständige Teilentscheidung isoliert anfechtbar mit der sofortigen Beschwerde analog § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO (OLG Schleswig SchlHA 2003 194, 195). Das Beschwerdegericht hat regelmäßig in der Sache selbst zu entscheiden (zu den Ausnahmen vgl. S 57 Rdn. 90); eine Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer zur - erneuten - Festsetzung der schuldbedingt gebotenen Verbüßungszeit widerspricht dem Grundsatz des § 309 Abs. 2 StPO (aA OLG Schleswig SchlHA 2003 184; OLG Koblenz StV 1994 382, 383).
VI. Die Behandlung der „Altfälle" 53
1. Problemkonstellation. Die Vollstreckungsgerichte waren noch geraume Zeit nach Erlass des verfassungsgerichtlichen Beschlusses zur „Schwurgerichtslösung" (3.6.1992) mit Vollstreckungsfällen befasst, bei denen die Entscheidung über das Vorliegen besonderer Schuldschwere (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) im zugrunde liegende Urteil fehlte und daher zwangsläufig nachträglich zu erfolgen hatte. Die Problematik dieser sogenannten
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Jutta Hubrach
Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe
S 57a
„Altfälle" hat seither zunehmend an Bedeutung verloren; mittlerweile - mehr als 14 Jahre nach Erlass der Entscheidung zur „Schwurgerichtslösung" - dürfte kaum noch ein Vollstreckungsfall denkbar sein, in dem noch nicht über die besondere Schwere der Schuld befunden ist. Dennoch ist die Kenntnis der vom BVerfG vorgegebenen Übergangsregelung für Altfälle und ihrer Weiterentwicklung durch die Rechtsprechung der Instanzgerichte für das Verständnis zahlreicher, seit 1992 ergangener Entscheidungen von Bedeutung. 2. Schuldschwerefeststellung durch das Vollstreckungsgericht a) Bindung an die Urteilsfeststellungen. Der Beschluss des BVerfG vom 3.6.1992 unterwarf die Vollstreckungsgerichte für ihre Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld in „Altfällen" einer strikten Bindung an diejenigen Urteilsfeststellungen, die für die Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe notwendig und infolge dessen der revisionsrechtlichen Prüfung zugänglich gewesen waren. Hierdurch wurde für den Übergangszeitraum zumindest in den Fällen absoluter Strafandrohung eine hinsichtlich schulderschwerender Kriterien erhebliche Einengung der Beurteilungsgrundlagen bewusst in Kauf genommen. Bei der Schuldgewichtung war nach der Übergangsregelung des BVerfG (BVerfGE 86 2 8 8 , 324 f ) 5 4 wie folgt vorzugehen: Das Vollstreckungsgericht durfte zu Lasten des Verurteilten lediglich das dem Urteil zugrunde liegende Tatgeschehen und die dazu festgestellten Umstände der Ausführung sowie Tatauswirkung berücksichtigen, und zwar nur im Rahmen des Gehalts der unbezweifelbaren schwurgerichtlichen Wertung und nicht unter Umschreibung mit Begriffen, die im gesetzlichen Tatbestand eines nicht vom Schwurgericht bejahten Mordmerkmals genannt sind. Urteilsausführungen zu den Beweggründen und den Zielen des Täters, zu der aus seiner Tat sprechenden Gesinnung und weiteren subjektiven, die Tatschuld prägenden Kriterien waren nur insoweit für die Schuldgewichtung verwertbar, als sie der Annahme eines Mordmerkmals dienten.
54
Diese Übergangslösung sah sich dem Einwand ausgesetzt, sie schränke die Entscheidungsgrundlage für die Schuldgewichtung durch das Strafvollstreckungsgericht ohne zwingenden Grund in ungerechtfertigter Weise ein und stelle die Praxis vor unüberwindbare Abgrenzungsschwierigkeiten (BVerfGE 86 288, 366 f [abw. Meinung Winter]; OLG Frankfurt NStZ 1994 54, 55; OLG Karlsruhe N J W 1993 2189, 2190 = J R 1993 382, 384 m. Anm. Kintzi).55 In der Tat offenbarte die zu Altfällen ergangene Rechtsprechung der Instanzgerichte 56 Probleme bei der praktischen Handhabung. So stellte sich die Frage, ob Urteilsfeststellungen zu Vorstrafen des Verurteilten bei der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts grundsätzlich berücksichtigt werden dürfen (so OLG Nürnberg NStZR R 1997 168, 169 und OLGSt. Nr. 15 zu S 57a) oder nur dann, wenn sie Gegenstand speziell schuldbezogener Ausführungen des erkennenden Gerichts waren (so OLG Hamm NStZ-RR 1998 71 f; restriktiv auch OLG Karlsruhe NStE Nr. 17 zu S 57a). Im Interesse des Gerechtigkeitsgebots bei der Schuldgewichtung hielt ein Teil der Rechtsprechung den Grundsatz der strikten Bindung an die Urteilsfeststellungen nicht nur im Hinblick auf schulderschwerende, sondern auch bei schuldmildernden Umständen für anwendbar
55
54
55 56
Vgl. ferner BVerfG N J W 1993 1124, 1125 und NStZ 1999 101, 102. Vgl. ferner Stree NStZ 1992 464, 468. Vgl. z.B. OLG Karlsruhe NStE Nr. 17 zu S 57a und NJW 1993 2189, 2191 = J R 1993
382 m. Anm. Kintzi; OLG Nürnberg NStZ-RR 1997 168 f; OLG Frankfurt NStZ 1994 54, 55 f; OLG Brandenburg NStZ-RR 1999 236.
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§ 57b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
(OLG Frankfurt NStZ 1994 54, 55; OLG Hamm NStZ-RR 2001 288 [LS]). 57 Zur Schuldschwerefeststellung in Altfällen, denen eine in der ehemaligen DDR ergangene Verurteilung zugrunde lag, vgl. OLG Dresden StV 2001 414 f; OLG Brandenburg NStZ 1995 547. 56
b) Verfahrensrechtliche Besonderheiten. Nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben war in Altfällen über die besondere Schwere der Schuld grundsätzlich im Verfahren nach § 57a bei der erstmaligen Prüfung der Aussetzungsfrage zu entscheiden, also in der Regel mit Ablauf von 13 Jahren Vollzugsdauer (vgl. Rdn. 28), unter Umständen auch früher (BVerfG N J W 1994 1273, 1274; vgl. ferner OLG Karlsruhe StV 1994 2 9 f). Um den zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten frühzeitig Klarheit über die Frage der besonderen Schuldschwere zu verschaffen und die Behandlung der Altfälle damit möglichst weitgehend an den seit 3.6.1992 geltenden Rechtszustand anzupassen (vgl. BVerfG NStZ 1997 333), hielt die Rechtsprechung allerdings auch eine isolierte, dem eigentlichen Verfahren nach § 57a vorgelagerte 58 Prüfung der besonderen Schuldschwere durch das Vollstreckungsgericht für zulässig. 59 Die Entscheidung war durch Beschluss zu treffen und entsprechend § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anfechtbar (OLG Brandenburg NStZ-RR 1999 236, 2 3 7 und Beschl. vom 23.1.2006 1 Ws 186/05). Sie bezog sich ausschließlich auf die - in strikter Bindung an die tatrichterlichen Urteilsfeststellungen zu prüfende - Frage, ob die Schuld des Verurteilten besonders schwer wiegt. Für eine vorweggenommene Festsetzung der schuldbedingt gebotenen Vollstreckungsdauer außerhalb des Verfahrens nach § 57a wurde - auch in Altfällen (zur Handhabung nach der „Schwurgerichtslösung" vgl. bereits Rdn. 35) weder eine gesetzliche Grundlage noch eine durch Verfassungsrecht begründete Notwendigkeit gesehen (OLG Celle NStZ 1998 2 4 8 ; OLG Hamburg StV 1997 261 f; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 1 2 2 , 1 2 3 ) . 6 0
§ 57b Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe Ist auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt, so werden bei der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 11 des 23. StRÄndG in das StGB eingefügt. Sie ist am 1.5.1986 in Kraft getreten.
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AA OLG Koblenz StV 1994 382, 383; Groß MK Rdn. 14. Nach i.d.R. lOjähriger Vollstreckungsdauer: OLG Hamburg NStZ-RR 1996 124 f = J R 1996 2 4 7 m. Anm. Kintzi = StV 1996 6 7 7 m. Anm. Ritter, OLG Hamburg J R 1995 2 9 9 m. Anm. Böhm; OLG Dresden StV 2001 414, 415; ohne zeitliche Beschränkung: OLG Brandenburg NStZ 1995 547.
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AA OLG Nürnberg NStZ-RR 1998 2 2 0 und NStZ 1997 4 0 8 und NStZ-RR 1997 168, 169; einschr. für den Fall der fehlenden Einwilligung des Verurteilten mit der Strafrestaussetzung: OLG Celle NStZ 1998 248 f. OLG Frankfurt NStZ 1994 54.
Jutta Hubrach
Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe
§ 57b
Übersicht Rdn. I. Zweck und Anwendungsbereich der Vorschrift Π. Gesamtwürdigung
. . . .
Rdn. 6
IV. Mehrheit selbständiger Strafen
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ΠΙ. Verfahrensrechtliches
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I. Zweck und Anwendungsbereich der Vorschrift Durch das 23. StRÄndG wurde erstmals die Möglichkeit einer Gesamtstrafenbildung 1 unter Einbeziehung auch lebenslanger Einzelfreiheitsstrafen geschaffen (§ 54 Abs. 1 Satz 1); die Übergangsregelung des Art. 316 Abs. 2 EGStGB stellte diese Möglichkeit mittels sinngemäßer Anwendung des § 460 StPO - auch für die vor dem 1. Mai 1986 ergangenen Verurteilungen sicher (hierzu ausführlich Gribbohm LK 11 Rdn. 8). Der ebenfalls durch das 23. StRÄndG in das StGB eingefügte § 57b ist eine Ausführungsnorm zu § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, die die Anwendung der Schuldschwereklausel für den Fall einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe regelt. Zum früheren Rechtszustand vgl. Gribbohm LK 11 Rdn. 2-5. § 57 b greift nur ein, wenn gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gesamtstrafe im Urteil oder nachträglich (§ 55 Abs. 1) im Beschlusswege (§§ 460, 462 Abs. 1 StPO) gebildet worden ist (zur verfahrensrechtlichen Komponente vgl. Rdn. 6). Im Falle einer Mehrheit selbständiger, nicht gesamtstrafenfähiger Strafen ist § 57b nicht anwendbar (hierzu Rdn. 7).
2
Π. Gesamtwürdigung Bei der Prüfung des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 verlangt § 57b im Falle einer als 3 Gesamtstrafe verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe die zusammenfassende Würdigung der einzelnen Straftaten, die der Gesamtstrafenbildung zugrunde liegen. Da letztlich nur die Gesamtstrafe Grundlage der späteren Vollstreckung ist, darf das Tatgericht im Urteil auf die nach § 57b gebotene Gesamtwürdigung auch dann nicht verzichten, wenn es schon in Bezug auf eine einbezogene lebenslange Einzelfreiheitsstrafe die Voraussetzungen des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bejaht (BGH NStZ 1998 352, 353 und StV 2001 571 [LS]). Eine einzelstrafenbezogene Schuldgewichtung ist nach der Rechtsprechung des BGH - als „erster Schritt" zur Gesamtwürdigung gemäß § 57b - zwar zulässig, aber rechtlich nicht geboten (BGH NJW 1997 878 = NStZ 1997 277 m. abl. Anm. Stree). Die Gegenmeinung (Sch/Schröder/Stree Rdn. 1; Groß MK Rdn. 5) verlangt insoweit gesonderte Ausführungen und hält auch einen zusätzlichen - mit der Revision überprüfbaren Ausspruch im Tenor der Entscheidung für erforderlich, wenn das Tatgericht die besondere Schuldschwere nicht nur für die Gesamtstrafe, sondern auch für eine einbezogene lebenslange Freiheitsstrafe feststellen will (Groß MK Rdn. 7). Dieser Ansicht ist schon im Interesse der Rechtsklarheit zuzustimmen, zumal sie den Gedanken einer entsprechenden Anwendung der für die Gesamtstrafenbildung geltenden Zumessungsregeln konsequent umsetzt. Bei der zusammenfassenden Würdigung gemäß § 57b ist analog § 54 Abs. 1 Satz 3 neben den begangenen Einzeldelikten auch die Täterpersönlichkeit mit einzubeziehen (Gribbohm LK 11 Rdn. 10). Kommt die Feststellung besonderer Schuldschwere nicht schon im Hinblick auf eine mit lebenslanger Einzelfreiheitsstrafe geahndete Tat, sondern
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S 57b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
allenfalls unter Berücksichtigung der Mehrfachtäterschaft in Betracht (vgl. hierzu bereits § 57a Rdn. 15 m.w.N.), so spricht ein enger zeitlicher, örtlicher und situativer Zusammenhang der realkonkurrierenden Delikte gegen die Annahme des § 5 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (BGHSt 39 121,126 f = JR 1993 250 m. Anm. Meurer). 5
Die entsprechende Anwendung der für die Gesamtstrafenbildung geltenden Regeln wirkt sich auch auf die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts zur Bestimmung der tatschuldausgerichteten Verbüßungsdauer (§ 57a Rdn. 18, 34) aus: Sie darf die Summe der Mindestverbüßungszeiten aller einbezogenen Strafen jedenfalls nicht erreichen. Setzt sich die Gesamtstrafe aus zwei jeweils auf lebenslange Freiheitsstrafe lautenden Einzelstrafen zusammen, so wird es im Regelfall geboten sein, bei der Festsetzung der schuldbedingten Vollzugsdauer erheblich unterhalb der Summe aller Mindestverbüßungszeiten zu bleiben (Sch/Schröder/Stree Rdn. 3; ebenso OLG Karlsruhe Justiz 1994 92, 93).
ΙΠ. Verfahrensrechtliches 6
Die nach § 57b erforderliche zusammenfassende Würdigung erfolgt bei der Gesamtstrafenbildung entweder im tatrichterlichen Urteil oder durch Beschluss im Verfahren nach § 460 StPO (vgl. OLG Hamm NStZ 1996 301, 302). Auch in den „Altfällen" einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe vor der „Schwurgerichtslösung" des BVerfG (vgl. hierzu § 57a Rdn. 53) hat bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung das gemäß § 462a Abs. 3 StPO zuständige Gericht - und nicht das Vollstreckungsgericht - über die gesamtstrafenbezogene Feststellung der besonderen Schuldschwere zu entscheiden (Gribbohm LK 11 Rdn. 12; aA LG Hannover StV 1996 220 f m. Anm. Plähn). Liegt in Bezug auf eine einzubeziehende lebenslange Freiheitsstrafe die Feststellung der besonderen Schuldschwere bereits vor, so ist das Beschlussgericht im Verfahren nach § 460 StPO bei seiner Gesamtwürdigung hieran gebunden (Fischer Rdn. 4a). Bei der Aburteilung einer einzelnen, mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndenden Tat sollte sich daher das Tatgericht eines Ausspruchs zur besonderen Schuldschwere enthalten, wenn diese nur im Hinblick auf ein zusätzliches Delikt in Betracht kommt, das später gesamtstrafenfähig werden wird (vgl. die Fallkonstellation bei BGH NStZ 1999 501).
IV. Mehrheit selbständiger Strafen 7
§ 57b ist nicht anwendbar, soweit mehrere lebenslange Freiheitsstrafen oder lebenslange und zeitige Freiheitsstrafen ohne Gesamtstrafenlage selbständig nebeneinander bestehen. Für solche Fälle gilt § 454b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO (§ 57a Rdn. 29). Die Möglichkeit einer außergewöhnlichen Kumulation gesetzlicher Mindestverbüßungszeiten kann hierbei zu einer Haftdauer führen, die im Einzelfall verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen mag. Derartigen Problemkonstellationen ist derzeit nur im Gnadenwege Rechnung zu tragen, da die gegenwärtige Rechtslage eine Herabsetzung der gesetzlichen Mindestverbüßungszeiten „in verfassungsrechtlich gebotenem Umfang" (so Lackner/Kühl25 Rdn. 8; vgl. ferner Schefßer JR 1996 485, 489, 491) nicht erlaubt (wie hier Fischer Rdn. 5; Groß MK § 57a Rdn. 27; vgl. ferner Gribbohm LK 11 Rdn. 9). Im Falle einer Bildung mehrerer Gesamtfreiheitsstrafen sind allerdings für die Prüfung der besonderen Schuldschwere nur diejenigen Delikte heranzuziehen, die der - jeweiligen - lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe zugrunde liegen (Fischer Rdn. 5; offen gelassen bei BGH NStZ-RR 1999 170, 171). Bei Anschlussvollstreckung mehrerer lebenslanger Freiheitsstrafen hat das Vollstreckungsgericht die gleichzeitige Entscheidung über die Strafausset-
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Gesamtstrafe und Strafaussetzung
§58
zung (§ 454b Abs. 3 StPO) aufgrund einer Gesamtschau zu treffen, in deren Rahmen für jede einzelne Strafe die schuldschwerebedingt gebotene Verbüßungszeit zu bestimmen und hierbei jeweils auch die Haftzeit vor der Vollstreckungsunterbrechung zu berücksichtigen ist (OLG Nürnberg NStZ 1999 269, 270).
§58
Gesamtstrafe und Strafaussetzung (1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, so ist für die Strafaussetzung nach § 56 die Höhe der Gesamtstrafe maßgebend. (2) Ist in den Fallen des § 55 Abs. 1 die Vollstreckung der in der früheren Entscheidung verhängten Freiheitsstrafe ganz oder für den Strafrest zur Bewährung ausgesetzt und wird auch die Gesamtstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so verkürzt sich das Mindestmaß der neuen Bewährungszeit um die bereits abgelaufene Bewährungszeit, jedoch nicht auf weniger als ein Jahr. Wird die Gesamtstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, so gilt § 56f Abs. 3 entsprechend.
Schrifttum Sieg Nachträgliche Anrechnung von Leistungen zur Erfüllung von Auflagen bei Wegfall einer Strafaussetzung zur Bewährung durch Gesamtstrafenbildung? StV 1998 631.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift hat ihre Fassung durch das 2. StrRG erhalten; sie entspricht § 7 7 in der Fassung des 1. StrRG, durch das sie neu in das StGB eingefügt worden war. Die Bestimmung übernimmt in Absatz 1 die schon in § 80 Abs. 1 E 1962 vorgesehene Regelung. Wahrend der E 1962 in § 80 Abs. 2 dem Gericht die Möglichkeit belassen wollte, in den Fällen des § 55 Abs. 1 von der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe abzusehen, so dass damit ein gleichzeitiges Nebeneinander von mehreren Strafaussetzungen möglich gewesen wäre, hat der Gesetzgeber des 1. und 2. StrRG hiervon abgesehen, um die durch ein solches Nebeneinander möglicherweise entstehenden praktischen Schwierigkeiten zu vermeiden.
Übersicht Rdn. I. Sinn und Zweck der Vorschrift Π. Inhalt und Bedeutung im Einzelnen 1. Strafaussetzung bei zeitiger Gesamtfreiheitsstrafe a) Maßgeblichkeit der Gesamtstrafe b) Anwendung der Umständeklausel (§ 56 Abs. 2) c) Verteidigung der Rechtsordnung (§ S é Abs. 3) 2. Besonderheiten bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung
1
.
Rdn. 3. Nebenentscheidungen im Zusammenhang mit nachträglicher Gesamtstrafenbildung a) Dauer der Bewährungszeit bei Strafaussetzung b) Anrechnung erbrachter Leistungen bei Ablehnung der Strafaussetzung
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§ 58
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
I. Sinn und Z w e c k der Vorschrift 1
§ 58 ergänzt die Regelungen über die Aussetzung zeitiger Freiheitsstrafen zur Bewährung (§§ 56 ff) für den Fall, dass aus mehreren Einzelstrafen eine zeitige Gesamtfreiheitsstrafe gebildet worden ist. Dabei betrifft Absatz 1 die Bestimmungen über die Voraussetzungen der Strafaussetzung, während Absatz 2 Sonderregelungen über die Dauer der Bewährungszeit (Satz 1) und die Anrechnung erbrachter Leistungen (Satz 2) enthält.
Π. Inhalt und Bedeutung im Einzelnen 1. Strafaussetzung bei zeitiger Gesamtfreiheitsstrafe 2
a) Maßgeblichkeit der Gesamtstrafe. Absatz 1 stellt klar, dass bei einer Gesamtstrafenbildung die Zulässigkeit der Strafaussetzung zur Bewährung im Hinblick auf die in Absatz 1 bis 3 des § 56 festgelegten zeitlichen Schranken nicht von der Höhe der Einzelstrafen, sondern von der Höhe der Gesamtstrafe abhängt, denn diese bildet allein die Grundlage der Vollstreckung und ist im Hinblick auf die Aussetzungsentscheidung nicht teilbar (§ 56 Abs. 4 Satz 1). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Straftaten gleichzeitig abgeurteilt werden (§§ 53, 54) oder ob es erst nachträglich zur Bildung einer Gesamtstrafe (§ 55) kommt (BGHSt 25 1 4 2 , 1 4 3 ) .
3
b) Anwendung der Umständeklausel (§ 56 Abs. 2). Bei Gesamtfreiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren sind die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 nach den bei § 56 Rdn. 36 ff dargelegten Grundsätzen zu prüfen. Die Annahme besonderer Umstände erfordert eine Gesamtbetrachtung aller tat- und täterbezogenen Faktoren unter Einbeziehung sämtlicher Delikte, die der Gesamtstrafenbildung zugrunde liegen (BGHR § 56 Abs. 2 Begründungserfordernis 2; BayObLG Urteil vom 27.11.2003 5 St R R 300/03). Dass in jeder der begangenen Taten bei isolierter Betrachtung schon für sich allein besondere Umstände zum Ausdruck kommen, ist für die Anwendung des § 56 Abs. 2 nicht erforderlich. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung fällt es zu Gunsten des Verurteilten ins Gewicht, wenn die einbezogenen Einzelstrafen aufgrund ihrer geringen Höhe jeweils unter den erleichterten Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 aussetzungsfähig gewesen wären (BGHR § 5 6 Abs. 2 Begründungserfordernis 2; OLG Düsseldorf VRS 88 270, 271).
4
c) Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 Abs. 3). Ist nach § 56 Abs. 3 zu prüfen, ob die Verteidigung der Rechtsordnung eine Strafaussetzung verbietet, so wird diese Prüfung nur bezüglich der Gesamtstrafe angestellt (BGH GA 1978 78, 79; BayObLG Urteil vom 27.11.2003 - 5 St R R 300/03); unerheblich ist, ob die Einzelstrafen unter sechs Monaten liegen und auf sie allein § 5 6 Abs. 3 nicht anwendbar wäre.
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2. Besonderheiten bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung. Die Einbeziehung einer zur Bewährung ausgesetzten Strafe in eine nachträglich zu bildende Gesamtstrafe darf nicht etwa deshalb unterbleiben, weil für die Gesamtstrafe ihrer Höhe wegen eine Aussetzung nicht mehr in Betracht kommt (BGH NStZ-RR 1997 228; vgl. ferner bereits BGH N J W 1955 1485). Mit der Gesamtstrafenbildung werden frühere Aussetzungsentscheidungen in Bezug auf einbezogene Strafen ohne weiteres gegenstandslos, und der zuständige Richter hat neu darüber zu befinden, ob die Vollstreckung der Gesamtstrafe
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Gesamtstrafe und Strafaussetzung
zur Bewährung ausgesetzt werden kann (BGHSt 7 180; BGHSt 19 362). 1 An einer Aussetzung muss er sich nicht durch den Umstand gehindert sehen, dass eine einbezogene Einzelstrafe zuvor nicht zur Bewährung ausgesetzt war (BayObLGSt. 1956 86) oder dass die hinsichtlich der Einzelstrafe gewährte Strafaussetzung rechtskräftig widerrufen worden ist (LG Bayreuth NJW 1970 2122). 2 Maßgebender Zeitpunkt für die nach § 56 zu treffende Prognose ist derjenige der aktuellen Entscheidung im Verfahren über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (BGH NJW 2003 2841 f; OLG Zweibrücken NStZ 1996 303), nicht etwa der Zeitpunkt der letzten Vorverurteilung (so OLG Hamm Beschl. vom 19.1.2001 - 2 Ss 1177/00). Dies ergibt sich schon aus dem zwangsläufig zukunftsgerichteten Zweck der Bewährungsentscheidung und der ihr zugrunde liegenden Prognose, die nicht rückblickend erfolgen kann. Führt die Entscheidung gemäß § 55 StGB zur Bildung mehrerer selbständiger (Gesamt-)Freiheitsstrafen, so ist die Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung ihre Vollstreckung gebietet, jedenfalls dann einheitlich zu beantworten, wenn den Strafen gleichartige Taten zugrunde liegen (BayObLG JR 2003 206 m. Anm. Gotting). 3. Nebenentscheidungen im Zusammenhang mit nachträglicher Gesamtstrafenbildung a) Dauer der Bewährungszeit bei Strafaussetzung. Eine Sonderregelung bei nachträg- 6 licher Gesamtstrafenbildung ist in Absatz 2 Satz 1 hinsichtlich der Bewährungszeit für die Fälle getroffen, in denen die in der früheren Entscheidung verhängte Freiheitsstrafe ganz (§ 56) oder für den Strafrest (§ 57) zur Bewährung ausgesetzt war. Wird die neue Gesamtstrafe ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt, so verkürzt sich das Mindestmaß der Bewährungszeit, das nach § 56a Abs. 1 Satz 2 zwei Jahre beträgt, um die bereits abgelaufene Bewährungszeit, jedoch nicht auf weniger als ein Jahr. Das bedeutet, dass nicht die Bewährungszeit als solche verkürzt wird, sondern lediglich ihr Mindestmaß; das Höchstmaß von fünf Jahren bleibt unverändert bestehen. Das Gericht hat also nach pflichtgemäßem Ermessen eine neue Bewährungszeit festzusetzen, die sich zwischen dem auf diese Weise errechneten Mindestmaß und dem Höchstmaß bewegt. Hat die erste Bewährungszeit länger als ein Jahr gedauert, so liegt jetzt der zeitliche Rahmen zwischen einem und fünf Jahren. Es handelt sich also nicht um eine Anrechnung im engeren Sinne. b) Anrechnung erbrachter Leistungen bei Ablehnung der Strafaussetzung. Wird die 7 neue Gesamtstrafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt, bestimmt Absatz 2 Satz 2 eine sinngemäße Anwendung von § 56f Abs. 3. Wegen der Einzelheiten sei auf die Erläuterungen zu § 56f (Rdn. 53-58) verwiesen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Anrechnung im Falle des § 58 Abs. 2 Satz 2 in aller Regel erfolgen muss, denn es wäre ungerecht, Aufwendungen des Verurteilten zur Erfüllung der in § 56f Abs. 3 Satz 2 genannten Auflagen und Anerbieten unberücksichtigt zu lassen, obwohl nicht sein nach der Verurteilung liegendes Verhalten, sondern allein die nachträgliche Gesamtstrafenbildung zum Verlust der Strafaussetzung geführt hat (BGHSt 33 326 f = JR 1986 377 m. Anm. Frank-, BGHSt 36 378, 381 = NStZ 1991 34 m. Anm. Weber, BGHR S 58 Abs. 2 S. 2 Anrechnung 3). Ein Verzicht auf die Anrechnung kommt daher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht (vgl. hierzu § 56f Rdn. 55).
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BGH GA 1966 2 0 8 ; BayObLG GA 1962 375; OLG Karlsruhe MDR 1976 862. AA für das alte Recht OLG Oldenburg NJW
1967 2 3 7 0 ; vgl. auch OLG Zweibrücken N J W 1968 311.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Der Ausgleich für die Nichterstattung der zur Auflagenerfüllung erbrachten Leistungen erfolgt im Falle des S 58 Abs. 2 Satz 2 nicht etwa durch eine von vornherein niedrigere Gesamtstrafenbemessung (so noch BGHSt 33 326, 328 = JR 1986 377 mit Anm. Frank; BGHR § 56f Abs. 3 Anrechnung 1), sondern mittels einer die Strafvollstreckung verkürzenden Anrechnung auf die - zunächst „ungekürzt" festgesetzte - Gesamtstrafe. Dies hat der Bundesgerichtshof auf Vorlage durch das BayObLG (NStZ 1989 432 mit Anm. Stree) in BGHSt 36 378, 382 f (= NStZ 1991 34 mit Anm. Weber) klargestellt.3 Eine derartige Handhabung stellt die allein am Schuldmaß orientierte Gesamtstrafenbildung sicher und gewährleistet eine einheitliche, dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechende Verwendung des Begriffs „Anrechnung" in § 56f Abs. 3 Satz 2 sowie § 58 Abs. 2 Satz 2.
ΠΙ. Verfahrensrechtliches 9
Ist aufgrund der durch Urteil erfolgten nachträglichen Gesamtstrafenbildung aus einer aufgelösten früheren Gesamtstrafe eine einzelne Freiheitsstrafe selbständig verblieben, so hat das Gericht über deren Aussetzung gesondert zu befinden. Es handelt sich hierbei um einen mit der Gesamtstrafenbildung untrennbar verbundenen Akt der Strafzumessung (hierzu vgl. § 56 Rdn. 1). Unterbleibt die Entscheidung versehentlich, so dürfte daher eine „Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe" vorliegen (§ 354 Abs. lb StPO), so dass das Revisionsgericht die Sache unter Verzicht auf eine Zurückverweisung an die Vorinstanz dem nachträglichen Verfahren nach den §§ 460, 462 StPO überlassen kann. Auch nach Rechtskraft des Urteils ist die unterbliebene Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 460 StPO vom Gericht des ersten Rechtszuges nachzuholen (OLG Zweibrücken NStZ 1996 303). Das Gleiche gilt, wenn das Gericht im Verlauf eines Wiederaufnahmeverfahrens eine frühere Gesamtstrafe aufgelöst und den Verurteilten wegen einer Einzeltat freigesprochen, es hierbei aber versäumt hat, über die Strafaussetzung hinsichtlich der verbleibenden weiteren Freiheitsstrafe neu zu befinden (OLG Koblenz NStZ 1991 555 m. Anm. Gössel).
10
Die Entscheidung nach § 58 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 56f Abs. 3 Satz 2 ist bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung in die Urteils- oder Beschlussformel aufzunehmen und muss erkennen lassen, in welchem Umfang erbrachte Leistungen auf die Vollstreckungsdauer angerechnet werden (BGHSt 36 378, 383 f; BGHR § 58 Abs. 2 Satz 2 Anrechnung 4). Die Formulierung ist so zu wählen, dass sämtliche bis zur Rechtskraft der Gesamtstrafenentscheidung erbrachten Leistungen des Verurteilten angerechnet werden können (vgl. BayObLGSt. 1994 134 f). Das Fehlen einer Anrechnungsentscheidung kann der Verurteilte im Revisionsverfahren nur mit der Verfahrensrüge beanstanden, wenn die Urteilsgründe darüber schweigen, ob im Zusammenhang mit der Aussetzung einer einbezogenen Einzelstrafe überhaupt Auflagen erteilt und anrechnungsfähige Leistungen erbracht worden waren (BGHSt 35 238, 240 ff, 243; BGH Urteil vom 10.10.1985 - 4 StR 454/85, insoweit in BGHSt 33 326 nicht veröffentlicht).4 Erwähnt das tatrichterliche Urteil hingegen Tatsachen, die eine Anrechnung erbrachter Leistungen
3
Ebenso BGHR § 58 Abs. 2 S. 2 Anrechnung 3; BGH NStZ-RR 1996 162; BGH NStZ-RR 1996 291 (LS); BayObLGSt. 1994 134 f; BayObLG NStZ 1987 4 5 8 ; KG Berlin Beschl. v. 2.12.1999 - (3) 1 Ss 2 8 1 / 9 9 (98/99).
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4
Für eine Berücksichtigung im Rahmen der allgemeinen Sachrüge offenbar OLG Nürnberg Beschl. v. 7.12.2006 - 2 St OLG Ss 2 7 0 / 0 6 .
Jutta Hubrach
Gesamtstrafe und Strafaussetzung
§58
nahelegen, so liegt ein auch auf die Sachrüge zu beachtender Erörterungsmangel vor, wenn sich die Entscheidung mit § 58 Abs. 2 Satz 2 nicht oder fehlerhaft auseinandersetzt. Das Revisionsgericht kann die Anrechnungsentscheidung in solchen Fällen regelmäßig in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nachholen, sofern das angefochtene Urteil hierfür eine ausreichende Tatsachengrundlage bietet (BGHR § 58 Abs. 2 S. 2 Anrechnung 3; BGH bei Kusch NStZ-RR 1999 263; BGH NStZ-RR 2002 137). 5 Anderenfalls besteht die Möglichkeit, nach § 354 Abs. lb Satz 1 StPO vorzugehen und eine nachträgliche Anrechnungsentscheidung des gemäß § 462a Abs. 3 StPO zuständigen Gerichts herbeizuführen, ohne dass es einer Teilaufhebung des angefochtenen Urteils bedarf (OLG Nürnberg Beschl. vom 7.12.2006 - 2 St OLG Ss 270/06). Wird über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Beschlussverfahren entschieden (§§ 460, 462 Abs. 1 StPO), so kann die Anrechnung oder Nichtanrechnung erbrachter Leistungen - ebenso wie die entsprechende Entscheidung im Zusammenhang mit dem Widerruf der Strafaussetzung (§ 56f Rdn. 70) - nicht mit der einfachen Beschwerde, sondern nur mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (§ 462 Abs. 3 Satz 1 StPO); Anrechnung und Nichtanrechnung sind als Teil der Entscheidung über die Gesamtstrafe anzusehen. Hat diese Rechtskraft erlangt, so ist die Anrechnungsentscheidung als solche nicht mehr abänderbar oder nachholbar (aA Sieg StV 1998 631).
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KG Berlin Beschl. v. 2 . 1 2 . 1 9 9 9 - (3) 1 Ss 2 8 1 / 9 9 (98/99).
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FÜNFTER TITEL Verwarnung mit Strafvorbehalt Absehen von Strafe Vorbemerkungen zu den §§ 59 bis 59c Schrifttum Baumann Über die Denaturierung eines Rechtsinstituts (§ 59 StGB), J Z 1980 4 6 4 ; Buschbell Verwarnung mit Strafvorbehalt im verkehrsrechtlichen Strafverfahren, DAR 1991 168; Cremer Erlebt die Verwarnung mit Strafvorbehalt - §§ 59 ff StGB - eine (Re)Naissance? NStZ 1982 4 4 9 ; Dencker Ein Plädoyer für § 59 StGB, StV 1986 399; Dölling Die Weiterentwicklung der Sanktionen ohne Freiheitsentzug im deutschen Strafrecht, ZStW 104 (1992) 259; Dreher Die Verwarnung mit Strafvorbehalt, Festschrift Maurach (1972) 275; Grau in Gürtner: Das kommende deutsche Strafrecht, Allgemeiner Teil (1935) S. 183; Greger Das 23. Strafrechtsänderungsgesetz, J R 1986 353; Grünwald Das Rechtsfolgensystem des Alternativ-Entwurfs, ZStW 80 (1968) 89, 110 f; ders. Offene Fragen im System der Hauptstrafen, Festschrift Schaffstein (1975) 219, 237; Horn Neuerungen der Kriminalpolitik im deutschen Strafgesetzbuch 1975, ZStW 89 (1977) 547, 550; ders. Ist die Verwarnung mit Strafvorbehalt noch zu retten? NJW 1980 106; ders. Empfehlen sich Änderungen und Ergänzungen bei den strafrechtlichen Sanktionen ohne Freiheitsentzug? J Z 1992 828; Horstkotte Die Geldstrafe und die Verwarnung mit Strafvorbehalt im neuen Strafrecht, DRiZ 1975 15; Jescheck Die kriminalpolitische Konzeption des Alternativ-Entwurfs eines Strafgesetzbuchs (Allgemeiner Teil), ZStW 80 (1968) 54; Kintzi Gesetzentwurf zum Sanktionenrecht, DRiZ 2 0 0 3 325; Kropp Ist die Verwarnung mit Strafvorbehalt noch zeitgemäß? ZRP 2 0 0 4 241; Legat Kann und soll der Anwendungsbereich der Verwarnung mit Strafvorbehalt erweitert werden? DAR 1985 105; Peters Verwarnung mit Strafvorbehalt, DStR 1934 310; Reibach Die Verwarnung unter Strafvorbehalt (1970); Schreiber Besondere Umstände in der Tat und in der Persönlichkeit des Verurteilten, Festschrift Schaffstein (1975 ) 276, 290; von Seile Die Reform des Sanktionenrechts, J R 2 0 0 2 227; Streng Modernes Sanktionenrecht? ZStW 111 (1999) 827; Volckart Verteidigung in der Strafvollstreckung und im Vollzug (1988); Weigend Sanktionen ohne Freiheitsentzug, GA 1992 345; Wolters Der Entwurf eines „Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts", ZStW 114 (2002) 63; Zipf Die Rechtsfolgen der Tat im neuen Strafgesetzbuch, JuS 1974 137, 145; ders. Probleme der Neuregelung der Geldstrafe in Deutschland, ZStW 86 (1974) 513, 534.
I. Geschichtliche Entwicklung Π. Wesen und Rechtsnatur der Verwarnung mit Strafvorbehalt
Übersicht Rdn. 1
Rdn. 1. Wesen . . . 2. Rechtsnatur
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Vor § 5 9
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
I. Geschichtliche Entwicklung 1
Die dem Rechtsinstitut der Verwarnung mit Strafvorbehalt zugrunde liegende Idee war schon im E 1936 ( § § 6 0 bis 63) enthalten. Die Verwarnung sollte zulässig sein für kurze Freiheitsstrafen und geringe Geldstrafen; sie wäre damals die einzige spezialpräventive Möglichkeit in der Hand des Richters gewesen, da jede Art von Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt wurde (vgl. dazu Grau S. 183 ff und Peters DStR 1934 310 ff). Nach dem 2. Weltkrieg findet sich seit 1953 eine der Sache nach ähnliche Regelung in §§ 2 7 ff J G G , nämlich die Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe. Im Erwachsenenstrafrecht ist mit dem 3. StRÄndG vom 4.8.1953 (BGBl. I S. 735) zwar die Strafaussetzung zur Bewährung Gesetz geworden, auf die Verwarnung mit Strafvorbehalt kam man jedoch nicht zurück. Sie wurde in den folgenden Jahren von der Großen Strafrechtskommission eingehend erörtert, jedoch vom E 1962 wiederum abgelehnt. Dagegen war der Alternativ-Entwurf für eine Einführung des Instituts (vgl. Begründung S. 113) als „erste Stufe strafrechtlicher Reaktion im Bereiche der sogenannten Massenkriminalität gegenüber Ersttätern" auf breitester Grundlage (vgl. Baumantt J Z 1980 464). 1 Die Verwarnung sollte auf Ersttäter beschränkt und anwendbar sein bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder entsprechender Geldstrafe und bei Verhängung eines Fahrverbots (§ 57 AE). 2 Der Sonderausschuss Strafrecht des Bundestages ist dem nicht gefolgt. Er hat das Institut der Verwarnung mit Strafvorbehalt zwar wieder aufgegriffen, es aber als Ausnahmeregelung ausgestaltet. 3 In diesem Sinne wurden die §§ 59 bis 59c durch das 2. StrRG in das StGB eingefügt. Änderungen im Bereich der flankierenden Anordnungen (§ 59a) erfolgten durch das 23. StRÄndG und durch das VerbrBekG (Gesetzesmaterialien: Vor § 56 Rdn. 9; vgl. ferner § 59a „Entstehungsgeschichte").
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Die Forderung nach einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verwarnung mit Strafvorbehalt wurde bereits 1992 anlässlich des 59. DJT erhoben 4 und seither immer wieder diskutiert. 5 Aufgrund von Vorschlägen einer 1998 durch das Bundesjustizministerium eingesetzten Expertenkommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems brachte die Bundesregierung am 17. März 2 0 0 4 einen - nicht abschließend beratenen - Gesetzentwurf ein, der umfangreiche Änderungen der §§ 59, 59a vorsah, um die Anwendungsvoraussetzungen des Rechtsinstituts der Verwarnung mit Strafvorbehalt zu lockern und zugleich den gerichtlichen Handlungsspielraum bei der Anordnung begleitender Maßnahmen zu erweitern (BTDrucks. 15/2725 S. 9 f, 18). 6 Aus dem Katalog dieser Änderungsvorschläge übernahm der Gesetzgeber mit dem 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 2 2 . 1 2 . 2 0 0 6 (BGBl. I S. 3416, 3432) die Lockerung der „Würdigkeitsklausel" (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2), die Streichung des § 59 Abs. 2 (Regelausschluss der Verwarnung bei Vorbelastungen innerhalb der letzten drei Jahre vor Tatbegehung) und die Herabsetzung des Höchstmaßes der Bewährungszeit (§ 59a Abs. 1 Satz 2) von drei Jahren
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Krit. dazu Dreher FS Maurach, 2 7 5 ; Grünwald ZStW 80 (1968) 89, 110 f; Jescheck ZStW 80 (1968) 54. Vgl. dazu im Einzelnen Rezbach Die Verwarnung unter Strafvorbehalt (1970). Zu den Beratungen im Sonderausschuss: Dreher FS Maurach, 275, 2 7 7 f; vgl. ferner Baumann J Z 1980 4 6 5 f. Vgl. hierzu Weigend GA 1992 345, 353 f, 362; Horn J Z 1992 828, 831; Dölling ZStW 104
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(1992) 259, 2 6 9 ff; Beschlüsse des 59. DJT NJW 1992 3016, 3 0 2 2 . Vgl. Kropp ZRP 2 0 0 4 241 f; Streng ZStW 111 (1999) 827, 8 4 3 ; Zusammenfassung der Reformentwürfe seit den 80er Jahren bei BTDrucks. 14/9358 S. 9 f. Zu dem vorausgegangenen Referentenentwurf vgl. BTDrucks. 14/9358 S. 4; Wolters ZStW 114 (2002) 63, 8 1 - 8 3 ; von Selle JR 2 0 0 2 227, 231 f; Kintzi DRiZ 2 0 0 3 325.
Jutta Hubrach
Vorbemerkungen
Vor § 5 9
auf zwei Jahre (Gesetzesmaterialien: Vor § 56 Rdn. 9; vgl. ferner § 59 und § 59a „Entstehungsgeschichte"). Von der im Gesetzentwurf vom 17. März 2004 noch vorgesehenen Erweiterung des gesetzlich vorgesehenen Maßnahmenkataloges (§ 59a Abs. 2) um die Möglichkeit einer Arbeitsauflage wurde abgesehen.
Π. Wesen und Rechtsnatur der Verwarnung mit Strafvorbehalt 1. Wesen. Das Institut ermöglicht es dem Richter, einen Täter, der eine Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen verwirkt hat, schuldig zu sprechen, die verwirkte Strafe im Urteil auszusprechen, sie für die Dauer einer festzusetzenden Bewährungszeit vorzubehalten und den Täter zu verwarnen. Im Falle der Bewährung stellt das Gericht fest, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden hat, im Falle der Nichtbewährung folgt die Verurteilung zu der bereits festgesetzten Strafe. Die Verwarnung unterscheidet sich von der Strafaussetzung zur Bewährung dadurch, dass der Täter bei der Strafaussetzung zu der verwirkten Strafe verurteilt und lediglich der Vollzug der erkannten Strafe ausgesetzt wird. Bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt wird der Täter nur schuldig gesprochen; zwar erkennt das Gericht auch auf eine Strafe, sie wird jedoch nicht gegen den Täter festgesetzt, so dass er im Falle der Bewährung nicht vorbestraft ist. Bei der Strafaussetzung bleibt der Täter bestraft, auch wenn er die gegen ihn erkannte Strafe nicht verbüßen muss. Eine Überschneidung der beiden Rechtsfiguren gibt es nicht, da die Verwarnung mit Strafvorbehalt nur bei Geldstrafen, die Strafaussetzung zur Bewährung nur bei Freiheitsstrafen in Betracht kommt.
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2. Rechtsnatur. Für die Rechtsnatur der Verwarnung mit Strafvorbehalt ergibt sich daraus, dass sie keine Maßregel, aber auch keine Strafe ist, diese vielmehr verhüten will; man wird sie als strafrechtliches Reaktionsmittel eigener Art mit maßnahmeähnlichem Charakter bezeichnen können. 7 Sie ist - nach dem Absehen von Strafe (§ 60) - die mildeste und „resozialisierungsfreundlichste" Sanktion, die das StGB kennt. Die Bedenken, das Institut bedeute eine Verringerung der generalpräventiven Wirkung des Strafrechts (Zipf ZStW 86 [1974] 513, 536) und stelle einen Einbruch in das Schuldstrafrecht dar (Dreher FS Maurach, 275, 283), weil ein Verhalten des Täters nach dem Urteil über das Ob der Strafe entscheidet, sind angesichts der Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Geldstrafen bis zu einhundertachtzig Tagessätzen erträglich und hinnehmbar.
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Dennoch ist das Institut mit großer Zurückhaltung aufgenommen worden. Die Rechtsprechung hat bislang nur geringen Gebrauch von der Rechtsfigur gemacht (vgl. Horn NJW 1980 106; Kropp ZRP 2004 241 f; BTDrucks. 14/9358 S. 17) und in geeigneten Fällen den Weg über die §§ 153 ff StPO bevorzugt (vgl. Schöch J R 1978 74; Baumann J Z 1980 464; von Seile J R 2002 227, 231). In der Praxis behielt die Verwarnung mit Strafvorbehalt ihre - bescheidene - Bedeutung dort, wo Staatsanwaltschaft oder Beschuldigter die Zustimmung zur Einstellung verweigern (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1985 362, 363 mit Anm. Horn = J R 1985 376 m. Anm. Schöch; BayObLG NJW 1990 58; Horn N J W 1980 106, 107). 8 Mit den am 31. Dezember 2 0 0 6 in Kraft getretenen Änderungen der §§ 59, 59a durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz bezweckte der Gesetzgeber eine Veränderung dieser Sachlage im Sinne häufigerer Anwendung der Verwarnung mit Strafvorbehalt; insoweit wird die weitere Entwicklung abzuwarten sein. Prozessual lässt sich die
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7
Dreher FS Maurach, 275, 294; Schöch JR 1978 75; Groß MK Vor § 59 Rdn. 1.
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von Seile JR 2002 227, 231; Dölling ZStW 104 (1992) 259, 269.
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§59
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Verwarnung mit Strafvorbehalt als Prozesshindernis betrachten, das zunächst vorübergehend besteht und dann - nach Ablauf der Bewährungszeit - endgültig wird (Zipf JuS 1974 137,145). 6 Zum Recht des Einigungsvertrages s. die grundsätzlichen Ausführungen im Anhang zu den § § 5 9 bis 59c bei Gribbohm LK 11 .
§59 Voraussetzungen der Verwarnung mit Strafvorbehalt (1) Hat jemand Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen verwirkt, so kann das Gericht ihn neben dem Schuldspruch verwarnen, die Strafe bestimmen und die Verurteilung zu dieser Strafe vorbehalten, wenn 1. zu erwarten ist, dass der Täter künftig auch ohne Verurteilung zu Strafe keine Straftaten mehr begehen wird, 2. nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Täters besondere Umstände vorliegen, die eine Verhängung von Strafe entbehrlich machen, und 3. die Verteidigung der Rechtsordnung die Verurteilung zu Strafe nicht gebietet. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. (2) Neben der Verwarnung kann auf Verfall, Einziehung oder Unbrauchbarmachung erkannt werden. Neben Maßregeln der Besserung und Sicherung ist die Verwarnung mit Strafvorbehalt nicht zulässig.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde mit dem 2. StrRG in das StGB aufgenommen. Durch Art. 1 Nr. 12 des 23. StRÄndG erfolgte eine Angleichung des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 an die neu gefasste „Umständeklausel" des § 56 Abs. 2 und des § 57 Abs. 2 Nr. 2. Als Voraussetzung für eine Verwarnung mit Strafvorbehalt sah die Vorschrift fortan vor, dass „eine Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere Umstände ergibt, nach denen es angezeigt ist, ihn von der Verurteilung zu Strafe zu verschonen". Durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3416) hat der Gesetzgeber der „Würdigkeitsklausel" des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 mit Wirkung ab 31.12.2006 ihre heutige Fassung verliehen und darüber hinaus den früheren Absatz 2 der Vorschrift ersatzlos gestrichen, der einen Regelausschluss der Verwarnung mit Strafvorbehalt vorsah, wenn der Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal verwarnt oder zu Strafe verurteilt worden war. Übersicht Rdn. I. Sinn und Zweck der Vorschrift Π. Anwendungsbereich 1. Geldstrafe 2. Verwarnung mit Strafvorbehait neben a) Strafe b) Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) . . 3. Art der Straftat
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Rdn. ΠΙ. Voraussetzungen (Absatz 1 Satz 1) 1. Günstige Sozialprognose (Nr. 1) a) Inhalt der Erwartung . . . . b) Grundlage der Beurteilung . 2. Würdigkeitsklausel (Nr. 2) a) Besondere Umstände . b) Indizwirkung
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Voraussetzungen der Verwarnung mit Strafvorbehalt Rdn. aa) Bisherige Rechtslage bb) Neue Rechtslage 3. Verteidigung der Rechtsordnung (Nr. 3) 4. Rechtsprechungsübersicht IV. Tatrichterliche Entscheidung 1. Beurteilungsspielraum und Ermessen 2. Revisibilität
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§59 Rdn.
V. Verfahrensrechtliches 1. Urteil 2. Rechtsmittelverfahren 3. Wirkungen der Verwarnung mit StrafVorbehalt
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I. Sinn und Zweck der Vorschrift Das Gesetz stellt mit dem Institut der Verwarnung mit Strafvorbehalt eine Ahndungs- 1 möglichkeit für den unteren Bereich der Kriminalität zur Verfügung, um vor allem dem Ersttäter unter bestimmten Voraussetzungen eine Bestrafung zu ersparen. Die bisherige Rechtspraxis sah § 5 9 als Vorschrift mit Ausnahmecharakter, nicht dagegen als Regelsanktion für Fälle geringer Schuld oder Tatfolgen. Insoweit wird allerdings künftig zu beachten sein, dass der Gesetzgeber mit der Lockerung der „Würdigkeitsklausel" (Absatz 1 Satz 1 Nr. 2) durch das 2 . Justizmodernisierungsgesetz vom 2 2 . 1 2 . 2 0 0 6 ausdrücklich eine „moderate Erweiterung" des Rechtsinstituts mit dem Ziel seiner häufigeren Anwendung bezweckt hat (ausführlich hierzu Rdn. 14 ff).
Π. Anwendungsbereich 1. Geldstrafe. Während der Anwendungsbereich der Vorschriften über die StrafausSetzung zur Bewährung auf die Freiheitsstrafen im Sinne des § 38 beschränkt ist, sind die Bestimmungen über die Verwarnung mit Strafvorbehalt ausschließlich auf Geldstrafe anwendbar, und zwar nur bei einer verwirkten Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen. Die Obergrenze gilt auch, wenn sachlichrechtlich mehrere Straftaten vorliegen, für die verwirkte Gesamtgeldstrafe (§§ 5 9 c Abs. 1, 53 Abs. 1).
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2 . Verwarnung mit Strafvorbehalt neben a) Strafe. Eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ist nicht möglich neben einer anderen Strafe, gleichgültig, ob es sich dabei um eine Freiheitsstrafe, eine Geldstrafe oder eine Nebenstrafe handelt. Für die Geldstrafe folgt dies unmittelbar aus ξ 5 9 c Abs. 2 . Damit scheiden auch die Fälle des § 41 aus. Eine neben der vorbehaltenen Geldstrafe ausgesprochene weitere Sanktion würde der Grundidee des Instituts, den Täter vor jedem Strafmakel zu bewahren, zuwiderlaufen. Es ist nicht zulässig, neben einer Verwarnung mit Strafvorbehalt ein Fahrverbot auszusprechen ( O L G Stuttgart N Z V 1 9 9 4 4 0 5 , 4 0 6 J . 1 Dies ergibt sich im Übrigen schon aus § 4 4 Abs. 1, wonach für die Verhängung eines Fahrverbots die Verurteilung zu einer Strafe Voraussetzung ist. Den in früheren Gesetzentwürfen enthaltenen Vorschlag einer Zulassung des Fahrverbots neben der Verwarnung mit Strafvorbehalt (BTDrucks. 12/6141 S. 4 f, 11; BTDrucks. 13/9612 S. 4 f, 6 f) hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung des Rechtsinstituts durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz nicht aufgegriffen. Ist daher das Gericht der Auffassung, dass gegen den Täter ein Fahr-
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BayObLG NStZ 1982 258 m. Anm. MeyerGoßner; Berz MDR 1976 332; Fischer
Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 5; aA Schock JR 1978 75.
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§59
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
verbot auszusprechen sei, so muss es auch die Geldstrafe verhängen. Aus Wortlaut und Sinn des § 59 ergibt sich ferner, dass die Anordnung des Fahrverbots selbst nicht vorbehalten werden kann. 2 Dagegen steht der Verwarnung nicht entgegen, dass der Täter Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten hat, die nach § 51 Abs. 1 Satz 1 auf die verwirkte Geldstrafe anzurechnen ist. 3 4
b) Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8). Von den in § 11 Abs. 1 Nr. 8 genannten Maßnahmen lässt § 59 Abs. 3 neben der Verwarnung nur Verfall (SS 73, 73a), Einziehung (SS 74 bis 74d) und Unbrauchbarmachung (z.B. S 74d Abs. 1 Satz 2) zu. Maßregeln der Besserung und Sicherung (S 61) neben der Verwarnung werden ausdrücklich ausgeschlossen (S 59 Abs. 3 Satz 2). Das gilt nicht nur für Unterbringungsanordnungen (S 61 Nrn. 1 bis 3), sondern auch für die Führungsaufsicht, die Entziehung der Fahrerlaubnis und das Berufsverbot (S 61 Nrn. 4 bis 6). Die Regelung erklärt sich ohne weiteres daraus, dass die Verhängung der Maßregeln entweder gewichtige Straftaten oder jedenfalls Persönlichkeitsmängel beim Täter voraussetzen, die eine Verwarnung von vornherein als unangebracht erscheinen lassen (so auch die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Entziehung der Fahrerlaubnis neben einer Verwarnung mit Strafvorbehalt zuzulassen, BTDrucks. 13/9612 S. 8).
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3. Art der Straftat. S 59 schränkt den allgemeinen Anwendungsbereich der Verwarnung mit Strafvorbehalt allein durch die Begrenzung auf verwirkte Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen ein, nicht dagegen nach Deliktsarten oder gesetzlicher Strafandrohung. Die Vorschrift beansprucht allgemeine Geltung für alle Arten von Straftaten. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Gesetzgeber habe bestimmte Arten von Straftaten oder Delikte, die in bestimmten Situationen begangen werden, von der Regelung ausnehmen wollen. Dies gilt auch für Fahrlässigkeitsdelikte im Straßenverkehr, die als Massenerscheinung überwiegend in typischen Formen und mit einem meist durchschnittlichen Unrechts- und Schuldgehalt vorkommen. Sie waren schon von jeher dem Anwendungsbereich des S 59 nicht grundsätzlich entzogen (OLG Stuttgart N Z V 1994 405, 4 0 6 ; OLG Zweibrücken NStZ 1984 312 m. Anm. Lackner/Gehrig-, OLG Düsseldorf NStZ 1985 362, 363 m. Anm. Horn = J R 1985 378 m. Anm. Schöch). Erst recht gilt dies nach der Lockerung der „Würdigkeitsklausel" durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz (vgl. hierzu Rdn. 17).
ΙΠ. Voraussetzungen (Absatz 1 Satz 1) 1. Günstige Sozialprognose (Nr. 1) 6
a) Inhalt der Erwartung. Dem Täter muss eine günstige Sozialprognose gestellt werden können, d.h. es muss zu erwarten sein, dass er, auch wenn die Geldstrafe nicht gegen ihn verhängt wird, künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Es genügt, dass diese Erwartung erst unter dem Eindruck der Verwarnung und der Wirkung eventuell erteilter Auflagen oder Weisungen (§ 59a Abs. 2) begründet ist. Die an die Prognose zu stellenden Anforderungen decken sich im Wesentlichen mit denjenigen bei der Strafaussetzung zur Bewährung (S 56 Rdn. 11 ff). Die Erwartung künftigen straffreien Verhaltens bedeutet
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BayObLG N J W 1976 301 m. Anm. Berz MDR 1976 3 3 2 und Schock J R 1978 75; aA Rüth DAR 1975 1, 3.
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Lackner/Kühl Rdn. 6.
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Rdn. 3;
Sch/Schröder/Stree
Voraussetzungen der Verwarnung mit Strafvorbehalt
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demnach nicht, dass nach der Überzeugung des Gerichts eine jeden Zweifel ausschließende Gewissheit besteht. So wäre es fehlerhaft, bei Fahrlässigkeitstaten eine günstige Prognose mit der Begründung abzulehnen, bei niemandem lasse sich ein - unter Umständen leicht - fahrlässiges Handeln für die Zukunft ausschließen (vgl. O L G Zweibrücken N S t Z 1984 312 m. Anm. Lackner/Gehrig). Die günstige Prognose kann auch nicht vom Vorliegen eines hohen Wahrscheinlichkeitsgrades abhängig gemacht werden, denn es liegt im Wesen der Prognose, dass ein Risiko bestehen bleibt. Andererseits reicht es nicht aus, dass sich eine günstige Prognose nicht ausschließen lässt oder dass die Möglichkeit, der Angeklagte werde in Zukunft keine Straftaten mehr begehen, nicht verneint werden kann. Die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens muss größer sein als diejenige erneuter Straffälligkeit. Zweifel des Gerichts, ob diese größere Wahrscheinlichkeit besteht, gehen zu Lasten des Täters. Insoweit gilt der Satz in dubio pro reo nicht (vgl. § 5 6 Rdn. 12). Auch wenn nur die Wahrscheinlichkeit besteht, der Täter werde geringfügige Straftaten begehen, fehlt es an der vom Gesetz vorausgesetzten günstigen Prognose. b) Grundlage der Beurteilung. Maßgebend für die Prognose sind die Verhältnisse zur Zeit der Aburteilung, also der Verwarnung. Da die Prognose in die Zukunft weist, müssen auch zu erwartende künftige Ereignisse berücksichtigt werden (§ 5 6 Rdn. 2 7 ) , z.B. nach $ 5 9 a Abs. 2 erteilte Auflagen und Weisungen. Für die Prognose ist die Gesamtheit aller in Betracht kommenden Umstände entscheidend, denn nach § 5 9 Abs. 1 Satz 2 gilt § 5 6 Abs. 1 Satz 2 entsprechend. Der Richter ist deshalb gehalten, aufgrund aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und jede Schematisierung zu vermeiden (§ 5 6 Rdn. 29). Hierbei ist auch zu beachten, dass die Vorschrift nicht nur für Ersttäter gilt. Den früher in Absatz 2 enthaltenen Regelausschluss der Verwarnung mit Strafvorbehalt bei Vorverurteilungen oder -Verwarnungen während der letzten drei Jahre vor der Tat hat der Gesetzgeber durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 2 2 . 1 2 . 2 0 0 6 ersatzlos gestrichen, um für diese Fallkonstellationen der prognostischen Einzelfallbeurteilung des Tatrichters freien Raum zu lassen (BTDrucks. 16/3038 S . 5 9 ) . Allerdings wird eine Vorbelastung des Täters schon nach allgemeinen Grundsätzen der Prognosebeurteilung häufig daran zweifeln lassen, ob er durch eine - nochmalige bloße Verwarnung hinreichend zu beeindrucken ist. Die Anwendung des § 5 9 kommt aber dennoch in Betracht, wenn die Vorbelastung im zur Rede stehenden Einzelfall ausnahmsweise keine ungünstige Indizwirkung für die Prognosebeurteilung entfaltet, so z.B. beim Fehlen eines kriminologischen Zusammenhangs zwischen der früheren und der neuen Tat (so schon zur alten Rechtslage Groß M K Rdn. 14).
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2 . Würdigkeitsklausel (Nr. 2). Die Verwarnung mit Strafvorbehalt setzte bislang voraus, dass „eine Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere Umstände ergibt, nach denen es angezeigt ist, ihn von der Verurteilung zu Strafe zu verschonen". Die durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 2 2 . 1 2 . 2 0 0 6 geänderte Fassung des § 5 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sieht vor, dass „nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Täters besondere Umstände vorliegen, die eine Verhängung von Strafe entbehrlich machen". Nach wie vor enthält die sogenannte Würdigkeitsklausel 4 also zwei Elemente: Die „besonderen Umstände", die wie in der Umständeklausel des § 5 6 Abs. 2 und des § 5 7 Abs. 2 Nr. 2 vorliegen müssen, und zusätzlich die von ihnen ausgehende Indizwirkung, die dafür sprechen muss, den Täter zu schonen.
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Vgl. Dreher FS Maurach, 275,293; Schreiber FS Schaffstein, 275, 290.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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a) Besondere Umstände. Die Änderung des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 hat das Erfordernis der „besonderen Umstände" unberührt gelassen. Sie müssen sich aus der Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit ergeben. Insoweit war der Wortlaut des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 durch das 23. StRÄndG vom 13. April 1986 an die entsprechend geänderte Fassung des § 56 Abs. 2 angepasst worden, die den in der Rechtsprechung seinerzeit bereits vorherrschenden Tendenzen bei der Prüfung „besonderer Umstände" Rechnung tragen sollte (vgl. BTDrucks. 10/2720 S. 10 f, 12; BTDrucks. 10/4391 S. 16, 18). Mit Rücksicht hierauf kann für die Begriffsdefinition als solche auf die Ausführungen zu § 56 verwiesen werden (dort Rdn. 35-42). Dass an die „besonderen Umstände" im Falle des § 59 weniger strenge Anforderungen zu stellen sind,5 lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Entwicklungsgeschichte der Vorschrift herleiten.
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Für eine Anwendung des § 59 kommen demnach zunächst solche Ausnahmekonstellationen in Betracht, die schon nach der früher geltenden Rechtsprechung den Begriff der „besonderen Umstände" in seiner strengen Auslegung erfüllten (vgl. hierzu § 56 Rdn. 35). Besondere in der Person des Täters liegende Umstände sind demnach zu bejahen, wenn sich die Strafe für ihn sozial unverhältnismäßig hart auswirken oder er schon durch die bloße Verurteilung in unverhältnismäßige Schwierigkeiten kommen würde.6 Besondere Umstände in der Tat können darin liegen, dass die Tathandlung als solche nach Umfang und Intensität ungewöhnlich geringes Gewicht hat (BGH b. Dallinger MDR 1976 14; OLG Stuttgart wistra 1995 112, 113; OLG Celle NdsRpfl. 1977 89) oder einer unerwarteten und unausweichlichen Konfliktlage entspringt, die an Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe heranreicht (KG Berlin Urteil vom 30.12.1996 [4] 1 Ss 162/96 [67/96]).
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Allerdings ist der Anwendungsbereich der Würdigkeitsklausel nicht auf derartige Grenzkonstellationen beschränkt.7 Ebenso wie bei § 56 Abs. 2 können vielmehr nach der heute vorherrschenden Begriffsdefinition auch solche Umstände „besonderen" Charakter tragen, die im Vergleich mit gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsgründen von herausragendem Gewicht sind, und sei es nur durch das Zusammentreffen mehrerer, für sich allein jeweils nur durchschnittlicher Milderungsgründe (BayObLG wistra 2001 359; KG Berlin Urteil vom 30.12.1996 - [4] 1 Ss 162/96 [67/96]). Auch nachtatbezogene Umstände sind bei der Gesamtwürdigung gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 zu berücksichtigen (BGH wistra 1999 299). Die Überlänge des Verfahrens stellt zwar nicht schon für sich allein ohne weiteres einen besonderen Umstand dar, der die Anwendung des § 59 rechtfertigt (BGHSt 27, 274, 275 f = J R 1978 246 m. Anm. Peters; BGH NStZ-RR 2002 84, 85). Sie kann aber im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit eine gewichtige Rolle spielen und so den Ausschlag für die Annahme der Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 geben (BVerfG NJW 2003 2897, 2898). Es bedarf hierbei einer einzelfallbezogenen Abwägung unter Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes gegen das Beschleuni-
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So BayObLG N J W 1990 58; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 12 a.E.; Ruß L K 1 0 Rdn. 5. KG Berlin Urt. v. 3 0 . 1 2 . 1 9 9 6 - (4) 1 Ss 162/96 (67/96); OLG Stuttgart NStZ-RR 1996 75, 76; OLG Stuttgart wistra 1995 112; OLG Hamm N J W 1976 1221; BayObLG JR 1976 511; OLG Celle NdsRpfl. 1977 191 f; OLG Koblenz GA 1978 207.
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OLG Stuttgart NStZ-RR 1996 75, 76; OLG Stuttgart N Z V 1994 405, 4 0 6 ; BayObLG wistra 2001 3 5 9 f; BayObLG NJW 1990 58; KG Berlin wistra 1997 229, 2 3 0 ; KG Berlin Urt. v. 25.6.2001 - (3) 1 Ss 92/01 (41/01).
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Voraussetzungen der Verwarnung mit Strafvorbehalt
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gungsgebot und der sonstigen tat- und täterbezogenen Umstände (KG Berlin NZV 1997 126,127; vgl. ferner den Fall des LG Bremen StV 1998 378). b) Indizwirkung aa) Bisherige Rechtslage. Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in der bis zum 30.12.2006 gültigen Fassung musste es im Hinblick auf die besonderen Umstände angezeigt sein, den Täter von der Verurteilung zu Strafe zu verschonen. Diese Formulierung hatte der Gesetzgeber beim 23. StRÄndG bewusst unverändert gelassen; ein Gesetzentwurf der Opposition, der insoweit eine deutlich abgeschwächte Wendung („verantwortet werden kann") vorsah, um den Anwendungsbereich des § 59 zu erweitern (BTDrucks. 10/1116 S. 2, 9), war nicht angenommen worden. Zu Recht betonten daher bislang die Gerichte im Hinblick auf Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 den Ausnahmecharakter der Verwarnung mit Strafvorbehalt (vgl. auch Gribbohm LK 11 Rdn. 1, 8, 14). Die Vorschrift kam nur bei solchen Umständen zur Anwendung, die das zu beurteilende Delikt aus dem Kreis vergleichbarer, gewöhnlich vorkommender Durchschnittstaten deutlich herausheben, weil sie diesen gegenüber das Tatunrecht und die Schuld wesentlich mindern (BGH NStZ-RR 2002 84, 85; OLG Karlsruhe Justiz 2000 152 f; KG Berlin wistra 1997 229, 230). 8 Gerade in den Fällen eines Zusammentreffens mehrerer Milderungsgründe (vgl. Rdn. 11) konnten die besonderen Umstände nach bisheriger Rechtslage ein fehlendes Strafbedürfnis nur dann indizieren, wenn sie dem Sachverhalt gegenüber Durchschnittsfällen vergleichbarer Art das besondere Gepräge einer Ausnahme vom gewöhnlichen Erscheinungsbild gaben (OLG Stuttgart wistra 1995 112; OLG Stuttgart NZV 1994 405, 406; BayObLG bei Bär DAR 1994 384).
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Das Vorliegen dieser Voraussetzung war insbesondere bei den Straftaten im Straßenverkehr oft fraglich, da im Bereich dieser Massendelikte bestimmte mildernde Umstände nicht nur ausnahmsweise, sondern gehäuft auch im gewöhnlichen Fall vorkommen (Lackner/Gehrig NStZ 1984 314). Hinsichtlich einer Anwendung des § 59 auf durchschnittliche Verfehlungen im Straßenverkehr nahm die Rechtsprechung daher bislang auch bei geringer Tatschuld und geringen Tatfolgen - eine restriktive Haltung ein (OLG Stuttgart NZV 1994 405, 406; OLG Düsseldorf NStZ 1985 362 m. Anm. Horn = J R 1985 376 m. Anm. Schöch; abw. im Einzelfall einer Häufung mehrerer Milderungsgründe: OLG Celle StV 1988 109; OLG Zweibrücken NStZ 1984 312 f m. krit. Anm. Lackner/Gehrig).9 Zur Annahme besonderer Umstände aufgrund ungewöhnlicher Fallgestaltungen im Bereich der Straßenverkehrsdelikte vgl. AG Landstuhl MDR 1976 66: Fahrlässige Tötung bei schwerem Mitverschulden des Opfers und geringem Verschulden des Täters; AG Alzey DAR 1975 163: Fahrlässige Tötung beim Eiltransport einer Blutkonserve durch einen Polizeibeamten.
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bb) Neue Rechtslage. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in der seit 31.12.2006 geltenden Fassung muss aufgrund der besonderen Umstände nicht mehr die Verschonung angezeigt, sondern - nur noch - die Verhängung von Strafe entbehrlich erscheinen. Mit dieser deutlich abgeschwächten Formulierung bezweckte der Gesetzgeber eine „moderate Erweite-
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KG Berlin Urteile vom 25.6.2001 - (3) 1 Ss 92/01 (41/01), vom 10.4.2000 - (3) 1 Ss 3/00 (20/00), vom 20.7.1998 - (3) 1 Ss 38/98 (39/98) und vom 30.12.1996 - (4) 1 Ss 162/96 (67/96); OLG Stuttgart NStZ-RR 1996 75, 76; OLG Stuttgart wistra 1995 112, 113; OLG Stuttgart NZV 1994 405, 406;
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BayObLG NJW 1990 58; OLG Düsseldorf NStZ 1985 362, 363 m. Anm Horn = JR 1985 376 m. Anm. Schöch-, OLG Nürnberg Urt. v. 19.12.2006 - 2 St OLG Ss 180/06. Weniger streng ferner Buschbell DAR 1991 168, 170; Legat DAR 1985 105 ff.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
rung" der Verwarnung mit Strafvorbehalt, um ihre häufigere Anwendung zu fördern (BTDrucks. 16/3038 S. 25, 58 f). 15
In der Begründung des Regierungsentwurfs zum 2. Justizmodernisierungsgesetz wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Rechtsinstitut der Verwarnung mit Strafvorbehalt gegenüber dem in der Justizpraxis bislang vorrangigen Verfahren gemäß § 153a StPO wesentliche Vorzüge aufweise, weil es dort, wo eine Unrechtsbenennung erforderlich sei, eine „wertende Grenzziehung" durch die Schuldfeststellung in einem rechtsstaatlich abgesicherten Verfahren ermögliche (BTDrucks. 16/3038 S. 58). Ungeachtet dieser Ausführungen ist allerdings nicht zu erwarten, dass die Justizpraxis fortan zu Gunsten des Rechtsinstituts der Verwarnung mit Strafvorbehalt auf die wesentlich ökonomischere Verfahrenserledigung durch Einstellung nach den §§ 153, 153a StPO verzichten wird, denn deren gesetzliche Voraussetzungen sind unverändert geblieben (vgl. hierzu die Stellungnahme des BR zum RegE, BTDrucks. 16/3038 S. 72 f).
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Die maßgeblichen Auswirkungen der Neuregelung betreffen daher Fallkonstellationen außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 153, 153a StPO. Dort allerdings wird die Verwarnung mit Strafvorbehalt durch die Lockerung der Würdigkeitsklausel ihres Ausnahmecharakters weitgehend entkleidet. Auf die Bedenken, die mit der Einführung eines derartigen zusätzlichen „Filters der Straflosigkeit" zwischen Verfahrenseinstellung und der - erstmaligen - Verhängung eines Strafübels in speziai- und generalpräventiver Hinsicht verbunden sind, hat der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren - erfolglos - hingewiesen (BTDrucks. 16/3038 S. 72-74). Mit der Neufassung des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 setzt das 2. Justizmodernisierungsgesetz insoweit wortgleiche, seinerzeit nicht abschließend beratene Gesetzentwürfe aus der 14. und 15. Wahlperiode um, denen eine Erweiterung der gerichtlichen Sanktionsmöglichkeiten im Bereich kleinerer und mittlerer Kriminalität zwecks Vermeidung der unerwünschten Nebenwirkungen von Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen vorschwebte (BTDrucks. 14/9358 S. 4, 9 f, 11; BTDrucks. 15/2725 S. 9, 15 f, 18). Von der nahe liegenden - und in den früheren Entwürfen auch vorgesehenen (BTDrucks. 14/9358 S. 4 , 17; BTDrucks. 15/2725 S. 9, 29) - Möglichkeit einer Erweiterung des Maßnahmenkatalogs gemäß § 59a Abs. 2 hat man allerdings abgesehen.
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Angesichts der neuen Fassung des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 wird der Tatrichter fortan im Falle eines Vorliegens von tat- oder täterbezogenen Milderungsgründen regelmäßig prognostische Erwägungen anstellen (Absatz 1 Satz 1 Nr. 1) und - ähnlich wie bei § 5 6 Abs. 2 - prüfen müssen, ob den Milderungsgründen die Qualität besonderer Umstände zukommt, die eine Verhängung der Geldstrafe entbehrlich machen und die bloße Verwarnung - unter Umständen in Verbindung mit begleitenden Anordnungen gemäß § 59a Abs. 2 - ausreichend erscheinen lassen. Zwar dürfte die Verwarnung mit Strafvorbehalt nach wie vor seltener in Betracht kommen als die Strafaussetzung zur Bewährung im Falle des § 56 Abs. 2, denn die gesetzlich vorgesehene Variationsbreite möglicher Begleitanordnungen zur Einwirkung auf den Täter (§ 59a Abs. 2 einerseits, §§ 56b Abs. 2 und 56c andererseits) ist bei den beiden Rechtsinstituten völlig unterschiedlich (vgl. hierzu auch § 59a Rdn. 5). Dennoch zwingt die Neufassung der Würdigkeitsklausel den Tatrichter, die Verwarnung mit Strafvorbehalt im Bereich ihrer Anwendungsvoraussetzungen bei Geldstrafen bis zu einhundertachtzig Tagessätzen fortan vermehrt als Sanktionsart mit eigenständiger Bedeutung aufzufassen. Dies wird sich voraussichtlich insbesondere auf die Fallkonstellationen der Straßenverkehrsdelikte mit geringem Unrechtsgehalt auswirken (für die der Katalog des § 59a Abs. 2 Satz 1 in Nr. 1, 3 und 5 auch geeignete Maßnahmen zur Einwirkung jedenfalls auf Ersttäter vorsieht) und dort zu einer erheblichen Mehrbelastung der Gerichte führen (vgl. hierzu die Stellungnahme des BR zum RegE, BTDrucks. 16/3038 S. 73).
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Voraussetzungen der Verwarnung mit Strafvorbehalt
§59
3. Verteidigung der Rechtsordnung (Nr. 3). Für diesen generalpräventiven Ausschluss- 1 8 grund gelten dieselben Gesichtspunkte, die unter § 56 Rdn. 47 ff dargelegt sind. Danach steht die Verteidigung der Rechtsordnung einer Verwarnung mit Strafvorbehalt entgegen, wenn die bloße Verwarnung von einer vollständig über den Sachverhalt sowie seine Besonderheiten informierten Bevölkerung nicht verstanden und gebilligt würde, sie also das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen erschüttern könnte (BayObLG NJW 1990 58, 59; BayObLG wistra 2001 359, 360; KG Berlin Urteil vom 10.4.2000 - [3] 1 Ss 3/00 [20/00]). 10 Die Frage ist vom Gericht ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten und unter Einbeziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Dabei kann auch eine überlange Verfahrensdauer von Bedeutung sein (BGHSt 27 274, 275). Ebenso wie bei § 56 Abs. 3 (vgl. dort Rdn. 53) dürfen auch im Anwendungsbereich 1 9 des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 die generalpräventiven Erwägungen nicht zum Ausschluss bestimmter Tatbestände oder Tatbestandsgruppen von der Möglichkeit der Privilegierung führen. Insbesondere lässt sich in diesem Zusammenhang nicht das Argument verwenden, es müsse der Allgemeinheit unverständlich erscheinen, dass das Gesetz für die zur Rede stehende Straftat eine Verwarnung mit Strafvorbehalt vorsehe, während die nach dem Tatunrecht geringer einzustufende Ordnungswidrigkeit aus dem gleichen Lebensbereich mit einer hohen Geldbuße ohne die Möglichkeit einer Verwarnung mit Sanktionsvorbehalt bedroht sei (so aber Stuttgart NStZ-RR 1996 75, 76 f für den Fall einer umweltgefährdenden „Entsorgung" eines Autowracks).11 Bestehende Ungereimtheiten im Hinblick auf das Ordnungswidrigkeitenrecht mögen zwar gegen das Rechtsinstitut der Verwarnung mit Strafvorbehalt als solches sprechen (vgl. Zipf JuS 1974 146), lassen sich aber für die Gesetzesanwendung de lege lata nicht verwerten, zumal der Tatrichter in der Lage ist, sie erforderlichenfalls durch die Auferlegung einer Geldbuße gemäß § 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 zu vermeiden. 4. Rechtsprechungsübersicht. Zur Anwendung des § 59 auf Delikte im Straßenver- 2 0 kehr vgl. Rdn. 13, 17. Unter den Fallkonstellationen anderer Lebensbereiche, in denen eine Verwarnung mit Strafvorbehalt gewährt wurde, sei auf folgende Entscheidungen verwiesen: BVerfG FamRZ 2006 1094, 1095: Religiös motivierter Verstoß gegen die Schulpflicht; BGHSt 46 279: Einfuhr und Überlassung eines Betäubungsmittels in der altruistisch geprägten Absicht, einem unheilbar Schwerstkranken zum Freitod zu verhelfen; BGH wistra 1999 299: Embargoverstoß eines früheren DDR-Bürgers in Ausübung seiner damaligen beruflichen Tätigkeit; BGH b. Daliinger MDR 1976 14: Geringschwelliges sexuelles Fehlverhalten eines nicht vorbestraften Lehrers gegenüber einer Schülerin mit erheblichen Folgen für den Täter; BayObLG NJW 1990 58, LG Ellwangen StV 1989 112, 113: Nötigung durch Sitzblockade im Verlauf einer ansonsten friedlichen Demonstration; BayObLG wistra 2001 359 f: Versuchte Strafvereitelung durch einen Bankmitarbeiter im vermeintlichen Interesse des Arbeitgebers als singuläres Fehlverhalten in einer persönlichen und beruflichen Belastungssituation; LG Berlin wistra 1996 72, 73 m. Anm. Hohmann/Sander. Untreue durch weisungswidrige Veranlassung einer Abfindungszahlung an infolge der Wiedervereinigung gekündigte Arbeitnehmer; LG Frankfurt NJW 2005 692, 696 m. insoweit krit. Bespr. Ellbogen Jura 2005 339, 343: Nötigung durch Polizeibeamte
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KG Berlin Urteile vom 20.7.1998 - (3) 1 Ss 38/98 und vom 3 0 . 1 2 . 1 9 9 6 - (4) 1 Ss 162/96 (67/96; OLG Nürnberg Urt. v. 19.12.2006 2 St OLG Ss 180/06.
11
Ebenso BayObLG JR 1976 511, 512 m. Anm. Zipf; Dreher FS Maurach, 275, 2 9 0 ; wie hier Buschbell DAR 1991 168, 169 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
mittels Androhung körperlicher Gewalt mit dem Ziel, die Preisgabe des Aufenthaltsortes eines entführten Kindes zu erzwingen; AG Wennigsen NJW 1989 786: Fahrlässige Tötung durch nicht ordnungsgemäße Vornahme einer ärztlichen Leichenschau; AG Frankfurt NJW 1988 3029: Untreue durch Verbrauch einer Mietkaution für eigene Zwecke. 21
In folgenden Fällen wurde eine Verwarnung mit Strafvorbehalt nach Erörterung abgelehnt, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass diese Entscheidungen vor der Lockerung der Würdigkeitsklausel durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz ergingen: BGHSt 4 0 307 = J R 1995 433 m. Bespr. Weber J R 1995 403: Wahlfälschung im Auftrag der SED-Parteiführung; OLG Karlsruhe Justiz 2 0 0 0 152 f, OLG Nürnberg Urteil vom 19.12.2006 - 2 St OLG Ss 180/06: Wiederholte Erschleichung einer staatlichen Beihilfe mit hoher Schadensfolge; KG Berlin Urteil vom 10.4.2000 - (3) 1 Ss 3/00 (20/00): Erschleichung eines zweijährigen Aufenthaltsrechts in der Bundesrepublik mittels unrichtiger Angaben; KG Berlin Urteil vom 20.7.1998 - (3) 1 Ss 38/98 (39/98): Zivildienstflucht durch einen Zeugen Jehovas bei nicht wesentlich vom Durchschnittsfall abweichenden Tatumständen; KG Berlin Urteil vom 30.12.1996 - (4) 1 Ss 162/96 (67/96): Dreiwöchige Fahnenflucht eines infolge eigener Nachlässigkeit verspätet als Kriegsdienstverweigerer Anerkannten; KG Berlin NZV 1997 126 f: Lebensbedrohliche Tätlichkeit im Straßenverkehr als Reaktion auf vermeintliche Beleidigung; OLG Stuttgart NStZ-RR 1996 75: Umweltgefährdende Abfallbeseitigung (Autowrack) ohne Schadenseintritt; OLG Stuttgart wistra 1995 112: Herstellung salmonellenverseuchten Speiseeises.
IV. Tatrichterliche Entscheidung 22
1. Beurteilungsspielraum und Ermessen. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des § 59 erfüllt sind, steht dem Tatrichter - wie bei § 56 - ein Beurteilungsspielraum zu. Im Rechtsfolgenbereich ist die Regelung mit ihrer „Kann"-Formulierung als Ermessensvorschrift ausgestaltet. Die Auffassung, dass beim Vorliegen ihrer Anwendungsvoraussetzungen aus dem „Kann" ein „Muss" werde, das Gericht dann also die Verwarnung mit Strafvorbehalt aussprechen müsse, 12 widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Auch wenn alle Voraussetzungen gegeben sind, kann der Richter im Einzelfall zu dem - dann allerdings zu begründenden - Ergebnis kommen, dass es angebracht ist, die Strafsanktion zu verhängen. In besonders gelagerten Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung bislang jedoch vereinzelt eine „Ermessensreduzierung auf Null" angenommen (BGHSt 4 6 279, 291; OLG Celle StV 1988 109).
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2. Revisibilität. Da das Revisionsgericht den Beurteilungsspielraum und die Ermessensausübung des Tatrichters grundsätzlich zu respektieren hat, werden die Urteilsausführungen zu § 59 in der Revisionsinstanz nur auf ihre Vertretbarkeit nach Maßgabe der getroffenen Feststellungen überprüft (BayObLG wistra 2001 359; OLG Karlsruhe Justiz 2 0 0 0 152 f; KG Berlin NZV 1997 126). 1 3 Die Gewährung einer Verwarnung mit Strafvorbehalt ist hierbei rechtsfehlerhaft, wenn ihr keine rechtlich tragfähige und umfassende Gesamtwürdigung der „besonderen Umstände" gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zugrunde liegt (BGHSt 40, 307, 321; OLG Stuttgart NStZ-RR 1996 75, 76; KG Berlin
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Lackner/Kühl Rdn. 10; Sch/Schröder/Stree Rdn. 16; Rezbach S. 72. BayObLG NJW 1990 58; KG Berlin Urt.
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v. 3 0 . 1 2 . 1 9 9 6 - (4) 1 Ss 162/96 (67/96); OLG Celle NdsRpfl. 1 9 7 7 89, 90; OLG Schleswig SchlHA 1 9 7 7 178.
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Voraussetzungen der Verwarnung mit Strafvorbehalt
§59
NZV 1997 126). 14 Enthält das Urteil keine Ausführungen dazu, weshalb trotz entsprechenden Antrags der Verteidigung nicht auf Verwarnung mit Strafvorbehalt erkannt wurde, so liegt insoweit schon ein formeller Rechtsfehler (§ 267 Abs. 3 Satz 4 StPO), aber auch ein sachlich-rechtlicher Erörterungsmangel vor, denn die insoweit lückenhaften Urteilsgründe erlauben dem Revisionsgericht im Hinblick auf § 59 StGB keine umfassende Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs (BayObLG Beschl. vom 4.4.2002 5 St RR 96/02). 15 Außerhalb dieser Fallgestaltungen bedarf die Nichtanwendung der Vorschrift aus revisionsrechtlicher Sicht näherer Darlegungen im tatrichterlichen Urteil, wenn ausweislich der getroffenen Feststellungen Umstände vorlagen, die eine bloße Verwarnung mit Strafvorbehalt hätten nahe legen können (für die bis 30.12.2006 geltende Rechtslage vgl. hierzu OLG Düsseldorf NStZ 1985 362, 364 m. Anm. Horn = JR 1985 376 m. Anm. Schöch).16 Dies wird nach der Lockerung der Würdigkeitsklausel durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 häufiger als zuvor der Fall sein. Bei der Verhängung einer Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen sind daher Ausführungen zu § 59 im tatrichterlichen Urteil künftig zu empfehlen, sofern nicht die Annahme „besonderer Umstände" nach dem festgestellten Sachverhalt ohne weiteres ausscheidet.
V. Verfahrensrechtliches 1. Urteil. Die Verwarnung mit Strafvorbehalt wird in der Regel durch Urteil ausge- 2 4 sprochen; nach § 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StPO ist jedoch auch ein Strafbefehl möglich. Die Urteilsformel teilt den Schuldspruch mit und spricht die Verwarnung aus (§ 260 Abs. 4 Satz 4 StPO). In ihr wird ferner die verwirkte Geldstrafe entsprechend den allgemeinen Regeln (§§ 46, 40) nach Zahl und Höhe der Tagessätze festgesetzt und zum Ausdruck gebracht, dass die Verurteilung zu Geldstrafe vorbehalten bleibt. Der Urteilstenor könnte lauten: „Der Angeklagte ist einer fahrlässigen Körperverletzung schuldig. Er wird verwarnt. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 15,- € bleibt vorbehalten. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen". Die Tagessatzhöhe richtet sich nach den Verhältnissen des Täters zur Zeit des Urteilsspruchs. Über Zahlungserleichterungen (§ 42) ist nicht zu entscheiden, weil die Voraussetzung dafür - die Verhängung einer sofort zahlbaren Geldstrafe - fehlt und die Notwendigkeit von Zahlungserleichterungen zur Zeit des Urteilsspruchs auch in aller Regel nicht annähernd beurteilt werden kann. Für die abgekürzte Urteilsbegründung bei einer rechtskräftigen Verwarnung mit Strafvorbehalt bietet § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO in seiner durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 geänderten Fassung fortan die Möglichkeit einer Verweisung auf den zugelassenen Anklagesatz. 2. Rechtsmittelverfahren. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Rechtsmittel darauf 2 5 beschränkt werden kann, § 59 sei zu Unrecht angewandt oder nicht angewandt worden, ist zu beachten, dass die vom Gericht anzustellenden Erwägungen zu der Strafbemessung und einer Verwarnung mit Strafvorbehalt und die diesen Erwägungen zugrunde liegen-
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KG Berlin Urteile vom 30.12.1996 - (4) 1 Ss 162/96 (67/96), vom 10.4.2000 - (3) 1 Ss 3/00 (20/00) und vom 25.6.2001 - (3) 1 Ss 92/01 (41/01); OLG Nürnberg Urt. v. 19.12. 2006 - 2 St OLG Ss 180/06. Vgl. ferner BayObLG MDR 1980 951; OLG
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Düsseldorf JMB1NW 1996 216; OLG Celle StV 2001 159 (LS); KG Berlin Urt. v. 29.7. 1998 - (3) 1 Ss 158/98 (66/98). Vgl. ferner OLG Zweibrücken NStZ 1984
312 m. Anm. Lackner/Gehrig; OLG Zweibrücken StV 1986 187.
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S 59a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
den tatsächlichen Feststellungen in aller Regel ineinander übergehen. Eine Beschränkung ist deshalb im Allgemeinen nicht möglich. Eine gleichwohl vorgenommene Beschränkung ist unwirksam, das Rechtsmittel erfasst dann den ganzen Strafausspruch. 26
Weist das Urteil zur Frage einer etwaigen Anwendung des § 59 Rechtsfehler auf (vgl. Rdn. 23), so ist grundsätzlich auf die Revision der Strafausspruch aufzuheben und die Sache - insoweit - ans Tatgericht zurückzuverweisen (KG Berlin Urteil vom 30.12.1996 [4] 1 Ss 162/96 [67/96]). Zwar hat die Rechtsprechung bislang vereinzelt auch von der Möglichkeit einer eigenen Sachentscheidung durch das Revisionsgericht in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO Gebrauch gemacht, wenn die tatrichterlichen Feststellungen nicht mehr ergänzungsbedürftig erschienen (vgl. OLG Stuttgart wistra 1995 112: Aufrechterhaltung der durch das Tatgericht unter Vorbehalt bestimmten Strafe mit der Maßgabe einer vorbehaltlosen Verurteilung; BGHSt 46 279 und OLG Celle StV 1988 109: Verwarnung mit Vorbehalt einer Verhängung der vom Tatgericht ursprünglich vorbehaltlos vorgesehenen Geldstrafe). Wegen der hiergegen zu § 56 (dort Rdn. 33) bereits näher ausgeführten Bedenken dürfte eine derartige Vorgehensweise indes nur in Betracht kommen, wenn sich im Einzelfall ausschließen lässt, dass im Zeitraum seit der letzten tatrichterlichen Entscheidung eine Veränderung der Sachlage eingetreten ist, die für die Beurteilung des § 59 relevant sein, vom Revisionsgericht als reiner Rechtsinstanz aber nicht mehr berücksichtigt werden könnte. Hat der Tatrichter eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen und - rechtsfehlerhaft - daneben ein Fahrverbot verhängt, so kann das Revisionsgericht auf die allein durch den Angeklagten eingelegte Revision das Fahrverbot nicht mit der Begründung bestehen lassen, die Verwarnung sei zu Gunsten des Angeklagten falsch, und dieser Fehler beschwere ihn nicht (aA BayObLG NStZ 1982 258 mit aus zutreffenden Erwägungen ablehnender Anm. Meyer-Goßner).
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3. Wirkungen der Verwarnung mit Strafvorbehalt. Die Verwarnung ist keine Strafe. Ihr maßnahmeähnlicher Charakter rechtfertigt es jedoch, sie in den Anwendungsbereich möglicher Bezugssanktionen des § 154 einzubeziehen. Daher ist die Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO auch möglich im Hinblick auf eine erfolgte Entscheidung nach § 59 (LG Berlin NStZ 1994 450 f). Die Verwarnung wird in das Bundeszentralregister eingetragen ( § § 4 Nr. 3, 5 Abs. 1 Nr. 6 und 7 BZRG), nicht aber in das Führungszeugnis aufgenommen (§ 32 Abs. 2 Nr. 1 BZRG). § 7 Abs. 3 BZRG bestimmt, dass das Ende der Bewährungszeit einzutragen ist. Die Entfernung der Eintragung nach Ablauf der Bewährungszeit oder die Eintragung der vorbehaltenen Strafe ist in § 12 Abs. 2 BZRG geregelt.
§ 59a Bewährungszeit, Auflagen und Weisungen (1) Das Gericht bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. Sie darf zwei Jahre nicht überschreiten und ein Jahr nicht unterschreiten. (2) Das Gericht kann den Verwarnten anweisen, 1. sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen oder sonst den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, 2. seinen Unterhaltspflichten nachzukommen, 3. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
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Bewährungszeit, Auflagen und Weisungen
§ 59a
4. sich einer ambulanten Heilbehandlung oder einer ambulanten Entziehungskur zu unterziehen oder 5. an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verwarnten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden; auch dürfen die Auflagen und Weisungen nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 zur Bedeutung der vom Täter begangenen Tat nicht außer Verhältnis stehen. § 56c Abs. 3 und 4 und § 56e gelten entsprechend.
Entstehungsgeschichte Als die Verwarnung mit Strafvorbehalt flankierende Anordnungen waren ursprünglich nur Auflagen vorgesehen. Durch Art. 1 Nr. 13 des 23. StRÄndG wurde die Überschrift des § 59a (unter Aufnahme des Wortes „Weisungen") neu gefasst und zusätzlich zu der in Absatz 2 der Vorschrift enthaltenen Verweisung auf § 56b die Möglichkeit eingeführt, den Verwarnten zur Erfüllung von Unterhaltspflichten oder zur Durchführung einer ambulanten Heilbehandlung bzw. Entziehungskur anzuweisen (Absatz 3). Mit dem VerbrBekG vom 28.10.1994 hat der Gesetzgeber die Absätze 2 und 3 der Vorschrift durch Absatz 2 in seiner heute geltenden Fassung ersetzt. Ferner wurde das Höchstmaß der Bewährungszeit (Absatz 1 Satz 2) mit Wirkung ab 31.12.2006 von drei Jahren auf zwei Jahre herabgesetzt (2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006, BGBl. I S. 3416, 3432). Übersicht I. Sinn und Zweck der Vorschrift Π. Anordnungen 1. Bewährungszeit (Absatz 1 ) 2. Auflagen und Weisungen (Absatz 2) a) Allgemeines b) Maßnahmenkatalog aa) Ausgleichs- oder Schadenswiedergutmachungsbemühungen (Satz 1 Nr. 1) bb) Erfüllung von Unterhaltspflichten (Satz 1 Nr. 2) cc) Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten einer gemein-
Rdn. 1
Rdn. nützigen Einrichtung oder der Staatskasse (Satz 1 Nr. 3) . . . dd) Ambulante Heilbehandlung oder ambulante Entziehungskur (Satz 1 Nr. 4) ee) Teilnahme an einem Verkehrsunterricht (Satz 1 Nr. 5 . . . . c) Zusagen für die künftige Lebensführung d) Nachträgliche Änderungen
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7 9
ΠΙ. Verfahrensrechtliches
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I. Sinn und Zweck der Vorschrift § 59a enthält Regelungen für den Fall, dass es zu einer Verwarnung mit Strafvorbe- 1 halt kommt. Er bestimmt, welche Anordnungen (abgesehen von § 59 Abs. 3) mit der Verwarnung verbunden werden müssen oder dürfen.
Π. Anordnungen 1. Bewährungszeit (Absatz 1). Wie in § 56a Abs. 1 Satz 1 bestimmt das Gericht die 2 Dauer der Bewährungszeit. Sie betrug ursprünglich zwischen einem Jahr und drei Jahren. Durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 hat der Gesetzgeber das zu-
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§ 59a
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lässige Höchstmaß der Bewährungszeit mit Wirkung ab 3 1 . 1 2 . 2 0 0 6 auf zwei Jahre herabgesetzt, um dem geringen Gewicht der durch S 5 9 erfassten Straftaten Rechnung zu tragen und die Bereitschaft der Praxis zur Anwendung der Vorschrift durch eine Verringerung des Aufwandes bei der Bewährungsüberwachung zu fördern (BTDrucks. 16/3038 S. 59). Im Ergebnis bleibt dem Gericht damit nur noch wenig Spielraum bei der individuellen Bemessung der Bewährungsdauer, obwohl der Anwendungsbereich des Rechtsinstituts der Verwarnung mit Strafvorbehalt durch die Lockerung der Würdigkeitsklausel in § 5 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (vgl. hierzu § 5 9 Rdn. 1 4 - 1 7 ) erweitert worden ist. 3
Die in § 56a Abs. 2 enthaltene Regelung fehlt bei § 5 9 a . Für den Beginn der Bewährungszeit kann jedoch nichts anderes gelten als in § 5 6 a Abs. 2 Satz 1. Maßgebend ist auch hier der Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung Rechtskraft erlangt, womit das Urteil (oder der Strafbefehl) über die Verwarnung gemeint ist, nicht der Beschluss nach § 2 6 8 a StPO. O b sich der Verwarnte zu dieser Zeit in Freiheit oder in behördlicher Verwahrung befindet, ist unerheblich (§ 56a Rdn. 3). Streitig ist, ob auch die in § 56a Abs. 2 Satz 2 enthaltene Regelung über eine nachträgliche Verkürzung oder Verlängerung der Bewährungszeit entsprechend anwendbar ist. 1 Die Befürworter einer entsprechenden Anwendung rechtfertigen ihre Auffassung damit, dass der Ausschluss einer Verkürzung nicht begründbar sei und für eine nachträgliche Verlängerung ein Bedürfnis bestehe, weil ansonsten die entsprechende Anwendung von § 5 6 f Abs. 2 in Verbindung mit § 5 9 b Abs. 1 zum Nachteil des Verwarnten sachwidrig eingeschränkt werde; außerdem gehe § 4 5 3 Abs. 1 StPO von nachträglichen Entscheidungen auch im Bereich des § 5 9 a aus, ohne eine irgendwie geartete Einschränkung vorzunehmen. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. § 5 9 a Abs. 1 ist der Vorschrift des § 5 6 a nachgebildet, die ihrerseits identisch ist mit ihrer Vorläuferin, § 2 4 Abs. 1 und Abs. 2 in der Fassung des 1. StrRG. Hätte der Gesetzgeber die nachträgliche Veränderung der Dauer der Bewährungszeit auch im Rahmen der Verwarnung mit Strafvorbehalt gewollt, hätte es nahe gelegen, auch § 5 6 a Abs. 2 in § 59a aufzunehmen. Zutreffend weist Sch/Schröder/Stree Rdn. 3 darauf hin, dass § 4 5 3 Abs. 1 StPO keine Korrektur des § 59a in materiellrechtlicher Hinsicht entnommen werden kann. In diesem unteren Bereich der Kriminalität wollte der Gesetzgeber die Gerichte erkennbar und mit gutem Grund vor übermäßigem Aufwand, auch dem einer nachträglichen Änderung der Bewährungszeit, bewahren. Das Ende der Bewährungszeit berechnet sich demnach auf der Grundlage der Dauer, welche das Gericht gemäß § 5 9 a Abs. 1 Satz 1 bestimmt hat.
2. Auflagen und Weisungen (Absatz 2) 4
a) Allgemeines. Nach Absatz 2 kann das Gericht dem Verwarnten die in Satz 1 Nr. 1 bis 5 enumerativ aufgezählten Weisungen und Auflagen erteilen. Anders als bei den Regelungen zur Strafaussetzung (§ 5 6 b , § 56c) verzichtet der Wortlaut des § 59a Abs. 2 in seiner durch das VerbrBekG geänderten Fassung auf eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen Auflagen und Weisungen, um für den Bereich der Verwarnung mit Strafvorbehalt die grundsätzlich im Vordergrund stehende spezialpräventive Zielsetzung ergänzender Anordnungen zu betonen (BTDrucks. 12/6853 S. 22). Dieser Umstand ändert indes nichts an der Tatsache, dass der Katalog möglicher Maßnahmen nicht nur Weisungen mit spezialpräventiver Ausrichtung (Absatz 2 Satz 1 Nr. 2, 4 und 5), sondern auch
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Dafür Lackner/Kühl Rdn. 1; Horn SK Rdn. 3; dagegen Fischer Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3; Groß MK Rdn. 4.
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Auflagen enthält, denen aufgrund ihres Inhalts und ihrer Anlehnung an die entsprechenden Regelungen in § 56b repressiver Charakter im Sinne einer Genugtuung für begangenes Unrecht zukommt (Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und 3). Auf eine weiterhin sorgfältige Differenzierung zwischen beiden Maßnahmearten unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen ist der Tatrichter auch angewiesen, um das ihm durch Absatz 2 eingeräumte Ermessen („Kann-Vorschrift") sachgerecht ausüben zu können ( G r o ß MK Rdn. 5). Der Katalog möglicher Anordnungen trägt abschließenden Charakter, da eine Öffnungsklausel ähnlich der in § 56c Abs. 2 Satz 1 enthaltenen Formulierung („namentlich") nicht vorgesehen ist.2 Mit dem 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 wollte der Gesetzgeber zwar einerseits die häufigere Anwendung des Rechtsinstituts der Verwarnung mit Strafvorbehalt mittels Lockerung der Würdigkeitsklausel fördern. Hierbei wurde es andererseits aber verabsäumt, durch eine Öffnung des Weisungskatalogs und/oder die Zulassung der - gerade bei mittellosen Tätern sinnvollen - Auflage gemeinnütziger Leistungen den Kreis flankierender Begleitmaßnahmen zu erweitern, mit deren Hilfe eine Strafverhängung unter Umständen erst entbehrlich erscheinen mag (vgl. hierzu § 59 Rdn. 14-17).
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§ 59a Abs. 2 Satz 2 beschränkt die Zulässigkeit der in Satz 1 vorgesehenen Anordnungen zum einen durch die - auch im Bereich der Strafaussetzung bei § 56b Abs. 1 Satz 2 und § 56c Abs. 1 Satz 2 normierte - Unzumutbarkeitsklausel (1. Halbs.) und zum anderen - bezogen auf die Anordnungen gemäß Satz 1 Nr. 3 bis 5 - durch einen deklaratorischen Hinweis auf den allgemein geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (2. Halbs.; vgl. hierzu BTDrucks. 12/6853 S. 23). Bei den Maßnahmen gemäß Satz 1 Nr. 1 und 2 (Ausgleichs- oder Schadenswiedergutmachungsbemühungen sowie Erfüllung von Unterhaltspflichten) scheidet ein Verstoß gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit regelmäßig aus.
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b) Maßnahmenkatalog aa) Ausgleichs- oder Schadenswiedergutmachungsbemühungen (Satz 1 Nr. 1). Durch die in der Formulierung an § 46a Nr. 1 angeglichene Auflage, sich um einen Ausgleich mit dem Verletzten zu bemühen, soll der Täter-Opfer-Ausgleich auch im Bereich der Verwarnung mit Strafvorbehalt verankert werden (BTDrucks. 12/6853 S. 22). Die 1. Alternative der Nr. 1 bezeichnet über die eigentliche Schadenswiedergutmachung hinausgehende Maßnahmen kommunikativer Art, durch die der Rechtsfrieden wieder hergestellt werden soll. Da eine Aussöhnung mit dem Opfer naturgemäß nicht erzwingbar ist, kann dem Verwarnten nur ein dahingehendes Bemühen auferlegt werden (BTDrucks. 12/6853 S. 22), was die Regelung im Hinblick auf eine etwaige spätere Feststellung von Auflagenverstößen (§ 59b Abs. 1 i.V.m. S 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) wenig praktikabel erscheinen lässt (vgl. auch Groß MK Rdn. 9).
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Die Anordnung, sich um eine Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens zu bemühen (2. Alternative der Nr. 1), unterscheidet sich von der für den Bereich der Strafaussetzung vorgesehenen Auflage („nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen") allenfalls graduell (BTDrucks. 12/6853 S. 23), so dass insoweit auf die Ausführungen zu § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr 1 (Rdn. 5 ff) verwiesen werden kann. Der Umstand, dass § 59a Abs. 2 auch in diesem Zusammenhang auf ein
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Groß MK Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 1; Lackner/Kühl Rdn. 2.
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bloßes Bemühen des Verwarnten abstellt, steht der konkreten Bezifferung einer Wiedergutmachungsleistung nicht entgegen, sofern diese unter Berücksichtigung der zivilrechtlichen Anspruchslage und der Leistungsfähigkeit des Verwarnten festgesetzt wird. 9
bb) Erfüllung von Unterhaltspflichten (Satz 1 Nr. 2). Die an den Verwarnten gerichtete Weisung, seinen Unterhaltspflichten nachzukommen, wurde schon durch das 23. StrRÄndG aus dem für die Strafaussetzung zur Bewährung geltenden Weisungskatalog übernommen. Auf die Ausführungen zu § 56c Abs. 2 Nr. 5 (dort Rdn. 13) kann verwiesen werden.
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cc) Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse (Satz 1 Nr. 3). Die Möglichkeit der Anordnung einer Zahlung an die in Satz 1 Nr. 3 genannten Institutionen entspricht den bei der Strafaussetzung durch § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 4 vorgesehenen Auflagen; vgl. zunächst dort Rdn. 13 ff, 24 ff. Im Bereich der Verwarnung mit Strafvorbehalt dürfte eine Zahlungsauflage zu empfehlen sein, wenn ein Fall vorliegt, der die völlig sanktionslose Verwarnung im Hinblick auf Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts unbillig erscheinen lässt (vgl. hierzu § 59 Rdn. 19). Für die Höhe der Geldbuße bestehen keine formellen Grenzen. Sie ist zwar nicht durch die Höhe der vorbehaltenen Geldstrafe begrenzt (aA Horn SK 8 Rdn. 5), muss sich aber im Hinblick auf die Zumutbarkeitsklausel (Satz 2, 1. Halbs.) in einem angemessenen Rahmen halten.
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Der bei der Strafaussetzung durch § 56b Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich angeordnete Vorrang der Schadenswiedergutmachung gegenüber den Zahlungsauflagen sonstiger Art (s. § 56b Rdn. 12, 13, 24) beansprucht auch für den Bereich der Verwarnung mit Strafvorbehalt Geltung,3 denn auch hier stand bei der Neugestaltung des Weisungs- und Auflagenkatalogs durch das VerbrBekG der Gedanke des Täter-Opfer-Ausgleichs, der Schadenswiedergutmachung und der Wiederherstellung des Rechtsfriedens im Vordergrund (BTDrucks. 12/6853 S. 22 f). Scheidet eine Anordnung nach Nr. 1 aus, hält das Gericht zugleich aber eine Geldzahlungsauflage im Genugtuungsinteresse für angebracht, so ist den gemeinnützigen Einrichtungen in der Regel die Priorität vor der Staatskasse zu geben (vgl. § 56b Rdn. 24). Der dem VerbrBekG zugrunde liegende Ursprungsentwurf hatte diesbezüglich sogar noch vorgesehen, die Geldzahlungsauflage zu Gunsten der Staatskasse aus dem Katalog möglicher Anordnungen bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt vollkommen zu streichen (BTDrucks. 12/6853 S. 5, 23); erst im weiteren Verlauf der gesetzgeberischen Beratungen war die Staatskasse als möglicher Zahlungsempfänger wieder aufgenommen worden (vgl. BTDrucks. 12/7837 S. 2).
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dd) Ambulante Heilbehandlung oder ambulante Entziehungskur (Satz 1 Nr. 4). Die Weisung einer Teilnahme an Therapiemaßnahmen ambulanter Art ist in § 59a bereits seit dem 23. StrRÄndG vorgesehen (zur entsprechenden Anordnung im Bereich der Strafaussetzung zur Bewährung vgl. § 56c Rdn. 19). Eine Anordnung stationärer Unterbringung sieht das Gesetz nicht vor, da derartige Maßnahmen für die der Verwarnung mit Strafvorbehalt regelmäßig zugrunde liegenden Fälle leichterer Kriminalität von vornherein als unangemessen und unverhältnismäßig ausscheiden. Durch die in Absatz 2 Satz 3 enthaltene Verweisung auf § 56c Abs. 3 (vgl. die dortigen Erläuterungen Rdn. 14-16) wird klargestellt, dass die Anordnung einer Entziehungskur stets der Einwilligung des Ver-
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Ebenso Groß MK Rdn. 12; Rdn. 7.
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Sch/Schröder/Stree
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warnten bedarf und dass für die Weisung einer ambulanten Heilbehandlung Gleiches gilt, sofern diese mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. ee) Teilnahme an einem Verkehrsunterricht (Satz 1 Nr. 5). Als für Straßenverkehrsdelikte bedeutsame Anordnung mit spezialpräventiver Ausrichtung sieht § 59a Abs. 2 seit der Änderung durch das VerbrBekG ausdrücklich die Möglichkeit vor, den Verwarnten zur Teilnahme an einem Verkehrsunterricht anzuweisen (zur entsprechenden Weisung im Bereich der Strafaussetzung zur Bewährung vgl. § 56c Rdn. 7). Dem Bestimmtheitsgebot dürfte hierbei Genüge getan sein, wenn dem Verwarnten auferlegt wird, die Belegung einer entsprechenden Unterrichtsveranstaltung mit Gesamtprogramm bei einem seriösen Anbieter nachzuweisen.4
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c) Zusagen für die künftige Lebensführung. Von der Erteilung der in Absatz 2 Satz 1 Nr. 2, 4 und 5 vorgesehenen Weisungen sieht das Gericht in der Regel vorläufig ab, wenn der Verwarnte entsprechende Zusagen für seine zukünftige Lebensführung macht und deren Einhaltung zu erwarten ist, Absatz 2 Satz 3 i.V.m. § 56c Abs. 4 (vgl. dort Rdn. 22). Auf eine entsprechende Regelung für Anerbieten im Bereich der Auflagen (vgl. § 56b Abs. 3) hat der Gesetzgeber bei der Änderung des § 59 durch das VerbrBekG aus nicht nachvollziehbaren Gründen verzichtet (BTDrucks. 12/6853 S. 23), obwohl der bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt zulässige Maßnahmenkatalog in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 weiterhin Anordnungen vorsieht, denen Genugtuungsfunktion zukommt und die daher den Charakter einer Auflage tragen. Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung kann der Richter allerdings von einer grundsätzlich im Genugtuungsinteresse für erforderlich gehaltenen Geldzahlungsanordnung vorläufig absehen, wenn er ein entsprechendes freiwilliges Anerbieten des Verwarnten für hinreichend ernsthaft hält.
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d) Nachträgliche Änderungen. Die in Absatz 2 Satz 3 enthaltene Verweisung auf 15 § 56e bringt zum Ausdruck, dass der Tatrichter innerhalb der Bewährungszeit flankierende Anordnungen abändern oder nachträglich erstmals treffen kann, sofern dies aufgrund neu hervorgetretener Umstände im Resozialisierungsinteresse (betreffend Weisungen) oder zu Genugtuungszwecken (betreffend Auflagen) erforderlich ist. Durch die Anordnung der nur „entsprechenden" Anwendung des § 56e ist allerdings zugleich klargestellt, dass eine nachträgliche Entscheidung nur in den Grenzen des durch Satz 1 abschließend vorgesehenen Maßnahmenkatalogs zulässig ist. 5 Die Abänderung oder Erstanordnung flankierender Maßnahmen wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Verwarnte bereits erteilten Anweisungen nicht fristgemäß nachgekommen ist oder eine Zusage für die künftige Lebensführung beziehungsweise das freiwillige Anerbieten einer Genugtuungsleistung nicht eingehalten hat (Rdn. 14). Der Verweis auf § 56e ermöglicht keine bloße Korrektur der Ursprungsentscheidung bei unveränderter Sachlage. Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf die Ausführungen zu § 56e verwiesen werden.
ΙΠ. Verfahrensrechtliches Wird der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt, so trifft das Gericht die in § 59a bezeichneten Entscheidungen über Bewährungszeit, Auflagen und Weisungen durch Be-
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Ebenso Groß MK Rdn. 14; strenger Sch/Schröder/Stree Rdn. 9.
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Groß MK Rdn. 16.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
schluss, der mit dem Urteil zu verkünden ist (§ 268a Abs. 1 StPO). Zu den Einzelheiten der Beschlussfassung, zur Anfechtbarkeit und zur Geltung des Verschlechterungsverbots vgl. § 56a Rdn. 6 - 1 0 , S 56b Rdn. 2 9 - 3 4 und S 56c Rdn. 33. Das Gericht überwacht den Verurteilten während der Bewährungszeit, namentlich die Erfüllung der erteilten Auflagen und Weisungen sowie der nach § 59a gemachten Anerbieten und Zusagen (§ 453b Abs. 1 StPO). Die Zuständigkeit hierfür sowie für nachträgliche Entscheidungen (Rdn. 15) richtet sich nach § 462a StPO. Das Gericht trifft seine Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, der mit der eingeschränkten Beschwerde angefochten werden kann (§ 453 StPO; hierzu näher § 56e Rdn. 8).
§ 59b Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (1) Für die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe gilt § 56f entsprechend. (2) Wird der Verwarnte nicht zu der vorbehaltenen Strafe verurteilt, so stellt das Gericht nach Ablauf der Bewährungszeit fest, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden hat.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch das 2. StrRG in das StGB eingefügt.
Übersicht Rdn.
Rdn. b) Verlängerung der Bewährungszeit
I. Sinn und Z w e c k der Vorschrift Π. Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe
.
c) Zeitpunkt der Entscheidung
.
1. Verurteilung
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ΙΠ. Feststellung g e m ä ß Absatz 2
a) Voraussetzungen
1. NichtVerurteilung
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b) Die Strafe
2.
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c) Anrechnungen d) Zeitpunkt der Entscheidung
Zeitpunkt der Feststellung
3. Wirkungen . . . .
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IV. Verfahrensrechtliches
2 . Absehen von der Verurteilung
1. Bei Verurteilung
a) Weitere Auflagen und Weisungen
2 . Bei Feststellung g e m ä ß Absatz 2 . . .
15 .
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I. Sinn und Zweck der Vorschrift 1
Während § 59 die Voraussetzungen der Verwarnung mit Strafvorbehalt und § 59a die bei einer solchen Verwarnung notwendigen und möglichen Anordnungen (über Bewährungszeit, Auflagen und Weisungen) regelt, bestimmt § 59b, wie das Verfahren nach Schuldspruch und Verwarnung endgültig abgeschlossen wird: entweder durch Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (und deren Vollstreckung) oder durch die Feststellung, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden hat. Zieht man insoweit Parallelen zwischen der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56) und der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59), so lässt sich die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 59b Abs. 1) mit dem Widerruf der Strafaussetzung (§ 56f Abs. 1) und die Feststellung gemäß § 59b Abs. 2 mit
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Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe
dem Straferlass nach § 56g Abs. 1 vergleichen (ebenso Groß MK Rdn. 1). Den Vorschriften des § 56f Abs. 1 und des § 59b Abs. 1 ist gemeinsam, dass beide im Vollstreckungsverfahren die Wirkung des im Erkenntnisverfahren ergangenen Urteils ändern, indem sie die im Urteil bezeichnete oder vorbehaltene Strafe vollstreckbar machen.
Π. Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe Nach § 59b Abs. 1 gilt für die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe § 56f entsprechend. Damit wird zwar auf alle Absätze dieser Vorschrift verwiesen. Doch kommt deren sinngemäße Geltung nur in Betracht, soweit sie sich in dem durch § 59a vorgegebenen Rahmen hält. Daraus ergeben sich Konsequenzen insbesondere für die Anwendbarkeit des § 56f Abs. 2 (Rdn. 8 ff).
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1. Verurteilung a) Voraussetzungen. Sofern nicht entsprechend § 56f Abs. 2 zu verfahren ist 3 (Rdn. 8 ff), wird der Verwarnte verurteilt, wenn er in der Bewährungszeit (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ) oder in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Verwarnung und deren Rechtskraft (§ 56f Abs. 1 Satz 2 Alt. 1) eine neue Straftat begeht, wenn er sich in der Bewährungszeit eines gröblichen oder beharrlichen Verstoßes gegen Weisungen oder Auflagen schuldig macht und wenn die in § 56f Abs. 1 Satz 1 diesbezüglich bezeichneten übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Wegen der Einzelheiten vergleiche die Erläuterungen zu § 56f; doch ist stets zu bedenken, dass es im Rahmen des § 59b Abs. 1 nur um eine sinngemäße Geltung jener Vorschrift geht. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine geringfügige neue Straftat zeigt, dass die mit der Verwarnung verbundene Erwartung künftiger straffreier Führung nicht mehr begründet ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Es lässt sich nicht allgemein sagen, dass der an die Erwartung zu legende Maßstab bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt strenger ist als bei der Strafaussetzung zur Bewährung (ebenso Groß MK Rdn. 3; aA Sch/Schröder/Stree Rdn. 2; Ruß LK 10 Rdn. 2). Richtig ist dagegen, dass eine leichte Straftat im Einzelfall zum Widerruf einer Strafaussetzung möglicherweise nicht ausreicht, während sie für eine Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe genügen kann. Da § 59b Abs. 1 auch auf die 2. Alternative des § 56f Abs. 1 Satz 2 in seiner durch das Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 geänderten Fassung verweist, kommt fortan die Verurteilung zu einer entsprechend § 55 nachträglich vorbehaltenen Gesamtgeldstrafe (Fall des § 59c Abs. 1, vgl. dort Rdn. 4) in Betracht, wenn der Täter vor dieser Entscheidung, aber nach der Verwarnung in einer der einbezogenen Sachen eine Straftat begangen hatte, die bei der Verwarnung im Verfahren gemäß § 55 nicht berücksichtigt werden konnte und im Fall ihrer Berücksichtigung zur Nichtanwendung des § 59 geführt hätte (vgl. § 56f Rdn. 4 a - e , 16a).
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b) Die Strafe. Das Gericht ist hinsichtlich der Höhe an die im Urteil (Strafbefehl) vorbehaltene Strafe gebunden. Änderungen sind auch dann nicht zulässig, wenn sich zwischenzeitlich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verwarnten geändert haben und die Tagessatzhöhe nunmehr anders zu bemessen wäre. Im Falle einer Änderung der Verhältnisse zum Nachteil des Verwarnten können Zahlungserleichterungen gem. § 42 gewährt werden. Außerdem bietet § 459f StPO im Vollstreckungsverfahren Möglichkeiten, einer unbilligen Härte für den Verurteilten Rechnung zu tragen.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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c) Anrechnungen. Das Gericht kann, wenn es den Verwarnten zu der vorbehaltenen Strafe verurteilt, Leistungen, die er zur Erfüllung einer Geldzahlungsauflage nach § 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 erbracht hat, auf die Geldstrafe anrechnen (§ 59b Abs. 1 in Verbindung mit § 56f Abs. 3 Satz 2). Zu Fragen der Anrechnung (Ermessen des Gerichts, Maßstab und Modalitäten) siehe § 56f Rdn. 53 ff.
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d) Zeitpunkt der Entscheidung. Liegen die Voraussetzungen einer Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe vor, so kann die Entscheidung nach Absatz 1 auch noch nach Ablauf der Bewährungszeit getroffen werden (ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; vgl. ferner Horn SK Rdn. 8). Die Frage, wie lange dies nach Ablauf der Bewährungsfrist noch zulässig ist, ist nicht eindeutig zu beantworten. Die Bedenken, die gegen die Zulässigkeit eines Widerrufs der Strafaussetzung geltend gemacht werden, wenn ein erheblicher Zeitraum seit dem Ablauf der Bewährungszeit verstrichen ist (§ 56f Rdn. 50 f), gelten hier in verstärktem Maße. Eine Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe ist jedenfalls nicht mehr zulässig, nachdem gemäß Absatz 2 die Feststellung getroffen worden ist, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden habe.
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2. Absehen von der Verurteilung. Da § 59b Abs. 1 „für die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe" allgemein auf die entsprechende Geltung des § 56f verweist, gilt für die Prüfung, ob zu verurteilen ist, grundsätzlich auch dessen Absatz 2. Das Gericht hat deshalb unter bestimmten Voraussetzungen von der Verurteilung abzusehen, obwohl deren Voraussetzungen nach § 56f Abs. 1 - z.B. eine neue Straftat des Verwarnten erfüllt sind. Bei dieser Prüfung sind aber, wie sich aus der nur entsprechenden Geltung des § 56f Abs. 2 ergibt, die Besonderheiten zu beachten, welche der Vorschrift des § 59a zu entnehmen sind.
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a) Weitere Auflagen und Weisungen. Das Gericht verzichtet auf die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe zu Gunsten ergänzender Maßnahmen im Bereich der Spezialprävention oder der Genugtuung für begangenes Unrecht, sofern diese zur hinreichenden Einwirkung auf den Verwarnten ausreichen. Insoweit kann grundsätzlich auf die Ausführungen zu § 56f Abs. 2 (dort Rdn. 28-31) verwiesen werden, wobei allerdings die Modifikationen zu beachten sind, die sich aus der nur entsprechenden Anwendbarkeit der Vorschrift ergeben: Zum einen kommt die Anordnung „minder schwerer Maßnahmen" nach Ablauf der Bewährungszeit nicht mehr in Betracht (Rdn. 11); zum anderen ist der Kreis möglicher Maßnahmen durch den in § 59a Abs. 2 Satz 1 vorgesehenen Anweisungskatalog begrenzt (ebenso Groß MK Rdn. 2, 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; Fischer Rdn. 1). Daher ist es z.B. unzulässig, den Verwarnten zur Vermeidung der Verurteilung einem Bewährungshelfer zu unterstellen (§ 56f Abs. 2 Satz 1 Nr. 1).
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b) Verlängerung der Bewährungszeit. Auch eine solche Anordnung, die § 56f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zulässt, ist im Rahmen der nach § 59b Abs. 1 gebotenen entsprechenden Anwendung ausgeschlossen. Die in § 56f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 getroffenen Regelungen zur Verlängerung der Bewährungszeit als widerrufsersetzender Maßnahme knüpfen für den Bereich der Strafaussetzung zur Bewährung an eine grundsätzlich existierende Verlängerungsmöglichkeit an (§ 56a Abs. 2 Satz 2), die bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt gerade fehlt. § 59a Abs. 1 sieht eine Änderung - insbesondere Verlängerung - der ursprünglich bestimmten Bewährungszeit nicht vor; der Gesetzgeber hat sie für die Verwarnung mit Strafvorbehalt ersichtlich nicht gewollt (§ 59a Rdn. 3). Für sie ist deshalb auch als außerordentliche Verlängerung im Rahmen des § 56f Abs. 2 kein
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Verurteilung zu der vorbehalten«! Strafe
§ 59b
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Raum. Unabhängig von diesen grundsätzlichen Erwägungen ist es im Bereich der Verwarnung mit Strafvorbehalt auch sachlich nicht gerechtfertigt, dem Verwarnten nach einem Fehlverhalten der in § 56f Abs. 1 Satz 1 beschriebenen Art die Verurteilung zur vorbehaltenen Geldstrafe durch eine Verlängerung der Bewährungszeit nochmals zu ersparen (so für den Regelfall auch Sch/Schröder/Stree Rdn. 8). c) Zeitpunkt der Entscheidung. Die Frage, ob der Verwarnte zu der vorbehaltenen 11 Strafe zu verurteilten oder von der Verurteilung abzusehen ist, stellt sich mit beiden Alternativen jedenfalls dann, wenn die neue Straftat oder ein Verstoß des Verwarnten gegen Auflagen oder Weisungen noch während des Laufs der Bewährungszeit bekannt wird, und zwar so rechtzeitig, dass noch vor deren Ablauf die Entscheidung über das Absehen von der Verurteilung ergehen und der Verwarnte weitere Auflagen oder Weisungen erfüllen kann. Nach Ablauf der Bewährungszeit kommt ein förmliches Absehen von der Verurteilung gemäß § 59b Abs. 1 in Verbindung mit § 56f Abs. 2 nicht mehr in Betracht, weil neue Auflagen oder Weisungen nur im Rahmen der laufenden Bewährungsfrist möglich sind. In einem solchen Fall bleibt dem Gericht nur die Feststellung nach § 59b Abs. 2, wenn es das Fehlverhalten des Verwarnten, wäre es ihm rechtzeitig bekannt geworden, nicht zum Anlass für die Verurteilung genommen, sondern von der Verurteilung abgesehen hätte.
ED. Feststellung gemäß Absatz 2 1. Nichtverurteilung. Die Feststellung, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden 12 hat, trifft das Gericht nach Ablauf der Bewährungszeit, wenn es den Verwarnten nicht zu der vorbehaltenen Strafe verurteilt. Das ist der Fall, wenn sich der Verwarnte während der Dauer der Bewährungszeit beanstandungsfrei (im Sinne des § 59b Abs. 1 in Verbindung mit § 56f Abs. 1) geführt oder wenn er zwar gefehlt hat, das Gericht aber entweder förmlich von der Verurteilung abgesehen hat (§ 59b Abs. 1 in Verbindung mit § 56f Abs. 2) oder eine solche Entscheidung erlassen hätte, wenn nicht die Bewährungsfrist bereits abgelaufen wäre (Rdn. 11). 2. Zeitpunkt der Feststellung. Die Feststellung kann nach ausdrücklicher gesetzlicher 13 Bestimmung erst nach Ablauf der Bewährungszeit getroffen werden. Vorher kann noch nicht beurteilt werden, ob sich der Verwarnte bewährt hat. Die Bewährungszeit kann auch nicht zu dem Zweck abgekürzt werden, eine vorzeitige Feststellung gemäß § 56b Abs. 2 zu ermöglichen (vgl. § 59a Rdn. 3). 3. Wirkungen. Mit der Feststellung nach § 59b Abs. 2 wird klargestellt, dass der Ver- 14 warnte endgültig von Strafe verschont bleibt und wegen der der Verwarnung zugrunde liegenden Tat nicht vorbestraft ist. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BZRG wird die Eintragung über die Verwarnung aus dem Register entfernt mit der Folge, dass hinsichtlich der zugrunde liegenden Tat nach § 51 Abs. 1 BZRG ein Verwertungsverbot entsteht (BGHSt 28 338). Eine dem § 56g Abs. 2 entsprechende Regelung sieht das Gesetz bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt nicht vor. Die gerichtliche Feststellung, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden habe, kann deshalb nicht widerrufen werden. Leistungen, die der
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AA die wohl herrschende Meinung in der Kommentarliteratur: Groß MK Rdn. 4;
Fischer Rdn. 1; Sch/Schröder/Stree Horn SK Rdn. 2.
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Rdn. 8;
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§ 59c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Verwarnte im Rahmen des § 59a Abs. 2 erbracht hat, werden nicht erstattet. Mit der Feststellung, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden habe, wird die vorbehaltene Geldstrafe hinfällig. Ist im Urteil neben der Verwarnung auf Verfall, Einziehung oder Unbrauchbarmachung erkannt worden (§ 59 Abs. 3 Satz 1), so bleiben diese Anordnungen auch nach der Feststellung gem. § 59b Abs. 2 bestehen (Fischer Rdn. 2). IV. Verfahrensrechtliches 15
1. Bei Verurteilung. Das Gericht trifft seine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, aber nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und des Verwarnten, durch Beschluss (§ 453 Abs. 1 StPO), gegen den sofortige Beschwerde zulässig ist (§§ 453 Abs. 2 Satz 3, 311 StPO). Zuständig für die Entscheidung ist grundsätzlich das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 und 4 StPO); bei Verwarnten, die im Verlauf der Bewährungszeit in anderer Sache Strafhaft verbüßt haben, besteht nach den zu § 56f Rdn. 61 dargestellten Grundsätzen die sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer (§ 462a Abs. 1 und Abs. 4 Satz 3 StPO).2 Die rechtskräftige Entscheidung wird nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BZRG in das Bundeszentralregister eingetragen. Bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen ist ein Wiederaufnahmeverfahren notwendig (Lackner/Kühl 2 5 Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6). Dies ergibt sich daraus, dass die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe sachlich Teil des früheren Urteils ist.
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2. Bei Feststellung gemäß Absatz 2. Auch diese Entscheidung trifft das nach § 462a StPO zuständige Gericht (vgl. Rdn. 15) durch Beschluss (§§ 453 Abs. 1), der mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist (§ 453 Abs. 2 Satz 3 StPO). Das Absehen von der Verurteilung gemäß § 59b Abs. 1 in Verbindung mit § 56f Abs. 2 gehört zwar zu den nachträglichen Entscheidungen im Sinne des § 453 Abs. 1 Satz 1 StPO, die sich auf die Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen. Gegen sie ist aber nach dem eindeutigen Wortlaut des § 453 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO nur die einfache Beschwerde mit eingeschränktem Prüfungsmaßstab (Gesetzwidrigkeit der Maßnahme) gegeben.
§ 59c Gesamtstrafe und Verwarnung mit Strafvorbehalt (1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, so sind bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt für die Bestimmung der Strafe die § § 5 3 bis 55 entsprechend anzuwenden. (2) Wird der Verwarnte wegen einer vor der Verwarnung begangenen Straftat nachträglich zu Strafe verurteilt, so sind die Vorschriften über die Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53 bis 55 und 58) mit der Maßgabe anzuwenden, dass die vorbehaltene Strafe in den Fällen des § 55 einer erkannten Strafe gleichsteht. Schrifttum Deckenbrock/Dötsch Nachträgliche Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung einer Verwarnung mit Strafvorbehalt, NStZ 2 0 0 3 346.
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AA Groß MK Rdn. 6.
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Gesamtstrafe und Verwarnung mit Strafvorbehalt
§ 59c
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch das 2. StrRG in das StGB eingefügt.
Übersicht Rdn. I. Sinn und Zweck der Vorschrift Π. Verwarnung bei Tatmehrheit (Absatz 1) . 1. Gleichzeitige Aburteilung 2. Nachträgliche Gesamtstrafenbildung . ΠΙ. Verurteilung zu Strafe nach Verwarnung (Absatz 2)
1 2 3 4
Rdn. IV Nebenentscheidungen 1. In den Fällen des Absatzes 1 2. In den Fällen des Absatzes 2 V. Verfahrensrechtliches
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I. Sinn und Zweck der Vorschrift § 59c ermöglicht im Anwendungsbereich der Verwarnung mit Strafvorbehalt eine Ge- 1 samtstrafenbildung aus mehreren vorbehaltenen Einzelgeldstrafen (Absatz 1) sowie aus einer vorbehaltenen und einer später verhängten Einzelgeldstrafe (Absatz 2). Während man die Regelung des § 59c Abs. 1 als folgerichtige Übertragung des Instituts der Gesamtstrafe auf die Verwarnung mit Strafvorbehalt ansehen kann, führt Absatz 2 durch eine Gleichstellung zwischen Verwarnung und Verurteilung für die Zwecke der Gesamtstrafenbildung (vgl. Rdn. 6) - zur nachträglichen Korrektur einer rechtskräftigen Entscheidung. Die Vorschrift trägt dem Gedanken Rechnung, dass sich die Verwarnung wegen einer Straftat durch die nachträgliche Bestrafung wegen einer vor der Verwarnung begangenen zweiten Straftat als unzutreffend erwiesen hat.
Π. Verwarnung bei Tatmehrheit (Absatz 1) § 59c Abs. 1 sieht eine Regelung des Falles vor, dass aus mehreren verwirkten Einzelgeldstrafen eine Gesamtgeldstrafe gebildet (§§ 53, 54) und diese nach Ausspruch einer Verwarnung vorbehalten wird. Er erfasst ferner den Fall (§ 55), dass eine Tat, die mit einer Verwarnung mit Strafvorbehalt geahndet werden kann, vor einer bereits rechtskräftigen Verwarnung mit Strafvorbehalt begangen wurde. Daraus kann als grundsätzliche Auffassung des Gesetzes entnommen werden, dass ein Täter auch nach Begehung mehrerer Straftaten mit Strafvorbehalt verwarnt werden kann.
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1. Gleichzeitige Aburteilung. Die erste Fallgestaltung behandelt den Normalfall der 3 Realkonkurrenz, dass mehrere Straftaten eines Täters gleichzeitig abgeurteilt werden, dass für jede dieser Straftaten eine Einzelgeldstrafe festgesetzt und aus diesen Einzelgeldstrafen durch Erhöhung der Einsatzstrafe eine Gesamtgeldstrafe gebildet wird. Auf diese hier vorbehaltene - Gesamtgeldstrafe ist ξ 59 anzuwenden. Eine Verwarnung mit Strafvorbehalt scheidet daher aus, wenn eine Gesamtgeldstrafe von mehr als einhundertachtzig Tagessätzen verwirkt ist (Groß MK Rdn. 4; Horn SK Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2). Im Übrigen muss eine günstige Sozialprognose vorliegen, die besondere Würdigkeit des Täters gegeben sein, und die Verteidigung der Rechtsordnung darf der Anwendung des Instituts nicht entgegenstehen. Wenn eine Verwarnung mit Strafvorbehalt im Hinblick auf eine der Straftaten nicht in Betracht kommen kann, muss sie auch hinsichtlich der anderen Taten und der Gesamtstrafe ausscheiden. Eine Herausnahme der Tat,
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§ 59c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
bei der die Voraussetzungen nicht vorliegen, aus der Gesamtstrafe ist nach §§ 53, 54 nicht statthaft; eine Verwarnung mit Strafvorbehalt neben einer Geldstrafe wäre nicht zulässig (§ 59 Rdn. 3; vgl. Groß MK Rdn. 2, 3). Neben der Verwarnung ist auf Verfall, Einziehung oder Unbrauchbarmachung zu erkennen, wenn eine dieser Maßnahmen bereits wegen einer der einbezogenen Einzeltaten erforderlich ist (Sch/Schröder/Stree Rdn. 3). 4
2. Nachträgliche Gesamtstrafenbildung. Bei der zweiten Fallgestaltung fehlt es an der gleichzeitigen Aburteilung der mehreren Straftaten. Sie regelt den Fall, dass der Täter wegen einer Tat unter Vorbehalt der Geldstrafe verwarnt wurde und nun eine weitere, vor dieser Verwarnung begangene Tat zur Ahndung ansteht, für die ebenfalls die Voraussetzungen des § 59 vorliegen. Entsprechend der Regelung des § 55 ist die frühere rechtskräftig ausgesprochene - Verwarnung in das neue Erkenntnis einzubeziehen. Dies bedeutet: Aus der im rechtskräftigen Urteil vorbehaltenen Geldstrafe und der neu festzusetzenden Geldstrafe ist eine Gesamtgeldstrafe zu bilden; die Verurteilung zu dieser Gesamtgeldstrafe ist vorzubehalten. War die einzubeziehende Geldstrafe eine Gesamtstrafe, kommt sie in Wegfall; einbezogen werden nur die Einzelstrafen. Neben der Verwarnung ist auf Verfall, Einziehung oder Unbrauchbarmachung zu erkennen, wenn eine dieser Maßnahmen wegen der jetzt zu beurteilenden Tat erforderlich ist (§ 59 Abs. 2 Satz 1). War eine der genannten Maßnahmen in der früheren Entscheidung angeordnet worden, ist sie in der nun zu treffenden Entscheidung gem. § 55 Abs. 2 ausdrücklich aufrechtzuerhalten (Groß MK Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4).
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Die Verwarnung mit Strafvorbehalt hinsichtlich einer nachträglich zu bildenden Gesamtstrafe kommt nicht in Betracht, wenn nur bei einer der einzubeziehenden Strafen die Voraussetzungen des § 59 fehlen; auf derartige Konstellationen ist § 59c Abs. 1 nicht anwendbar (für den Fall der gleichzeitigen Aburteilung vgl. bereits Rdn. 3). Vielmehr findet Absatz 2 der Vorschrift Anwendung, wenn ein rechtskräftig Verwarnter wegen einer vor der Verwarnung begangenen Straftat nachträglich zu Strafe verurteilt wird (Rdn. 6 f). Auch im umgekehrten Fall (ein rechtskräftig vorbehaltlos Verurteilter steht wegen einer vor der Verurteilung begangenen Tat vor Gericht, die bei isolierter Betrachtung „verwarnungswürdig" wäre) scheidet eine Verwarnung mit Strafvorbehalt hinsichtlich der zu bildenden Gesamtstrafe aus; da die ohne Vorbehalt erkannte Einzelgeldstrafe nicht der von § 59c Abs. 1 i.V.m. § 59 vorausgesetzten Qualität entspricht, lässt sich der Rechtsgedanke des § 58 Abs. 1 hier nicht heranziehen (aA BGHSt 46 279, 291; Horn SK 8 Rdn. 4). Vielmehr muss bei einer solchen Sachverhaltskonstellation wegen der vor der Verurteilung begangenen Tat eine ebenfalls vorbehaltlose Einzelstrafe festgesetzt und anschließend gemäß § 55 eine Gesamtstrafe gebildet werden, sofern die Voraussetzungen der Vorschrift noch vorliegen, die zuerst erkannte Strafe also noch nicht erlassen ist (Groß MK Rdn. 2, 8).
ΙΠ. Verurteilung zu Strafe nach Verwarnung (Absatz 2) 6
Eine Sonderregelung für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung zwischen einer vorbehaltenen Strafe und einer solchen ohne Vorbehalt ist in Absatz 2 getroffen. Wird ein Täter, der gemäß § 59 verwarnt und gegen den eine vorbehaltene Strafe festgesetzt wurde, nach der Verwarnung wegen einer vor der Verwarnung begangenen Straftat zu Strafe verurteilt, wird also gegen ihn eine Freiheitsstrafe oder eine nicht vorbehaltene Geldstrafe verhängt, so ist unter Anwendung der § § 5 3 bis 55 und § 58 eine Gesamtstrafe mit der Maßgabe zu bilden, dass die vorbehaltene Strafe in den Fällen des § 55
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Gesamtstrafe und Verwarnung mit Strafvorbehalt
§ 59c
einer erkannten Strafe gleichsteht. Obwohl die Verwarnung keine Verurteilung i.S.v. § 55 Abs. 1 ist, wird sie durch Absatz 2 so behandelt (vgl. Groß MK Rdn. 9; Lackner/Kühl25 Rdn. 3: Fiktion). Die Bildung der vorbehaltlosen Gesamtstrafe führt zur Gegenstandslosigkeit der zuvor ausgesprochenen Verwarnung. Allerdings ist die Gesamtstrafenbildung gemäß § 59c Abs. 2 nur möglich, solange die 7 Feststellung nach § 59b Abs. 2, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden habe, noch nicht getroffen worden ist (Sch/Schröder/Stree Rdn. 5). Andernfalls fehlt es an einer für die Gesamtstrafenbildung notwendigen Voraussetzung. Ist umgekehrt der Verwarnte gemäß § 59b Abs. 1 zu der vorbehaltenen Strafe verurteilt, so kommt eine Gesamtstrafenbildung nicht über § 59c Abs. 2, sondern direkt gemäß ξ 55 Abs. 1 in Betracht, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen, die zunächst vorbehaltene Strafe also nicht bereits vollstreckt, verjährt oder erlassen ist. § 55 Abs. 1 findet hierbei auch dann Anwendung, wenn die nachträglich einzubeziehende Straftat nach der Verwarnung, aber vor der Verurteilung gemäß § 59b Abs. 1 begangen wurde (Groß MK Rdn. 10).
IV. Nebenentscheidungen 1. In den Fällen des Absatzes 1. Bei gleichzeitiger Aburteilung der mehreren Strafta- 8 ten (Rdn. 3) ergeben sich keine Besonderheiten. Bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung (Rdn. 4) hat der Richter, der die neue Verwarnung ausspricht und die Verurteilung zu der von ihm gebildeten Gesamtstrafe vorbehält, die erforderlichen Nebenentscheidungen (§ 59a) in eigener Verantwortung aus der Sicht der Umstände, wie sie sich zur Zeit seiner Entscheidung darstellen, neu festzusetzen (Groß MK Rdn. 5). Dies gilt sowohl für die Auflagen und Weisungen als auch für die Bewährungszeit. Für eine entsprechende Anwendung von § 58 Abs. 2 Satz 1, auf den § 59c Abs. 1 nicht verweist, besteht kein Anlass, da das Mindestmaß der Bewährungszeit ohnedies auf ein Jahr reduziert ist (Groß MK Rdn. 5; Horn SK Rdn. 5 f; aA Sch/Schröder/Stree Rdn. 4). 2. In den Fällen des Absatzes 2. Hat der Verurteilte vor der Bildung der Gesamt- 9 strafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, zur Erfüllung von Anweisungen gem. § 59a Abs. 2 Leistungen erbracht, so werden diese nicht erstattet (§ 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. S 56f Abs. 3). Das Gericht kann jedoch solche Leistungen, die der Verurteilte gemäß § 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen. Handelt es sich bei der in der neuen Entscheidung festgesetzten Strafe um eine solche, die zur Bewährung ausgesetzt wird, so hat der Richter die Bewährungszeit sowie Auflagen und Weisungen aus der Sicht der Umstände, wie sie sich zur Zeit seiner Entscheidung darstellen, neu festzusetzen. Dabei wird er mitberücksichtigen, dass der Verurteilte im Zusammenhang mit der Verwarnung bereits eine gewisse Bewährungszeit durchlaufen und möglicherweise auch Auflagen und Weisungen erfüllt hat. Eine förmliche Anrechnung der verstrichenen Bewährungszeit und der erbrachten Leistungen im Rahmen der neuen Anordnungen kommt nicht in Betracht. Doch verkürzt sich das Mindestmaß der neuen Bewährungszeit gemäß § 59c Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 1 (Groß MK Rdn. 9; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5).
V. Verfahrensrechtliches § 59c ist auch bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung im Beschlussverfahren gemäß § 460 StPO anwendbar (str.; wie hier LG Flensburg SchlHA 1997 285 f; LackJutta Hubrach
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§60
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ner/Kühl Rdn. 3; Deckenbrock/Dötsch NStZ 2 0 0 3 346 f). 1 Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG NStZ-RR 2 0 0 2 330) und verstößt insbesondere nicht gegen das Analogieverbot zu Ungunsten des Täters, denn § 4 6 0 StPO beinhaltet im Kern keine andere materielle Regelung als ξ 55, sondern stellt eine bloße Annexvorschrift dar, mit deren Hilfe der Regelungsgehalt des § 55 auch noch im Vollstreckungsverfahren durchgesetzt werden kann (ausführlich hierzu Deckenbrock/Dötsch NStZ 2 0 0 3 346, 347).
§60 Absehen von Strafe Das Gericht sieht von Strafe ab, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer sind, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre. Dies gilt nicht, wenn der Täter für die Tat eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verwirkt hat. Schrifttum Baumann Minima non curat Praetor, Festschrift Peters (1974) 3; Bringewat Das Absehen von Erziehungsmaßregeln: ein Absehen von Strafe? NStZ 1992 315; Cramer Ahndungsbedürfnis und staatlicher Sanktionsanspruch, Festschrift Maurach (1972) 4 8 7 ; Eser Absehen von Strafe - Schuldspruch unter Strafverzicht, Festschrift Maurach (1972) 2 5 7 ; Hanack Das Legalitätsprinzip und die Strafrechtsreform, Festschrift Gallas (1973) 339; Hassemer Das „Absehen von Strafe" als kriminalpolitisches Instrument, Festschrift Sarstedt (1981) 65; Maiwald Das Absehen von Strafe nach § 16 StGB, ZStW 83 (1971) 663; Müller-Dietz Absehen von Strafe (§ 60 StGB n.F.), Festschrift Lange (1976) 303; Schmitt Das Absehen von Strafe, Diss. Freiburg 1974; Schroers Das Absehen von Strafe nach § 6 0 StGB, Diss. Heidelberg 1975; Seib Die neuen §§ 16, 17 StGB und ihre Auswirkung auf die Spruchpraxis in Verkehrssachen, DAR 1971 2 2 5 ; Wagner Die selbständige Bedeutung des Schuldspruchs im Strafrecht, insbesondere beim Absehen von Strafe gemäß § 16 StGB, GA 1972 33; v. Weber Das Absehen von Strafe, MDR 1956 705.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift stimmt wörtlich mit dem durch das 1. StRG eingefügten § 16 a.F. überein. Im E 1962 und in früheren Entwürfen war eine entsprechende Vorschrift nicht vorgesehen (zu den Gründen hierfür Maiwald ZStW 83 [1971] 663, 673; zu den vorangegangenen Entwürfen Müller-Dietz FS Lange, 3 0 3 ff). Der Vorschlag des § 58 AE, einen Schuldspruch unter Strafverzicht für den Fall vorzusehen, dass „der Täter durch die Folgen der Tat bereits hinreichend bestraft erscheint, oder dass die Tat einer außerordentlichen Konfliktlage entsprungen ist", vorsätzliche Straftaten gegen das Leben hiervon jedoch generell auszunehmen („um eine äußerste Grenze des unverzichtbaren Rechtsgüterschutzes zu setzen"), wurde nicht übernommen. Die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Fälle, in denen der Täter eine Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr verwirkt hat (Satz 2), erfolgte erst im Sonderausschuss; der Entwurf des B M J sah noch eine Zweijahresgrenze vor.
1
AA AG Dieburg NStZ 1996 613; Groß MK Rdn. 7, 11; Scb/Scbröder/Stree Rdn. 5; Fischer Rdn. 2.
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Absehen von Strafe
I. Grundgedanke Π. Anwendungsbereich 1. Keine Beschränkung auf Tattypen 2. Einjahresgrenze (Satz 2) 3. Ermittlung der verwirkten Strafe 4. Mehrere Gesetzesverletzungen 5. Keine analoge Anwendung . . . ΙΠ. Schwerwiegende Folgen der Tat für den Täter 1. Grundsätzliches zum Folgenbegriff a) Keine Beschränkung auf „Folgentypen" b) Schwerwiegende Folgen bei Vorsatzdelikten c) Besondere Täter-Opfer-Beziehung d) Drittschäden 2. Relevante Folgen
Übersicht Rdn. 1 IV. Offensichtlich verfehlte Strafe 1. Fehlendes Strafbedürfnis 2. Im Hinblick auf den Täter 4 3. Vom Standpunkt der Rechtsgemein7 schaft 9 4. Gesamtabwägung 11 5. Offensichtlichkeit 13 6. Beweisfragen 14 15 16 17 18 19
§ 6 0
Rdn. 23 25 26 27 28 30
V. Die gerichtliche Entscheidung 1. Obligatorische Rechtsfolge 2. Alles-oder-Nichts-Prinzip 3. Maßnahmen
31 32 34
VI. Verfahrensrecht 1. Allgemeines 2. Urteilsgründe 3. Rechtsmittelverfahren 4. Verhältnis zu § 153b StPO
35 36 37 39
I. Grundgedanke Das Strafrecht kommt seiner Aufgabe, besonders wichtige Rechtsgüter und elementare Werte der Gemeinschaft zu schützen (BVerfGE 2 7 18, 2 9 ; BVerfGE 3 9 1, 57), durch die Strafdrohung für typisiertes sozialwidriges Verhalten, durch die auf Individualgerechtigkeit ausgerichtete Bestrafung des Rechtsbrechers und durch die Vollstreckung der vollstreckungsbedürftigen Strafe nach. § 60 stellt einen (weiteren) Schritt in die Richtung dar, auf der Rechtsfolgenseite der Individualisierung größeren Raum zu geben. Er steht damit in der Tradition der Strafrechtsentwicklung und stellt ein „typisches Beispiel moderner Kriminalpolitik" dar, 1 begegnete jedoch noch bei den Beratungen der Großen Strafrechtskommission dem Bedenken, dass die Möglichkeit, von Strafe abzusehen, die generalpräventive Wirkung der gesetzlichen Strafdrohungen schwer beeinträchtige 2 und überdies mit dem Schuldprinzip nicht in Einklang zu bringen sei. 3
1
Diese Bedenken erscheinen nicht berechtigt. Zwar kommt dem Prinzip, dass eine verwirkte Strafe auch zu verhängen - wenn auch nicht in jedem Fall zu vollstrecken - ist, ein hoher kriminalpolitischer Stellenwert zu. Es darf nur ganz ausnahmsweise und nur im Interesse höherwertiger Rechtsgüter durchbrochen werden. Der Strafanspruch des Staates verliert seine Verbindlichkeit jedoch dann, wenn eine Strafe keine ihrer Funktionen erfüllen kann, also „ins Leere geht". Dies ist der Fall, wenn die Straftat auf den Täter zurückschlägt, wenn er sowohl subjektiv als auch in den Augen der Allgemeinheit durch die Folgen seiner Tat bereits in solchem Maße „geschlagen" ist, dass daneben die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre; es fehlt dann das Strafbedürfnis. Hieran knüpft § 6 0 die Rechtsfolge, dass der Täter zwar schuldig zu sprechen ist, jedoch nicht bestraft wird. Angesichts ihrer Regelungsintention steht die Vorschrift mit den Grundprinzipien des Strafrechts im Einklang (näher hierzu Hirsch LK 1 1 Rdn. 3 - 5 ) ,
2
1
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Hassemer FS Sarstedt, 65, 6 8 ; vgl. auch Miiller-Dietz FS Lange, 3 0 3 , 3 2 0 . So insbes. Lange Mat. Bd. 1 (1954) 78 ff; ders. Niederschriften Bd. 1 ( 1 9 5 6 ) 1 2 2 ; vgl.
3
auch Maiwald Z S t W 83 (1971) 6 6 3 , 6 7 3 m.w.N. Vgl. Krille Niederschriften Bd. 1 (1956) 132; Maiwald Z S t W 83 (1971) 6 6 3 , 6 7 0 .
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§60
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
zumal die Rechtsprechung dem „ausgesprochenen Ausnahmecharakter" der Norm (BTDrucks. V/4094 S. 7) Rechnung trägt (OLG Karlsruhe N J W 1974 1006 = J R 1975 162 m. Anm. Zipf = J Z 1974 772 m. Anm. Maiwald·, vgl. auch BGHSt 27 298, 301), so dass ihre Anwendung die Androhungsprävention nicht relativiert hat. 3
Bei § 60 handelt es sich um den „Extremfall" einer Strafzumessungsregel (Maiwald ZStW 83 [1971] 663). Die Vorschrift ist - trotz ihres Standorts nach dem Rechtsinstitut der Verwarnung mit Strafvorbehalt - nicht als eine Sonderregelung für Bagatelldelikte anzusehen, mag auch ihr Anwendungsbereich durch die in Satz 2 enthaltene Einschränkung auf Fälle im unteren Schuldbereich begrenzt sein ( G r o ß M K Rdn. 1). Zum Gnadenerweis bestehen nur insoweit Parallelen, als § 60 - ebenso wie die Begnadigung einen Akt der Individualisierung von Rechtsfolgen über die Grenzen der typisierten Straftatbestände hinaus erlaubt (Hirsch LK 1 1 Rdn. 7 m.w.N.; krit. hierzu Groß MK Rdn. 3 Fn. 20). Neben § 60 gibt es im Allgemeinen und Besonderen Teil des StGB eine Reihe spezialgesetzlicher Vorschriften, die in Fällen geringen Unrechtsgehalts oder geringer Schuld ein Absehen von Strafe vorsehen (vgl. z.B. § 23 Abs. 3, § 83a).
Π. Anwendungsbereich 4
1. Keine Beschränkung auf Tattypen. Die Vorschrift gilt für jede Deliktsart. Sie tritt als generelle Regelung neben die bei speziellen gesetzlichen Tatbeständen vorgesehene Möglichkeit, von Strafe abzusehen. Ihre Anwendung ist nicht auf Bagatelldelikte beschränkt, sondern grundsätzlich auch bei Verbrechen möglich (vgl. Rdn. 16). Bestimmte Tattypen, wie etwa Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr, sind ebenfalls nicht ausgenommen (OLG Köln NJW 1971 2037; OLG Celle NStZ 1989 386); jedoch können sich aus den spezifischen Eigenarten des jeweiligen Delikts im Hinblick auf die Strafzwecke besondere Anforderungen an das „Verfehltsein" einer Strafe ergeben (OLG Karlsruhe NJW 1974 1006 = J Z 1974 772 m. Anm. Maiwald).
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S 60 ist auch im Jugendstrafrecht anwendbar (AG Osterode NdsRpfl. 1971 262) und kann hier im Anwendungsfall auch ein Absehen von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln bewirken (BayObLG NStZ 1991 584 m. Anm. Scheffler NStZ 1992 491 = J R 1992 387 m. Anm. Brunner·, krit. Bringewat NStZ 1992 315, 318). Für die Verhängung von Geldbußen im Ordnungswidrigkeitenverfahren (OLG Hamm M D R 1971 859), von Disziplinarstrafen (BDH NZWehrR 1971 107) und sonstigen Unrechtsfolgen ohne Kriminalstrafcharakter gilt die Vorschrift nicht.
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Der Begriff „Täter" ist nicht spezifisch i.S.v. § 25 gemeint; auch bei einem Teilnehmer, den die Folgen der Tat, zu der er angestiftet oder Beihilfe geleistet hat, getroffen haben, kann nach § 60 von Strafe abgesehen werden (Horn SK 8 Rdn. 9). § 28 Abs. 2 gilt entsprechend.
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2. Einjahresgrenze (Satz 2). Nach Satz 2 besteht die Möglichkeit eines Absehens von Strafe nur dann, wenn der Täter für die Tat keine höhere Freiheitsstrafe (oder Jugendstrafe) als ein Jahr verwirkt hat. Damit scheiden aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift von vorneherein alle Straftaten aus, deren gesetzliche Mindeststrafe bei der konkreten Sachverhaltsgestaltung (also ggf. unter Annahme gesetzlich vertypter Milderungsgründe oder in Anwendung des § 49) über einem Jahr Freiheitsstrafe liegt.
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Die Festlegung der Ausschlussgrenze auf gerade ein Jahr kann nicht sachlich zwingend begründet werden (Hassemer FS Sarstedt, 65, 68; Miiller-Dietz FS Lange, 303, 317; Maiwald ZStW 83 [1971] 663, 689 f). Überhaupt hat die für § 60 gewählte Art der
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Grenzziehung gegenüber der durch unbestimmte Rechtsbegriffe (z.B. „Verteidigung der Rechtsordnung" nach § 56 Abs. 3 oder § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) zwar den Vorteil der Rechtsklarheit, sie birgt jedoch wegen ihrer Starrheit die Gefahr unbefriedigender Differenzierungen in Grenzbereichen. Dieses grundsätzliche Problem würde auch durch eine Erweiterung des Normanwendungsbereichs auf verwirkte Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren nicht gelöst (dafür: Hassemer FS Sarstedt, 65, 79; Hirsch LK 1 1 Rdn. 13 a.E.; krit. Groß MK Rdn. 7 Fn. 28). Der Gesetzgeber hielt die Grenzziehung bei einem Jahr für ausreichend, um „alle regelungsbedürftigen Fälle zu erfassen" (BTDrucks. V/4094 S. 7). Damit sollte wohl nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die zeitliche Begrenzung in Satz 2 lediglich deklaratorischen Charakter habe, da die Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe von vornherein nicht offensichtlich verfehlt im Sinne von Satz 1 sein könne (vgl. dazu Müller-Dietz FS Lange, 303, 316). Vielmehr wurde durch eine gestaltende gesetzgeberische Entscheidung der Anwendungsbereich der Vorschrift begrenzt, um ihren Ausnahmecharakter zu betonen. Für Fälle oberhalb der Einjahresgrenze greift gegebenenfalls das Rechtsinstitut der Begnadigung (Groß M K Rdn. 7). 3. Ermittlung der verwirkten Strafe. Die Entscheidung, ob eine höhere Freiheitsstrafe als ein Jahr verwirkt und damit ein Absehen von Strafe von vorneherein ausgeschlossen ist, hat das Gericht unter Berücksichtigung aller Strafzumessungsgründe zu treffen. Es ist hierbei nach ganz herrschender Ansicht weder auf die Berücksichtigung tatschuldrelevanter Gesichtspunkte beschränkt noch scheiden die für ein etwaiges Absehen von Strafe relevanten Tatfolgen als Zumessungsgründe aus; ein diesbezügliches Doppelverwertungsverbot besteht nicht (BGHSt 27 298, 300; BGH NStZ 1997 121, 122 m. Anm. Stree; BGH NStZ-RR 2 0 0 4 230, 231 ). 4
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Die Gegenansicht (Streng NStZ 1988 485, 487, dort insbes. Fn. 25) will die „an sich verwirkte" Strafe allein anhand tatschuldrelevanter Kriterien bestimmen, weil die Anwendung des § 60 ansonsten zu dem widersprüchlichen Ergebnis führe, dass aufgrund derselben Gesichtspunkte eine grundsätzlich angebrachte („verwirkte") Strafe zugleich als „offensichtlich verfehlt" behandelt werde. Diese Argumentation überzeugt nicht. Sie übersieht, dass sich der Begriff „verwirkt" in Satz 2 der Vorschrift ausschließlich auf die von der Anwendung des § 60 gerade ausgenommenen Fälle einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bezieht (ebenso Groß MK Rdn. 9). Daher muss der Tatrichter bei einem Absehen von Strafe deren konkrete Höhe auch nicht ausdrücklich bestimmen, sondern es genügt die „negative Feststellung, dass eine Strafe von mehr als einem Jahr jedenfalls nicht in Betracht kommt" (Sonderausschuss BTDrucks. V/4094 S. 7). 5 Dürfte das Gericht hierbei ausschließlich tatschuldrelevante Gesichtspunkte berücksichtigen, so wäre es an der für die Beurteilung gesetzlicher Milderungsgründe vielfach erforderlichen Gesamtwürdigung gehindert und müsste im Ergebnis gerade diejenigen Sachverhaltskonstellationen aus dem Anwendungsbereich des § 60 ausscheiden, bei denen aufgrund der Tatfolgen ein gemilderter Strafrahmen eröffnet ist und ein Absehen von Strafe besonders nahe liegt (vgl. BGHSt 27 298, 300). 6
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OLG Celle NJW 1971 575; Fischer Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10; Lackner/Kühl Rdn. 4; Groß MK Rdn. 9; Horn SK Rdn. 3; krit. Maiwald J Z 1974 773, 775. Müller-Dietz FS Lange, 303, 319; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10; Groß MK Rdn. 9.
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Ebenso Hirsch LK 1 1 Rdn. 1 4 - 1 6 ; Maiwald ZStW 83 (1971) 663, 6 9 2 f; Müller-Dietz FS Lange, 303, 319.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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4. Mehrere Gesetzesverletzungen. Stehen mehrere Gesetzesverletzungen in Tateinheit ( § 5 2 ) oder Gesetzeseinheit, so kann die Entscheidung, ob von Strafe abzusehen ist, nur einheitlich für die Handlung als solche unter all ihren rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten getroffen werden (OLG Köln NJW 1971 2036, 2037; BayObLG NJW 1972 696; OLG Karlsruhe NJW 1974 1006). 7 Dies gewinnt z.B. Bedeutung, wenn durch ein strafbares Fehlverhalten im Straßenverkehr nicht nur der Täter oder ein naher Angehöriger zu Schaden gekommen ist, sondern zusätzlich eine dritte Person (vgl. Rdn. 18). Auch im Falle einer Verletzung mehrerer Strafgesetze durch dieselbe Handlung hat eine „Gesamtabrechnung" mit der Fragestellung zu erfolgen, ob die Strafe unter Berücksichtigung aller verletzten Normen verfehlt wäre. Hierbei ist auf das Tatbild in seiner Gesamtheit abzustellen. So dürfte es im Falle der fahrlässigen Tötung eines Angehörigen im Straßenverkehr für die Anwendung des § 60 von entscheidender Bedeutung sein, ob das Delikt in Tateinheit mit Unfallflucht (vgl. hierzu Hirsch LK 11 Rdn. 17 a.E.: Strafe regelmäßig nicht verfehlt) oder mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (AG Lüdinghausen NStZ-RR 2004 331 [LS]: Absehen von Strafe nicht ausgeschlossen) begangen wurde.
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Bei tatmehrheitlich zusammentreffenden Straftaten ist die Frage einer Anwendung des § 60 für jede einzelne von ihnen gesondert zu entscheiden.8 Dies gilt sowohl für die Prüfung, ob eine Strafe von höchstens einem Jahr verwirkt ist, als auch für die Entscheidung, ob die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre. Da die Annahme von Realkonkurrenz gerade voraussetzt, dass zwischen den einzelnen Delikten kein enger Zusammenhang besteht, der sie als Einheit erscheinen lässt, ist für eine Gesamtbetrachtung in den Fällen der Tatmehrheit kein Raum (aA Hirsch LK 11 Rdn. 19, der sich im Anwendungsbereich des § 60 für einen „erweiterten, spezifisch folgenorientierten Tatbegriff" ausspricht).
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5. Keine analoge Anwendung. Eine analoge Anwendung von § 60 auf Fälle, in denen zwar die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen, jedoch möglicherweise ein kriminalpolitisches Bedürfnis für ein Absehen von Strafe bestehen mag, kommt nicht in Betracht (BGHSt 27 274, 276). Der Richter ist strikt an die Entscheidung des Gesetzgebers über die Voraussetzungen eines Absehens von Strafe gebunden. Das Revisionsgericht kann auch nicht auf § 60 als „nächstmildere" Sanktion zurückgreifen, wenn das Erstgericht unter Verstoß gegen § 40 Abs. 1 Satz 2 eine geringere Geldstrafe als fünf Tagessätze verhängt hat (BGHSt 27 176 gegen OLG Köln MDR 1976 597). ΙΠ. Schwerwiegende Folgen der Tat für den Täter
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1. Grundsätzliches zum Folgenbegriff. Anders als § 58 AE, der einen Schuldspruch unter Strafverzicht für die zwei Fallgestaltungen vorsah, dass „der Täter durch die Folgen der Tat bereits hinreichend bestraft erscheint" oder dass „die Tat einer außergewöhnlichen schweren Konfliktlage entsprungen ist", beschränkt § 60 die Möglichkeit, von Strafe abzusehen, auf Fälle, in denen den Täter so schwerwiegende Folgen seiner Tat treffen, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre. Es wird also nicht ausdrücklich auf den Gedanken der „poena naturalis" abgestellt, und die „tragischen
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 9; ZipfJR 1975 162, 163. Fischer Rdn. 7; Sch/Schröder/Stree Rdn. 9;
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Groß MK Rdn. 25; Horn SK Rdn. 4; Lackner/Kühl15 Rdn. 5.
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Konfliktsfälle" sind nicht als selbständige Anwendungsfälle ausgestaltet. Diese Gesichtspunkte stehen jedoch in ihrer Strafzweckrelevanz hinter § 60. a) Keine Beschränkung auf „Folgentypen". Von einer Anwendung des § 60 ist kein bestimmter „Folgentyp" grundsätzlich ausgeschlossen. Die vereinzelt durchgeführte Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Schäden, 9 zwischen mittelbaren und unmittelbaren Einbußen 10 oder zwischen objektiven und subjektiven Folgen 11 ist weder im Wortlaut noch im Sinn und Zweck der Vorschrift angelegt. Entscheidend ist, dass es sich um täterbezogene Folgen handelt (Hassemer FS Sarstedt, 66, 67), die so schwer wiegen, dass daneben eine Strafe sinn- und zwecklos erscheint. Die Aussonderung von Folgen, die ein Absehen von Strafe nicht rechtfertigen, erfolgt im Zusammenhang mit der Prüfung, ob eine Strafe offensichtlich verfehlt (näher hierzu Rdn. 23 ff) wäre, nicht aber durch eine diese Wertung vorwegnehmende einschränkende Auslegung des Begriffs der Folgen der Tat (Horn SK Rdn. 8). Ob eine Folge schwer genug ist, um die Verhängung einer Strafe in jeder Hinsicht überflüssig zu machen, ist nicht abstrakt anhand eines Durchschnittsmaßstabes zu prüfen, sondern in Bezug auf den konkreten Fall und unter Berücksichtigung der Schwere des verschuldeten Unrechts {Sch/Schröder/ Stree Rdn. 5; Horn SK Rdn. 8). 1 2 Entscheidend ist nicht die objektive Schwere der Folgen, sondern ihre Wirkung auf den Täter im Verhältnis zum Sinn und Zweck der Strafe in Bezug auf die konkrete Straftat (Horn SK Rdn. 8; Horstkotte J Z 1970 127).
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b) Schwerwiegende Folgen bei Vorsatzdelikten. Den Täter müssen Folgen seiner Tat „getroffen" haben. Dies kann auch bei vorsätzlich herbeigeführten Tatfolgen der Fall sein. Anders als bei § 58 AE sind vorsätzliche Tötungsdelikte von einer Anwendung des § 60 nicht ausgenommen; dies zeigen die von tragischen Konfliktsituationen geprägten Fallgestaltungen der Tötung des Ehegatten auf Verlangen, des einseitig fehlgeschlagenen Doppelselbstmords oder der Tötung des Kindes durch die zum Suizid entschlossene Mutter.13 Bei der Frage, ob die Strafe im Sinne von § 60 „offensichtlich verfehlt" ist, ist in solchen Fällen der Grad des Täterverschuldens einerseits und der „Tatbeteiligung" des Opfers andererseits in die Gesamtabwägung einzustellen (Sch/Schröder/Stree Rdn. 3). Außerhalb dieser Konstellationen der vorsätzlichen Selbstschädigung aufgrund eines dramatischen, konflikthaften Geschehens sind die vom Täter bereits bei der Deliktsbegehung billigend in Kauf genommenen Tatfolgen (so zum Beispiel die bei Betrug oder Untreue für den Fall einer Tatentdeckung von vornherein einkalkulierte Belastung durch
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Horstkotte J Z 1970 122, 128; vgl. ferner Wagner GA 1972 33, 51; wie hier BayObLG NJW 1971 766, 767; Fischer Rdn. 4; Horn SK Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4; Lackner/Kühl Rdn. 2. Für eine Beschränkung auf unmittelbare Folgen noch Koffka LK 9 § 16 Rdn. 2; wie hier Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; Lackner/Kühl Rdn. 2; Horn SK Rdn. 5; Fischer Rdn. 4; Schäfer FS Tröndle, 4 0 . Für eine Berücksichtigung nur objektiv schwerer Folgen: BayObLG NJW 1971 766; OLG Frankfurt NJW 1972 4 5 6 ; OLG Stuttgart Justiz 1970 423; vgl. auch Sonderaus-
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schuss BTDrucks. V / 4 0 9 4 S. 7; wie hier Horn SK Rdn. 8; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Wagner GA 1972 33, 51. Wagner GA 1952 33, 51; OLG Zweibrücken VRS 4 5 107. BGH bei Dallinger M D R 1972 750; BGHSt 27 298, 301; BGH NStZ 1997 1 2 1 , 1 2 2 m. Anm. Stree (Fahrlässigkeitskonstellation); AG Tiergarten MedR 2 0 0 6 2 9 8 ; wie hier Groß MK Rdn. 2 0 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 9; Horstkotte J Z 1 9 7 0 122, 128; Sonderausschuss BTDrucks. V / 4 0 9 4 S. 7; krit. Maiwald ZStW 83 (1971) 663, 688 ff; ders. J Z 1974 773, 774.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Schadensersatzansprüche der Opfer) regelmäßig für sich allein nicht geeignet, die Strafe als offensichtlich verfehlt erscheinen zu lassen {Streng J R 2 0 0 6 2 5 7 ff). 17
c) Besondere Täter-Opfer-Beziehung. Die Folgen seiner Tat können einen Täter auch, u.U. sogar gerade dann besonders hart treffen, wenn sie unmittelbar nicht ihn, sondern einen nahen Angehörigen oder eine ihm sonst nahe stehende Person betreffen (Groß MK Rdn. 13; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3). Eine enge Täter-Opfer-Beziehung kann die schwere Verletzung oder den Tod eines anderen als schwerwiegenden Verlust für den Täter erscheinen lassen. In Betracht kommen hierbei neben den bei Rdn. 16 erwähnten Konfliktdelikten auch die Fälle einer Tötung des Ehegatten, des langjährigen Lebensgefährten oder eines sonstigen nahen Angehörigen durch einen verschuldeten Verkehrsunfall. 14 Bei der Einzelfallprüfung ist stets zu berücksichtigen, dass die Angehörigenbeziehung als solche für sich allein eine Anwendung des § 60 noch nicht begründen kann (insoweit missverständlich AG Köln DAR 1980 188). Sie muss vielmehr im Hinblick auf die Gesamtumstände (insbesondere Schwere der Verletzung, konkreter Grad der Bindung zwischen Täter und Opfer) dazu führen, dass den Täter die Verletzung oder der Verlust des Angehörigen tatsächlich schwer belastet, dass er dadurch also bereits hinreichend „gestraft" ist (Horn SK 8 Rdn. 7; Groß MK Rdn. 14).
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d) Drittschäden. § 60 wird nicht dadurch grundsätzlich ausgeschlossen, dass die Straftat außer den Folgen, die den Täter an eigenen Rechtsgütern oder aufgrund einer besonderen Täter-Opfer-Beziehung getroffen haben, noch dritte Personen oder andere Rechtsgüter in Mitleidenschaft gezogen hat. Von Strafe kann deshalb ausnahmsweise auch dann abgesehen werden, wenn z.B. nicht nur der Täter selbst oder eine ihm nahe stehende Person durch einen von ihm verschuldeten Verkehrsunfall zu Schaden kommt, sondern auch ein Dritter; 15 jedoch wird in Fällen schwerwiegender Fremdschädigung eine Bestrafung aus der Sicht der Rechtsgemeinschaft i.d.R. nicht völlig verfehlt sein (s. Rdn. 26). 1 6 Selbst bei einem vorsätzlichen Tötungsdelikt schließt die Schädigung eines Dritten § 60 nicht aus; auch hier kommt allerdings dem Gesichtspunkt, ob die Rechtsgemeinschaft eine Strafe als verfehlt empfinden würde, besonderes Gewicht zu (Horn SK 8 Rdn. 12).
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2. Relevante Folgen. Als Tatfolgen im Sinne des § 60 kommen grundsätzlich in erster Linie Körperschäden z.B. als Folge eines Verkehrsdelikts (vgl. hierzu OLG Köln VRS 100 117 f), eines beidseitig misslungenen erweiterten Suizidversuchs (BGH bei Dallinger M D R 1972 750) oder einer Selbstverstümmelung nach § 109 (Maiwald ZStW 83 [1971] 663, 689; Müller-Dietz FS Lange, 303, 307) in Betracht; ebenso z.B. Verletzungen des Täters durch eine Notwehr- oder Vergeltungshandlung des Opfers (Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; Groß MK Rdn. 12).
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OLG Karlsruhe NJW 1974 1006; vgl. auch OLG Frankfurt N J W 1971 767; BayObLG NStZ 1991 5 8 4 ; BayObLG NJW 1972 696; OLG Stuttgart DAR 1974 221; AG Köln DAR 1 9 8 0 188; AG Lüdinghausen NStZ-RR 2 0 0 4 331 (LS). OLG Celle N J W 1971 575, 5 7 6 ; OLG Frankfurt N J W 1971 767, 768; OLG Hamm MDR
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1972 66; BayObLG NStZ 1991 5 8 4 f; BayObLG NJW 1972 696; BayObLG Beschl. v. 16.12.1987 - 1 St 2 7 9 / 8 7 ; OLG Düsseldorf VRS 42 2 7 3 ; OLG Karlsruhe NJW 1974 1006; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3; Lackner/ Kühl Rdn. 2. Horn SK Rdn. 12; vgl. auch Wagner GA 1972 33, 4 7 ; Seib DAR 1971 2 2 6 , 227.
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Absehen von Strafe
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Wirtschaftliche Eigenschäden infolge eines Fahrlässigkeitsdelikts, z.B. einer fahrlässigen Brandstiftung (OLG Stuttgart Justiz 1970 423), können ebenfalls eine Anwendung des § 60 begründen; dies gilt auch bei an sich verwirkter Freiheitsstrafe (Horn SK 8 Rdn. 6; aA Wagner GA 1972 51 f). Um die Strafe als „offensichtlich verfehlt" erscheinen zu lassen, bedarf es allerdings eines außergewöhnlichen Schadensumfangs. Bei einem Verkehrsunfall reicht daher der wirtschaftliche Eigenschaden (z.B. Totalschaden am eigenen PKW) nicht aus, wenn er sich im Rahmen des bei solchen Unfällen üblichen hält. 1 7 Auch im Hinblick auf billigend in Kauf genommene Tatfolgen wirtschaftlicher Art wird eine Anwendung des § 60 regelmäßig nicht in Betracht kommen (vgl. hierzu Rdn. 16 a.E., 22).
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Dass der Täter durch die von ihm verursachte Tatfolge nur aufgrund einer besonders 2 1 sensiblen psychischen Konstitution schwer getroffen wird, schließt die Anwendbarkeit von § 60 nicht von vornherein aus. Wird z.B. ein Autofahrer nicht damit fertig, dass er durch leichte Fahrlässigkeit ein Kind im Straßenverkehr getötet hat, so darf § 60 nicht generell außerhalb der Überlegung bleiben (ebenso Horn SK 8 Rdn. 8). Im Hinblick auf die generalpräventiven Strafzwecke kann ein Absehen von Strafe jedoch nur in Betracht kommen, wenn die besondere, d.h. weit über das übliche hinausgehende Betroffenheit des Täters über die Folgen seiner Tat nach außen hin manifest wird (z.B. Ursache eines Suizidversuchs war). In der Lage des Täters normale Reaktionen, Empfindungen und Gemütsbewegungen wie z.B. ein „heftiger Schock" über die Gefährdung eines Angehörigen durch ein strafbares Fehlverhalten im Straßenverkehr, Angst, Reue nach der Tat, Mitgefühl mit dem Opfer, heftige Selbstvorwürfe usw. sind keine Tatfolgen, die eine Strafe entbehrlich machen (BayObLG NJW 1971 766, 767; Sonderausschuss BTDrucks. V/4094 S. 7). In der Regel lassen nur psychische Störungen von Krankheitswert und einiger Dauer die Verhängung einer Strafe als offensichtlich verfehlt erscheinen (Lackner/ Kühl15 Rdn. 3; Groß MK Rdn. 11; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5). 1 8 Mittelbare Tatfolgen (wie z.B. der Verlust des Arbeitsplatzes, Disziplinarmaßnahmen, 2 2 die Belastung mit Schadensersatzansprüchen, eine Ehescheidung oder geschäftliche Boykottmaßnahmen) können bei der Entscheidung nach § 60 zwar grundsätzlich (mit-)berücksichtigt werden (vgl. Rdn. 15). Sie dürften für ein Absehen von Strafe aber regelmäßig nur im Zusammenwirken mit sonstigen außergewöhnlichen Belastungen psychischer oder physischer Art genügen ( Groß MK Rdn. 10; ohne Einschränkung noch Hirsch LK 1 1 Rdn. 30). Dies gilt insbesondere im Falle vorsätzlicher Vermögensdelikte, bei denen die Verursachung hoher Schadensersatzansprüche der Tatopfer von vornherein zum „verbrecherischen Kalkül" gehört (Streng J R 2 0 0 6 257, 260; vgl. Rdn. 16 a.E., 20). Als mittelbare Tatfolge, die eine Anwendung des § 60 rechtfertigen kann, kommt auch eine eklatante rechtsstaatswidrige Verzögerung des Strafverfahrens in Betracht, sofern dessen Dauer für den Täter infolge gesundheitlicher oder haftbedingter Beeinträchtigungen besonders belastend war (BVerfG Beschl. vom 21.1.2004 - 2 BvR 1471/03; BGH NStZRR 2004 2 3 0 , 231; sehr weitgehend LG Frankfurt/Oder StV 2001 166).
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BayObLG N J W 1971 766, 767; OLG Frankfurt N J W 1972 456, 4 5 7 ; OLG Koblenz VRS 4 4 415; OLG Zweibrücken VRS 45 107; vgl.
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auch OLG Stuttgart Justiz 1970 4 2 3 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4. Wagner GA 1972 33, 51.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
IV. Offensichtlich verfehlte Strafe 23
1. Fehlendes Strafbedürfnis. Entscheidendes Kriterium für ein Absehen von Strafe ist, ob ihre Verhängung in Anbetracht der Tatfolgen, die den Täter getroffen haben, offensichtlich verfehlt wäre. „Verfehlt" ist die Strafverhängung, wenn ihre Zwecke bereits durch die Folgen der Tat in Verbindung mit dem Schuldspruch voll erreicht sind, so dass sie daneben „unter keinem ihrer Leitgesichtspunkte eine sinnvolle Funktion hätte" (BGHSt 27 298, 300). Der Beurteilung, ob eine Strafe offensichtlich verfehlt wäre, sind sämtliche Strafzwecke zugrunde zu legen; § 60 bildet insoweit einen „Mikrokosmos aller Strafzwecke" (Eser FS Maurach, 257, 260).
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Die Strafe hat nicht die Aufgabe, Schuldausgleich um seiner selbst willen zu üben, sie ist vielmehr nur gerechtfertigt, wenn sie sich zugleich als notwendiges Mittel zur Erfüllung der präventiven Schutzaufgaben des Strafrechts erweist. Diese erstrebten individualund sozialpädagogischen Wirkungen werden in der Regel durch die dem verschuldeten Tatunrecht entsprechende Strafe erreicht. Erfüllen aber die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, in Verbindung mit dem Schuldspruch (zu dessen Bedeutung beim Absehen von Strafe vgl. Wagner GA 1972 33 ff) alle Funktionen der Strafe, ohne dass es noch deren Verhängung bedarf (fehlendes Strafbedürfnis), verliert die Strafe ihre innere Rechtfertigung. Dies ist dann der Fall, wenn „der Täter sich selbst so schwer geschädigt hat, dass es einmal einer weitergehenden Einwirkung auf ihn selbst nicht bedarf und dass zum anderen der Allgemeinheit das Absehen von Strafe als Ausdruck humaner Strafrechtspflege so verständlich erscheint, dass sie dadurch einen notwendigen und sinnvollen Rechtsgüterschutz nicht in Frage gestellt sieht" (BGHSt 27 298, 300). 1 9
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2. Im Hinblick auf den Täter ist eine Strafe sinn- und zwecklos, wenn sie neben den Folgen, die seine Tat für ihn hatte, keinen Eindruck mehr machen würde (fehlende Strafempfänglichkeit), wenn ihre „Denkzettelfunktion" nicht mehr zum Tragen kommt und wenn weder die Sicherung der Allgemeinheit vor dem Täter noch dessen Resozialisierung ihre Verhängung erfordert.
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3. Vom Standpunkt der Rechtsgemeinschaft. Hinzukommen muss, dass schon von den Tatfolgen eine hinreichende generalpräventive Wirkung ausgeht und die Verhängung einer Strafe vom Standpunkt der Rechtsgemeinschaft verfehlt wäre (BGH NStZ 1997 121, 122 m. Anm. Stree-, OLG Karlsruhe NJW 1974 1006; OLG Frankfurt NJW 1971 767, 768). Für die Entscheidung, ob angesichts der Folgen der Tat eine sozialpädagogische Einwirkung auf die Allgemeinheit durch eine Bestrafung des Täters noch sinnvoll wäre, ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen (vgl. hierzu bereits Rdn. 15). Die Folgen, die die Tat für den Täter hatte, müssen augenfällig („plastisch wahrnehmbar") sein. Sie sind mit dem Gewicht des Schuldvorwurfs und der Schwere des Unrechts in Bezug zu setzen. So kann die Verhängung einer Strafe wegen fahrlässiger Tötung eines Angehörigen im Straßenverkehr zur „Verteidigung der Rechtsordnung" geboten sein, wenn z.B. wegen grob verkehrswidrigen Verhaltens, Gefährdung oder gar Tötung Dritter (vgl. Rdn. 18), hoher Trunkenheit oder einschlägiger Vorstrafen zu besorgen ist, „dass ein Absehen von Strafe auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen und deren Rechtstreue ernstlich beeinträchtigen werde" (OLG Karlsruhe NJW 1974 1006, 1007). Die
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BGH bei Daliinger MDR 1973 899; BGH NStZ 1997 121, 122 m. Anm. Stree·, OLG Karlsruhe NJW 1974 1006.
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Absehen von Strafe
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Bestrafung eines Mannes, der bei seiner Ehefrau einen Eingriff zum Abbruch einer Schwangerschaft mit tödlichem Ausgang vornimmt, ist nach BGH (bei Dalltnger MDR 1973 899) vom Standpunkt der Rechtsgemeinschaft aus in aller Regel nicht sinnlos. 4. Gesamtabwägung. Ob die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, die Ver- 2 7 hängung einer Strafe verfehlt erscheinen lassen, hat das Gericht im Wege einer wertenden Gesamtabwägung aller für die Strafbemessung relevanten Gesichtspunkte festzustellen.20 Das Doppelverwertungsverbot des § 50 gilt nicht (siehe Rdn. 9 f). Hierbei kommen insbesondere in Betracht: der Grad des Verschuldens (BayObLG NJW 1972 696), die Schwere des Tatunrechts (BVerfG Beschl. vom 21.1.2004 - 2 BvR 1471/03; OLG Karlsruhe NJW 1974 1006, 1007), Vorstrafen sowie die generalpräventive Notwendigkeit des Einschreitens gegen Trunkenheit im Verkehr (OLG Celle NStZ 1989 386), der Umfang und das Gewicht von Drittschäden bzw. der Gefährdung fremder Rechtsgüter (OLG Celle NJW 1971 575, 576; OLG Hamm MDR 1972 66; OLG Karlsruhe NJW 1974 1006), die Schutzrichtung der verletzten Norm (BayObLG NJW 1971 766; OLG Köln NJW 1971 2036), die Interessen des Opfers und die Motivation, die den Täter leitete (BGHSt 27 298, 301, 302). Wird außer dem Täter (oder einem nahen Angehörigen) eine dritte Person verletzt, so kann es eine Rolle spielen, ob diese z.B. durch das Mitfahren mit dem angetrunkenen Täter das Risiko freiwillig und selbstverantwortlich in Kauf genommen hat (OLG Karlsruhe NJW 1974 1006, 1007; vgl. auch Geppert ZStW 83 [1971] 947, 999 f) oder ob sie ein Mitverschulden am Unfall trifft (OLG Hamm VRS 43 19). Bei einer Verurteilung wegen Vollrausches kann berücksichtigt werden, ob die Rauschtat zu einer Schädigung oder Gefährdung Dritter geführt hat oder ob dies nicht der Fall war (OLG Celle NStZ 1989 386). 5. Offensichtlichkeit. Die Sinn- und Zwecklosigkeit einer Strafe muss offensichtlich 2 8 sein. Dies besagt, dass von Strafe nur dann abgesehen werden kann, wenn deren „Verfehltsein" so ins Auge springt, dass dieses Ergebnis „jedem ernsthaften Zweifel entrückt ist" (BGHSt 27 298, 301). Die Feststellung, dass eine Strafe angesichts der Tatfolgen funktionslos wäre, muss sich „unmittelbar aufdrängen und darf sich nicht erst aufgrund einer minuziösen Abwägung ergeben" (Sonderausschuss BTDrucks. V/4094 S. 7). 21 Der unbestimmte Rechtsbegriff „offensichtlich verfehlt" trägt in der Auslegung, die er 2 9 in der Rechtsprechung gefunden hat, problematischen Charakter. Fraglich ist, wie sich das Verfehltsein von Strafe „ohne minuziöse Abwägung" soll ergeben können, wenn die Feststellung dieser Anwendungsvoraussetzung des § 60 einer detaillierten Gesamtabwägung unter Berücksichtigung aller Strafzwecke gerade bedarf und oft auch erst in zweiter oder dritter Instanz erfolgt (kritisch insoweit auch Groß MK Rdn. 16). 22 Richtigerweise dürfte die Formulierung „offensichtlich" wohl als Ausdruck der gesetzgeberischen Intention einer restriktiven Normanwendung (vgl. Müller-Dietz FS Lange, 303, 314; Groß MK Rdn. 16) dahingehend zu verstehen sein, dass die eindeutig besseren Gründe für die Straflosigkeit sprechen (Maiwald J Z 1974 773, 775) und dass die hierfür maßgeblichen
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BGHSt 2 7 298, 3 0 2 ; BGH NStZ 1997 121, 122 m. Anm. Stree; OLG Celle N J W 1971 575, 576; OLG Köln NJW 1971 2 0 3 6 ; OLG Karlsruhe N J W 1974 1006, 1007. BGH bei Daliinger MDR 1972 750; BGH bei Dallinger MDR 1973 899; BGH NStZ 1997 121, 122 m. Anm. Stree.
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Vgl. ferner Maiwald J Z 1974 773, 775; Schwarz/Wille NJW 1971 1061, 1065; Müller-Dietz FS Lange, 303, 313 ff.
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S 60
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Umstände offenkundig, also deutlich und plastisch erkennbar sein müssen. Aus diesem Begriffsverständnis folgt zugleich, dass Zweifel am „Verfehltsein" der Strafe zu Lasten des Täters gehen (siehe Rdn. 30; nach Wagner GA 1972 51 liegt darin die einzige Bedeutung). 30
6. Beweisfragen. Die für eine Entscheidung nach § 60 maßgeblichen Tatsachen müssen nach allgemeinen Grundsätzen bewiesen sein, wobei für diesen Bereich der Grundsatz „in dubio pro reo" gilt (BGHSt 27 298, 301; Groß MK Rdn. 29; Lackner/Kühl25 Rdn. 3). Dessen Anwendung scheidet aber aus, sobald es um die Wertung dieser Tatsachen im Hinblick auf die Anwendungsvoraussetzungen des § 60 geht. 23 Lässt daher die Würdigung der - festgestellten oder nach dem Zweifelssatz zu unterstellenden - Tatsachen einen Rest an Zweifel, ob die Strafe neben den Tatfolgen noch eine Funktion hat, so ist ihre Verhängung nicht „offensichtlich verfehlt".
V. Die gerichtliche Entscheidung 31
1. Obligatorische Rechtsfolge. Liegen die Voraussetzungen des § 60 vor, hat das Gericht von Strafe abzusehen. Diese Rechtsfolge ist obligatorisch und steht nicht im Ermessen des Gerichts (BGH NStZ 1997 121, 122 m. Anm. Stree; Groß MK Rdn. 22; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2). Insoweit unterscheidet sich § 60 von den spezialgesetzlichen Vorschriften, die aus anderen kriminalpolitischen Erwägungen (Maiwald ZStW 83 [1971] 663, 668) die Möglichkeit eröffnen, von der Verhängung einer Strafe abzusehen, zum Teil wahlweise neben einer Strafmilderung (z.B. § 23 Abs. 3, S 83a).
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2. Alles-oder-Nichts-Prinzip. Ist eine Strafe nicht offensichtlich verfehlt, so muss sie das Gericht nach § 46 zumessen und verhängen. Es besteht nicht die Möglichkeit, eine gesetzliche Strafrahmenuntergrenze zu unterschreiten, wenn diese in Anbetracht der Tatfolgen unangemessen hoch erscheint. Dieses „Alles-oder-Nichts-Prinzip" ist auf Kritik gestoßen (vgl. insbes. Maiwald ZStW 83 [1971] 663, 684 f; ders. J Z 1974 773, 775). Es erscheint jedoch strukturell und kriminalpolitisch gerechtfertigt, da es den Ausnahmecharakter der Vorschrift betont. § 60 verfolgt als spezielle Strafzumessungsvorschrift nicht das Ziel, die starren Strafrahmenuntergrenzen generell durchlässig zu machen. Vielmehr darf der Grundsatz, dass - von spezialgesetzlichen Ausnahmen abgesehen - der gesetzliche Strafrahmen für den Richter bindend und dass eine verwirkte Strafe auch zu verhängen ist, nur in den exzeptionellen Fällen einer völligen Sinn- und Zwecklosigkeit der staatlichen Strafsanktion durchbrochen werden (vgl. Müller-Dietz FS Lange, 303, 314, 321; Maiwald ZStW 83 [1971] 663, 685).
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Kommt allerdings eine Anwendung des § 60 nicht in Betracht, weil eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verwirkt ist oder weil die Strafverhängung nicht unter allen Strafzweckgesichtspunkten verfehlt erscheint, so sind die Tatfolgen jedenfalls bei der Strafzumessung zu Gunsten des Täters zu berücksichtigen (OLG Köln VRS 100 117 f; Sch/Schröder/Stree Rdn. 12; Zipf JR 1975 162, 164). Der Rechtsgedanke der Vorschrift rechtfertigt in geeigneten Fällen schwerwiegender Tatfolgen auch eine Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe bis hin zum gesetzlichen Mindestmaß (so auch Sch/Schröder/Stree Rdn. 12; Schäfer FS Tröndle, 401).
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BGHSt 2 7 298, 301; Fischer Rdn. 5; Horn SK Rdn. 14; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8.
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Absehen von Strafe
§60
3. Maßnahmen. Neben dem Absehen von Strafe sind Maßnahmen zulässig, die nicht an die Verhängung einer Strafe anknüpfen. Dies gilt insbesondere für die Unterbringung nach 63, 64 und für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69. 2 4 Die Revision kann hierauf beschränkt werden (OLG Hamm VRS 43 19; BayObLG VRS 43 91). Dagegen kann z.B. Führungsaufsicht nach § 68 nur neben einer verhängten Strafe angeordnet werden. Desgleichen setzt die Verhängung eines Fahrverbots nach § 4 4 die Verurteilung zu einer Strafe voraus, kann also nicht mit § 60 verbunden werden. Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung können neben dem Absehen von Strafe selbständig angeordnet werden (§ 76a Abs. 3).
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VI. Verfahrensrecht 1. Allgemeines. Wird von Strafe abgesehen, so ist der Angeklagte im Urteilstenor schuldig zu sprechen, und es ist festzustellen, dass von Strafe abgesehen wird (§ 2 6 0 Abs. 4 S. 4 StPO; zum Kostenausspruch vgl. § 465 Abs. 1 Satz 2 StPO). Die Entscheidung kann auch im Strafbefehlsverfahren ergehen (§ 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO). Sie wird - anders als selbständig angeordnete Maßnahmen (vgl. Rdn. 34) - nicht in das Bundeszentralregister eingetragen (§ 4, § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG).
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2. Urteilsgründe. Im Falle eines Absehens von Strafe müssen die Urteilsgründe ergeben, welche Erwägungen hierfür maßgebend waren; entsprechendes gilt bei einer Nichtanwendung des § 60 in Abweichung zu einem in der Hauptverhandlung dahingehend gestellten Antrag (§ 267 Abs. 3 Satz 4 StPO, 2. Halbs.). Drängt sich aufgrund der besonderen Sachgestaltung die Möglichkeit auf, dass eine Strafe wegen der Tatfolgen, die den Täter getroffen haben, offensichtlich verfehlt wäre, hat das Gericht dies zu prüfen und in den Urteilsgründen zu erörtern (vgl. BGH NStZ 1997 121, 122 m. Anm. Stree; OLG Koblenz VRS 44 415; OLG Celle NStZ 1989 386). Es hat den relevanten Sachverhalt exakt festzustellen und die Abwägung der wesentlichen Gesichtspunkte in einer zusammenhängenden Darstellung transparent zu machen (OLG Karlsruhe N J W 1974 1006, 1007). Die an sich verwirkte Strafe muss bei einem Absehen von Strafe nicht festgesetzt werden, anzugeben ist jedoch, dass keine höhere Strafe als ein Jahr verwirkt ist; in Zweifelsfällen ist dies zu begründen (vgl. auch Rdn. 10).
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3. Rechtsmittelverfahren. Wird gemäß § 60 von Strafe abgesehen, so bedarf die Berufung des Angeklagten nicht der Annahme, denn § 313 StPO sollte nach dem Willen des Gesetzgebers den Fällen der Bagatellkriminalität vorbehalten sein, auf die die Anwendung des § 60 indes nicht beschränkt ist (OLG Oldenburg NStZ-RR 1998 309 f; ebenso Groß MK Rdn. 32).
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Das Revisionsgericht ist bei einer ordnungsgemäß begründeten Entscheidung über das Absehen von Strafe auf die Überprüfung beschränkt, ob das Tatgericht sich innerhalb des Beurteilungsspielraums gehalten hat, der ihm bei der wertenden Gesamtabwägung der Tatfolgen und bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „offensichtlich verfehlt" zusteht (OLG Karlsruhe NJW 1974 1006, 1007 mit Anm. Zipf J R 1975 162; vgl. auch OLG Köln NJW 1971 2036, 2037; OLG Zweibrücken VRS 45 107). Eine Aufhebung der tatrichterlichen Entscheidung wegen eines materiellen Rechtsfehlers kommt
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OLG Hamm VRS 4 3 19; BayObLG VRS 4 3 91; Seib DAR 1971 225, 2 2 7 ; Fischer Rdn. 7;
Sch/Schröder/Stree Rdn. 11; Horn SK Rdn. 18; Lackner/Kühl Rdn. 7.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
insbesondere dann in Betracht, wenn eine Auseinandersetzung mit § 60 völlig unterblieben ist, obgleich sie sich nach Sachlage aufdrängt (Rdn. 36). Grundsätzlich ist in einem derartigen Fall die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen; das Revisionsgericht kann nur dann selbst von Strafe absehen, wenn nach den - erschöpfenden und nicht ergänzungsbedürftigen - Feststellungen des Tatrichters jede andere Entscheidung völlig unvertretbar wäre (vgl. BGH NStZ-RR 2004 230, 231). 39
4. Verhältnis zu § 153b StPO. § 60 wird durch § 153b StPO ergänzt. Zwar stellt diese Norm nach ihrem Wortlaut auf Fälle ab, in denen das Gericht von Strafe absehen „könnte"; sie gilt indes erst recht für § 60, unter dessen Voraussetzungen das Absehen von Strafe obligatorisch ist (Groß MK Rdn. 33; aA Schroeder FS Peters, 420 f). Nach bereits erfolgter Anklageerhebung kann das Gericht das Verfahren unter denselben Voraussetzungen bis zum Beginn der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten einstellen. Die Einstellung des Verfahrens nach § 153b StPO und das Absehen von Strafe gemäß § 60 sind in ihren Voraussetzungen nicht völlig deckungsgleich. Während im Falle des § 60 der Schuldspruch als staatliche Reaktion auf die Straftat verbleibt, ist dies bei § 153b StPO nicht der Fall (vgl. hierzu auch Maiwald ZStW 83 [1971] 663, 694). Eine Einstellung nach § 153b StPO setzt daher nicht nur voraus, dass eine Strafe in Anbetracht der Folgen der Tat offensichtlich verfehlt wäre, sondern darüber hinaus auch, dass kein Bedürfnis nach einer Durchführung des Strafverfahrens und einer Schuldfeststellung besteht (Horn SK8 Rdn. 19; Groß MK Rdn. 33; Wagner GA 1972 33). Zur revisionsgerichtlichen Überprüfung einer Einstellung nach § 153b StPO (= § 153 StPO a.F.) vgl. BayObLG NJW 1972 696.
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SECHSTER T I T E L Maßregeln der Besserung und Sicherung Vorbemerkungen zu den §§ 61 ff
Schrifttum zu rechtlichen und kriminalpolitischen Fragen Attcel Die neue Sozialverteidigung (1970); Bae Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Maßregelrecht des StGB (1985); Baurmann Zweckrationalität und Strafrecht. Argumente für ein tatbezogenes Maßnahmerecht (1987); Best Das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG und die Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 2 Abs. 6 StGB), ZStW 114 (2002) 88; Best/Rössner Die Maßregeln der Besserung und Sicherung, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass (Hrsg.), Handbuch der forensischen Psychiatrie, Band 1, 2007, 250; Boetticher/Kröber u.a. Mindestanforderungen für Prognosegutachten, NStZ 2 0 0 6 537; Bruns Richterliche Überzeugung bei Prognoseentscheidungen über Sicherungsmaßregeln, J Z 1958 647; Dessecker Überlegungen zu einer Begrenzung des Maßregelrechts, in: Jehle (Hrsg.) Täterbehandlung und neue Sanktionsformen (2000), S. 179; ders. Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit (2004); Egg Der Aufbau des Maßregelvollzugs in den neuen Bundesländern (1996); ders. „Gefährliche Straftäter" (2005); Ellscheid/Hassemer Strafe ohne Vorwurf, Civitas 1970 2 7 (= Lüderssen/Sack [Hrsg.], Seminar: Abweichendes Verhalten II/l, 1975 S. 266); Eser Zur Entwicklung von Maßregeln der Besserung und Sicherung, Festschrift Müller-Dietz, S. 213; Frisch Prognoseentscheidungen im Strafrecht. Zur normativen Relevanz empirischen Wissens und zur Entscheidung bei Nichtwissen (1985; zit. Frisch); ders. Das Marburger Programm und die Maßregeln der Besserung und Sicherung, ZStW 94 (1982) 565; ders. Die Maßregeln der Besserung und Sicherung im strafrechtlichen Rechtsfolgensystem, ZStW 102 (1990) 343; Grünebaum Zur Konkurrenz der Maßregeln, R & P 2 0 0 4 187; Hanack Das juristische Konzept der sozialtherapeutischen Anstalt und der sonstigen Maßregeln im neuen Strafrecht der Bundesrepublik, Krim. Gegenwartsfragen Heft 10, 1972, S. 68; ders. Sozialtherapie und Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB n.F., J R 1975 441; Harendorf Gefährliche Gewalttäter? Ergebnisse einer bundesweiten Rückfallstudie, BewHi 2 0 0 6 308; ders. Rückfälligkeit und kriminelle Karrieren von Gewalttätern Ergebnisse einer bundesweiten Rückfalluntersuchung (2007); Heinz/Jehle (Hrsg.) Rückfallforschung (2004); Hillenkamp Strafrecht ohne Willensfreiheit? Eine Antwort auf die Hirnforschung, J Z 2 0 0 5 313; ders. Das limbische System; Der Täter hinter dem Täter, in: Hillenkamp (Hrsg.) Neue Hirnforschung - Neues Strafrecht? (2006), S. 85; R. v. Hippel Gefahrurteile und Prognoseentscheidungen in der Strafrechtspraxis (1972; zit. Gefahrurteile); ders. Reform der Strafrechtsreform. Maßregeln der Besserung und Sicherung (1976; zit. Reform); H.-J. Horn Der Maßregelvollzug im Spannungsfeld zwischen Besserung und Sicherung, Festschrift Leferenz, S. 485; Horstkotte Die Vorschriften des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts über den Rückfall und über die Maßregeln der Sicherung und Besserung, J Z 1970 152; ders. Tendenzen in der Entwicklung des heutigen Strafrechts: Die Gesetzgebung, in: Horstkotte/Kaiser/Sarstedt, Tendenzen in der Entwicklung des heutigen Strafrechts, 1973, S. 7 (zit. Tendenzen); Jakobs Schuld und Prävention (1976); Kaiser Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? (1990; zit. Krise); ders. Ist das Maßnahmensystem im Kriminalrecht noch zu retten? Festschrift Pallin, S. 183; Kammeier Maßregelvollzugsrecht 2 (1996); Arth. Kaufmann Schuldprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Festschrift Lange, S. 27; ders. Schuld und Prävention, Festschrift Wassermann, S. 889; Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand (1996); ders. Schrankenlose Sicherheit, StV 2 0 0 0 330; ders. Umfassender Schutz vor dem gefährlichen Straftäter? NStZ 2 0 0 4 655; Kögler Die zeitliche Unbestimmtheit freiheitsentziehender Sanktionen des Strafrechts (1988); Kröber Die Wiederbelebung des „geborenen Verbrechers" -
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Hirndeuter, Biologismus, und die Freiheit des Rechtsbrechers, in Hillenkamp (Hrsg.) Neue Hirnforschung - Neues Strafrecht? (2006), S. 63; Küpper Diskussionsbericht (über Arbeitssitzung der Gesellschaft für Rechtsvergleichung), ZStW 102 (1990) 448; Lang-Hinrichsen Die kriminalpolitischen Aufgaben der Strafrechtsreform, Gutachten zum 43. DJT, 1960; Lange Das Rätsel Kriminalität (1970; zit. Lange); Laubenthal Wege aus dem Maßregelvollzug im psychiatrischen Krankenhaus, Festschrift Krause, S. 357; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit (Unterabschnitt Maßregeln der Besserung und Sicherung), in: Göppinger/Witter, Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd. I 1972, S. 185; Maier Woran krankt der Maßregelvollzug, MschKrim 2000 71; Markwardt Reformbedürftigkeit des Maßregelrechts, Festschrift Gollwitzer, S. 125; Marquardt Dogmatische und kriminalpolitische Aspekte des Vikariierens von Strafe und Maßregel (1972); Maurach Die kriminalpolitischen Aufgaben der Strafrechtsreform, Gutachten zum 43. DJT, 1960; H. Mayer Strafrechtsreform für heute und morgen (1962); Meier Der Maßregelvollzug und seine Reform, in: Marneros, Psychiatrie und Justiz, 2000, S. 48; Montenbruck In dubio pro reo aus normentheoretischer, straf- und strafverfahrensrechtlicher Sicht (1985); B. Müller Anordnung und Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung Sicherung (1981); Müller-Christmann Die Maßregeln der Besserung und Sicherung, JuS 1990 801; Naucke Tendenzen in der Strafrechtsentwicklung (1975); Sax Grundsätze der Strafrechtspflege, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. III/22, 1972, S. 909; Schöch Juristische Aspekte des Maßregelvollzugs, in: Venzlaff/Foerster (Hrsg.), Psychiatrische Begutachtung4 (2004), S. 385 (zit. Maßregelvollzug); Schreiber/Rosenau Rechtliche Grundlagen der psychiatrischen Begutachtung im Strafverfahren, in: Venzlaff/Foerster (Hrsg.), Psychiatrische Begutachtung4 (2004), S. 53; Schüler-Springorum Rechtliche Konsequenzen bei gefährlichen Tätern? Überlegungen zu einer Maßregelreform, R&P 1998 25; Stooß Der Dualismus im Strafrecht, SchwZStr 41 [1928] 54; ders. Zur Natur der sichernden Maßnahmen, SchwZStr 44 [1930] 261; Stratenwerth Zur Rechtsstaatlichkeit freiheitsentziehender Maßnahmen im Strafrecht, SchwZStr 82 [1966] 338; ders. Tatschuld und Strafzumessung (1972); Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz (1960); ders. In dubio pro reo (1962); Victor Maßregeln der Besserung und Sicherung im strafrechtlichen Rechtsfolgesystem. Eine schwedische Perspektive, ZStW 102 (1990) 435; Walther'Was soll „Strafe"? Grundzüge eines zeitgemäßen Sanktionensystems, ZStW 111 (1999) 123; Weichen Sicherungsverwahrung - verfassungsgemäß? StV 1989 265; Werle Justiz - Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich (1989); Zipf Kriminalpolitik2 (1980). Weitere Literaturangaben vor den einzelnen Paragraphen.
Schrifttum zur Kriminalprognose Albrecht Probleme der Prognose von Gewalt durch psychisch Kranke, Journal für Konflikt- und Gewaltforschung 2003 97; Baumann u.a. Zur Rückfälligkeit nach Strafvollzug, MschrKrim. 1983 133; Baur Probleme der unbefristeten Unterbringung und der Entlassungsprognose bei psychisch kranken Tätern (§ 63 StGB), MDR 1990 473; Berckbauer/Hasenpusch Rückfälligkeit entlassener Strafgefangener, MschrKrim. 1982 318; Berner Entlassungsprognose aus Charakterstruktur und Veränderungen im Umgang mit Charakterstrukturen, R&P 1994 79; Bock Zur dogmatischen Bedeutung unterschiedlicher Arten empirischen Wissens bei prognostischen Entscheidungen im Strafrecht, NStZ 1990 457; ders. MIVEA als Hilfe für die Interventionsplanung im Jugendstrafverfahren, ZJJ 2006 282; ders. Das Elend der klinischen Kriminalprognose, StV 2007 269; ders. Kriminologie3 (2007); Dahle Kriminalprognosen im Strafrecht: psychologische Aspekte individueller Verhaltensvorhersagen in: Steller/Volbert, Psychologie im Strafverfahren, 1997, S. 119; ders. Grundlagen und Methoden der Kriminalprognose, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass (Hrsg.), Handbuch der forensischen Psychiatrie Band 3 (2006) S. 1 (zit. Handbuch 3); Dölling Die Täter-Individualprognose (1994); Dünkel Prognostische Kriterien zur Abschätzung des Erfolges von Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug sowie für die Entscheidung über die bedingte Entlassung, MschrKrim. 1981 279; Egg Prognosebegutachtung im Straf- und Maßregelvollzug, Festschrift Rolinski, S. 309; Eisenberg Kriminologie6 (2005); Endres Die Kriminalprognose im Strafvollzug: Grundlagen, Methoden und Probleme der Vorhersage von Straftaten, ZfStrVo 2000 67; Fenn Kriminalprognose bei jungen Straffälligen (1981); Frisch Prognoseentscheidungen im Strafrecht (1983); ders. Dogmatische Grundlagen
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Vorbemerkungen zu den § § 61 ff
Vor § 61
der bedingten Entlassung und der Lockerung des Vollzuges von Strafen und Maßregeln, ZStW 102 (1990) 707; ders. Prognostisch fundierte Entscheidungen im Strafrecht, R & P 1992 110; Frisch/Vogt Prognoseentscheidungen in der strafrechtlichen Praxis (1994); Geisler Prognoseentscheidungen - ein empirisches und entscheidungserhebliches Problem, Gedächtnisschrift H. Kaufmann, S. 253; S. u. E. Glueck Predicting Delinquence and Crime (1959); dies. Delinquents and Nondelinquents in perspective (1968); Göppinger Der Täter in seinen sozialen Bezügen (1983); ders. Angewandte Kriminologie (1985); ders. Kriminologie5 (1997; zit. Göppinger); Hartmann-Eberhard Legalprognosetest für dissoziale Jugendliche (1972); Hinz Gefährlichkeitsprognose im Maßregelvollzug, R & P 1986 122; ders. Gefährlichkeitsprognose bei Straftätern: Was zählt? (1987); H.-J. Horn Die prognostische Beurteilung im Strafverfahren: Mängel, Irrtümer, Fehlinterpretationen, MschrKrim. 1989 97; Kaiser Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? (1990; zit. Kaiser Krise); ders. Kriminologie3 (1997; zit. Kaiser); Kaiser/Schöch Juristischer Studienkurs Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug6 (2006), Fall 6, S. 84 ff; Kühl/Schumann Prognosen im Strafrecht - Probleme der Methodologie und Legitimation, R & P 1989 126; Kraintz Die Problematik der Prognose menschlichen Verhaltens aus kriminologischer und rechtsstaatlicher Sicht, MschrKrim. 1984 297; Kröber Kriminalprognostische Begutachtung, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass (Hrsg.) Handbuch der forensischen Psychiatrie Band 3 (2006) S. 69 (zit. 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Forensische Psychiatrie3 (2007); Neil Wahrscheinlichkeitsurteile in juristischen Entscheidungen (1983); Nowara Gefährlichkeitsprognosen bei psychisch kranken Straftätern (1995); ders. Divergierende legalprognostische Beurteilungen nach langjähriger Unterbringung im Maßregelvollzug, R&P 1996 23; ders. Mindeststandards bei Prognosegutachten aus psychologischer Sicht, Festschrift Tondorf, S. 233; ders. Prognosegutachten, in: Rehn, Freiheit und Unfreiheit. Arbeit mit Straftätern innerhalb und außerhalb des Justizvollzugs (2004), S. 383; Pfäfflin Psychoanalytische Aspekte der forensisch-psychiatrischen Begutachtung und der prognostischen Beurteilung, R & P 1994 71; ders. Rückfallprognose bei Sexualdelinquenz, R & P 1995 106; Rasch Die Prognose im Maßregelvollzug als kalkuliertes Risiko, Festschrift Blau, S. 309; Rasch/Konrad Forensische Psychiatrie3 (2004), S. 388 ff; Rode Prognosen im Strafverfahren und bei der Vollstreckung (2004); Roth Willensfreiheit, Verantwortlichkeit und Verhaltensautonomie des Menschen aus der Sicht der Hirnforschung, Festschrift Lampe (2003), S. 43 (zit.: Roth Festschrift Lampe); ders. Fühlen, Denken, Handeln 2. Aufl. (2003); Schalast/Seifert/ Leygraf Patienten des Maßregelvollzugs gemäß § 63 StGB mit geringen Entlassungsaussichten, ForensPsychaitrPsycholKriminol 2007 34; Schöch Kriminologische Grenzen der Entlassungsprognose, Festschrift G. Kaiser (1998), S. 1239; ders. Kriminalprognose, in: Dittmann/Jehle (Hrsg.), Kriminologie zwischen Grundlagenwissenschaften und Praxis (2003), S. 407; ders. Kriminalprognose, Internationales Handbuch der Kriminologie, Band 1, hrsg. von H. J. Schneider (2007), S. 359; H. Schneider Grundlagen der Kriminalprognose (1996); H. }. Schneider Prognostische Beurteilung des Rechtsbrechers: Die ausländische Forschung, in: Handbuch der Psychologie (Hrsg. von Undeutsch) Band 11, 1967, S. 397; ders. Kriminalprognose, in: Schneider (Hrsg.), Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Bd. XIV, 1981, S. 816; Seifert Wegweiser aus dem Maßregelvollzug, StV 2003 301; ders. Gefährlichkeitsprognosen im psychiatrischen Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB (2007); Singer Ein neues Menschenbild? Gespräche über Hirnforschung (2003); G. Sonnen Die Bedeutung sozialtherapeutischer Maßnahmen für die Sozialprognose - KG NJW 1973, 1420 und KG NJW 1972, 2228, JuS 1976 364; Volckart Praxis der Kriminalprognose (1997); ders. Die Aussetzungsprognosen nach neuem Recht, R & P 1998 3; /. Wolf Die Prognose in der Kriminologie (1971); Woynar Methodische und pragmatische Probleme der Diagnose- und Prognosestellung bei psychisch gestörten Straffälligen nach Langzeitunterbringung (1998).
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217
Vor § 61
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Entstehungsgeschichte Die Maßregeln der Besserung und Sicherung sind durch das GewVerbrG v. 2 4 . 1 1 . 1 9 3 3 eingeführt und seitdem vielfach verändert worden, insbes. durch das 2 . StrRG v. 4 . 7 . 1 9 6 9 , das SexualdelBekG v. 2 6 . 1 . 1 9 9 8 , das FührAufsRÄndG v o m 1 7 . 4 . 2 0 0 7 und das UnterbrSichG v. 1 6 . 7 . 2 0 0 7 . Näher dazu Rdn. 5 ff und § 61 Rdn. 6 ff sowie bei den einzelnen Maßregeln selbst.
Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1. Entwicklung des Maßregelrechts . . a) Gründe für ein zweispuriges System b) Einführung in Deutschland . . . . c) Strafrechtsreform (1. und 2. StrRG) d) Entwicklung seit den 90er Jahren . 2. Die sog. Krise der Zweispurigkeit . . a) Gefährdung des Schuldprinzips . . b) Vermischung und Nebeneinander von Strafe und Maßregeln . . . . c) „Etikettenschwindel" d) Erforschung der Täterpersönlichkeit 3. Zweck der Maßregeln a) Genereller Zweck b) Zweck und Ziel; Sicherung und Besserung c) Zukunftsgerichtete Vorbeugung . d) Unterschiede zur Strafe 4. Zur Rechtfertigung der Maßregeln 5. Verfassungsrechtliche Probleme . . . 6. Wissenschaftliche Durcharbeitung des Maßregelrechts Π. Prinzipien des Maßregelrechts 1. Rechtsstaatlichkeit 2. Die künftige Gefährlichkeit des Täters a) Freiheitsentziehende Maßregeln b) Maßregeln ohne Freiheitsentzug . c) Der Gefahrbegriff nach materiellem Recht d) Der Gefahrbegriff in prozessualer Sicht (in dubio pro reo) Bei der Anordnung von Maßregeln Bei der Aussetzung oder Beendigung 3. Beziehungen zwischen Gefährlichkeit, Anlasstat und Persönlichkeit . . . . 4. Zeitpunkt der Prognose 5. Das sog. Subsidiaritätsprinzip . . . a) Allgemeines; verfassungsrechtliche Ableitung b) Bedeutung bei Maßregeln ohne Freiheitsentzug c) Bedeutung bei freiheitsentziehenden Maßregeln 6. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . 7. Kumulationsprinzip, Vikariieren, Maßregelkonkurrenz
218
Rdn. a) Kumulationsprinzip b) Vikariieren c) Maßregelkonkurrenz
1 1 6 9 17 21 22 23 26 28 29 29 30 35 37 38 41
ΙΠ. Personenkreis (Jugendliche, Heranwachsende, Ausländer); Auslieferung 1. Jugendliche und Heranwachsende . . 2. Ausländer 3. Auslieferungsrecht; Rechtshilfe . . . IV. Maßgebendes Gesetz; zeitliche Geltung V. Verjährung VI. Begnadigung und Amnestie 1. Begnadigung 2. Amnestie v n . Strafrechtlicher Schutz
1. Anordnung und Folgeentscheidungen a) Anordnung von Maßregeln . . . . b) Entscheidungen zugleich mit der Anordnung c) Sonstige Folgeentscheidungen . . 2. Entscheidungen im Strafverfahren und Sicherungsverfahren 3. Prozessvoraussetzungen 4. Notwendige Verteidigung a ) Bei Anordnung von Maßregeln . . b) Bei Folgeentscheidungen 5. Zuziehung von Sachverständigen . . a) Bei freiheitsentziehenden M a ß regeln b) bei nicht-freiheitsentziehenden Maßregeln c) Mindestanforderungen für Prognosegutachten 6. Veränderung rechtlicher Gesichtspunkte (§ 2 6 5 StPO) 7. Rechtsmittel 8. Verbot der reformatio in peius . . . a) Grundsatz b) Ausnahmen c) Einzelfragen 9. Maßregeln und Nebenklage 10. Vorläufige Anordnungen im M a ß regelrecht
49 51 52 55 56 60 61 65 68 72 74 74 75
83
86 92 93 94 96 97 100 101
VIH. Verfahrensrechtliches
48
76 82
83 84 85
I X . Anhang: Bemerkungen zum empirischen Problem der Prognose 1. Allgemeine Problematik
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102 103 104 108 109 111 113 113 116 117 117 120 121 128 129 132 132 133 137 140 141
144
Vorbemerkungen zu den § S 61 ff
Vor § 61
Rdn. a) Gesetzgebung und Wirklichkeit b) Wissenschaftliche Aspekte . . . . 2. Für die Prognose erhebliche Faktoren (Überblick) 3. Entwicklung und Methoden der Prognoseforschung a) Intuitive Prognose
Rdn.
144 145
b) Statistische Prognose c) Klinische Prognose d) Kombination von klinischer und statistischer Methode e) Die Methode der idealtypisch vergleichenden Einzelfallanalyse . . . 4. Zusammenfassung und Konsequenzen
149 161 162
163 170 171 172 173
I. Allgemeines 1. Entwicklung des Maßregelrechts a) Gründe für ein zweispuriges System. Der Zweck der im konkreten Fall zu verhängenden Strafe ist seit jeher umstritten. Nach traditionellem Verständnis setzt Strafe Schuld voraus, und sie darf mindestens nicht ausschließlich nach Gesichtspunkten der Spezialprävention bemessen werden. Trotz vielfältiger Auflockerungen des Strafensystems ist deshalb auch im geltenden Recht die Schuld des Täters Grundlage für die Zumessung der Strafe (§ 46). Aus dieser Orientierung der Strafe ergibt sich, dass sie den Notwendigkeiten der Vorbeugung gegenüber weiteren Taten des Rechtsbrechers nicht immer gerecht werden kann. Daher verfestigte sich in einem komplizierten Entwicklungsprozess, insbesondere gegenüber vorbeugenden Sicherungsregelungen mehr polizeirechtlicher Art, im Laufe der Zeit der Gedanke, das System der Strafen durch ein System weiterer strafrechtlicher Reaktionsmittel zu ergänzen. 1 Besondere Bedeutung hat dabei der Versuch von Carl Stooß erlangt, im vorigen Jahrhundert ein solches System in seinen Entwürfen für ein schweizerisches Strafgesetzbuch zu verwirklichen. 2
1
Dieses dualistische oder zweispurige System (Strafen und davon abgehobene Maßregeln als Reaktionsmittel des Strafrechts) fand, wenn auch mit Unterschieden im einzelnen, später nicht nur in das deutsche StGB, sondern auch in die Strafgesetze vieler anderer europäischer und außereuropäischer Länder Eingang. 3
2
Im Gegensatz zum dualistischen System stehen einspurige Modelle, also Regelungen und Bemühungen, die den Strafen auch die Aufgaben der Vorbeugung vor weiteren Rechtsbrüchen des Täters zuweisen (jedenfalls soweit es nicht um die Sicherung Schuldunfähiger geht) oder, umgekehrt, die Strafe grundsätzlich durch Maßregeln der Besserung und Sicherung ersetzen wollen, also weniger an die Schuld denn an die Gefährlichkeit des Täters anknüpfen. 4
3
So hat Enrico Ferri (Nuovi orizzonti del diritto e della procedura penale, 1881; Das Verbrechen als soziale Erscheinung, 1896) schon im vorigen Jahrhundert gefordert, an die Stelle des bisherigen Strafrechts ein spezifisches Verhütungsrecht zu setzen. Diese Forderung wurde später von den Anhängern der „Defense sociale" aufgegriffen.5 Am wei-
4
1
2
3
Näher z.B. v. Liszt/Schmidt Lehrbuch des dt. Strafrechts 25 , S. 32, 348 ff, 351 m. umfassenden Nachw.; Oessecker S. 2 5 ff. Stooß SchwZStr 41 54; 4 4 261; näher dazu Schnitz ZStW 81 (1969) 787, 7 8 8 ; ¡escheck SchwZStr 73 189; Dessecker (2004), S. 70 ff. Nachw. z.B. bei Jescheck/Weigend AT § 9 I; Böllinger/Pollähne NK § 61 Rdn. 6 ff; weitere Angaben zur - besonders kritischen - Siche-
4
5
rungsverwahrung: Rissing-van Saan/Peglau LK § 66 Rdn. 2 0 . Derzeit wohl immer noch in der Mehrzahl; vgl. hierzu Böllinger/Pollähne NK § 61 Rdn. 7 ff; Jescheck/Weigend AT § 9 II 3, jeweils m.w.N. S. den Überblick bei Zipf Kriminalpolitik, S. 6 7 ff sowie die Darstellung bei Dessecker (2004), S. 110 ff.
Heinz Schöch
219
Vor § 61
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
testen ging insoweit wohl Filippo Gramatica (Principi di difesa sociale, 1961; deutsch 1965), der den Begriff des Verbrechens durch den der Antisozialität ersetzen und generell statt an die Schuld des Täters an seine Gefährlichkeit anknüpfen wollte (näher H. Kaufmann Festschrift v. Weber, S. 418). Davon stark abweichend ist wiederum der Standpunkt der „neuen Sozialverteidigung", wie er etwa von Marc Ancel (La Defense Sociale nouvelle, 1954; deutsch: Die neue Sozialverteidigung, 1970), dem langjährigen Präsidenten der „Société Internationale de Defense Sociale", vertreten wurde. Ancel erkannte die Verantwortlichkeit des Menschen an, erstrebte aber eine Umgestaltung der Strafrechtspflege mit dem Hauptziel der Wiedergewinnung des Verurteilten für die Gemeinschaft (dazu eingehend Melzer Die neue Sozialverteidigung (1970). Wie insbesondere die Monographie von Melzer deutlich macht, bestanden mancherlei Verbindungslinien der „Neuen Sozialverteidigung" zu Ansätzen in der deutschen Strafrechtsreform, namentlich zu Ansätzen des Alternativ-Entwurfs zum Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs (1. Aufl. 1966, 2. Aufl. 1969; vgl. Melzer S. 102). Ein einspuriges System befürworteten z.B. auch Ellscheid/Hassemer S. 27 ff (dazu unten Rdn. 20) sowie - mit sehr grundsätzlichen Überlegungen - Baurmann Zweckrationalität und Strafrecht (1987; dazu Feltes GA 1988 524). - So gut wie nichts mit diesen Ansätzen haben jedoch radikale Forderungen zu tun, die in sozialutopischer Weise unter dem Einfluss insbesondere tiefenpsychologischer, neurobiologischer oder kriminalsoziologischer Gedankengänge auf eine Überwindung des Strafrechts überhaupt abzielen und dabei u.a. für bestimmte Bereiche ein „reines Maßnahmerecht" nach dem „Prinzip der sozialen Gefährlichkeit" als notwendigen Ersatz propagieren;6 sie sind beim Stand unserer Entwicklung gegenwärtig nur als Ausdruck des Unbehagens am Strafrecht oder allenfalls als Denkanstöße interessant; vgl. auch Naucke Tendenzen, S. 22. 5
In ausländischen Rechtsordnungen finden sich verschiedene einspurige Systeme, die ganz oder vornehmlich - an das Reaktionsmittel der Strafe anknüpfen (Nachweise wie in Rdn. 2. Fn. 4). In Deutschland hatte sich vor allem H. Mayer eindringlich dafür eingesetzt, unter Abschichtung eines fürsorgenden Personenrechts primär einspurige Reaktionen mit Hilfe der Strafe zu begründen.7
6
b) Einführung in Deutschland. Das StGB von 1870/71, vornehmlich an der vergeltenden Strafe orientiert, kannte noch keine Maßregeln der Besserung und Sicherung im heutigen Sinne; es enthielt nur wenige Rechtsfolgen, die zielgerichtet der Sicherung dienten (Polizeiaufsicht, §§ 38, 39; Aberkennung der Eidesfähigkeit, § 161; Überweisung gemeinlästiger Täter an die Landespolizeibehörde, § 362; Überweisung schuldunfähiger Jugendlicher in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt, § 56 Abs. 2); es war somit im Rechtsfolgensystem streng „einspurig". Führender Kopf der Reformbewegung, die sich für die Einführung der Zweispurigkeit einsetzte, war Franz v. Liszt.8
6
Stellvertretend für die frühere Literatur Plack Plädoyer für die Abschaffung des Strafrechts, 1 9 7 4 ; dazu z.B. die Besprechungen von Haffke MschrKrim. 1 9 7 5 311 und K. Peters J R 1 9 7 7 8 6 ; aus der Perspektive der neueren Hirnforschung wird ebenfalls eine schuldunabhängige Sanktionierung gefordert, die dem geltenden Mapregelrecht zumindest nahe kommt; vgl. Roth FS Lampe S. 5 7 ; ders. Fühlen, Denken, Handeln, S. 5 4 1 , 5 4 4 , 5 5 4 ;
220
Singer ein neues Menschenbild, S. 5 0 f, 6 5 : kritisch Hillenkamp J Z 2 0 0 5 , 313 ff; Das limbische System, S. 91 ff; Kröber Die Wiederbelebung des geborenen Verbrechers, S. 6 3 ff. 7
8
Insbes. Strafrechtsreform, S. 119 ff; s. auch H. Mayer AT 1 9 5 3 , § 7, §§ 6 2 ff; AT 1 9 6 7 , S 4 8 f. Marburger Programm, 1 8 8 2 ; Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuchs (zusammen mit Goldschmidt, Kahl,
Heinz Schöch
Vorbemerkungen zu den §§ 61 ff
Vor § 6 1
Nach längeren heftigen Auseinandersetzungen, dem sog. Schulenstreit, 9 setzte sich in Deutschland die Meinung durch, dass die Strafe zwar weiterhin an der Schuld orientiert bleiben müsse oder solle, aber dort, wo sie den erforderlichen Präventionszwecken allein nicht genüge, durch Maßregeln zu ergänzen sei. Das System der Zweispurigkeit wurde seitdem, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung namentlich hinsichtlich Zahl und Art der einzelnen Maßregeln, von allen deutschen Entwürfen zu einem neuen StGB übernommen (im Ansatz schon im E 1909, vor allem aber in den Entwürfen 1922, 1925, 1927, 1930).
7
Auf diesen Entwürfen fußte dann im Prinzip auch das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung" v. 24.11. 1933 (RGBl. I S. 995), durch das die Maßregeln der Besserung und Sicherung Eingang in das StGB fanden. Das Gewohnheitsverbrechergesetz10 war teilweise nicht unbeeinflusst von nationalsozialistischem Gedankengut, 11 wie namentlich die Einführung der Zwangskastration als Maßregel (§ 42k StGB a.F.; s. dazu § 61 Rdn. 7) deutlich macht, die in den früheren Entwürfen nicht vorgesehen war. Im Ganzen gesehen kann jedoch das damals eingeführte System der Maßregeln nicht als nationalsozialistisches Unrecht gelten, 12 es wurde auch von der Rechtsprechung und der weit vorherrschenden Lehre nach dem Zusammenbruch nicht als solches verstanden. Vielmehr entsprechen die Maßregeln den Reformvorhaben und Entwürfen der Weimarer Republik. 13
8
So blieb es mit gewissen Bereinigungen, Modifizierungen und wichtigen Ergänzungen (vgl. § 61 Rdn. 4 ff und die jeweiligen Hinweise zur „Entstehungsgeschichte") auch nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten. c) Strafrechtsreform (1. und 2. StrRG). Erhalten geblieben ist das zweispurige System auch bei der Strafrechtsreform. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Eine Rolle hat nicht nur die Ansicht gespielt, dass sich das System insgesamt bewährt habe. Von Einfluss sind, mindestens in der Akzentuierung, ohne Zweifel auch weitere historische Gründe gewesen (näher Hanack Krim. Gegenwartsfragen 1972, S. 69), nämlich die Erinnerung an die Ent-
9
10
11
Lilienthal), 1911; näher zu seiner Lehre und ihren geistesgeschichtlichen Wurzeln z.B. Eb. Schmidt Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege 3 , 1965, S. 362 ff, insbes. 379; Beiträge im Gedächtnisheft ZStW 81 (1969) 5 4 3 - 8 2 9 ; Frisch ZStW 94 (1982) 565 ff und 102 (1990) 3 4 5 ff; Schöch ZStW 9 4 (1982) 8 6 4 ff. S. z.B. Eb. Schmidt Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege3 (1965), S. 386 ff; Kaiser/Schöch Fall 1 Rdn. 2 ff. S. dazu die Amtl. Begründung, Staatsanzeiger 1933 Nr. 2 7 7 sowie der einführende Kommentar von SchäferfWagner/Schaßeutle, 1934; für die dem heutigen § 61 entsprechende Übersicht in § 4 2 a vgl. van Gemmeren MK § 61 Rn. 10. Literatur aus jener Zeit bei Rüping Bibliographie zum Strafrecht im Nationalsozialismus, 1985, 5 7 8 f; s. auch Werle Justiz-Strafrecht,
12
13
S. 86 ff; Kammeier Rdn. A 16 ff; Vogel ZStW 115 (2003) 638 sowie umfassend Müller Das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 2 4 . November 1933 (1997); Müller-Christmann JuS 1990 801, 8 0 2 ; Böllinger/Pollähne NK § 61 Rn. 2 m.w.N. So auch das Ergebnis der Untersuchung von Dessecker (2004), S. 89 ff, der allerdings darauf hinweist, dass hier zwischen Normtext und Anwendungspraxis zu differenzieren ist; so auch Werle Justizstrafrecht, S. 7 3 3 ff; van Gemmeren MK § 61 Rn. 11. BVerfGE 2 118; BGH MDR 1951 33. Siehe z.B. die § § 4 2 bis 62 des Entwurfes eines Allgemeinen Deutschen StGB, den das Reichsjustizministerium am 17.11.1924 dem Reichsrat zur Stellungnahme übersandt hat („Entwurf 1 9 2 5 " ) , die ein „Wirtshausverbot" enthielt (vgl. van Gemmeren MK § 61 Fn. 29).
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9
Vor § 6 1
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
artungen der nationalsozialistischen Ära, die bis in die Mitte der sechziger Jahre jene eigentümliche Zwiespältigkeit in den Bemühungen zur Strafrechtsreform zeitigte, einerseits den Menschen in seiner spezifisch sittlichen Verantwortung zu sehen und zu achten (Tendenz zum vergeltenden Schuldstrafrecht), andererseits aber diesen Menschen mit Maßregeln gewissermaßen im Zaum zu halten. Insbesondere jedoch dürfte die gesetzgeberische Entscheidung durch zwei, auch im Schrifttum immer wieder erörterte sachliche Einsichten bedingt sein. 10
Es sind dies: zum einen die Gefahr, dass die limitierende Funktion des Schuldstrafrechts zum Schaden des Bürgers zerstört werden könnte, wenn die Strafe zu sehr an präventiven Bedürfnissen orientiert wird, weil sie dann beim gefährlichen Täter das Maß seiner Schuld nicht selten und nach ganz bedenklichen Kriterien, etwa dem Gedanken der Lebensführungsschuld überschreiten müsste, 14 und zum anderen die Risiken und Grenzen eines Maßregelrechts, das vor allem an die Gefährlichkeit des Täters anzuknüpfen hätte, und dadurch den Bürger leicht zu sehr und ohne Rücksicht auf seine Schuld zum Objekt staatlicher Einwirkungen machen könnte oder müsste. Das wäre um so bedenklicher, als die Möglichkeiten einer spezifisch resozialisierenden Einwirkung auf den Rechtsbrecher begrenzt sind und die Kriminalprognostik trotz methodischer Verbesserungen in den letzten Jahren prinzipiell keine absolut sicheren Vorhersagen über die weitere Entwicklung eines Straftäters machen kann (dazu unten Rdn. 145). Zudem könnte ein in geordneten Verhältnissen lebender NS-Verbrecher oder ein Handlanger aus einem anderen totalitären Regime, der erst Jahrzehnte nach der Tat angeklagt wird, mangels fehlender Sozialgefährlichkeit nicht mit einer Maßregel belegt werden (MüllerChristmann JuS 1990 801, 803).
11
Gegenüber der herrschenden Meinung konnten sich namentlich aus den letzteren Gründen (vgl. Horstkotte Tendenzen, S. 14) die Befürworter eines mehr monistischen Systems 15 nicht durchsetzen. Die Frage war vor allem beim kritischen Problem der Sicherungsverwahrung (dazu Rissing-van Saan/Peglau LK § 66) umstritten.
12
Versucht wurde allerdings, der vielbeschworenen „Krise der Zweispurigkeit" (Rdn. 21) und bedenklichen Folgen des zweispurigen Systems entgegenzuwirken. Auch wurde die zunächst allzu zwiespältige und bedenkliche Hinwendung zu einem sehr weitgehenden Maßregelrecht, wie sie etwa noch den E 1962 kennzeichnet (dazu Hanack Krim. Gegenwartsfragen 1972 69 f), unter dem Einfluss einer verbreiteten Kritik bei den späteren Gesetzesberatungen, insbesondere im Bereich der mehr „lästigen" Kriminalität, nicht unerheblich abgemildert (Einzelheiten bei Erl. der verschiedenen Maßregeln; vgl. auch § 61 Rdn. 6 ff).
13
So zeigt das zweispurige System aufgrund der gesamten Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg heute in mehrfacher Hinsicht ein erheblich verändertes Gesicht (näher, auch zum folgenden, Hanack Krim. Gegenwartsfragen 1972 68 ff): Einmal ist das Strafensystem selbst sehr viel stärker an der gezielt präventiven Einwirkung ausgerichtet, und zwar durch das vorrangige Vollzugsziel der Resozialisierung (§ 2 Satz 1 StVollzG) sowie durch vielfältige gesetzliche Möglichkeiten des Verzichts auf die
14
15
In diesem Sinn - nur z.B. - Bruns ZStW 71 (1959) 210, 214 f; Spendei NJW 1960 1700, 1702; Müller-Christmann JuS 1990 801, 803; Begründung ζ. E 1962 S. 2 0 7 ; kritisch aber etwa Kaiser ZStW 78 (1966) 100, 107 ff. Dreher ZStW 65 (1953) 4 8 9 ; Dünnebier
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ZStW 72 (1960) 32; Frey SchwZStr 66 295; Haddenbrock N J W 1959 1565; Heinitz ZStW 6 3 (1951) 80 f und ZStW 7 0 (1958) 1; Eb. Schmidt Niederschriften Bd. 1, S. 51 ff; Sieverts Materialien zur Strafrechtsreform, Bd. I, S. 109 ff.
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Vorbemerkungen zu den § § 61 ff
Vor § 61
schuldangemessene Strafe klassischer Prägung („Öffnung nach unten") zugunsten „resozialisierungsfreundlicherer" Beeinflussungen und Reaktionen - so im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 56 ff) und der bedingten Entlassung (§§ 57 ff), durch die Einführung der Verwarnung mit Strafvorbehalt ( § § 5 9 ff) und des Absehens von Strafe (§ 60), aber auch durch den starken Verzicht auf kurzfristige Freiheitsstrafen (§ 38 Abs. 2, § 47) sowie durch eine Erweiterung prozessualer Befugnisse zur Einstellung wegen Geringfügigkeit (§§ 153 ff StPO). Zum anderen ist das schroffe Nebeneinander von Strafe und Maßregel im Bereich der 1 4 freiheitsentziehenden Reaktionen durch das Prinzip des Vikariierens (§ 67) nicht unerheblich abgemildert.16 Schließlich ist das Maßregelsystem selbst in mancherlei Weise stärker an dem Be- 15 mühen orientiert worden, mit der Anordnung nur wirklich gefährliche Täter zu treffen, die verschiedenen Einwirkungsformen des Maßregelrechts besser zu koordinieren und die notwendige Durchführung einer Maßregel elastischer und kontrollierbarer zu machen, insbesondere durch Verschärfung der Eingriffsvoraussetzungen bei den freiheitsentziehenden Maßregeln (näher die Erl. zu den §§ 63-66), durch Möglichkeiten des Maßregelaustauschs zum Zwecke der besseren Resozialisierung (§ 67a), durch die Regelung der Maßregelkonkurrenz (§ 72), durch die Befugnis, bestimmte Maßregeln zugleich mit der Anordnung zur Bewährung auszusetzen (§ 67b) und durch die jederzeitige Möglichkeit der Aussetzung zur Bewährung nach begonnenem Vollzug bei günstiger Prognose (§ 67d Abs. 2) sowie durch vielfältige richterliche Kontrollpflichten bei der Vollstreckung (S 67t). Insgesamt ist auf diese Weise ein Reaktionssystem entstanden, das, insbesondere in 16 der Abgrenzung von Strafe und Maßregel (s. Rdn. 37), vielleicht nicht immer logisch zwingend ist, ohne Zweifel auch Schwächen und kritische Punkte enthält, im Kern aber durch die Hinwendung zu einem System charakterisiert wird, das - bei Strafen wie Maßregeln - in erster Linie auf die kriminalpolitisch sachgerechte Einwirkung hinzielt (Hanack Krim. Gegenwartsfragen 1972 70 ff). Programmatisch wird diese Entwicklung des individualpräventiven Ansatzes in der Umkehrung der Begriffe Sicherung und Besserung deutlich (vgl. BVerfG StV 1994 596; Böllinger/Pollähne § 61 Rn. 3 m.w.N.). d) Entwicklung seit den 90er Jahren. Zu erwähnen ist hier zunächst die deutsche 1 7 Wiedervereinigung, die im Bereich der Maßregeln deren weitgehend unveränderte Einführung in den neuen Bundesländern nach sich zog. Dabei war die Anordnung von Maßregeln (mit Ausnahme der Sicherungsverwahrung und der Führungsaufsicht) auch für die Taten vorgesehen, die vor Inkrafttreten des neuen Rechts begangen wurden. Verfassungsrechtlich war dies unbedenklich, da die Geltung des Rückwirkungsverbots in Art. 103 II GG für die Maßregeln ohnehin verneint wird (s. auch § 2 Abs. 6) und darüber hinaus auch die DDR den betreffenden Maßregeln vergleichbare Institute kannte.17 Dies galt allerdings nicht für die Sicherungsverwahrung, die als so problematisch empfunden wurde, dass ihre Einführung zunächst verschoben wurde und erst durch das Gesetz zur Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsverwahrung vom 16.6.1995 (BGBl. I 818) erfolgte.
16
Roxin AT I § 3 Rdn. 6 8 spricht aus den genannten Gründen daher zu Recht von einer gewissen „Annäherung an die Einspurigkeit"; noch weitergehend Schüler-Springorum FS Roxin, S. 1021.
17
Näher Hanack L K 1 1 Rdn. 1 0 0 ff; zum M a ß regelrecht in der D D R s. die Darstellung bei Dessecker ( 2 0 0 4 ) , 1 1 9 f; zu den Schwierigkeiten beim Aufbau des Maßregelvollzugs in den neuen Bundesländern siehe Egg 1 9 9 6 .
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Vor § 6 1
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Die weitere Entwicklung des Maßregelrechts im Laufe der 90er Jahre war geprägt von einer verstärkten Betonung des Sicherheitsgedankens, die fast durchgehend eine Verschärfung der Regelungen mit sich brachte (vgl. Fischer Rdn. 4 vor § 61 m.w.N.). So wurden u.a. mit Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualverbrechen vom 26.1.1998 (BGBl. I 160) die Möglichkeiten der Verhängung der Sicherungsverwahrung (§ 66) erweitert und zugleich die Anforderungen an die Aussetzungsprognose in § 67d Abs. 2 S. 1 erhöht. 18 Ausdruck dieser „Renaissance des Sicherungs- denkens" (Böllinger/ Pollähne NK § 61 Rdn. 32) war insbesondere neben einem deutlichen Anstieg der Belegungszahlen im Maßregelvollzug (§ 61 Rdn. 13 ff) 1 9 auch die Einführung der vorbehaltenen und nachträglichen Sicherungsverwahrung in § 66a und § 66b (s. näher die Erl. dort).
19
Im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1994 zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (2 BvL 3/90, 4/91 und 2 BvR 1537/88, 400/90, 349/91, 387/92 = BVerfGE 91 1 ff.) ist § 64 insoweit als mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 GG unvereinbar und nichtig erklärt worden, als er die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch dann vorsah, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs nicht bestand (s. hierzu § 64 Rdn. 114). Die seit dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 20.4.1989 (BTDrucks. 11/2597) bestehenden Reformbemühungen wurden durch diese Entscheidung bestärkt. Es kam zur Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe (November 1995 bis September 1997), deren Empfehlungen - nach Stellungnahmen der Landesjustizverwaltungen - die Gesetzesentwürfe in der 14., 15. und 16. Legislaturperiode prägten. Zuletzt standen sich ein Regierungsentwurf vom 31.3.2006 (BTDrucks. 16/1110) und ein Bundesratsentwurf vom 26.4.2006 (BTDrucks. 16/1344) gegenüber. Nach Beratungen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, der am 28.2.2007 eine öffentliche Anhörung mit Sachverständigen durchführte, wurde das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (UnterbrSichG) am 16.7.2007 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I, 1327) und trat am 20.7.2007 in Kraft.
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Die weitere Entwicklung des Maßregelrechts wird auch von der Frage abhängen, ob es gelingt, Freiheitsrechte der Betroffenen und berechtigte Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung zu einem gerechten Ausgleich zu bringen. Es mag sein, dass das System nur eine Übergangslösung darstellt (Naucke Strafrecht § 3 IV 3b) und spätere Generationen zu besseren Einsichten kommen. Diskussionswürdig bleiben nach wie vor einspurige Lösungen, etwa ein System der „Strafe ohne Vorwurf" (Ellscheid/Hassemer S. 27 ff), bei dem allein der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „als Maßprinzip" (so Ellscheid/Hassemer) im Mittelpunkt steht. In diesem Zusammenhang ist auf die in letzter Zeit verstärkt unternommenen Bemühungen hinzuweisen, das Verfassungsrecht, und hier insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, für die Konturierung des Strafrechts fruchtbar zu machen. 20 Ob diese Entwicklung die Tendenz zur „Einspurigkeit" weiter befördern wird,
18
Dies gilt jedenfalls bei reiner Betrachtung des Wortlauts, der die Intention des Gesetzgebers, eine reine Klarstellung vornehmen zu wollen, nicht ohne weiteres erkennen lässt, krit. u.a. Schock NJW 1998 1258; Volckart R & P 1998 8 f; Eisenberg/Hackethal ZfStrVo 1998 199 f.
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19
20
S. Dessecker in Egg 2 0 0 5 S. 38 ff; ders. Neue Kriminalpolitik 2 0 0 5 23. S. Lagodny Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte (1996); Appel Verfassung und Strafe (1998); Staechelin Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat (1998); zum Maßregelrecht s. Bae 1985; Dessecker 2 0 0 4 .
Heinz Schöch
Vorbemerkungen zu den §§ 61 ff
Vor § 61
bleibt abzuwarten. 2 1 Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls in mehreren Entscheidungen zum Maßregelrecht das zweispurige System nicht in Frage gestellt (BVerfGE 9 1 1; BVerfGE 109 133). 2. Die sog. Krise der Zweispurigkeit. Die Eigenart der Maßregeln sowie das Nebeneinander von Strafen und Maßregeln schafft Probleme, die als „Krise der Zweispurigkeit" seit langem und in den verschiedensten Zusammenhängen kritisch erörtert werden, wobei diese Erörterung, auch im Ausland, nach wie vor lebendig ist und durch die oben erwähnte „Renaissance des Sicherungsdenkens" im Laufe der 90er Jahre sogar noch zugenommen h a t . 2 2 Es geht dabei insbesondere um die folgenden - alten und neuen, meist untrennbar miteinander verzahnten - Fragen, die hier nur angedeutet, nicht aber im Einzelnen abgehandelt werden können.
21
a) Gefährdung des Schuldprinzips. Da die Maßregeln nicht an die spezifischen Begrenzungen des Schuldstrafrechts gebunden sind, besteht die Gefahr, dass die positiven Aspekte des Schuldprinzips unterlaufen werden. Dieser Gefahr wird durch die rechtsstaatliche Festlegung der Maßregel-Voraussetzungen und ihrer Vollstreckung, aber auch durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. § 6 2 : „außer Verhältnis"), nur bedingt begegnet (Böllinger/Pollähne N K § 61 Rdn. 2 2 ) . Es ist kaum zweifelhaft, dass das Sonderopfer (Böllinger/Pollähne N K § 61 Rdn. 17), das dem gefährlichen Täter - über seine Schuld hinaus - durch Maßregeln abverlangt wird, auch im neuen Recht vielfach problematisch bleibt (vgl. § 63 Rdn. 84). Das „Gegengewicht" des „sparsamen Gebrauchs in der Praxis", das Jescheck/Weigend (AT § 9 II 2) u.a. nennen, enthält daher
22
ein berechtigtes Anliegen, ist aber, zumal beim zwingenden Charakter der meisten Maßregeln, keine klar fassbare juristische Kategorie. b) Vermischung und Nebeneinander von Strafen und Maßregeln. Die Vermischung von Strafen und Maßregeln, die sich gerade aufgrund der Hinwendung zu einem entscheidend an der kriminalpolitisch sachgerechten Einwirkung orientierten Sanktionensystem (Rdn. 16) immer stärker bemerkbar macht, zeigt deutlich, dass beide Sanktionsformen letztlich nur unterschiedliche Mittel zur Erreichung desselben Ziels darstellen. 2 3 So tragen heute Strafen oft maßregelähnliche Züge, wie etwa die Strafaussetzung zur Bewährung, die als Schuldstrafe traditionellen Stils kaum noch gelten kann (näher z.B. Müller-Dietz Grundfragen, S. 60, 6 9 ff) und oft die Funktion der Maßregel Führungsaufsicht übernimmt. Nach der Vereinigungstheorie verfolgt die Strafe neben dem Schuldausgleich auch Zwecke der positiven und negativen Speziai- und Generalprävention. Teils zeigen aber auch Maßregeln in gewissem M a ß e Strafcharakter, so insbesondere die Entziehung der Fahrerlaubnis, bei welcher der Präventionsgedanke letztlich zur individuellen
21
22
Für ein vierspuriges System (1. Feststellung der Schuld und Warnung, 2. Übelszufügung durch Strafe, 3. Wiedergutmachung, 4. Maßregeln) Walther ZStW 111 (1999) 123; zust. Böllinger/Pollähne NK § 61 Rn. 5. Dazu - mit zahlreichen Nachweisen und Einzelheiten - näher insbesondere: Böllinger/ Pollähne NK § 61 Rdn. 20 ff; Frisch ZStW 102 (1990) 343, 345; Kaiser Krise, S. 1 ff; Kaiser FS Pallin, S. 183 ff; vgl. auch Küpper
23
ZStW 102 (1990) 448 sowie die Beiträge zum ausländischen Recht von Buchata, Musco und Victor ZStW 102 (1990) 394 ff, 415 ff, 435 ff. Näher dazu z.B. Arth. Kaufmann J Z 1967 554; Bruns Strafzumessungsrecht (1974), S. 228; Horn SK § 61 Rdn. 4; Jescheck/Weigend AT § 9 I 1; Böllinger/Pollähne NK § 61 Rdn. 21 ff.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Abschreckung verdünnt ist und mittelbar auch Aspekte der Tatvergeltung und Generalprävention wirksam werden (Hanack Krim. Gegenwartsfragen 1972 70 m.w.N.). 24
Daher ist die Forderung berechtigt, bei gleichzeitiger Verhängung von Strafe und Maßregeln beide Reaktionen als „aufeinander abgestimmte Wirkungseinheit" zu begreifen. 2 4 Der Gesetzgeber ist dieser Forderung zwar bei der Strafrechtsreform durchaus entgegengekommen (Rdn. 13 ff). Die Forderung ist aber dennoch auch heute in erheblichem Umfang schwer zu verwirklichen, insbesondere weil zweifelhaft geblieben ist, ob oder wie weit bei der Strafzumessung die Wirkung einer gleichzeitig verhängten Maßregel berücksichtigt werden darf. Im Bereich der Prävention liegt eine solche Wechselwirkung auf der Hand; auch das BVerfG hat betont, dass die Maßregel die Strafe von ihrer spezialpräventiven Funktion weitgehend entlasten könne und letztere deshalb „bis an die Grenze des noch Schuldangemessenen" abgesenkt werden könne (BVerfGE 109 133, 179). Ob auch Bedürfnisse des „Schuldausgleichs" von der Verhängung der Maßregel beeinflussbar sind, ist ungeklärt. Der BGH hält es, vom Standpunkt der von ihm vertretenen Spielraumtheorie aus konsequent, bei den unterschiedlichen Funktionen und den unterschiedlichen Anknüpfungspunkten von Strafe und Maßregel nach wie vor für unmöglich, allein im Hinblick auf eine gleichzeitig verhängte Maßregel das Maß der schuldangemessenen Strafe zu unterschreiten (BGHSt 24 132 m.w.N.). Dabei bleibt aber zu diskutieren, ob das Maß der zum „Schuldausgleich" erforderlichen Strafe nicht doch mit den Präventionsbedürfnissen zusammen hängt. Versteht man die schuldangemessene Strafe als eine von der Allgemeinheit als gerecht empfundene staatliche Reaktion auf die Tat, 2 5 liegt ein solcher Wirkungszusammenhang nahe.
25
Unstreitig ist, dass es keine Überschreitung der schuldangemessenen Strafe unter Verzicht auf eine an sich gebotene Maßregel geben darf (statt aller: BGHSt 2 0 264; BGH J Z 1988 264); zugleich hat der Gesetzgeber im Grundsatz die Ansicht der Rechtsprechung im Bereich der freiheitsentziehenden Maßregeln durch das Prinzip des Vikariierens (§ 67) mittelbar bestätigt (Marquardt S. 158). Vorhandene Bemühungen, der Problematik im Rahmen der Strafzumessungsgrundsätze des § 46 zu begegnen, 26 stecken noch durchaus in den Anfängen und lassen sich bei der Logik des Systems dogmatisch überzeugend auch schwer realisieren. 27
26
c) „Etikettenschwindel". Ein „Etikettenschwindel" 28 (Kohlrausch ZStW 44 [1932] 33) droht jedenfalls bei den freiheitsentziehenden Maßregeln, soweit sie sich im praktischen Vollzug von der Freiheitsstrafe nicht eindeutig unterscheiden lassen. 29 Dieses Problem stellt sich besonders bei der Sicherungsverwahrung. Immerhin bemüht sich das Strafvollzugsgesetz, den Vollzug der Sicherungsverwahrung in einigen Punkten abweichend vom Vollzug der Freiheitsstrafe zu gestalten. So darf der Sicherungsverwahrte
24
25
Zipf in Roxin u.a. Einführung in das neue Strafrecht, S. 1 0 6 m.w.N.; Miiller-Dietz Grundfragen, S. 67. In diese Richtung geht die aktuelle Diskussion der Strafzwecke, bei der immer häufiger Verbindungslinien zwischen Schuldausgleich und positiver Generalprävention, damit zwischen absoluter und relativer Strafbegründung aufgezeigt werden, vgl. nur Kalous Positive Generalprävention und Vergeltung
(2000).
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26
Vgl. m.w.N. insbesondere Bruns Leitfaden, S. 6 5 ff; Bruns Recht der Strafzumessung, S. 8 7 f; B G H bei Theune StV 1 9 8 5 163.
27
Vgl. dazu und zum Ganzen Marquardt S. 1 5 7 ff; Horn SK § 4 6 Rdn. 1 4 0 ; Sch/Schröder/Stree § 4 6 Rdn. 7 0 f.
28
Kohlrausch Z S t W 4 4 ( 1 9 3 2 ) 3 3 ; aus neuerer Zeit Frisch Z S t W 1 0 2 ( 1 9 9 0 ) 3 4 3 , 3 5 6 . Vgl. Jescheck/Weigend AT § 9 II 2 ; MüllerDietz Grundfragen, S. 71 ff; Müller-Christmann JuS 1 9 9 0 8 0 1 , 8 0 2 .
29
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Vorbemerkungen zu den § § 61 ff
Vor § 61
eigene Kleidung tragen und Wäsche und eigenes Bettzeug benutzen (§ 132 StVollzG). Das Taschengeld, das für persönliche Bedürfnisse innerhalb der Anstalt zur Verfügung gestellt wird, wenn der Gefangene kein Hausgeld aus eigenem Arbeitseinkommen hat, ist höher als bei Strafgefangenen ( W zu § 133 und zu § 46 StVollzG). Zwar werden Sicherungsverwahrte nicht in eigenen Anstalten, sondern nur in besonderen Abteilungen der normalen Justizvollzugsanstalten untergebracht, jedoch schreibt S 131 StVollzG vor, dass den persönlichen Bedürfnissen des Sicherungsverwahrten nach Möglichkeit bei der Unterbringung Rechnung zu tragen ist. So sehen die Verwaltungsvorschriften zu § 131 vor, dass die Gesamtdauer der Besuche mindestens 2 Stunden im Monat beträgt. An arbeitsfreien Tagen soll dem Sicherungsverwahrten ermöglicht werden, sich 2 Stunden im Freien aufzuhalten. Soweit die Unterbringung in abgeschlossenen Wohngruppen erfolgt, bleiben Hafträume auf Wunsch des darin untergebrachten Sicherungsverwahrten während der Freizeit zeitweise geöffnet. Für persönliche Einkäufe aus dem Hausgeld wird ein etwas höherer Betrag zur Verfügung gestellt, und der Sicherungsverwahrte kann mehr Pakete empfangen als der Strafgefangene. Bei den anderen stationären Maßregeln eliminiert das Vikariierungsprinzip des § 67, 2 7 das im 2. StrRG eingeführt wurde, die Gefahr eines Etikettenschwindels weitgehend (fescheck/Weigend AT § 9 II 2), allerdings inzwischen abgeschwächt durch das 23. StRÄndG (s. § 67 „Entstehungsgeschichte"), das die Anrechnung des Maßregelvollzugs auf zwei Drittel der Strafdauer begrenzt hat (§ 67 Abs. 2). d) Erforschung der Täterpersönlichkeit. Die Erforschung der Täterpersönlichkeit, insbesondere seiner weiteren Gefährlichkeit, ist das zentrale Problem des Maßregelrechts, weil es stets um diese Gefährlichkeit bzw. ihre Abwehr geht (s. Rdn. 51 ff). Es ist aber zweifelhaft, ob nach dem Stand der Prognoseforschung (dazu Rdn. 142 ff), zumal angesichts der äußerst differenzierten Gesetzesregelungen, insoweit im Einzelfall genügend verlässliche Feststellungen und Aussagen immer möglich sind. Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob in Deutschland - insbesondere angesichts des gestiegenen Bedarfs (§§ 264a, 275a, 454 Abs. 2, 463 Abs. 3 StPO) - heute oder in absehbarer Zeit genügend qualifizierte Sachverständige zur Verfügung stehen. 30
28
3. Zweck der Maßregeln a) Genereller Zweck. Die einzelnen Maßregeln knüpfen jeweils an recht unterschiedliehe Voraussetzungen an und verfolgen nach Art, Stoßrichtung und Einwirkungsmitteln punktuell z.T. durchaus verschiedenartige kriminalpolitische Belange. Insofern ergibt sich der Zweck der Maßregeln in erster Linie aus dem Gesetz. Über diese Verschiedenartigkeiten hinweg ist jedoch den Maßregeln, entsprechend auch ihrem historischen Entstehungsgrund, in all ihren Einzelausprägungen ein genereller Zweck gemeinsam: Sie sind, wie die einzelnen Vorschriften zeigen, nur anzuordnen, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter weitere Straftaten begeht. Dies gilt auch für § 69, wo freilich die Gefahr weiterer Straftaten schon daraus gefolgert wird, dass sich der Täter durch eine rechtswidrige Tat als „zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet" erwiesen hat (s. näher die Erl. zu § 69).
30
Vgl. dazu schon den Bericht über die Lage der Psychiatrie S. 421 f sowie Witter in Witter (Hrsg.) Der psychiatrische Sachverständige
im Strafrecht (1987), S. 28 f; Hinz Gefährlichkeitsprognosen im Strafrecht (1987); H.-J. Horn MschrKrim 1989 97 ff, 100.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Genereller Zweck aller Maßregeln ist mithin die Gefahrenabwehr, die Vorbeugung gegenüber künftigen Straftaten. Die Maßregeln schützen damit speziell Interessen der öffentlichen Sicherheit. Sie sind sozialethisch indifferente (Horn SK § 61 Rdn. 2), ausschließlich spezialpräventiv-zweckgerichtete, auf den einzelnen gefährlichen Täter bezogene Maßnahmen. 30
b) Zweck und Ziel; Sicherung und Besserung. Von diesem allgemeinen Zweck aller Maßregeln zu unterscheiden sind der Weg und die Mittel, mit deren Hilfe das Gesetz der weiteren Gefährlichkeit des Täters zu begegnen sucht. 3 1 Es ergibt sich auf diese Weise, wie in Rechtsprechung und Lehre vielfach nicht klar genug erkannt wird, eine Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Zweck jeder Maßregel und ihrem konkreten Ziel, die mit der Unterscheidung zwischen Sicherung und Besserung zusammenhängt und bei den freiheitsentziehenden Maßregeln an der Normierung spezifischer Vollzugsziele im StVollzG besonders deutlich wird:
31
Grundsätzlich können die Maßregeln ihren generellen Zweck sowohl durch die bessernde Einwirkung auf den Täter als auch durch seine Sicherung erreichen. Dem Wesen eines rechtsstaatlich-humanen Strafrechts entspricht es, dass als konkretes Ziel der Gedanke der Besserung Vorrang hat, 3 2 die Sicherung also erst und nur dann in den Vordergrund tritt oder gar zum alleinigen Maßregelzweck wird, wenn eine Besserung nicht möglich erscheint. 3 3 Dies ist vor allem deswegen geboten, weil die Maßregeln nicht an die Schuld, sondern an die, eventuell ganz unverschuldete, Gefährlichkeit des Täters anknüpfen und ihm insoweit ein Sonderopfer auferlegen. Der Gesetzgeber selbst hat, in Abkehr vom früheren Recht, diese Vorrangstellung der Besserung bei der Strafrechtsreform auch äußerlich durch die Titelüberschrift zum Ausdruck gebracht: „Maßregeln der Besserung und Sicherung", statt, wie früher, der „Sicherung und Besserung" (dazu E 1 9 6 2 S. 2 0 7 ) . Ein Vorrang der Sicherung wäre auch verfassungsrechtlich bedenklich (vgl. BVerfGE 9 1 1 ff).
32
Der Vorrang des Besserungsgedankens darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine scharfe Trennung der beiden Ziele nicht immer möglich ist, schon weil z.B. jede Besserung (oder jeder Besserungsversuch) durch Unterbringung in einer freiheitsentziehenden Maßregel auch eine Sicherung für die Zeit der Unterbringung bedeutet.
33
Vor allem aber ist zu beachten, dass die Maßregeln im Hinblick auf das Verhältnis von Besserung und Sicherung durchaus unterschiedlich akzentuiert sind. 3 4 So steht bei der Unterbringung in der Entziehungsanstalt (§ 64) das Besserungsziel im Vordergrund. Die Maßregel wird - wie die Neufassung des § 6 4 Satz 2 seit dem UnterbrSichG vom 16.7.2007 verdeutlicht - (vgl. aber bereits BVerfGE 9 1 1 ff) überhaupt nur zur Verfügung gestellt, wenn das Ziel erreichbar erscheint; sonst muss der Richter auf ihre Anordnung verzichten (näher § 6 4 Rdn. 114 ff). Bei der Sicherungsverwahrung (§ 66) hingegen geht es nach der Art des Täterkreises vornehmlich um die Sicherung, wie auch die Umschreibung des Vollzugsziels in § 129 StVollzG zeigt, während bei der Führungsaufsicht (§ 68) Besserung und Sicherung untrennbar verschlungen sind.
31
32
Vgl. auch H.-J. Horn S. 485; Maurach/ Gössel/Zipf AT II § 67 Rdn. 9 ff; Meier Strafrechtliche Sanktionen, S. 220 ff; Müller S. 29 f; Dessecker (2004), S. 202. AA van Gemmeren MK § 61 Rn. 1: für Vorrang der Sicherung.
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AA Böllinger/Pollähne NK § 61 Rn. 56: Besserung als einzig legitimes Mittel zum Zweck der Sicherung. Näher Dessecker (2004), S. 199 ff.
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Vorbemerkungen zu den § § 61 ff
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Zu betonen bleibt, dass das Besserungsziel allein nie die Anordnung einer Maßregel rechtfertigt, weil die Besserung immer auf den Zweck bezogen sein muss, der Gefahr weiterer Straftaten vorzubeugen. Denn „eine Besserung" des Täters interessiert das Strafrecht nur insoweit, als sich diese im Erlöschen der Gefährlichkeit des Täters auswirkt, sich also auf die Sicherung der Gesellschaft vor künftigen Rechtsbrüchen des Täters bezieht". 35 Ganz in diesem Sinne hat das BVerfG entschieden, dass es gegen Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG verstoße, die Maßregel des § 64 zur Heilbehandlung eines für die Allgemeinheit ungefährlichen Täters anzuordnen (BVerfGE 91 1, 28). Alles andere wäre falsch verstandene Humanität, nämlich Inanspruchnahme des Strafrechts zu Einwirkungen, die nicht mehr seine Aufgabe sind (besonders markant bei § 64, vgl. § 64 Rdn. 3 ff), sondern in der gefährlichsten Weise seiner rechtsstaatlichen Funktion und Begrenzung widersprächen. Ein solches Verständnis des Besserungszieles brächte zugleich die Gefahr mit sich, den Eingriffscharakter der Maßnahme zu Lasten des Betroffenen im Rahmen der gebotenen Abwägung zu unterschätzen (Bae S. 99).
34
c) Zukunftsgerichtete Vorbeugung. Bei ihrem allgemeinen Zweck, künftige Straftaten zu verhindern, knüpfen die Maßregeln, wie bemerkt, durchweg an die Gefährlichkeit des Täters an, und zwar im Hinblick auf die Gefahr weiterer Straftaten. 36 Unterschiedlich sind - je nach Art und Schwere der Maßregel - nur die Bezugspunkte und der Grund der Gefährlichkeit (näheres bei den Einzelkommentierungen). So wird z.B. bei der Sicherungsverwahrung (§ 66) ein „Hang zu erheblichen Straftaten" bestimmter Art verlangt, während bei der Führungsaufsicht ( § 6 8 ) lediglich die „Gefahr weiterer Straftaten" erforderlich ist und es bei der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69) sogar genügt, dass der Täter aufgrund einer begangenen Tat zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erscheint.
35
Durch das Abstellen auf die - unterschiedlich strukturierte - Gefährlichkeit sind die Maßregeln auf die Zukunft gerichtet. Sie sollen künftige Rechtsbrüche ohne Rücksicht darauf verhindern, ob die Täterschuld für sich allein so schwere Eingriffe rechtfertigt. Mit der Strafe haben die Maßregeln dabei zwar die Begehung einer Straftat oder doch einer rechtswidrigen Tat als Ausgangspunkt der Beurteilung („Anlasstat") gemeinsam. Der entscheidende Unterschied zur Strafe liegt jedoch in der betonten Vorbeugungsaufgabe der Maßregeln als dem sie rechtfertigenden eigentlichen Grund.
36
d) Unterschiede zur Strafe. Eine begrifflich scharfe Abgrenzung zur Strafe ist heute kaum noch möglich, weil mittlerweile auch die Strafe stark auf die kriminalpolitisch zweckmäßige Einwirkung ausgerichtet ist (s. oben Rdn. 13 ff). Der Täter selbst wird beide Reaktionen meist in gleicher Weise als Übel empfinden. Die Frage der Unterschiede wird im Schrifttum viel erörtert (zusammenfassend Frisch ZStW 102 [1990] 356 ff). Aufgrund ihres spezifischen Zwecks und unbeschadet ihrer Berührungspunkte unterscheiden sich - wiederholend und ergänzend zusammengefasst - die Maßregeln von der Strafe vor allem in folgender Richtung:
37
(1) durch den genannten, sie rechtfertigenden Grund der speziellen Vorbeugungsaufgabe (Rdn. 35), die nicht an die Tatschuld anknüpft;
35
BVerfGE 2 2 1 8 0 , 2 1 9 f; Maurach A T 4 § 6 7 II 4 ; Dessecker ( 2 0 0 4 ) , S. 2 0 4 f; Böllinger/ Pollähne N K Rdn. 5 6 und van Gemmeren Rdn. 1.
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Ausführlich zur Gefährlichkeit als grundlegendem Prinzip des Maßregelrechts Dessecker 2 0 0 4 .
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
(2) durch den ebenfalls schon genannten spezifischen Zweck der Gefahrenabwehr, bezogen auf die Begehung weiterer Straftaten (Rdn. 29); (3) durch die daraus folgende ausschließliche Stoßrichtung gegen noch unbestimmte künftige Rechtsbrüche; (4) durch die besondere Bedeutung der Zweckerreichung, die grundsätzlich zum Verzicht auf die Vollstreckung oder die weitere Vollstreckung der Maßregel zwingt, sobald die Gefährlichkeit des Täters nicht mehr besteht, und die darum in hervorgehobenem Maße die ständige Überprüfung des Maßregelvollzugs verlangt; (5) durch die - mit dem vorigen zusammenhängende - Bedeutung des sog. Subsidiaritätsprinzips (näher Rdn. 74 ff), d.h. der richterlichen Pflicht, die Anordnung (streitig), Vollstreckung oder weitere Vollstreckung zu unterlassen, wenn oder sobald sich zeigt, dass mildere Mittel geeignet sind, die Gefahr weiterer Straftaten auszuschließen; (6) durch die - ebenfalls mit der Zweckerreichung zusammenhängende - Tendenz zur unbestimmten Dauer, die nur bei der Entziehung der Fahrerlaubnis in gewissem Sinne durchbrochen wird (§ 69a; vgl. aber § 69a Abs. 7), im Übrigen jedoch unbeschadet selbst bestimmter Höchstfristen besteht; (7) durch das Vorhandensein bestimmter Persönlichkeitszüge des Betroffenen (z.B. seelische Störungen, Süchtigkeit, Hang), die jedenfalls bei den freiheitsentziehenden Maßregeln die spezifische Gefährlichkeit für die Zukunft ergeben; (8) durch die Nichtgeltung des Rückwirkungsverbots (§ 2 Abs. 6; näher dazu Rdn. 94 f). 38
4. Zur Rechtfertigung der Maßregeln. Grundsätzlich liegt den Maßregeln, wie dargelegt (Rdn. 29 ff), der Zweck zugrunde, im Interesse der öffentlichen Sicherheit künftige Straftaten durch spezialpräventive Einwirkungen auf den gefährlichen Täter zu verhindern. Allein von diesem Zweck her erfahren die Maßregeln auch ihre Rechtfertigung,37 und zwar unbeschadet ihrer auch erforderlichen Begrenzung durch die elementaren Maßstäbe der Rechtsstaatlichkeit. Auf dieser Grundlage ist auch die Frage zu beantworten, wann der über die Schuld hinausgreifende Eingriff in die Rechtsgüter des Betroffenen berechtigt ist: Maßregeln sind nur zulässig unter dem Gesichtspunkt des Gemeininteresses an der Verbrechensverhütung und setzen voraus, dass das Gemeininteresse gewichtiger ist als die aufzuopfernden Interessen des Individuums.38 Die vom Täter ausgehende Gefahr für rechtlich geschützte Interessen muss so schwer wiegen, „dass der zu ihrer Abwehr erforderliche Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte als vertretbar erscheint" (Stratenwerth/Kuhlen AT § 1 Rdn. 42).
39
Der Staat ist durch wertentscheidende Grundsatznormen (wie Art. 2 GG) verpflichtet, besonders wichtige Rechtsgüter auch strafrechtlich gegen Angriffe Dritter zu schützen (BVerfGE 39 1, 47). Dieser Schutzverpflichtung muss der Staat nachkommen, wenn die betroffenen Interessen der Allgemeinheit den deutlich überwiegenden Wert darstellen (van Gemmeren MK § 61 Rdn. 2). Sax hat insoweit treffend die Zulässigkeit auf den Gedanken des Rechts der Gemeinschaft zur Notwehr bezogen (S. 964 ff). 3 9
37
38
Vgl. dazu, in z.T. etwas anderer Akzentuierung, Miiller-Dietz Grundlagen, S. 72; Maurach/Gössel/Zipf AT II § 6 7 Rdn. 15; Jescheck/Weigend AT § 9 II 1; Kammeier Rdn. A 99 ff. Stratenwerth AT 1 § 1 Rdn. 40; vgl. auch
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Jescheck/Weigend AT § 9 II 1; Frisch ZStW 102 (1990) 343, 369, 382; Müller-Christmann JuS 1990 801, 803 m.w.N.; differenzierend Jakobs AT 2 1/55 ff. Bedenken dagegen aber z.B. bei Jakobs AT 2 1/54; vgl. auch Frisch ZStW 102 (1990) 366 f.
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Vorbemerkungen zu den §§ 61 ff
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Wiederholt ist versucht worden, für die Maßregeln eine sozialethische Begründung zu finden, weil Zweckerwägungen allein einen so schweren Eingriff in Persönlichkeitsrechte nicht rechtfertigen könnten. 4 0 Danach sollen die Maßregeln auf dem allgemeinen sozialethischen Gedanken beruhen, dass am Gemeinschaftsleben nur der ungeschmälert teilnehmen könne, der imstande sei, sich von den Normen des Gemeinschaftslebens leiten zu lassen. Alle äußere oder soziale Freiheit rechtfertige sich letztlich aus dem Besitz der inneren oder sittlich gebundenen Freiheit. Wer dieser Freiheit überhaupt nicht fähig sei (Geisteskranke), oder infolge von schlechten Anlagen, Lastern und Gewohnheiten nicht mehr hinreichend mächtig sei, könne die volle soziale Freiheit nicht beanspruchen. Mit dem letzteren Gesichtspunkt ist insbesondere das Institut der Sicherungsverwahrung gegenüber Zustandsverbrechern gerechtfertigt worden.
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5. Verfassungsrechtliche Probleme. Die Frage, ob oder in welchem Umfang Maßregeln verfassungsrechtlich zulässig sind, hängt eng mit der im Vorigen behandelten Frage ihrer Rechtfertigung zusammen, wird aber von der dortigen Kritik an den Bemühungen zur ethischen Begründung der Maßregeln nicht berührt. Geht man davon aus, dass die Freiheit, die dem einzelnen durch die Grundrechte garantiert wird, eine gemeinschaftsgebundene Freiheit ist (BVerfGE 7 320, 323; vgl. auch BVerfGE 12 45, 51; 2 8 157, 189 u.ä.), sind vorbeugende Maßnahmen gegen den Störer, auch in Form der Freiheitsentziehung, mit dem Grundgesetz prinzipiell vereinbar. Das entspricht auch der ganz herrschenden Meinung (vgl. van Gemmeren M K § 61 Rdn. 2). Freilich müssen die Maßregeln dabei den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen.
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Rechtsstaatliche Bedenken sind vor allem gegen die Sicherungsverwahrung (§ 66) erhoben worden (näher Rissing-van Saan/Peglau LK § 66 Rdn. 38 f). Sie betreffen insbesondere die Frage eines Verstoßes gegen die Menschenwürde, speziell durch die Art des Vollzugs, aber auch die unbestimmte Dauer der Verwahrung und die damit verbundenen Beeinträchtigungen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 klargestellt, dass die Maßregel der Sicherungsverwahrung in ihrer jetzigen Form verfassungsgemäß ist und weder gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) noch gegen das Freiheitsgrundrecht in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG verstößt (BVerfGE 109 133).
42
Es besteht auch bei der Sicherungsverwahrung die verfassungsrechtliche Pflicht, den Betroffenen als Mitglied der Gemeinschaft zu achten und die Möglichkeiten einer Resozialisierung des Sicherungsverwahrten auszunutzen (Miiller-Dietz NStZ 1983 149). Die Auffassung von BVerfGE 2 188, 191, dass bei der Sicherungsverwahrung nur ein Verstoß gegen Art. 104 Abs. 1 Satz 2 GG (Verbot der seelischen und körperlichen Misshandlung) verfassungswidrig sei, ist überholt; sie war schon mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Strafvollzug (BVerfGE 35 205, 235; 3 6 264, 275) kaum vereinbar; nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht in der oben erwähnten Entscheidung zur Sicherungsverwahrung (BVerfGE 109 133) klargestellt, dass auch dort auf eine Resozialisierung des Untergebrachten hinzuwirken sei, was aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet wird. Zugleich betont das Gericht das Gebot der Besserstellung des Sicherungsverwahrten gegenüber dem im normalen Strafvollzug befindlichen Täter. Auf diese Weise solle der rein spezialpräventive Charakter der Maßregel gewährleistet werden. Dies gelte insbesondere bei langer Unterbringungsdauer, bei der „zusätzliche Vergünstigungen" zu erwägen seien, „um dem hoffnungslos Verwahrten einen Rest an Lebensqualität zu gewährleisten" (BVerfGE 109 133, 167).
43
40
Welzel Lehrbuch § 32 III; Bruns ZStW 71 (1959) 210, 211 f; Lang-Hinrichsen Gutach-
ten zum 43. DJT, S. 4 3 ; Stree Deliktsfolgen, S. 233.
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44
Gegen die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus ( § 6 3 ) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64) lassen sich nach dem Gesagten - und unter den genannten Voraussetzungen eines sachgerechten Vollzugs (dazu näher bei § 63 und § 64) - grundsätzliche Bedenken kaum erheben. Sie folgen insbesondere nicht aus der primären Orientierung der beiden psychiatrischen Maßregeln am Vollzugsziel der Besserung (§§ 136, 137 StVollzG), weil dieses Ziel nur eine besondere, ja gebotene Ausrichtung (s. Rdn. 31, 34) der verfassungsrechtlich zulässigen Vorbeugung weiterer Straftaten darstellt (näher Stree Deliktsfolgen, S. 2 2 4 ff). Verfassungsrechtlich sensible Fragen ergeben sich bei § 63 jedoch nicht nur im Einzelfall (vgl. § 62 Rdn. 11) aus der unbefristeten Dauer der Unterbringung (näher § 63 Rdn. 28).
45
Der frühere Ausschluss der Anrechnung des Maßregelvollzugs bei abgebrochener Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 67 Abs. 4 Satz 2 a.F. wurde durch Beschluss des 2. Senats des BVerfG vom 16. März 1994 (BVerfGE 91 1 ff) für verfassungswidrig erklärt, da er wegen der pauschalen Bezugnahme auf gerichtliche Anordnungen nach $ 67d Abs. 5 Satz 1 a.F. mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG unvereinbar war; 4 1 er wurde im UnterbrSichG vom 16.7.2007 endgültig gestrichen.
4ß
Dagegen hat das BVerfG die ähnlich umstrittene Anrechnungsbeschränkung auf zwei Drittel der Strafe in § 67 Abs. 4 Satz 1 i.d.F. des 23. StRÄndG unbeanstandet gelassen (s. § 67 Rdn. 23). Entgegen der vom OLG Celle (NStZ 1990 453) in einem Vorlagebeschluss vertretenen Rechtsauffassung hält sich die Begrenzung der Anrechnung auf zwei Drittel der Dauer der Strafe nach dem Beschluss vom 16. März 1994 „im verfassungsrechtlichen Rahmen einer gleichermaßen um die Verwirklichung der Strafzwecke wie auch um den Erfolg der Suchtbehandlung bemühten gesetzgeberischen Gestaltung". 42 „Bei dieser Lösung wird der Täter nicht dadurch, dass er im Maßregelvollzug an seiner Therapie mitwirkt, schon gänzlich von einer strafenden Reaktion auf seine Tatschuld freigestellt" (BVerfGE 91 1, 35, 36; vgl auch BVerfG NJW 1995 2 4 0 4 ff).
47
Die Maßregeln ohne Freiheitsentziehung (Führungsaufsicht, Entziehung der Fahrerlaubnis, Berufsverbot) erscheinen unter den genannten Gesichtspunkten nicht verfassungswidrig.43 Verfassungsrechtlich problematisch ist bei der Führungsaufsicht jedoch die in Teilen überzogene Strafvorschrift des § 145a beim Verstoß gegen einzelne Weisungen gemäß § 68b Abs. 1. Auch ergeben sich gerade bei der Führungsaufsicht Probleme des Übermaßverbots, die nicht nur zu bestimmten verfassungskonformen Auslegungen zwingen (Schneider LK § 68e Rdn. 15 ff), sondern in seltenen Einzelfällen dazu führen, dass der Richter an eine zwingende Normierung nicht gebunden ist (Schneider LK § 68 Rdn. 15). Beim Berufsverbot, das auch Art. 12 GG einschränkt, bestehen namentlich gegenüber Presseangehörigen besondere Probleme im Hinblick auf die durch Art. 5 GG garantierte Pressefreiheit, im Hinblick auf das sog. Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 und das Verwirkungsproblem nach Art. 18 GG; s. dazu im Einzelnen die Erl. zu § 70.
48
6. Wissenschaftliche Durcharbeitung des Maßregelrechts. Die wissenschaftliche Durcharbeitung des Maßregelrechts entspricht bei weitem noch nicht der Qualität der allgemeinen Strafrechtsdogmatik, jedoch sind in den letzten Jahrzehnten durch wichtige
41
42
Zur Problematik der Verfassungsmäßigkeit wird auf die Ausführungen in der Vorauflage verwiesen. BVerfGE 91 1, 35 bestätigt durch BVerfG
232
43
NJW 1995 2 4 0 5 , 2 4 0 6 und BVerfG NJW 2 0 0 4 739, 747. Vgl. für die Führungsaufsicht BVerfG NStZ 1981 21.
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Vorbemerkungen zu den § § 61 ff
Vor § 61
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs sowie verdienstvolle Beiträge aus Wissenschaft und Praxis einige Verbesserungen zu verzeichnen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die umfassende Untersuchung von Dessecker (2004), der für die freiheitsentziehenden Maßregeln das grundlegende Prinzip der „Gefährlichkeit" herausarbeitet und dabei empirische Erkenntnisse über die Rückfallgefährdung einzelner Tätergruppen sowie die Wirksamkeit strafrechtlicher Sanktionen berücksichtigt. Bedeutsam sind auch kriminologische Untersuchungen zur Rechtswirklichkeit der Maßregeln 44 und zur Legalbewährung nach einer Entlassung. 45
Π. Prinzipien des Maßregelrechts 1. Rechtsstaatlichkeit. Die Maßregeln erfüllen präventivpolizeiliche Aufgaben, die der Strafrechtspflege anvertraut sind. Dies ist historisch begründet, geschieht aber nicht so sehr im Hinblick auf den Zweck der Gefahrenabwehr (der sich auch im Rechtsstaat mit einer spezifisch polizeirechtlichen Regelung erreichen ließe), sondern vor allem aus rechtsstaatlichen und Sicherheitsgründen zum Schutze des Betroffenen selbst, für den die Eingriffe des Maßregelrechts regelmäßig von erheblicher Bedeutung sind.
49
Auf diese Weise ergeben sich für das Maßregelrecht spezielle rechtsstaatliche Garantien, nämlich insbesondere die Folgenden:
50
(1) Maßregeln setzen ohne Ausnahme die Begehung einer mindestens rechtswidrigen Tat („Anlasstat") voraus, die, unbeschadet der Frage einer Verurteilung auch zu Strafe, in den gesetzlich vorgeschriebenen strengen Formen der Strafprozessordnung („Strengbeweis") festgestellt werden muss. (2) Maßregeln können - abgesehen von der Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§ 68 Abs. 2; Übersicht bei Schneider LK Vor § 68 Rdn. 9) - nur im strafgerichtlichen Verfahren bzw. dem ihm angenäherten Sicherungsverfahren (§§ 413 ff StPO), also in einem Verfahren angeordnet werden, das in den Händen unabhängiger Richter liegt und im Ermittlungsstadium in den Händen einer der materiellen Wahrheit verpflichteten Justizbehörde, der Staatsanwaltschaft. (3) Es gilt das Prinzip der Gesetzlichkeit, insbesondere das Analogieverbot, d.h. Maßregeln dürfen nur verhängt werden, wenn die jeweils vom Gesetz bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Eine analoge Anwendung auf andere Fälle ist unzulässig (vgl. schon BGHSt 18 136, 140). Sie würde dem Rechtsstaatsprinzip widersprechen (Stree Deliktsfolgen, S. 78 ff). (4) Es gilt der Grundsatz in dubio pro reo. Dies ist eindeutig, soweit es um die sog. formellen Voraussetzungen der Maßregelanordnung geht, d.h. um die Anlasstat und sonstige Umstände, an die die Maßregel anknüpft. Der Grundsatz gilt aber auch für die sog. materiellen Voraussetzungen, d.h. die Frage, ob die künftige Gefährlichkeit des Täters, also die Gefahr weiterer Straftaten, zu bejahen ist. Die zum Teil vertretene gegenteilige Auffassung, nach der die Anordnung der Maßregel auch zulässig ist, wenn sich ein sicheres Urteil über die Gefährlichkeit nicht abgeben lässt, beruht auf einem Fehlverständnis
44
Leygraf Psychisch kranke Straftäter ( 1 9 8 8 ) ; Jehle FS Venzlaff, S. 2 1 1 ff; Dessecker/Egg (Hrsg.) Die strafrechtliche Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: rechtliche, empirische und praktische Aspekte ( 1 9 9 5 ) .
45
Umfassend Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, S. 2 3 3 ff, 2 7 5 ff, 3 1 2 ff; ders. Straftäter und Psychiatrie ( 1 9 9 7 ) .
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
der prozessualen Situation. Schon das RG ist ihr nicht gefolgt und auch vom B G H sowie von der weit herrschenden Lehre wird sie nicht geteilt (näher unten Rdn. 6 0 ff m.w.N.). 51
2 . Die künftige Gefährlichkeit des Täters. Der eigentliche Angelpunkt des Maßregelrechts ist, entsprechend seiner kriminalpolitischen Zielsetzung (Rdn. 2 9 ) , die Frage der weiteren Gefährlichkeit des Täters, und zwar speziell im Hinblick auf die Begehung weiterer Straftaten („Gefährlichkeitsproblem"). Dies war schon im früheren Recht so (näher Lang-Hinrichsen L K 9 Vor § 4 2 a Rdn. 2 4 ) , ist aber vom Gesetzgeber bei der Strafrechtsreform in der Akzentuierung insgesamt noch deutlicher gemacht worden.
52
a) Freiheitsentziehende Maßregeln. Bei den freiheitsentziehenden Maßregeln hebt das Gesetz durchgängig darauf ab, ob vom Täter weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu befürchten sind. Der Begriff der Erheblichkeit ist insoweit zu einem zentralen Rechtsbegriff des Maßregelrechts geworden. Im Einzelnen sind die Gesetzesformulierungen allerdings etwas unterschiedlich. So werden z.B. die „erheblichen" Straftaten bei § 66 noch durch ein „namentlich" näher charakterisiert und müssen auf einen spezifischen „Hang" zurückgehen, während bei den §§ 63 und 6 4 Gefährlichkeit „infolge" spezifischer Störungen bzw. „im Zusammenhang" damit bestehen muss. Weiterhin wird zum Teil auf eine Gefährlichkeit „für die Allgemeinheit" abgestellt (§§ 63, 6 6 ) , zum Teil nicht (§ 64). Ferner wird bei § 6 3 und § 6 6 eine „Gesamtwürdigung" verlangt, nicht aber bei § 6 4 . Unterschiedlich ist sogar der Grad der Gefahr weiterer Taten: Bei § 63 kommt es darauf an, ob sie „zu erwarten sind", während in § 6 4 auf die „bestehende Gefahr" abgehoben ist und bei § 6 6 darauf abgestellt wird, ob der Täter aufgrund der dort genannten Kriterien „gefährlich" ist.
53
Wie weit die verschiedenen Formulierungen jeweils auch verschiedene Sachanforderungen enthalten, ist schwerer auszumachen, soweit es nicht um die spezifischen Probleme des „Hangs" im Sinne von § 6 6 bzw. der Störungen i.S. der §§ 63, 6 4 geht. Dass jedenfalls bei der Frage der „Gefährlichkeit für die Allgemeinheit" und der Frage der „Gesamtwürdigung" verschiedenartige Anforderungen nicht bestehen, ergibt eine Zweckbetrachtung wohl mit Eindeutigkeit (näher bei den Einzelerläuterungen). Bei anderen Formulierungsunterschieden hingegen bleibt die Frage zweifelhafter. Die Gesetzesmaterialien ergeben insoweit durchweg wenig Aufschluss, deuten aber vielfach darauf hin, dass es sich nur um sprachliche Verschiedenheiten handelt, die sich vor allem aus den verschiedenen „Schichten" der Gesetzgebung bzw. der Reformbemühungen ergeben. Zu beachten bleibt jedoch, dass die Formulierungen jeweils auf etwas unterschiedliche Tätergruppen bezogen sind. Aus diesem Grunde erscheint es angebracht, bei der Interpretation zunächst von der einzelnen Maßregel selbst auszugehen, nicht also von vornherein abstrakt einen „Allgemeinen Teil" zu entwickeln. O b oder wie weit die Interpretationsergebnisse dann zu Übereinstimmungen führen, muss der weiteren Entwicklung überlassen bleiben.
54
Dem Gesetz liegt eine maßregelspezifische Erheblichkeitsbeurteilung zugrunde, wie für § 6 6 schon die dort verwendete zusätzliche „namentlich"-Klausel nahe legt. In den Einzelheiten spielt dabei stets auch die Frage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62) eine Rolle, die aufgrund der verschiedenen, der Gefährlichkeit zugrunde liegenden Störungen bei jeder Maßregel etwas anders liegt oder liegen k a n n . 4 6 Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Rechtsbegriff der „Erheblichkeit" dem gesellschaftlichen Wan-
46
Ebenso Böllinger/Pollähne NK § 61 Rdn. 59; aA Bae S. 170, der eine Differenzierung ab-
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lehnt und für die Entwicklung eines „Allgemeinen Teils" plädiert.
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Vorbemerkungen zu den § § 61 ff
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del unterliegt und durch neue wissenschaftliche Erkenntnissen modifiziert werden kann (Böllinger/Pollähne NK § 61 Rn. 59). b) Maßregeln ohne Freiheitsentzug. Bei den nicht freiheitsentziehenden Maßregeln finden sich, entsprechend ihrer besonders unterschiedlichen Zielrichtung, ebenfalls verschiedenartige Umschreibungen der künftigen Gefährlichkeit. Bei der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs (§ 68 Abs. 1) kommt es auf die bestehende Gefahr weiterer Straftaten (nicht: erheblicher Straftaten) an (dazu näher und einschränkend Schneider LK § 68 Rdn. 9 ff). In den Fällen der Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§ 68 Abs. 2) hingegen liegen maßregelspezifische, aber in sich wiederum unterschiedliche Erwartungen einer weiteren Gefährlichkeit zugrunde, die den Gesetzgeber bewogen haben, den Eintritt der Aufsicht vorzusehen. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis muss sich „aus der Tat" ergeben, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen „ungeeignet" ist, wobei die mangelnde Eignung in den Fällen des § 69 Abs. 2 in der Regel vermutet wird (§ 69; vgl. dazu näher die Erl. zu § 69). Für das Berufsverbot dagegen ist entscheidend, ob eine „Gesamtwürdigung" „erkennen lässt", dass der Täter bei weiterer Ausübung des Berufs „erhebliche" rechtswidrige Taten „unter Missbrauch" des Berufs usw. begehen wird (§ 70).
55
c) Der Gefahrbegriff nach materiellem Recht. Materiellrechtlich knüpft der Begriff der Gefahr bzw. der Gefährlichkeit im Maßregelrecht - in seinen verschiedenen Ausprägungen - an den allgemeinen strafrechtlichen Gefahrbegriff an. Er ist jedoch nicht ohne weiteres identisch mit dessen Inhaltsbestimmung an anderen Stellen des Strafgesetzbuchs (z.B. in den §§ 34, 35, bei 250 Abs. 1 Nr. 3 oder im 27. Abschnitt), weil er dort jeweils andere Funktionen hat als hier, wo es um die spezifische Gefährlichkeitsprognose im Hinblick auf unbestimmte künftige Straftaten geht. 47 Gemeinsam ist nur der Ausgangspunkt: das Basieren auf dem logischen Gedanken der Möglichkeit (Potentialität), der seinerseits auf der generellen Lebenserfahrung beruht.
56
Im Maßregelrecht wird man danach unter Gefährlichkeit Wiederholungswahrscheinlichkeit im Sinne eines gesteigerten, überwiegenden Grades der Möglichkeit zu verstehen haben (kritisch Frisch ZStW 102 [1990] 370 ff). Diese Wahrscheinlichkeit ist ein der Gegenwart angehörender Sachverhalt, wenn auch ein Sachverhalt, der sich regelmäßig aus der Bewertung vieler Einzeltatsachen zusammensetzt und schon dadurch stark wertende Züge trägt, was sich auch bei der kritischen Frage der Revisibilität auswirkt (eingehend zum Ganzen v. Hippel Gefahrurteile); als Sachverhalt ist die Wahrscheinlichkeit aber jedenfalls als solche - „tatsächlich" - festzustellen.
57
Welcher Grad von Wahrscheinlichkeit bei den verschiedenen Maßregeln ausreichend oder erforderlich ist, bleibt jedoch, zumal angesichts der verschiedenen Gesetzesformulierungen (Rdn. 52, 55) und der Beziehung zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62), auch hier entscheidend Sache der Einzelprüfung bei der jeweiligen Maßregel selbst. Generell lässt sich wohl nur sagen, dass die bloße Möglichkeit der Wiederholung zur Bejahung der Gefährlichkeit noch nicht ausreicht; dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung schon des Reichsgerichts und der im Schrifttum ganz herrschenden Meinung (näher z.B. § 63 Rdn. 59; Böllinger/Pollähne NK § 61 Rn. 58).
58
Dass sich der Begriff der Gefahr „genauer wissenschaftlicher Umschreibung entzieht" und nicht „allgemeingültig bestimmbar" sowie trotz seiner normativen Bezüge (Rdn. 57 f)
59
47
S. auch Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, S. 140 ff.
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„überwiegend tatsächlicher, nicht rechtlicher Natur" ist, ist eine traditionelle Auffassung der Rechtsprechung (vgl. statt aller BGHSt 18 271, 271 m.w.N.), die vermutlich „endgültig" sein dürfte (so v. Hippel Gefahrurteile, S. 108). 60
d) Der Gefahrbegriff in prozessualer Sicht („in dubio pro reo"). Vom materiell rechtlichen Gefahrbegriff zu unterscheiden ist die umstrittene Frage, wie der Richter bei Zweifeln über die weitere Gefährlichkeit des Täters zu entscheiden hat. Das richtet sich im Ausgangspunkt nach den allgemeinen Grundsätzen der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO).
61
aa) Bei Anordnung von Maßregeln muss der Richter nach diesen Grundsätzen (dazu z.B. Gollwitzer LR § 261 Rdn. 7 ff m. Nachw.) vom Vorliegen der die Verurteilung begründenden Tatsachen überzeugt sein. Es genügt also nicht, dass er diese Umstände nur für wahrscheinlich hält. So ist der BGH (BGHSt 10 208, 209) zu Recht der Auffassung des RG (RGSt 61 202, 206) entgegengetreten, dass sich das Gericht bei der Beweiswürdigung „mit einem so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit begnügen" müsse, wie er bei möglichst erschöpfender und gewissenhafter Anwendung der vorhandenen Erkenntnismittel entstehe. Die bloße Wahrscheinlichkeit stellt vielmehr, auch wenn sie einen hohen Grad erreicht, die erforderliche Überzeugung noch nicht her; das für wahrscheinlich Erachten steht eben dem für wahr Erachten nicht gleich (Gollwitzer LR § 261 Rdn. 9).
62
Wendet man diese Grundsätze auf den Gefahrbegriff des Maßregelrechts an, zeigt sich, wie namentlich Bruns (JZ 1958 647) herausgearbeitet hat, dass der Begriff der Wahrscheinlichkeit auf der materiellrechtlichen Ebene eine ganz andere Rolle spielt als auf der prozessualen: Während die Wahrscheinlichkeit nach materiellem Recht als Eingriffsvoraussetzung ausreicht, ist das prozessual, also bei der richterlichen Überzeugungsbildung bezüglich der Gefährlichkeit, gerade nicht der Fall; vielmehr muss der Richter (prozessual) überzeugt sein von der (materiellrechtlichen) Wahrscheinlichkeit i.S. des Gefahrbegriffs. Das bedeutet im Einzelnen: Gelangt der Richter zur vollen Überzeugung der Gefährlichkeit, hat er - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - die Maßregel anzuordnen. Gelangt er zur Überzeugung, dass weitere Straftaten nur möglich, aber nicht wahrscheinlich sind (s. Rdn. 57) oder hält er sie gar für ausgeschlossen, muss er die Gefahr verneinen, die Anordnung der Maßregel also unterlassen. Bestehen für den Richter nicht überwindliche Zweifel an der Gefährlichkeit, hat er den Grundsatz in dubio pro reo anzuwenden, die Maßregelanordnung also ebenfalls zu unterlassen.
63
Die Geltung des Grundsatzes in dubio pro reo entspricht auch dem Standpunkt des RG und des B G H 4 8 sowie - z.T. mit der im folgenden Text genannten Beschränkung der herrschenden Lehre. 49 Sie ergibt sich aus der notwendigen Differenzierung zwischen
48
49
RGSt 73 303; BGHSt 5 350, 352; BGH GA 1955 149, 151. Z.B. Fischer Rdn. 3 Vor § 61; Horn SK § 61 Rdn. 9; Lackner/Kühl § 61 Rdn. 4; Seh! Scbröder/Stree Rdn. 9 vor § 61; Böllinger/ Pollähne NK § 61 Rdn. 65; Stree In dubio pro reo, S. 91 ff, 100 und B. Müller S. 131 ff; aA und insoweit heute wohl überholt OLG Hamm NJW 1971 1618, 1620; Geerds
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MschrKrim. 1960 94; Weihrauch NJW 1971 829, 830; aA aber auch Frisch S. 161 ff und Montenbruck S. 146 ff, die den in-dubioGrundsatz im Prognosebereich nicht für einschlägig bzw. für tauglich halten und statt dessen auf eine Gesamtwürdigung abstellen (Montenbruck S. 101 ff) bzw. eine erfahrungsfundierte Interpretation normativer Art entwickeln (vgl. Frisch S. 53).
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Vorbemerkungen zu den § § 61 ff
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dem materiellrechtlichen Inhalt des Gefahrbegriffs und der ganz anders strukturierten Frage seiner prozessualen Feststellung bzw. Beweisbarkeit. Auch Maßregeln können eben nur angeordnet werden, wenn ihre Voraussetzungen nach den für die richterliche Überzeugungsbildung geltenden allgemeinen Grundsätzen festgestellt sind. Der Grundsatz in dubio pro reo bezieht sich anerkanntermaßen nur auf Tatsachen, nicht auch auf rechtliche Zweifelsfragen (statt aller Gollwitzer LR § 261 Rdn. 103, 105). Daraus ist insbesondere früher verschiedentlich der Schluss gezogen worden, dass der Grundsatz nur für die Feststellung der Tatsachen gilt, die der Richter seiner Entscheidung über die weitere Gefährlichkeit des Täters zugrundelegt, nicht aber auch für die in der Entscheidung enthaltene Wertung selbst. Diese Wertung ist nun in der Tat (auch) eine Rechtsfrage. Aber im Kern fasst sie eine Fülle von Tatsachen zusammen und prägt ihrerseits die Gefährlichkeit als Schluss-Tatsache, nämlich eben die Überzeugung des Richters von der weiteren Gefährlichkeit des Täters. Insoweit tritt daher für diese Wertung mindestens eine „vergleichbare Wirkung" ein {Lackner/Kühl § 61 Rdn. 4; vgl. auch B. Müller S. 132); unanwendbar ist der in-dubio-Grundsatz daher nur für die abstrakte Interpretation des materiellrechtlichen Gefahrbegriffs in seinen verschiedenen (Rdn. 56 ff) gesetzlichen Schattierungen.
64
bb) Bei Entscheidungen über die Aussetzung oder Beendigung einer angeordneten 6 5 Maßregel (§ 67b, § 67c, § 67d Abs. 2, 3 und 6, § 68e, S 69a Abs. 7, § 70a Abs. 1) gilt nach traditioneller Meinung der Grundsatz in dubio pro reo nicht: 50 Aus Wortlaut und Zweck der entsprechenden Vorschriften ergebe sich, dass die Aussetzung usw. nur erfolgen dürfe, wenn der Richter davon überzeugt ist, dass die - vom erkennenden Gericht bei der Anordnungsprognose bejahte - Gefährlichkeit weggefallen, entscheidend gemindert oder durch andere Maßnahmen ausgeglichen ist. Solange er diese Überzeugung nicht habe, sei die Aussetzung usw. im Gesetz nicht vorgesehen; insoweit könne daher der Grundsatz in dubio pro reo nicht gelten, gehe das non liquet vielmehr zu Lasten des Verurteilten. Diese Auffassung wird mit überzeugenden Argumenten zunehmend bestritten.51 Den Kritikern ist zunächst zuzugeben, dass sich die traditionelle Meinung im Falle des § 67b nicht auf die rechtskräftige Feststellung der Gefährlichkeit berufen kann (Horstkotte LK 1 0 § 67b Rdn. 25). Zuzugeben ist ihnen vor allem aber, dass bei der Anordnung von Maßregeln die Beurteilung der Gefährlichkeit nach heutigem Recht auf die Gegebenheiten im Zeitpunkt des Urteils bezogen ist (dazu Rdn. 72 f). Es ist schon deswegen nicht mehr möglich, mit der traditionellen Meinung von einer Vermutung der weiteren Gefährlichkeit nur im Hinblick darauf auszugehen, dass diese Gefährlichkeit ja bereits bei Anordnung der Maßregel - rechtskräftig oder im Falle des ξ 67b gleichzeitig - bejaht wurde (vgl. nur Horstkotte LK 1 0 § 67c Rdn. 92). Vielmehr ist richtig, dass es sich bei der Aussetzung oder Beendigung einer angeordneten Maßregel um eine eigenständige und neue Entscheidung handelt (dazu z.B. Horn SK § 61 Rdn. 14), bei der Zweifel nicht ohne weiteres zu Lasten des Täters gehen, sondern in die gesetzlichen Kriterien zu integrieren sind, nach denen die Entscheidung jeweils zu treffen ist, also z.B. nach den Kriterien der
50
OLG Köln NJW 1955 6 8 3 und OLG Karlsruhe J Z 1958 669; Lackner/Kühl § 61 Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree z.B. § 67b Rdn. 6; Stree In dubio pro reo, S. 106; B. Müller S. 135; weitere Nachweise bei Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 75.
51
Vgl. insbesondere Horstkotte LK 1 0 § 67b Rdn. 23 ff, § 6 7 c Rdn. 92 ff, § 67d Rdn. 75 f; Horn SK § 61 Rdn. 14; Frisch, 161 ff; Montenbruck S. 146 ff; ebenso schon Lang-Hinrichsen L K 9 § 4 2 f Rdn. 4, § 42g Rdn. 5.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Erwartungsklausel des § 67d Abs. 2. Wichtig ist insoweit insbesondere, dass bei diesen Kriterien der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine besondere Rolle spielt, so namentlich bei Maßregeln von unbestimmter Dauer und nach längerem Vollzug (näher § 6 2 Rdn. 6). 67
Richtig ist daher, dass der Richter bei seiner Entscheidung „in dubio pro reo" diejenigen belastenden tatsächlichen Umstände außer Acht zu lassen hat, von deren Vorhandensein er sich nicht zu überzeugen vermag (vgl. Horstkotte L K 1 0 ξ 67d Rdn. 77), also z.B. nicht bewiesene Straftaten im Rahmen von Lockerungen oder nicht sanktioniertes Fehlverhalten im Vollzug aufgrund anonymer Anzeigen von Mitgefangenen. Andererseits bedeutet dies nicht, dass für die Entscheidungen der Grundsatz in dubio pro reo in gleichem Umfang gilt wie für die Maßregel-Anordnung. 5 2 Das Gesetz verlangt für die erörterten Folgeentscheidungen nun einmal und aus gutem Grund, dass die im Zeitpunkt des Urteils bejahte Gefährlichkeit des Täters nunmehr weggefallen oder entschärft ist. Die Voraussetzungen dieser Entscheidung unterscheiden sich insoweit von denen bei der Maßregel-Anordnung. So führt kein Weg daran vorbei, dass der Richter die Strafrestaussetzung nur verantworten kann, wenn er von der Schluss-Tatsache der Erwartung künftiger Legalbewährung überzeugt ist. Wenn z.B. die Sexualpartnerin eines im gelockerten Maßregelvollzug befindlichen sadistischen Sexualtäters nicht zu einer Aussage bereit ist, so kann sich der Richter nicht die Überzeugung verschaffen, dass die prognostisch ungünstig zu beurteilende sadistische Störung der Sexualpräferenz entfallen oder geheilt ist. Insofern wirken verbleibende Zweifel also nicht zugunsten des Täters; andernfalls würde das Gefüge des Gesetzes zerstört (aA Horn SK § 61 Rdn. 15).
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3. Beziehungen zwischen Gefährlichkeit, Anlasstat und Persönlichkeit. Die typischerweise vorhandene Schwierigkeit, die künftige Gefährlichkeit des Täters zu prognostizieren, wird bei den einzelnen Maßregeln regelmäßig, wenn auch nicht in gleichem Umfang, durch die Verknüpfung verschiedenartiger Faktoren abgemildert, deren integrierende Würdigung bei Beurteilung der künftigen Gefährlichkeit erforderlich ist. So muss nach allgemeiner Meinung ein symptomatischer Zusammenhang zwischen der vorausgesetzten Anlasstat und der Gefährlichkeit des Täters bestehen; die Anlasstat muss also Indizwert besitzen. Darüber hinaus entsteht bei allen freiheitsentziehenden Maßregeln, die durchweg an eine spezifische Störung oder einen gefährlichen Hang des Täters anknüpfen, das Problem der Kausalität der Störung, d.h. die Frage, ob die betreffende Störung als Ursache oder doch als Faktor der Gefahr anzusehen ist.
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Außerdem setzen die §§ 63, 66, 7 0 ausdrücklich eine „Gesamtwürdigung des Täters" und seiner Taten voraus. Darin kommt ein Sachprinzip zum Ausdruck, das über die gesetzliche Normierung hinaus bei allen Maßregeln mit und ohne Freiheitsentzug zu beachten ist, und zwar selbst bei der Entziehung der Fahrerlaubnis, wo der Gesetzeswortlaut des § 6 9 auf etwas anderes hindeutet. Es ist das - eigentlich selbstverständliche Prinzip, dass für die Feststellung der weiteren Gefährlichkeit die Beurteilung auch der Persönlichkeit des Täters erforderlich, oft sogar entscheidend wichtig ist. Diese Beurteilung umfasst dabei auch das frühere kriminelle Verhalten, was einige insoweit ungeschickte Gesetzesformulierungen (Würdigung des Täters „und seiner T a t " § 63, ähnlich § 7 0 Abs. 1) eher verdunkeln. Beschränkungen bestehen insoweit nur aufgrund des Verwertungsverbots gemäß § 51 Abs. 1 B Z R G nach Ablauf der Tilgungsfrist für eine frühere Verurteilung. 52
So aber offenbar Böllinger/Pollähne Rdn. 65.
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Vorbemerkungen zu den § § 61 ff
Vor § 61
Ferner verlangt das Gesetz bei § 66 (jedenfalls seinem vorrangigen Absatz 1) be- 7 0 stimmte Vorverurteilungen und Vorverbüßungen. Es markiert auf diese Weise, entsprechend dem Gewicht der Maßregel, eine besondere Schwelle, um nur schwerer vorbelastete Täter zu treffen, wobei die Vorbelastung zugleich wiederum Bedeutung auch für die Einschätzung der Gefährlichkeit besitzt. Hauptkriterien der Prognose sind somit die Erheblichkeit der künftigen Straftaten, 7 1 der Zusammenhang zwischen Anlasstat und künftiger Gefahr sowie der Wahrscheinlichkeitsgrad weiterer Taten (Böllinger/Pollähne NK § 61 Rn. 58). 4. Zeitpunkt der Prognose. Für die Beurteilung der Gefährlichkeit ist seit der Strafrechtsreform (1. und 2. StrRG) grundsätzlich auf die Gegebenheiten im Zeitpunkt des (letzten tatrichterlichen) Urteils abzustellen. Dies entspricht der allgemeinen Meinung (Nachweise bei den Einzelerörterungen). Auf den Urteilszeitpunkt war schon im früheren Recht bei all denjenigen Maßregeln abzustellen, bei denen die Wirkung der Anordnung unmittelbar mit der Rechtskraft des Urteils eintritt. Anders war es bis zum 1. StrRG bei den freiheitsentziehenden Maßregeln, soweit ihrem Vollzug die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe vorausging (dazu Lang-Hinrichseti LK 9 Rdn. 28 ff Vor § 42a).
72
Der Gesetzgeber hat die damit verbundenen Unsicherheiten der Prognose als misslich 7 3 angesehen und ihre Beseitigung angestrebt. Er hat darum - zunächst im 1. StrRG für die Sicherungsverwahrung, dann im 2. StrRG für die übrigen freiheitsentziehenden Maßregeln - den früheren Bezugspunkt der Gefährlichkeit beseitigt und die Vorschrift des § 67c Abs. 1 (im 1. StrRG: S 42g) eingefügt, nach welcher das Gericht im Falle des Vorwegvollzugs der Strafe vor dem Ende dieses Strafvollzugs zu prüfen hat, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Das Problem hatte durch die Einführung des vikariierenden Prinzips (§ 67) an Bedeutung verloren, weil danach ein Vorwegvollzug der Strafe - außer bei der Sicherungsverwahrung - nur ausnahmsweise in Betracht kam. Die durch das UnterbrSichG vom 16.7.2007 geschaffene Möglichkeit des teilweisen Vorwegvollzugs einer Freiheitsstrafe von mehr als 3 Jahren bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 hat wieder mehr einschlägige Fälle geschaffen, da § 67c Abs. 1 auch für die Fälle des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe gilt. 53 Allerdings dürfte in aller Regel der Zweck der Maßregel - die Sicherung der Allgemeinheit durch Behandlung der Rauschmittelabhängigkeit des Untergebrachten (BVerfGE 91 1, 28; § 64 Rdn. 1) - die Unterbringung auch nach längerem Strafvollzug noch erfordern. 5. Das sog. Subsidiaritätsprinzip a) Allgemeines; verfassungsrechtliche Ableitung. Im Maßregelrecht gilt das Subsi- 7 4 diaritätsprinzip. Danach kommt eine Maßregel dann nicht in Betracht, wenn weniger einschneidende Maßnahmen (z.B. die Überwachung durch Angehörige anstelle der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus) einen ausreichend zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit des Täters bieten. Das Prinzip war schon vor der Strafrechtsreform allgemein anerkannt; es wurde bis dahin meist aus der damaligen Gesetzesregelung abgeleitet, nach der eine Maßregelanordnung nur statthaft war, wenn die öffentliche Sicherheit sie „erforderte" (vgl. § 63 Rdn. 133). Es folgt aber auch aus dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Übermaßverbots bzw. der Verhältnismäßig53
Rissing-van Saan/Peglau LK § 67c Rdn. 26; Sch/Schröder/Stree § 67c Rdn. 3; Bollinger/
Pollähne NK § 67c Rdn. 3; Veb MK § 67c Rdn. 6.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
keit im weiten Sinne, das beim Charakter der Maßregeln (Rdn. 38) die Beschränkung auf das zur Zweckerreichung Unerlässliche erfordert. 54 Dies ist bedeutsam für den heutigen Streit um die Bedeutung des Prinzips bei den freiheitsentziehenden Maßregeln (Rdn. 76 ff). 75
b) Bedeutung bei Maßregeln ohne Freiheitsentzug. Bei den nicht-freiheitsentziehenden Maßregeln hat das Subsidiaritätsprinzip bisher praktisch keine Rolle gespielt. Es wird in Rechtsprechung und Lehre insoweit regelmäßig gar nicht erörtert. Vermutlich hängt dies vor allem damit zusammen, dass die traditionellen Maßregeln ohne Freiheitsentzug (Entziehung der Fahrerlaubnis, Berufsverbot) nach ihrer Zielrichtung von vornherein eine mehr partielle Gefährlichkeit des Täters betreffen, der gerade und nur durch die spezifische Maßregelfolge zu begegnen ist. Doch wird, wenn man die verfassungsrechtliche Ableitung des Subsidiaritätsprinzips ernst nimmt, das Problem damit noch nicht wirklich gelöst; es bedarf ohne Zweifel der weiteren Diskussion, insbesondere seit der Intensivierung der Führungsaufsicht durch das FührAufsRÄndG vom 17.4.2007 (dazu Schneider LK Vor § 68 Rdn. 27a). Dabei ist freilich zu beachten, dass die Anordnung des Berufsverbots und ebenso der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs in das Ermessen des Gerichts gestellt sind, so dass der Richter die Gesichtspunkte des Subsidiaritätsprinzips auf diese Weise berücksichtigen kann, was gerade bei der gegenüber Jugendlichen zwar zulässigen (§§ 7 JGG), aber oft durchaus problematischen Maßregel der Führungsaufsicht wichtig sein dürfte (kritisch auch Schneider LK Vor § 68 Rdn. 28).
76
c) Bedeutung bei freiheitsentziehenden Maßregeln. Die freiheitsentziehenden Maßregeln waren im früheren Recht die eigentliche Domäne des Subsidiaritätsprinzips. Hier ist nun heute folgendes zweifelhaft. Bis zum 2. StrRG galt das Prinzip nach einhelliger Meinung bereits bei Anordnung der Maßregel. Das Gericht hatte also stets zu prüfen, ob der Zweck der Maßregel durch andere, weniger einschneidende Vorkehrungen erreicht werden konnte und durfte in diesen Fällen die Maßregel nicht anordnen. Begründet wurde dies, wie bemerkt (Rdn. 74), vor allem mit dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit.
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Der E 1962 wollte nun eine Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips bei Anordnung der Maßregel nicht mehr gelten lassen, sondern das Prinzip nur bei der Entscheidung über die Vollstreckung der Maßregel beachtet wissen (Begründung S. 210, 211; vgl. auch Schwalm Prot. IV, 827). Dem lag der Gedanke zugrunde, dass die Anwendung des Prinzips schon im Rahmen der Anordnung zu Schwierigkeiten und Zweifeln führen kann, und dass es kriminalpolitisch besser sei, gegebenenfalls unter dem Druck einer zwar unbedingt angeordneten, aber zur Bewährung ausgesetzten Unterbringung mit Widerrufsvorbehalt zu erproben, ob andere Vorkehrungen genügen, um auf den Täter einzuwirken und die Gefahr weiterer Straftaten zu steuern. Der E 1962 - und mit ihm der Gesetzgeber - versuchte dieses Ziel zu erreichen, indem er nicht mehr darauf abstellte, ob die öffentliche Sicherheit die Unterbringung erfordert, und indem er die Möglichkeit einer sofortigen Aussetzung der Maßregel (jetzt § 67b) bzw. der Aussetzung nach Verbüßung einer vorab vollzogenen Freiheitsstrafe (jetzt § 67c Abs. 1) vorsah, die den
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Grundlegend Lerche Übermaß und Verfassungsrecht (1961); s. auch BGHSt 20 232; Lackner/Kühl § 62 Rn. 2; allgemein zum Subsidiaritätsprinzip, zu seiner Ableitung, Herkunft und Tragweite Brandt Die Bedeu-
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tung des Subsidiaritätsprinzips für Entpoenalisierungen im Kriminalrecht, 1988, S. 123 ff m. zahlr. Nachw. (aber ohne speziellen Bezug zu den Maßregeln).
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Vorbemerkungen zu den § § 61 ff
Vor § 61
Täter dann jeweils unter Führungsaufsicht stellt. Seit der entsprechenden Fassung des Gesetzes nimmt ein wesentlicher Teil des Schrifttums dementsprechend an, dass das Subsidiaritätsprinzip bei den freiheitsentziehenden Maßregeln nur noch für die Frage der Vollstreckung, hingegen nicht mehr bei der Anordnung gelte.55 Ebenso hatte sich vorübergehend - vereinzelt und in obiter dicta - der BGH geäußert (NJW 1978 559; 3 StR 67/77 v. 27.3.1977). Dem ist zu widersprechen,56 und die Rechtsprechung hat erfreulicherweise die schon 7 8 in der Vorauflage vertretene Konzeption (Hanack LK 11 Vor § 61 Rdn. 61 ff) übernommen. 57 Nach der - insoweit entscheidenden - Ableitung des Subsidiaritätsprinzips aus dem verfassungsrechtlichen Ubermaßverbot (Rdn. 74) hat es der Strafgesetzgeber gar nicht in der Hand, das Subsidiaritätsprinzip bei Anordnung einer Maßregel zwingend auszuschließen; dies gilt zumal, weil die Anordnung, selbst wenn sie zugleich zur Bewährung ausgesetzt wird, den Betroffenen u.U. erheblich belastet, insbesondere stets und zwingend Führungsaufsicht auslöst. Die gegenteilige Ansicht des Gesetzgebers beruht ersichtlich darauf, dass er seinerzeit nicht oder nicht klar erkannt hat, dass die eigentliche Begründung des Subsidiaritätsprinzips keine bloße kriminalpolitische Zweckmäßigkeitsfrage betrifft, sondern tiefer reicht und nicht zu seiner Disposition steht, so dass seine Ansicht auch den Richter (soweit im Gesetz Spielräume für die Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeitserwägungen vorhanden sind) nicht zu binden vermag. Aufgrund dieser Fehlleistung hat der Richter nunmehr eine doppelte Subsidiaritäts- 7 9 prüfung vorzunehmen: Er muss zunächst prüfen, ob schon die Anordnung der Maßregel entfallen kann, weil mildere Maßnahmen die Gefährlichkeit des Täters beträchtlich reduzieren; und er muss, falls er dies verneint, weiter prüfen, ob wegen solcher milderer Möglichkeiten die Aussetzung gemäß § 67b bzw. § 67c Abs. 1 in Betracht kommt. Als mildere Mittel etwa im Verhältnis zur Unterbringung nach § 63 werden u.a. diskutiert (Einzelheiten bei § 63 Rdn. 138 ff): eine bereits früher angeordnete Unterbringung nach § 63 (BayObLG NStZ-RR 2004 295; OLG München R&P 2002 184), die Maßregel nach § 64 (Dessecker S. 348 ff), Führungsaufsicht nach § 68 mit entsprechenden Weisungen (BVerfGE 70 297, 312 ff), Maßnahmen im Rahmen der zivilrechtlichen Betreuung (SS 1896 ff BGB; BGH NStZ-RR 1997 290; 1997 291) sowie die Unterbringung nach Landesrecht (BGH NStZ 1998 405; NStZ-RR 1998 359; 2002 331). Zuzugeben ist der gegenteiligen Auffassung freilich, dass die Berücksichtigung des 8 0 Subsidiaritätsprinzips (schon) bei der Maßregel-Anordnung selten zum Verzicht auf die Anordnung führen wird, weil ein solcher Verzicht im Hinblick auf fehlende Kontrollund Druckmöglichkeiten bei dem hier in Frage stehenden Täterkreis regelmäßig problematisch ist. Auch die Rechtsprechung zum früheren Recht ist insoweit im Ergebnis zurückhaltend gewesen (vgl. insbesondere Hanack LK 11 § 63 Rdn. 82 ff). Der tatsäch-
55
56
So insbesondere Horn SK § 63 Rdn. 15; Seh! Schröder/Stree § 67b Rdn. 1; Baumann/ Weber AT 9 § 4 4 II l c ; Maurach/Gössel/Zipf AT II § 68 Rdn. 10; Lenckner S. 192; einschränkend Fischer § 63 Rdn. 23a, nach dem zunächst zu prüfen ist, ob nicht schon aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip der Vorrang einer weniger einschneidenden Maßnahme folgt. So im Ergebnis auch Lackner/Kühl § 63 Rdn. 8 und § 66 Rdn. 15; Böllinger/Pollähne
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NK § 61 Rdn. 61; van Gemmeren MK § 6 2 Rdn. 7 ; Horstkotte LK 1 0 § 67b Rdn. 8 ff; Ostendorf AK-JGG § 7 Rdn. 5; Bae S. 139 ff; ersichtlich auch Jescheck/Weigend AT § 7 7 II 2c; B. Müller S. 103 ff; MüllerDietz NStZ 1983 149; vgl. auch unten § 6 3 Rdn. 133 ff. BGH Beschl. v. 2 6 . 6 . 2 0 0 7 - 5 StR 215/07; ebenso bereits BGH NStZ-RR 1998 3 5 9 ; OLG München R & P 2 0 0 2 184 mit Anm. von Pollähne.
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liehe Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips wird daher weit überwiegend im Bereich der Aussetzung liegen, wo angesichts der Druckmöglichkeit des Aussetzungswiderrufs (§ 67g) sowie der Einwirkungen mit Hilfe der Führungsaufsicht heute großzügiger verfahren werden kann als im alten Recht (näher Rissing-van Saan/Peglau LK § 67b). Zu beachten ist weiter, dass das Subsidiaritätsprinzip nicht im Verhältnis zur Strafe gilt, auf die Maßregel also nicht verzichtet werden darf, weil eine Einwirkung durch gleichzeitig ausgesprochene - Strafe genügt. Das ergibt sich im neuen Recht namentlich aus dem grundsätzlichen Vorrang des Maßregelvollzugs (§ 67) sowie aus dem Umstand, dass der im Sinne des Maßregelrechts gefährliche Täter stets der Führungsaufsicht unterliegen soll. Es kann auch nicht die Strafe etwas erhöht werden, um dafür auf die Maßregel zu verzichten. Richtig und notwendig ist nur der Gebrauch des Vikariierens (§ 67) und der Maßregelkonkurrenz (§ 72) oder der ersatzlose Verzicht auf eine Maßregel (Böllinger/Pollähne NK § 61 Rn. 62). 6. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Über den spezifischen Bereich des Subsidiaritätsprinzips hinaus gilt im Maßregelrecht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 58 als weitere Ausprägung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots. Er ist seit dem 1. StrRG ausdrücklich im Strafgesetz verankert (vgl. § 62 und näher die dortigen Erl.). Wichtig ist, dass der Grundsatz, entgegen dem Wortlaut des § 62, nicht nur für die Anordnung von Maßregeln gilt, sondern auch für ihre Vollstreckung oder weitere Vollstreckung (BVerfGE 70 297, 311; Lackner/Kühl § 62 Rdn. 2; Böllinger/Pollähne NK § 61 Rn. 63). 7. Kumulationsprinzip, Vikariieren, Maßregelkonkurrenz
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a) Kumulationsprinzip. Entsprechend der unterschiedlichen Eigenart von Strafe und Maßregel gilt im Grundsatz das sog. Kumulationsprinzip: die Maßregel tritt neben die Strafe für die Anlasstat. Bedeutsame Ausnahmen bestehen freilich bei der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (§ 63), bei der Unterbringung in der Entziehungsanstalt (§ 64) sowie bei Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69) und beim Berufsverbot (§ 70), also bei mehr als der Hälfte aller Maßregeln. Hier kann die Maßregel-Anordnung auch erfolgen, wenn der Täter wegen Schuldunfähigkeit oder wegen nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit zu Strafe nicht verurteilt werden darf oder das Strafverfahren wegen Verhandlungsunfähigkeit des Täters undurchführbar ist (§ 71). In diesen Fällen ist die Maßregel dann das einzige strafrechtliche Reaktionsmittel. Gleiches gilt, wenn aufgrund des prozessrechtlichen Verbots der reformatio in peius eine Strafe trotz verminderter Schuldfähigkeit nicht mehr verhängt werden kann (näher Rdn. 135).
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b) Vikariieren. Die problematischen Folgen der Zweispurigkeit beim Nebeneinander von Strafen und Maßregeln mit Freiheitsentzug werden durch das Prinzip des sog. Vikariierens abgemildert (§ 67; näher Schöch Maßregelvollzug, S. 395 ff). Danach ist die Maßregel regelmäßig vor der Strafe zu vollziehen; ihr Vollzug muss dann nach Maßgabe des § 67 Abs. 4 auf die Strafe angerechnet werden; ein überschießender Strafrest kann unter großzügigen Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden (s. dazu und zur -
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S. dazu umfassend Bae (1985) sowie aus jüngster Zeit Oessecker (2004).
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vom BVerfG nicht beanstandeten - Abschwächung des Prinzips durch das 23. StRÄndG § 67 Rdn. 22 f). Soweit das Prinzip nicht gilt (Sicherungsverwahrung) oder im Einzelfall nach richterlicher Entscheidung nicht angewendet wird (§ 67 Abs. 2), es also zum Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe - oder eines Teils derselben - kommt, ist nach § 67c Abs. 1 vor dem Ende des Strafvollzugs darüber zu entscheiden, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert (dazu Rissing-van Saan/Pegiau LK § 67c). c) Maßregelkonkurrenz. Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung mehrerer 8 5 Maßregeln vor, werden sie nach § 72 nur insoweit nebeneinander angeordnet, wie das zur Erreichung des erstrebten Zwecks erforderlich ist, wobei unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben ist, die den Täter am wenigsten beschweren. Die Regelung entspricht der Eigenart der Maßregeln (Rdn. 38). Zu den Einzelheiten näher die Erl. zu § 72 sowie Grünbaum R&P 2004 187. Sind in verschiedenen Verfahren Maßregeln - sei es der gleichen, sei es verschiedener Art - angeordnet worden, richtet sich ihre Behandlung bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 2. Kommt es zur mehrfachen Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist eine frühere Anordnung durch die spätere kraft Gesetzes „erledigt" (§ 67f).
ΙΠ. Personenkreis (Jugendliche, Heranwachsende, Ausländer); Auslieferung 1. Jugendliche und Heranwachsende. Gegen Jugendliche (§ 1 Abs. 2 JGG) und ihnen gleichgestellte Heranwachsende (§ 105 Abs. 1 JGG) kann nach § 7 JGG bisher nur die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden. Dabei gelten die speziellen Regelungen des JGG. Bei der Unterbringung im Krankenhaus und der Entziehungsanstalt ist insbesondere zu beachten, dass nach § 5 Abs. 3 JGG von Jugendstrafe oder Zuchtmitteln abgesehen wird, wenn diese Maßregeln die Ahndung durch den Richter entbehrlich machen.
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Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wird in besonderen Einrichtungen 8 7 vollzogen (§ 93a JGG). - Zu den bisweilen schwierigen Einzelfragen bei Anwendung von Maßregeln gegen Jugendliche und gleichgestellte Heranwachsende ist auf die Erläuterungswerke zum JGG sowie auf einige spezielle Hinweise in diesem Kommentar (z.B. § 63 Rdn. 32 ff; § 64 Rdn. 22 ff; Schneider LK Vor § 68 Rdn. 28) zu verweisen. Gegen Heranwachsende, auf die das allgemeine Strafrecht angewendet wird, darf seit 8 8 der Neufassung des Gesetzes im Jahre 2004 Sicherungsverwahrung zwar auch weiterhin nicht neben der Strafe angeordnet werden (§ 106 Abs. 3 S. 1 JGG). Bei Vorliegen der weiteren im Gesetz jeweils genannten Voraussetzungen kann jedoch die vorbehaltene Sicherungsverwahrung (§ 106 Abs. 3 S. 2 JGG) oder nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden (§ 106 Abs. 5 JGG). Der bisherige Verzicht auf die Sicherungsverwahrung bei Jugendlichen und bei Heran- 8 9 wachsenden, die nach Jugendstrafrecht abgeurteilt werden, dürfte nach neuesten Reformplänen der Bundesregierung nicht mehr uneingeschränkt aufrecht zu erhalten sein. Nach Initiativen einiger Bundesländer und einem entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesrats vom 27.3.2005 (BRDrucks. 276/05; BTDrucks. 15/5909) wurde am 18.7.2007 nunmehr auch der Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht" vorgelegt (BRDrucks.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
551/1/1.). Danach soll das Gericht nach einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren 59 wegen eines Verbrechens gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung sowie in Fällen von Raub und Erpressung mit Todesfolge nachträgliche Sicherungsverwahrung anordnen können, wenn es aufgrund einer Gesamtwürdigung nach Einholung von Sachverständigengutachten die Gefährlichkeit des Täters mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für die Zukunft annimmt ( S 7 JGG-RegE). 90
Aus kriminologischer Sicht muss bezweifelt werden, dass sich das Prognoseinstrumentarium in den letzten Jahren wirklich so deutlich verbessert hat, dass bei jungen Menschen die erforderliche Gefährlichkeitsprognose in besonderen Einzelfällen möglich ist (so die Begründung zum Regierungsentwurf). Der Hinweis auf die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Qualitätsanforderungen (BVerfGE 109 133, 158, 164 f; 109 190, 240 f), die mit höchster Sorgfalt zu beachten seien, verkennt das beträchtliche Risiko fehlerhafter Gefährlichkeitsprognosen bezüglich sehr seltener schwerster Straftaten nach einer einzigen Verurteilung im Jugend- oder Heranwachsendenalter. Es bleibt zu hoffen, dass die Sachverständigen trotz des hohen politischen Druckes bei derartigen Entscheidungen ihrer Verantwortung gerecht werden und die Erkenntnisgrenzen der Kriminalprognose bei sehr geringen Informationen aus dem Lebenslängsschnitt deutlich machen.
91
Ob auch diese problematische Ausweitung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf Jugendliche und Heranwachsende60 einer verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht oder einer Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen möglicher Verletzung des Art. 5 EMRK 6 1 standhalten wird, ist derzeit ungewiss (eingehend zu dieser Problematik Rissing-van Saan/Peglau LK § 66b Rdn. 49 ff).
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2. Ausländer. Soweit Ausländer nach § 3 ff dem Strafgesetz der Bundesrepublik unterliegen, ist das Maßregelrecht grundsätzlich auch ihnen gegenüber anwendbar.62
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3. Auslieferungsrecht; Rechtshilfe. Das IRG bestimmt ausdrücklich, dass die Auslieferung eines Ausländers - unter den sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen - nicht nur wegen einer im Ausland drohenden oder verhängten Strafe, sondern auch wegen einer „sonstigen Sanktion" zulässig ist (§ 2), also insbesondere wegen einer Maßregel der Besserung und Sicherung. Grundsätzlich zulässig ist nach dem IRG insoweit auch die Durchlieferung (§§ 43 ff IRG) sowie die Rechtshilfe durch Vollstreckung ausländischer rechtskräftiger Erkenntnisse (§§ 48 ff IRG; dazu BGHSt 36 199, 203 f). Zu beachten ist jedoch (vgl. § 1 Abs. 3 IRG), dass das Europäische Auslieferungsabkommen von 1957 (BGBl. 1964 II S. 1369; dazu Vogler ZStW 80 [1968] 480) als Folge eines Kompromisses die nicht mit Freiheitsentzug verbundenen persönlichen Maßnahmen ausnimmt und einen
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Nach dem Entwurf des Bundesrates soll bereits eine Jugendstrafe von fünf Jahren ausreichen. Kritisch auch Kinzig RdJB 2 0 0 7 155 ff; Ostendorf/Bochmann ZRP 2 0 0 7 146 ff. Verstoß bejahend für die nachträgliche Sicherungsverwahrung im allgemeinen Strafrecht Renzikowski J R 2 0 0 4 271 ff; Kinzig NJW 2 0 0 1 1455, 1458; Römer J R 2 0 0 6 5, 6; dem-
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gegenüber wird eine Vereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 1 lit. a) bzw. lit. c) EMRK angenommen von Peglau NJW 2001, 2 4 3 8 f; Richter ZfStrVo 2 0 0 3 201, 204; Passek GA 2 0 0 5 96, 111; Rissing-van Saan/Peglau LK § 66b Rn. 49 ff); Rosenau FS Venzlaff, 2006, 309; Rosenau/Peters J Z 2 0 0 7 5 8 6 . Allgemeine Meinung, z.B. Fischer Rdn. 6 Vor § 61; Sch/Schröder/Stree Rdn. 7 Vor § 61.
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Vorbemerkungen zu den S § 61 ff
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Hinweis auf die Höchstdauer der Maßregeln kennt (näher Vogler aaO). Zu beachten ist weiter, dass die verschiedenen Auslieferungsverträge oft nähere, unterschiedliche und unterschiedlich weitgehende Regelungen über die Einbeziehung von Maßregeln enthalten. IV. Maßgebendes Gesetz; zeitliche Geltung Nach § 2 Abs. 6 ist - anders als bei der Strafe - über Maßregeln nach dem Gesetz zu 9 4 entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung (nicht: zur Zeit der Tat) gilt, falls das Gesetz selbst nichts anderes bestimmt. Etwas anderes ist bei der Strafrechtsreform insbesondere in den Art. 301, 303, 305 EGStGB für die Unterbringung in der sozialtherapeutischen Anstalt (§ 65 a.F.), die Führungsaufsicht (§ 68) und die Neuregelung des Berufsverbots (§ 70) bestimmt worden (vgl. auch Art. 306 EGStGB) sowie später in Art. 316 n.F. EGStGB im Zusammenhang mit der Änderung des § 67 und des § 67d Abs. 5 durch das 23. StRÄndG. Der Gesetzgeber hat insoweit verbreiteten Bedenken gegen die rückwirkende Einführung bzw. die rückwirkende Schärfung von Maßregeln (vgl. im folg. Text) praktisch Rechnung getragen. Mit der Regelung des § 2 Abs. 6 geht das Gesetz von dem Grundsatz aus, dass in einem neuen Gesetz jeweils bessere Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Verbrechensbekämpfung zum Ausdruck kommen und diese im Interesse des Gesellschaftsschutzes bei den Maßregeln im Zweifel sogleich Anwendung finden sollen, etwas anderes also besonders normiert werden müsse. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG soll in dieser Konzeption nach herrschender Meinung nicht liegen, weil Art. 103 Abs. 2 GG nur für die Strafe, nicht aber für die Maßregeln gelte; dies entspricht auch der Ansicht des BVerfG (vgl. BVerfGE 109 133, 167 ff; s. auch bereits BGHSt 24 103, 106 m.w.N. und Anm. Schroeder JR 1971 379). Im Einzelnen war die Berechtigung, die Maßregeln vom Rückwirkungsverbot auszunehmen, unter verfassungsrechtlichen wie unter kriminalpolitischen Aspekten lebhaft umstritten (anders z.B. § 1 AE-AT).63 Insbesondere wurde geltend gemacht, dass wegen des Übelszufügungscharakters und der funktionalen Angleichung von Strafe und Maßregel eine pauschale Eröffnung der Rückwirkung im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich nicht vertretbar sei (Böllinger/Pollähne NK § 61 Rn. 38, 54; Ullenbruch NStZ 1998 326; Kinzig StV 2000 330; Best ZStW 114 [2002] 88; dagegen aber Feglau NJW 2000 179 ff). In seinem Urteil vom 5.2.2004 hat das Bundesverfassungsgericht diese Frage abschließend dahingehend entschieden, dass der „Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 2 auf staatliche Maßnahmen beschränkt" sei, „die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten darstellen und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängen, das dem Schuldausgleich dient" (BVerfGE 109 133). Das treffe für eine Maßregel nicht zu, die - wie die Sicherungsverwahrung - Gefahren vorbeugen und in die Zukunft wirken solle (BVerfGE 109 133, 172, 174).
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Näher zum Ganzen die Erl. zu § 2; kritisch und z.T. von Verfassungswidrigkeit ausgehend etwa Best ZStW 112 (1990) 88; Kinzig
StV 2 0 0 0 3 3 0 ; Böllinger/Pollähne Rdn. 54.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
V. Verjährung 96
Für Maßregeln gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 78 ff über die Verfolgungsverjährung (vgl. § 78 Abs. 1) und im Grundsatz auch die Vorschriften der §§ 79 ff über die VollstreckungsVerjährung (vgl. § 79 Abs. 1); im letzteren Bereich bestehen einige Sonderregelungen (§ 79 Abs. 4, 5). Näher die Erl. zu §§ 78 ff und 79 ff.
VI. Begnadigung und Amnestie 97
1. Eine Begnadigung ist bei Maßregeln rechtlich nicht ausgeschlossen. Jedoch wird sie im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit vor gefährlichen Personen nur selten in Betracht kommen (Fischer Rdn. 8 Vor § 61). Zu weitgehend ist allerdings die Ansicht von Jescheck/Weigend (AT § 88 5), dass ein Gnadenerlass bei Maßregeln „im allgemeinen nur" in Betracht kommt, wenn ein Fehlurteil vorliegt; in dieser Form sagen das auch die - meist restriktiv formulierten - Gnadenordnungen nicht. Zu denken ist etwa an Fälle, in denen einem nachträglichen Wegfall des Sicherungsbedürfnisses durch richterliche Entscheidung nicht schnell genug Rechnung getragen werden kann, wie das z.B. bei der Führungsaufsicht infolge der Mindestfrist von 2 Jahren (§ 68c Abs. 1) im Einzelfall denkbar ist.
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Eine typische Fallkonstellation für eine Begnadigung dürfte vor allem das Zusammentreffen mehrerer Maßregeln aus verschiedenen Urteilen (mit jeweils daneben verhängten Strafen in den Fällen des § 21) sein, das - anders als beim Zusammentreffen in einem Urteil (§ 72) - gesetzlich nicht geregelt ist, wenn die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde die „nach pflichtgemäßem Ermessen" an sich gebotene sachgerechte Unterbrechung der ersten Vollstreckung nach etwa zwei Dritteln der auf die Strafe anrechenbaren Verbüßung (vgl. Schöch Maßregelvollzug, S. 398) „zum Zwecke der Vollstreckung einer anderen Maßregel" (§ 54 Abs. 2 Satz 6 StVollstrO) versäumt hat, was in der Praxis leider nicht selten vorkommt.
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Wenn z.B. bei einem Maßregelvollzugspatienten, der im ersten Urteil zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden war, zunächst wegen ungünstiger Entlassungsprognose die Unterbringung gemäß § 63 über 7 Jahre vollstreckt werden musste, so kann nach dem Gesetz nichts von dieser überproportionalen Verbüßung auf eine zweite Freiheitsstrafe von 5 Jahren angerechnet werden, die der Untergebrachte in einem weiteren Urteil (z.B. wegen einer Straftat anlässlich eines Lockerungsmissbrauchs oder wegen einer später entdeckten Straftat) neben einer Unterbringung erhalten hat. § 44b Abs. 1 Satz 2 StVollstrO stellt nur klar, dass eine Anrechnung der Maßregel auf die zweite Strafe in diesen Fällen nicht stattfindet, enthält aber keinen gerechten Lösungsvorschlag. In einem derartigen Fall sollte die überlange Unterbringung durch Anrechnung auf die zweite Strafe im Gnadenwege kompensiert werden, damit eine Entlassung möglich wird, sobald diese aus Behandlungsgründen in Betracht kommt (vgl. Schöch Maßregelvollzug, S. 398).
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2. Die Amnestiegesetze nehmen die Maßregeln meist ausdrücklich von der Straffreiheit aus. Sofern eine derartige Regelung nicht getroffen ist, erfasst die Amnestie jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen die Maßregel nur neben der Verurteilung zu Strafe ausgesprochen werden darf, gegebenenfalls auch die Maßregelanordnung, eben weil insoweit die Maßregel nur zusammen mit der Strafe verhängt werden kann (so überzeugend schon RGSt 6 9 262).
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Vorbemerkungen zu den § § 61 ff
Vor § 61
ΥΠ. Strafrechtlicher Schutz Die Durchführung und Durchsetzung von Maßregeln wird durch eine Reihe von Strafvorschriften gestützt: § 120 (Befreiung von Gefangenen bzw. Verwahrten), § 121 (Gefangenenmeuterei durch Sicherungsverwahrte, vgl. § 121 Abs. 4), § 145a (Verstoß gegen Weisungen bei der Führungsaufsicht), § 145c (Verstoß gegen das Berufsverbot), § 2 5 8 (Straf- bzw. Maßregelvereitelung), § 2 5 8 a (Straf- bzw. Maßregelvereitelung im Amt), § 3 2 3 b (Gefährdung einer Entziehungskur).
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Vffl. Verfahrensrechtliches 1. Anordnung und Folgeentscheidungen. Verfahrensrechtlich ist zu unterscheiden zwischen der Anordnung der Maßregel und den dabei oder dadurch nötigen Folgeentscheidungen, wobei vor allem diese Folgeentscheidungen, entsprechend ihrer unterschiedlichen Art und Bedeutung, prozessual in sehr differenzierter Weise geregelt sind. Im Einzelnen ergibt sich - im Überblick - das folgende Bild.
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a) Anordnung von Maßregeln. Maßregeln können, abgesehen von der Führungsaufsieht kraft Gesetzes (§ 68 Abs. 2), immer nur vom erkennenden Gericht angeordnet werden (näher Rdn. 109).
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b) Entscheidungen zugleich mit der Anordnung. In einer Reihe von Fällen muss oder kann das erkennende Gericht zugleich mit der Maßregelanordnung weitere Entscheidungen treffen. Dies geschieht teils im Urteil, teils durch besonderen Beschluss. Zu nennen sind vor allem folgende Entscheidungen.
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Bei Unterbringungen nach § 63 und § 6 4 (nicht: nach § 66) kann das erkennende Gericht unter den Voraussetzungen des § 6 7 b im Urteil (§ 2 6 0 Abs. 4 S. 4 StPO) die sofortige Aussetzung der Maßregel-Vollstreckung zur Bewährung anordnen. Eine solche Anordnung löst - nach Rechtskraft - Führungsaufsicht kraft Gesetzes aus (§ 6 7 b Abs. 2). Das erkennende Gericht kann schon zugleich mit dem Urteil durch besonderen Beschluss (§ 2 6 8 a Abs. 2 StPO) Entscheidungen über die Gestaltung der Führungsaufsicht treffen; es kann derartige Entscheidungen - ganz oder teilweise - aber auch dem Vollstreckungsverfahren überlassen (§ 68d).
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Verhängt das Gericht nach den Regeln des § 7 2 mehrere freiheitsentziehende Maßregeln, bestimmt es die Reihenfolge der Vollstreckung (§ 7 2 Abs. 3 S. 1) ebenfalls im Urteil, während die spätere Prüfung, ob die jeweils folgende Maßregel auch zu vollziehen ist (§ 72 Abs. 3 S. 2), im Vollstreckungsverfahren erfolgt. Entscheidungen, durch die ausnahmsweise ganz oder teilweise ein Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor der Maßregelvollstreckung angeordnet wird (§ 67 Abs. 2), kann schon das erkennende Gericht treffen; sie können aber auch im Vollstreckungsverfahren erfolgen oder abgeändert werden (S 6 7 Abs. 3).
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Bei den Maßregeln ohne Freiheitsentzug muss das erkennende Gericht bestimmte EntScheidungen, die eigentlich Folgeentscheidungen sind, stets im Urteil treffen; so insbesondere die Entscheidung über die Sperrdauer für die Erteilung einer Fahrerlaubnis (§ 6 9 a ) sowie über die Dauer einer verbotenen Berufsausübung (§ 70). Bei der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs (§ 68 Abs. 1), wo eine Bestimmung der Aufsichts-Dauer nicht erfolgt, kann das erkennende Gericht nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Führungsaufsicht kraft Gesetzes (s. Rdn. 105) zugleich mit dem Urteil durch besonderen
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Beschluss (§ 268a Abs. 2 StPO) Entscheidungen über die Ausgestaltung der Aufsicht treffen, aber auch dem Vollstreckungsverfahren überlassen. 108
c) Sonstige Folgeentscheidungen. Für alle Folgeentscheidungen, die nicht das erkennende Gericht zugleich mit der Anordnung der Maßregel trifft, gelten nach Maßgabe der Verweisungsvorschrift des S 463 StPO die Bestimmungen über das strafprozessuale Vollstreckungsverfahren. Danach ist bei den freiheitsentziehenden Maßregeln meist die Strafvollstreckungskammer (§§ 78a, 78b GVG) zuständig, soweit es sich nicht um Maßregeln gegen Jugendliche und Heranwachsende handelt. Bei ihnen entscheidet gemäß § 82 JGG anstelle der Vollstreckungskammer der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter (BGHSt 26 162; BGH NJW 1992 1570). Bei den Maßregeln ohne Freiheitsentzug befindet, außer im Jugendstrafrecht, entweder die Strafvollstreckungskammer oder das Gericht des 1. Rechtszugs mit Abgabemöglichkeit an das Gericht des Wohnsitzes über alle Folgeentscheidungen. Im Einzelnen muss für die zum Teil äußerst komplizierten und gesetzestechnisch sehr unglücklich konzipierten Regelungen im Vollstreckungsverfahren auf die einschlägigen Erläuterungswerke zur StPO verwiesen werden.
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2. Entscheidungen im Strafverfahren und Sicherungsverfahren. Für die gerichtliche Anordnung einer Maßregel (Rdn. 103) ist regelmäßig eine Hauptverhandlung und damit Entscheidung durch Urteil erforderlich (§ 260 StPO). Lediglich die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69) kann auch durch Strafbefehl erfolgen, wenn die Sperre nicht mehr als zwei Jahre beträgt (§ 407 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Im Privatklageverfahren dürfen Maßregeln nicht angeordnet werden (§ 384 Abs. 1 S. 2 StPO). Die Entscheidung erfolgt grundsätzlich in dem gleichen Verfahren, in dem über die Bestrafung wegen der Anlasstat entschieden wird („angeschlossenes Verfahren"), also im normalen Strafverfahren. Sie hat im Urteilstenor zu erfolgen (§ 260 Abs. 4 StPO) und darf nicht einer späteren Entscheidung, etwa einem Beschluss, vorbehalten bleiben; sie kann auch (abgesehen von der ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung in § 66a) nicht unter Vorbehalt ergehen (RGSt 68 383; BGHSt 5 350; BGH JR 1954 267). Zu Entscheidungen, die zugleich mit der Anordnung getroffen werden können oder müssen, s. Rdn. 104 ff.
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Eine selbständige Anordnung der Maßregel, also eine Anordnung ohne gleichzeitige Bestrafung wegen der Anlasstat, ist in den Fällen des § 71 zulässig, wenn der Täter schuldunfähig oder verhandlungsunfähig ist. Die Anordnung kann dann auch in einem besonderen Verfahren erfolgen, dem Sicherungsverfahren der §§ 413 ff StPO, das dem „angeschlossenen Verfahren" zwar angenähert ist, aber doch Besonderheiten aufweist. (Einzelheiten bei Hanack LK § 71).
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3. Prozessvoraussetzungen. Verfahrenshindernisse (Prozesshindernisse; näher z.B. Kühne LR Einl. Κ Rdn. 35 ff) sind auch bei Anordnung der Maßregeln zu beachten. Dies ist eindeutig, soweit die Maßregeln zugleich mit der Strafe im (angeschlossenen) Strafverfahren angeordnet werden. Daher kann z.B. bei Fehlen eines erforderlichen Strafantrags (BGHSt 31 132) oder bei eingetretener Verjährung hinsichtlich der Anlasstat eine Maßregel nicht angeordnet werden.
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Die früher umstrittene Frage, ob das Antragserfordernis auch für das selbständige Sicherungsverfahren gemäß § 413 StPO gilt, wurde vom Gesetzgeber im Zuge des 2. StrRG geklärt, indem er in § 71 eindeutig zum Ausdruck brachte, dass die selbständige 248
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Anordnung einer Maßregel nur bei Schuld- oder Verhandlungsunfähigkeit erfolgen darf, nicht also auch bei anderen Hindernissen, die der Durchführung eines Strafverfahrens (wie ein fehlender Strafantrag) entgegenstehen (s. Hanack LK § 71 Rdn. 6). Im Übrigen ist zu beachten, dass seit der Strafrechtsreform die Bestimmung der Gefährlichkeit trotz ihres prognostischen Charakters regelmäßig auf die Erheblichkeit der Anlasstaten gestützt wird, bei denen die Strafverfolgung auch bei Antragsdelikten in vielen Fällen trotz fehlenden Antrags zulässig ist, wenn die Staatsanwaltschaft im öffentlichen Interesse ein Einschreiten für geboten hält. 4. Notwendige Verteidigung a) Bei Anordnung von Maßregeln. Nach dem Katalog des § 140 Abs. 1 StPO ist die Mitwirkung eines Verteidigers nach Maßgabe des § 141 StPO stets erforderlich, wenn das Verfahren eine Unterbringung nach § 63 oder § 66 betrifft (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO i.V. mit § 24 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GVG), wenn es zu einem Berufsverbot führen kann (§ 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO; dazu BGHSt 4 321) oder wenn ein Sicherungsverfahren (Rdn. 110) durchgeführt wird (§ 140 Abs. 1 Nr. 7 StPO).
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Geht es um die Unterbringung nach § 64 in einem amtsgerichtlichen Verfahren (zulässig nach § 24 GVG e contrario), greift der Katalog des $ 140 Abs. 1 nur aus besonderen Gründen ein. In den anderen Fällen liegt aber grundsätzlich ein Fall notwendiger Verteidigung nach der Generalklausel des § 140 Abs. 2 vor, und zwar mindestens wegen der „Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage"; das ergibt sich schon aus der Pflicht zur Einschaltung eines Gutachters (§ 246a StPO; BVerfGE 70 297, 308), aber auch aus den komplizierten Wertungs- und Prognosefragen, die mit jeder Entscheidung nach § 64 verbunden sind (Horn SK $ 61 Rdn. 22). Das gleiche gilt in der Regel, wenn die Anordnung von Führungsaufsicht nach § 68 in Frage steht, schon weil meist auch hier die Heranziehung eines Sachverständigen geboten ist (Rdn. 120) und der Richter eine juristisch wie kriminologisch ebenfalls sehr schwierige und kritische Entscheidung zu treffen hat.
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Anderes dürfte jedoch für die Entziehung der Fahrerlaubnis gelten. Hier deutet schon die Regelung des § 407 Abs. 2 Nr. 2 StPO darauf hin, dass nach geltendem Recht die Anordnung der Maßregel in vielen Fällen als vergleichsweise unkompliziert zu werten ist. Daraus folgt, dass sie nicht schon als solche einen Fall des § 140 Abs. 2 StPO darstellt, notwendige Verteidigung nach dieser Vorschrift vielmehr nur besteht, wenn das Verfahren aus sonstigen Gründen die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 erfüllt. 64
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b) Bei Folgeentscheidungen. In Rechtsprechung und Lehre ist heute anerkannt, dass im Vollstreckungsverfahren aus rechtsstaatlichen Gründen eine Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO geboten sein kann, wenn das im konkreten Fall, insbesondere im Hinblick auf Besonderheiten und Schwierigkeiten im Diagnose- und Prognosebereich, nach den Kriterien des § 140 Abs. 2 nötig erscheint. Bei der Entscheidung über die Aussetzung einer freiheitsentziehenden Maßregel ist das in der Regel mindestens dann zu bejahen, wenn die Aussetzung nach Lage des Falles nicht selbstverständlich erscheint.65 Entsprechendes gilt für die Entscheidung über die vorzeitige Erledigung einer Unterbringung
116
64
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Wie Meyer-Goßner § 140 Rdn. 2 5 bei einem Berufskraftfahrer annimmt; so auch Lüderssen LR § 140 Rdn. 59. Vgl. insbesondere BVerfGE 63 380, 391; 7 0
297, 323; OLG Jena StV 1997 540; OLG Karlsruhe StV 1997 314; OLG Hamm StV 2001 20; weitere Nachweise bei Meyer-Goßner § 140 Rdn. 33.
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nach § 64 gemäß § 67d Abs. 5 sowie über den Widerruf einer Aussetzung nach § 67g, 66 bei kritischeren Prognoseproblemen, insbesondere solchen mit medizinisch-psychologischem Einschlag, nach Lage des Einzelfalles aber auch im Bereich der vorzeitigen Aufhebung oder Aussetzung von Maßregeln ohne Freiheitsentzug (§§ 68e Abs. 2, 70a) bzw. bei Entscheidungen gemäß § 68f Abs. 2. In der Regel wird die Beiordnung für das ganze Vollstreckungsverfahren, nicht nur für den einzelnen Vollstreckungsabschnitt gelten.67 5. Zuziehung von Sachverständigen 117
a) Bei freiheitsentziehenden Maßregeln. Ist mit der Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel zu rechnen, muss das erkennende Gericht in der Hauptverhandlung einen Sachverständigen zuziehen (§ 246a StPO, BVerfGE 70 297, 308). Trotz des missverständlichen Wortlauts des § 246a Satz 3 StPO ist das Gericht verpflichtet, dem Sachverständigen schon vor der Hauptverhandlung Gelegenheit zur Untersuchung zu geben (BGH NStZ 2002 384). Der Sachverständige muss nicht Arzt sein (Meyer-Goßner % 246a StPO Rdn. 1; überholt insoweit BGH bei Daliinger MDR 1976 17). In Betracht kommt auch ein Psychologe, Kriminologe oder (Sozial-)Pädagoge. Im Rahmen der Unterbringung nach § 63 StGB ist allerdings ein Psychiater unverzichtbar (Miiller-Dietz NStZ 1983 204). Geht es um die Anordnung von (auch vorbehaltener oder nachträglicher) Sicherungsverwahrung, hat sich der Gutachter sachverständig zu den Tatsachen zu äußern, die den möglichen Hang begründen (BGH MDR 1990 97; s. auch Habermeyer MschrKrim. 2002 20). Insbesondere hierfür kommt auch der Einsatz von Kriminologen als Gutachter in Betracht (Feltes StV 2000 282).
118
Die Untersuchung muss grundsätzlich im Hinblick auf die im Raum stehende Maßregel erfolgen, also „maßnahmespezifisch" (Meyer-Goßner § 246a Rdn. 3) sein; eine allgemeine psychiatrische Untersuchung genügt daher nicht (BVerfG NJW 1995 3047 gegen BGH NStZ 1994 592). Nach Ansicht des BGH soll jedoch eine Untersuchung im Rahmen der Unterbringung gemäß § 63 StGB in der Regel auch für die Anordnung von Sicherungsverwahrung genügen (BGH NStZ-RR 2003 98), was angesichts der Unterschiede bei den Anordnungsvoraussetzungen fraglich ist.
119
Die unterlassene Zuziehung begründet in der Regel die Revision (näher z.B. Gollwitzer LR § 246a Rdn. 12). Auch das Unterlassen einer vorherigen Untersuchung kann - als Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO - die Revision begründen (BGHSt 9 1; 27 166). Der Richter darf das Sachverständigengutachten nicht unbesehen übernehmen. Er muss zu ihm auch im Urteil Stellung nehmen, wenn er einen Revisionsgrund vermeiden will (vgl. z.B. BGHSt 7 238; 12 311); im Hinblick auf die revisionsrechtliche Kontrolle muss er dabei in der Regel die Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Sachverständigen, aber auch seine eigenen Erwägungen dazu angeben (näher Hanack LR § 337 Rdn. 140). Zahlreiche Berichte und lebhafte Klagen über die mangelnde Sorgfalt vieler psychiatrischer Gutachten (vgl. § 63 Rdn. 190 ff) verpflichten ihn in diesem Bereich zu besonderer Sorgfalt (dazu Rdn. 121). Im Übrigen „soll" ein Sachverständiger schon im Ermittlungsverfahren zugezogen werden (§ 80a StPO). Unter den Voraussetzungen des § 81 StPO kann eine stationäre Begutachtung im psychiatrischen Krankenhaus für die Dauer von höchstens sechs Wochen erfolgen.
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Zum ersteren vgl. OLG Celle StV 1982 262; zum letzteren OLG Bremen NStZ 1986 379. OLG Stuttgart NJW 2 0 0 0 3367; Meyer-
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Goßner § 140 Rdn. 33a; aA OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 3 2 5 2 m.w.N.
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b) Bei nicht-freiheitsentziehenden Maßregeln. Hier richtet sich die Pflicht des erkennenden Gerichts zur Zuziehung von Sachverständigen nach den allgemeinen Regeln (Aufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO; Beweisantragsrecht der §§ 2 4 4 ff StPO). Insbesondere bei der Führungsaufsicht (§ 68 Abs. 1) wird die Zuziehung eines Sachverständigen in vielen Fällen geboten sein. Denn die Entscheidung, ob vom Täter weitere Taten zu erwarten sind, verlangt ihrer Natur nach eine Gesamtwürdigung seiner Person und die Erstellung einer genauen Prognose (Schneider LK § 68 Rdn. 13). Beim Gewicht und der Zwiespältigkeit der Maßregel erfordert dies die Beurteilung mit Hilfe spezifischen Fachwissens jedenfalls dann, wenn sich die weitere Gefährlichkeit des Täters nicht durch eine gehäufte Fülle spezifischer Vortaten (etwa: als gefährlicher „Wirtshausschläger") unmittelbar aufdrängt.
120
c) Mindestanforderungen für Prognosegutachten. Zur Qualitätssicherung prognostischer Gutachten empfiehlt sich die Einhaltung formeller und inhaltlicher Mindestanforderungen durch die Sachverständigen. Hierzu hat ein Arbeitskreis aus Richtern, Bundesanwälten, Kriminologen, forensischen Psychiatern und Psychologen Empfehlungen vorgelegt (Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 537, 539 f m.w.N.). 68 Sie dienen auch dazu abzugrenzen, welche Fragen Gegenstand des Gutachtens sind und welche Fragen allein vom Gericht beantwortet werden müssen. Sie sollen Auswahl und Leitung des Sachverständigen (§§ 73 ff StPO) erleichtern und dem Richter Anhaltspunkte für die Auswertung des Gutachtens und dessen Aussagekraft geben.
121
Aus juristischer Sicht erfordert das Prognosegutachten eine umfassende und in sich nachvollziehbare Darstellung des Erkenntnis- und Wertungsprozesses des Sachverständigen. Dazu gehört die Angabe der von ihm herangezogenen und ausgewerteten Erkenntnismittel sowie der Untersuchungsmethode, deren Auswahl in seinem pflichtgemäßen Ermessen liegt. 69 Um Nachvollziehbarkeit und Transparenz des Gutachtens zu gewährleisten, ist in ihm darzulegen, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen (Angaben des Probanden, Ermittlungsergebnisse, Vorgaben des Gerichts zum Sachverhalt und möglichen Tathandlungsvarianten) der Sachverständige zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt ist.
122
Hält der Sachverständige im Erkenntnisverfahren die Befragung weiterer Zeugen zur Vorbereitung seines Gutachtens für erforderlich, so hat er bei der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht auf deren Vernehmung hinzuwirken, bei der ihm gemäß § 80 Abs. 2 StPO ein Anwesenheits- und Fragerecht zusteht (Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 537, 539 f). Informatorische Befragungen durch den Sachverständigen, die nur dazu dienen,
123
68
Kritisch Bock StV 2 0 0 7 2 6 9 ff, der die Legitimation zu derartigen Empfehlungen bezweifelt und insbesondere die Nichtbeachtung der von Göppinger (Angewandte Kriminologie, 1985; Kriminologie 5 , S. 328 ff) begründeten und von ihm weitergeführten (Bock Kriminologie 3 , S. 103 ff; neuerdings sog. MIVEA, vgl. Bock ZJJ 2 0 0 6 2 8 2 ff) Methode der idealtypisch vergleichenden Einzelfallanalyse kritisiert. Dabei verkennt er, dass die Mindestanforderungen bewusst nicht einzelne Prognoseinstrumente propagieren oder ausschließen, sondern übergeord-
69
nete juristische und empirische Leitlinien für ein sachgerechtes Vorgehen bei jeder wissenschaftlich fundierten Prognosebeurteilung formulieren wollten. Ein Vorrang kommt dabei der von Bock vertretenen Methode nicht zu (s. auch unten Rdn. 172 sowie Schock FS Widmaier (2008, im Erscheinen). Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 537, 5 3 9 ; kritisch Bock, der unzutreffend berufsständische Monopolansprüche der Psychiater unterstellt und die statistisch fundierten Risikofaktoren als Vorurteile bezeichnet (StV 2 0 0 7 269, 2 7 2 f).
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die Beweiserheblichkeit des Wissens der Auskunftsperson festzustellen und gegebenenfalls ihre Vernehmung zu beantragen, sind aber zulässig (BGHSt 9 292, 296). 124
Bei Prognosegutachten im Vollstreckungsverfahren gilt das strafprozessuale Freibeweisverfahren, bei dem es dem Gericht gestattet ist, auch Informationen aus so genannten Fremdanamnesen des Sachverständigen zu berücksichtigen. Bei der in diesem Verfahrensstadium also zulässigen direkten Befragung von Zeugen sollte der Sachverständige aber darauf hinweisen, dass er über das Ergebnis das Gericht informieren muss und hierüber unter Umständen als Zeuge vernommen werden kann. Außerdem sollte er Zeugnis- und auskunftsverweigerungsberechtigte Personen auf ihr Verweigerungsrecht hinweisen (Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2006 537, 540).
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Die Prognosekriterien des geltenden Rechts enthalten teils vorwiegend tatsächliche Merkmale (z.B. „zu erwartende Taten" oder „Erreichung des Zwecks der Maßregel") und teils vorwiegend normative Merkmale (z.B. „Gefährlichkeit für die Allgemeinheit" oder „Erheblichkeit der Taten"). Auch bezüglich der tatsächlichen Merkmale, die mit Hilfe der Erfahrungswissenschaften vom Sachverständigen zu klären sind, ist die darauf aufbauende rechtliche Bewertung (z.B. über den erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad einer Gefährlichkeitsprognose) allein Sache des Gerichts (vgl. Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2006 537, 540).
126
Nach Auffassung der Arbeitsgruppe gehört zu einem Prognosegutachten auch eine Aussage über die weitere Behandlungsbedürftigkeit und die Behandlungsfähigkeit des Verurteilten (vgl. Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2006 537, 541). Dies beinhaltet eine Aussage zu den in Betracht kommenden Therapiemöglichkeiten, zu der Notwendigkeit einer ambulanten Nachsorge sowie zu der Ausgestaltung von Auflagen und Weisungen im Rahmen der Bewährung oder der Führungsaufsicht.70
127
Die Hinweise für den Sachverständigen umfassen neben formalen Kriterien (z.B. Dokumentation der Aufklärung, getrennte Wiedergabe der Erkenntnisquellen, Trennung von Befunden und Interpretationen) auch inhaltliche kriminalprognostische Mindestanforderungen für die Informationsgewinnung (z.B. Aktenstudium, angemessene Untersuchungsdauer, mehrdimensionale Untersuchung, Ansprechen von Widersprüchen zwischen Exploration und Akteninhalt), für die Diagnose (gegenwärtig orientiert an ICD-10 oder DSM-IV-TR) und für die Abfassung des Gutachtens (z.B. bezüglich der Analyse der Delinquenzentwicklung und der Risikofaktoren; Einzelheiten bei Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2006 537, 541 ff).
128
6. Veränderung rechtlicher Gesichtspunkte (§ 265 StPO). Ist in der zugelassenen Anklage (§ 207 StPO) bzw. Antragsschrift (§ 414 StPO) eine Maßregel nicht genannt, die gegen den Angeklagten verhängt werden soll, so muss ihn das Gericht gemäß § 265 Abs. 1, 2 StPO auf die Möglichkeit der Anordnung hinweisen. Das gilt auch, wenn in der Anklage Maßregeln zwar angeführt wurden, statt ihrer oder neben ihnen aber andere Maßregeln verhängt werden sollen (allg. M.). Es macht dabei keinen Unterschied, ob erst in der Hauptverhandlung neue Tatsachen hinzutreten, die die Anordnung der Maßregel nahe legen, oder ob das Gericht allein aufgrund einer anderen rechtlichen Beurteilung die Maßregel in Erwägung zieht. Beispiele aus der Rechtsprechung: BGHSt 2 85 (für das Berufsverbot); BGHSt 18 288 und BayObLG GA 1982 325 (für die Entziehung der Fahr-
70
Vgl. BVerfGE 70 2 9 7 ; BVerfG NJW 1998 1133; OLG Karlsruhe NStZ 1998 638; StV 2 0 0 2 34.
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erlaubnis); BGHSt 22 29 und BGH NStZ-RR 2002 271 (für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus); BGH StV 1994 232 (für die Sicherungsverwahrung). In seiner Entscheidung vom 16.1.2003 (1 StR 512/02) hat der BGH offen gelassen, ob ein Hinweis auch beim Übergang von § 66 Abs. 2 zu Abs. 3 erforderlich ist, was zu verneinen sein dürfte (Meyer-Goßner § 265 Rdn. 20). 7. Rechtsmittel. Entscheidungen des erkennenden Gerichts, durch die eine Maßregel angeordnet oder nicht angeordnet wird, sind nach den allgemeinen Regeln über Rechtsmittel (Berufung bzw. Revision gegen Urteile; Einspruch gegen Strafbefehl) anfechtbar; das gilt auch für Urteile im Sicherungsverfahren (§ 414 Abs. 1 StPO). Die Nichtanordnung einer Maßregel beschwert nach herrschender Meinung den Täter grundsätzlich auch dann nicht, wenn sie speziell seiner Besserung dient.71
129
Streitig ist, ob oder wieweit in denjenigen Fällen, in denen im Urteil zugleich über Schuld und Strafe hinsichtlich der Anlasstat entschieden ist, eine Beschränkung des Rechtsmittels allein auf die Anordnung oder Nichtanordnung einer Maßregel statthaft ist (s. §§ 318, 327; 344, 352, 353 StPO). Die Rechtsprechung geht - im Ergebnis - heute im allgemeinen davon aus, dass die isolierte Anfechtung im Grundsatz zulässig ist, soweit sich die Entscheidung über die Maßregel von der Entscheidung über die Schuld- und Straffrage trennen lässt (so z.B. BGHSt 5 267; 7 101; 10 397; 15 285); ist das nicht der Fall, hält sie die Beschränkung für unwirksam mit der Folge, dass, soweit der Zusammenhang besteht, auch der Schuld- oder Strafausspruch von der Anfechtung erfasst wird. Im Einzelnen ist die Rechtsprechung dabei nicht einheitlich, so dass man zum Teil sogar darüber streiten kann, was sie als Grundsatz und was als Ausnahme ansieht. Die Folge ist, dass die Handhabung bei den verschiedenen Maßregeln nicht unerheblich divergiert, ohne dass dies stets zwingend durch Eigenarten der jeweiligen Maßregeln bedingt wäre. Die Folge ist weiter, dass für den Beschwerdeführer oft schwer vorauszusehen ist, ob oder inwieweit das Rechtsmittelgericht die Beschränkung der Anfechtung akzeptiert. Im Schrifttum wird die Rechtsprechung zum Teil kritisiert und in stärkerem Maße Untrennbarkeit angenommen (anders Böllinger/Pollähne NK § 61 Rn. 74). Im Einzelnen muss über die Hinweise bei der Kommentierung der verschiedenen Maßregeln im LK hinaus auf das strafprozessuale Schrifttum verwiesen werden (s. etwa Gollwitzer LR § 318 Rdn. 23 ff und Hanack LR § 344 Rdn. 50 ff).
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Die Frage, ob die Anordnung oder Nichtanordnung der Maßregel vom Rechtsmittelangriff ausgenommen werden kann, ist ebenso umstritten und wurde in BGH NStZ-RR 2003 18 ausdrücklich offen gelassen.72 Soweit das erkennende Gericht zugleich mit der Anordnung einer Maßregel in einem 131 besonderen Beschluss Folgeentscheidungen über deren Ausgestaltung trifft (§ 268a Abs. 2 StPO; oben Rdn. 104 ff), richtet sich die Anfechtbarkeit eines solchen Beschlusses nach der Bestimmung des § 305a StPO. Für die Anfechtung von Entscheidungen im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ergeben sich die Einzelheiten aus der Verweisungsvorschrift des § 463 StPO.
71
BGHSt 28 327, 330 für § 64; vgl. auch BGH NJW 1990 2143.
72
Dazu auch BGHSt 46 257, 260; NStZ 1995 609 m. Anm. Laubenthal J R 1996 291.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
8. Verbot der reformatio in peius 132
a) Grundsatz. Bei der Berufung (§ 331 StPO), der Revision (§ 358 Abs. 2 StPO) und der Wiederaufnahme (§ 373 Abs. 2 StPO) darf ein Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des Angeklagten (Verurteilten) abgeändert werden, wenn lediglich er selbst, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter das Rechtsmittel einlegt. Das Verbot gilt für alle Rechtsfolgen, grundsätzlich also auch für Maßregeln der Besserung und Sicherung (BGH bei Detter NStZ 2 0 0 2 136; Böllitiger/Potlähne NK § 61 Rdn. 74 m.w.N.).
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b) Ausnahmen sind in den genannten Bestimmungen für die Unterbringung nach § 63 und § 64 vorgesehen. Diese Maßregeln dürfen also noch im Berufungsverfahren (§ 331 Abs. 2 StPO) und im Revisionsverfahren bzw. in der Neuverhandlung vor dem Tatrichter nach Aufhebung eines angefochtenen Urteils durch das Revisionsgericht (S 358 Abs. 2 S. 3 StPO) sowie im Wiederaufnahmeverfahren (§ 373 Abs. 2 S. 2 StPO) angeordnet werden (BGH NStZ 1998 191; NStZ 2 0 0 2 197 f). Grund dafür ist der Gedanke, die ärztlich geleiteten Einrichtungen insbesondere im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen möglichst auszunutzen. Dies gilt entgegen BGHSt 38 362 auch dann, wenn die Nichtanordnung der Maßregel ausdrücklich vom Rechtsmittelangriff ausgenommen wurde; denn insoweit fehlt es an der Dispositionsbefugnis des Angeklagten. Zugleich würde der klare Normzweck der §§ 331 Abs. 2, 358 Abs. 2 S. 3 unterlaufen, wobei nicht zu verkennen ist, dass die Vorschriften in verfassungsrechtlicher Hinsicht, insbesondere im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, durchaus bedenklich sind. 73
134
Aus der Regelung folgt auch, dass noch im Rechtsmittelverfahren ohne Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot die beiden Maßregeln (§§ 63, 64) untereinander ausgetauscht werden können. Hingegen ist ein Austausch mit der Sicherungsverwahrung regelmäßig unzulässig (BGHSt 25 38 m. Anm. Maurach J R 1973 162; streitig; näher Hanack LK § 72 Rdn. 38 f).
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Die geschilderte Regelung kann zu folgender Situation führen: In einer ersten Hauptverhandlung wird der Täter für schuldunfähig befunden und eine der genannten Maßregeln angeordnet. Auf sein Rechtsmittel hin kommt es zu einer neuen Hauptverhandlung, in der das Gericht feststellt, dass der Täter lediglich vermindert schuldfähig war. Zu Strafe kann er wegen des Verschlechterungsverbots jetzt nicht mehr verurteilt werden. Zweifelhaft bleibt, ob - unter den sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen - eine Unterbringung gemäß §§ 63, 64 angeordnet werden darf, weil nach der Struktur des Gesetzes eine solche Unterbringung im Falle der Schuldfähigkeit grundsätzlich die gleichzeitige Verurteilung zu Strafe voraussetzt. Der BGH (BGHSt 11 319, 323) hat unter Billigung der ganz herrschenden Lehre schon früher und trotz des auch damals entgegenstehenden Wortlauts von § 42b Abs. 2 a.F. zu Recht angenommen, dass hier auch trotz § 21 die Unterbringung ohne gleichzeitige Bestrafung erfolgen dürfe: Der Angeklagte habe Strafe an sich verwirkt; sie entfalle nur aus einem verfahrensrechtlichen Grund, der ihm einen weiteren und durchaus zweckwidrigen Vorteil nicht bringen könne.
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Anders war es jedoch bis zum UnterbrSichG v. 16.7.2007, wenn in der neuen Hauptverhandlung festgestellt wurde, dass der Täter nicht einmal vermindert, sondern voll schuldfähig war. Denn dann fehlte es insoweit an einer gesetzlichen Voraussetzung der
73
Hanack JR 1993 4 3 0 ; kritisch auch Kretschmer Das strafprozessuale Verbot der reformatio in peius und die Maßregeln der Besse-
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rung und Sicherung (1999); Bollinger/ Pollähne NK § 61 Rdn. 74.
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Vorbemerkungen zu den § § 61 ff
Vor § 6 1
Unterbringung (mindestens verminderte Schuldfähigkeit), so dass der Täter im Ergebnis weder bestraft noch untergebracht werden durfte (RGSt 69 12; Gössel LR § 331 Rdn. 88). Der 4. Strafsenat des BGH bestätigte in einem Beschluss vom 24.7.2001 (4 StR 268/01) diese Rechtsprechung und empfahl den Staatsanwaltschaften, in vergleichbaren Verfahrenskonstellationen, regelmäßig ihrerseits die Einlegung eines Rechtsmittels in Erwägung zu ziehen. Im Hinblick auf diese unbefriedigende Konstellation (vgl. z.B. BGHSt 49 347) entschloss sich der Gesetzgeber im UnterbrSichG vom 14.7.2007 für diese Fälle zu einer Durchbrechung des Verbotes der Schlechterstellung, indem er - dem Vorschlag des Bundesrates folgend (BTDrucks. 16/1344, S. 17) - in § 358 Abs. 2 Satz 2 n.F. einfügte, dass die Aufhebung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Verurteilung zu Strafe nicht hindere. Die bis zum Schluss der Beratungen umstrittene Durchbrechung des Verbotes der reformatio in peius sei zur Vermeidung einer Sanktionslücke bei Feststellung voller Schuldfähigkeit in der neuen Hauptverhandlung unverzichtbar und im Hinblick auf ihre enge Fassung auch aus rechtsstaatlicher Sicht unbedenklich (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BTDrucks. 16/5137, S. 22, 29). 7 4 c) Einzelfragen. Im Einzelnen wirft das Verschlechterungsverbot auch im Bereich der Maßregeln mancherlei Probleme auf, die sich vor allem aus der generellen Schwierigkeit ergeben, bei der Fülle abgestufter Reaktionen im heutigen Strafgesetz zu bestimmen, was „nach Art (und Höhe) der Rechtsfolgen" ein „Nachteil" im Sinne der in Rdn. 132 zitierten Gesetzesbestimmungen darstellt. Insoweit muss auf die einschlägigen Darstellungen des Strafprozessrechts verwiesen werden. Hervorgehoben sei Folgendes:
137
Probleme entstehen in der Praxis vor allem bei der Entziehung der Fahrerlaubnis. Da das Verschlechterungsverbot auch hier gilt, ist die nachträgliche oder längere Entziehung z.B. selbst dann unzulässig, wenn dafür eine im ersten Verfahren ausgeworfene Geldoder Freiheitsstrafe herabgesetzt wird. Zulässig ist hingegen ihr Austausch mit einem Fahrverbot (näher die Erl. zu S 69). Auch führt das Verschlechterungsverbot nicht zu einer Anrechnung der vorläufigen Entziehung gemäß § l i l a StPO (näher die Erl. zu S 69a).
138
Das Verschlechterungsverbot gilt auch nicht für die Entscheidung über Auflagen und Weisungen, die das Gericht gemäß § 268a StPO bei Aussetzung einer Maßregel oder zugleich mit der Anordnung von Führungsaufsicht trifft (BGH NStZ 1995 220; MeyerGoßner § 268a Rdn. 3 m.w.N.).
139
Auf einem anderen Blatt steht, dass einmal getroffene Auflagen, Weisungen und sonstige Anordnungen des erkennenden Gerichts außerhalb des Rechtsmittelverfahrens nachträglich nur aufgrund neuer oder veränderter Tatsachen geändert werden dürfen, nicht also schon bei anderer Sicht der Rechtsfragen (s. z.B. Schneider LK S 68d Rdn. 5). 9. Maßregeln und Nebenklage. Nach der neuen Rechtsprechung des BGH ist im Sicherungsverfahren (§§ 413 ff StPO) der Anschluss als Nebenkläger zulässig, auch wenn es nicht zum Übergang ins Strafverfahren gem. § 416 StPO kommt. 75 Im Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ist die Nebenklage dagegen mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig (OLG Brandenburg NStZ 2 0 0 6 183).
74
Zur Aufrechterhaltung der Unterbringung ohne gleichzeitige Verhängung einer Strafe bei verminderter Schuldfähigkeit in solchen Fällen s. Rdn. 135.
75
BGHSt 4 7 2 0 2 = JR 2 0 0 2 4 3 5 m. Anm. Gössel; ebenso OLG Hamburg J R 2 0 0 1 213 m.
Anm. Gössel-, OLG Karlsruhe NStZ-RR 2 0 0 1 114; anders noch BGH NStZ 1 9 9 9 312.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Seit der Neuordnung des Rechts der Nebenklage durch das OpferschutzG von 1986 kann der Nebenkläger ein Urteil nicht mehr mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird (§ 400 StPO), also auch nicht in Bezug auf die Anordnung oder Änderung einer Maßregel. Allerdings kann nach einem Freispruch wegen Schuldunfähigkeit die Revision des Nebenklägers auf die unterlassene Anordnung der Unterbringung nach § 63 gestützt werden; § 400 StPO steht hier nicht entgegen, da keine andere Rechtsfolge im Sinne der Vorschrift verlangt wird, sondern die an sich mögliche, aber vom Richter nicht angeordnete Unterbringung (BGH NStZ 1995 609). 141
10. Vorläufige Anordnungen im Maßregelrecht. Gegen Täter, deren Unterbringung in einer freiheitsentziehenden Maßregel nach den § § 6 3 oder 64 zu erwarten ist, kann unter den Voraussetzungen des § 126a StPO eine einstweilige Unterbringung angeordnet werden, wenn die öffentliche Sicherheit dies erfordert. 76 Des Weiteren gibt das Gesetz die Möglichkeit, eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ l i l a StPO) sowie die vorläufige Anordnung eines Berufsverbots (§ 132a StPO) vorzunehmen. Zu den oft komplizierten Voraussetzungen s. näher Schäfer LR Erl. zu § l i l a ; Hanack LR Erl. zu § 132a.
IX. Anhang: Bemerkungen zum empirischen Problem der Prognose 142
Prognosen über das künftige Verhalten des Täters sind ein Wesenselement des modernen Strafrechts und haben durch die Strafrechtsreformen der letzten 4 0 Jahre immer größere Bedeutung erlangt. Sie spielen unter den verschiedensten Gesichtspunkten schon im Bereich der Strafe eine Rolle, so insbesondere bei der Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 S. 2), bei der Strafaussetzung zur Bewährung und ihrer Ausgestaltung durch Auflagen und Weisungen ( § § 5 6 ff), bei der Prüfung, ob und unter welchen Kautelen eine Aussetzung des Strafrests erfolgen kann ( § § 5 7 ff), bei der Anordnung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe (§ 47). Bei den Maßregeln ist die Prognose regelmäßig das geradezu zentrale Problem, weil es hier stets um die Frage geht, ob vom Täter mit Wahrscheinlichkeit weitere Straftaten zu erwarten sind (oben Rdn. 35 ff). Soweit die Voraussetzungen für die Anordnung mehrerer Maßregeln vorliegen, ist die Prognose auch für die Entscheidung wichtig, welche Maßregeln verhängt werden müssen (§ 72). Ferner ist die Prognose für vielfältige Folgeentscheidungen nach Anordnung einer Maßregel bedeutsam, so bei der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung (§ 67b, § 67c) oder der weiteren Vollstreckung (§ 67d Abs. 2, 67d Abs. 6 S. 3, § 68g Abs. 2, § 70a), bei der Entscheidung über den Widerruf einer Aussetzung (§ 67g, § 70b), der Ausgestaltung der Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§§ 68 ff).
143
Die folgenden „Bemerkungen" bezwecken lediglich, dem Benutzer dieses Kommentars einige allgemeine Hinweise zur empirischen Seite des Prognoseproblems zu geben (bezogen nicht nur auf die Maßregeln). Sie enthalten keine Gesamtdarstellung des Komplexes oder gar eine konkrete Anleitung für die Erstellung strafrechtlich-kriminologischer Prognosen im Einzelfall. Eine solche Aufgabe zu leisten ist - so unbefriedigend das erscheint - ein Erläuterungswerk zum StGB auch in der Form eines Großkommentars nicht in der Lage, ohne den Rahmen völlig zu sprengen. Hierfür muss auf die kriminologische Spezialliteratur verwiesen werden (s. Schrifttum zur Kriminalprognose sowie Schöch Kriminalprognose (2007), S. 359 ff).
76
Näher dazu Schöch Maßregelvollzug, S. 387 f; Hilger LR Erl. zu § 126a; Pollähne R & P 2 0 0 2 2 2 9 ; ders. R & P 2 0 0 3 57.
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Vorbemerkungen zu den §§ 61 ff
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1. Allgemeine Problematik a) Gesetzgebung und Wirklichkeit. Der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform hat sich zwar sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, wie weit sichere Prognosen, insbesondere im System der Maßregeln, in Theorie und Praxis möglich sind (vgl. vor allem die eingehende Erörterung in Prot. IV 881 ff). Dennoch spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber den Stand und die künftigen Einsichten der Prognoseforschung überschätzt hat und damit zugleich auch die Möglichkeit, eine solche Prognose, namentlich im Hinblick auf die oft äußerst subtilen Unterscheidungen des Gesetzes, im Einzelfall mit hinreichender Sicherheit zu erstellen.77 Jedenfalls steht das Bild, das sich insoweit aus dem Fachschrifttum ergibt, bis heute in auffälliger Diskrepanz zu den gesetzgeberischen Erwartungen und Normierungen. Das spiegelt sich mittlerweile in zahlreichen kritischen Äußerungen wider und ist speziell im Maßregelrecht Grund für ein zunehmendes Unbehagen, das bis hin zu Zweifeln an seiner Legitimationsgrundlage geht (vgl. nur Kaiser Krise, S. 17 ff m. Nachw.) und in zunehmendem Maße zu Bemühungen führt, das Prognoseproblem de lege lata oder de lege ferenda mehr normativ als empirisch zu lösen. 78
144
Zudem herrscht in der strafrechtlichen Praxis ersichtlich eine beträchtliche Unsicherheit, wenn nicht Unklarheit über die Voraussetzungen und die Grenzen einer exakten Kriminalprognose, über die sich der Jurist zuverlässig auch nicht leicht orientieren kann. Trotz beträchtlicher Anstrengungen bei der Ausbildung von forensischen Sachverständigen 79 in den letzten 15 Jahren fehlen in der Praxis noch immer genügend qualifizierte Sachverständige, zumal seit dem SexualdelikteBekG (1998) durch § 454 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO der Gutachtenbedarf sprunghaft gestiegen ist. b) Wissenschaftliche Aspekte. Individuelle Kriminalprognosen sind Wahrscheinlichkeitsaussagen über das künftige Legalverhalten von Personen. Hierbei wird auf der Grundlage dessen, was aus der bisherigen Entwicklung eines bestimmten Täters bekannt ist, eine Einschätzung abgeleitet, wie sich der Betreffende in Zukunft voraussichtlich verhalten wird, insbesondere ob von ihm weitere Straftaten zu erwarten sind. 80 Prognosen sind immer nur Wahrscheinlichkeitsaussagen,81 es gibt also prinzipiell keine sicheren Prognosen und damit keine einfachen Ja/Nein-Antworten. Die seit 1998 in § 454 Abs. 2 Satz 2 StPO verlangte Aussage, dass „keine Gefahr" bezüglich der „durch die Tat zutage getretenen Gefährlichkeit mehr besteht", 82 ist daher zumindest missverständlich und kann nur i.S. der materiellen Aussetzungskriterien interpretiert werden, die abschließend in § 57 I Nr. 2 und in § 67d Abs. 2 festgelegt sind 83 und die sich mit der Verantwortbarkeit des Risikos bzw. mit der Erwartung begnügen, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Der Begriff der Gefahr schließt
77 78
79
S. auch Böllinger/Pollähne NK S 61 Rdn. 3. So insbes. Frisch Prognoseentscheidungen im Strafrecht (dazu eingehend Bock NStZ 1990 4 5 7 ff) sowie ders. R & P 1992 110; s. auch Kögler, der sich gegen die zeitliche Unbestimmtheit bei freiheitsentziehenden Sanktionen wendet, oder Krainz MschrKrim. 1984 297, der für die Mehrzahl der heutigen Prognosefälle eine Entscheidung im Wege gesetzlich geregelter Beweiswürdigung fordert. Vor einigen Jahren hat die Fachgesellschaft DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychia-
80
81 82 83
trie, Psychotherapie und Neurologie) die Zertifizierung in Forensicher Psychiatrie eingeführt, vgl. Saß Der Nervenarzt 2 0 0 0 763 ff; Kröber/Müller-Isberner/Nedopil/Saß Der Nervenarzt 2 0 0 1 973 f. Göppinger Kriminologie 5 , S. 191; Meier § 7 Rdn. 1. Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 537, 539. Kritisch dazu Schöch N J W 1998 1258 f. Meyer/Goßner § 4 5 4 Rdn. 37; Schöch N J W 1998 1259; Hammerschlag/Schwarz NStZ 1998 321; Rosenau StV 1 9 9 9 396.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
die Abstufung nach Wahrscheinlichkeitsgraden nicht aus. Die §§ 57 I, 67d II schließen also auch in den 1998 geänderten Formulierungen ein vertretbares Restrisiko ein. 84 146
Das Bemühen, die vorhandenen wissenschaftlichen Einsichten über das künftige kriminelle Verhalten eines Menschen nutzbar zu machen, wird dadurch erschwert, dass die Kriminologie und ihre Bezugswissenschaften nicht nur (oder nicht so sehr) an der individuellen Prognose interessiert sind, sondern primär an der Herausarbeitung allgemeiner Erklärungen und Gesetzmäßigkeiten über kriminelles Verhalten oder die Strategien der Polizei, der Justiz oder der sozialen Dienste. Von Teilen der kritischen Kriminalsoziologie wurde die Individualprognose sogar als wissenschaftlich unhaltbare Bekräftigung der Andersartigkeit und Behandlungsbedürftigkeit von Straffälligen abgelehnt. Dies alles hat dazu geführt, dass die wissenschaftliche Kriminalprognostik - einst die Krönung der Kriminologie (Glueck, S./Glueck, E. Predicting Delinquency and Crime, 1959, S. 150) - seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in den kriminologischen Forschungseinrichtungen etwas verkümmert ist und wissenschaftlich wie praktisch hauptsächlich von der Forensischen Psychiatrie und Psychologie bestritten wurde.85 Lediglich die von GöppingerS6 entwickelte und von Bock87 weitergeführte Methode der idealtypisch-vergleichenden Einzelfallanalyse stellt noch einen wichtigen Beitrag aus der multifaktoriell orientierten interdisziplinären Kriminologie dar.
147
Über allen Meinungsstreit hinweg besteht in der Kriminologie, insbesondere aufgrund empirischer Untersuchungen, eine gewisse praktische Verständigung über typische prognoserelevante Faktoren, die für die Vorhersage künftigen kriminellen Verhaltens Bedeutung besitzen (dazu Rdn. 149 ff). Der Richter wird daher vor allem auf diese Faktoren bzw. auf ihre Würdigung durch den Sachverständigen achten müssen.88 Hingegen darf er sich nicht auf eindimensionale Ansätze zurückziehen oder dem Sachverständigen einen solchen Rückzug gestatten, also auf Ansätze, die die Kriminalität lediglich aus einer theoretischen Perspektive (sie sei biologisch, anthropologisch, psychiatrisch, psychologisch, sozialpsychologisch, soziologisch oder wie auch immer) zu erklären versuchen und auf dieser Grundlage künftiges kriminelles Verhalten prognostizieren. Denn keiner dieser Ansätze hat bisher eine Anerkennung oder Überzeugungskraft erlangt, die den Richter dazu berechtigen könnte, die mit jedem derartigen Ansatz verbundene Verkürzung der Beurteilungsfaktoren hinzunehmen.89
148
Zu beachten hat der Richter weiter, dass schon nach dem Menschenbild des Grundgesetzes die menschliche Person als eine freie, der Entfaltung zugängliche Persönlichkeit verstanden wird, nicht aber ein für alle Zeit Gegebenes darstellt. Der Hinweis Mannheims (S. 69), dass in der modernen Psychologie die „dynamische Interpretation der Gesamtpersönlichkeit", die Auffassung von der „Person als Prozeß", die „situativ-dynamische Sicht der Persönlichkeit" vorherrschend sei, und dass daher die Reaktionen des Betroffenen auf kriminogene Umwelteinflüsse zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Situationen nicht die gleichen zu sein brauchen, entspricht insoweit der Wertung
84
85 86
Vgl. BVerfGE 70 313; BVerfG NJW 1998 2 2 0 2 ; KG NJW 1 9 9 9 1797; OLG Hamm N J W 1 9 9 9 2 4 5 3 ; OLG Köln StV 2001 30; Fischer § 5 7 Rdn. 13; § 67d Rn. 6; Lackner/ Kühl § 5 7 Rdn. 7 f. Kritisch dazu Bock StV 2 0 0 7 269, 271, 273. Göppinger Angewandte Kriminologie (1985); ders. Kriminologie 5 , S. 328 ff.
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88
89
Bock Kriminologie 3 , S. 103 ff; neuerdings sog. MIVEA, vgl. Bock ZJJ 2 0 0 6 2 8 2 ff. Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 537 „Überprüfung des Vorhandenseins empirisch gesicherter kriminologischer und psychiatrischer Risikovariablen". So auch Rasch/Konrad S. 393.
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Vorbemerkungen zu den §§ 61 ff
auch der Rechtsordnung (vgl. auch Schmidhäuser Rdn. 48).
AT 2 19/17; Horstkotte
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LK 1 0 § 67c
2. Für die Prognose erhebliche Faktoren (Überblick). Für die Prognose wichtige Gesichtspunkte sind (bezogen auf die Frage einer ungünstigen Prognose) insbesondere: 90 Gestörte Familienverhältnisse in der Herkunftsfamilie, insbesondere Multiproblemfamilie, Gewalt, Kriminalität, Alkoholismus oder soziale Auffälligkeit; mehrfacher Wechsel der Haupterziehungspersonen; Erziehungsschwierigkeiten; Verwahrlosung; psychopathologische Störungen und Auffälligkeiten; schulische Störungen (Schwänzen, Sitzenbleiben, Abbruch); abgebrochene Berufsausbildung; unregelmäßige oder fehlende Berufstätigkeit; unstrukturierte, planlose Freizeitgestaltung; exzessives Freizeitverhalten zu Lasten des Leistungsbereichs; Alkohol- oder Drogenmissbrauch; Frühkriminalität, bei Gewalttätern vor allem frühere Gewaltanwendung; Zahl und Art der Vorstrafen sowie kurze Rückfallintervalle.
149
Neben diesen statischen (in der Vergangenheit liegenden und nicht mehr veränderbaren) Risikofaktoren, die in den Prognoseinstrumenten dominieren, gibt es dynamische Risikofaktoren, 91 die während der Unterbringung hinzukommen können, wie z.B. risikoträchtige Reaktionsmuster, dissoziales Verhalten, Streitsucht mit Mitpatienten, geringe soziale Kompetenz, inkonstantes Sozialverhalten, Aggressivität, Machtstreben, hohe subkulturelle Rolle, keine Teilnahme an Therapie, starke emotionale Reaktion auf Kritik, Alkohol- oder Drogenmissbrauch, unrealistische Zukunftsplanung oder fehlende Compliance. Diese Differenzierung ist wichtig für die in Prognosegutachten notwendigen Verflechtungen von Vorhersage künftiger Delinquenz und deren Beeinflussbarkeit durch Therapie. 92
150
Problematisch ist die prognostische Relevanz des Verhaltens im Straf- oder MaßregelVollzug. Während in der Praxis dem Vollzugsverhalten oft große Bedeutung beigemessen wird, gibt es in der Literatur auch viele kritische Stimmen.93 Zu warnen ist insbesondere vor einer Überbewertung eines angepassten Vollzugsverhaltens, wenn wenig andere Informationen über den Probanden vorliegen.94 Die Problematik hat sich durch Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 66b) verschärft, da hier „ergänzend" die „Entwicklung während des Strafvollzugs" (§ 66b Abs. 1) bzw. - bei den Erledigungen gemäß § 67d Abs. 6 - die „Entwicklung während des Vollzugs der Maßregel" (§ 66b Abs. 3 Nr. 2) zu berücksichtigen sind.
151
Unstreitig ist, dass sowohl im Strafvollzug als auch im Maßregelvollzug den Erprobungen bei Vollzugslockerungen oder Urlaub größte Bedeutung zukommt, bei erfolgreichen für eine positive Prognose, bei Lockerungsmissbrauch für eine - jedenfalls vorübergehende - negative Prognose. Ein langfristig unbefristet Untergebrachter kann praktisch nur auf diesem Weg unter Beweis stellen, dass trotz der Gefährlichkeitsprognose bei Einweisung nunmehr zu erwarten ist, dass er „außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird" (§ 67d Abs. 2). Mit Recht weist Müller-Dietz (NJW 1973 1068) darauf hin, dass die Bedeutung des Verhaltens im Freiheitsentzug auch von
152
90
Vgl. nur die Darstellungen bei Rasch/Konrad S. 3 8 9 f; Kaiser/Schöch Rdn. 3 8 ; Nedopil Forensische Psychiatrie 3 , S. 2 9 4 f.
91
Vgl. zu dieser Unterscheidung Nedopil Forensische Psychiatrie 3 , S. 2 8 8 . Nedopil Forensische Psychiatrie 3 , S. 2 8 8 ;
92
93
Überblick bei Müller-Dietz N J W 1 9 7 3 1 0 6 7 ; eingehend im Hinblick auf die sog. Entlassungsprognose Horstkotte L K 1 0 § 6 7 c Rdn. 5 7 ff; vgl. auch Göppinger S. 4 3 7 ff.
94
Vgl. Kröber Kriminalprognostische Begutachtung, S. 157.
Seifert Gefährlichkeitsprognosen S. 7 5 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
den Lebensbedingungen im Vollzug und nicht zuletzt von der Chance des Gefangenen abhängt, Test- und Bewährungssituationen überhaupt ausgesetzt zu werden und dass hier nach Möglichkeit einem „Teufelskreis" entgegenzusteuern ist, dem gerade der Langzeitgefangene oder -untergebrachte ausgesetzt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Menschenwürde und das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot (Art. 1 I, 2 I GG) dem Entzug der persönlichen Freiheit Grenzen setzen (BVerfGE 45 187, 245; 64 261, 272; 70 279, 313). Deshalb dürfe die Vollzugsbehörde nicht ohne hinreichenden Grund - etwa nur unter Hinweis auf eine abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr - jene Vollzugslockerungen verweigern, die regelmäßig einer Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe vorausgehen (BVerfG NStZ 1998 373) oder die Erledigung der Maßregel vorbereiten können (BVerfGE 109 133, 166). Es hat die Strafvollstreckungskammern ermahnt, in solchen Fällen den Vollzugsbehörden unter Ausschöpfung aller prozessualen Möglichkeiten deutlich zu machen, dass Vollzugslockerungen geboten sind. Immerhin haben bereits einige Oberlandesgerichte erkennen lassen, dass in solchen Fällen u.U. sogar ein Anspruch auf Gewährung von Vollzugslockerungen besteht, weil sich das Ermessen der Vollzugsbehörde auf Null reduzieren kann. 95 153
Im Übrigen hat im psychiatrischen Maßregelvollzug das - in der Regel sorgfältig dokumentierte - Verhalten der Untergebrachten größere Bedeutung als die oft sehr formalen oder lückenhaften Befunde aus der Gefangenenpersonalakte oder den Strafvollstreckungsakten der Staatsanwaltschaft. In der „Integrierten Liste der Risikovariablen" von Nedopil96 finden sich - in Übereinstimmung mit internationalen Erfahrungen unter den insgesamt 29 Risikovariablen 7 sog. klinische Variablen, die auf die postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung während der Unterbringung bezogen sind (z.B. Krankheitseinsicht und Therapiemotivation, selbstkritischer Umgang mit bisheriger Delinquenz, Entwicklung von Coping-Mechanismen oder Widerstand gegen Folgeschäden durch Institutionalisierung).
154
Das Verhalten im Strafvollzug ist in der Regel stärker reglementiert und bietet dem Gefangenen weniger Spielräume für individuelle Gestaltung. Gleichwohl werden in neueren Prognoseverfahren auch Kriterien aus dem Vollzugsverhalten - jedenfalls bei längerer Vollzugsdauer herangezogen.97 Die früher teilweise übertriebene Skepsis bezüglich einer Scheinanpassung im Vollzug hat insoweit einer realistischeren Einschätzung Platz gemacht. Die durchgehaltene Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt (§ 9 StVollzG),98 das Sozialverhalten in der Anstalt, Tatreue und Auseinandersetzung mit der Straftat oder realistische Zukunftsplanung sind durchaus Faktoren, 99 die zu einer günstigen Entlassungsprognose führen können. Auch das Arbeitsverhalten, die Freizeitgestaltung, Art und Umfang der Kontakte sowie die eigenen Beiträge zur Entlassungsvorbereitung sind prognostisch bedeutsam.100
155
Aber diese Merkmale greifen in der Regel nur, wenn es darum geht, eine günstige Prognose zu erstellen, die eine - u.U. vorzeitige - Entlassung legitimiert. Ihr Gegenteil oder das Fehlen einer positiven Vollzugsentwicklung hat sicherlich Bedeutung für die
95
96 97
OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.2.2000 WS 60/00, 130 VRs 18850/78 StA Traunstein, sowie die zugrundeliegende OLG-Entscheidung im Beschluss des BVerfG vom 6.6.2001 - 2 BvR 828/01. Nedopil Forensische Psychiatrie3, S. 294. Göppinger Kriminologie5, S. 437 ff.
260
98
99
100
Verfehlt insoweit KG NJW 1972 2228; 1973 1420; kritisch dazu Müller-Dietz NJW 1973 1065; Sonnen JuS 1976 364. Vgl. Nedopil Forensische Psychiatrie3, S. 294. Göppinger Kriminologie5, S. 437 ff.
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Vollverbüßung einer schuldangemessenen Strafe sowie für die Aufrechterhaltung einer bereits angeordneten Maßregel der Besserung und Sicherung, bei der die Gefährlichkeit schon im Ausgangsurteil festgestellt worden war. Es ist aber etwas grundlegend anderes, wenn die Gefährlichkeit - wie neuerdings bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung erst unter ergänzender Heranziehung des Vollzugsverhaltens begründet werden muss, obwohl sie bei der Urteilsprognose noch nicht festgestellt werden konnte. Hierfür sind die genannten Kriterien - jedenfalls bei Delikten mit geringer Rückfallbasisrate (insbesondere Tötungsdelikte) - nicht valide genug. Der Gesetzgeber hatte gute Gründe, Änderungen im Vollzugsverlauf bis zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nur zugunsten des Verurteilten bei der Aussetzung des Straf- und Maßregelvollzugs zu berücksichtigen (z.B. in den §§ 67c, 67d Abs. 2), nicht dagegen zu seinen Ungunsten neue Sanktionen daran zu knüpfen. Soweit in § 66b Abs. 1, 2 und 3 Nr. 2 für die nachträgliche Sicherungsverwahrung „ergänzend" auf die „Entwicklung während des Strafvollzugs" bzw. „während des Vollzugs der Maßregel" abgestellt wird, um die „hohe Wahrscheinlichkeit erheblicher Straftaten" nach der Entlassung zu begründen, müssen daher eindeutige neue Gefährlichkeitsindikatoren hinzukommen, wie z.B. neue Straftaten im Vollzug, die nicht für eine Sicherungsverwahrung gemäß § 66 ausreichen, ernstzunehmende Bedrohungen von Vollzugsbediensteten oder früheren Opfern, Ankündigung neuer Straftaten oder massive Lockerungsmissbräuche (vgl. Rissing-van Saan/Peglau LK § 66b Rdn. 68 m.w.N.). Therapieverweigerung oder Therapieabbruch können vielfältige Gründe in der Person des Verurteilten oder des Therapeuten haben und indizieren eine zusätzliche Gefahrerhöhung in aller Regel nicht. Als neue Tatsachen i.S. des § 66b dürfen sie ohnehin nur behandelt werden, wenn das erkennende Gericht davon ausging, dass bei dem Verurteilten Therapiebereitschaft und -fähigkeit besteht (BGHSt 50 121, 130; BGH N J W 2 0 0 6 3154 f; Rissing-van Saan/Peglau LK § 66b Rdn. 107 m.w.N.). Mit Recht hatte das Bundesverfassungsgericht vor einer Übergewichtung der Verweigerung von Resozialisierungs- und Therapiemaßnahmen bei der Gefährlichkeitsprognose gewarnt, wie sie der Wortlaut der (verfassungswidrigen) Straftäterunterbringungsgesetze der Länder Bayern und SachsenAnhalt vorsah, da andernfalls die Unterbringung zu einer unverhältnismäßigen Sanktion für fehlendes Wohlverhalten im Vollzug würde (BVerfGE 109 190, 241).
156
Nach einer stationären Unterbringung kommt in der Regel dem sozialen Empfangsräum große Bedeutung für die Entlassungsprognose zu. 101 Hier geht es um das Vorhandensein und die Qualität des künftigen Wohn- und Arbeitsbereiches, der sozialen Kontakte (incl. aber nicht ausschließlich Lebenspartner/in), Freizeitgestaltung, offizielle Kontrollmöglichkeiten und Kontakte zu Fachdiensten (Bewährungshilfe, Führungsaufsicht, Therapeut, forensische Ambulanz) einerseits, Verfügbarkeit von Opfern, Zugangsmöglichkeit zu Risiken und potentielle Stressoren andererseits. Der soziale Empfangsraum ist in der Regel bei einem Maßregelvollzugspatienten besser bekannt, stabiler und stärker auf eine nachgehende und aufsuchende Betreuung ausgerichtet (z.B. betreutes Wohnen, Werkstätte für Behinderte) als bei entlassenen Strafgefangenen (Kröber Kriminalprognostische Begutachtung, S. 155).
157
Einen Fortschritt stellt schließlich die Einbeziehung protektiver Faktoren dar, also Schutzfaktoren gegen Kriminalität, wie sie z.B. Lösel/Bender bezüglich dissozialer Ein-
158
101
Nedopil Forensische Psychiatrie 3 , S. 294; Kröber Kriminalprognostische Begutach-
tung, S. 155; Seifert Gefährlichkeitsprognosen S. 102 ff., 151.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
fliisse bei Kindern und Jugendlichen herausgearbeitet haben. 1 0 2 Merkmale wie emotionale Stabilität, Flexibilität oder Anpassungsfähigkeit sind auch bei der Resozialisierung Erwachsener wichtig. Hinzu kommen intellektuelle Fähigkeiten, realistische Zukunftsplanung und Einschätzung der eigenen Möglichkeiten, Fähigkeit zu Empathie und zur Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen 103 sowie eine stabile Partnerbeziehung.104 Bedeutsame protektive Faktoren finden sich schließlich in Göppingen Prognoseinstrumentarium bei den Dimensionen Wertorientierung, Relevanzbezüge und kriminoresistente D-Kriterien, also z.B. adäquates Anspruchsniveau, Arbeitseinsatz, produktive Freizeitgestaltung oder Engagement für personale und Sachinteressen. 105 Ein protektiver Faktor kann auch das zunehmende Alter sein, da - auch bei wiederholt rückfälligen Straftätern - jenseits des 30. Lebensjahres kriminelle Karrieren oft überraschend abbrechen. 1 0 6 Selbst bei Gewalt- und Sexualdelikten ist etwa ab dem 50. Lebensjahr eine deutliche Reduzierung des Rückfallrisikos anzunehmen. 107 159
Diese protektiven Faktoren stellen oft auch wichtige Anknüpfungspunkte für therapeutische Interventionen dar und fördern daher die dringend notwendige Verflechtung von Prognosen, Sanktionen und Therapie. 108 Anzustreben ist also eine Behandlungsbzw. Interventionsprognose109 Denn im Rahmen der Prognose für die Strafrechtspraxis muss stets auch die voraussichtliche Wirkung möglicher Sanktionen, Therapieangebote, Weisungen oder Auflagen für den Täter beleuchtet werden (Böllinger/Pollähne NK § 61 Rdn. 67). Die Beurteilung der Prognose psychisch kranker Rechtsbrecher (§§ 20, 21, 63) ist naturgemäß entscheidend von den spezifisch psychiatrischen Einsichten über Bedeutung, Ursache und Behandlungsmöglichkeiten der Störungen abhängig. 110
160
Bei allen genannten Merkmalen ist zu beachten, dass sie nur eine statistische Wahrscheinlichkeit in Bezug auf künftige Straffälligkeit indizieren. Sie führen - in der Regel anhand sog. Kriterienkataloge 111 und der sog. Basisraten für einzelne Deliktsbereiche 112 zur Einordnung des Probanden in eine Risikogruppe. Auf dieser Grundlage ist dann unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten, der protektiven Faktoren und der Interventionsmöglichkeiten im Wege ganzheitlicher Einzelfallbeurteilung die konkrete Individualprognose zu erstellen. 113
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Lösel/Bender Protective Factors and Resilience, in Farrington, DP., Croid, J. (Hrsg.) Prevention of adult antisocial Behaviour (1999). Nedopil Forensische Psychiatrie 3 , S. 2 9 4 f m.w.N. Skepsis ist aber bei den erst während der Unterbringung geschlossenen Bekanntschaften oder Ehen geboten, die erst seit kurzer Zeit bestehen. Göppinger Kriminologie 5 , S. 3 9 7 ff, 4 0 5 ff. Vgl. Stelly/Thomas/Kerner/Weitekamp MschrKrim. 1998 104 ff; Schöch FS G. Kaiser (1998), S. 1239, 1250 f.; Kaiser/Schöch Rdn. 33 mit Hinweisen zu möglichen Erklärungen. Nedopil Prognosen in der Forensischen Psychiatrie, S. 129. Vgl. Nedopil Forensische Psychiatrie 3 , S. 2 9 5 f.
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Göppinger Kriminologie 5 , S. 447. Dazu zusammenfassend und weiterführend z.B. Göppinger S. 2 2 2 ff; Langelüddeke/ Bresser S. 95 ff; Rasch/Konrad S. 212 ff; Beiträge in Venzlaff (Hrsg.), Psychiatrische Begutachtung, 1986, S. 173 ff; Böker/Häfner Gewalttaten Geistesgestörter (1973), mit umfassender Übersicht der Daten zu diesem Komplex; speziell zur - immer wieder überschätzten - weiteren Gefährlichkeit schizophrener Gewalttäter auch Venzlaff FS Wassermann, S. 1079. Übersicht bei Nedopil Forensische Psychiatrie 3 , S. 2 9 2 f. Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 543 f; statistische Angaben bei Nedopil Forensische Psychiatrie 3 , S. 291; dazu Schöch Kriminalprognose (2007), S. 365 ff). Hierbei wird ein hypothesengeleitetes Vorgehen (Nedopil Forensische Psychiatrie 3 ,
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Vorbemerkungen zu den §§ 61 ff
Vor § 61
3. Entwicklung und Methoden der Prognoseforschung. In der Kriminologie werden verschiedene Prognosemethoden unterschieden, die zugleich auch die Entwicklung der Prognoseforschung und ihren heutigen Stand charakterisieren, also für das Verständnis des Gesamtkomplexes bedeutsam sind. 114
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a) Die intuitive Prognose ist die in der Strafrechtspraxis in weniger komplizierten Fällen übliche Einschätzung des Täters und der Sanktionswirkungen durch Personen, die hierfür keine psychiatrische oder psychologische Ausbildung besitzen (z.B. Richter, Staatsanwälte, Vollzugsbedienstete). Sie beruht auf der mehr oder weniger subjektiven, gefühlsmäßigen (intuitiven) Einschätzung des Beurteilers, die durch dessen Menschenkenntnis und Berufserfahrung geprägt wird. Sie genügt daher nicht den wissenschaftlichen Postulaten systematischer Erkenntnisgewinnung und objektivierbarer Beurteilungskriterien, zumal nicht auszuschließen ist, dass „Alltagstheorien" oder die eigene Werthierarchie des Beurteilers den Ausschlag geben (Göppinger Kriminologie 5 , S. 193). Es handelt sich also im Grunde nicht um eine wissenschaftliche Methode, sondern um ein Behelfsverfahren, das jedoch in der Praxis unentbehrlich und am weitesten verbreitet ist, da die Heranziehung spezieller Sachverständiger in der Mehrzahl der Fälle zu zeitraubend und kostenaufwendig wäre. 115 Allerdings dürfte bei Richtern, Staatsanwälten, Vollzugsbeamten sowie Gerichts- und Bewährungshelfern mit längerer Berufserfahrung eine intuitive Aneignung der Prognosekriterien erfolgen, die in der klinischen und statistischen Prognoseforschung entwickelt wurden. So werden bei der intuitiven Prognose vor allem auch die strafrechtliche Vorbelastung des Täters, seine Sozialisationsbiographie, das Arbeitsverhalten, das Bestehen sozialer Bindungen und Hinweise auf das Vorliegen einer Suchtproblematik berücksichtigt. 116 Obwohl diese „geronnene Erfahrung" (Kaiser § 88 Rn. 4) zu beachtlicher Treffsicherheit führen kann, ist bei der Mehrzahl der intuitiven Prognosen das Fehlerrisiko am größten. 117 Der Hinweis des KG (NJW 1972 2 2 2 8 f), dass nach den bisherigen Erfahrungen andere Methoden nicht überlegen seien, ist falsch. Die Fehleinschätzungen wirken sich überwiegend zu Lasten von Vorbestraften und sozial auffälligen Straftätern aus, weil die selektive Wahrnehmung tendenziell zu einer Überbewertung der strafrechtlichen Vorbelastung und anderer Negativmerkmale führt (Meier § 7, Rn. 39).
162
b) Die statistische Prognose beruht auf der Annahme, dass die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten umso größer ist, je mehr kriminogene Merkmale (Prädiktoren) bei einer Person vorliegen. Bei ihr kommt das der Prognose zugrunde liegende Prinzip, nämlich die praktische Anwendung der Ergebnisse der Ursachenforschung, am deutlichsten zum Ausdruck. Prognose ist die Transformation der kriminalitätserklärenden „Theorie" (hier meist multifaktorielle Konzepte) auf die Vorhersage künftigen Legalverhaltens.
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Die statistischen Prognoseverfahren - sog. Prognosetafeln - beruhen auf folgenden Konstruktionsprinzipien:
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Als kriminogene Merkmale werden zunächst solche Merkmale ermittelt, die bei Vergleichsuntersuchungen von Rückfälligen und Nichtrückfälligen (nach einer bestimmten
S. 296) bzw. die Generierung an einer „individuellen Theorie" (Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 5 4 3 f in Anlehnung an Dahle Grundlagen und Methoden der Kriminalprognose, S. 55) empfohlen; kritisch dazu Bock StV 2 0 0 7 269, 273.
S. Schreiber/Rosenau S. 90 f; Kaiser/Scböcb Fall 6 Rdn. 7 ff; Dessecker S. 192 ff. 115 Kaiser § 88 Rdn. 4; Meier § 7, Rn. 34. 116 Göppinger Kriminologie 5 , S. 193 f; Kaiser § 88 Rdn. 4. 117 Vgl. Göppinger Kriminologie 5 , S. 193 f. 114
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Sanktion) oder von Straffälligen und Nichtstraffälligen (so nur bei den Prognosetafeln von Sheldon und Eleanor Glueck)118 besonders hoch mit Rückfall bzw. Straffälligkeit korrelieren, also bei der Gruppe der Rückfälligen oder Straffälligen überdurchschnittlich häufig vorliegen. Für diese Merkmale werden „Schlechtpunkte" vergeben, während „Gutpunkte" für prognostisch günstige Merkmale meist nicht berücksichtigt werden. 119 Im zweiten Schritt wird für jeden einzelnen Probanden der Erhebungsstichproben festgestellt, wie viele Merkmale und damit Schlechtpunkte bei ihm vorliegen. Im dritten Schritt wird der Anteil der Rückfälligen (bzw. Straffälligen) bei einer bestimmten Punktzahl oder Punktzahlklasse ermittelt (z.B. bei Meyer Entlassungsprognose: für 3 - 6 Punkte 58 % Rückfällige, 9 und mehr Punkte 100 % Rückfällige). 120 Diese Quoten werden in der Prognosetafel als Maß für die Rückfallwahrscheinlichkeit zugrunde gelegt (Beispiele bei Schöch Kriminalprognose [2007], S. 372 ff). 165
Bei der Anwendung solcher Prognosetafeln, die durch Feststellung der Merkmale und Aufaddierung der Punktwerte erfolgt, ist deshalb genau genommen keine individuelle, sondern nur eine gruppenbezogene Aussage möglich, z.B.: „Der Proband gehört zu einer Gruppe, deren Rückfallwahrscheinlichkeit 58 % beträgt." Obwohl eine einzelne Person nur rückfällig oder nicht rückfällig werden kann, ist es legitim und in der mathematischen Statistik üblich, für das einzelne Mitglied einer solchen Gruppe zu sagen, dass seine Rückfallwahrscheinlichkeit z.B. 58 % beträgt. Die statistischen Prognoseverfahren werden danach unterschieden, auf welche Weise (Gewichtung) die ermittelten kriminogenen Merkmale in den Tafeln verarbeitet werden. Insoweit haben sich drei Varianten der statistischen Prognose entwickelt.
166
Bei den frühen einfachen Punkteverfahren erhielt jedes Merkmal einen Punkt, sämtliche Faktoren wurden also als gleichwertig behandelt. Da Gewicht und Intensität der einzelnen Merkmale keine Berücksichtigung fanden, mussten hier i.d.R. mehr Merkmale als bei den Punktwertverfahren beachtet werden, um zu klaren Ergebnissen zu kommen. 1 2 1
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In anderen Prognosetafeln hingegen, den sog. Punktwertverfahren wurden die einzelnen Merkmale nicht gleichwertig behandelt, sondern nach der Stärke ihrer Korrelation mit dem Rückfall gewichtet. Die Gluecks legten dabei die Prozentzahlen der Straffälligen für jedes Merkmal zugrunde, 1 2 2 während Mannheim/Wilkins (1955) umgerechnete Korrelationskoeffizienten verwendeten, 123 die den exakten statistischen Zusammenhang zwischen biographischen Merkmalen und Rückfälligkeit widerspiegeln. Eine zusätzliche Bewertung nach der Intensität der Merkmalsausprägung sah Frey für seine 8 (bzw. 10) Prognosemerkmale vor, doch erfolgte bei ihm eine intuitive Gewichtung, bei der es dem Anwender anheim gestellt wurde, wie stark er einen einzelnen Faktor gewichten wollte. 124 Demzufolge war diese Methode mit den Unsicherheiten der intuitiven Prognose belastet.
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Vgl. den Überblick über verschiedene Prognosetafeln der Gluecks bei Schneider Die ausländische Forschung, S. 419 ff. Ausführliche Beschreibung der hier erwähnten Prognosetafeln bei Mey S. 514 ff; Schneider Prognostische Beurteilung, S. 414 ff; weitere Nachweise bei Eisenberg § 21 Rn. 20 ff; Schöch Kriminalprognose, 2007, S. 372 ff. Zitiert nach Mey S. 529.
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121
Z.B. Meyer: 19 Faktoren für die Urteils- und 21 für die Entlassungsprognose; Klapdor: 17 bzw. 23; dagegen Glueck/Glueck: 3-5; Mannheim/Wilkins: 7 Merkmale. 122 v g i . (J le Darstellung bei Schneider Die ausländische Forschung, S. 420 ff. 123 Vgl. Schneider Die ausländische Forschung, S. 461 ff. 124 S. dazu Mey S. 523 ff m.w.N.
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Vorbemerkungen zu den §§ 61 ff
Vor § 61
Eine dritte Gruppe statistischer Prognoseverfahren stellen schließlich die Strukturprognosetafeln dar. Diese beruhen auf ähnlichen Konstruktionsprinzipien wie die Punktwertverfahren, doch berücksichtigen sie Wechselbeziehungen der einzelnen Prognosemerkmale untereinander in deutlich höherem M a ß e , indem die Merkmale nicht einfach addiert, sondern nach der Stärke ihres Zusammenhanges mit dem Erfolgskriterium hintereinander geschaltet werden. 1 2 5 Auf diese Weise ergeben sich verschiedene typenartige Merkmalskombinationen mit unterschiedlicher Rückfallwahrscheinlichkeit, die gewisse Differenzierungselemente der klinischen Prognose aufnehmen. Infolge der erheblichen Aufspaltung der Untersuchungspopulation durch Merkmalskombinationen sind für gute Tafeln sehr große Stichproben erforderlich. Vor allem wegen dieser Konstruktionsschwierigkeiten sind die Strukturprognosetafeln über erste Ansätze noch nicht hinausgekommen und den herkömmlichen statistischen Verfahren bisher kaum überlegen. 1 2 6
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Die wichtigsten Einwände gegen die statistische Methode lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Prognosetafeln können veralten, wenn sich die sozialen Rahmenbedingungen ändern, auf denen sie beruhen oder sie wesentliche neue Bedingungen noch nicht erfassen, wie das gegenwärtig bei vielen der über 4 0 Jahre alten Prognosetafeln der Fall ist. Im Hinblick auf die gruppenbezogenen Aussagen wird bemängelt, dass diese nicht einfach auf das zu beurteilende Individuum übertragbar seien (dazu aber Rdn. 165). Richtiger ist, dass die Methode zu überzeugenden Ergebnissen nur bei den Extremgruppen mit klarer Häufung der guten oder schlechten Merkmale führe, nicht jedoch beim breiten Mittelfeld, 1 2 7 dem die meisten Probanden angehören. Am wichtigsten ist der Einwand, dass sie mögliche Veränderungen in der Zukunft nur unvollkommen zu berücksichtigen vermögen. Ihre Aussagen gelten nur, solange keine wesentliche Änderung der Rahmenbedingungen erfolgt. Da die Prognosetafeln fast ausschließlich auf Merkmalen aus dem weiter zurückliegenden Vorleben des Probanden beruhen (z.B. Familienverhältnisse, Schul- und Lehrversagen, Arbeitsverhältnisse, Vorstrafen; sog. statische Risikofaktoren s. Rdn. 150), finden diejenigen Umstände kaum oder gar keine Berücksichtigung, die möglicherweise neue, entscheidende Gegengewichte oder Gefahrverstärker für die Zukunft bilden können (z.B. Heirat, nachträglicher Lehrabschluss einerseits, Alkoholismus, Spielleidenschaft andererseits; sog. dynamische Risikofaktoren). Z u Fehlprognosen kann es deshalb vor allem bei den dynamischen Veränderungen der Persönlichkeit und ihrer Umwelt im Entwicklungsalter kommen, ferner dann, wenn einzelne Prognosemerkmale ein besonderes persönlichkeitsspezifisches Gewicht haben, das auch von den Punktwertverfahren nicht ausreichend erfasst wird (z.B. Autoleidenschaft, wenn dem Probanden der Führerschein entzogen wurde). Noch gravierender erscheint aber in diesem Zusammenhang die Nichtbeachtung der voraussichtlichen Sanktionswirkung: Statistische Urteilsprognosen gehen im Grunde von der Fiktion aus, dass die folgende Sanktion die Rückfallwahrscheinlichkeit nicht ändere. Selbst bei den Entlassungsprognosen werden die Wirkungen des Strafvollzugs und das Verhalten der Probanden im Vollzug nur unzulänglich berücksichtigt (z.B. nur Schlechtpunkte für Disziplinarmaßnahmen, Ent-
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Beispiele bei Leferenz S. 1363 ff.; Kaiser § 88 Rdn. 13. Vgl. Göppinger Kriminologie5, S. 199; Eisenberg Kriminologie, § 21 Rdn. 33; ambivalent bezüglich Verbesserungsmöglichkeiten: Kaiser § 88 Rdn. 13. Näher zu den Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Methode und ihrer Grundlagen
z.B. Mannheim S. 86; Göppinger Kriminologie 5 , S. 199 f; Kaiser Kriminologie § 88 Rdn. 11; Kaiser/Schöch Rdn. 24 ff; Baur MDR 1990 478; Dahle Kriminalprognosen im Strafrecht, S. 128 f; s. auch Horstkotte LK 1 0 § 67c Rdn. 52; aA z.B. Middendorf ZStW 72 (1960) 117, der solchen Einwendungen entgegentritt.
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weichungen oder fehlende Reue bei Meyer und Klapdor). Derartige Defizite können bisher nur durch „intuitive Korrekturen", besser aber durch Kombination mit einer klinischen Prognose überwunden werden (Rdn. 170 f), bei der die postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung und der soziale Empfangsraum während oder nach einer Behandlung ebenso intensiv berücksichtigt werden wie die anamnestischen Daten und das Ausgangsdelikt (vgl. z.B. Nedopil Forensische Psychiatrie3, S. 294). 170
c) Die klinische Prognose - auch empirische Individualprognose genannt - wird von Psychiatern und Psychologen mit spezieller kriminologischer Erfahrung gestellt. Sie beruht auf einer Erforschung der Täterpersönlichkeit durch psychodiagnostische Testverfahren, Exploration (Kombination von Befragung und Beobachtung) und Untersuchung des Lebenslaufes, der Familienverhältnisse, des Arbeits- und Freizeitverhaltens sowie der bisherigen Delinquenz. Teilweise werden - entsprechend der neurologisch-psychiatrischen Vorgehensweise - bei besonderer Indikation 128 auch elektroencephalographische Untersuchungen (EEG) und weitere klinische Zusatzuntersuchungen durchgeführt,129 insbesondere bildgebende Verfahren wie Computertomografie (CCT) oder Kernspintomografie (NMR). 1 3 0 Die abschließende prognostische Gewichtung der Einzelbefunde setzt kriminologisches Bezugswissen und Erfahrung mit Straffälligen voraus, weshalb nur wenige Psychiater und Psychologen für die Kriminalprognose in Betracht kommen. Da gerade dieser letzte Schritt i.d.R. nicht vollkommen objektivierbar ist, sondern auf einer „verstehenden Erfassung und Beurteilung der Täterpersönlichkeit" (Leferenz S. 1375) beruht, hängt die Richtigkeit der klinischen Prognose oft entscheidend von der speziellen Erfahrung des Sachverständigen ab. Eine gewisse Schwäche der klinischen Prognoseverfahren liegt darin, dass deren Kriterien fast ausnahmslos anhand kriminologischer Sonder- und Extremgruppen, die nicht selten auch psychopathologische Auffälligkeiten zeigen, entwickelt wurden. Im großen Bereich der allgemeinen Kriminalität ergeben sich mithin oft nur ungewisse Vorhersagen, deren Verwertbarkeit und Verlässlichkeit im Mittelfeld ebenfalls beschränkt ist (vgl. Kaiser § 88 Rdn. 6). Trotz ihrer Nachteile gilt die klinische Prognose - v.a. auch aufgrund der dargestellten Grenzen der bisherigen statistischen Prognoseverfahren - in Literatur und Praxis als überlegen.131 Klinische Prognosegutachten können wegen der hohen Kosten und des erheblichen Zeitaufwandes allerdings nur in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen der Begutachtung (§§ 246a, 454 Abs. 2, 463 Abs. 3 S. 3, 4 StPO) sowie in seltenen Ausnahmefällen (z.B. vor Lockerungen nach längerem Freiheitsentzug) eingeholt werden.
171
d) Kombinationen von klinischer und statistischer Methode. In den letzten Jahren haben vor allem forensische Psychiater und Psychologen differenzierte Kriterienkataloge zu den Bereichen frühere Delinquenz, Persönlichkeitsentwicklung vor und nach der Straftat, Krankheitssymptomatik und Zukunftsperspektiven vorgelegt. Hierbei handelt es sich um eine Kombination von klinischer und statistischer Methode, da die Prognose auf der Grundlage objektivierbarer Kriterien erstellt wird. Diese können nicht nur die Arbeit des Gutachters unterstützen, sondern erleichtern es auch dem Richter, die auf dieser Grundlage erstellte Prognose nachzuvollziehen und zu bewerten.132 Hierzu zählen der
Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 543. Göppinger Kriminologie 5 , S. 194. 130 Nedopil Forensische Psychiatrie 3 , S. 339. 131 vgl. Leferenz S. 1365 ff; Göppinger Kriminologie 5 , S. 201. 128 129
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Nedopil Forensische Psychiatrie 3 , S. 2 9 4 ; Rasch/Konrad S. 3 9 6 ; vgl. auch BGH, Beschl. v. 6 . 1 2 . 2 0 0 7 - 3 StR 355/07: sofern es sich um ein für den jeweiligen Fall taugliches Prognoseinstrument handelt.
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von Müller-Isberner und Mitarbeitern für Deutschland adaptierte SVR-20 (Sexual Violence Risk), der ein Instrument zur Prognose von sexuellen Gewalttaten darstellt (MüllerIsberner S. 89 f.), sowie die von Nedopil entwickelte, auf den HCR-20 (Historical Clinical Risk) aufbauende „integrierte Liste der Risikofaktoren" (Nedopil Forensische Psychiatrie3, S. 294). Eine neuere Studie legt nahe, bei der Entlassungsprognose im Rahmen der §§ 63, 67d Abs. 2 die „klinischen Merkmale", welche die Entwicklung des Betroffenen im Laufe der Unterbringung erfassen, gegenüber den „historisch-statischen" Merkmalen (z.B. Vorstrafenbelastung) deutlich stärker zu gewichten (Seifert StV 2003 301 ff). e) Die Methode der idealtypisch vergleichenden Einzelfallanalyse. Als Sonderform der klinischen Prognose ist die von Göppinger entwickelte und von Bock unter der Bezeichnung MIVEA weitergeführte Methode der idealtypisch-vergleichenden Einzelfallanalyse anzusehen.133 Sie lässt sich als objektivierte klinische Prognose für nicht psychiatrisch oder psychologisch ausgebildete Personen kennzeichnen. Sie soll also insbesondere dem Juristen eine empirisch-kriminologisch und systematisch fundierte Erfassung durch Befragung des Probanden und Erstauswertung (Anamnese) sowie eine darauf basierende Diagnose und Prognose des kriminellen Verhaltens sowie Interventionsempfehlungen ermöglichen.134 Die Methode wurde mit den Ergebnissen der umfangreichsten deutschen multifaktoriellen Vergleichsstudie, der „Tübinger Jungtäter-Vergleichsuntersuchung" entwickelt (Göppinger Kriminologie5, S. 31 ff). Diagnose und Prognose bei der „Methode der idealtypisch-vergleichenden Einzelfallanalyse" beruhen auf der Erfassung und Analyse der kriminalitätsrelevanten Lebensbereiche Erziehung in Kindheit und Jugend, Aufenthaltsbereiche (Elternhaus, Pflegeeltern, Heim usw.), Leistungsbereiche (Schule, Ausbildung, Arbeit), Freizeit und selbstgewählter Kontaktbereich (Freunde, Bekannte) sowie Kriminalität und Delinquenz. Die Analyse erfolgt dann in drei Dimensionen, der sog. „kriminologischen Trias". In einem ersten Schritt der Sozial- und Verhaltensanalyse erfolgt der Vergleich des Lebenslängsschnittes des Probanden (Verhalten von der Kindheit bis zur Gegenwart) mit dem idealtypischen Verlauf bei einem wiederholt Straffälligen (kriminalitätstypisches Verhalten, sog. K-Verhalten) einerseits und dem bei einer Person aus der Durchschnittspopulation andererseits (D-Verhalten). Diese beiden „idealtypischen" Verhaltensweisen bilden die Grenzwerte, zwischen denen der zu begutachtende Einzelfall einzuordnen ist. Im zweiten Schritt, der „Lebensquerschnittsbetrachtung", wird der Zeitraum unmittelbar vor der letzten Tat auf das Vorliegen kriminorelevanter Kriterien überprüft (Göppinger Angewandte Kriminologie, S. 96 ff). In einem dritten Schritt wird die Analyse durch einen Blick auf die Relevanzbezüge des Probanden, d.h. auf die den Alltag bestimmenden und tief verwurzelten Charakteristika des Lebensstils, sowie auf die Wertorientierung abgerundet. Insgesamt handelt es sich also um ein recht anspruchsvolles und differenziertes Instrumentarium, dessen Schwerpunkt im diagnostischen Bereich, also bei der „Erfassung des individuellen Täters in seinen sozialen Bezügen" (Göppinger Angewandte Kriminologie, S. 75 ff) liegt, während die prognostische Umsetzung noch in der Entwicklung steckt. 135
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134
Göppinger Angewandte Kriminologie, S. 32 ff; Kriminologie5, S. 328 ff; Bock Kriminologie3, Rn. 293, 298 ff. Zum wissenschaftlichen Hintergrund eingehend Schneider, H. Grundlagen der Kriminalprognose, S. 80 ff.
135
Skeptisch auch Schneider, H. 1996, 16; Ansätze bei Göppinger Kriminologie5, S. 4 4 7 ff; Bock Kriminologie3, Rn. 549 ff.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Integration und Gewichtung der vielfältigen Befunde bleiben schwierig und setzen eine gewisse Erfahrung im Umgang mit straffälligen Menschen voraus. Obwohl Göppinger und einige seiner Schüler den prognostischen Einsatz schon seit den siebziger Jahren praktizieren, liegt bisher weder eine retrospektive noch eine prospektive Überprüfung der Ergebnisse vor. Trotz durchaus valider Prognosemerkmale kann daher von einer Überlegenheit dieser Methode gegenüber der derzeit dominierenden Kombination von statistischer und klinischer Prognose nicht gesprochen werden (aA offenbar Bock StV 2007 269, 271 ff). 173
4. Zusammenfassung und Konsequenzen. Beim gegenwärtigen Stand der Forschung dürfte nicht zu bezweifeln sein, dass die statistischen Prognosetafeln zwar wichtige Erfahrungen fixieren und darum bei der richterlichen Überzeugungsbildung anhand der Dokumentation des Sachverständigen zur Vorbereitung verwendet werden dürfen, jedoch niemals als alleinige Quelle.136 Hinzukommen muss vielmehr stets die individuelle Prüfung aufgrund der klinischen oder kriminologischen Erfahrung, die regelmäßig sogar im Vordergrund zu stehen hat.
174
Ein Ansatz zur Weiterentwicklung und Verbesserung ist die Herausarbeitung der logischen Struktur des prognostischen Schlusses.137 Wichtig ist dabei die Differenzierung von persönlichen Merkmalen des Täters einerseits und den (rechtlichen und tatsächlichen) Umständen, die in Zukunft seine Handlungen beeinflussen.138 Letztere sind offensichtlich variabel, woraus folgt, dass Prognosen „altern", also nur für einen gewissen Zeitraum Geltung beanspruchen können ( Volckart/Griinebaum S. 141). Standardisierte Instrumente zur Risikoeinschätzung (Kriterienkataloge) haben für den Einzelfall nur bedingte Relevanz. Sie tragen jedoch dazu bei, dass wichtige und besonders häufige Risikofaktoren nicht übersehen werden. 139 Eine solche Kriterienliste muss aber folgende methodische Mindestanforderungen erfüllen: Sie muss standardisiert sein, sie muss ein Manual zur Erläuterung des Vorgehens, der verwendeten Merkmale und der Auswertung enthalten, es müssen Daten zur Reliabilität und Validität des Instruments vorliegen und der Sachverständige muss darin ausgebildet sein, dieses Verfahren kompetent anzuwenden (Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2006 537, 542). Solche Prognoseinstrumente ersetzen die hermeneutische oder hypothesengeleitete Individualprognose nicht, helfen aber, empirisches Wissen für die Prognose nutzbar zu machen und die internationalen Prognosestandards einzuhalten.140
175
Sowohl der Gutachtenauftrag als auch die Stellungnahme des Sachverständigen sollten sich an folgenden Fragen orientieren (Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2006 537, 539): Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die zu begutachtende Person erneut Straftaten begehen wird? Welcher Art werden diese Straftaten sein, welche Häufigkeit und welchen Schweregrad werden Sie haben? Mit welchen Maßnahmen kann das Risiko zukünftiger Straftaten beherrscht oder verringert werden?
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Eine Kombination der verschiedenen Methoden zur Absicherung der Ergebnisse fordern u.a. auch Dahle Kriminalprognosen im Strafrecht, S. 126 f; Endres S. 78. Volckart/Griinebaum S. 140 ff; Volckart RôcP 2 0 0 2 105.
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Volckart/Grünebaum S. 140 f sprechen von Prädiktoren erster und zweiter Klasse. Nedopil Forensische Psychiatrie 3 , S. 301; Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 537, 542. Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 537, 542; kritisch Bock StV 2 0 0 7 269, 271 ff.
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§61
Übersicht
Welche Umstände können das Risiko von Straftaten steigern? Abschließend sollte das Prognosegutachten auch Zeitraum und Situation benennen, für welche die Risikoeinschätzung gelten soll (Nedopil Forensische Psychiatrie3, S. 301; Schöch Kriminalprognose [2007], S. 362 f) und darüber hinaus aufzeigen, durch welche Maßnahmen die Prognose abgesichert oder verbessert werden kann (Risikomanagement; Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2006 537, 544).
§61 Übersicht
1. 2. 3. 4. 5. 6.
Maßregeln der Besserung und Sicherung sind die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die Führungsaufsicht, die Entziehung der Fahrerlaubnis, das Berufsverbot. Schrifttum s. die Angaben bei Vor § 61.
Entstehungsgeschichte Eine Übersicht nach Art des § 61, die dann den jeweiligen Änderungen des Maßregelkatalogs angepasst wurde, enthielt - seit Einführung der Maßregeln durch das Gesetz v. 24.11.1933 - schon § 42a a.F. Die heutige Fassung der Vorschrift beruht auf dem 2. StrRG mit einer redaktionellen Änderung durch Art. 18 Abs. 2 Nr. 20 EGStGB. Durch das Gesetz zur Änderung des StVollzG v. 20.12.1984 (BGBl. I 654) ist die frühere Nr. 3 gestrichen worden, welche die Maßregel der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt betraf (§ 65 a.F.; s. Rdn. 12).
Übersicht Rdn.
II. Struktur und Gliederung der Maßregeln 1 Zur Struktur der Maßregeln 2. Gliederung der Maßregeln ΙΠ. Wandlungen des Maßregelkatalogs 1. Die zwangsweise Entmannung . . . . 2. Die Reichsverweisung von Ausländern 3. Die Unterbringung im Arbeitshaus . . 4. Die Entziehung der Fahrerlaubnis . . . 5. Die Führungsaufsicht 6. Die sozialtherapeutische Anstalt ( § 6 5 a.F.)
Rdn. IV. Statistische Angaben 1. Anordnungshäufigkeit 2. Entwicklung der Untergebrachten
I. Allgemeines 1. Bedeutung und Reichweite 2. Terminologie; Abgrenzung
V. Sonstige Maßregeln und Maßnahmen 1. Maßregeln außerhalb des StGB . . 2. Maßnahmen 3. Maßnahmen außerstrafrechtlichen Charakters 9
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VI. Nebenfolgen von Maßregelverurteilungen 1. Soldaten und Wehrpflichtige 2. Zivildienstpflichtige 3. Wahlrecht
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§61
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
I. Allgemeines 1
1. Bedeutung und Reichweite. § 61 gibt eine Übersicht über die Maßregeln der Besserung und Sicherung des StGB, die - gesetzestechnisch eigentlich überflüssig - vor allem der Orientierung dient. Das Gesetz nimmt an anderen Stellen (z.B. in § 7 JGG) auf die Übersicht wiederholt Bezug. Die Charakterisierung einer strafrechtlichen Sanktion als Maßregel der Besserung und Sicherung hat im Einzelfall praktische Bedeutung, so bei der zeitlichen Geltung (§ 2 Abs. 6). Die Aufzählung des § 61 enthält einen abschließenden Katalog nur für die nach dem StGB zulässigen Maßregeln. Weitere Maßregeln enthält § 41 BJagdG (Entziehung des Jagdscheins) und § 20 TierschutzG (Verbot der Tierhaltung). Die Reihenfolge der Maßregeln in § 61 entspricht der Reihenfolge ihrer Regelung unseres Strafrechts. Eine Rangfolge ist damit nicht verbunden. Maßregeln im sog. Nebenstrafrecht (Rdn. 16) bleiben unberührt.
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2. Terminologie; Abgrenzung. Die Maßregeln der Besserung und Sicherung fallen unter den Oberbegriff der Maßnahmen i.S. von § 11 Abs. 1 Nr. 8. Zu diesen Maßnahmen gehören auch der Verfall (§§ 73 ff), die Einziehung ( § § 7 4 ff) und die Unbrauchbarmachung (§ 74d). Diese Zusammenfassung, die „aus technischen Gründen" erfolgte (Begr. E 1962, S. 119), erscheint systematisch wenig geschickt, weil es sich bei Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung um Zwischenerscheinungen zwischen Strafen und Maßregeln mit ambivalenter Rechtsnatur (Sch/Schröder/Eser Vorbem § 73 Rdn. 12) und verschiedenartigem Charakter handelt.1 Sie tragen in einigen Ausprägungen stark maßregelähnliche Züge, und zwar im spezifischen Sinn einer Sicherungsmaßregel: so die Einziehung gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 2 und § 74 Abs. 3, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung von Schriften gemäß § 74d. Maßregeln im technischen Sinne stellen diese Reaktionen aber dennoch nicht dar; sie sind nicht gemeint, wenn das Gesetz von Maßregeln der Besserung und Sicherung spricht.
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Im Übrigen kennt das StGB noch eine Reihe weiterer strafrechtlicher Reaktionen, die den Maßregeln inhaltlich nahe stehen, als Reaktionen eigener Art aber zu ihnen nicht zählen. Zu nennen sind insbesondere die Weisungen im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 56c, d), der Aussetzung des Strafrests (§ 57 Abs. 3) und der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59a Abs. 2). Es zeigt sich hier die zunehmende Durchdringung von Strafen und Maßregeln im Hinblick auf ein System optimaler Einwirkungen (vgl. dazu Vor § 61 Rdn. 13 f, 23). Π. Struktur und Gliederung der Maßregeln
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1. Zur Struktur der Maßregeln sowie zu den allgemeinen Grundsätzen über ihre Anwendung (s. Vor § 61 Rdn. 49; zur Maßregelkonkurrenz Hanack LK § 72).
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2. Gliederung der Maßregeln. Die einzelnen Maßregeln verfolgen, unbeschadet ihrer gemeinsamen Struktur, jeweils etwas unterschiedliche spezifische kriminalpolitische Ziele. Sie sind daher nach Ausgestaltung, Einzelzweck und Wirkung recht unterschiedlich. 1
Kritisch auch Böllinger/Pollähne NK § 61 Rdn. 51.
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Übersicht
§61
Das Gesetz kennt drei Maßregeln mit Freiheitsentzug (Nr. 1-3) und drei Maßregeln ohne Freiheitsentzug (Nr. 4-6). Die Maßregel der Nr. 4 (Führungsaufsicht) nimmt dabei eine gewisse Sonderstellung ein, weil sie auch als automatische Folge der Aussetzung einer freiheitsentziehenden Maßregel eintritt (§§ 67b, 67c, 67d Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 6; näher Schneider LK Vor § 68). Die freiheitsentziehenden Maßregeln sind in einem eigenen Untertitel zusammengefasst (§§ 63-67g). Das Gesetz legt dabei in den §§ 63-66b die Anordnungsvoraussetzungen für jede der Maßregeln fest und enthält in den anschließenden Bestimmungen gemeinsame Vorschriften über die Folgewirkungen (§§ 67-67g), zu denen noch die gemeinsamen Vorschriften des § 62 sowie der § § 7 1 und 72 hinzutreten. Die Maßregeln ohne Freiheitsentzug sind, weil sie sehr viel partiellere und spezifischere Einwirkungen normieren, gesetzestechnisch etwas anders geordnet. Das Gesetz handelt jede der drei Maßregeln in einem eigenen Untertitel erschöpfend ab (§§ 68-68g; §§ 69-69b; §§ 70-70b). Gemeinsam gelten wiederum die zusätzlichen Bestimmungen des § 62 sowie der § § 7 1 und 72. ΠΙ. Wandlungen des Maßregelkatalogs Seit der Einführung der Maßregeln im Jahre 1933 (Vor § 61 Rdn. 8) hat der Katalog 6 der Maßregeln erhebliche Änderungen erfahren. Es erscheint angezeigt, das in einem kurzen Überblick festzuhalten; die genauere Erörterung weggefallener Maßnahmen ist freilich nicht Sache eines Kommentars zum geltenden Recht. Über Maßregeln, die in früheren Entwürfen vorgesehen oder von der Wissenschaft diskutiert, aber nicht Gesetz geworden sind, vgl. z.B. Schmidhäuser AT2 21/4. Der E 1962 hatte - außer dem Arbeitshaus (dazu Rdn. 9) - als Maßregel noch die Bewahrungsanstalt, die vorbeugende Verwahrung, das Wirtshausverbot und das Verbot der Tierhaltung vorgesehen; die ersten beiden Maßregeln sind im 2. StrRG in der Maßregel der sozialtherapeutischen Anstalt des § 65 (a.F.) aufgegangen, die noch vor ihrem Inkrafttreten durch Gesetz v. 20.12.1984 aufgehoben wurde (dazu Rdn. 12); das Verbot der Tierhaltung ist in das TierschutzG verwiesen worden (unten Rdn. 16). 1. Die zwangsweise Entmannung bestimmter gefährlicher Sexualverbrecher sah das 7 Gesetz vom 24.11.1933 (vgl. Rdn. 6 Vor § 61) als fakultative Maßregel vor (§ 42a Nr. 5, § 4k a.F.; dazu Werle Justiz-Strafrecht S. 100 ff). Diese Maßregel ist durch Art. 1 des KRG Nr. 11 v. 30.1.1946 (Amtsblatt S. 55) aufgehoben worden. Heute ist nur eine freiwillige Kastration nach dem „Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden" vom 15.8.1969 (BGBl. I 1143 mit späteren Änderungen) zulässig; sie ist als solche - selbstverständlich - keine Maßregel, kann aber im Maßregelrecht mittelbare Bedeutung haben (vgl. z.B. Rissing-van Saan/Peglau LK § 66 Rdn. 208). Langelüddeke gibt an, zwischen 1934 und 1944 seien etwa 2800 Sexualverbrecher entmannt worden.2 An den Betroffenen sind eingehende Nachuntersuchungen durchgeführt worden.3
2
Langelüddeke Die Nachuntersuchung der Entmannten, Kriminalbiologische Gegenwartsfragen Bd. VII, 1953, S. 48 ff; vgl. auch die Berichte von Finke und Klee DtStr 1935 186 und 373; Schlegel Dt. med. Wschr. 1935 590.
3
Angaben bei Langelüddeke aaO und in Gerichtliche Psychiatrie 3 , 1971, S. 109 f; Xingas Die Kastration als Sicherungsmaßnahme gegen Sittlichkeitsverbrecher, 1937; Jensch Untersuchungen entmannter Sittlichkeitsverbrecher, 1944.
Heinz Schöch
271
§61
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
8
2. Die Reichsverweisung von Ausländern war nach dem Gesetz vom 24.11.1933 zunächst ebenfalls als Maßregel zulässig (§ 42a Nr. 7, § 42m a.F.). Sie wurde aber schon durch das Gesetz über Reichsverweisungen v. 23.3.1934 (RGBl. I 213) wieder beseitigt und in diesem Gesetz bzw. später in der AusländerpolizeiVO vom 22.8.1938 (RGBl. I 1053), wie früher, als Verwaltungsmaßnahme gestaltet. Heute ist das Aufenthaltsverbot gegenüber Ausländern im AuslG geregelt (§ 4 7 AuslG). Es handelt sich auch dabei um eine Verwaltungsmaßnahme; die Wiedereinführung einer strafrechtlichen Maßregel wurde nach 1945 nicht für notwendig erachtet (vgl. z.B. Krille Niederschriften Bd. 1, S. 282).
9
3. Die Unterbringung im Arbeitshaus (§ 42a Nr. 3; § 42d a.F.), die das Gesetz vom 24.11.1933 eingeführt hatte, ist durch das 1. StrRG vom 25.6.1969 beseitigt worden. Vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes angeordnete Unterbringungen verloren gemäß Art. 92 des 1. StrRG ihre Wirkung. Die Maßregel, die spezifisch Gemeinlästige traf (Bettler, Landstreicher, Dirnen, Arbeitsscheue; näher Werle Justiz-Strafrecht S. 98 ff; Sch/Schröder^ Erl. zu § 42d m. Nachw. zum Gesamtproblem) und die der E 1962 letztlich noch erweitern wollte (§ 84 m. Begr. S. 212 f), war lange Zeit umstritten (vgl. z.B. Jescheck AT 3 § 70 VI 3 m.w.N.). Sie wurde vom Gesetzgeber wegen einer Fülle rechtsstaatlicher und kriminalpolitischer Bedenken beseitigt; vgl. 1. Bericht S. 17 f; Prot. V, 432 ff, 2313 ff; AE-AT S. 129.
10
4. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist erst durch Ges. v. 19.12.1952 (BGBl. I 832) eingefügt worden; näher dazu die Erl. zu § 69.
11
5. Die Führungsaufsicht entstammt den Bemühungen zur Strafrechtsreform (2. StrRG vom 4.7.1969) und gilt seit dem 1.1.1975. Durch das FührAufsRÄndG vom 17.4.2007 (in Kraft getreten am 18.4.2007) ist sie neu gestaltet worden, wodurch sie „eingriffsintensiver und schärfer" (Schneider LK Vor § 68 Rdn. 27b) als zuvor geworden ist. Zur Polizeiaufsicht des früheren Rechts (§§ 38, 39 a.F.), die in der Sache eine Maßregel war,
(Schneider LK Vor § 68 Rdn. 16).
12
6. Die sozialtherapeutische Anstalt (§ 65 a.F.) geht auf ausländische Vorbilder und auf die Konzeption eines Arbeitskreises deutscher und schweizerischer Professoren (§ 69 AE-StGB AT) zurück. Sie war „als zentrale, spezialpräventiv gezielte Maßregel für erhebliche Rückfällige gedacht, für die der gewöhnliche Strafvollzug keinen Resozialisierungserfolg verspricht, die aber auch keiner ärztlichen Hilfe und Behandlung bedürfen" (AEStGB AT, 2. Aufl. 1969, S. 133). Im 2. StrRG wurde diese Konzeption weitgehend übernommen. 4 Nachdem der Zeitpunkt ihres Inkrafttretens (ursprünglich 1.1.1975) zweimal gesetzlich verschoben worden war (Gesetz v. 30.7.1973, BGBl. I 909, und Gesetz v. 22.12.1977, BGBl. I 3104), wurde die Maßregel schließlich, noch vor ihrem Inkrafttreten, insbesondere aus Personal- und Kostengründen durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des StVollzG v. 20.12.1984 (BGBl. I 1654) zugunsten der sog. Vollzugslösung (§§ 9, 1 2 3 - 1 2 6 StVollzG) aufgehoben. 5 Damit entspricht das System der Einwirkung
4
5
Zur Entstehungsgeschichte eingehend Hanack LK 1 0 § 65. Näher dazu und zu den umstrittenen Gründen u.a. Schöch ZRP 1982 2 0 7 ff. A. Böhm NJW 1985 1813; Schüler-Springorum Ge-
272
dächtnisschrift H. Kaufmann, S. 167; Böllinger/Pollähne NK Rdn. 4; BaumannfWeber AT 9 § 4 4 II 3; van Gemmeren MK Rdn. 14. Zur allgemeinen Bedeutung der Sozialtherapie, über die ein kaum zu übersehendes
Heinz Schöch
Übersicht
§61
durch freiheitsentziehende Maßregeln nicht mehr dem Stand und Standard, den der moderne Gesetzgeber selbst für möglich und sinnvoll gehalten hat. Das macht sich in verschiedenen Bereichen schmerzlich bemerkbar, so namentlich bei der Unterbringung persönlichkeitsgestörter Täter im psychiatrischen Krankenhaus (dazu § 63 Rdn. 5 ff), beim Bemühen um Vermeidung der Sicherungsverwahrung (dazu Rissing-van Saan/Peglau LK § 6 6 Rdn. 2 0 8 Hanack LK; § 7 2 Rdn. 25) und bei der Sicherungsverwahrung jüngerer Erwachsener (dazu Rissing-van Saan/Peglau LK § 6 6 Rdn. 76).
IV. Statistische Angaben 1. Anordnungshäufigkeit
13
Tabelle 1: Abgeurteilte nach Maßregeln der Besserung und Sicherung (1955-1990 in den alten Bundesländern, ab 1995 alte Bundesländer und Berlin-Ost) Jahr
Psych. KKH (1)
1955
637
1960
Entziehungsanstalt (2)
Sicherungsverwahrung (3)
Berufsverbot (4)
Führungsaufsicht (5)
Entziehung der Fahrerlaubnis (6)
206
166
371
-
14.465
533
241
210
297
-
28.278
1965
419
236
213
163
-
70.083
1970
306
172
110
93
-
136.832
1975
336
268
52
70
98
162.348
1980
366
585
41
63
353
194.979
1985
425
526
39
66
107
172.520
1990
432
626
31
57
54
173.232
1995
559
757
45
132
70
176.023
2000
758
1.267
60
234
73
139.471
2005
861
1.628
75
99
44
118.533
Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Strafverfolgung, Fachserie 10, Reihe 3, zuletzt Tab. 5.4 u. 5.5, www. destatis.de
Schrifttum existiert, vgl. statt aller MüllerDietz Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionensystems, 1979, S. 205; Dünkel Legalbewährung nach sozialtherapeutischer Behandlung (1980); Egg Straffälligkeit und Sozialtherapie (1984); zur weiteren Entwicklung der Vollzugslösung vgl. die jährlichen Stichtagserhebungen der Kriminologischen
Zentralstelle Wiesbaden (www.krimz.de/ texte.html, zuletzt Spöhr, Sozialtherapie im Strafvollzug, Ergebnisse zur Stichtagserhebung zum 31.3.2007); zur Evaluation sozialtherapeutischer Behandlung gem. § 9 StVollzG Ortmann Sozialtherapie im Strafvollzug (2002).
Heinz Schöch
273
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
§ 61 14
2 . Entwicklung der Untergebrachten Tabelle 2: Der Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung (bis 1990 alte Bundesländer, ab 1995 alte Bundesländer und Berlin-Ost) Stichtag jeweils 31.3.
Untergebrachte gem. §§ 63, 64 StGB psychiatrisches Entziehungsanstalt Krankenhaus insgesamt
insgesamt
Sicherungsverwahrte gem. § 66 StGB
davon ohne Trunksucht
1965
4.413
281
39
1.430
1970
4.222
179
26
718
1975
3.494
183
29
337
1980
2.593
632
259
208
1985
2.472
990
340
190
1990
2.489
1.160
315
182
1995
2.902
1.373
537
183
2000
4.051
1.774
789
219
2001
4.226
1.922
985
257
2002
4.366
2.088
960
299
2003
5.118
2.281
1.189
306
2004
5.390
2.412
1.379
304
2005
5.640
2.473
1.409
350
2006
5.917
2.619
1.582
375
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug, Fachserie 10, zuletzt Reihe 4.1, www.destatis.de Fachserie 10, Reihe 4.1 2 0 0 6 Tab. 1 (Sicherungsverwahrte, seit 1995 incl. neue Bundesländer, im Jahr 2 0 0 6 dort erst 7 Sicherungsverwahrte)
15
Bemerkenswert ist der rapide Anstieg bei den stationären Maßregeln seit 1 9 9 5 , vor allem bei den Untergebrachten (Tab. 2 ) , der auf einer Veränderung des kriminalpolitischen Klimas beruht, die zunächst im SexualdelikteBekG v o m 2 6 . 1 . 1 9 9 8 zur Ausweitung der Sicherungsverwahrung und zur Verschärfung der prognostischen Voraussetzungen des § 6 7 d Abs. 2 StGB für die bedingte Entlassung führte 6 und die seither zu mehreren
6
Kritisch hierzu Schöch NJW 1998 1258, 1262; Schock Juristische Aspekte des Maß-
274
regelvollzugs, S. 393; s. auch die Erläuterungen zu den §§ 63, 64 und 66.
Heinz Schöch
Übersicht
§61
Ausweitungen der Sicherungsverwahrung geführt hat. Beim Anstieg der Unterbringungen gem. § 63 StGB in der gerichtlichen Praxis spielt auch die häufigere Anwendung des § 21 StGB eine Rolle (kritisch dazu Schöch LK § 20 Rdn. 7, § 21 Rdn. 3). V. Sonstige Maßregeln und Maßnahmen 1. Maßregeln außerhalb des StGB. Wie bemerkt (Rdn. 1), erfasst der Katalog des 1 6 § 61 nur die Maßregeln des StGB. Unberührt bleiben Maßregeln des Nebenstrafrechts, so das Verbot der Tierhaltung (§ 20 TierschutzG v. 24.7.1972, i.d.F. v. 25.5.1998, BGBl. I 1105) oder die Entziehung des Jagdscheins (§ 41 BundesjagdG i.d.F. von Art. 230 Nr. 5 EGStGB). Erforderlichenfalls können für diese nach Art. 1 EGStGB die Vorschriften des Allgemeinen Teils ergänzend herangezogen werden (z.B. § 72, § § 7 8 ff). Die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach den §§ 35 ff BtMG ist keine Maßregel der Besserung und Sicherung,7 sondern - ähnlich wie die Aussetzung zur Bewährung - eine Variante der Straf- oder Maßregelvollstreckung mit straf- und maßregelähnlichen Elementen und einem teilweisen Strafverzicht.8 2. Über „Maßnahmen" und sonstige strafrechtliche Sanktionen maßregelähnlicher Art vgl. Rdn. 2 f.
17
3. Maßnahmen außerstrafrechtlichen Charakters, die also von anderen Instanzen 1 8 angeordnet werden, aber maßregelähnliche Züge tragen, gibt es in mancherlei Formen. Zu nennen ist vor allem die Möglichkeit der Unterbringung Geisteskranker und Süchtiger durch den Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen (näher LK § 63 Rdn. 158 ff). Im Übrigen enthalten viele verwaltungsrechtliche Vorschriften, die z.T. sogar an strafrechtliche Verurteilungen anknüpfen, maßregelähnlichen Charakter, so z.B. die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den § § 3 StVG, 46 FeV. VI. Nebenfolgen von Maßregelverarteilungen 1. Soldaten und Wehrpflichtige. Nach dem SoldatenG kann in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit nicht berufen werden, wer einer Maßregel nach den § § 6 4 oder 66 unterworfen ist, solange diese Maßregel nicht erledigt ist (§ 38 Abs. 1 Nr. 3). Ein Berufssoldat, gegen den eine der genannten Maßregeln angeordnet ist, verliert seine Rechtsstellung (§ 48 Nr. 1); bei einem Soldaten auf Zeit endet das Dienstverhältnis mit der Anordnung (§ 54 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 48 Nr. 1). Für den Wehrpflichtigen gilt aufgrund des WehrpflichtG: Solange der Pflichtige einer nicht erledigten Maßregel nach den § § 6 4 oder 66 unterworfen ist, ist er vom Wehrdienst (§ 10 Nr. 3) bzw. vom Dienst in der Bundeswehr (§ 30 Abs. 1) ausgeschlossen. Er verliert seinen Dienstgrad (§ 30 Abs. 1 S. 2, § 30 Abs. 2 Nr. 1). Zum Begriff der „Erledigung" bei den genannten Maßregeln vgl. z.B. LK § 64 Rdn. 175 f.
7
Ungeklärt nach Böllinger/Pollähne Rdn. 51.
NK
8
Vgl. zur Strafaussetzung § 79 I 3.
Heinz Schöch
Jescheck/Weigend
275
19
§62
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Aus der geschilderten Regelung folgt, dass bei allen anderen Maßregeln, insbesondere der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 6 3 ) , die genannten Folgen nicht eintreten. J e d o c h wird ein Täter, gegen den die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist, vom Wehrdienst zurückgestellt (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 WehrpflichtG). 20
2 . Zivildienstpflichtige sind nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 des ZivildienstG v o m Zivildienst ausgeschlossen bzw. werden nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 zurückgestellt, solange gegen sie eine Maßregel nach § § 6 4 oder 6 6 angeordnet ist. Zurückgestellt werden sie auch bei einer Unterbringung nach § 6 3 (§ 11 Abs. 2 Nr. 2).
21
3 . Wahlrecht. Wahlrecht und Wählbarkeit ruhen u.a. bei Personen, die nach § 6 3 i.V. mit § 2 0 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind (§ 13 Nr. 3 und § 15 Abs. 2 Nr. 3 BundeswahlG).
§62
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der v o m T ä t e r begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.
Schrifttum Bae Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Maßregelrecht des StGB (1985); Blei Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Maßregeln der Sicherung und Besserung, JA 1971 235; Clerico Die Struktur der Verhältnismäßigkeit (2001); Dechling Das Verhältnismäßigkeitsgebot (1989); Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit (2004); Eickhoff Oie Benachteiligung des psychisch kranken Rechtsbrechers im Strafrecht, NStZ 1987 65; Haag Rationale Strafzumessung (1970); Hirschberg Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1981); Holtus Aspekte der Verhältnismäßigkeit der Behandlung in der forensischen Psychiatrie (1991); Horstkotte Die Vorschriften des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts über ... die Maßregeln der Sicherung und Besserung, J Z 1970 152; Kaspar Aussetzung und Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach §§ 67b und d StGB, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2 0 0 7 217; Arth. Kaufmann Schuldprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Festschrift Lange, S. 27; Kruis Die Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln und die Verhältnismäßigkeit, StV 1998 94; Kudlich Grundrechtsorientierte Auslegung im Strafrecht, J Z 2003 127; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, in Göppinger/Witter, Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd. I 1972, S. 3; Lerche Übermaß und Verfassungsrecht (1961); Maihofer Rechtsstaat und menschliche Würde (1968); Müller-Dietz Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und Verfassung, J R 1987 45; ders. Unterbringung in der Entziehungsanstalt und Verfassung, J R 1995 353; Nowakowski Zur Rechtsstaatlichkeit der vorbeugenden Maßnahmen, Festschrift v. Weber, S. 98; Paetzold Die Eingriffsvoraussetzungen bei freiheitsentziehenden Maßregeln unter besonderer Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit, Diss. Tübingen 1975; Peter Schneider Pressefreiheit und Staatssicherheit (1968); Schröder Die „Erforderlichkeit" von Sicherungsmaßregeln, J Z 1970 92; Schüler-Springorum Sachverständiger und Verhältnismäßigkeit, Festschrift Stutte (1979) S. 307; Theyssen Die Entscheidung über die Aussetzung der Unterbringung im Lichte der Verfassung. Überlegungen zu BVerfGE 70, 297, Festschrift Tröndle S. 408; Zipf Die Rechtsfolgen der Tat im neuen Strafgesetzbuch, JuS 1974 273. S. im Übrigen auch Vor § 61.
276
Heinz Schöch
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
§ 6 2
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde - als § 4 2 a Abs. 2 a.F. - im Jahre 1 9 6 9 durch das 1. StrRG eingeführt und 1975 im Rahmen des 2 . StrRG mit geringen redaktionellen Änderungen unverändert übernommen.
Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1. Allgemeiner Rechtsgrundsatz; Aufgabe 2. Terminologie und Sachabgrenzungen a) Terminologie b) Sachabgrenzungen
Rdn. 1. Integration in die Anordnungsvoraus Setzungen 2. Bezugspunkte der Prüfung a) Systematik b) Bedeutung der begangenen Taten c) Bedeutung der zu erwartenden Taten d) Grad der Gefahr 3. Gesamtwürdigung der Bezugspunkte . a) Prüfung der Relation b) Künftige Taten von besonderer Schwere c) Schwere Anlasstaten d) Besserungszweck einer Maßregel . . e) Gewissheit
.
Π. Geltungsbereich 1. Geltung bei allen Maßregelentscheidungen 2. Maßregelkonkurrenz 3. Entziehung der Fahrerlaubnis . . . . 4. Jugendstrafrecht ΙΠ. Keine inhaltlichen Aussagen
10 13 14 15
16
IV. Kriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfung
V. Die unverhältnismäßige Maßregel
17 18 19
20
21 22 23 24 25 26 27 32
. . . .
33
I. Allgemeines 1. Allgemeiner Rechtsgrundsatz; Aufgabe. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz enthält ein allgemeines und allgemein anerkanntes Rechtsprinzip. 1 Er gilt für den gesamten Bereich des Rechts, damit also auch des Strafrechts im Allgemeinen und des Maßregelrechts im Besonderen.
1
Er beruht auf dem Gedanken, dass der tief in Grundrechte einschneidende Eingriff, den insbesondere eine freiheitsentziehende Maßregel darstellt, nur gerechtfertigt ist, wenn die Gefahr, die von dem Täter ausgeht, so beschaffen ist, dass ihm, auch wenn er ohne Schuld gehandelt hat, ein derartiger Eingriff im überwiegenden Allgemeininteresse zuzumuten ist (Fischer Rdn. 2 m.w.N.). Aufgabe des § 6 2 ist es mithin, über den Wortlaut der verschiedenen Einzelbestimmungen des Maßregelrechts hinaus, die letztlich an der Spezialprävention orientierte Zweckbestimmung der Maßregeln (Rdn. 2 0 Vor § 61) im Einzelfall auf das rechtsstaatlich erträgliche M a ß zu begrenzen bzw. diese Begrenzung zu verdeutlichen (van Gemmeren M K § 6 2 Rdn. 1, 3).
2
Bedenklich ist jedoch die Ansicht, 2 § 6 2 übernehme im Maßregelrecht die Funktionen, die bei Bemessung der Strafe dem Schuldprinzip zukommen: Der Vergleich täuscht darüber hinweg, dass die auf einer anderen Zweckrichtung beruhenden Maßregeln als „Notwehrmaßnahmen" (Rdn. 2 9 Vor § 61) nicht in der gleichen Weise an der Gerechtig-
3
1
BVerfGE 16 194, 202; BGHSt 20 232; 26 102. Zu seiner Ableitung näher Bae S. 24 ff m. Nachw.; s. auch Horstkotte LK 10 § 67d Rdn. 52.
2
So aber Zipf ]uS 1974 274, 278; vgl. auch Zipfin Roxin u.a., Einführung in das neue Strafrecht, S. 103; Böllinger/Pollähne NK § 62 Rdn. 2 m.w.N.
Heinz Schöch
277
§62
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
keit orientiert sind wie die Strafe. So markiert § 62 auch nur eine äußere Grenze („Unverhältnismäßigkeit"),3 deren Reichweite nach wie vor der Konkretisierung bedarf. 4
Die ausdrückliche gesetzliche Hervorhebung im Maßregelrecht erschien dem Gesetzgeber angebracht, weil der Eindruck entstand, dass der Grundsatz in der Vergangenheit nicht immer genügend beachtet worden war. So sind nach Meinung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform z.B. Personen nach § 42b a.F. untergebracht worden, bei denen Bedenken bestehen konnten, ob die Unterbringung zum Schutze wesentlicher Rechtsgüter wirklich erforderlich war (1. Bericht S. 17; Prot. IV, 786 ff, 814 ff). Auch bei der Sicherungsverwahrung sind - zu Recht - ähnliche Einwände erhoben worden (vgl. Kinzig Sicherungsverwahrung S. 62 ff m.w.N.).
5
Diese Bedenken haben den Gesetzgeber nicht nur veranlasst, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung beider Maßregeln wesentlich zu verschärfen (Näheres bei den Erl. zu § 63 und zu § 66); sie haben ihn darüber hinaus bewogen, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als regulatives Prinzip des gesamten Maßregelrechts sowohl bei der Anordnung als auch bei der Fortdauer der Maßregeln besonders hervorzuheben (BVerfGE 70 297, 311; BVerfG StV 1994 595; Böllinger/Pollähne NK § 62 Rdn. 1). Es wird oft übersehen, dass § 62 nicht nur auf vergangenheitsbezogene, statische Aspekte von Tat und Täter Bezug nimmt, sondern auch zukunftsbezogene dynamische Faktoren wie z.B. alternative Interventionsstrategien enthält, die allerdings beide in ihrer Gewichtung auch dem gesellschaftlichen Wandel unterliegen (Böllinger/Pollähne NK § 62 Rdn. 3, 5). 2. Terminologie und Sachabgrenzungen
6
a) Die Terminologie, deren sich Rechtsprechung und Lehre bei der Behandlung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedienen, ist nicht einheitlich.4 Die wohl herrschende Lehre im Verfassungsrecht spricht vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im weiten Sinn, der die drei Voraussetzungen der Geeignetheit, Erforderlichkeit sowie Angemessenheit (oder Verhältnismäßigkeit im engen Sinn) einer staatlichen Maßnahme enthalte.5
7
In der Sache sind diese und andere Unterscheidungen nicht wesentlich, solange man sich über Folgendes klar ist: Der Grundsatz der Erforderlichkeit besagt nur und allenfalls, dass lediglich in dem zur Zweckerreichung nötigen, also dem geringsten Maße in Rechtsgüter eingegriffen werden darf, falls er nicht überhaupt, was sich auch denken lässt, allein die schlichte Eignung zur Erreichung des Erforderlichen beschreibt. Die Erforderlichkeit (Notwendigkeit) enthält aber für sich noch keine materielle Begrenzung des „an sich" zulässigen (geringsten) Eingriffs.
8
Diese Begrenzung liefert - als Idee eines regulativen Prinzips - vielmehr erst der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Ausprägung eines „Übermaßverbots", d.h. der Gedanke, dass der an sich zulässige Eingriff im Hinblick auf eine Abwägung der verschiedenen Güter und Interessen inhaltlich begrenzt sein kann. In diesem Sinne spricht
3
Ähnlich Dessecker, S. 3 3 2 , der eine Begrenzung in erster Linie durch eine strenge Interpretation des Merkmals der „Gefährlichkeit" erreichen will.
4
Eingehend Haag S. 2 5 m.w.N.; zur Abgrenzung von verwandten Rechtsbegriffen näher Bae S. 5 7 ff; vgl. auch Degener Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und strafprozessuale
278
Zwangsmaßnahmen, 1 9 8 5 , S. 2 5 m.w.N.; zu früheren Auffassungen Hanack L K 1 1 § 6 2 Rdn. 4 . 5
Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte: Staatsrecht II ( 2 0 0 1 ) , S. 6 5 ff; Hirschberg S. 19 ff; Clèrico S. 18 u. 2 6 ff; Ossenbühl Jura 1 9 9 7 618 ff; Kruis StV 1 9 9 8 9 4 .
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Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
§62
Schneider (S. 119 ff) richtig davon, dass zunächst auf die Verhältnismäßigkeit des Ob (Notwendigkeit) einer Maßregel abzustellen ist, ehe man die Verhältnismäßigkeit des Wie (Mittel-Zweck-Relation, „Angemessenheit") prüft. - Diese Sachunterscheidungen werden in Rechtsprechung und Lehre nicht immer beachtet, wenn unkritisch vom „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" gesprochen und dabei nicht deutlich gemacht wird, ob es um die Zweckerreichung oder um die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs geht. Wesentlich ist beim Verhältnismäßigkeitsprinzip i.e.S. jedenfalls die Relation zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Individualinteresse, in das mit einer „an sich" erforderlichen (zulässigen) Maßnahme eingegriffen wird (BVerfGE 70 297, 311). b) Sachabgrenzungen. Unberührt von § 62 bleibt nach dem Gesagten das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs, das die Beschränkung auf das zur Zweckerreichung Unerlässliche fordert (Lackner/Kühl § 62 Rdn. 2). Unberührt bleibt weiter auch das Subsidiaritätsprinzip (vgl. Vor § 61 Rdn. 74 ff), das von manchen als weitere Ausprägung des Übermaßverbots verstanden wird (näher Bae S. 63). Nicht zu verkennen ist aber, dass hier Überschneidungen existieren; denn beide Prinzipien lassen sich auch dem Gebot der „Erforderlichkeit" entnehmen, das wie oben ausgeführt nach der herrschenden Lehre dem Verhältnismäßigkeitsprinzip im weiteren Sinne immanent ist. 6 Zwar ist in § 62 an sich nur der oben als „Angemessenheit" beschriebene Teilaspekt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes normiert. Der Gesetzgeber wollte diesen aber lediglich besonders betonen und selbstverständlich nicht die Merkmale der „Geeignetheit" und „Erforderlichkeit" suspendieren, was ihm aus Gründen der Normenhierarchie auch gar nicht möglich wäre. Einer eigenständigen Terminologie des Subsidiaritätsgedankens gegenüber dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, wie sie auch von der Rechtsprechung verwendet wird, 7 bedarf es daher an sich nicht. 8
9
Π. Geltungsbereich 1. Geltung bei allen Maßregelentscheidungen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt, entgegen dem unklaren Gesetzeswortlaut des § 62, als Ausprägung eines allgemeinen und verfassungsrechtlich begründeten Rechtsprinzips nicht nur, wenn es um die Frage geht, ob eine Maßregel „angeordnet" werden darf. Er gilt ebenso für alle anderen und weiteren Entscheidungen, die bei und nach einer Maßregelanordnung nötig werden können, insbesondere also für Entscheidungen über eine Aussetzung zugleich mit der Anordnung (§ 67b) und für Entscheidungen über die weitere Vollstreckung. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers (1. Bericht S. 17) und ist allgemein anerkannt. 9
10
Bei Entscheidungen über die weitere Vollstreckung einer Maßregel von unbestimmter Dauer, insbesondere im Fall des § 63, werden die Anforderungen an die Wahrung der Verhältnismäßigkeit um so strenger, je länger die Unterbringung andauert, und zwar
11
6 7 8 9
van Gemmeren MK § 62 Rdn. 6 f. BGH NStZ-RR 1998 359. Vgl. Dessecker, S. 3 4 5 f. Vgl. z.B. BVerfGE 7 0 297, 312; BVerfG NJW 1995 3 0 4 8 ; BVerfGE 109 133; OLG Düssel-
dorf NStZ 1991 104 und MDR 1987 957; LG Paderborn StV 1985 71; Fischer § 62 Rdn. 4; Horn SK Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3; van Gemmeren MK § 62 Rdn. 13; Böllinger/ Pollähne NK § 62 Rdn. 1.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
auch im Hinblick auf die Sachaufklärung, z.B. durch Zuziehung anstaltsfremder Sachverständiger (vgl. BVerfGE 70 297, 310 ff). 10 12
Die früher umstrittene Frage, ob eine Erledigung wegen UnVerhältnismäßigkeit der Maßregel unmittelbar auf § 62 gestützt werden kann, 11 oder ob hierfür andere Vorschriften wie etwa § 67c Abs. 2 S. 5 analog herangezogen werden können, 12 ist heute zumindest im Bereich der Unterbringung nach § 63 überholt: der Gesetzgeber hat diese Fälle inzwischen durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23.7.2004 in § 67d Abs. 6 S. 1 2. Alt. ausdrücklich geregelt (vgl. Rissing-van Saan/Peglau LK § 67d Rdn. 42 ff).
13
2. Bei der Maßregelkonkurrenz (§ 72) gilt der Grundsatz ebenfalls. Er findet dort seine besondere Ausprägung durch die Regelung des § 72 Abs. 1 S. 2. (vgl. Hanack LK s 72 Rdn. 16).
14
3. Entziehung der Fahrerlaubnis. Hier bedarf es nach der z.T. als „bedenklich" 13 bezeichneten Ausnahmevorschrift des § 69 Abs. 1 S. 2 der Prüfung der Verhältnismäßigkeit in der Regel nicht; sie gilt als stets gewahrt, was angesichts der von einem ungeeigneten Kraftfahrer ausgehenden erheblichen Gefahren für Leib und Leben anderer Personen im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden ist. 14 Umstritten ist jedoch, ob der Richter ungeachtet dessen die Entziehung im Einzelfall aus besonderen Gründen (z.B. bei drohendem Arbeitsplatzverlust) wegen Unverhältnismäßigkeit ablehnen kann 1 5 (vgl dazu Geppert LK § 69). Der Wortlaut des § 69 Abs. 1 S. 2 steht einer solchen Vorgehensweise nicht entgegen, da er auch lediglich als Entbindung des Richters von der Pflicht zur Prüfung des § 62 im Einzelfall verstanden werden kann. Richtig ist auch, dass der einfache Gesetzgeber das verfassungsrechtlich abgeleitete Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht bereichsweise suspendieren kann. Andererseits ist zu beachten, dass der Gesetzgeber bei den Anordnungsvoraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis keinen Spielraum für solche Erwägungen des Richters eröffnet hat: erweist sich der Fahrer als ungeeignet, so ist ihm die Erlaubnis zu entziehen. Deshalb ist § 69 Abs. 1 S. 2 verfassungskonform dahingehend zu interpretieren, dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit bereits im Rahmen der diagnostischen und prognostischen Voraussetzungen der Ungeeignetheit stattfindet, die - auch in den Fällen der Regelbeispiele gem. § 69 Abs. 2 - so ausgeprägt sein muss, dass mildere Maßnahmen (z.B. beschränkte Fahrerlaubnis, Fahrverbot) nicht ausreichen.16 Hierbei kann berücksichtigt werden, dass Probleme der wirtschaftlichen Existenz die künftige Eignung beeinflussen können (Fischer § 69 Rdn. 50), jedoch zwingt das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht dazu, einem ungeeigneten und damit gefährlichen
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12
13
Dazu eingehend Müller-Di'ete J R 1986 4 5 m. zahlr. w. Nachw.; vgl. auch BGH StV 1994 595; OLG Celle NStZ 1989 491, 492; Theyssen S. 4 0 7 f; Trechsel Anm. in EuGRZ 1986 543; Horstkotte L K 1 0 zu S 67d. So LG Paderborn StV 1991 73; abl. Fischer § 62 Rdn. 5. Näher Veh MK § 6 7 Rdn. 31; Dessecker S. 341 ff. Baumann/Weber AT 9 § 4 4 I 3; Bae S. 95. Van Gemmeren MK § 6 2 Rdn. 14; AG Bad Homburg NJW 1984 2 8 4 0 ; AG Bremen-Brunnthal StV 2 0 0 2 372; Böllinger/Pollähne NK
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14 15
16
§ 6 9 Rdn. 35; aA Hentschel N J W 1985 1320; van Gemmeren MK § 62 Rdn. 14 m.w.N. Van Gemmeren MK § 62 Rdn. 14. So AG Bad Homburg NJW 1984 2 8 4 0 ; AG Bremen-Brunnthal StV 2 0 0 2 372; Böllinger/ Pollähne NK § 6 9 Rdn. 35; aA Hentschel NJW 1985 1320; van Gemmeren MK S 62 Rdn. 14 m.w.N. König in Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2 0 0 7 StGB § 69 Rdn. 22; BGH NJW 2 0 0 4 3497, 3503; aA Kühl JR 2 0 0 4 127.
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Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
§62
Fahrer wegen der ihn treffenden wirtschaftlichen Folgen das Führen von Kraftfahrzeugen zu gestatten (BGH NJW 2004 3497, 3503; König in Hentschel, Straßenverkehrsrecht, StGB § 69 Rdn. 22). Bei der Sperrfristbemessung für die Erteilung einer neuen Erlaubnis gem. § 69a ist § 62 dagegen in üblicher Weise zu beachten. 4. Jugendstrafrecht. Im Hinblick auf die Ausrichtung des Jugendstrafrechts auf den Erziehungsgedanken sowie die Integration und Förderung des jugendlichen Täters kommt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in diesem Bereich erhebliche Bedeutung zu; hier ist besonders eingehend zu prüfen, ob die Maßregel erforderlich und angemessen ist.17
15
ΙΠ. Keine inhaltlichen Aussagen Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des § 62 enthält als solcher keine inhaltlichen 1 6 Aussagen darüber, wann ein Mittel verhältnismäßig ist und wann nicht. Es handelt sich um ein regulatives Prinzip, ähnlich wie bei dem Satz, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist, und wie bei dem Güterabwägungsgedanken.18 Ob man von einem „formalen Prinzip" sprechen sollte,19 erscheint dennoch zweifelhaft. Richtiger dürfte es wohl sein, mit Jescheck/Weigend (§ 4 II 2; vgl. auch Bae S. 43 f) von einer „materiellen Natur" des Grundsatzes jedenfalls bei § 62 auszugehen (skeptisch Kaufmann FS Lange S. 33). In der Sache haben die Bezeichnungen insoweit freilich keine weiteren Konsequenzen. IV. Kriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfung 1. Integration in die Anordnungsvoraussetzungen. Nach dem Wortlaut des § 62 setzt 17 die Prüfung der Verhältnismäßigkeit voraus, dass eine Maßregel an sich angeordnet werden könnte, also die formellen und materiellen Anordnungsvoraussetzungen erfüllt sind. In der Tat kommt die Prüfung des § 62 nicht in Betracht, wenn es schon an diesen Voraussetzungen fehlt. Zu Recht weist aber Horn (SK Rdn. 3) darauf hin, dass die Auslegung etwa des Begriffs der „erheblichen weiteren Straftaten" auch relativ zu sehen, d.h. über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit der jeweils in Rede stehenden Maßregel zu verbinden ist. Zu fragen ist danach z.B., ob die Belastung des Täters durch eine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus zu den von ihm zu erwartenden Taten außer Verhältnis steht, womit zugleich ein Kriterium für die Inhaltsbestimmung auch des Begriffs der „erheblichen weiteren Straftaten" zu gewinnen ist. Das gilt auch für Folgeentscheidungen, z.B. für die Prüfung, ob nach wie vor die Gefahr „erheblicher Straftaten" besteht (§ 67d Abs. 3).
17
18
BGHSt 37 3 7 3 ; dazu Walter NStZ 1992 100; BGH bei Detter NStZ 2 0 0 3 138; van Gemmeren MK § 6 2 Rdn. 15. Lang-Hinrichsen LK 9 Rdn. 9; vgl. auch Gribbohm S. 354; Horn SK Rdn. 8.
19
So z.B. Lang-Hinrichsen LK 9 Rdn. 9; Arth. Kaufmann FS Lange S. 33.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Eine solche integrierende Betrachtungsweise ist hier - als Besonderheit im Zusammenhang mit der Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Gesetzesbegriffe im Maßregelrecht - geboten, weil sich aus der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 62 ergibt, dass verschiedene Gesichtspunkte zueinander in Beziehung zu setzen und schließlich in einer Gesamtprüfung miteinander zu verbinden sind. 18
2. Die einzelnen Bezugspunkte der Prüfung. Das Gesetz nennt als Bezugspunkte der Prüfung drei Kriterien (dazu eingehend Bae S. 155 ff): die Prüfung der vom Täter begangenen Taten, die Bedeutung der von ihm zu erwartenden Taten und den Grad der von ihm ausgehenden Gefahr.
19
a) Systematik. Nach Horn (SK Rdn. 4). soll das dritte Kriterium - Grad der Gefahr gegenüber dem zweiten - Bedeutung der zu erwartenden Taten - keine eigenständige Relevanz haben, wenn man in den Begriff „Bedeutung der Taten" auch die Begehungshäufigkeit aufnehme. Er meint, die vom Täter ausgehende Gefahr drücke sich in der Prognose aus, dass er rechtswidrige Taten begehen werde. An dieser Ansicht ist richtig, dass bei der „Bedeutung der zu erwartenden Taten" auch die Begehungshäufigkeit eine Rolle spielt. Der Begriff des „Grades" erfasst aber auch die Höhe der Wahrscheinlichkeit und damit einen weiteren und eigenen Sachgesichtspunkt. Nun ließe sich zwar auch diese Komponente bei der „Bedeutung" fassen. Wenn aber das Gesetz in der geschilderten Weise zwischen „Bedeutung" und „Grad" differenziert, erscheint es richtig, dem auch in der Prüfungssystematik zu folgen. Dann aber ist es notwendig, die Begehungshäufigkeit bei der „Bedeutung der zu erwartenden Taten" und beim „Grad der Gefahr" zu berücksichtigen. Denn sie ist sowohl für Art und Schwere der Taten („Bedeutung") als auch für den Grad der vom Täter ausgehenden Gefahr relevant. Für den „Grad der Gefahr" ist schließlich auch die voraussichtliche Rückfallgeschwindigkeit relevant (1. Bericht S. 17; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2).
20
b) Die Bedeutung der begangenen Taten 20 ist nach dem allgemeinen Zweck der Maßregeln (Vor § 61 Rdn. 29) immer nur im Hinblick auf ihre indizielle Bedeutung für die künftige Gefährlichkeit des Täters zu sehen. Ihnen kommt also auch bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht etwa dergestalt Relevanz zu, dass man fragen dürfte, ob der Täter wegen der Bedeutung der begangenen Taten die Maßregel „verdient" hat. Kriterien für die Bedeutung sind vor allem die Schwere der begangenen Taten, also auch die Abschichtung von Bagatelldelikten, die die Maßregelanordnung grundsätzlich nicht rechtfertigen.21 Daneben sind die Art der Taten zu berücksichtigen, d.h. ihre Bedeutung für die Allgemeinheit, sowie deren Häufigkeit (Fischer Rdn. 3). Frühere Taten sind danach also grundsätzlich für die Prüfung heranzuziehen, soweit die Heranziehung nicht aus sonstigen Gründen nach dem Gesetz ausgeschlossen ist (§ 51 BZRG; vgl. dazu insbes. Rissing-van Saan/Peglau LK § 49, 68, 80). Wichtig ist, dass die herangezogene Tat
20
Dazu kritisch Hirschberg S. 4 5 f; weitere Nachweise bei Bae S. 91 ff sowie 158 ff, der diesen Gesichtspunkt aber als vor allem zu Gunsten des Täters wirkendes Abwägungskriterium für sinnvoll hält: „Der Täter hat das Recht, nur aufgrund und innerhalb der Intensität seiner Rechtsgutsverletzung bestraft und behandelt zu werden" (S. 9 3 ) .
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Ob dies für die rein spezialpräventiv orientierten Maßregeln aber so ohne weiteres gelten kann, ist zweifelhaft und kann auch mit Hinweis auf die „Formalisierungsaufgabe" des Strafrechts (S. 7 8 ff) nicht hinreichend begründet werden. 21
Vgl. BGHSt 2 0 2 3 2 ; B G H StV 1 9 9 2 5 7 1 ; BGH NStZ-RR 1997 230.
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Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
§62
nicht als singuläres Ereignis erscheint, sondern als Teil eines komplexen sozialen Geschehens zu verstehen ist (Böllinger/Pollähne NK § 62 Rdn. 10). c) Die Bedeutung der zu erwartenden Taten bezieht sich ebenfalls vor allem auf ihre Schwere und ihre Art, also die Gewichtigkeit der bedrohten Rechtsgüter und das Ausmaß, in dem sie vermutlich verletzt werden (BGH StV 1992 571). Dafür ist (s. Rdn. 19) auch die vermutliche Begehungshäufigkeit durchaus von Belang. Andererseits kann auch eine erwartete Serie von leichteren einfachen Diebstählen eine Unterbringung nicht rechtfertigen, selbst wenn das Merkmal der „gewerbsmäßigen Begehung" gem. § 2 4 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 erfüllt sein sollte (BGH NStZ-RR 1997 230).
21
Insbesondere auch bei der Frage der Aussetzung oder Erledigung der Maßregel ist auf die Schwere der zu erwartenden Taten abzustellen. Die Bedeutung der Strafrahmen der betreffenden Delikte für die hier anstehende Prüfung sollte allerdings angesichts der unterschiedlichen Funktionen von (schuldbezogenen) Strafen und allein an der Gefährlichkeit orientierten Maßregeln nicht überschätzt werden. 22 Das BVerfG hat zwar die Bedeutung der gesetzlichen Strafrahmen betont, allerdings nur im Hinblick auf die vorgelagerte Frage, ob eine „langandauernde Unterbringung" gegeben sei, die eine besonders strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich mache. 2 3 Damit ist zugleich gesagt, dass eine starre Begrenzung der Unterbringungsdauer durch die Strafrahmenobergrenze der erwarteten Delikte jedenfalls von Verfassungs wegen nicht geboten ist. d) Der Grad der Gefahr, die vom Täter ausgeht, ist, wie bemerkt (Rdn. 19), auf die Größe der Wahrscheinlichkeit zu beziehen, wobei aber wiederum auch die Begehungshäufigkeit eine Rolle spielen kann. Sie ist hinreichend zu konkretisieren (BVerfGE 2 0 297, 313).
22
Die Größe der Wahrscheinlichkeit betrifft auch die zeitliche Nähe neuer Taten. Sie hat unbeschadet des Umstandes Bedeutung, dass das Maßregelrecht eine Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten grundsätzlich voraussetzt. Denn auch bei Vorliegen dieser Voraussetzung kann das Maß der Wahrscheinlichkeit unterschiedlich intensiv sein. 24 Bei der zu erwartenden Begehungshäufigkeit hat auch die Riickfallgeschwindigkeit der schon begangenen Taten indizielle Bedeutung. 3. Gesamtwürdigung der Bezugspunkte. Die genannten Bezugspunkte sind zunächst für sich zu prüfen und sodann in einer Gesamtwürdigung zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen. 25
23
a) Die Prüfung der Relation, des Verhältnisses zwischen der Schwere des Eingriffs und der vom Täter ausgehenden Gefahren, macht das Wesen dieser Gesamtprüfung und zugleich den wesentlichen Kern des § 62 aus. 2 6 Dies folgt schon aus dem Zweck der Maßregeln (Vor § 61 Rdn. 29 ff), die vor allem an die in Zukunft drohenden Rechtsverletzungen anknüpfen.
24
22
23
24 25
Für eine Begrenzung der Unterbringungsdauer durch die Strafrahmen der drohenden Delikte dagegen Dessecker, S. 356 ff. BVerfGE 70, 297, 316; s. auch BVerfG NJW 1995 3 0 4 8 ; BVerfG NStZ-RR 2 0 0 4 76, 78. Näher Müller S. 61 ff; Bae S. 171 ff. BGHSt 24 134, 135; BGH bei Holtz MDR
26
1979 280, Fischer Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2; eingehend Bae S. 174 ff; Böllinger/ Pollähne NK § 69 Rdn. 13. Horn SK Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2; vgl. auch Schmidhäuser AT 2 21/19, S. 826; Lackner/Kühl Rdn. 2; BVerfGE 7 0 297, 315, 317.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Nicht die Schwere der begangenen Taten, sondern die vom Täter ausgehende künftige Gefahr muss danach in erster Linie im angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen. 27 25
b) Dass künftige Taten von besonderer Schwere zu erwarten sind, kann daher eine Maßregel auch dann rechtfertigen, wenn die bisherigen Taten für sich betrachtet wenig gewichtig sind. 28 Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 62, der die Maßregelanordnung nur dann verbietet, wenn die UnVerhältnismäßigkeit der Maßregel in Bezug auf alle drei Anknüpfungspunkte feststeht (so richtig Horn SK Rdn. 5), also auch hinsichtlich der „Bedeutung der vom Täter zu erwartenden Taten". Allerdings ist in dieser Konstellation die Prognose zukünftiger erheblicher Taten besonders sorgfältig zu begründen, da die Anlasstat als Indiz in dieser Konstellation gerade nicht herangezogen werden kann. 29 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darf also nicht dazu führen, eine an sich nicht ausreichende Erheblichkeit der begangenen Tat durch eine oberflächliche Vorhersage zu erwartender Taten und Gefahren zu kompensieren. Denn § 62 dient der Einschränkung der Anordnungsmöglichkeiten, keinesfalls aber dem Zweck, das vom Gesetzgeber jeweils aus gutem Grund vorausgesetzte Gewicht der Anlasstaten zu überspielen; insoweit kommt vielmehr eine Maßregel von vornherein nicht in Betracht.
26
c) Hat der Täter schwere Anlasstaten begangen, sind von ihm aber in Zukunft nur geringe Rechtsbrüche zu erwarten, ist ebenfalls zu beachten, dass § 62 nach seinem Zweck und nach dem Zweck der Maßregeln nicht zu einer „Aufwertung" der Gefährlichkeit führen kann (im Ergebnis ebenso Baumann/Weber AT 9 § 44 I 3; Horn SK Rdn. 5).
27
d) Ob oder wieweit der Besserungszweck einer Maßregel, also die Chance der Heilung oder Besserung, bei Prüfung des § 62 für ihre Anordnung oder Aufrechterhaltung ins Gewicht fällt, ist streitig und zweifelhaft. 30
28
Das Problem kann vor allem bei der Frage praktisch werden, ob der „Zweck der Maßregel" die (weitere) Vollstreckung noch fordert (§§ 67b Abs. 1, 67d Abs. 2, 67g Abs. 1). Kommt der Richter zu der Überzeugung, dass dies im Hinblick auf die künftige Gefährlichkeit nicht (mehr) der Fall ist oder unverhältnismäßig wäre, würde er nun aber im Hinblick auf den Besserungs- oder Heilungszweck den Täter doch mit der Maßregel (weiter) belasten, würde er gegen den Grundsatz verstoßen, dass Heilung und Besserung allein strafrechtliche Maßregeln nicht rechtfertigen (Vor § 61 Rdn. 34) und daher auch ihren (weiteren) Vollzug nicht zulässig machen können. Außerdem würde er gegen § 62
27
28
29 30
Haag S. 38; Jescheck/Weigend AT § 7 7 1 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2; Lackner/Kühl Rdn. 2; bedenklich LG Paderborn StV 1985 71. BGHSt 2 4 134, 135; Jescheck/Weigend AT § 7 7 1 5; Maurach/Gössel/ Zipf AT II § 67 Rdn. 17 mit berechtigtem Hinweis auf die „nicht recht geglückte" Gesetzesformulierung; Lenckner S. 186; Fischer Rdn. 5; Horn SK Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2; Müller-Dietz NStZ 1983 149. Vgl. Bae S. 189. BGH bei Holtz MDR 1978 110 hat die Frage
284
(für eine Anordnung nach § 63) verneint; verneinend auch Horn SK Rdn. 6. Für eine Einbeziehung hingegen Horstkotte J Z 1970 152, 156 und (eingehend) LK 1 0 § 67d Rdn. 52 ff m.w.Nachw.; Lang-Hinrichsen LK 9 § 42a Rdn. 12; Frisch Prognoseentscheidungen S. 101, 148; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2; vgl. auch BVerfGE 7 0 297, 318 (gegen die genannte BGH-Entscheidung bei Holtz): verfassungsrechtlich könne dem Besserungsgesichtspunkt im Rahmen des § 62 „nicht jede Erheblichkeit abgesprochen werden".
Heinz Schöch
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
§62
selbst verstoßen, wenn und soweit noch bestehende Aspekte der Gefährlichkeit nach Art und Ausmaß der zu erwartenden Taten zum Vollzug der Maßregel außer Verhältnis stehen. Zu Recht leitet Horn (SK Rdn. 6) aus diesen Erwägungen die allgemeine Einsicht ab, dass die genannte Formulierung vom „Zweck der Maßregel" nur den Sicherungszweck meinen kann. Etwas anderes gilt im Rahmen des § 62 nur, wenn im konkreten Einzelfall beim (weiteren) Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel Heilung oder Besserung nicht zu erwarten oder unwahrscheinlich sind. Zwar hindert dies - vom Sonderfall des § 64 abgesehen - (vgl. Schöch LK § 64 Rdn. 4 ff) die (weitere) Unterbringung natürlich dann nicht, wenn sie sich im Hinblick auf die zu erwartenden Taten und den Grad der vom Täter drohenden Gefahr als verhältnismäßig erweist (Horn SK Rdn. 6; vgl. auch Rdn. 23 f). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine Maßregel, insbesondere hinsichtlich ihrer Dauer (oben Rdn. 11), für den Betroffenen um so schwerer wiegt, je weniger die mit ihr verbundene Freiheitsentziehung für sein weiteres Leben fruchtbar gemacht werden kann. 31 Dieser (nach dem BVerfG 32 insbesondere bei langer Unterbringungsdauer besonders zu gewichtende) Gesichtspunkt kann im Sinne der oben erwähnten „integrierten Betrachtungsweise" schon die Maßstäbe der Prognose in § 67d Abs. 2 zugunsten des Täters beeinflussen,33 wird aber nach der Systematik des Gesetzes in erster Linie im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in § 67d Abs. 6 S. 1 2 Alt. relevant werden. Angesichts der unterschiedlichen Ausgestaltung und Zielsetzung der Unterbringung nach § 63 und der Sicherungsverwahrung nach $ 66 erscheint es aber fraglich, ob erstere selbst bei fehlenden Behandlungsaussichten stets dann als unverhältnismäßig anzusehen ist, wenn die Voraussetzungen der Fortdauer einer Sicherungsverwahrung im selben Fall nicht mehr vorlägen (vgl. Kaspar Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2007 217, 223 f). 34
29
Umstritten ist, ob bei Tätern, die als therapeutisch auch langfristig nicht erreichbar 3 0 eingestuft werden, die Einrichtung besonderer „Longstay-Abteilungen" zu empfehlen ist.35 Diese Einrichtungen, die in den Niederlanden bereits existieren, zielen in erster Linie auf das Wohlbefinden der Untergebrachten ab und weniger auf eine Besserung (vgl. § 63 Rdn. 25). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hier nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass bei schlechter Prognose auch im herkömmlichen Maßregelvollzug eine Entlassung nicht zu erwarten ist. 36 Allerdings muss gerade hier eine regelmäßige Kontrolle durch die Strafvollstreckungskammer gemäß § 67e erfolgen sowie die Möglichkeit der Wiederaufnahme der Therapie bestehen.37 Außerdem ist auf eine Durchlässigkeit zwischen Behandlungs- und Verwahreinrichtungen zu achten, damit bei neuen Gesichtspunkten im weiteren Verlauf, die eventuell eine bessere Behandlungsprognose ermöglichen, flexibel reagiert werden kann (Leygraf Handbuch 3, 215 f). Eine weitere Schwierigkeit dürfte darin liegen, die Gruppe der nicht therapiefähigen Täter korrekt zu bestimmen.38
31
32
33 34
35
Horn SK Rdn. 6; vgl. auch Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 58 f. BVerfGE 70 297, 316; BVerfG NStZ-RR 2 0 0 4 76, 77. Skeptisch Veh MK § 67d Rdn. 21. So aber OLG Hamburg NStZ-RR 2 0 0 5 4 0 ; s. auch Kruis StV 1998 97. S. Volckart/Grünebaum S. 2 2 4 f; Lindemann R8cP 2 0 0 2 8; Osterheider R & P 2 0 0 2 17;
36
37
38
Schöch S. 4 0 8 ; Perik R & P 2 0 0 2 2 3 ; Dönisch-Seidel in Egg „Gefährliche Straftäter", 2 0 0 5 , S. 169. So zu Recht Volckart/Grünebaum S. 2 2 5 gegen Lindemann R & P 2 0 0 2 8 ff. Schöch S. 4 0 8 ; Volckart/Grünebaum S. 2 2 5 ; Osterheider R & P 2 0 0 2 17. Leygraf R & P 2 0 0 2 3; Volckart/Grünebaum S. 2 2 5 ; kritisch Eisenberg NStZ 2 0 0 4 2 4 0 .
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Eine weitergehende Berücksichtigung der Chancen zur Heilung oder Besserung des Täters im Rahmen des § 62 ergibt sich - entgegen namentlich Frisch (Prognoseentscheidungen S. 148) - insbesondere auch nicht aus dem Gesichtspunkt, dass mit einem Besserungserfolg ja weitere Straftaten verhütet werden. Denn diese Verhütung ist ohnedies der zentrale Zweck aller Maßregeln und beherrscht daher auch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 62. Aber dies besagt nicht, dass eine unter Verhütungsgesichtspunkten für sich unverhältnismäßige oder unverhältnismäßig gewordene Maßregel im Hinblick auf eine Heilung oder Besserung weitergehend erlaubt sein könnte, weil dies die Funktion des Strafrechts überspringen würde (vgl. Schöch LK Vor § 61 Rdn. 34; Horn SK Rdn. 6).
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e) Gewissheit über die künftige Entwicklung des Täters wird bei § 62 nicht verlangt. Die Prognose seiner Gefährlichkeit setzt bei den einzelnen Maßregeln zwar eine - abgestufte - Wahrscheinlichkeit voraus (Schöch LK Vor § 61 Rdn. 52 ff). Die Anwendung des § 62 muss jedoch, wie schon das Abstellen auf den „Grad" der Gefahr zeigt, auch das Maß des Risikos mit einbeziehen (vgl. BVerfGE 70 297, 313: „vertretbares Risiko"). V. Die unverhältnismäßige Maßregel
33
Eine unverhältnismäßige Maßregel darf nicht angeordnet bzw. nicht weiter vollstreckt werden (BVerfG StV 1994 595, BGH NJW 1970 242). Für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus ist letztere Fallgruppe durch das Gesetz vom 23.7.2004 in § 67d Abs. 6 S. 1 2. Alt. geregelt (Rdn. 6). Den instruktiven Fall einer unzulässigen Anordnung behandelt die Entscheidung BGH NJW 1970 1242. Hier hat der BGH bei der „geringfügigen Bedeutung" der mehr als drei Jahre zurückliegenden, überdies höchst unklaren Tat eines Hirnverletzten, obwohl dieser einschlägig vorbestraft war und unter Alkoholeinfluss zu entsprechenden Taten (sexuellen Zudringlichkeiten gegenüber Kindern) neigte, UnVerhältnismäßigkeit bejaht und die tatrichterliche Anordnung der Unterbringung aufgehoben.
34
Möglicherweise kommt aber statt einer unverhältnismäßigen Maßregel die Anordnung einer landesrechtlichen Unterbringung in Betracht, die nicht unverhältnismäßig
- Freiheitsentziehende Maßregeln § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit ( § 2 1 ) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
39
Fischer Rdn. 6 unter Bezugnahme auf BGHSt. 2 0 2 3 2 ; zu dieser Entscheidung s.
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§ 63 Rdn. 88; s. auch BGH NStZ-RR 1998 359.
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Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§ 63
Schrifttum Aebersold Die Verwahrung und Versorgung vermindert Zurechnungsfähiger in der Schweiz (1972); Athen Zur gegenwärtigen Situation der Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher, MschrKrim. 1985 34; Bae Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Maßregelrecht des StGB (1985); Bargfrede/Horstbrink/Leber Enthospitalisierung gem. § 63 StGB langzeituntergebrachter Patienten im Westfälischen Zentrum für Forensische Psychiatrie, R&P 1995 55; Baur Besserung und Sicherung - zur Problematik des Vollzuges der Maßregeln ... nach §§ 63 und 64 StGB, StV 1982 33; ders. Der Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung nach den §§ 63 und 64 StGB ..., Diss. Münster 1988 (zit. Diss.); ders. Probleme der unbefristeten Unterbringung und der Entlassungsprognose bei psychisch kranken Tätern (§ 63 StGB), MDR 1990 473; Bergener (Hrsg.) Psychiatrie und Rechtsstaat (1981); ders. (Hrsg.) Die zwangsweise Unterbringung psychisch Kranker. Problematik aus der Sicht von Richtern und Ärzten (1986); Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drs. 7/4200 (Bericht der Sachverständigen-Kommission; dazu auch Anhang [Bericht der Arbeitsgruppen, Material, Gutachten u.ä.] BT-Drs. 7/4201); Bernsmann Maßregelvollzug und Grundgesetz, in: Blau/Kammeier (s. dort) S. 142; Best Das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG und die Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 2 Abs. 6 StGB), ZStW 114 (2002) 88; Bischof Behandlungsdauer strafrechtlich Untergebrachter im psychiatrischen Krankenhaus, MschrKrim. 1985 29; ders. Zum weiteren Verbleib strafrechtlich Untergebrachter im psychiatrischen Krankenhaus nach Aussetzung des Maßregelvollzugs, Forensia 1987 103; Blau Regelungsmängel beim Vollzug der Unterbringung gemäß § 63 StGB, Festschrift Jescheck (1985) S. 1015; Blau/Kammeier (Hrsg.) Straftäter in der Psychiatrie. Situation und Tendenzen des Maßregelvollzugs (1984); Boetticher/Kröber u.a. Mindestanforderungen für Prognosegutachten NStZ 2006, 537; Bohnert Untersuchungshaft und Einstweilige Unterbringung, J R 2001 402; Böhm Vollstreckungsreihenfolge und Anrechnung bei Unterbringung und Freiheitsstrafe aus verschiedenen Urteilen, NStZ 1996 583; Böker/Häfner Gewalttaten Geistesgestörter (1973); Braasch Untherapierbare Täter im Maßregelvollzug (2006); ders. Untherapierbare Täter im Maßregelvollzug Forens Psychiat Psychol Kriminol 2007 269; Bringewat Zur Behandlung einer freiheitsentziehenden Maßregel bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung, J R 1998 122; Bruns Sicherungsmaßregeln und Verschlechterungsverbot, J Z 1954 730; ders. Psychiatrischer Zwang und gesellschaftliche Differenzierung. Untersuchungen zu Epidemiologie, Soziologie und Psychologie psychiatrischer Zwangseinweisungen (1993); Castoldo Der durch Geisteskrankheit bedingte Irrtum: ein ungelöstes Problem, ZStW 103 (1991) 541; Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit (2004); ders. Die Überlastung des Maßregelvollzugs NK 2005, 23; Detter Zur Schuldfähigkeitsbegutachtung aus revisionsrechtlicher Sicht, Blutalkohol 1999 3; Dölling Gerechtigkeit, Hilfe und Kontrolle - Über Entwicklungen bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung und bei der Anordnung der Maßregeln der Besserung und Sicherung, Festschrift Rolinski (2002) S. 55; Ehrhardt Zur Reform von Maßregelrecht und Maßregelvollzug, FortschrNeurolPsych 1969 660; Ehrhardt Der Vollzug im psychiatrischen Krankenhaus, Krim. Gegenwartsfragen, Heft 11 1974 152; Eickhoff Die Benachteiligung des psychisch kranken Rechtsbrechers im Strafrecht, NStZ 1987 65; Eisenbach-Stangel/Stangel (Hrsg.) Grenzen der Behandlung (1984); Eisenberg Zur Zuständigkeit bei Entscheidungen über Entlassungen und Vollzugsmaßnahmen im Maßregelvollzug der Jugendgerichtsbarkeit, NStZ 1998 104; ders. Die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB und so genannte „Nicht-Therapiegeeignetheit", NStZ 2004 240; Eisenberg/Sieveking Zur Einbeziehungsfähigkeit eines früheren Urteils gemäß § 31 Abs. 2 S. 1 JGG, wenn in diesem wegen Verhängung einer Unterbringung eine Jugendstrafe oder ein Zuchtmittel nicht ausgesprochen wurde, J Z 1993 530; Frankhauser Wohin mit psychisch kranken Rechtsbrechern? MschrKrim. 1986 130; Frisch Prognoseentscheidungen im Strafrecht (1983); Geilen Sukzessive Zurechnungsunfähigkeit, Unterbringung und Rücktritt - BGHSt 23, 356, JuS 1972 73; Gretenkord/Lietz Zur Entwicklung des Maßregelvollzugs in Hessen, MschrKrim. 1983 376; v. d. Haar Quo Vadis Forensische Psychiatrie?, WsFPP 3/2002 7; Habermeyer/Saß Die Mindeststandards der Schuldfähigkeitsbegutachtung aus psychiatrischer Sicht, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2007 10; Hanack Sozialtherapie und Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB n.F., J R 1975 441; Höhner Verweildauer, Diagnosen und Delikte der § 63-Forensik-Patienten der Rhein. Landeskliniken, MschrKrim. 1993 83; H.-J. Horn Der Maßregelvollzug im Spannungsfeld zwischen Besserung und Sicherung,
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§63
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Festschrift Leferenz S. 485; Jansen Sexualstrafrecht - ein Fall der Aussagepsychologie, StraFo 2005 233; Jehle Rechtswirklichkeit der strafrechtlichen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Festschrift Venzlaff S. 211; Kaiser Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? (1990; zit. Krise); Kögler Die zeitliche Unbestimmtheit freiheitsentziehender Sanktionen des Strafrechts (1988 = Diss. Frankfurt); Koller Weggeschlossen für immer?, Forensik 2004 181; ders. Zur gerichtlichen Praxis der Einweisung in den und der Entlassung aus dem Maßregelvollzug nach den §§ 63, 64 StGB und zur Bedeutung von Begutachtung und Prognostik in: ver.di (Hrsg.) Tagungsband der Maßregelvollzug - Wegsperren für immer? (2005) 12; ders. Die bedingte Entlassung aus der Unterbringung nach den § § 63, 64 StGB - Voraussetzungen, Verfahren, Praxis, BewHi 2005 237; ders. Die Erledigung der Unterbringung nach § 63 StGB, Festschrift Venzlaff (2006) 229; Konrad Fehleinweisungen in den psychiatrischen Maßregelvollzug, NStZ 1991 315; ders. Gleichzeitige Anordnung und Aussetzung einer Maßregel, R & P 1991 2; ders. Forensisch-psychiatrisches Gutachten im Unterbringungsverfahren gemäß § 63 StGB, MEDSACH 1992 25; ders. Der in der Therapie rückfällig gewordene Drogenabhängige, der enttäuschte begutachtende Therapeut und die Unterbringung nach § 63 StGB, R & P 1993 170; ders. Forensisch-psychiatrische Begutachtung der Schuldfähigkeit bei koprophilen Handlungen an einem Minderjährigen, Rechtsmedizin 1997 61; Kröber Psychiatrische Beurteilung (2001); Kröniger Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - Dauer und Gründe der Beendigung - , BewHi 2005 257; Kröber/Dannhorn Zum Beurteilungsspielraum gerichtlicher Unterbringungsentscheidungen bei sog. Borderline-Persönlichkeitsstörung, NStZ 1998 80; Kruis Die Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln und die Verhältnismäßigkeit, StV 1998 94; Laubenthal Zur Bestimmung der Erheblichkeit künftiger Taten im Sinne von § 63 StGB, J Z 1997 687; ders. Sexualstraftaten (2000); Leipold Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, NJW-Spezial 2005 279; Less Die Unterbringung von Geisteskranken. Eine rechtsvergleichende Kritik der Zwangseinweisung in psychiatrische Krankenhäuser in den USA und der Bundesrepublik Deutschland (1988; Beiträge aus dem Max-Planck-Institut für Strafrecht Freiburg, Bd. 13); Leygraf Psychisch kranke Straftäter (1988; zit. Leygraf); ders. Verschiedene Möglichkeiten, als nicht therapierbar zu gelten, R&P 2002 3; ders. Maßregelvollzug und Strafvollzug, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass (Hrsg. Handbuch der forensischen Psychiatrie Band 3 (2006, 193; zit. Handbuch 3); Lindemann Zur Vereinbarkeit gesonderter Longstay-Abteilungen im Maßregelvollzug mit den geltenden (verfassungs-)rechtlichen Vorgaben, R&P 2002 8; Loos Zur Anrechnung einer zu Unrecht vollzogenen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf die Freiheitsstrafe, NStZ 1993 254; Marquardt Dogmatische und kriminologische Aspekte des Vikariierens von Strafe und Maßregel (1972); Marschner Psychische Krankheit und Freiheitsentziehung. Eine vergleichende Kritik des geltenden Unterbringungsrechts (1985); Müller-Dietz Rechtsfragen der Unterbringung nach § 63 StGB, NStZ 1983 145, 203; ders. Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und Verfassung, J R 1987 45; Müller-Isberner Die Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher in Hessen, ZfStRVo 1992 363; ders. Behandlung und Maßregelvollzug, in. Venzlaff/Foerster (Hrsg.), Psychiatrische Begutachtung, 4. 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Gründe für die Bestimmung der Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67, § 67d Abs. 5 StGB, R & P 1991 109; Rasch/Konrad Forensische Psychiatrie (2004); Rautenberg Wegschließen für immer!?, NJW 2001 2608; Rentzel-Rothe Prävention und Personensorge, R&P 1991 18; Ritzel Unterbringung nach § 63 2. StrRG: Besserung oder Sicherung? MschrKrim. 1975 182; ders. Stand und Entwicklung des psychiatrischen Maßregelvollzugs in Niedersachsen, MschrKrim. 1989 123; Royen Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bzw. in einer Entziehungsanstalt nach §§ 63, 64 StGB als kleine Sicherungsverwahrung?, StV 2005 411; Saage/Göppinger Freiheitsentziehung und Unterbringung3 (1994); Schalast/Seifert/Leygraf Patienten des Maßregelvollzugs gemäß § 63 StGB mit geringen Entlassungsaussichten, Forens Psychiatr Psychol Kriminol
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Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
2007 34; Schlegl Der Rücktritt vom Versuch eines zurechnungsunfähigen Täters und die Unterbringung nach § 42b StGB, NJW 1968 25; Scbmitt-Homann Das Straftäter-Unterbringungsgesetz, ZRP 2002 236; Schneider Beendigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei Zweckerreichung - Eine kriminalpolitische Herausforderung, NStZ 2004 649; Schöch Juristische Aspekte des Maßregelvollzugs, in: Foerster (Hrsg.), Psychiatrische Begutachtung 4 (2004) S. 385; Schreiber/Rosenau Rechtliche Grundlagen der psychiatrischen Begutachtung, in: Foerster (Hrsg.), Psychiatrische Begutachtung (2004) S. 53; Scbroth Die strafrechtliche Regelung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Festschrift Schüler-Springorum (1993) 595; Schumann Vera Psychisch kranke Rechtsbrecher. Eine Querschnittuntersuchung im Maßregelvollzug (1987); Schwind/ Blau (Hrsg.) Strafvollzug in der Praxis 2 (1988); Seifert Gefährlichkeitsprognosen (2007); Seifert/ Bolten/Möller-Mussavi Gescheiterte Wiedereingliederung nach Behandlung im Maßregelvollzug (§ 63 StGB) oder Wie lassen sich Rückfälle verhindern?, MschrKrim. 2003 127; Seifert/MöllerMussavi/Bolten Aus dem Maßregelvollzug entlassene Sexualstraftäter, Sexuologie 2003 13; Seifert/ Möller-Mussavi/Bolten/Losch Wegweiser aus dem Maßregelvollzug (gemäß § 63 StGB), StV 2003 301; Seifert/Mussavi Führungsaufsicht und Bewährungshilfe, NStZ 2006 131; diess. Aktuelle Rückfalldaten der Essener prospektiven Prognosestudie, Fortschr Neurol Psychiat 73 (2005), 16; Seifert/ Schiffer/Leygraf Plädoyer für die forensische Nachsorge, Psychiat Prax 2003 235; Sieben Sicherheitsbelange und Städtebaurecht - Zur Möglichkeit von Gemeinden, die Errichtung und Erweiterung von Straf- und Maßregelvollzugseinrichtungen durch Bauleitplanung zu steuern, BauR 2004 32; Stalinski Die einvernehmliche Zwangsbehandlung, BtPrax 2000 59; Stolpmann Bietet mehr Sicherung mehr Sicherheit?, NStZ 1997 316; Streng Komorbidität, Schuld(un)fähigkeit und Maßregelanordnung, StV 2004 614; Toepel Nach welchen Vorschriften richtet sich die Vollstreckung von Unterbringungen, die nach § 16 Abs. 3 StGB DDR angeordnet wurden?, NStZ 1994 150; ders. Sind Einweisungen nach dem Einweisungsgesetz der früheren DDR freiheitsentziehenden Maßregeln nach § 63 StGB gleichzustellen?, NStZ 1996 101; Venzlaffl. Strafrechtsreformgesetz und Krankenhauspsychiatrie, Festschrift Schaffstein (1975), S. 293; Verrei Die Verwertung von Schuldfähigkeitsgutachten im Strafurteil, ZStW 106 (1994) 332; Volckart Praxis der Kriminalprognose. Methodologie und Rechtsanwendung (1997); Volckart/Grünebaum Maßregelvollzug 6 (2003); B. Wagner Effektiver Rechtsschutz im Maßregelvollzug - § 63 StGB - (1988); Wagner Die neue Entscheidung des BVerfG zur lebenslangen Freiheitsstrafe und ihre Folgen für die Maßregel nach § 63 StGB, R&P 1992 131; Weigend Ist im Sicherungsverfahren eine Nebenklage zulässig?, NStZ 1991 98; Wenz Das Verhältnis der strafrechtlichen Unterbringung geistesgestörter Täter zu außerstrafrechtlichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr, Diss. Mainz 1970; Westfälischer Arbeitskreis Lockerungen im Maßregelvollzug/§ 63 StGB - ein „kalkuliertes Risiko"?, NStZ 1991 64; Winckler/Foerster Zur Berücksichtigung von Eifersuchtswahn nach §§ 20, 21 StGB, NStZ 1998 297; dies. Eingeschränkte Steuerungsfähigkeit bei dissozialer Persönlichkeitsstörung, NStZ 2002 192; Wüstenberg Der Betreute als Allgemeingefährlicher iSd § 63 StGB, BtPrax 2004 185; Zypries Neue Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht, StraFo 2004 221. S. im Übrigen die Angaben Vor § 61.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist durch das 2. StrRG - mit redaktionellen Änderungen durch Art. 18 II Nr. 20 EGStGB - neu gestaltet worden (zur Strafrechtsreform s. näher unter Rdn. 12 ff). Sie enthielt zunächst einen Absatz 2, nach dem das Gericht den Täter in der sozialtherapeutischen Anstalt (§ 65a.F.) unterzubringen hatte, wenn die Voraussetzungen des § 65 Abs. 3 (s. dort) vorlagen; der Absatz ist durch das StVollz-ÄndG v. 20.12.1984 - zusammen mit der ganzen, nie in Kraft getretenen Maßregel der sozialtherapeutischen Anstalt aufgehoben worden (s. § 61 Rdn. 12). Bis zum 2. StrRG galt seit dem GewohnheitsverbrecherG v. 24.3.1933 (Rdn. 6 Vor § 61) der folgende S 42b, der außer in der Bezugnahme auf § 55 Abs. 1 und Abs. 2 (Taubstumme, ursprünglich § 58 Abs. 1 und Abs. 2) während seiner Geltung unverändert blieb:
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
„(1) Hat jemand eine mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (§51 Abs. 1, § S5 Abs. 1) oder der verminderten Zurechnungsfahigkeit (§51 Abs. 2, § 55 Abs. 2) begangen, so ordnet das Gericht seine Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt an, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert. Dies gilt nicht bei Übertretungen. (2) Bei vermindert Zurechnungsfähigen tritt die Unterbringung neben die Strafe."
Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1. Zweck und Ziel 2. Probleme der Unterbringung „im Krankenhaus" 3. Defekte von längerer Dauer . . . 4. Empirische Befunde a) Angeordnete Unterbringungen b) Zahl der gemäß § 63 Untergebrachten c) Dauer der Unterbringung d) Probleme des Maßregelvollzugs e) Patienten mit geringen Entlassungsaussichten 5. Strafrechtsreform Π. Personenkreis (Jugendliche)
6. 11 16 21 24
26 7. 37 40 41 42 42 43 8. 45 48 49 50 51 53 54 56 57 58
20,
21 6. Symptomatischer Zusammenhang . IV. Die künftige Gefährlichkeit des Täters 1. Allgemeines 2. „Erwartung" weiterer Taten . . . . 3. Erwartung „rechtswidriger Taten" 4. Erwartung „erheblicher" rechtswidriger Taten a) Allgemeines b) Lediglich lästige Taten
290
5.
32
m . Begehung einer rechtswidrigen Tat unter den Voraussetzungen der §§ 2 0 , 21 1. Zweck der Begrenzung. Allgemeines 2. Bei verminderter Schuldfähigkeit . . 3. Bei ausgeschlossener Schuldfähigkeit a) Vorliegen einer Handlung . . . . b) Anforderungen zum inneren Tatbestand beim Vorsatzdelikt . . . . aa) Allgemeines bb) Trennung zwischen krankheitsbedingten und anderen Fehlvorstellungen cc) Ergebnis dd) Zur Kritik c) Fahrlässigkeitsdelikte d) Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe e) Versuch f) Strafausschließungs- und -aufhebungsgründe, insbes. Rücktritt . g) Bedeutung des Antragserforderh) Verjährung und Amnestie 4 . Gewicht der Anlasstat . . . 5. Feststehen der Merkmale der
Rdn.
59 69 70 71 77 79 80 86
c) Mehr als lästige Taten d) Grundsätzlich unerhebliche Delikte? e) Künftige Unterlassungstaten . . Gefährlichkeit „für die Allgemeinheit" Gefährlichkeit des Täters „infolge seines Zustandes" a) Kausalität zwischen Störung und Gefährlichkeit b) Zustand als länger dauernder Defekt c) Krankhaftigkeit bzw. Krankheitswert des Zustande d) Alkoholverträglichkeit und Rauschmittelsucht Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat; Verhältnismäßigkeit . . a) Gesamtwürdigung des Täters . . b) Würdigung der (Anlass-)Tat . . c) Relation zwischen Anlasstat und Gefährlichkeit d) Verhältnismäßigkeit e) Grundsatz in dubio pro reo . . . f) Maßgebender Zeitpunkt . . . . Das Subsidiaritätsprinzip a) Allgemeines b) Einzelfragen
V. Kumulation von Strafe und Unterbringung VI. Zwingender Charakter. Verhältnis zur Strafzumessung. Maßregelkonkurrenz VU. Verhältnis zu den Unterbringungsgesetzen der Länder 1. Landesrechtliche Vorschriften . . . . 2. Das Konkurrenzverhältnis zu § 63 a) Allgemeines b) Rechtsprechung c) Herrschende Lehre d) Grundsätzlich abweichende Auffassungen e) Konsequenzen und eigene Ansicht V i n . Dauer der Unterbringung; Aussetzung, Erledigung, Kontrolle 1. Dauer der Unterbringung 2. Aussetzung der Vollstreckung, Führungsaufsicht 3. Erledigung der Maßregel 4 . Kontrollpflichten
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89 94 96 97 101 101 105 108 113 118 119
122 126 130 131 132 133 133 138
146 151
158 159 159 161 164 164 169
176 177 179 181
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Rdn.
Rdn. IX. Vollstreckung und Vollzug 1. Reihenfolge der Vollstreckung . . . . 2. Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel 3. Auswahl einer konkreten Anstalt . . 4. Gestaltung des Vollzugs 5. Landesrechtliche Ausführungsvorschriften X. Verfahrensrechtliches 1. Einschaltung von Sachverständigen
.
2. Hinweispflicht des Gerichts 3. Einstweilige Unterbringung 4. Selbständige Anfechtung der Unterbringungsentscheidung 5. Zum Verschlechterungsverbot . . . . 6. Zu weiteren verfahrensrechtlichen Fragen
182 183 184 18J 188
§63
XI. Übergangsvorschriften („alte Bundesrepublik")
194 195 197 200 201 202
189
I. Allgemeines 1. Zweck und Ziel. Die Unterbringung von Schuldunfähigen (§ 20) und vermindert 1 Schuldfähigen (§ 21) nach § 63 dient der öffentlichen Sicherheit (BGHSt 33 285; BGH NStZ 1986 139; NStZ-RR 1999 44; ganz herrschende Lehre). Denn nur die Belange der öffentlichen Sicherheit können es rechtfertigen, einen Menschen wegen seines abnormen psychischen Zustands - und ganz unabhängig vom M a ß seiner Schuld - auf unbestimmte Zeit einer Freiheitsentziehung zu unterwerfen. Davon zu unterscheiden ist die Frage nach dem Ziel der Unterbringung (so auch Mül- 2 ler-Dietz NStZ 1983 148; vgl. auch Horn SK Rdn. 2). So eindeutig es ist, dass die Unterbringung allein im Interesse der öffentlichen Sicherheit zulässig ist, so eindeutig ist gerade bei Anlass und Gewicht der Maßregel auch, dass es das vorrangige Ziel der notwendigen Unterbringung sein muss, den Täter zu „bessern". Es wäre für ein rechtsstaatliches Strafrecht nicht annehmbar, einen Menschen wegen seines Zustands im Allgemeininteresse zu verwahren, ohne alles zu tun, um diesen Zustand möglichst schnell, d.h. auch: durch Einräumung aller denkbaren Heilungschancen, zu beenden (zum dabei bestehenden Spannungsfeld kritisch H.-J. Horn S. 485). Dies entspricht auch dem Anliegen des Gesetzgebers, der bei der Reform des Maßregelrechte ganz allgemein das Ziel der Besserung in den Vordergrund gerückt hat (Vor § 61 Rdn. 30 ff). Dementsprechend bestimmt jetzt § 136 StVollzG nicht nur, dass sich die Behandlung des Untergebrachten „nach ärztlichen Gesichtspunkten" richtet; er bestimmt vor allem auch als Behandlungsziel, dass der Untergebrachte „soweit möglich" „geheilt" oder doch sein „Zustand soweit gebessert werden (soll), dass er nicht mehr gefährlich ist" (näher dazu Rdn. 185). In der Regel gelingt es nicht, aus dem Untergebrachten einen völlig neuen Menschen zu machen. Er soll lediglich erlernen, seine Impulse zu delinquentem Verhalten unter Kontrolle zu halten, um keine weiteren Straftaten zu begehen. Es geht somit nicht um „Heilung", sondern „hinreichende Selbstkontrolle" (vgl. Kröber Psychiatrische Beurteilung 2001 147 [155]).
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Die klare Betonung der Besserungsaufgabe bedeutet ohne Zweifel einen Fortschritt gegenüber dem früheren Recht, das es hier an der nötigen Deutlichkeit fehlen ließ. Es ist jedoch hervorzuheben, dass fehlende Heilungs- bzw. Besserungsaussichten der Unterbringung nach § 63 nicht entgegenstehen. 1 Hieran hat sich auch durch die Entscheidung des
4
1
BGH bei Holtz M D R 1978 110; BGH NStZ 1990 122 123; 1998 35; 2002 533; StV 1995 300; BGHR StGB Ablehnung 1; BGH NJW 1991 1244; R&P 2006 102; BGH, Beschl. v. 6.8.1997 - 2 StR 199/97; OLG Hamburg
NJW 1995 2424; Kruis StV 1998 96 f; Eisenberg NStZ 2 0 0 4 2 4 0 ff; Müller-Dietz NStZ 1983 148; Lackner/Kühl Rdn. 1 m.w.N.; Sch/Schröder/Stree Rdn. 1, 20; Fischer Rdn. 2; van Gemmeren MK Rdn. 1.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Bundesverfassungsgerichts zu § 64 vom 16.3.1994 (BVerfGE 91 1), wonach die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter vollzogen werden darf, wenn keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht, nichts geändert. 2 Notfalls wird mit der Unterbringung auch lediglich ein bloßer Sicherungszweck verfolgt. 3 Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist jedoch in diesem Fall die Erheblichkeitsschwelle des § 66 analog heranzuziehen (LG Duisburg StraFo 1998 69; vgl. Kruis StV 1998 94, 97). Der Gesetzgeber nennt neben dem vorrangigen Ziel der „Besserung" auch die „Sicherung" (Jehle Festschrift Venzlaff S. 211, 215, 224). Das bloße Fortbestehen einer - wenngleich behandlungsbedürftigen - psychischen Störung vermag jedoch weder die Anordnung noch die Fortdauer dieser schwerwiegend in die Freiheit eines Täters eingreifenden Maßregel zu rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen einer negativen Gefahrprognose nicht mehr gegeben sind (vgl. BGH, Beschl. v. 12.11.2003 - 5 StR 489/03). 5
2. Probleme der Unterbringung „im Krankenhaus". Von den §§ 20, 21 und demzufolge von § 63 werden auch Personen erfasst, die trotz ihrer Störungen und ihrer Gefährlichkeit nicht im eigentlich medizinisch-psychiatrischen Sinne behandlungs- oder pflegebedürftig sind. Die Betreuung dieses Personenkreises hat nach verbreiteten ärztlichen Klagen schon während der Geltung des § 42b a.F. viele Schwierigkeiten aufgeworfen: Die Täter passen ihrer Art nach in die Krankenanstalten oft wenig, können mit den dort möglichen und üblichen Mitteln vielfach nicht zweckdienlich betreut oder auch gesichert werden, wirken nicht selten als „Störer" und beeinträchtigen dadurch die Behandlung anderer Insassen, ganz abgesehen davon, dass die Umgebung ihrer eigenen Entwicklung unzuträglich sein kann und dass die gemeinsame Unterbringung mit „normalen Kranken" von diesen oder ihren Angehörigen vielfach als diffamierend empfunden wird. So ist insbesondere von ärztlicher Seite immer wieder die Forderung erhoben worden, die psychiatrischen Krankenhäuser von der Betreuung psychisch kranker Rechtsbrecher überhaupt, mindestens aber von der Betreuung solcher Rechtsbrecher zu entlasten, die, insbesondere als sog. Psychopathen, nicht der Behandlung durch eine spezifisch psychiatrische Klinik bedürfen. 4
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Der E 1962 wollte den genannten Forderungen immerhin entgegenkommen, und zwar insbesondere durch die umstrittene Institution der „Bewahrungsanstalt" für solche schuldunfähige oder vermindert schuldfähige Täter, „die für eine ärztliche Behandlung nach den in psychiatrischen Krankenanstalten möglichen und üblichen Methoden nicht geeignet sind und in derartigen Anstalten erfahrungsgemäß nicht nur selbst als Störer wirken, sondern eine Umgebung finden, die für ihre eigene Entwicklung unzuträglich erscheint" (so der 2. Bericht S. 27; vgl. auch Prot. V, 2253). Der Anstalt, die auf eine „Psychopathenanstalt" für „Störer" hinausgelaufen wäre, war dabei eine „Zwischenstellung zwischen den Strafanstalten und den Heilanstalten" zugedacht (näher E 1962, S. 210). Diese „Bewahrungsanstalt" ist dann später in Übereinstimmung mit entsprechenden Empfehlungen der Strafvollzugskommission und der Länderreferenten auf Vorschlag des Bundesjustizministeriums nach dem Konzept des AE in der Institution der
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4
So - völlig zutreffend - etwa OLG Hamburg NJW 1995 2 4 2 4 , 2 4 2 5 . BGH NStZ 2 0 0 2 5 3 3 5 3 4 Rdn. 6, StV 2 0 0 2 4 7 8 ; BGH bei Holtz MDR 1978 110; Hanseatisches OLG NJW 1995 2 4 2 4 . Näher zu diesen Forderungen z.B. die „Gut-
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achten und Stellungnahmen zu Fragen der Strafrechtsreform mit ärztlichem Einschlag" (BMJ, 1958); (Ehrhardt FortschrNeurolPsych 1969 6 6 8 ; Horstkotte Prot. V, 2 2 5 3 f; 2. Bericht s. 26).
Heinz Schöch
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
sozialtherapeutischen Anstalt gemäß § 65 aufgegangen (dazu insbes. Prot. V, 2245 ff, 2281 ff; 2. Bericht S. 27). Das Verhältnis zwischen dem psychiatrischen Krankenhaus und der sozialtherapeutischen Anstalt wurde dabei in den § § 6 3 Abs. 2, 65 Abs. 3 besonders geregelt (s. „Entstehungsgeschichte" und näher Hanack LK 1 0 , § 65 Rdn. 5 ff, 98 ff). Die Institution der sozialtherapeutischen Anstalt hätte die Probleme (Rdn. 5) gemildert, wenn auch nicht voll gelöst (Hanack LK 1 0 aaO). Infolge der Aufhebung des § 65 (s. „Entstehungsgeschichte") bestehen sie nun fort, wie vielfältige Berichte auch aus dem neueren Schrifttum zeigen, 5 mag sich in der neueren Psychiatrie mittlerweile auch die Forderung nach Entlastung ihrer Kliniken von den „Störern" erkennbar lockern (dazu unten Rdn. 186).
7
3. Defekte von längerer Dauer. Dass nicht in jedem Falle der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit eine Unterbringung zulässig ist, ergibt sich schon aus der Pflicht zur Feststellung, ob der Täter infolge seines Zustande i.S. des § 63 gefährlich ist. Es muss sich danach stets um Defekte von längerer Dauer handeln. Daher scheiden z.B. Fälle aus, in denen eine sonst gesunde Person im Zustand des schuldausschließenden oder schuldmindernden Affekts gehandelt hat, die durch den Affektstau bedingte Gefährlichkeit jedoch mit der Affekttat ihr Ende findet (vgl. Rdn. 106); doch braucht andererseits der Defektzustand nicht stets „akut" zu sein; vielmehr kann reichen, dass die Gefahr erneuter Taten unter den Voraussetzungen der §§ 20, 21 wegen besonderer Umstände in der Person des Täters (z.B. krankhaft gesteigerter Alkoholempfindlichkeit) nahe liegt. Vgl. dazu im Einzelnen Rdn. 105 ff.
8
4. Empirische Befunde a) Angeordnete Unterbringungen. Die Zahl der angeordneten Unterbringungen sank von 1955 bis 1967 von 607 auf 342, wo sie sich auch bis 1970 zunächst einpendelte.6 Dieser Rückgang dürfte auf der Vorwegnahme der mit der Strafrechtsreform verfolgten Intentionen beruhen {Jehle Festschrift Venzlaff, S. 214), die im 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4.7.1969 ihren vorläufigen Abschluss fand. Die geringste Zahl der Unterbringungen wird für 1970 ausgewiesen (306). In den Jahren von 1971 bis 1990 (432) fand nach den veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamts nur ein mäßiger Anstieg auf einen mittleren Wert von knapp 400 statt, wobei allerdings nicht ausgewiesen ist, wie viele Verurteilungen zugleich mit der Anordnung zur Bewährung ausgesetzt wurden (dazu Marschner S. 10). Der in § 62 verankerte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wirkte sich trotz eines Anstiegs der Dekulpationsquoten mäßigend auf die Anordnungspraxis aus. Seit 1990 (431) kam es zu einem stärkeren und nahezu kontinuierlichen Anstieg (Schaubild bei Jehle Festschrift Venzlaff 211, 215) auf 559 (1995) über 758 (2000) und zuletzt 861 (2005, Tabelle bei § 61 Rdn. 13 f). Die bisher höchste Zahl wurde 2 0 0 4 mit 929 Anordnungen erreicht. Dieser Anstieg beruht vor allem auf häufigeren Dekulpationen gem. § 21 wegen Persönlichkeitsstörungen und Störungen der Sexualpräferenz in der gutachtlichen und gerichtlichen Praxis (Schöch LK § 20 Rdn. 7, 10), aber auch auf einer häufige-
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So z.B.; Baur Diss. S. 5 5 und in: Blau/Kammeier S. 2 0 m.w.N.; Marschner S. 59; Wagner S. 15 m.w.N.; nach Frankenhäuser S. 130 ff sind Gewaltverbrecher sogar am besten in den Strafanstalten aufgehoben. Einzelangaben für die Zeit ab 1934 bei Ritzel
MschrKrim. 1 9 8 9 129; vgl. auch Rasch/Konrad Forensische Psychiatrie S. 79; Jescheck/ Weigend AT § 5 V 2; Horstkotte LK 1 0 , Erl. zu § 67d; Übersicht seit 1955 siehe oben § 61 Rdn. 12.
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§63
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ren Anordnung der Unterbringung bei Schuldunfähigen, die von 48 % aller Schuldunfähigen im Jahr 1980 auf 67 % im Jahr 2000 gestiegen ist (Dölling Festschrift Rolinski, S. 62 f). Bei den vermindert Schuldfähigen ist die Quote der Unterbringungen insgesamt natürlich geringer, jedoch ebenfalls deutlich angestiegen (1980: 0 , 8 9 % , 2000: 1,40%). 10 Hierfür kommen verschiedene Erklärungen in Betracht: Psychische Störungen können heute mit einem höheren Gefährdungspotenzial auftreten als früher oder sie werden von Sachverständigen und Richtern als gefährlicher eingestuft. Möglich ist es auch, dass Lücken in der medizinischen Versorgung psychisch Kranker verstärkt dadurch ausgeglichen werden, dass zum Mittel der strafrechtlichen Unterbringung nach § 63 StGB gegriffen wird (vgl. zum Ganzen mit differenzierten Tabellen Dölling Festschrift Rolinski, S. 63, 73 ff). Teilweise werden auch stärkeres Sicherheitsdenken und eine punitive Grundstimmung in der Kriminalpolitik dafür verantwortlich gemacht (Dessecker NK 2005 26). 11
b) Zahl der gemäß § 63 Untergebrachten. Nach der Vollzugsstatistik betrug die Zahl der Untergebrachten gemäß § 63 bis 1970 über 4000, ging dann aber bis 1980 (2593) kontinuierlich zurück und blieb bis 1990 (2489) auf diesem niedrigen Niveau (Tabelle 2 bei § 61 Rdn. 14). Hierbei wirkten sich neben den maßvollen Einweisungsquoten seit 1970 auch Verbesserungen im Maßregelvollzug aus, insbesondere die bessere personelle und sachliche Ausstattung im Anschluss an die Psychiatrie-Enquête (1975), modernere Behandlungskonzeptionen und Fortschritte in der medikamentösen Therapie, die kürzere Behandlungszeiten ermöglichten. Hinzu kamen die rechtliche Absicherung der Lockerungspraxis in den Maßregelvollzugsgesetzen der Länder und der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8.10.1985. Beide Faktoren erweiterten den therapeutischen Handlungsspielraum (Schöch S. 392).
12
Nach 1990 nahmen die Untergebrachten - den gestiegenen Anordnungszahlen entsprechend - bis 1995 leicht zu auf 2902, um dann explosionsartig zu steigen: 2000 waren bereits 4051 Personen untergebracht, 2005 waren es 5640 und zuletzt 2006 sogar 5917. Der wichtigste Grund für diese Zunahme ist die Verschärfung der prognostischen Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach § 67d Abs. 2 und die damit zusammenhängenden unklaren prozessualen Anforderungen an die obligatorischen Sachverständigengutachten (§ 454 Abs. 2 i.V.m. § 463 Abs. 3 Satz 3, 4 StPO durch das SexualdelikteBekG vom 26.1.1998 [kritisch hierzu Schöch NJW 1998 1258, 1262; Schöch S. 393]). Problematisch ist, dass die Zahl der Anordnungen die Zahl der Entlassungen aus dem Maßregelvollzug gemäß § 63 in den letzten Jahren um fast 50 % übersteigt. 2004 kamen auf 929 Anordnungen nur noch 627 Entlassungen.7 Bundesweit fand sich für das Jahr 2002 ein „Entlassungsverhältnis" von 1:18 (191 Entlassene bei 3485 Maßregelvollzugspatienten gemäß § 63 StGB (Leygraf Handbuch, Band 3, S. 194).
13
Bei den Unterbringungsdelikten ist eine Zunahme gewalttätiger Deliktsformen festzustellen. Jeweils ca. 30 % der untergebrachten Patienten haben ein Tötungs- oder Sexualdelikt begangen, jeweils ca. 15 % ein Körperverletzungs- oder Eigentumsdelikt. Bei den restlichen 10 % handelt es sich überwiegend um Brandstiftungen (Leygraf Handbuch Band 3, S. 195). Demgegenüber beträgt bei den aus dem Maßregelvollzug entlassenen
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Müller Stetiger Patientenzuwachs im M a ß regelvollzug gemäß § 6 3 StGB - Ursachen und Einflussmöglichkeiten, unveröffentlichter Vortrag im Universitätsklinikum Rostock
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( 2 0 0 6 ) , zitiert nach Schalast/Seifert/Leygraf Forens Psychiatr Psychol Kriminol 1 ( 2 0 0 7 ) 35 Fn. 5 ; vgl auch Koller in: ver.di S. 12 ff; ders. BewHi 2 0 0 5 2 3 7 f.
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Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
Patienten der Anteil der Sexualdelinquenten nur 13 % (Seifert 2005; zit. nach Leygraf aaO S. 195). Darin kommt sowohl die kritische Haltung der psychiatrischen Krankenhäuser als auch der Gerichte bei der Entlassung von Sexualdelinquenten zum Ausdruck. Es ist daher zu erwarten, dass sich der Anteil der Sexualstraftäter in den psychiatrischen Krankenhäusern in den kommenden Jahren noch weiter erhöhen wird. Das Durchschnittsalter der Untergebrachten (42,73 Jahre) und der Entlassenen (42,78 Jahre) hat sich in den letzten Jahren wieder etwas erhöht.8 Gegen Jugendliche und Heranwachsende (s. Rdn. 15) wird die Maßregel früher wie heute seltener als bei Erwachsenen und mit etwas größeren jährlichen Schwankungen angewendet. So wurde sie z.B. 1977 gegen 50 Heranwachsende und 26 Jugendliche angeordnet, 1986 gegen 32 Heranwachsende und 7 Jugendliche, 1995 gegen 29 Heranwachsende und 12 Jugendliche; 2000 gegen 53 Heranwachsende und 21 Jugendliche und 2005 gegen 86 Heranwachsende und 25 Jugendliche.9 Die im Urteil des BGH vom 25.4.1991 (BGHSt 37 373) verlangte besonders strenge Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit dieser Maßregel bei jungen Tätern scheint also keine nachhaltige Veränderung bewirkt zu haben, der ansteigende Trend bei den Anordnungen seit 1995 zeigt sich auch bei jugendlichen und heranwachsenden Tätern.
14
In einer Studie für Hessen wurde gezeigt, dass der überwiegende Anteil der nach § 63 untergebrachten Patienten vor ihrer Einweisung schon in psychiatrischer Behandlung war („Trans-Institutionalisierung"), wobei die Allgemeinpsychiatrie das Risiko nicht erfolgreich reduzieren konnte. 10 Verbesserungen in der Allgemeinpsychiatrie können auch zu einer Entlastung des Maßregelvollzuges beitragen.
15
c) Dauer der Unterbringung. Die durchschnittliche Dauer der Unterbringung, die natürlich vor allem von der oben geschilderten Entlassungspraxis abhängt, dürfte Mitte der 70er Jahre rund 10 Jahre betragen haben.11 Das ergibt sich aus den Untersuchungen von Gross für Niedersachsen (10,5 Jahre) und von Barth (zit. nach Ritzel MschrKrim. 1975 185) für Westberlin (9,4 Jahre). Ritzel (MschrKrim. 1989 131) errechnete für die Jahre ab 1976 einen Mittelwert der Unterbringungsdauer von 8,7 Jahren. Leygraf (S. 109) ermittelte für 2362 am 31.3.1984 untergebrachte Täter einen Mittelwert von 6,3 Jahren, bei etwa 20 % eine Verweildauer von mehr als 10 Jahren und bei 5,4 % eine solche zwischen 20 und 30 Jahren, wobei Sexualstraftäter den „harten" Kern bilden (Leygraf S. 116).
16
Auffallend sind die regionalen Schwankungen (eingehend Leygraf S. 119 ff), und zwar auch im Absinken der Verweildauer,12 so sank z.B. nach Gretenkord/Lietz (S. 383) die Verweildauer in Hessen von 10,9 Jahren im Jahre 1971 auf 4,1 Jahre im Jahr 1982; nach Bischof (S. 32) verkürzte sich in der Anstalt Haar bei München die durchschnittliche
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8
9
Vgl. dazu Kröniger Untersuchungen zur lebenslangen Freiheitsstrafe, Sicherungsverwahrung und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, www.krimz.de für 2 0 0 4 , dies. BewHi 2 0 0 5 2 5 7 , 2 5 8 f für 2 0 0 3 ; zur Entwicklung in Hessen Müller-Isberner/ Jöckel/Neumeyer-Bubel/lmbeck Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2 0 0 7 4 3 . Zahlen für 1 9 7 7 und 1 9 8 6 bei Eisenberg JGG, 4. Aufl. § 7 Rdn. 12; für 1 9 9 5 und 2 0 0 0 bei Eisenberg J G G , 11. Aufl. § 7 Rdn. 12, für
10
2 0 0 5 Stat. Bundesamt, destatis.de, Strafverfolgung Tab. 5.5. Müller-Isberner/Jöckel/Neumeyer-Bubel/ Imbeck Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2 0 0 7 4 3 , 47.
11
L K 1 0 Rdn. 10; Blau in: FS Jescheck, S. 1 0 2 5 ; van Gemmeren M K Rdn. 6; Böllinger/ Pollähne N K Rdn. 6; nach Ritzel MschrKrim. 1 9 8 9 131 allerdings nur 7 Jahre.
12
Vgl. Rasch 1 1 1 ; Bruns 1 0 4 ff.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Aufenthaltsdauer zwischen 1971 und 1984 von 7,3 Jahren auf knapp über 4 Jahre; nach Schumann (S. 79) lag die durchschnittliche Verweildauer in der Anstalt Eickelborn schon 1979 bei 4,8 Jahren. Im ersten Halbjahr 1988 betrug nach Höhner (MschrKrim. 1993 83, 86) die durchschnittliche Verweildauer in den forensischen Abteilungen des Landschaftsverbandes Rheinland zwischen 6 und 7 Jahren. 1992 lag die Verweildauer in der forensisch-psychiatrischen Klinik in Haina (Hessen) bei 4,0 Jahren (Nedopil S. 309). Zwischen 1997 und 2003 lag die mittlere Verweildauer nach einer repräsentativen Studie aus 7 Bundesländern bei 5,9 Jahren (Seifert Gefährlichkeitsprognosen S. 43). 18
Für die letzten Jahre liegen auch bundesweite Daten vor: 2002 betrug die durchschnittliche Unterbringungsdauer bundesweit 4,8 Jahre, 2003 waren es 5,88 und 2004 bereits 6,46 Jahre. 13 In Niedersachsen stieg die Dauer von 3,95 (1996) auf 6,5 Jahre (2002). 14 Der Anstieg der Verweildauer wird u.a. auf die o.g. Neugestaltung des Entlassungsverfahrens durch das SexualdelikteBekG (Rdn. 12), die Verschlechterung der sozialen Umweltbedingungen (sozialer Empfangsraum) und auf das allgemein gestiegene Sicherheitsbedürfnis zurückgeführt (fehle Festschrift Venzlaff S. 211, 216; Koller BewHi 2005 237, 238 f; Forensik 2004 181, 189 f mit Verweis auf Studien; Eisenberg NStZ 2004 240; vgl. Jansen StraFo 2005 233; für eine noch stärkere Berücksichtigung: Rautenberg NJW 2001 2608, 2609).
19
Die genannten Durchschnittszahlen sind allerdings nur beschränkt aussagekräftig für die Gesamtdauer der psychiatrischen Behandlung, weil bei einem beträchtlichen Teil der Täter die strafrechtliche Unterbringung im Laufe der Zeit in eine zivilrechtliche ( S S 1800, 1631b BGB) „umgewandelt" wird, so nach Querschnittsuntersuchungen von Ritzel und Schumann bei 30,5 bzw. 27,9 %, und zwar „vielfach" „im selben Krankenhaus" (so Schumann S. 46 m.w. Angaben). Ein erheblicher Teil der Betroffenen hat sich auch schon früher, oft wiederholt, in stationärer psychiatrischer Behandlung oder Unterbringung befunden (so z.B. nach der Studie von Schumann 5 2 % ) . Generell muss aber aufgrund der den Stichtags-Erhebungen immanenten Probleme von einer längeren individuellen Verweildauer ausgegangen werden.
20
Die Unterbringung kann auch lebenslang dauern.15 Nach Kröber 147 f geschieht dies zu 1 0 % („kaschierte Form der Sicherungsverwahrung"); nach Leygraf zwischen 9 und 1 2 % [Leygraf R & P 2002 3). Die Menschenwürde des Untergebrachten und sein Freiheitsgrundrecht werden trotz steigender Anforderungen an die Zulässigkeit des Freiheitsentzugs bei langer Dauer (BVerfGE 70 297, 315) dadurch nicht verletzt, weil die „Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums" es rechtfertigt, „unabdingbare Maßnahmen zu ergreifen, um wesentliche Gemeinschaftsgüter vor Schaden zu bewahren" (BVerfG NJW 2004 739 f; Koller BewHi 2005 237, 244).
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d) Probleme des Maßregelvollzugs. Bei den Untergebrachten handelt es sich naturgemäß um Personen mit unterschiedlichen Störungen und unterschiedlicher Vorgeschichte, also auch ganz verschiedener therapeutischer Beeinflussbarkeit. Einzeluntersuchungen zeigen, dass es sich vor allem um Täter mit Persönlichkeitsstörungen, endogenen Psycho-
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14 15
Kröniger www.krimz.de; für 2003: Kröniger BewHi 2 0 0 5 257, 260. Koller BewHi 2 0 0 5 237, 238. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken hin-
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sichtlich des Bestimmtheitsgebots i.S. des Art. 103 Abs. 2 GG: Schroth FS SchülerSpringorum, S. 595, 599 ff.
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sen und hirnorganischen Störungen handelt.16 2004 betrug der Anteil der Schizophrenen im Bezirkskrankenhaus Haar bei München 55 %, der Persönlichkeitsgestörten rund 30 %, der hirnorganischen Störungen 10 %, der Minderbegabungen und affektiven Störungen jeweils knapp über 2 % (Nedopil S. 309). Im zentralen psychiatrischen Krankenhaus für Hessen in Haina lagen den Unterbringungen 2004 je 40 % funktionelle Psychosen und Persönlichkeitsstörungen, und je 10 % geistige Behinderungen oder hirnorganische Störungen zugrunde (Müller-Isberner in: Venzlaff/Foerster (Hrsg.), S. 423). Viele Untergebrachte weisen erhebliche Sozialisations- und Ausbildungsdefizite auf, die den therapeutischen Umgang mit ihnen erschweren. Die Patienten des Maßregelvollzugs leiden häufiger als die Patienten in psychiatrischen Kliniken nicht nur an einer Krankheit, sondern an mehreren klinisch relevanten Störungen. Im Bezirkskrankenhaus Haar wurden 2004 bei 36 % der Maßregelvollzugspatienten relevante Zweit- und Drittdiagnosen gestellt (Nedopil S. 310 m.w.N. zu ähnlichen Quoten in anderen Maßregelkrankenhäusern). In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde häufig und fast einhellig darüber geklagt, dass für die Untergebrachten aus Mangel an personellen und sachlichen Mitteln zu wenig getan werde. 17 Dies verschlimmere ihre Lage, die - mit der doppelten „Stigmatisierung" als kranke und als kriminelle Rechtsbrecher - nur zu oft ohnedies trostlos sei. Der 1975 vorgelegte Bericht über die Lage der Psychiatrie (BT-Drs. 7/4200) sprach von einer „Schlusslichtposition im Versorgungsbereich" und formulierte: „Hier kommt es weitgehend darauf an, überhaupt erst einmal die dem heutigen Justizvollzug vergleichbaren Mindestbedingungen an menschenwürdiger Unterbringung zu gewährleisten" (S. 281, 282; kritisch auch LG Paderborn NStZ 1981 365 und Albrecht MschrKrim. 1978 105 ff). Bei den langjährig Untergebrachten konnte kaum noch unterschieden werden, wie weit ihr Verhalten von der ursprünglichen Störung oder von typischen Hospitalisierungsschäden geprägt wurde.18
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In seiner Bestandsaufnahme für die Jahre 1984 bis 1986 konstatierte Leygraf zwar gewisse Ansätze für eine Verbesserung des therapeutischen Milieus und eine stufenweise Rehabilitation, kritisierte aber weiterhin in vielen Einrichtungen unzureichende personelle Ausstattung und bauliche Voraussetzungen sowie zu geringe therapeutische Aktivitäten (Leygraf S. 183 f). Seit Mitte der 80er Jahre sind deutliche Verbesserungen und ein zunehmend differenziertes Behandlungsangebot festzustellen, teilweise begünstigt durch die Maßregelvollzugsgesetze der alten Bundesländer in den 80er Jahren und der neuen Bundesländer in den 90er Jahren (dazu Schöch in Venzlaff/Foerster (Hrsg.), S. 390 ff). Die Rückfallquoten sind bemerkenswert gering; bei 255 Entlassenen aus dem Jahr 1997 und einem Kontrollzeitraum von 24 bis 69 Monaten betrug die allemeine Rückfallquote 21,6 %, die mit schwerwiegenden Gewalt- und Sexualdelikten 7,5 % (Seifert/Möller-Mussavi Fortschr Neurol Psych 73 (2005) 16 ff m.w.N. aus anderen Rückfallstudien; s. auch Seifert Gefährlichkeitsprognosen, S. 45 ff). Allerdings werden die Verbesserungen teilweise durch die Überfüllung der psychiatrischen Krankenhäuser (s. Rdn. 12) wieder beeinträchtigt.
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16
Vgl. z.B Baur Diss. S. 8 0 ff; Leygraf Psychisch kranke Straftäter (die umfangreichste und grundsätzlichste Studie, bezogen auf 8 3 , 5 % aller 1 9 8 4 untergebrachten Täter); Marsebner insbes. S. 18 ff; Schumann Psychisch kranke Rechtsbrecher; Wagner insbes. S. 14 ff; Ritzel MschrKrim. 1 9 8 9 1 2 3 ; vgl. auch Blau/ Kammeier Straftäter in der Psychiatrie.
17
Vgl. z.B. schon Ehrhardt Krim. Gegenwartsfragen Heft 11, S. 1 5 7 ; Venzlaff FS Schaffstein, S. 2 9 8 .
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Z u einem Enthospitalisierungsprojekt in Lippstadt-Eickelborn: Bargfrede/Horstbrink/ Leber R & P 1 9 9 5 5 5 .
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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e) Patienten mit geringen Entlassungsaussichten. Infolge erheblicher Kapazitätsprobleme entstanden in den letzten Jahren Umfragen über die Entlassungshindernisse von Patienten, deren Gefährlichkeit auch nach mehrjähriger Behandlung fortbesteht, sog. „nicht entlassbare Patienten" („untreatable persons"). 19 Vor allem bei Sexualdelikten mit Gewaltanwendung, überwiegend von normalintelligenten Personen begangen, die unter einer schweren Persönlichkeitsstörung leiden, bestehen geringe Entlassungsaussichten. Teilweise handelt es sich auch um hirnorganisch oder intellektuell beeinträchtigte bzw. chronisch psychotisch erkrankte Patienten (Leygraf Handbuch 3, 215). Deren Anteil wird insgesamt auf ca. 10 % geschätzt (Dönisch-Seidel R&P 2002 2; skeptisch Leygraf Handbuch 3, 215). Die geringe Beteiligung an einer hierzu durchgeführten Studie zeigt einerseits, dass dieses Thema in einzelnen Bundesländern und Kliniken immer noch ein Tabu ist. 20 Andererseits wurde die Fragestellung zu Recht kritisiert. Es gibt keine prinzipiell „nicht therapierbare Patienten", sondern nur solche, deren Gefährlichkeit nicht oder nicht so gemindert werden kann, dass - auch nach längeren Behandlungsversuchen - die Entlassung in die Freiheit verantwortet werden kann (Leygraf Handbuch 3, 215). Manchmal eröffnet sich aber nach vielen Jahren doch noch eine Entlassungsperspektive, insbesondere im Bereich des betreuten Wohnens.
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Die Unterbringung solcher Patienten kann daher sehr lange dauern (vgl. Lindemann·, v. d. Haar; Schalast/Seifert/Leygraf Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2007 34, 35 m.w.N.). Die Schaffung spezieller „Longstayeinrichtungen" in Anlehnung an das niederländische Konzept wird teilweise kritisiert, weil die Gefahr einer drastischen Reduzierung des Behandlungsangebotes befürchtet wird (Perik R&P 2002 23 ff; kritisch - auch aus verfassungsrechtlicher Sicht - Braasch For Psychiat. Psychol Kriminol 2007,269,273 f). Gleichwohl werden sie zunehmend geschaffen. Als sachgerechter gilt jedoch die Angliederung kleinerer, milieutherapeutisch orientierter Langzeitabteilungen an bestehende forensisch-psychiatrische Einrichtungen, in denen Tagesaktivitäten zur Aufrechterhaltung noch bestehender sozialer Kompetenzen ohne spezifische Therapie angeboten werden und bei denen eine Durchlässigkeit zwischen Behandlungs- und Verwahrbereich besteht, sofern sich im weiteren Verlauf neue Gesichtspunkte ergeben, die eventuell eine bessere Behandlungsprognose ermöglichen (Leygraf Handbuch 3, 215 f; ähnlich Braasch Untherapierbare Straftäter im Maßregelvollzug, S. 586 f).
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5. Strafrechtsreform. Bei den Beratungen zur Strafrechtsrefom in den 60er Jahren (2. StrRG) ist die Maßregel wiederholt und eingehend erörtert, ihre überkommene Grundstruktur aber nicht angetastet worden. Aus den Gesetzesmaterialien sind vor allem zu nennen: Niederschriften Bd. 4, S. 180 ff, 191 ff, 203 ff, 304 f; Bd. 12, S. 335 ff; § 82 E 1962 und Begr. S. 209 ff; § 67 AE-AT mit Begr. S. 131; Prot. IV, 286 ff, 379 ff, 779 ff; V, 216 ff, 2022 ff; 2. Bericht S. 26. Schwerpunkte der Reformerörterungen waren: der Versuch, die Voraussetzungen der künftigen Gefährlichkeit des Täters gesetzlich genauer und restriktiver zu umschreiben; das Bemühen, die richterliche Pflicht zur Gesamtwürdigung des Täters und seiner künftigen Gefährlichkeit zu verdeutlichen; die Problematik der Aussetzung des Vollzugs oder
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Siehe dazu: Schalast/Seifert/Leygraf Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2 0 0 7 3 4 ff; speziell in Hessen: Müller-Isberner/Jöckel/Neumeyer-Bubel/Imbeck Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2 0 0 7 4 3 , 47.
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Von 6 0 kontaktierten Einrichtungen des
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§ 63-Maßregelvollzugs gaben 14 Einrichtungen und 2 Bundesländer pauschal an, keine „nicht behandelbare" Patienten zu sehen (Schalast/Seifert/Leygraf Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2 0 0 7 3 4 , 36).
Heinz Schöch
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
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des weiteren Vollzugs und der dabei angezeigten Mittel zur stützenden Einwirkung auf den Verurteilten; die Frage, ob man die psychiatrischen Landeskrankenhäuser durch die Einrichtung justizeigener Sonderanstalten von der Betreuung psychisch kranker Rechtsbrecher entlasten solle; die damit zusammenhängende - und besonders lebhaft erörterte Problematik besonderer „Bewahrungsanstalten" oder sonstiger Spezialanstalten für solche psychisch gestörten Täter, die nach der Art ihrer Störungen in die psychiatrischen Krankenhäuser schlecht passen (Rdn. 5 ff ). Bei der Reform wurde der bisherige Begriff der „Heil- oder Pflegeanstalt" (§ 42b a.F.) zunächst durch den Begriff der „psychiatrischen Krankenanstalt" und dann (Art. 18 II Nr. 20 EGStGB) durch den des „psychiatrischen Krankenhauses" ersetzt. Diese Änderung sollte nur zur Angleichung an die „moderne Nomenklatur" dienen; eine sachliche Änderung enthält sie nicht (näher Hanack J R 1975 441, 442 m.w.N.).
27
Nicht in Frage gestellt wurde bei der Strafrechtsreform die grundsätzlich unbestimmte Dauer der Maßregel (dazu Rdn. 176), die auch BVerfGE 70 279) nicht beanstandet hat. Bald danach wurden gegen diese Konzeption im Schrifttum unter rechtsstaatlichen und humanen Gesichtspunkten zunehmend Bedenken erhoben, die insbesondere die missliche Situation der Täter im Bereich der mittleren Kriminalität betrafen.21 Der Bundestag hatte diese Bedenken am 20.4.1989 aufgegriffen: Er verlangte (in Zustimmung zu einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses) die Erarbeitung neuer Vorschriften; sie sollten sicherstellen, dass die Einweisung auf „wirklich gravierende Fälle" beschränkt bleibt, und die unbefristete Unterbringung durch eine differenziertere Regelung ersetzen (dazu BT-Drs. 10/5828 S. 6; 11/2507; 11/2597 S. 5; vgl. auch Bericht in ZRP 1989 279). Für solche Änderungen wurden auch Entwicklungen und Erfahrungen im Ausland geltend gemacht. 22
28
Mit der Überarbeitung wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fragen der Maßregelvollstreckung" beauftragt, die von November 1995 bis September 1997 und - auf der Grundlage zweier Referentenentwürfe aus dem Bundesjustizministerium vom Juli 1998 und vom März 2000 und eines Bundesratsentwurfs vom 20.12.2001 (BR-Drs. 775/01) - erneut von Herbst 2002 bis Frühjahr 2003 tagte. Diese Beratungen führten zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 31.3.2006 (BT-Drs. 16/1110) und einem Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.4.2006 (BT-Drs. 16/1344), die schließlich - nach einer Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 28.2.2007 - im Wege eines Kompromisses zur Verabschiedung des UnterbrSichG vom 16.7.2007 führten.
29
Die auf § 63 bezogenen Reformpläne wurden dabei völlig fallen gelassen. Der Regierungsentwurf hatte im Falle der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus bei therapeutisch nicht erreichbaren Täterinnen und Tätern in § 67 Abs. 4 die Möglichkeit zur nachträglichen Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach mindestens einjährigem Aufenthalt im psychiatrischen Krankenhaus vorgesehen, „wenn die Resozialisierung der untergebrachten Personen durch den weiteren Vollzug der Maßregel derzeit nicht gefördert werden kann" (BT-Drs. 16/1110, S. 7, 10). Dieser Vorschlag wurde nicht realisiert,
30
21
Bernsmann in: Blau/Kammeier S. 142; Blau Jescheck-Festschrift S. 1025; Baur Diss. S. 164, 227 und MDR 1990 483 ff; Eickhoff S. 67; Laubenthal S. 370 ff; Kaiser Krise S. 36 f; kritisch auch Jescheck/Weigend AT § 77 II 1; Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 8; Marschner S. 168 und S. 182 fordert eine
22
Beschränkung auf die Gefahr von Delikten gegen Leib und Leben. Dazu Baur Diss. S. 165 f und MDR 1990 483 m.w.N.; vgl. auch Munos Conde in: Hassemer (Hrsg.), Strafrechtspolitik (1987) S. 117, 118 für Bemühungen im spanischen Recht.
Heinz Schöch
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§63
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
weil er die Gefahr beinhalte, dass die negative Therapieprognose vor allem minderbegabte, chronisch psychotische oder hirnorganisch veränderte Personen betreffen würde, die nach der Strafverbüßung erneut in den Maßregelvollzug aufgenommen werden müssten 2 3 (Prot, der 47. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 28.2.2007) und weil die Gefahr der Abschiebung unbequemer Patienten in den Strafvollzug bestehe, der für die Behandlung solcher Patienten noch weniger geeignet sei.24 Auch das Bundesverfassungsgericht hatte betont, dass man den psychiatrischen Krankenhäusern eine „Unterbringung hoffnungsloser Krankheitsfälle ... zumuten" könne und müsse, zumal der Justizvollzug nicht über bessere Behandlungsmethoden verfüge (BVerfG NJW 1996 772). 31
Der Bundesratsentwurf sah in § 63 die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auch dann vor, wenn die verminderte Schuldfähigkeit bei der Tatbegehung nicht positiv festgestellt werden kann, wenn der Täter deshalb wegen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer zu einer Freiheitsstrafe von mindestens vier Jahren verurteilt wird und wenn von ihm Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden (BT-Drs. 16/1344, S. 7, 11). Der Extremfall einer doppelten Heranziehung des Zweifelsgrundsatzes bei Anwendung der §§ 20, 21 - mit der Folge der Sanktionslosigkeit trotz eines festgestellten dauerhaften psychischen Defektzustandes - sei rein theoretisch, da ein Gericht, welches die Schuldfähigkeit des Täters nicht ausschließen könne, jedenfalls verminderte Schuldfähigkeit positiv feststellen könne (RegE, BT-Drs. 15/3652, S. 21). Entgegen der Stellungnahme des Bundesrates hätte die obligatorische Anordnung des § 63 bei nicht auszuschließender Schuldminderung nicht nur seltene Grenzfälle umfasst, sondern zu einer unkalkulierbaren Zunahme von Unterbringungen nach § 63 in einer beträchtlichen Zahl von Fällen geführt.25
Π. Personenkreis (Jugendliche) 32
Die Anordnung der Maßregel ist auch gegenüber Jugendlichen bzw. ihnen nach § 105 JGG gleichgestellten Heranwachsenden zulässig (§ 7 JGG). Doch gilt dies nicht, wenn die Verantwortlichkeit allein wegen mangelnder Reife gemäß § 3 JGG ausgeschlossen ist, 26 da § 63 nun einmal an das Vorliegen von Störungen i.S. der §§ 20, 21 anknüpft. Die Unterbringung kommt also nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der § § 2 0 oder 21 vorliegen.
33
Dann allerdings ist die Unterbringung im Einzelfall auch dann denkbar, wenn zugleich die Voraussetzungen des § 3 JGG vorliegen.27 Eine insbesondere zum früheren
23
24 25
26
Protokoll der 47. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (6. Ausschuss) am 28.2.2007, 16. Wahlperiode, schriftliche Stellungnahmen: Miiller-Isberner S. 75; Nedopil S. 86. Protokoll (Fn. 23) Schock S. 91. Protokoll (Fn. 2 3 ) Schöch S. 89 f; Leygraf S. 69; Nedopil S. 82 f. BGHSt 2 6 67; BayObLGSt. 1958 2 6 3 f; ganz
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herrschende Lehre, z.B. Fischer Rdn. 2; Brunner/Dölling JGG § 3 Rdn. 10; Brunner J R 1976 116; Dallinger/Lackner JGG, § 7 Rdn. 4; Schaffstein/Beulke JGG, § 7 IV. So auch BGHSt 2 6 6 7 unter Bezugnahme auf Dallinger/Lackner aaO mit zust. Anm. Brunner JR 1976 116; Lackner/Kühl Rdn. 3; eingehend Brunner/Dölling JGG § 3 Rdn. 10 m.w.N.
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Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
Recht (§ 4 2 b a.F.) vertretene gegenteilige Meinung nimmt demgegenüber an, dass bei mangelnder Verantwortungsreife i.S. von § 3 J G G von vornherein kein Zugang zu einer Maßregel nach § 63 bzw. nach § 4 2 b a.F. bestehe, weil die Unterbringung jedenfalls bei vermindert Schuldfähigen nur neben Strafe zulässig sei und deshalb Schuldfähigkeit voraussetze. 28 Diese Meinung dürfte zwar nicht, wie BGHSt 2 6 67 meint, schon deswegen gegenstandslos geworden sein, weil § 63, anders als § 42b a.F, nicht mehr ausdrücklich davon spricht, dass die Unterbringung bei vermindert Schuldfähigen neben die Strafe tritt; denn dieses Nebeneinander wird auch im neuen Recht als Konsequenz der Zweispurigkeit in der Regel vorausgesetzt. Gegen die genannte Meinung spricht jedoch, dass die Unterbringung auch mit anderen Maßnahmen des J G G verbunden werden kann (§ 5 Abs. 3 JGG), und dass es sinnwidrig wäre, für die Unterbringung auch strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 3 J G G vorauszusetzen, weil die Maßregel ihre Rechtfertigung im gestörten Zustand und der Gefährlichkeit des Täters findet, diese Rechtfertigung aber durch eine begleitende Entwicklungsstörung gemäß § 3 J G G nicht ausgeschlossen wird (.Dallinger/Lackner aaO). Im Übrigen wäre es, worauf BGHSt 2 6 67, 69 zu Recht hinweist, durchaus sachfremd, in den Fällen des § 2 0 (wo die gleichzeitige Verurteilung zu Strafe ausgeschlossen ist), die Unterbringung zuzulassen, aber in den Fällen des § 21 wegen dessen Bezug zur Strafe die Unterbringung auszuschließen, weil die Unterbringung in beiden Fallgruppen gleichermaßen im Interesse der Allgemeinheit (oder auch des Beschuldigten) liegt. Darauf zu achten ist nur, dass die Unterbringung von Jugendlichen nach der Struktur des J G G in besonderer Weise auf ihre Erforderlichkeit zu prüfen ist (BGHSt 37 373, 374 m.w.N.; vgl. auch Rdn. 140). Sie kann insbesondere in den zahlreichen Zweifelsfällen unsachgemäß sein, in denen auch der Sachverständige (§ 246a StPO) beim Zusammentreffen entwicklungsbedingter und anderer Störungen nicht sicher genug beurteilen kann, ob sich das psychische Zurückbleiben (§ 3 J G G ) im weiteren Entwicklungsprozess noch ausgleicht und die Störungen gemäß §§ 20, 21 nicht im Vordergrund stehen. Man wird für diese Fälle, anders als sonst (s. Rdn. 151), wegen ihres eigentümlichen Zusammentreffens mit den spezifischen Reaktionsmitteln des Jugendrechts die Anordnung der Unterbringung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts stellen, d.h. ihm unter Beachtung auch des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ( § 6 2 ) die Verpflichtung auferlegen müssen, die im konkreten Fall angemessenere Reaktion auszusprechen. 29
34
Umgekehrt bedarf grundsätzlich auch der Prüfung, ob bei einem nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Heranwachsenden die nach § 63 angeordnete Maßregel nicht die Ahndung mit Jugendstrafe entbehrlich macht {§ 5 III JGG; vgl. BGH NStZ-RR 2 0 0 2 182; NStZ-RR 2 0 0 3 186; StV 1993 534; StV 2 0 0 2 416; jew. m.w.N.; bei Heranwachsenden, die die Schwelle des § 1 II J G G gerade erst überschritten haben, gilt dasselbe: BGHSt 37 373).
35
Kommt es zur Unterbringung eines Jugendlichen nach § 63, ist für die Folgeentscheidüngen nach der Unterbringungsanordnung nicht die Strafvollstreckungskammer, son-
36
28
BayObLGSt. 1 9 5 8 2 6 3 , 2 6 5 ; Sauer N J W 1 9 4 9 2 8 9 ; heute noch Schaffstein/Beulke J G G , § 7 IV; wohl auch Eisenberg J G G § 3 Rdn. 3 4 ; aA BGHSt 2 6 6 7 ; Brunner/Dölling J G G § 3 Rdn. 10 m.w.N.
29
Näher zu den komplizierten medizinisch-kriminologischen Fragen und ihren streitigen rechtlichen Konsequenzen Bresser Jugend-
zurechnungsfähigkeit oder Strafmündigkeit, Z S t W 7 4 ( 1 9 6 2 ) 5 7 9 ; Schaffstein Die Jugendzurechnungsunfähigkeit in ihrem Verhältnis zur allgemeinen Zurechnungsfähigkeit, Z S t W 7 7 ( 1 9 6 5 ) 191; H. Kaufmann/Pirsch Das Verhältnis von § 3 J G G zu § 51 StGB, J Z 1 9 6 9 3 5 8 ; vgl. im Übrigen die Erläuterungswerke zum J G G .
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
dem der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter zuständig, und zwar selbst dann, wenn der Täter erwachsen geworden ist, 30 es sei denn dass der Täter als Heranwachsender ausdrücklich nicht nach Jugendstrafrecht beurteilt worden ist (OLG Celle NJW 1975 2254).
ΙΠ. Begehung einer rechtswidrigen Tat unter den Voraussetzungen der §§ 20, 21 37
1. Zweck der Begrenzung. Allgemeines. Mit der Begrenzung auf Taten, die im Zustand der § § 2 0 oder 21 begangen worden sind, beschränkt das Gesetz den Kreis der die Unterbringung rechtfertigenden Anlasstaten in rechtsstaatlicher Weise auf Täter, deren Störungen (i.S. der §§ 20, 21) sich auch in der Anlasstat manifestiert haben und ermöglicht damit zugleich, diese Taten auch bei der erforderlichen Gesamtwürdigung der weiteren Gefährlichkeit des Täters heranzuziehen (BGH NJW 2 0 0 3 211). Nach Zweck und Funktion der Begrenzung wird man annehmen müssen, dass „im Zustand" des § 20 oder des § 21 „begangen" Taten dann sind, wenn der Täter bei ihrem konkreten Ablauf unter den Voraussetzungen der § § 2 0 oder 21 handelte, diese Voraussetzungen also für den konkreten Tatablauf irgendwie (mit-)ursächlich gewesen sind (BGH NStZ 1991 527).
38
Diese Situation besteht auch, wenn der Täter die Tat zunächst in voll schuldfähigem Zustand begonnen, sie später aber unter den Voraussetzungen der § § 20, 21 so zu Ende geführt hat, dass der konkrete Tatablauf dadurch mitgeprägt worden ist. Die Auffassung der h.M. (BGHSt 7 325; 23 133; Schöch LK § 20 Rdn. 193 m.w.N.), dass dem Täter in diesen Fällen die §§ 20, 21 bei der Strafe nicht zugute kommen, ist danach jedenfalls im Bereich des § 63 ohne Bedeutung.
39
Welche Anforderungen im Übrigen an die Anlasstat im Einzelnen zu stellen sind, war schon bei § 42b a.F. für den dort verwendeten Begriff der „mit Strafe bedrohten Handlung" streitig (näher Lang-Hinrichsen LK 9 § 42b Rdn. 13 ff; vgl. auch den folg. Text). Die heutige Verwendung des Begriffs der „rechtswidrigen Tat" klärt den Streit trotz der Umschreibung dieses Begriffs in § 11 Abs. 1 Nr. 5 nicht, insbesondere weil sie offen lässt, was zum „Tatbestand" eines Strafgesetzes gehört. Eindeutig ist nur - wie schon bei § 42b - , dass eine Ordnungswidrigkeit nicht ausreicht. Im Übrigen ist zwischen der Situation bei verminderter und bei ausgeschlossener Schuldfähigkeit zu unterscheiden:
40
2. Bei verminderter Schuldfähigkeit. Insoweit ist die Rechtslage im Prinzip klar. Denn hier tritt die Maßregel grundsätzlich neben die Strafe (s. Rdn. 146). Daher wird man verlangen müssen, dass alle Voraussetzungen für eine Bestrafung gegeben sind, und zwar in materiellrechtlicher Hinsicht (Schuld, NichtVorliegen von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen sowie persönlichen Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen) als auch in prozessualer Hinsicht (Strafantrag bei Antragsdelikten, keine Verjährung usw.). Dass der Richter von der Strafmilderung des § 21 Gebrauch macht, ist nicht Voraussetzung der Unterbringung. Über Ausnahmefälle, in denen die Unterbringung in Betracht kommt, obwohl gleichzeitig zu Strafe nicht verurteilt werden kann, s. Rdn. 5 9 , 1 4 7 ff.
30
BGHSt 26 162 = JR 1976 343 m. zust. Anm. Brunner; OLG Celle NJW 1975 2253; aA offenbar LG Dortmund NJW 1975 2252.
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§63
3. Bei ausgeschlossener Schuldfähigkeit. Unstreitig ist, dass die Unterbringung erfol- 4 1 gen muss, wenn eine Bestrafung der rechtswidrigen Tat allein an der mangelnden Schuldfähigkeit scheitert (BGHSt 31 132). Die Rechtslage ist aber bei Schuldunfähigen deshalb komplizierter, weil der Schuldunfähige infolge seines Zustands insbesondere die subjektiven Merkmale einer Straftat vielfach gar nicht „richtig" erfüllen kann. So ergeben sich hier eine Reihe kritischer und umstrittener Fragen. Ihr Kernpunkt ist das Problem, ob eine Unterbringung nach § 63 auch in Betracht kommt, wenn es wegen der geistig-seelischen Störung des Täters an der Erfüllung sonstiger Voraussetzungen für die Strafbarkeit fehlt. Aus den in den folgenden Erörterungen im Einzelnen erkennbaren Gründen ist dies zu bejahen. a) Vorliegen einer Handlung. Stets muss eine „Handlung" im Sinne eines gewollten Verhaltens vorliegen. Dies entsprach schon der herrschenden Meinung zu § 42b a.F. (vgl. z.B. BGHSt 3 287, 289; Schlegl NJW 1968 25), die sich insoweit freilich auf den Gesetzeswortlaut des § 42b a.F. (mit Strafe bedrohte „Handlung") stützen konnte.
42
b) Anforderungen zum inneren Tatbestand beim Vorsatzdelikt aa) Allgemeines. Umstritten ist insbesondere, ob eine Unterbringung statthaft ist, wenn der Täter zwar den objektiven Tatbestand eines Delikts verwirklicht, infolge seines Zustands aber die für den inneren Tatbestand erforderlichen Voraussetzungen des betreffenden Delikts nicht erfüllt hat.
43
Einige Autoren fordern für das Merkmal „rechtswidrige Tat" bzw. „mit Strafe bedrohte Handlung" (§ 42b a.F.) eine volle Verwirklichung auch des subjektiven Tatbestandes. So verlangen insbesondere diejenigen, die beim Vorsatzdelikt den Vorsatz als konstituierend für die Handlung ansehen, meist echten Tatvorsatz.31 Folgerichtig nehmen sie denn auch an, dass in Fällen eines Tatbestandsirrtums, selbst wenn er sich allein durch den krankhaften Zustand des Täters erklärt, die Unterbringung ausgeschlossen sei. Entsprechendes gilt beim Fehlen subjektiver Unrechtselemente; auch in diesen Fällen soll, selbst wenn das Fehlen spezifisch krankheitsbedingt ist, die Unterbringung nicht möglich sein. Das Ergebnis ist unbefriedigend (Lang-Hinrichsen LK 9 , § 42b Rdn. 12 ff). Denn gleichgültig, wie man dogmatisch über die Zuordnung des Vorsatzes zum Tatbestand denkt: Die genannte Meinung führt dazu, dass in sachwidriger Weise Sicherheitsvorkehrungen gegen den schuldunfähigen Täter aus dem Aufgabenbereich des Strafrichters herausgenommen werden; sie ist überdies widersprüchlich gegenüber der Behandlung anderer krankheitsbedingter Irrtümer (unten Rdn. 49, 52). Nach ihr könnte z.B. ein Geisteskranker, der in gefährlicher Weise häufig fremde Sachen in der Wahnvorstellung an sich nimmt, sie seien ihm von Gott geschenkt, durch den Strafrichter nicht in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden (Beispiel nach Schmidhäuser AT 19/10 S. 748). Richtigerweise muss man daher zwischen allgemeinen und krankheitsbedingten Fehlvorstellungen differenzieren, weil sich nur so die besondere Situation des Schuldunfähigen mit dem Zweck des § 63 sachgerecht verbinden lässt. 32 Dies entspricht auch dem
31
So z.B. Horn SK Rdn. 3, 4; Jescheck/Weigend AT § 77 II 2a; Maurach/Gössel/Zipf § 68 Rdn. 7; Bruns J Z 1964 473, 4 7 8 ; ebenso RG J W 1935 2 3 6 8 ; RGSt 71 2 2 0 . Vgl. auch Castoldo ZStW 103 (1991) 541.
32
Lang-Hinrichsen LK 9 , § 42b Rdn. 12 ff; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5 ff; Schmidhäuser aaO; van Gemmeren MK Rdn. 13; Schreiber/ Rosenau S. 89.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Ansatz der Rechtsprechung, die auf den sog. „natürlichen Vorsatz" (BGHSt 3 287, 288) abstellt und einen Irrtum, der nur durch den krankhaften Zustand des Täters entstanden ist, nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt.33 45
bb) Trennung zwischen krankheitsbedingten und anderen Fehlvorstellungen. Allgemeine Fehlvorstellungen, d.h. Fehlvorstellungen, die in der gegebenen Situation auch einem Schuldfähigen zugute gehalten werden, dürfen dem Schuldunfähigen nicht zum Nachteil gereichen und daher auch nicht zur Unterbringung führen (BGH NStZ 1991 528: Irrtum über die Erforderlichkeit der Abwehrhandlung bei Notwehr). Hier fehlt es an einer ausreichenden Anlasstat, da diese nicht zum bloßen „Aufhänger" für die Maßregel werden darf. § 63 scheidet jedoch nicht aus, wenn trotz beachtlichen Irrtums noch immer eine Tat vorliegt, die in ihrer konkreten Ausgestaltung Grundlage einer Unterbringung sein kann (BGH NStZ-RR 2003 11: Nötigung statt schwerer räuberischer Erpressung bei wahnhafter Annahme eines rechtmäßigen Anspruchs).
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Krankheitsbedingte Fehlvorstellungen, d.h. Vorstellungen, die nur durch den abnormen geistigen oder seelischen Zustand des Täters bedingt sind, schließen die Unterbringung hingegen nicht aus. Hat der Täter also Umstände, die ein Gesunder richtig erkannt hätte, allein infolge seines Zustands verkannt, kommt ihm dies nicht zugute.34 BGHSt 3 287, 289 erklärt mit Recht, dass, wenn krankheitsbedingte Irrtümer zur Verneinung der Anwendbarkeit des § 63 (§ 42b a.F.) führen sollten, der Schutzgedanke der Vorschrift versagen und der mit ihr verfolgte Zweck gerade in den Fällen vereitelt würde, in denen sich der abnorme Zustand des Täters als besonders gefährlich erweist, weil er ihm die Erkenntnis der Gemeinschädlichkeit seines Handelns verwehrt. Im Falle des BGH hatte der Beschuldigte in einem Betrugsfall seine Unfähigkeit zur Bezahlung selbst kleiner Summen erkannt, jedoch gehofft, in einer gewissen Zeit Geld zur Bezahlung seiner Schulden zu erlangen, weil er infolge einer Geisteskrankheit jeden Maßstab für seine Leistungsfähigkeit verloren hatte. Voraussetzung für die Annahme eines krankheitsbedingten Irrtums ist dabei freilich stets, dass der Richter den Vorstellungen und Regungen des Täters so sorgfältig wie möglich nachgeht. Lassen sich sichere Feststellungen nicht treffen, ist von der dem Täter günstigeren Deutung auszugehen (Sch/Schröder/Stree Rdn. 5).
47
Der geschilderten Differenzierung kann nicht entgegenstehen, dass nach der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 18 235) das Fehlen besonderer Willensmerkmale infolge eines rauschbedingten Irrtums die Strafbarkeit nach § 323a ausschließt. Im Falle des BGH hatte der Täter infolge seines Trunkenheitszustandes geglaubt, dass er hinreichend Geld habe, um die Zeche zu bezahlen, er war auch bereit, seine vermeintliche Barschaft zur Bezahlung zu verwenden; der Rauschzustand hatte ihn aber außerstande gesetzt, den Wert und den Umfang seiner Bestellungen zu überblicken. Der BGH meint, der Täu-
33
34
RGSt 71 315; BGHSt 3 287, 2 8 9 ; 10 355, 357; BGH NStZ-RR 2 0 0 3 11; BGH NStZ-RR 2 0 0 4 10 Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; ebenso die österreichische Praxis, s. EderRteder S. 33 m.w.N.; s. auch im weiteren Text; aA Böllinger/Pollähne NK Rdn. 69; Lackner/ Kühl Rdn. 2 m.w.N.; Streng Sanktionen, Rdn. 2. St. Rspr., vgl. insbesondere BGHSt 3 287, 2 8 9 ; 10 355, 357; 18 235; BGH NStZ 1991 5 2 8 (für den Erlaubnistatbestandsirrtum);
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NStZ-RR 2 0 0 3 11 (für den Fall eines Tatbestandsirrtums - Täter ging wahnbedingt irrig davon aus, einen Anspruch auf die abgenötigten Vermögenswerte zu haben); NStZ-RR 2 0 0 4 10 (für Putativnotwehr); NStZ-RR 2 0 0 4 166; BGH bei Holtz 1983 90 (für Fall von paranoider Psychose eines schuldunfähigen Zechprellers, der aufgrund Wahnvorstellungen glaubte, über ein Millionenguthaben zu verfügen); Fischer Rdn. 3; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 7; van Gemmeren MK Rdn. 13.
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schungswille fehle auch demjenigen, der seine unrichtigen Behauptungen irrtümlich für wahr halte, so dass durch diesen Irrtum der Täuschungswille ausgeschlossen sei und ein Betrug (als „mit Strafe bedrohte Handlung" nach § 330a a.F.) nicht vorliege. Er hat daher eine Verurteilung abgelehnt. Ob das zwingend ist, mag hier dahingestellt bleiben (eingehend und kritisch Spendet LK 1 0 , § 323a Rdn. 185 ff m.w.N.). Denn auch wenn man der Entscheidung folgt, ergibt sich daraus noch nicht, dass in diesem Fall eine „rechtswidrige Tat" i.S. des § 63 zu verneinen wäre. Der BGH selbst hat dies (für § 42b a.F.) ausdrücklich offen gelassen, aber betont, dass eine solche Konsequenz nicht selbstverständlich sei, da § 63 (§ 42b a.F.) und § 323a (§ 330a) verschiedenen Zwecken dienten (insoweit zustimmend Blei AT § 115 I 1 a). Tatsächlich wird man wegen der Verschiedenheit der Zwecke die Begriffe „rechtswidrige Tat" bei § 323a und bei § 63 abweichend interpretieren müssen (so auch Lang-Hinrichsen LK 9 , § 42b Rdn. 15). Das Delikt der Volltrunkenheit setzt keinen Dauerzustand voraus und hat nicht primär die Aufgabe, Gefahren für die Zukunft abzuwenden. Gerade dies aber ist der Zweck des § 63. Von ihm her muss das Merkmal der rechtswidrigen Tat ausgelegt werden, damit die Vorschrift ihrer Aufgabe gerecht wird. Gibt also ein Schuldunfähiger in einer Gastwirtschaft in der irrigen Vorstellung, er habe genügend Geld, Bestellungen auf, um seinen Verzehr zu bezahlen, und beruht diese Vorstellung darauf, dass er infolge seines krankheitsbedingten Zustande den Umfang seiner Mittel und der von ihm eingegangenen Verpflichtungen nicht übersieht, so muss nach dem Normzweck des § 63 trotz zustandsbedingten Fehlens eines Täuschungswillens und (infolgedessen) auch der fehlenden Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, die „rechtswidrige Tat" bejaht werden. cc) Ergebnis. Mithin ergibt sich: Der Täter muss zwar stets den objektiven Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt haben (zu den Besonderheiten des Versuchs s. Rdn. 53). Soweit es dabei aber um spezifische Willensmerkmale geht, wird die Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals nicht dadurch ausgeschlossen, dass dem Täter diese Willensrichtung aufgrund krankheitsbedingten Irrtums fehlt (Beispiel: „Täuschungswille" bei § 263). In ähnlicher Weise werden bei subjektiven Unrechtselementen (Beispiel: Vorteils- oder Zueignungsabsicht bei den §§ 263, 242) Momente außer Acht gelassen, die auf krankheitsbedingten Fehlvorstellungen beruhen (der Täter glaubt aufgrund von Wahnvorstellungen, Gott habe ihm die Sachen geschenkt). Für den Vorsatz reicht ein „natürlicher Tatwillen", ein „natürlicher Vorsatz". Ein Tatbestandsirrtum, der nur durch krankheitsbedingte Fehlvorstellungen entstanden ist, darf nicht zugunsten des Täters berücksichtigt werden.
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dd) Zur Kritik. Die hier vertretene Differenzierung zwischen allgemeinen und krankheitsbedingten Fehlvorstellungen 35 ist, wie bemerkt (Rdn. 43 f), lebhaft umstritten. Gegen sie wird insbesondere eingewendet, sie sei praktisch kaum durchführbar und rechtlich bedeutungslos, schon weil der Verbrechensbegriff auf den Vorsatz als Träger der tatbestandsmäßigen Handlung nicht verzichten könne (so insbes. Horn SK Rdn. 4; Jescheck/Weigend AT § 77 II 2a). Dass die Differenzierung zu praktischen Schwierigkeiten führt, ist zuzugeben, obwohl diese Schwierigkeiten nicht zu überschätzen sind, wenn man (s. Rdn. 46) den Regungen und Vorstellungen des Täters nachzugehen sich ernstlich bemüht und den Grundsatz in dubio pro reo beachtet. Nicht anzuerkennen ist hingegen
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Im Anschluss an Lang-Hinrichsen § 42b Rdn. 13 ff).
(LK9,
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
die Argumentation, dass die Differenzierung rechtlich bedeutungslos sei und dem Verbrechensbegriff widerspreche. Sie ergibt sich vielmehr, wie dargelegt, aus der notwendigen Zweckbetrachtung des § 63, auf die Engisch (für § 42b a.F.) schon 1944 zu Recht hingewiesen hat (Der finale Handlungsbegriff, Festschrift Kohlrausch S. 172 f). Die hier abgelehnte Meinung argumentiert, wie insbesondere die grundsätzlichen Ausführungen von Bruns (JZ 1964 473, 478) zeigen, zu sehr mit Überlegungen aus dem Bereich des § 323a, wo die Probleme anders liegen. Im Übrigen bleiben die Vertreter der hier abgelehnten gegenteiligen Auffassung merkwürdig inkonsequent, weil auch sie bei Rechtfertigungsund Schuldausschließungsgründen die Unterscheidung zwischen krankheitsbedingten und sonstigen Fehlvorstellungen anerkennen (s. Rdn. 52); sie überschätzen damit insbesondere die dogmatische Bedeutung des Vorsatzes als konstitutives Moment der Handlung für § 63. Das zeigt sich auch an der Ansicht von Maurach/Gössel/Zipf AT § 68 Rdn. 7, die bei zustandsbedingtem Tatbestandsirrtum gegebenenfalls eine Haftung aus fahrlässiger Begehung „einrücken" wollen, insoweit dann also in wenig überzeugender Weise auf einem Umweg doch zur Anwendung des § 63 kommen. 50
c) Fahrlässigkeitsdelikte. Zwar kann gegen den Schuldunfähigen ein Fahrlässigkeitsvorwurf grundsätzlich nicht erhoben werden (vgl. z.B. Jescheck/Weigend AT § 57 I). Entsprechend Sinn und Zweck des § 63 (Rdn. 1, 2) ist jedoch nach der hier vertretenen Meinung über die Bedeutung krankheitsbedingter Fehlvorstellungen (Rdn. 44 ff) auch insoweit eine Unterbringung nicht ausgeschlossen, sofern das Gesetz fahrlässiges Verhalten unter Strafe stellt (§ 15) und damit als „rechtswidriges Handeln" i.S. des § 63 charakterisiert (mögen Fälle dieser Art wegen der sonstigen Voraussetzungen des § 63 - unter Rdn. 70 ff - auch gewiss sehr selten sein). Nach der Struktur des fahrlässigen Delikts kann es für die „rechtswidrige Tat" i.S. des § 63 dann lediglich darauf ankommen, ob der in krankhaften Fehlvorstellungen Handelnde die objektiv erforderliche Sorgfalt nicht erbracht hat und ob der Erfolg gegebenenfalls objektiv voraussehbar war, ohne dass dabei auch auf sein persönliches Können abzustellen wäre. 36
51
d) Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe. Anerkannt ist, dass eine rechtswidrige Tat i.S. des § 63 nicht vorliegt, wenn sich der Täter auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann. 37 Gleiches gilt, wenn zu seinen Gunsten ein Entschuldigungsgrund eingreift.38 Dies ergibt sich daraus, dass der Täter im Bereich des § 63 nicht schlechter gestellt sein darf als andere Täter. 39
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Bei Fehlvorstellungen über die Merkmale eines Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrundes kommt es jedoch wiederum (s. im Einzelnen Rdn. 44 ff) darauf an, ob der Täter die Voraussetzungen für die Rechtfertigung oder Schuldausschließung aufgrund eines Irrtums als gegeben ansieht, der auf seiner Störung beruht oder nicht. Beruht
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Ebenso Lang-Hinrichsen LK 9 § 42b Rdn. 17; Sch/Schröder/Cramer § 15 Rdn. 191; Böllinger/Pollähne NK Rdn. 70; aA im Grundsatz oder auch ausdrücklich die übrigen in Fn. 31 Genannten. BGH NStZ 1996 4 3 3 ; RG J W 1935 2368; vgl. auch BGHSt 10 355, 357; Horn SK Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4; Jescheck/
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Weigend AT § 77 II 2 a; Fischer Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 2; Böllinger/Pollähne NK Rdn. 71. BGH NStZ 1991 528; BGH NJW 1953 1442. So ausdrücklich etwa BGH NStZ 1991 528; vgl. Böllinger/Pollähne NK Rdn. 71.
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Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
der Irrtum auf der Störung, kommt er dem Täter nicht zugute. 40 Dies wird auch im Schrifttum überwiegend, und zwar selbst von Autoren anerkannt, die im Bereich von Vorsatz und Tatbestandsirrtum anders denken, dort also eine Differenzierung nach der Axt der Fehlvorstellung (s. Rdn. 43) nicht anerkennen. 41 So ist es ausnahmsweise auch denkbar, dass ein Entschuldigungsgrund außer Betracht bleibt, wenn sich an den Begleitumständen der an sich entschuldigten Tat zeigt, dass der Täter infolge seines Zustands gefährlich ist, z.B. weil er aufgrund dieses Zustands dazu neigt, aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken schwerwiegende Notwehrexzesse i.S. des § 33 zu begehen. 42 e) Versuch. Der Versuch reicht als „rechtswidrige Tat" aus, sofern die versuchte Tat unter Strafe gestellt ist. In der Praxis können sich dabei Schwierigkeiten ergeben, die Vorstellungen des Schuldunfähigen festzustellen. Der Richter muss ihnen nachgehen (vgl. RG J W 1935 2368 m. Anm. Richter, RGSt 71 218, 220); sind keine sicheren Feststellungen möglich, ist wiederum (s. Rdn. 46) von der dem Täter günstigeren Deutung auszugehen (Sch/Schröder/Stree Rdn. 5).
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f) Strafausschließungs- und -aufhebungsgründe, insbes. Rücktritt. Streitig ist, ob § 63 anwendbar ist, wenn die Voraussetzungen des Rücktritts (§ 24) vorliegen. Es wird z.T. darauf abgestellt, ob der Täter im Einzelfall trotz des Rücktritts bzw. einer tätigen Reue als gefährlich anzusehen ist oder nicht. 43 Dieser Ansicht ist nicht beizutreten. Für sie scheint zwar gerade der hier (Rdn. 46) vertretene Standpunkt zu sprechen, dass krankheitsbedingte Vorstellungen des Täters unbeachtlich sind. Auch bestimmt § 63, anders als § 42b a.F., nicht ausdrücklich, dass die Unterbringung beim vermindert Schuldfähigen nur neben Verurteilung zu Strafe zulässig ist, so dass die traditionelle Argumentation (vgl. z.B. Schlegl NJW 1968 25), der Schuldunfähige könne im Falle des Rücktritts nicht anders behandelt werden als der vermindert Schuldfähige, insoweit ihre Berechtigung verloren hat. Doch bleibt nicht nur zu beachten, dass auch heute bei vermindert Schuldfähigen die Unterbringung regelmäßig neben die Strafe tritt. Zu berücksichtigen ist vor allem, dass sich der unter den Voraussetzungen des § 21 handelnde Täter durch Rücktritt Straffreiheit verdienen kann und dann auch seine Unterbringung nach § 63 schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil es jedenfalls in diesen Fällen an einer die Gefährlichkeit indizierenden Anlasstat fehlt. Dann aber erscheint es auch nicht gerechtfertigt, den Schuldunfähigen insoweit anders zu behandeln; insbesondere lässt sich nicht argumentieren, dass der Schuldunfähige stets gefährlicher sei als der vermindert Schuldfähige, da ein solcher Satz nicht generell aufzustellen ist. Das entspricht heute auch der Ansicht des BGH (BGHSt 31 132, 135; BGH NStZ 2 0 0 3 101) und der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum. 44 Was für den Rücktritt gilt, gilt entsprechend für sonstige persönliche Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe.
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RGSt 73 314; BGHSt 3 287, 2 8 9 ; 10 355; BGH NStZ 1991 5 2 8 ; BGH N J W 1953 1442; vgl. auch OLG Stuttgart NJW 1964 413. So z.B. Jescheck/Weigend, aaO; ebenso Sehl Schröder/Stree aaO. BGH NStZ 1991 5 2 8 ; NStZ-RR 2 0 0 4 10; Lackner/Kühl Rdn. 2. Die scheinbar abweichende Ansicht von Roxin AT § 19 Rdn. 61 bezieht sich nur auf den relevanten Notwehr-
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exzess des Geisteskranken, nicht auf den hier gemeinten krankheitsbedingten Notwehrexzess. Geilen JuS 1972 73, 78 f; wohl auch BGHSt 2 3 358 (dazu Geilen aaO S. 74 f, 79). So z.B. Fischer Rdn. 3; Horn SK Rdn. 8; Lackner/Kühl Rdn. 2 ; van Gemmeren MK Rdn. 11; Jescheck/Weigend AT § 7 7 II 2a; Schlegl NJW 1968 25, 2 6 ; Schreiber S. 48, vgl. auch Sch/Schröder/Stree Rdn. 10.
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Zu beachten ist bei der Wirkung des Rücktritts freilich, dass der Rücktritt vom Versuch das Vorliegen einer „rechtswidrigen Tat" und damit die Möglichkeit einer Unterbringung dann nicht hindert, wenn in der versuchten Tat ein vollendetes Delikt steckt, von dem der Täter nicht mehr zurücktreten kann (BGH bei Holtz M D R 1985 449: Rücktritt vom versuchten Tötungsdelikt bei vollendeter Körperverletzung nach § 224). Doch kann in solchen Fällen die weitere Gefährlichkeit des Täters fehlen (von BGH aaO nicht erörtert).
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g) Bedeutung des Antragserfordernisses. Ist die rechtswidrige Tat nur auf Antrag verfolgbar, kann bei fehlendem Antrag die Unterbringung aufgrund dieser Tat nicht angeordnet werden. Dies entsprach schon im früheren Recht der allgemeinen Meinung, soweit es um die Unterbringung im ordentlichen Strafverfahren geht (z.B. RGSt 73 155; Schlegl N J W 1968 25, 26) und ist auch heute unbestritten. Streitig war jedoch vor dem 2. StrRG, ob gleiches auch für die Unterbringung in selbständigen Verfahren (vgl. jetzt § 71) gilt. BGHSt 5 140 und ein Teil des Schrifttums (z.B. Bruns J Z 1954 731) hatten dies insbesondere verneint, weil der Schutz der öffentlichen Sicherheit nicht vom Willen einer Privatperson abhängen dürfe. Dieser schon früher umstrittenen Auffassung ist aufgrund der Vorschrift des § 71 mittlerweile eindeutig der Boden entzogen. 45
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h) Verjährung und Amnestie. Auf eine verjährte Tat kann gemäß § 78 eine Unterbringung nicht gestützt werden; sie ist also keine ausreichende rechtswidrige Tat i.S. des § 63 (OLG Düsseldorf VRS 32 34). Zur Amnestie s. Vor § 61 Rdn. 100.
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4. Gewicht der Anlasstat. Umstritten ist, ob neben den zu erwartenden Straftaten auch die bereits begangene Anlasstat „erheblich" sein muss. 46 Der Wortlaut des § 63 spricht - ebenso wie der vorrangige Zweck der Maßregel, der Schutz der Allgemeinheit für einen Prüfungsschwerpunkt beim Gewicht der zu befürchtenden zukünftigen Straftaten (s. Rdn. 126). § 62 stellt jedoch klar, dass bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des § 63 auch die „Bedeutung der vom Täter begangenen Tat" zu berücksichtigen ist. Deshalb reichen geringfügige Taten nur ausnahmsweise für die Anordnung des § 63, wenn sie zugleich eine hohe Gefährlichkeit indizieren oder diese nach dem Krankheitsverlauf prognostizierbar ist (vgl. BGH NStZ 1986 217).
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5. Feststehen der Merkmale der §§ 20, 21. Wie sich aus § 63 klar ergibt, müssen die Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit zweifelsfrei feststehen 47 und somit in Bezug auf eine oder mehrere bestimmte Taten erfolgen (BGH NStZ-RR 2005 137; BVerfG, Kammerbeschi. v. 28.1.1992 - 2 BvR 1198/91). Es genügt also nicht, dass diese Voraussetzungen nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" bei der Frage der Strafe bejaht werden, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass der Täter weder schuldunfähig noch vermindert schuldfähig war (so schon RGSt 70 127, 128; 73
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s. BGHSt 31 132, 135 = J R 1985 2 5 mit Anm. Blau; näher oben Vor § 61 Rdn. U l f 84 und Hanack LK § 71 Rdn. 6. Verneinend z.B. Horn SK Rdn. 4a; Fischer Rdn. 3; BGH NStZ 1986 2 3 7 ; bejahend z.B. van Gemmeren MK Rdn. 47. St. Rspr., vgl. insbes. BGHSt 34 27; NStZ
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1990 538; 2 0 0 2 4 2 7 ; NStZ-RR 1999 137; StV 1981 71; 2 0 0 4 331; BGH NJW 1983 350; BGH bei Holtz MDR 1981 98; 1995 1090; BGH, Beschl. v. 2 0 . 5 . 2 0 0 3 - 4 StR 174/03; Fischer Rdn. 11 m.w.N.; vgl. auch Lackner/Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10; van Gemmeren MK Rdn. 26.
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44 f). Die im Bundesratsentwurf vom 26.4.2006 (BT-Drs. 16/1344) zum UnterbrSichG vorgesehene Erweiterung des § 63 auf diese Fälle ist im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich fallen gelassen worden (Rdn. 31). Die bloße Möglichkeit des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 20, 21 ist also unzureichend. Es fällt auf, dass der BGH immer wieder Anlass hat, das auszusprechen.48 Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 ist der Tafzeitpunkt (vgl. BGH NStZ 1995 329). Beim Vollrausch muss das Vergehen nach § 323a - die Alkoholaufnahme - im Zustand der Schuldunfähigkeit oder zumindest verminderten Schuldfähigkeit begangen worden sein. 49 Von dieser gefestigten Rechtsprechung weicht der 4. Strafsenat des BGH nunmehr für den Fall ab, dass das Sichberauschen in voll schuldfähigem Zustand, die Rauschtat hingegen nur möglicherweise im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurde und zugleich die Voraussetzungen des § 66 gegeben sind. Es dürfe dem Angeklagten nämlich nicht zum Nachteil gereichen, dass er in Anwendung des Zweifelssatzes nicht wegen der Rauschtat, sondern wegen Vollrauschs verurteilt werde, was nach der bisherigen Rechtsprechung für die Unterbringung gemäß § 63 nicht ausreiche. Nachdem die anderen Strafsenate dem Anfragebeschluss des 4. Strafsenats vom 5.8.2003 (BGH NStZ 2004 96 mit zust. Anmerkung Neumann NStZ 2004 198) nicht entgegen getreten sind (Fischer Rdn. 12), hat dieser unter erneuter Anwendung des Zweifelssatzes eine Unterbringung nach § 63 trotz uneingeschränkt schuldfähigen Sichberauschens zugelassen (BGH NStZ 2004 384).
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Während der 4. Strafsenat des BGH von der bisherigen Rechtsprechung nur für die- 61 sen seltenen Ausnahmefall abweichen wollte, fordern andere, diesen Weg konsequent weiterzuverfolgen und für § 63 grundsätzlich auf die verminderte oder ausgeschlossene Schuldfähigkeit bei der Rauschtat abzustellen, die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus also auch bei Berauschung in voll schuldfähigem Zustand anzuordnen (Neumann NStZ 2004 199 f; Fischer Rdn. 12). Zu Recht hat der BGH (BGHSt 18 167; BGHSt 22 4) angenommen, dass die Unterbringung auch dann angeordnet werden kann, wenn die Schuldfähigkeit des Angeklagten auf jeden Fall erheblich vermindert ist, er aber nicht bestraft werden darf, weil sie möglicherweise ganz ausgeschlossen ist. Hier die Anwendung der Maßregel auszuschließen, wäre sinnwidrig.50 Es handelt sich hier um einen der Fälle, in welchem bei vermindert Schuldfähigen die Maßregel ohne gleichzeitige Verurteilung zu Strafe angeordnet werden kann.
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BGHSt 21 27; 34 2 2 , 2 6 ; BGH NStZ 1993 78; 1999 611; 2 0 0 2 590, 591; BGH NStZ-RR 1996 193; 1998 174; 1999 137 2 0 0 3 39 f; 2 0 0 3 232; 2 0 0 4 38, 39; 2 0 0 4 70, 71; StV 1981 71 und 543; 1999 4 9 8 ; NJW 1983 350; BGH bei Holtz MDR 1981 98; BGH bei Mösl NStZ 1982 4 5 6 und 1983 496; 1986 2 3 7 ; BGH bei Detter NStZ 1990 579; 1991 2 7 7 ; 1992 477, 4 8 0 ; 1993 476; 1994 177; 1994 4 7 7 ; 1996 186. Vgl. BGH NStZ 1996 41; BGH NStZ-RR 1997 102; BGH NStZ-RR 1997 299, 300; BGH, Beschl. v. 20.9.1995 - 2 StR 441/95;
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Beschl. v. 1 6 . 1 2 . 1 9 9 7 - 1 StR 7 3 5 / 9 7 ; Lackner/Kühl Rdn. 2; Fischer Rdn. 12a, 4; Sehl Schröder/Stree Rdn. 10; Zur Unterbringung nach § 63 bei Strafbarkeit wegen Vollrausches vgl. Streng StV 2 0 0 4 619 sowie oben Rdn. 100. Übereinstimmend z.B. Fischer Rdn. 12 m.w.N.; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10; Jescheck/Weigend AT § 77 II 2b; Sax Anm. in J Z 1968 5 3 3 ; Geilen JuS 1972 73, 75; Montenbruck S. 132 f mit kritischen Überlegungen; aA Foth Anm. in J Z 1963 6 0 4 .
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Bejaht der Tatrichter § 20, muss er jedoch feststellen und im Urteil auch darlegen, ob dem Täter die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit gefehlt hat. Zum einen kann nämlich die Anwendung des § 20 nicht auf beide Alternativen - fehlende Einsichtsfähigkeit und fehlende Fähigkeit, nach der Unrechtseinsicht zu handeln - zugleich gestützt werden.51 Zum anderen setzt eine zuverlässige Beurteilung der weiteren Gefährlichkeit (Rdn. 70 ff) eine eindeutige Bewertung des „Zustandes" des Täters voraus.52
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Unzureichend ist auch die Feststellung, das erkennende Gericht habe „nicht auszuschließen" vermocht, dass im Hinblick auf den Angeklagten die „Einsichtsfähigkeit im Zeitpunkt der Tat völlig aufgehoben war". Mit dieser - unter Anwendung des Zweifelssatzes zu Gunsten des Täters erfolgten Annahme - ist nämlich keine positive Feststellung zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit verbunden, die jedoch für die Anwendung von § 63 zwingend vorauszusetzen ist. 53 Der Zweifelsgrundsatz findet also bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 63 keine Anwendung (BGHSt 42 385, 388).
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Die Vorschrift des § 63 ist auch nicht anwendbar, wenn der Täter trotz erheblicher Verminderung der Einsichtsfähigkeit das Unerlaubte seiner Tat tatsächlich erkannt hat (st. Rspr.). 54 Solange die Verminderung der Einsichtsfähigkeit nicht das Fehlen der Einsicht ausgelöst und dadurch zu Straftaten geführt hat, ist auch die Sicherung der Allgemeinheit durch Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht veranlasst (BGHSt 34 22, 26/27; BGH NStZ-RR 2002 328; 2004 161, 166; StraFo 2004 23).
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Die Anordnung einer Unterbringung setzt zudem eine Zuordnung der im Einzelfall bestehenden geistig-seelischen Beeinträchtigungen des Angeklagten zu einem der in § 20 aufgeführten biologischen Merkmale voraus.55 Die Ursachen der Störung und ihre Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit sind zweifelsfrei aufzuklären.56 Es genügt nicht, dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen „nicht ausgeschlossen werden" kann. Die Ursache der Beeinträchtigung der geistigen oder seelischen Gesundheit kann nur ausnahmsweise offen bleiben (BGH NStZ-RR 2003 168). Eine genaue Zuordnung ist sowohl für die Frage des Ausmaßes einer möglichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als auch für die gem. S 63 erforderliche Gefährlichkeitsprognose von Bedeutung.57 Unzureichend sind allgemeine, eher vage Diagnosen oder Symptom-Schilderungen, bei denen offen bleibt, welche der Eingangs-Voraussetzungen der § § 20, 21 vorliegt oder wie sich diese konkret auf die Schuldfähigkeit und die Gefährlichkeit des Täters auswirkt.58
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Kommen hingegen mehrere Störungen, welche die Schuldfähigkeit gleichermaßen beeinträchtigen in Betracht, kann zwar auf eine zweifelsfreie Aufklärung verzichtet wer-
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Vgl. insbes. BGH NStZ 1999 128 f; NStZ-RR 2 0 0 3 232 f; StV 1999 485; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 5, Schuldunfähigkeit 1, 3; s. auch Schöch LK § 2 0 Rdn. 80. BGH NStZ 1988 24; BGH bei Holtz MDR 1987 93; BGHR § 63 Schuldunfähigkeit 1 und 3 m.w.N.; BGH, Urt. v. 23.4.1998 4 StR 6 7 / 9 8 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10; Fischer Rdn. 12. Vgl. z.B. BGHSt 34 22, 26 f; BGH, Beschl. v. 24.7.2001 - 4 StR 2 6 8 / 0 1 ; BGH, Beschl. v. 10.2.2005 - 3 StR 3 / 0 5 ; Fischer Rdn. 11. Vgl. insbes. BGHSt 21 27; 34 2 5 ; 42 385, 389; BGH NStZ-RR 2 0 0 2 328; BGH NStZ-RR 2 0 0 4 38 f.
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BGH NStZ 1999 128, 129; vgl. BGH NStZ 2 0 0 0 4 7 0 ; Fischer Rdn. 7; Lackner/Kühl Rdn. 6; van Gemmeren MK Rdn. 17 ff m.w.N. NStZ-RR 2 0 0 3 , 232; BGH StraFo 2 0 0 3 282; BGHR StGB § 63 Zustand 19; Fischer Rdn. 7 m.w.N. BGH NStZ 1999 128, 129; van Gemmeren MK Rdn. 17. Fischer Rdn. 7 unter Verweis auf BGHSt 4 9 365, 369 f (Spielsucht = J R 2 0 0 5 2 9 4 m. Anm. Schöch); s. auch BGH NStZ 2 0 0 4 197 f (kombinierte Persönlichkeitsstörung) BGH StraFo 2 0 0 4 3 9 0 (Stalking = R&P 2 0 0 5 86 m. Anm. Pollähne).
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den. Die symptomatische Bedeutung der Anlasstat für die von § 63 vorausgesetzte Gefährlichkeit ist indes aus dem Blickwinkel jeder der möglichen Störungsursachen gesondert zu untersuchen (vgl. Rdn. 109). Im Urteil ist der konkrete Zusammenhang zwischen psychischer Störung, abgeurteilter Tat und der Gefahr künftiger Straftaten darzulegen (BGH NStZ-RR 2 0 0 3 168 f). So kann ein Täter aufgrund einer psychischen Beeinträchtigung im Sinne einer Perversion bei einem Sexualdelikt vermindert schuldfähig 59 und gefährlich sein, jedoch nicht bei einem im gleichen Zeitraum begangenen Diebstahl. i 0 Im Hinblick auf den Heilungs- bzw. Pflegeaspekt des § 63 darf die Beeinträchtigung der geistigen und seelischen Gesundheit nicht nur ein vorübergehender Defekt, sondern muss ein länger andauernder Zustand sein (Rdn. 105). 6 1 Wendet der Tatrichter § 21 an, ist - entsprechend dessen Anforderungen 62 - ferner erforderlich, dass der Täter Unrechtseinsicht tatsächlich nicht gehabt hat. Die bloße Feststellung, dass seine geistigen Fähigkeiten gemindert waren, genügt daher nicht; vielmehr ist die Unterbringung nur zulässig, wenn die Einsichtsfähigkeit nachweislich gefehlt hat. 6 3
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6. Symptomatischer Zusammenhang. Die Rspr. verlangt, dass zwischen dem seelisehen Zustand des Täters und dessen Gefährlichkeit ein symptomatischer Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass sowohl die Anlassdelikte als auch die für die Zukunft zu befürchtenden rechtswidrigen Taten (dazu Rdn. 77) Folgen der Schuldunfähigkeit oder der zur erheblichen Verminderung der Schuldunfähigkeit führenden seelischen Verfassung sind (BGHSt 27 246, 249; 34 22, 27; 44 338 f; zust. van Gemmeren M K Rdn. 30). Die Defekte müssen also auch in einem kausalen Zusammenhang mit der Anlasstat stehen, woran es z.B. bei einer „kombinierten Persönlichkeitsstörung" im Bereich sexueller Missbrauchshandlungen (BGH NStZ 2 0 0 4 197) oder beim extensiven Notwehrexzess einer bisher nicht gewalttätigen, an Schizophrenie erkrankten Frau (BGH NStZ 1991 528) fehlen kann.
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IV. Die künftige Gefährlichkeit des Täters 1. Allgemeines. § 42b a.F. stellte darauf ab, ob die „öffentliche Sicherheit" die Unterbringung des Täters „erfordert". Mit der Umschreibung der materiellen Gefährlichkeit in § 63 wollte der Gesetzgeber nach dem Vorbild des E 1962 (§ 82; dazu die Begründung S. 209) diese Klausel einengen und präzisieren. Das mag ihm in gewissem Umfang gelungen sein. Aber der Verzicht auf das Merkmal von der „erforderlichen" Unterbringung birgt die Gefahr, dass der entscheidende Abwägungsgesichtspunkt zu kurz kommt oder von der Interpretation der verschiedenen und durchaus vagen Kriterien des § 63 gewissermaßen zu sehr überwuchert wird: dass nämlich die - unbefristete - Unterbringung nach § 63 als ein besonders schwerwiegender Eingriff eben zum Schutze der Gemein-
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Vgl. BGH NStZ-RR 2 0 0 4 201. Vgl. Rasch StV 1991 126, 130. BGHSt 4 2 385, 386; BGH NStZ-RR 2 0 0 3 1 6 8 , 1 6 9 ; StraFo 2 0 0 3 281; BGHR StGB § 63 Zustand 1; BGH bei Detter NStZ 1990 2 2 4 ; 2 0 0 4 491; Konrad NStZ 1991 315, 317. Schöch LK § 21 Rdn. 8 f m.w.N.
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BGHSt 21 2 7 m. Anm. Schröder J Z 1966 451 und Dreher JR 1966 350; BGHSt 34 22, 25; BGH NStZ 1988 24; NStZ-RR 1998 2 9 4 ; BGHR StGB § 6 3 Zustand 2 9 ; BGH, Beschl. v. 3.4.1991 - 3 StR 64/91; vgl. auch Sch/ Schröder/Stree Rdn. 11.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
schaft „erforderlich", also unabweisbar geboten sein muss. Dem steuert nur eine integrierende Gesamtwürdigung, die über den gesetzlichen Hinweis zur Würdigung „des Täters und seiner Tat" hinausgeht und in jedem Fall die Verhältnismäßigkeit der Anordnung ( § 6 2 ) sorgfältig prüft. 71
2. „Erwartung" weiterer Taten. Für die „Erwartung" genügt zum einen nicht die bloße Möglichkeit (Vor § 61 Rdn. 58) oder die latente Gefahr künftiger Taten (BGH NStZ 1999 610, 611; BGH bei Detter NStZ 1989 472). Zum anderen bedarf es aber auch keiner Sicherheit bzw. an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf die Erwartung künftiger Taten. 64 Zu verlangen ist vielmehr, wie schon die Rechtsprechung zu § 42b a.F. herausgearbeitet hat, dass die Rechtsordnung „durch die bestimmte Wahrscheinlichkeit künftiger gegen sie gerichteter Handlungen unmittelbar bedroht wird". 65 In diesem Sinne spricht BGH NJW 1951 724, 725 von einer „bestimmten ernstlichen Gefährdung", von einer „großen Wahrscheinlichkeit" oder einer „Gefährlichkeit in gesteigertem Umfang".
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Die heutigen Umschreibungen der Rechtsprechung sind meist blasser, möglicherweise, weil § 63 nicht mehr das profilierende Merkmal der „Erforderlichkeit" nennt. Sie sind auch nicht einheitlich; so begnügt sich der BGH zum Teil mit einer „gewissen Wahrscheinlichkeit" (BGH NStZ 1986 572; NStZ-RR 2001 238), einer „bestimmten Wahrscheinlichkeit" (BGHR § 63 Gefährlichkeit 4), zum Teil verlangt er eine „Wahrscheinlichkeit hohen Grades" (BGH bei Holtz MDR 1979 280) oder - nach der sich insoweit festigenden Terminologie des BGH - „Wahrscheinlichkeit höheren Grades". 66 Der BGH prüft freilich im Rahmen seiner revisionsrechtlichen Möglichkeiten und im Zusammenhang mit den weiteren materiellen Kriterien des § 63 regelmäßig recht genau, ob die Feststellungen des Tatrichters im Einzelfall seine Entscheidung tragen. 67 Die Literatur folgt mit unterschiedlichen Formulierungen im Wesentlichen den Ergebnissen der Rechtsprechung,68 wobei die oft knappe, ja stiefmütterliche Behandlung des Problems auffällt.
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Präzise Maßstäbe lassen sich aber abstrakt auch nicht entwickeln. Insbesondere ist es nicht möglich, das Maß der Wahrscheinlichkeit in Prozentzahlen auszudrücken. Sagen lässt sich wohl nur, dass die „Erwartung" beim Gewicht der Maßregel eine so hohe Wahrscheinlichkeit voraussetzt, dass ihre Anordnung zur Abwehr einer unmittelbaren Bedrohung der Rechtsgemeinschaft als erforderlich gelten muss (vgl. Rdn. 71), wobei auch die Schwere und die Zahl der drohenden Taten eine Rolle spielen. Zu prüfen ist die „Erwartung" jeweils im Wege einer Gesamtwürdigung, insbesondere einer „Rückschau"
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BGH bei Holtz MDR 1994 4 3 3 ; BGH, Beschl. v. 18.2.2003 - 3 StR 19/03; Lackneri Kühl Rdn. 5. So RGSt 68 149, 155; vgl. auch RGSt 73 303; RG DR 1943 2 3 3 ; BGH NJW 1952 36; OLG Hamm JMB1NRW 1951 80; OLG Koblenz OLGSt § 42b S. 5; BGH NStZ 1991 528: „bestimmte oder doch gewisse Wahrscheinlichkeit". So etwa BGH NStZ 1993 78; 2 0 0 2 590, 591; NStZ-RR 2 0 0 3 232; 2 0 0 5 3 0 3 ; 2 0 0 6 265; StV 2 0 0 5 21; BGH 1989 2 9 5 9 ; BGH bei Detter 1989 465, 4 7 2 ; 1991 475, 479; 1992 477, 4 8 0 ; 1993 1 7 6 , 1 7 9 ; 1995 1 6 9 , 1 7 3 ;
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1999 4 9 4 ,499; 2 0 0 0 1 8 4 , 1 8 9 ; 2 0 0 0 578, 581; 2 0 0 3 133, 138; 2 0 0 4 4 8 6 , 491; 2 0 0 5 498, 501; 2 0 0 6 146, 149; 2 0 0 6 560, 565; 2 0 0 7 206, 209. Vgl. - außer den schon genannten Entscheidungen - z.B. BGH bei Holtz MDR 1977 106 und 1981 2 6 5 ; BGHR § 63 Gefährlichkeit 2 - 6 . Fischer Rdn. 15; Horn SK Rdn. 12; Lackner/Kühl Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 14; Jescheck/Weigend AT § 77 II 2c; höchst kritisch und grundsätzlich anders jedoch Frisch Prognoseentscheidungen, insbes. S. 8 ff, 146 ff.
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auf das frühere Verhalten des Täters und die bisher von ihm begangenen Taten (BGH bei Holtz M D R 1979 280; Rdn. 118 ff; Vor § 61 Rdn. 69). Dass der Täter trotz bestehenden Defekts lange Zeit keine Straftaten begangen hat, ist als gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten heranzuziehen. 69 Der BGH (Beschl. v. 25.8.1998 - 4 StR 385/98) hat insoweit beispielsweise die Gefährlichkeit des Täters i.S.v. § 63 im Falle von Diebstahlstaten und eines im Zeitpunkt des Urteils „bereits über fünf Jahre" zurückliegenden gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b) in Frage gestellt.
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Eine nur latente Gefahr genügt nach dem Gesagten grundsätzlich nicht (BGH NStZ 1999 610, 611; Sch/Schröder/Stree Rdn. 14). Andererseits braucht die Gefahr bzw. der kritische Zustand des Täters aber auch nicht stets „akut" zu sein, d.h. vom Täter muss keine „ständige Bedrohung" ausgehen. 70
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Im Übrigen muss sich die Prognose der „Erwartung" auf den für das Gericht überschaubaren Zeitraum beziehen. Sie darf also nicht nur „kurz- oder mittelfristig" (drei bis sechs Monate) gestellt werden, ist jedoch nur auf „absehbare Zeit" möglich (BGHR § 63 Gefährlichkeit 6). Dabei ist der kriminologischen Erfahrungstatsache Rechnung zu tragen, dass Kriminalprognosen immer nur für bekannte Situationen und für begrenzte Zeiträume möglich sind (Nedopil S. 297; eingehend dazu Vor § 61 Rdn. 174 f).
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3. Erwartung „rechtswidriger Taten". Die Erwartung muss auf „rechtswidrige" Taten bezogen sein. Der Begriff der rechtswidrigen Tat ist nach den gleichen Anforderungen zu interpretieren wie bei der auslösenden Tat (Rdn. 42 ff). In den einschlägigen Schrifttumsäußerungen wird das oft nicht ausdrücklich gesagt, so dass insbesondere offen bleibt, ob die Vertreter der Auffassung, die bei der Anlasstat eine volle Erfüllung des subjektiven Tatbestandes verlangen (Rdn. 43), dies tatsächlich auch hier voraussetzen wollen (eindeutig für eine Gleichstellung aber Horn SK Rdn. 11).
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Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Anlasstat ähnliche oder vergleichbare Taten erwarten lässt. 71 Entscheidend ist vielmehr (Rdn. 114), dass sie auf dieselbe psychische Störung zurückzuführen ist, die auch die Gefahr weiterer Taten begründet (BGHSt 24 134, 136; BGH StV 1999 482 m. Anm. Müller-Dietz; StraFo 2 0 0 6 295). Somit ist nicht zu verlangen, dass die Anlasstat eines psychisch gestörten und deshalb gefährlichen Täters gleichartige Taten erwarten lässt. 72
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4. Erwartung „erheblicher" rechtswidriger Taten. Die künftige Gefährlichkeit muss sich auf „erhebliche" rechtswidrige Taten beziehen. Das Erfordernis der Erheblichkeit der zu erwartenden rechtswidrigen Taten gilt für die Anordnung und die Fortdauer (dazu Rissing-van Saan/Peglau LK § 67d Rdn. 87) der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (BVerfGE 70 297).
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a) Allgemeines. Der Begriff der „erheblichen" Taten wird vom Gesetz seit dem 2. StrRG u.a. bei allen anderen freiheitsentziehenden Maßregeln benutzt und ist damit insoweit zu einem Zentralbegriff des Maßregelrechts geworden (Vor § 61 Rdn. 52). Er lässt sich jedoch nicht von vornherein bei allen Maßregeln nach den gleichen Grund-
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BGH NStZ-RR 2 0 0 5 3 0 3 ; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27. Vgl. BGHR StGB § 63 - Gefährlichkeit 6; BGH, Urt. v. 2 3 . 4 . 1 9 9 8 - 4 StR 67/98.
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BGH N J W 1998 2 9 8 6 ; Fischer Rdn. 14; van Gemmeren MK Rdn. 32. BGH N J W 1998 2 9 8 6 , 2987.
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sätzen interpretieren, schon weil er auf verschiedene Formen der Gefährlichkeit bezogen ist und weil die einzelnen Maßregeln unbeschadet des Umstandes, dass sie alle vornehmlich Sicherungsbedürfnissen der Allgemeinheit Rechnung tragen (Rdn. 20 Vor § 61), im Einzelnen etwas unterschiedlich akzentuiert sind (vgl. schon Rdn. 40 ff Vor S 61). 81
Welche Anforderungen bei § 63 an die Erheblichkeit der künftigen Taten zu stellen sind, ist in den Einzelheiten noch nicht befriedigend geklärt. Das Schrifttum folgt im Ergebnis meist den Grundsätzen der Rechtsprechung, zeigt dabei aber in der abstrakten Umschreibung recht unterschiedliche Tendenzen. So meint z.B. Horn SK Rdn. 12 (unter anderem), der Begriff sei „besser" mit „nicht unerheblich" zu umschreiben, während Sch/Schröder/Stree Rdn. 15 und van Gemmeren MK Rdn. 33 „Verfehlungen geringeren Gewichts" nicht ausreichen lassen wollen, sondern das Drohen einer schweren Störung des Rechtsfriedens fordern und Lackner/Kühl Rdn. 5 zur näheren Konkretisierung „sinngemäß" u.a. auf die Auslegung zu § 66 abstellen, dabei die Erheblichkeitsschwelle aber „etwas niedriger" als dort ansetzen wollen.
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Die Rechtsprechung hatte bereits bei § 42b a.F. durchweg auf die Gefahr „erheblicher" Rechtsverletzungen abgestellt, mit Hilfe dieses Gesichtspunktes aber z.T. nur „lästige" Taten abgeschichtet, die für eine Unterbringung prinzipiell nicht ausreichen (näher Rdn. 86 ff). Der BGH hat schon bald nach Inkrafttreten des 2. StrRG die Auffassung abgelehnt, § 63 lasse die Unterbringung nur noch zu, wenn „schwere oder gar schwerste" Taten zu erwarten seien; vielmehr könnten auch „Eigentumsdelikte, die zur mittleren Kriminalität" gehören, ausreichen, jedenfalls wenn es sich um „Serientaten" handele.73 Auf dieser Linie bewegt sich dann auch die weitere Rechtsprechung der Obergerichte.74
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Der BGH hat dabei in Anlehnung an Fischer (Rdn. 16) und Lackner/Kühl (Rdn. 5) die Abgrenzung zur Sicherungsverwahrung versucht, und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Maßstab für die Erheblichkeit bei § 63 „nicht so hoch anzusetzen" sei wie bei der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 3. 7 5 Begründet wird dies einmal mit den unterschiedlichen Gesetzesfassungen, die durch die Maßstab bildenden Beispielsfälle in § 66 Abs. 1 einen höheren Grad an Gewicht und Erheblichkeit der künftigen Straftaten umschreiben würden. Hingewiesen wird zum anderen darauf, dass die Unterschiedlichkeit im Erheblichkeitsgrad eine innere Rechtfertigung darin finde, dass bei der Sicherungsverwahrung „zunächst und in erster Linie" die Strafe als Mittel zur Einwirkung auf den Täter in Betracht komme, während „neben der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (bei Schuldunfähigen) ein anderes strafrechtliches Mittel der Sicherung und Einwirkung überhaupt nicht zur Verfügung steht" (BGH aaO). Schließlich wird geltend gemacht, dass die Anforderungen an die Erheblichkeit auch wegen des „hier mitschwingenden Heilungs- oder Pflegezwecks" nicht so hoch zu sein brauchten wie bei der Sicherungsverwahrung (kritisch hierzu Miiller-Dietz NStZ 1983 149; Hanack LK 1 1 § 63 Rdn. 49).
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Solche Vergleiche eignen sich aber allenfalls als grobe Orientierungshilfe. Letztlich ist die Frage der Erheblichkeit bei § 63 in erster Linie aus sich selbst heraus zu bestimmen:
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BGH Urteil v. 2 2 . 4 . 1 9 7 5 - 5 StR 97/75 - bei Dallinger MDR 1975 724. Vgl. insbesondere BGHSt 2 7 2 4 6 = JR 1978 345 mit Anm. v. Hippel; BGH NJW 1976 1949 = J R 1 9 7 7 170 mit Anm. Hanack; BGH bei Holtz M D R 1 9 8 9 857 und 1051, wo sogar das Kriterium der Serientat eingeschränkt wird; BGHR § 63 Gefährlichkeit 9;
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OLG Karlsruhe Die Justiz 1979 301; vgl. auch im weiteren Text. Vgl. BGH NJW 1976 1949; NStZ-RR 1 9 9 9 17; Übersicht bei Dessecker 216 ff; aA Kruis StV 1998 94, 9 7 für den Fall, dass der Täter nicht behandlungsfähig ist, ebenso LG Duisburg StraFo 1998 69; s.o. Rdn. 4.
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Maßgebend muss die Bedrohung des Rechtsfriedens durch die zu erwartenden Straftaten sein. Diese muss so ernstlich und gravierend sein, dass dem Täter in Anbetracht seiner Störungen das Sonderopfer des - unverschuldeten - Freiheitsentzugs von unbestimmter Dauer auferlegt werden kann (zustimmend Horn SK Rdn. 12; vgl. auch Laubenthal J Z 1997 687). Daher können krankheitstypische Taten, die im Rahmen einer Unterbringung gegen Angehörige des Pflegepersonals oder u.U. gegen Mitpatienten begangen werden, nur eingeschränkt Anlass für die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 63 sein, da diese auch Ausfluss der mit der Unterbringung verbundenen Belastungssituation sein können (BGH NStZ 1999 610 6 1 1 - vgl. auch BGH NStZ 2 0 0 2 590, 591; BGH NStZ-RR 2005 303; BGH bei Detter NStZ 2 0 0 2 415, 419; Lackner/Kühl Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 1). Die traditionelle Ausscheidung „lästiger Taten" (dazu im folg. Text) ist dabei ein wichtiges Mittel für die Beurteilung, weil diese Ausscheidung speziellen Gegebenheiten beim Verhalten psychisch kranker Rechtsbrecher entspricht. Sie schöpft entgegen manchen Tendenzen (z.B. BGHSt 2 7 246, 247) die Problematik aber nicht aus, weil auch mehr als lästige Taten im Einzelfall „unerheblich" sein können (dazu Rdn. 89 ff).
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b) Lediglich lästige Taten. Grundsätzlich nicht „erheblich" sind Straftaten, die lediglieh lästig sind. Dies ist - meist unter dem Aspekt einer mangelnden „Erforderlichkeit" der Unterbringung - von Rechtsprechung und Lehre schon für S 42b a.F. anerkannt worden (Lang-Hinrichsen LK 9 , § 42b Rdn. 35) und entspricht auch heute der allgemeinen Meinung. 76 Lästig in dem gemeinten Sinne sind Taten, die den Betroffenen zwar ärgern oder - eben - belästigen mögen, aber nicht eigentlich schädigen können, insbesondere weil ihre krankheitsbedingte Ursache offensichtlich ist.
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Hierher gehören etwa Fälle, in denen beleidigende Schriftstücke ohne weiteres als nicht ernst zu nehmende Äußerungen eines Geisteskranken zu erkennen sind (BGH N J W 1968 1683 für Schriften antisemitischen Inhalts), in denen der kranke Täter die Ehre einzelner Personen in Eingaben an Behörden und Beamte angreift, ohne diese dadurch ernsthaft in ihrem Rechtskreis zu bedrohen (RG J W 1937 2373; KG J R 1960 351 m. zust. Anm. Mittelbach), in denen der Beschuldigte in knapp zwei Jahren insgesamt 60 rechtswidrige Taten mit einem Gesamtschaden von etwa 2 0 0 0 D M begangen hat (BGH wistra 1992 342). Dasselbe gilt für versuchte Taten, die von vornherein leicht zu durchschauen oder ungefährlich sind (wie etwa einfache Betrugsversuche OLG Hamm M D R 1971 1026), für die in der Missachtung von Hausverboten liegenden Hausfriedensbrüche sowie für Verstöße gegen das AusländerG. 77 In Betracht kommen auch unter Alkoholeinfluss begangene Taten, die nur mit einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten geahndet wurden (BVerfG NJW 1995 3048, 3049). Exhibitionistische Handlungen, die § 183 mit einer Höchststrafe von einem Jahr bedroht, sind i.d.R nicht erheblich. 78 Sprechen aber konkrete Anhaltspunkte für die Gefahr, dass der Angeklagte bei zukünftigen exhibitionistischen Taten Gewalt anwenden
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Vgl. etwa BGH NStZ 2 0 0 5 303, 3 0 4 ; NStZ-RR 2 0 0 6 3 3 9 ; N J W 1967; BGH StraFo 2 0 0 5 385; KG J R 1960 351; Lackner/ Kühl Rdn. 5; Fischer Rdn. 17; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 15; van Gemmeren MK Rdn. 33. BGH NStZ-RR 1997 2 9 0 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 15; Fischer Rdn. 17.
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Vgl. hierzu insbesondere NStZ 1995 2 2 8 ; BGH NStZ-RR 1 9 9 9 2 9 8 ; 2 0 0 5 11 f; 72, 73; 2 0 0 6 2 0 3 ; NJW 1998 3428, 3 4 2 9 ; BGHR StGB § 6 2 Verhältnismäßigkeit 1: „allenfalls in einem besonders schwerwiegenden Ausnahmefall" kann etwas anderes gelten; BGH bei Detter NStZ 1992 1 6 9 , 1 7 3 ; Sch/Schrö-
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wird, d.h. „erhebliche Taten oder aus ihrem Anlass erhebliche Delikte" begehen wird, ist eine Unterbringung nach § 63 zulässig.79 88
Nicht erheblich sind ferner gelegentliche kleinere Betrügereien (BGH StV 2002 571 f), insbesondere geringfügige Zechprellereien,80 Schwarzfahrten und andere Leistungserschieichungen gemäß § 265a, 81 Beleidigungen von Polizeibeamten82 und schriftliche, von vornherein nicht ernst zu nehmende Drohungen (BGH NStZ-RR 2005 303, 304) 8 3 sowie gelegentliche kleine Diebstähle,84 insbesondere dann, wenn der Beschuldigte etwa infolge seines auffälligen Erscheinungsbildes („Maskengesicht") oder seines ungeschickten Auftretens regelmäßig bei oder bald nach der Tat entdeckt wird,85 nicht aber ohne weiteres die versuchte räuberische Erpressung eines Volltrunkenen (BGHR § 63 Gefährlichkeit 9). Ähnliches gilt für das ständige Randalieren in der Wohngegend einer Großstadt mit der Gefahr nervlicher Störungen bei den Bewohnern (Sch/Schröder/Stree Rdn. 15; Lenckner S. 191; weitergehend OLG Stuttgart Justiz 1967 99). In krassen Fällen kann die Lästigkeit aber in Erheblichkeit umschlagen kann (so Lang-Hinrichsen LK 9 , § 42 b Rdn. 35; aA Hanack LK 11 § 63 Rdn. 52).
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c) Mehr als lästige Taten. Solche Delikte sind - entgegen mancher Tendenzen im Schrifttum und entgegen auch einem Teil der Rechtsprechung zu § 42b a.F. (s. im Folg.) noch nicht ohne weiteres „erheblich". Vielmehr kommt es insoweit entscheidend auf Art und Häufigkeit der zu erwartenden Delikte, also den konkreten Fall an. Die sorgfältige Einzelfallprüfung hat die Rechtsprechung zwar durchweg schon im früheren Recht für notwendig gehalten. Sie hat dabei aber den Bereich der „erforderlichen" Unterbringung namentlich bei Eigentums- und Vermögensdelikten bisweilen bedenklich weit auch auf drohende Taten von geringer Bedeutung und geringem Unrechtsgehalt erstreckt.86 Diesen Entscheidungen ist nicht mehr zu folgen. Taten, die allenfalls in Einzelfällen in den Bereich der mittleren Kriminalität gelangen, reichen nicht (treffend BGH NJW 1989 2959).
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Die Erheblichkeit verlangt vielmehr Delikte, die grundsätzlich mindestens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinragen 8 7 und eine so ernsthafte Störung des Rechts-
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der/Stree Rdn. 15; Fischer Rdn. 17; Lackner/ Kühl Rdn. 5; van Gemmeren MK Rdn. 36 m.w.N.; zu unangemessenem sexualbezogenen Verhalten an der Grenze der Erheblichkeitsschwelle des § 184 f vgl. BGH NStZ-RR 2 0 0 0 299. BGH NStZ-RR 1999 2 9 8 ; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 5 BGH Beschl. v. 2 2 . 8 . 2 0 0 7 - 2 StR 2 6 3 / 0 7 ; Laubenthal Rdn. 541; OLG Düsseldorf OLGSt 2 0 0 0 , StPO § 126a Nr. 3. BGH NStZ 1992 178; J R 1992 390; OLG Hamm NJW 1970 1982; vgl. auch BGHSt 2 0 232; dazu Rdn. 127. BGHR § 63 Gefährlichkeit 8; BGH StV 1992 571; van Gemmeren MK Rdn. 43. BGH, Beschl. v. 21.9.1999, 4 StR 4 0 8 / 9 9 . Anders bei konkretisierten, ernst zu nehmenden Bedrohungen mit schweren Verbrechen (BGH NStZ-RR 2 0 0 6 339) oder bei gehäuften nächtlichen Telefonanrufe, die die Gesundheit verschiedener Personen erheblich
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schädigen und sich bis zu Morddrohungen steigern (BGH, Beschl. v. 10.12.1991 - 5 StR 547/91). BGH NStZ-RR 1997 2 3 0 m. Anm. Laubenthal ] Z 1997 687; BGH StV 2 0 0 2 571 f; KG StV 2 0 0 2 580. BGH NJW 1955 837 = LM Nr. 12 zu § 42b a.E m.w.N. So etwa BGH NJW 1967 2 9 7 ; BGH GA 1965 2 8 2 ; BGH GA 1969 2 8 0 ; z.T. kritisch dazu Fischer Rdn. 17; Sch/Schröder/Stree Rdn. 15. Vgl. z.B. BVerfGE 70 297, 312; BVerfG NJW 1995 3048, 3 0 4 9 ; BGHSt 27 2 4 6 , 248; BGH NStZ 1995 228; 1998 617; NStZ-RR 1996 94; 2 0 0 5 72, 73; 2 0 0 5 303, 304; 2 0 0 6 203; NJW 1989 2 9 5 9 ; StV 1992 571 f; wistra 1994 95; KG StV 2 0 0 2 5 8 0 ; LG Gera NStZ-RR 1996 95; Fischer Rdn. 1 3 , 1 7 f m.w.N.; Lackner/Kühl Rdn. 5; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 15.
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friedens besorgen lassen, dass sie in der Abwägung zum Sonderopfer einer Freiheitsentziehung von unbestimmter Dauer die Unterbringung unabweisbar machen (Rdn. 84). Entscheidend für eine in diesem Sinne bedrohliche Erwartung sind, wie bemerkt, insbesondere Art und Häufigkeit der zu erwartenden Taten, wobei gerade die Relation dieser Faktoren wichtig werden kann. So spielt eine Rolle, ob künftige Taten nur „ab und zu", „ständig" oder als „Serientaten" zu erwarten sind (BGH bei Dallinger M D R 1975 7 2 4 ; einschränkend aber BGHSt 27 246). Auch bei einer Vielzahl als unerheblich und lediglich als lästig einzustufender Taten 8 8 wird eine Unterbringung nicht zu rechtfertigen sein. 89 Eine Rolle spielt nämlich weiter, ob es sich um beunruhigende bzw. irgendwie erhöht gefährliche Taten handelt (z.B. Einbruchsdiebstähle, vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.4.2001 3 StR 533/00) oder um Taten ohne solche Momente (z.B. ,,Alltags"-Betrügereien). Bedeutsam ist ferner die zu erwartende Schwere der Rechtsgutsverletzungen, wobei auch von Belang sein kann, gegen welchen potentiellen Opferkreis sich die Taten richten. Insoweit liegen die Probleme ähnlich wie bei S 66 (Rissing-van Saan/Peglau LK § 66 Rdn. 169 ff). Sofern sich die Erheblichkeit der drohenden Taten nicht ohne Weiteres bereits aus dem Deliktscharakter selbst (z.B. bei Verbrechenstatbeständen 90 ) ergibt, stellt der BGH im Rahmen der Erheblichkeitsbeurteilung insbesondere auch auf die (zu befürchtende) „konkrete Ausgestaltung" der Straftaten ab. 9 1 Dies gilt namentlich dann, wenn eine Strafvorschrift - wie etwa § 176 - eine „breite Skala tatbestandlicher Handlungsweisen" 92 eröffnet, für Art und Intensität der zu befürchtenden Rechtsgutsverletzung bzw. Tatbestandserfüllung demnach ein weiter Spielraum denkbar ist. Grundsätzlich gehört der sexuelle Missbrauch von Kindern zu den gewichtigeren Straftaten, sofern die Tathandlungen in den Fällen des § 176 Abs. 3 nicht ausnahmsweise lediglich an der Grenze zur Erheblichkeitsschwelle (§ 184 f) und bloßen Belästigung liegen (BGH NStZ 1998 617). 9 3
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Die erwartete Vielzahl von leichteren Straftaten, die wegen des angerichteten geringen Schadens lediglich der Kleinkriminalität zuzurechnen sind, verändern diese rechtliche Qualität nicht durch serienmäßige Begehung. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, etwa nach Überschreitung einer bestimmten Fallzahl von Bagatelldelikten die Delinquenz des Täters als mittlere Kriminalität zu bewerten. 94
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Die Einstufung der Taten als gewerbsmäßig i.S. von § 2 4 3 I 2 Nr. 3 (vgl. B G H NStZ-RR 1997 230) oder im Sinne von § 2 6 3 Abs. 3 Nr. 1 (BGH wistra 2 0 0 5 9 5 ) 9 5
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Vgl. BGH StV 1992 571 f: 60 rechtswidrige Taten - insb. nach §§ 265a, 263, 2 4 2 i.V.m. 248a, 145, 3 0 3 - bei Einzelschäden von ca. 1 € bis max. 6 0 € und einem Gesamtschaden von ca. 1100 € innerhalb von 2 Jahren. Vgl. auch KG StV 1992 5 8 0 ; Lackner/Kühl Rdn. 5 m.w.N. Etwas zu weitgehend BGH NStZ-RR 2 0 0 5 72: „auch bei Vergehen mag eine solche Annahme vielfach naheliegen". BGH NStZ 1995 2 2 8 ; NStZ-RR 2 0 0 5 72; StV 2 0 0 2 4 7 7 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 15; vgl. auch BGH NStZ 1998 617, worin auf die „Art der zu erwartenden Tatbestandserfüllung" abgestellt wird. BGH NStZ 1995 2 2 8 ; 1998 617; BGH StV 2 0 0 2 477.
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Vgl. auch BGH NStZ-RR 1999 2 9 8 sowie Fischer Rdn. 17 m.w.N. Im Prinzip richtig KG StV 1992 580, im konkreten Fall aber problematisch, weil unter den 111 Ladendiebstählen und 2 8 Zechprellereien der Schaden in vier Fällen über 2 0 0 DM lag, in weiteren Fällen zwischen 5 0 und 2 0 0 DM und lediglich „überwiegend" unter 5 0 DM. Problematisch ist aber die Begründung in BGH wistra 2 0 0 5 95: Das Zurückfallen in immer wieder gleiche Verhaltensmuster sei bei Betrügern häufig gegeben, so dass erst der mehr oder weniger unwiderstehliche Zwang eine Unterbringung rechtfertige; ein solcher Zwang wird für die Erheblichkeit nicht verlangt.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
begründet nicht ohne weiteres die Erheblichkeit i.S. von § 63 Rdn. 15).
(Sch/Schröder/Stree
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d) Grundsätzlich unerhebliche Delikte? Zweifelhaft ist, ob es Straftatbestände gibt, die nie „erheblich" sein können. Der E 1962 hatte die Frage der Rechtsprechung überlassen wollen (S. 2 0 9 ) . Die strenge Durchforstung des Strafrechts im Verlauf der Reformarbeiten nach dem 2. Weltkrieg legt es eigentlich nahe, davon auszugehen, dass alle Straftatbestände, die der Gesetzgeber nicht als entbehrlich ausgesondert bzw. zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft hat, nach seiner, den Richter bindenden Wertung auch schwerwiegendes kriminelles Unrecht umschreiben, also im Einzelfall, z.B. bei massiver Häufung oder hoher Intensität, auch „erheblich" sein können (so wohl Sch/Schröder/ Stree Rdn. 15). Tatsächlich ist aber kaum zu bestreiten, dass es selbst im StGB noch immer Delikte gibt, die im Grunde lediglich gemeinlästig sind (so z.B. § 184a) oder in den besonders behandelten Bereich einer spezifischen „Kleinkriminalität" fallen (so z.B. § 2 4 8 a ; 9 6 vgl. auch § 2 4 3 Abs. 2 und § 153 StPO). M a n wird annehmen müssen, dass die Gefahr solcher Delikte die Unterbringung grundsätzlich nicht rechtfertigt. Das gilt jedenfalls für Straftatbestände, die nur mit Geldstrafe bedroht sind, weil hier auch keine Freiheitsstrafe erfolgen soll. Es gilt aber auch für Taten, die nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten bedroht sind, weil man der Regelung des § 113 StPO über die Anordnung von Untersuchungshaft entnehmen darf, dass auch sie prinzipiell keine „erheblichen" Delikte darstellen.
95
Bei allen anderen Tatbeständen kann nur die genauere Prüfung im Einzelfall zeigen, ob sie ihrer Art nach „erhebliche" Taten sind. Dies gilt z.B. für die Gefahr „schwerer Beleidigungen" oder „schwerer Steuerverfehlungen" (offen gelassene Beispiele der Begründung zum E 1962, S. 2 0 9 ) . Bei der Beleidigung wird man die Erheblichkeit nicht generell ausschließen können, da solche Taten, jedenfalls in ganz besonders krassen Fällen, ernsthafte Beeinträchtigungen wichtiger Rechtspositionen bedeuten können. Die einfache Sachbeschädigung kann erheblich sein, wenn zukünftig mit sehr hohen Schäden oder der Gefährdung von Personen zu rechnen ist. Bei den Steuerverfehlungen hingegen erscheint die Zulässigkeit schon deswegen zweifelhaft, weil der Untergebrachte entweder nichts mehr verdient und zu versteuern hat oder aber (bei Steuern aus vorhandenem Vermögen usw.) die Steuerbehörde die Steuern auch ohne Unterbringung einzuziehen vermag.
96
e) Künftige Unterlassungstaten. Dass die Gefahr künftiger Unterlassungstaten die Unterbringung grundsätzlich nicht rechtfertigt, hat Schmidhäuser (AT 19/13 S. 749) im Ergebnis zu Recht dargelegt. 97 Denn die Pflicht zur Sorge für den Schutz eines Rechtsguts oder für die Verhaltensweise einer Person, um die es bei den Unterlassungsdelikten geht, kann durch die Unterbringung des Pflichtigen nicht gefördert werden. Unterlässt z.B. eine Mutter aufgrund von Geisteskrankheit die Ernährung ihrer Kinder, wird deren Gefährdung allein durch die Unterbringung der Mutter nicht aufgehoben.
97
5. Gefährlichkeit „für die Allgemeinheit". § 63 verlangt im Gegensatz zu § 4 2 b a.F. ausdrücklich, dass der Täter „für die Allgemeinheit gefährlich" ist.
96 97
Vgl. BGH StV 1992 571. Zust. Horn SK Rdn. 11; Sch/Schröder/Stree Rdn. 15; Böllinger/Pollähne NK Rdn. 76; aA
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Lang-Hinrichsen LK 9 § 42b Rdn. 36; van Gemmeren MK Rdn. 35.
Heinz Schöch
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
Dies ist sicher der Fall, wenn der Täter für eine Vielzahl von Personen, für einen begrenzten Personenkreis98 oder für eine unbestimmte Einzelperson als „Repräsentanten" der Allgemeinheit (Horn SK Rdn. 13) gefährlich erscheint. Nicht so sicher ist jedoch, ob es reicht, dass der Täter, etwa monoman, nur eine konkrete einzelne Person oder ein sonstiges konkretes einzelnes Rechtsgut bedroht. Die herrschende Meinung zum früheren Recht hat dies bejaht." Der E 1962 wollte dementsprechend ausdrücklich auch die Gefährdung „für einzelne andere" erfassen. Im 2. StrRG wurde diese Klausel mit der Begründung gestrichen, dass ein Täter, der gegenüber einem einzelnen gefährlich ist, auch eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeute (2. Bericht S. 26; s. auch Prot. V, 2257). Dem folgt im Ergebnis die herrschende Lehre. 100 Ebenso haben BGHSt 26 321 und BGH NStZ 1995 609 f im Fall eines Täters entschieden, der nur gegenüber seiner Ehefrau gefährlich war; vgl. auch BGHSt 34 22, 28 f zum Fall eines Täters, der in schwerer reaktiver Depression seine beiden Söhne tötete.
98
Der Schluss auf die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit ist begründet, wenn die drohenden Taten den Rechtsfrieden voraussichtlich so empfindlich stören werden, dass sie für die Allgemeinheit nicht mehr hinnehmbar sind {Lackner/Kühl Rdn. 7 unter Hinweis auf BGH NStZ-RR 2001 238) bzw. den Rechtsfrieden der Allgemeinheit nicht ganz unerheblich zu stören geeignet sind (Fischer Rdn. 19). Auch im Falle der monomanen Bedrohung lediglich einer Einzelperson (oder eines begrenzten Personenkreises) kann der Schluss, der Täter sei für die Allgemeinheit tatsächlich gefährlich, gerechtfertigt sein.101 Dies ist im Wesentlichen damit zu begründen, dass dem Einzelnen in diesem Fall die Rolle eines Repräsentanten der Allgemeinheit zukommen kann. Überdies sei - nach der Rspr. des BGH - die aus einer derartigen Gefährdungssituation im Hinblick auf eine Einzelperson resultierende Bedrohung des Bestandes der Rechtsordnung und damit der öffentlichen Sicherheit nicht hinnehmbar.102 Eine solche Schlussfolgerung bedarf jedoch einer genauen Betrachtung des Einzelfalles und ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie im Einzelnen mit Tatsachen belegt werden kann (vgl. BGH NZV 1990 77, 78). Bei tatspezifischen Konflikt- und Affektkonstellationen rechtfertigt die bloße Annahme, im Hinblick auf den Täter seien „weitere Konfliktsituationen bereits angelegt", für sich genommen noch nicht die Anordnung der Unterbringung (BGH NStZ 2007 29), ebenso wenig die Befürchtung, eine wegen Tötung ihres Kindes verurteilte Frau könne wieder schwanger werden und es könne deshalb erneut „zur Katastrophe kommen" (BGH 5 StR 166/95; Fischer Rdn. 19).
99
Eine Gefährdung für die Allgemeinheit entfällt regelmäßig, soweit es um die bloße Selbstgefährdung des Täters geht. So ist etwa die Gefährlichkeit zu verneinen, wenn sich der Täter Rauschmittel beschafft, um damit seine eigene Rauschgiftsucht zu befriedigen. 103 Anders ist es jedoch, wenn sich der Täter die Mittel durch Betrug, Urkundenfälschung, Einbrüche oder ähnliche Delikte verschafft (ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 16).
100
98
99
100
101
BGH LM Nr. 3 zu § 4b; BGH J Z 1951 759; BGH 4 StR 5 8 6 / 7 3 v. 13.12.1973: die Familie; BGH 1 StR 4 3 / 7 0 v. 18.8.1970: für Banken. BGH J Z 1951 759; Last NJW 1969 1558; Lang-Hinrichsen LK 9 § 42b Rdn. 34; vgl. auch BGHSt 2 6 321 m.w.N. Horn SK Rdn. 13; Lackner/Kühl Rdn. 7; Sch/Schröder/Stree Rdn. 16; Schreiber S. 51; van Gemmeren MK Rdn. 41. Vgl. BGHSt 2 6 321 ff; BGH JR 1996 2 9 0 m. zust. Anm. Laubenthal JR 1996 291 ff;
102
103
Lackner/Kühl Rdn. 7; Fischer Rdn. 19; Böllinger/Pollähne NK Rdn. 77; Lackner/Kühl Rdn. 7; Sch/Schröder/Stree Rdn. 16 aA Jescheck/Weigend § 7 7 II 2c. So z.B. BGHSt 2 6 321, 323; BGH NStZ 1995 609, 610. OLG Düsseldorf JMB1NRW 1 9 5 0 2 5 5 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 16; van Gemmeren MK Fn. 150; aA und in sich bedenklich KG J R 1959 391.
Heinz Schöch
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§63
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
6. Gefährlichkeit des Täters „infolge seines Zustandes" 101
a) Kausalität zwischen Störung und Gefährlichkeit. Nach dem Gesetzeswortlaut, der auf den E 1962 zurückgeht (vgl. BGHSt 27 246, 249), muss die Gefahr bestehen, dass der Täter „infolge" seines Zustandes weiterhin erhebliche Taten begehen wird. Verlangt wird also Kausalität (vgl. E 1962, S. 209) bzw. ein „symptomatischer Zusammenhang" (BGHSt 34 22, 27 dergestalt, dass die künftigen Taten als Folge der psychischen Störung erscheinen, derentwegen der Täter als schuldunfähig oder vermindert schuldfähig anzusehen ist; der gefährliche Zustand des Täters muss auf demselben Umstand beruhen, auf den auch die Anlasstat zurückzuführen ist (BGH NJW 1998 2986, 2987 sowie NStZ-RR 2004 331, 332: „dieselbe Defektquelle"). Das entspricht der ganz herrschenden Meinung 104 und folgt daraus, dass die Anlasstat sonst in sachfremder Weise zum bloßen „Auslöser" (Horn SK Rdn. 16) für die Unterbringung wegen einer Störung werden könnte, die strafrechtlich nicht relevant geworden ist. Der Zusammenhang muss ausführlich begründet werden (BGH NStZ 2000, 469), bei mehreren Störungsursachen gegebenenfalls aus verschiedenen Blickwinkeln (BGH NStZ-RR 2003, 168).
102
An dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang fehlt es in der Regel bei Gelegenheits- oder Konfliktstaten (BGH StV 1984 508; NStZ 1985 309; BGHSt 34 22, 27) oder wenn der Täter nur vorübergehend schuldunfähig oder vermindert schuldfähig gewesen ist (BGHSt 34 22, 27). Außerdem scheidet eine Unterbringung z.B. aus, wenn die im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangene Anlasstat nicht auf dem leichten Schwachsinn, sondern allein auf dem Blutalkoholgehalt des im Übrigen nicht alkoholüberempfindlichen Täters beruht (BGH bei Daliinger MDR 1975 724). Es ist aber nicht erforderlich, dass die den Anlass des Verfahrens bildende Tat symptomatisch für die zu erwartenden Straftaten ist; entscheidend ist vielmehr, dass diese auf dieselbe psychische Störung zurückzuführen ist (Rdn. 69), die auch die Gefahr weiterer Taten begründet (BGHSt 24 134,136; BGH StV 1999 482 m. Anm. Müller-Dietz).
103
Liegt die geschilderte Kausalitätsbeziehung vor, ist jedoch unbeachtlich, ob der Täter vielleicht auch ohne die Störung (den „Zustand") Straftaten begangen hätte oder weitere Taten begehen könnte. 105 Entscheidend ist allein, ob hinsichtlich der begangenen Taten die §§ 20, 21 eingreifen und im Zusammenhang mit dem dafür relevanten „Zustand" des Täters die Gefahr weiterer Straftaten besteht, weil die Unterbringung dann nach Zweck und Ziel der Maßregel (oben Rdn. 1, 2) im Hinblick auf diesen Zustand eingreifen soll. Der BGH (BGHSt 27 246, 249 f) bemerkt zu Recht, dass jede andere Betrachtungsweise § 63 praktisch unanwendbar machen und auf die „gänzlich aussichtslose Frage" hinauslaufen müsste, wie eine durch hypothetische Abstraktion gewonnene „irreale und künstliche Täterfigur gehandelt haben würde" (vgl. auch BGH bei Müller NStZ 1985 161).
104
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass auch im Maßregelrecht der Grundsatz in dubio pro reo gilt (näher Vor §§ 61 Rdn. 60 ff), die gesetzlichen Voraussetzungen der Unterbringung also bewiesen sein müssen; denn für die geforderte Kausalitätsbeziehung ist dieser Beweis erbracht, wenn die dargelegte Verbindung zwischen der Störung und den Taten festgestellt ist und sich die Störung als länger dauernder Defekt darstellt (Rdn. 105). 104
BGHSt 27 2 4 6 , 248; 34 22, 27; BGH NStZ 1986 5 7 2 m.w.N.; 1987 166 und 1991 528; BGH StV 1984 508, 1985 3 0 9 und 1999 4 8 2 ; Fischer Rdn. 14; Horn SK Rdn. Lackner/Kühl Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 17; van Gemmeren MK Rdn. 63.
320
10S
So im Ergebnis auch BGHSt 2 7 246, 2 4 9 f = J R 1978 3 4 5 mit abl. Anm. v. Hippel, der darin ein „Aufgeben ... anerkannter Rechtsgrundsätze des materiellen wie des Beweisrechts" sieht.
Heinz Schöch
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
b) Zustand als länger dauernder Defekt. Die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus kommt ihrem Wesen nach nur bei Personen in Betracht, bei denen die Schuldfähigkeit durch einen länger dauernden und nicht nur vorübergehenden Defekt ausgeschlossen oder vermindert ist. Denn die Maßregel dient allein dazu, gestörte Menschen unterzubringen, soweit das wegen ihrer Gefährlichkeit erforderlich ist (Rdn. 1, 2). Dies ist in Rechtsprechung und Lehre heute unbestritten. 106
105
Daher scheidet eine Unterbringung z.B. aus, wenn der an sich gesunde Täter nur vorübergehend berauscht war (s. auch BGHSt 34 22, 27; BGH NStZ 1982 218; 1983 429). Gleiches gilt, wenn er aufgrund eines hochgradigen Affekts gehandelt hat, der zwar seine Schuldfähigkeit beeinträchtigt hat, aber eine darüber hinausgehende Störung nicht darstellt (BGHSt 34 2 2 , 27; BGH StV 1989 260). Nach BGH N Z V 1990 77, 161 reicht auch die „thematische Vorbelastung" des Täters durch Trennung von seiner Freundin nicht für einen dauerhaften Defekt aus.
106
Das Erfordernis, dass der Ausschluss oder die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf einem länger andauernden psychischen Defekt beruhen muss, ist auch dann erfüllt, wenn aufgrund des dauerhaft vorliegenden psychischen Zustande des Täters bereits alltägliche Ereignisse (oder geringer Alkoholgenuss) die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können. 1 0 7 Ein länger andauernder Zustand setzt keine ununterbrochene Befindlichkeit voraus. 1 0 8 In diesen Fällen ist jedoch die generelle Gefährlichkeit des Täters i.S.d. § 63 näher zu begründen (BGH, Beschl. v. 1 4 . 9 . 1 9 9 3 - 1 StR 450/93).
107
c) Krankhaftigkeit bzw. Krankheitswert des Zustands. Im Zusammenhang mit der Auffassung, dass die Unterbringung lediglich bei länger dauernden Defekten in Betracht kommt, hat die Rechtsprechung schon § 4 2 b a.F. von Anfang an dahin ausgelegt, dass für die Anordnung der Unterbringung nur Raum ist, wenn der die Schuldfähigkeit ausschließende oder mindernde (Dauer-)Defekt pathologischer („krankhafter") Art ist, weil die Unterbringung nicht dazu bestimmt sei, „an sich gesunde" Menschen zu behüten, sondern erkrankte oder krankhaft veranlagte Personen von einem dauernden Krankheitszustand heilen oder sie pflegen solle, soweit das wegen ihrer Gefährlichkeit im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint; es ging dabei fast durchweg um Fälle, bei denen die Störung des Täters irgendwie im Zusammenhang mit einer gefährlichen Neigung zum Alkohol oder zu sonstigen Rauschmitteln stand. 1 0 9
108
106
So schon BGH bei Dallinger MDR 1975 724; BGHSt 4 4 369; weiter z.B. BGH NStZ 1983 49; 1985 310; 1986 5 7 2 ; 1990 122, 123; 1993 181; 1999 128, 129; 2 0 0 2 142; 2 0 0 6 154; BGH NStZ-RR 1997 2 2 9 ; 1998 174; 2 0 0 3 232; 2 0 0 4 38; 2 0 0 5 137; BGHR, Gefährl. 10; BGH bei Theune NStZ 1987 166; BGH bei Holtz MDR 1988 9 9 m.w.N.; BGH bei Detter NStZ 1990 221, 2 2 4 ; 1992 477, 4 8 0 ; vgl. auch BGHSt 34 2 2 , 2 7 ; 4 2 385 f mit Bespr. Faller NJW 1997 3 0 7 3 f sowie Anmerkung Kröber/Dannborn NStZ 1998 80, 81; Fischer Rdn. 6; Horn SK Rdn. 17; Sch/Schröder/Stree Rdn. 12; Lackner/Kühl Rdn. 3; Jescheck/Weigend AT § 7 7 II 2b; Schreiber S. 47; Rasch/Konrad, S. 95.
107
108 109
BGHSt 34 314; 4 4 338; 4 4 369, 375; BGH NStZ-RR 1 9 9 9 2 6 7 ; 2 0 0 0 299, 3 0 0 ; 2 0 0 5 370; StV 1992 5 7 2 L; BGH, Urt. v. 2 2 . 0 2 . 2 0 0 0 - 5 StR 11/00; BGH, Urt. v. 14.4.1999 - 3 StR 36/99; Lackner/Kühl Rdn. 3; Fischer Rdn. 6, 9a. BGH NStZ-RR 2 0 0 5 3 7 0 , 371. RGSt 73 4 4 ; 73 179; RG H RR 1937 Nr. 604; 1 9 3 9 Nr. 5 3 2 ; BGHSt 7 55; 10 5 7 ; 10 353; BGH J Z 1951 695; BGH 1 StR 445/73 v. 3 0 . 1 0 . 1 9 7 3 ; BGH 1 StR 4 9 3 / 7 4 v. 22.10.1974; OLG Oldenburg N J W 1958 1200.
Heinz Schöch
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§ 63
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
109
Der B G H hat diese Rechtsprechung auch für § 63 grundsätzlich übernommen, 1 1 0 jedoch erstmals in BGHSt 3 4 2 2 , 28 für den Bereich der „schweren anderen seelischen Abartigkeit" i.S. der §§ 2 0 , 21 klarstellend oder einschränkend vermerkt: Das Erfordernis des „Krankheitswertes" des Zustandes bedeute nicht „den gänzlichen Ausschluss" der schweren anderen seelischen Abartigkeit aus dem Anwendungsbereich des § 63. Vielmehr sei diese Rechtsprechung „dahin zu verstehen", dass solche Störungen „Anlass für die Unterbringung nur dann sein können, wenn sie in ihrem Gewicht den krankhaften seelischen Störungen - bei Ausschluss der weniger gewichtigen ... - entsprechen" (ebenso B G H bei Holtz M D R 1 9 8 9 1051). In st. Rspr. streicht der B G H nunmehr heraus, dass auch nicht pathologisch bedingte Störungen Anlass für eine Unterbringung nach § 63 sein können, wenn sie in ihrem Gewicht den krankhaften seelischen Störungen entsprechen. 1 1 1 Gleiches gilt nach B G H N S t Z 2 0 0 4 197 auch für „kombinierte Persönlichkeitsstörungen." 1 1 2
110
Dieser Rechtsprechung ist zuzustimmen 1 1 3 mit der Maßgabe, dass der „Krankheitswert" auch in diesem Zusammenhang - wie bei § 2 0 (dazu Schöch LK § 2 0 Rdn. 63, 72) nur ein Maßbegriff ist, der das Gewicht und nicht die Art der Störung umschreibt. 1 1 4 § 63 muss grundsätzlich denjenigen Bereich (länger dauernder) Störungen und Zustände erfassen, bei denen die Schuldfähigkeit nach § 2 0 ausgeschlossen oder nach § 21 vermindert ist, weil die Unterbringung insoweit das gewissermaßen notwendige Korrelat zum gesetzlichen Verzicht (§ 2 0 ) oder Teilverzicht ( § 2 1 ) auf Strafe darstellt. Das Merkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit ist seit dem 2. StrRG vom 4.7.1969 der krankhaften seelischen Störung gleichgestellt und erfasst gerade solche Veränderungen der Persönlichkeit, die nicht pathologisch bedingt sind (vgl. BGHSt 3 4 2 2 , 2 4 ; BGHSt 35 76, 78; N S t Z - R R 2 0 0 0 2 9 8 ) .
111
Psychische Auffälligkeiten, welche die Voraussetzungen einer schweren seelischen Abartigkeit nicht erreichen, in bestimmten Konfliktsituationen (Grenzsituationen) bei besonderer psychischer Belastung die Voraussetzungen aber erfüllen und zur erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit führen, reichen für eine Unterbringung nach § 63 regelmäßig nicht aus, da es dann an dem Erfordernis eines länger dauernden Zustande fehlt (BGHSt 4 2 385, 3 9 0 ) . 1 1 5
112
Insbesondere die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung rechtfertigt für sich allein die für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 vorausgesetzte Feststellung zumindest
110
111
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BGH NStZ 1983 429; 2002 197; NJW 1983 350; BGH bei Daliinger MDR 1975 724 und bei Holtz MDR 1976 633; BGH GA 1976 222; BGH bei Detter NStZ 1990 579; vgl. auch BGHSt 34 22, 28 (dazu im folg. Text). Vgl. z.B. BGH NStZ 1999 612, 613; BGH NStZ 1998 86; 2000 585; 2002, 197; 2004 197, 198; 2005 326, 327; NStZ-RR 1998 174; 1999 136; 2000 298; 2001 198; StV 2007 411; Fischer Rdn. 6; Lackner/Kühl Rdn. 3; van Gemmeren MK Rdn. 18 m.w.N.; aA Schreiberl Rosenau in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 4. Auflage 2004, S. 88. Im BGH NStZ 2004 197 zu Grunde liegenden Fall handelte es sich um eine kombi-
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113
1,4
115
nierte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, paranoiden, schizoiden und teilweise auch impulsiven Zügen, vgl. BGH NStZ 2004 197, 198. Zu kombinierten Persönlichkeitsstörungen vgl. auch BGH NStZ-RR 2004 105. Ebenso fast einhellig die Literatur, vgl. z.B. Fischer Rdn. 6; Horn SK Rdn. 17. BGHSt 34 22, 24; 35 76, 78; 35 200, 207; BGHR StGB § 21 seel. Abartigk. 6, 9, 14, 19; BGH NStZ 1990 400, 401; BGH StV 1992 316; BGH bei Holtz MDR 1979 105. Kritisch zur Unterschätzung der „Borderline"-Persönlichkeitsstörung in BGHSt 42 385, 390 Kröber NStZ 1998 80 f und Dannhorn NStZ 1998 81 f.
Heinz Schöch
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
erheblich verminderter Schuldfähigkeit häufig nicht ( B G H N S t Z 2 0 0 6 154 f). Vielmehr setzt diese voraus, dass der Täter aufgrund dieser Störung aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (BGH StV 2 0 0 7 410 f). Auch eine pädophile Neigung kann - nicht anders als sonstige Fälle der Persönlichkeitsstörung - ausnahmsweise dann die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen, wenn feststeht, dass der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat. 1 1 6 Erforderlich hierzu ist eine Ganzheitsbetrachtung der Persönlichkeit des Täters unter Einbeziehung seiner Entwicklung, seines Charakterbildes sowie der ihm zur Last gelegten Taten einschließlich der diesen zugrunde liegenden M o tive ( B G H R StGB § 63 Zustand 2 3 ; B G H N S t Z 1 9 9 9 610, 611). Auf dieser Grundlage bedarf es einer Gesamtschau, ob die Störungen beim Täter in ihrer Gesamtheit sein Leben vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (BGH StV 2 0 0 7 410 f). d) Alkoholverträglichkeit und Rauschmittelsucht. 1 1 7 Die Rechtsprechung hat unter weitgehender Zustimmung der Lehre (vgl. Rdn. 108 f) zwar angenommen, die Gefahr, dass ein geistig noch als normal zu wertender Mensch unter Alkoholeinfluss strafbare Handlungen begeht, werde vom Strafgesetz durch § 3 2 3 a und durch § 6 4 , nicht aber durch $ 63 bekämpft. Sie hat dabei jedoch den Bereich des nicht mehr als „normal" zu Wertenden vorübergehend erheblich erweitert (zur früheren Rechtsprechung Hanack L K 1 1 Rdn. 6 7 ff).
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Seit Mitte der 80er Jahre hat der B G H diese Rechtsprechung eingeschränkt und betont in einer immer wiederkehrenden Formel, dass in Fällen, in denen „letztlich der Alkoholgenuss" den Ausschluss oder die Verminderung der Schuldfähigkeit bewirkt hat, § 63 „lediglich ausnahmsweise angewendet werden" könne, nämlich „wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist" (so BGHSt 3 4 313, 3 1 4 ) . 1 1 8
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Der B G H differenziert danach, ob die mindestens verminderte Schuldfähigkeit des Täters bereits ohne Rücksicht auf den Alkoholgenuss gegeben war oder erst aufgrund des Zusammentreffens mit der Alkoholeinnahme, und meint, dass im letzteren Fall die Unterbringung „nur ausnahmsweise in Betracht" kommt (so. z.B. B G H N S t Z 1 9 8 8 2 4 ) . Dabei spricht viel dafür, dass er an die „krankhafte Alkoholsucht" strengere Anforderungen stellt als an die „krankhafte Überempfindlichkeit". Jedenfalls hat BGHSt 3 4 313 unter Bezugnahme auf BGHSt 10 5 7 die Unterbringung eines schizophrenen Täters gebilligt, der „nicht allgemein schuldunfähig" war und bei dem auch eine „krankhafte Sucht" nicht vorlag, sondern eine „krankhaft herabgesetzte Alkoholverträglichkeit", und zwar als Folge der wegen seiner Krankheit notwendigen Medikation (und der konkret begründeten Gefahr, dass der Täter auch künftig in einem für ihn unverträglichen M a ß e Alkohol zu sich nehmen werde). Das Bemühen des B G H , den Anwendungsbereich des § 63 bei Alkohol- und Rauschmittelsüchtigen auf Ausnahmefälle zu begrenzen, verdient Zustimmung. Denn die Gefahr
116
117 118
BGHSt 42 385, 388; BGH NStZ 1999 610, 611; NStZ 1996 77; 1999 236. Zum Begriff der Sucht: Platz StV 1996 234. Ebenso z.B. BGHSt 44 369; BGH 1985 309; 1988 24; 1990 538; 1991 527, 528; 1998 406; 2000 469; BGH NStZ-RR 2000 299, 300; BGH NJW 1984 1414; BGH GA 1976
221; BGH bei Mösl NStZ 1983 496, bei Müller NStZ 1985 161 und bei Theune NStZ 1987 166; BGH bei Holz MDR 1986 97; BGHR § 63 Zustand 2 - 6 , 7, 9, 12, 13, 17, 19; BGHSt 34 313, 314 spricht bereits von „st. Rspr.".
Heinz Schöch
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§63
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
des Riickfalls gehört geradezu zum „Wesen der Sucht" (Rasch2 Forensische Psychiatrie S. 74); wollte man sie - unter den Voraussetzungen der §§ 20, 21 - zur Grundlage einer Einweisung nach § 63 machen, bliebe insoweit für die Anwendung des § 64 letztlich kein Raum. Die Schwierigkeit der Abgrenzung ergibt sich daraus, dass die Sucht nicht selten mit anderen Störungen i.S. der §§ 21, 21 gekoppelt ist oder dass sie - über die Sucht hinausgreifend - zu solchen Störungen führt. Hinzu kommen seltene Fälle, in denen schon ein minimaler Alkoholgenuss zu gefährlichen Zuständen unter Ausschluss oder Verminderung der Schuldfähigkeit führt.119 116
In diesen Problemfällen liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 63 in der Regel an sich vor. Es handelt sich daher um ein Abgrenzungsproblem zwischen § 63 und § 64, das entsprechend der unterschiedlichen Funktion der beiden Vorschriften zu lösen ist. Danach sind bei suchtbedingten Störungen regelmäßig nur die Voraussetzungen der Unterbringung nach § 64 zu prüfen, zumal § 64 wegen seiner zeitlichen Befristung anerkanntermaßen auch die weniger beschwerende Maßregel i.S. des § 72 Abs. 1 darstellt (vgl. BGH NStZ-RR 1996 162; BGH StV 1998 72). Für die Anwendung des § 63 ist nur Raum, wenn beim Täter über die Sucht hinaus zusätzliche Störungen i.S. der §§ 20, 21 vorliegen und so im Vordergrund stehen, dass sie die weitere Gefährlichkeit des Täters prägen (vgl. BGH, Urt. v. 9.6.1993 - 3 StR 139/93), und sei es im Zusammenhang mit einer durch die Störung bedingten Überempfindlichkeit oder mangelnden Kraft zur Abstinenz gegenüber Alkohol oder sonstigen Rauschmitteln (ebenso Böllittger/Pollähne NK Rdn. 84 m.w.N.).
117
Zusammenfassend kann auf die Leitsätze in BGH NStZ-RR 1999 267 verwiesen werden: „Die Vorschrift des § 63 ist grundsätzlich nicht anwendbar in Fällen, in denen die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit oder die Schuldunfähigkeit nicht allein durch einen länger andauernden Defekt herbeigeführt wurde, sondern letztlich durch den Genuss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Täter an einer krankhaften Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit leidet oder in krankhafter Weise überempfindlich im Hinblick auf den Genuss von Alkohol ist. Dabei reicht es aus, dass die Abhängigkeit auf einem psychischen Defekt beruht, der, ohne pathologisch bedingt zu sein, in seinem Schweregrad den krankhaften seelischen Störungen i.S. von §§ 20, 21 StGB gleichsteht" (ähnlich BGH NStZ-RR 2004 331 für die Kombination von Drogensucht und Persönlichkeitsstörung). Nach Fischer (Rdn. 9) reichen Alkohol-, Medikamenten- oder Betäubungsmittelabhängigkeit, die nicht auf einer psychischen Störung beruhen, grundsätzlich nicht aus; auch genügt es nicht, dass eine persönlichkeitsgestörte Person unter Alkohol Straftaten begeht (st. Rspr. vgl. BGHSt 34 28; 44 338; NStZ 1982 218; 1985 309; 1986 427; 1988 24; NStZ-RR 1997 102; StV 1993 244; 2001 677).
118
7. Gesamtwürdiung des Täters und seiner Tat; Verhältnismäßigkeit. Die Unterbringung erfordert stets die Prognose, dass von dem Täter „infolge seines Zustandes" (Rdn. 101 ff) „erhebliche rechtswidrige Taten" (Rdn. 77 ff) zu erwarten sind (Rdn. 71 ff) und er deshalb „für die Allgemeinheit gefährlich" ist (Rdn. 97 ff). Diese Prognose einer „Wahrscheinlichkeit höheren Grades" (Rdn. 72) muss sich nach dem Gesetz auf eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat stützen. Sie ist mit aller
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Skeptisch Rasch/Konrad S. 95, die zweifeln, ob deren „Diskussion nicht überhaupt auf einer Mystifikation beruht".
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Sorgfalt vorzunehmen und im Urteil eingehend zu begründen (dazu Bötticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 537, 539 f m.w.N.). Die Anforderungen des BGH sind insoweit streng; 1 2 0 er übt auf diese Weise eine intensive Kontrolle aus, die ein wichtiges Mittel zur Präzisierung der so schwierigen Voraussetzungen und Maßstäbe für die Beurteilung insbesondere der weiteren Gefährlichkeit des Täters darstellt. Für diese Beurteilung ist vom Tatrichter stets auch ein Sachverständiger heranzuziehen (§§ 80a, 246a StPO). a) Gesamtwürdigung des Täters. Diese erfordert die Erforschung seiner Persönlichkeit, soweit dies - in prozessual zulässiger Weise - möglich und geboten ist, um Ursache, Grad und Folgen seiner Störung oder Abartigkeit zu erkennen. Schon im Hinblick auf § 67 Abs. 2 und auf die Probleme einer eventuellen Maßregelkonkurrenz (§ 7 2 ) 1 2 1 hat sich die Prüfung dabei auch auf die Behandlungsaussichten zu erstrecken, wie dies im Übrigen § 246a StPO noch aus weiteren Gründen verlangt. 122
119
Obwohl das Gesetz nur von einer Würdigung der (Anlass-) „Tat" spricht, kommt bei der Würdigung des Täters selbstverständlich der Beurteilung eventueller früherer Taten Bedeutung zu 1 2 3 (BGH NJW 1976 1949 = J R 1977 170 m. Anm. Hanack). Zu berücksichtigen sind insoweit auch verjährte oder seinerzeit nicht aufgeklärte bzw. angeklagte Taten (BGHR Gefährlichkeit 2; näher Rissing-van Saan/Peglau LK § 66 Rdn. 215) sowie im Zentralregister getilgte bzw. tilgungsreife Taten (vgl. § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG). Auch frühere Unterbringungsanordnungen (vgl. § 45 Abs. 3 Nr. 2 BZRG) sowie sonstige ärztliche oder sozialtherapeutische Behandlungen und ihre Ergebnisse sind stets sorgfältig auszuwerten.
120
Die Gesamtwürdigung des Täters verlangt in der Regel die genaue Aufklärung seiner gesamten Sozialbiographie, weil sich nur (oder allenfalls) dann hinreichend zuverlässig beurteilen lässt, wie sich eine beim Täter vorhandene Störung i.S. der §§ 20, 21 auf seine weitere Gefährlichkeit auswirkt (gutes Beispiel bei BGHR Gefährlichkeit 5). Erforderlich ist insoweit eine Art „Rückschau" (BGH bei Holtz M D R 1979 280). Hat der Täter trotz bestehenden Defekts lange Zeit keine Straftaten begangen, ist die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten eher gering. 124 Entbehrlich ist diese genaue Rückschau nach Lage des Einzelfalles allenfalls, wenn beim Täter eine schwere geistige Erkrankung mit Symptomen aufgetreten ist, die seine weitere Gefährlichkeit evident macht (Rdn. 122); auch bei Geistesgestörten ist dies nach ärztlicher Erkenntnis (s. Vor § 61 ff Rdn. 159) aber durchaus die Ausnahme.
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Vgl. z.B. BGHSt 2 7 2 4 6 , 2 4 8 ; 34 22, 2 6 ; NStZ 1986 237; 1990 122; 1992 538; BGH NStZ-RR 2 0 0 3 232; StV 1981 5 4 3 und 606; 1983 106; NJW 1983 3 5 0 ; N Z V 1990 7 7 ; BGH bei Holtz MDR 1 9 7 9 2 8 0 ; BGHR Gefährlicheit 2, 3, 4, 5; BGH, Beschl. v. 18.1.2000 - 4 StR 623/9; Beschl. v. 2 6 . 6 . 2 0 0 7 - 5 StR 215/07 m.w.N. Vgl. BGHSt 4 2 3 0 6 ($ 72 Abs. 1 hat Vorrang Vor § 55 Abs. 2 S . 1). BGH NJW 1983 3 9 0 ; BGH bei Holtz MDR 1979 2 8 0 . Vgl. etwa BGH NStZ-RR 2 0 0 6 136; BGH, Beschl. v. 7.4.1995 - 4 StR 146/95; vgl.
124
EGMR StraFo 2 0 0 3 4 7 zur noch nicht abschließend geklärten Frage, inwieweit auch noch nicht rechtskräftig abgeurteilte Taten von einem Gericht, bei dem insofern keine Anklage erhoben wurde, verwertet werden darf. BGH, Beschl. v. 7.12.1993 - 5 StR 641/93; vgl. BGH, Beschl. v. 2 6 . 6 . 2 0 0 7 - 5 StR 215/07. Die Missachtung der zwischen Anlasstat und Hauptverhandlung liegenden 5 Jahre ohne erneute Straffälligkeit kann zur Aufhebung und Zurückweisung der Maßregelanordnung führen (BGH v. 13.4.1999 1 StR 51/99).
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b) Würdigung der (Anlass-)Tat. Diese unterliegt etwas anderen Gesichtspunkten als bei § 66, weil es dort um die Feststellung eines verbrecherischen Hangs, hier aber darum geht, ob der Täter infolge seines Zustandes gefährlich ist. 125 Erforderlich hierfür ist eine besondere Prüfung unter umfassender Würdigung der Person des Täters, seines Vorlebens und der Symptomtat unter Ausschöpfung der erreichbaren Beweismittel.126 Die Tat braucht nicht symptomatisch dergestalt zu sein, dass sie selbst die Allgemeinheit gefährdet oder für sich allein die Gefährlichkeit des Täters ergibt. 127 Bedeutung hat die Tat vielmehr vor allem als Symptom für den Zustand des Täters. 128
123
Daraus folgt auch, dass eine einzige Tat, für sich genommen, die weitere Gefährlichkeit des Täters in der Regel noch nicht erweist (BGHR Gefährlichkeit 2 spricht unter Bezugnahme auf BGH bei Holtz MDR 1979 280 von einem „Ausnahmefall" bei Taten „besonderen Gewichts"; vgl. BGH DAR 1999 196). In Ausnahmefällen kann auch eine erste Straftat die Schlussfolgerung, der Täter sei für die Allgemeinheit gefährlich, begründen, 129 z.B. bei der schweren Gewalttat eines Schizophrenen. War jedoch eine besondere Ausnahmesituation Auslöser der Anlasstat, kann auch in solchen Fällen die Gefährlichkeit verneint werden (BGH NStZ-RR 2004 10).
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Straftaten während einer Unterbringung nach Landesunterbringungsrecht gegen das Pflegepersonal und Mitpatienten können die Gefährlichkeit nur bedingt stützen, weil sie ihre Ursachen (auch) in der durch die Unterbringung für den Betroffenen bestehenden Ausnahmesituation haben können (BGH NStZ 2002 590, 591). Größere Bedeutung haben Straftaten im Rahmen von Vollzugslockerungen.
125
Begeht ein psychisch erkrankter Gefangener Straftaten im Strafvollzug, so kommt als milderes Mittel gegenüber einer Anordnung nach § 63 eine Unterbrechung der Strafvollstreckung gemäß § 455 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 StPO in Verbindung mit einer zivilrechtlichen Unterbringung bzw. einer landesrechtlichen Unterbringung in Betracht (BGH NStZ-RR 2002 331), falls auch dort eine hinreichende Sicherung möglich ist.
126
c) Relation zwischen Anlasstat und Gefährlichkeit. Hierfür gilt aufgrund dieser Gegebenheiten - und entsprechend dem Gesetzeswortlaut - , dass auch geringfügigere Anlasstaten eine Unterbringung nicht ausschließen, wenn nach der Gesamtwürdigung die Gefahr erheblicher weiterer Straftaten besteht, solange die Anordnung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62) entspricht.130 Besonders sorgfältig zu prüfen (und gege-
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So im Ergebnis schon BGHSt 5 140, 143; 2 0 232, 2 3 3 ; 2 4 134, 136 und die h.M. zu § 42b a.F. Vgl. BGH NStZ 1986 2 3 7 ; BGH NStZ-RR 2 0 0 0 2 9 9 ; NStZ-RR 2 0 0 3 232; Fischer Rdn. 14. So die zit. Rspr.; ebenso zum früheren Recht RGSt 6 9 2 4 3 ; RG DR 1943 4 9 0 ; BGH bei Daliinger MDR 1972 196; zum heutigen Recht BGH JR 1977 169; BGH bei Holtz MDR 1977 106; Sch/Scbröder/Stree Rdn. 18. BGH NStZ 1991 527; NStZ-RR 1998 2 0 5 2 0 6 ; Fischer Rdn. 14; Horn SK Rdn. 16; Lackner/Kühl Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 18; zu eng BGH NJW 1954 1734; Koffka Anm. in J R 1971 4 2 4 .
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BGH NStZ-RR 2 0 0 0 2 9 9 ; NStZ-RR 2 0 0 3 2 3 2 ; Fischer Rdn. 19; Lackner/Kühl Rdn. 7. BGH NStZ 1986 2 3 7 ; N J W 2 0 0 1 3561, 3562; BGH JR 1977 169 mit Anm. Hanack; ebenso - jeweils zu § 42b a.F. - sehr deutlich schon BGHSt 5 140, 141; 24 134; BGH L M Nr. 10 zu § 42b; BGH bei Daliinger MDR 1970 730; ganz herrschende Lehre, z.B. Fischer Rdn. 14; Lackner/Kühl Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 18; ersichtlich auch Jescheck/Weigend AT § 7 7 II 2a; MüllerDietz NStZ 1983 149; aA Volckart/Grünebaum S. 10; Böllinger/Pollähne NK Rdn. 102; vgl. auch Bae S. 214.
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benenfalls im Urteil eingehend zu besprechen) ist in Fällen geringfügiger Anlasstaten freilich, ob vom Täter, insbesondere wenn er auch sonst mit schwereren Straftaten noch nicht in Erscheinung getreten ist, überhaupt die Gefahr droht, dass er seine Verhaltensweise ändern und künftig erhebliche Straftaten begehen wird.131 Trotz dieses „Ventils" ist die geschilderte Relation zwischen Anlasstat und weiterer Gefährlichkeit nicht unproblematisch, weil sie dazu führen kann, dass der Täter wegen eines geringfügigen Anlasses zur Unterbringung nach § 63 verurteilt wird, also zu einer Maßregel, die ihn (so die Formulierung von BGHR Gefährlichkeit 8) „außerordentlich beschwert". BGHSt 20 232 hat deshalb zu Recht im Fall eines wegen geistiger Erkrankung schuldunfähigen Täters, dessen Anlasstat in zwei geringfügigen Notbetrügereien bestand, die Unterbringung nach § 63 für unzulässig erklärt.
127
Generell lässt sich sagen, dass es nach geltendem Recht bei der Relation zwischen Anlasstat und Gefährlichkeit entscheidend auf Art und Maß der künftigen Gefährlichkeit ankommt: Je gravierender die Gefährlichkeit ist, um so geringer darf das Gewicht der auslösenden Tat sein, oder umgekehrt: Die Prüfung der Gefährlichkeit bedarf einer besonders eingehenden Prüfung der Gesamtumstände, wenn die Anlasstat nicht so schwerwiegend ist. 132
128
Im Übrigen sollte die Staatsanwaltschaft bei derart geringfügigen Anlasstaten, wie sie im Fall BGHSt 20 232 zugrunde lagen, möglichst keinen Antrag auf Unterbringung stellen, der im Sicherungsverfahren in ihrem Ermessen steht (§ 413 StPO; s. auch Rdn. 170), insbesondere wenn klar ist, dass der Beschuldigte krank ist und wegen paranoider Schizophrenie schon wiederholt aufgrund landesrechtlichen Unterbringung in Nervenheilanstalten war.
129
d) Verhältnismäßigkeit. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 62 ist im Rahmen der Gesamtabwägung die Relation zwischen der Anlasstat und den vom Täter ausgehenden Gefahren einerseits und der Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs andererseits zu prüfen (§ 62 Rdn. 18 ff). Dabei sind auf der Rechtsfolgenseite die realen Zustände des Maßregelvollzuges zugrunde zu legen, und es ist zu fragen, ob z.B. für das spezielle Krankheitsbild überhaupt passende Therapieangebote i.S.d. § 137 StVollzG vorhanden sind. Deshalb kommt z.B. bei Jugendlichen und Heranwachsenden, die nicht an einer psychotischen Erkrankung leiden, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur in Ausnahmefällen in Betracht (BGHSt 37 373; Rdn. 33 ff).
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e) Der Grundsatz in dubio pro reo. Der Zweifelsgrundsatz ist sowohl bei der FestStellung der prognoserelevanten Tatsachen als auch bei der abschließenden Gesamtwürdigung der einzelnen Indizien im Rahmen des materiellrechtlichen Wahrscheinlichkeitsurteils zu beachten (h.M., vgl. Vor § 61 Rdn. 50, 60 ff; Lackner/Kühl § 61 Rdn. 4 m.w.N.). Die missverständliche Formulierung in BGHSt 42 385, 388, „der Zweifelsgrundsatz" finde „bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 63 StGB keine Anwendung", bezieht sich nur auf Zweifel beim Vorliegen der Voraussetzungen der Schuld-
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BGH NStZ 1 9 8 6 2 3 7 ; BGH NStZ-RR 1998 205; BGH NStZ-RR 2 0 0 5 303; BGH NJW 2001 3 5 6 0 ; BGHR Gefährlichkeit 8; Fischer Rdn. 14; Sch/Schröder/Stree Rdn. 18; vgl. auch BGH NStZ-RR 2 0 0 5 72, 73.
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Müller-Dietz NStZ 1983 145, 149; s. auch BGH NStZ 1986, 2 3 7 ; nach BGH, Urt. v. 8.5.2003 - 5 StR 4 / 0 3 ist ggf. auch das lange Zurückliegen der Anlasstat zu berücksichtigen.
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Unfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit, die eine Anordnung nach § 6 3 ausschließen (Rdn. 5 9 ff). 132
f) Maßgebender Zeitpunkt für die Prognose ist der Zustand des Täters zur Zeit der Entscheidung, genauer: der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Täter schuldunfähig oder vermindert schuldfähig ist, also neben der Maßregel auch zu Strafe verurteilt wird. Dies ergibt sich aus der Neufassung des Gesetzes seit dem 2. StRG und ist für § 63 unbestritten. 1 3 3
133
8. Das Subsidiaritätsprinzip. Problematisch ist seit der Strafrechtsreform die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips im Bereich des § 63. a) Allgemeines. Die Geltung des sog. Subsidiaritätsprinzips (näher Vor § 61 Rdn. 74 ff), also der Pflicht, die Belastung mit einer Maßregel zu unterlassen, wenn andere, weniger einschneidende Vorkehrungen einen genügenden Schutz für die Allgemeinheit bieten, war für § 4 2 b a.F. in Rechtsprechung und Lehre allgemein anerkannt. Allerdings stellte die Praxis dabei strenge Anforderungen an die Zuverlässigkeit des milderen Mittels. Die bisher wohl noch herrschende Meinung 1 3 4 vertritt nun seit dem 2 . StrRG die Ansicht, das Subsidiaritätsprinzip gelte wegen des Wegfalls der „Erforderlichkeitsklausel" 1 3 5 heute nicht mehr für die Anordnung der Maßregel, sondern nur noch für deren Vollstreckung nach Maßgabe der §§ 6 7 b , 6 7 c , 67d Abs. 2 . Das Gesetz verlange vielmehr „gewissermaßen sicherheitshalber" die Anordnung stets, habe „dafür" (Baumantt/Weber A T 9 § 4 4 II 1 c) aber die Möglichkeit vorgesehen, die Vollstreckung gemäß § 6 7 b auszusetzen.
134
Dieser Auffassung ist zu widersprechen. Auch dem Strafgesetzgeber steht es nicht frei, ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip „gewissermaßen sicherheitshalber" aus den Angeln zu heben, insbesondere weil schon die bloße Anordnung der Maßregel einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen bedeutet. Sie bleibt lebenslang im Bundeszentralregister eingetragen (§ 45 Abs. 3 Nr. 2) und hat regelmäßig Führungsaufsicht zur Folge, die zwei bis fünf Jahre dauert, möglicherweise aber auch unbefristet angeordnet oder verlängert werden kann (§ 6 8 c Abs. 1 bis 3). Wo für einen solchen belastenden Eingriff keine Notwendigkeit besteht, weil sichere andere Abwehrmittel die Gefahr beseitigen, darf der Eingriff auch nicht erfolgen. Die Bedeutung des milderen Mittels ist, wie dargelegt (Rdn. 6 2 Vor § 61), im neuen Recht mithin stets zweistufig zu prüfen: ob es schon die Anordnung hindert oder doch die sofortige Aussetzung gemäß § 67b gestattet.
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Ebenso schon BGHSt 25 59 m. Anm. Schröder JR 1973 160; BGH bei Daliinger MDR 1976 15; vgl. weiter z.B. BGH, Beschl. v. 12.11.2003 - 5 StR 489/03; BGH NStZ-RR 2005 370; 2006 136; Fischer Rdn. 20 m.w.N.; Lackner/Kühl Rdn. 8. Vgl. insbes. BGHR StGB § 62 Verhältnismäßigkeit 4, § 63 Gefährlichkeit 6, 28; BGH NStZ 2002 367; 2000 470, 471; 1992 599; 1992 538 539; NStZ-RR 1997 290; 1998 205 oder 405; 2000 300; StV 2001 679; NJW 1978 599; BGH bei Holtz, MDR
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1985 979; Fischer Rdn. 23; Lackner/Kühl Rdn. 11; Sch/Sch/Stree Rdn. 19; Horn SK Rdn. 18; aA Hanack LK 11 Rdn. 82 ff van Gemmeren MK Rdn. 98; Böllinger/Pollähne NK Rdn. 108; Müller-Dietz NJW 1983 149; BGH, Beschl. v. 26.6.2007 - 5 StR 215/07; vgl. auch BayObLG NStZ-RR 2004 295, 296 allerdings bezogen auf einen Fall, in denen bereits eine früher angeordnete Maßregel nach § 63 vollstreckt wird. § 42b a.R „...wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert".
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Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
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Möglicherweise spielt bei der gegenteiligen Auffassung auch der Gedanke eine Rolle, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ( § 6 2 ) ausreiche, um milderen Mitteln den Vorrang zu geben. Dieser bezieht sich jedoch nur auf die dem Strafgericht zur Verfügung stehenden milderen Maßnahmen. So ist z.B. eine Maßnahme nach § 64 gegenüber § 63 vorrangig (BGH bei Theune NStZ 1987 499). Bei verminderter Schuldfähigkeit wäre eine Therapieweisung gem. § 56c Abs. 3 Nr. 2 und Bewährungshilfe gem. § 56d i.V.m. Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 56 das mildere strafrechtliche Mittel, wenn es den gleichen Erfolg verspricht. Um den Vorrang milderer außerstrafrechtlicher Maßnahmen (z.B. zivilrechtliche Unterbringung oder betreutes Wohnen) zu ermöglichen, reicht das Verhältnismäßigkeitsprinzip allein nicht aus.
135
Deshalb ist es zu begrüßen, dass der 5. Strafsenat des BGH (Beschl v. 2 6 . 6 . 2 0 0 7 5 StR 215/07) im Falle einer schizophrenen Täterin, die vor allem gegen Hausverbote eines Supermarktes verstoßen hatte und dabei in tätliche Auseinandersetzungen geriet, die Prüfung des möglichen Vorranges einer anderweitigen Einbindung der Beschwerdeführerin, insbesondere der Begründung eines Betreuungsverhältnisses nach §§ 1896 ff BGB, ausdrücklich unter dem Aspekt des Subsidiaritätsprinzips verlangte. Dabei führte er aus, dass - über die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergebenden Einschränkungen hinaus - die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur dann in Betracht komme, wenn weniger einschneidende Maßnahmen keinen ausreichenden zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit des Täters böten. Dies ergebe „sich aus dem im gesamten Maßregelrecht geltenden und aus dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte des Übermaßverbots abgeleiteten - Subsidiaritätsprinzip (vgl. Hanack LK 1 1 Vor §§ 61 ff Rdn. 58 ff, § 63 Rdn. 82 ff)". Ähnlich betont BGH NStZ-RR 1998 359, dass eine Maßregelanordnung zu unterbleiben hat, wenn durch eine mildere Maßnahme 1 3 6 die Gefährlichkeit des Täters gänzlich verneint werden kann; sie anzuordnen und nur ihre Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen, widerspräche dem Subsidiaritätsprinzip.
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Zuzugeben ist der gegenteiligen Auffassung freilich, dass die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips bei Anordnung der Unterbringung im Ergebnis selten praktisch wird, insbesondere, weil der völlige Verzicht auf strafrechtliche Kontrollmaßnahmen meist fragwürdig bleibt (s. auch Vor § 61 Rdn. 80). Mit dieser Einschränkung bleibt die Rechtsprechung zur Anwendung des Subsidiaritätsprinzips bei § 42b a.F. auch für § 63 weiterhin grundsätzlich bedeutsam. Nach dieser Rechtsprechung schließen mildere Mittel die Anordnung (nur) dann aus, wenn sie im Wesentlichen gleiche Sicherheit bieten. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, da bei dem in Betracht kommenden Personenkreis oft eine starke Unberechenbarkeit des Verhaltens gegeben ist. Auch lässt sich von keiner denkbaren Ersatzmaßnahme generell sagen, dass sie die gleiche Sicherheit wie die Unterbringung bietet. Entscheidend ist vielmehr die individuelle Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände. Nicht nur die Persönlichkeit des Täters und die Art seiner Störung, sondern auch die Zuverlässigkeit von Betreuungspersonen sowie die Frage, ob über eine als Ersatz in Erwägung zu ziehende Maßnahme eine andere Behörde zu entscheiden hat, deren Entscheidung nicht mit Sicherheit zu berechnen ist (BGHSt 15 279), spielen dabei eine Rolle. Jedoch ist auch zu beachten, dass eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur dann materiell legitimiert ist, wenn das Interesse an der Nichtgefährdung von Rechtsgütern höher zu bewerten ist als das Freiheitsinteresse eines psychisch Kranken (Rdn. 84).
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Im konkreten Fall ging es um eine bereits vorliegende Betreuerbestellung für die Bereiche Gesundheitsfürsorge und Aufenthalts-
bestimmung, sowie die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung für alkoholabhängige Senioren (BGH N J W 1 9 9 5 3 5 9 f).
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b) Einzelfragen. Im Einzelnen ergeben sich danach auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung für die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips schon bei Anordnung der Unterbringung folgende Leitlinien (zu den Konsequenzen für eine Aussetzung gem. 67b Rissing-van Saan/Peglau LK § 67b Rdn. 3, 8), die allerdings aufgrund der stets gebotenen konkreten Einzelfallprüfung (Böllinger/Pollähne NK Rdn. 110) flexibel gehandhabt werden sollten.
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Die Bestellung eines Betreuers (§ 1896 BGB i.d.F. des BtG) dürfte in ihren Konsequenzen ebenso zu beurteilen sein wie die Entmündigung des früheren Rechts. Diese ist von BGHSt 15 279 nicht als ausreichende mildere Maßnahme angesehen worden, schon weil sie nicht dem Schutz der Allgemeinheit dient (ebenso van Gemmeren MK Rdn. 99). Die Bestellung eines Betreuers dient allein dem Schutz des kranken Täters, nicht der Allgemeinheit und könnte ohne Einwilligung der Strafverfolgungsbehörden aus Gründen, die mit dem Schutzzweck des § 63 unvereinbar sind, aufgehoben werden. Auch BGH NStZ-RR 2000 300 hält - auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung - fest, dass es für die Entscheidung, ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen ist, unerheblich ist, ob die von dem Beschuldigten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch eine konsequente medizinische Behandlung, für die ein Betreuer bestellt ist, abgewendet werden kann. Ein solches milderes Mittel werde vielmehr erst im Rahmen der Frage bedeutsam, ob die Vollstreckung der Unterbringung gem. § 67b zur Bewährung auszusetzen sei. 137 Demgegenüber hat der 5. Strafsenat des BGH (Beschl v. 26.6.2007 - 5 StR 215/07) in der bereits erwähnten Entscheidung die Begründung eines Betreuungsverhältnisses nach §§ 1896 ff ausdrücklich als Chance bezeichnet, die Gefährlichkeit erheblich zu verringern. Eine Gefährdung der Allgemeinheit entfällt u.U, auch dann, wenn durch einen vom Vormundschaftsgericht zu bestellenden Betreuer die finanziellen Schwierigkeiten des Beschuldigten gelöst und seine Therapie sichergestellt werden kann. 138
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Dieses neue Prinzip ist aber nicht auf ein zum Zeitpunkt der Straftat bereits bestehendes Betreuungsverhältnis zu übertragen, weil sich dessen Wirkungslosigkeit bereits erwiesen hat. In solchen Fällen neigen die Gerichte mit Recht häufiger zur Anordnung gemäß § 63 als wenn ein Betreuungsverhältnis noch nicht bestanden hat ( Wüstenberg BtPrax 2004 185). Bei einem Jugendlichen verlangt BGH NJW 1951 450 zu Recht eine besonders strenge Prüfung, ob nicht die Überwachung durch die Familie, vormundschaftsgerichtliche und jugendfürsorgerische Maßnahmen die Unterbringung entbehrlich machen (ebenso zum neuen Recht BGHSt 37 373, 374). Freiwillige Behandlung in einem allgemeinpsychiatrischen Krankenhaus hat die höchstrichterliche Rechtsprechung durchweg nicht als ausreichenden Ersatz angesehen, weil es regelmäßig an der notwendigen Garantie fehle, dass der Täter in der Anstalt auch verbleibt. 139 Ausnahmen sind jedoch nach Lage des Einzelfalls denkbar, wenn der Täter Krankheitseinsicht hat, behandelt werden will und ihm nach der Art seiner Krankheit in
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Ebenso BGH NStZ-RR 1997 291; 2 0 0 0 300, 301; BGHR StGB § 6 3 Beweiswürdigung 1 und BGHR StGB S 63 Gefährlichkeit 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 19; Lackner/Kühl Rdn. 11; Fischer § 67b Rdn. 2. BGH NStZ-RR 1997 2 9 1 ; BGH NStZ-RR 2 0 0 0 138; BGH, Beschl. v. 16.12.1997 -
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1 StR 735/97; Sch/Schröder/Stree Rdn. 19; kritisch Lackner/Kühl Rdn. 8; vgl. auch hier aber bei der Frage, ob die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt werden kann - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 2. RGSt 76 134; BGH NJW 1971 1849.
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Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
der Allgemeinpsychiatrie wirksam und relativ schnell geholfen werden kann. Bei Alkohol- und Drogensüchtigen, deren Einweisung nach § 63 in Frage steht (Rdn. 113 ff), ist dies derzeit wohl ausnahmslos zu verneinen. Deshalb kommt insoweit also nur § 67b in Betracht. Eine zivilrechtliche Unterbringung hindert ebenfalls grundsätzlich nicht die Anordnung der Maßregel nach § 63; beide Unterbringungen können nebeneinander bestehen. Hat der Beschuldigte die krankheitstypischen und krankheitsbedingten Anlasstaten jedoch im Rahmen einer zivilrechtlichen Unterbringung begangen und sind Tatopfer die Angehörigen des Pflegepersonals, dem seine ihn und die Allgemeinheit schützende Betreuung obliegt, so bleibt regelmäßig für die Maßnahme nach § 63 als Rechtsfolge kein Raum (BGH NStZ 1998 405).
142
Ähnliche Maßstäbe gelten, wenn sich der Täter in eine ambulante psychotherapeutisehe oder medikamentöse Behandlung begeben will oder begeben hat (vgl. aber OLG Stuttgart J Z 1961 53). Hier wird in Betracht zu ziehen sein, dass Behandlungen dieser Art oft belastend sind, einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen und vom Patienten aktive Mitarbeit sowie Durchhaltevermögen verlangen. Daher sind an die Persönlichkeit des Betroffenen strenge Anforderungen zu stellen. Immerhin erklärt BGH 1 StR 190/72 v. 20.6.1972, dass die ambulante Behandlung durch einen Facharzt sowie die Ruhigstellung des Kranken durch Medikamente nach tatrichterlicher Prüfung die Verhängung der Maßregel im Einzelfall durchaus unnötig machen kann.
143
Zurückhaltung ist auch bei der Ankündigung einer freiwilligen Kastration angebracht (BGH bei Dallinger M D R 1968 200). Hier ist insbesondere zu beachten, dass die Kastration nach dem Katrationsgesetz von komplizierten Voraussetzungen und der besonderen Entscheidung einer Gutachterstelle abhängig ist, weshalb die Ankündigung keine sichere Option ist. Nach vollzogener Kastration kann es, wenn der Zweck des Eingriffs erreicht ist, hingegen schon an der künftigen Gefährlichkeit fehlen. Insofern handelt es sich dann gar nicht um einen Fall des Subsidiaritätsprinzips, sondern um einen der Fälle, in denen die künftige Gefährlichkeit des Täters zwischen Tat und Urteil entfallen ist. Allerdings ist zu beachten, dass die Kastration nicht mehr als absolut sichere Methode gelten kann, da männliche Sexualhormone und wirkungsäquivalente hormonelle Anabolika, mit denen der psychosexuelle Kastrationseffekt rückgängig zu machen ist, ohne größere Mühe erhältlich sind (Nedopil S. 243).
144
Weitere Probleme der Subsidiarität stellen sich im Verhältnis zu den landesrechtliehen Unterbringungsgesetzen (dazu Rdn. 158 ff) und zur lebenslangen Freiheitsstrafe (Rdn. 150).
145
V. Kumulation von Strafe und Unterbringung Bei vermindert Schuldfähigen tritt die Unterbringung in der Regel neben die Strafe, jedoch wird die vorweg vollzogene Unterbringung bis zu zweit Dritteln auf die Strafe angerechnet (§ 67 Abs. 1, 4). Diese kumulative Anordnung entspricht der Zweispurigkeit des strafrechtlichen Sanktionensystems in Deutschland. Dabei besteht grundsätzlich keine Wechselwirkung zwischen Strafe und Maßregel, weshalb sie unabhängig voneinander zu bemessen und verhängen sind. 140 (Freiheits-)Strafe und Maßregel sind aber gem. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (§ 62) einander so zu-
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Vgl. BGHSt 3 8 362, 365 zu § 64.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
zuordnen, dass deren Zwecke möglichst weitgehend erreicht werden, ohne dabei mehr als notwendig in das Freiheitsrecht des Betroffenen einzugreifen. Jedoch ist eine volle zeitliche Anrechnung einer Unterbringung im Maßregelvollzug auf die Freiheitsstrafe im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 G G nicht geboten. Vielmehr stehen Freiheitsstrafe und Maßregel der Unterbringung nach rechtfertigendem Grund und Zielrichtung nebeneinander (BVerfG N S t Z 1995 174 f; § 67 Rdn. 2 4 m.w.N.). 147
Eine isolierte Unterbringung kommt nur bei Schuldunfähigen in Betracht (§ 71), bei vermindert Schuldfähigen nur in bestimmten Ausnahmefällen. Eher theoretisch ist es denkbar, dass unter den Voraussetzungen des § 60 neben dem Schuldspruch von Strafe abgesehen wird, gleichwohl aber die Unterbringung indiziert ist (so auch Sch/Schröder/ Stree Rdn. 21). Etwas häufiger kommt eine isolierte Unterbringung bei vermindert Schuldfähigen im Jugendstrafrecht vor, da nach § 5 Abs. 3 J G G von Zuchtmitteln oder Jugendstrafe neben der Unterbringung abgesehen wird, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht. Im Übrigen kommen Ausnahmen von der gleichzeitigen Verurteilung zu Strafe trotz Anordnung der Unterbringung vor allem in zwei weiteren Fallonstellationen in Betracht.
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Die eine Ausnahme ergibt sich, wenn zumindest feststeht, dass der Täter vermindert schuldfähig ist, jedoch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass er gänzlich schuldunfähig ist. Hier kann zwar Strafe wegen des Grundsatzes in dubio pro reo nicht ausgesprochen werden, wohl aber ist, wenn die mindestens verminderte Schuldfähigkeit feststeht, die Maßregel möglich (BGHSt 18 167; näher Rdn. 62).
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Die zweite Ausnahme ergibt sich, wenn ein früheres, die Schuldunfähigkeit bejahendes Urteil in der Revisionsinstanz aufgehoben worden ist und wegen des Verbots der Schlechterstellung im Rechtsmittelzug (Vor § 61 Rdn. 83, 132 ff) nun in einer neuen Hauptverhandlung trotz Feststellung nur verminderter Schuldfähigkeit Strafe nicht mehr verhängt werden darf (vgl. für den Fall voller Schuldfähigkeit s. § 358 Abs. 2 . S. 2 StPO n.F.; dazu Rdn. 1 9 8 ) ; 1 4 1 denn hier entfällt die Strafe nur aus verfahrensrechtlichem Grund; dies aber kann, da der Täter Strafe an sich verwirkt hat, der Unterbringung nicht entgegenstehen (BGHSt 11 319, 323).
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Wird der Täter - bei verminderter Schuldfähigkeit - zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, war nach herrschender Meinung zu § 4 2 b a.F. die Unterbringung nur anzuordnen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Möglichkeit einer späteren Entlassung nahelag (BGH N J W 1 9 6 0 2 9 3 ; Lang-Hinrichsen L K 9 § 4 2 b Rdn. 4 2 m.w.N.). Dem ist für den Rechtszustand seit dem 2. StrRG und angesichts des § 57a nicht mehr zu folgen, insbesondere weil nach § 6 7 der Vollzug der Maßregel grundsätzlich vor dem Vollzug der Strafe erfolgt, um die besonderen Einwirkungsmöglichkeiten des Maßregelvollzugs vorrangig auszunutzen. 1 4 2
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§ 358 Abs. 2 S. 2 StPO i.d.F. des UnterbrSichG vom 16.7.2007 lässt in solchen Fällen jetzt auch die Verhängung einer Strafe anstelle einer Unterbringung zu; diese neue Vorschrift greift daher nur ein, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung ergibt, dass der Angeklagte bei Beginn der Tat voll
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schuldfähig war (vgl. Begründung zum Entwurf des Bundesrates vom 26.4.2006, BT-Drs. 16/1344, S. 17), s. auch Rdn. 198. Horn SK Rdn. 26; K. Böhm NJW 1982 139 mit weiteren Einzelheiten über Vollzug und Aussetzung; vgl. auch Horstkotte LK, Erl. zu § 67c; BGH NStZ 2000 417.
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VI. Zwingender Charakter. Verhältnis zur Strafzumessung. Maßregelkonkurrenz Liegen die Voraussetzungen für die Unterbringung gem. § 63 vor, ist deren Anordnung zwingend vorgeschrieben, steht also nicht im Ermessen des Gerichts. 143 Bei Schuldunfähigkeit eines nach § 63 unterzubringenden Angeklagten ist dieser neben der Verhängung der Maßregel überdies ausdrücklich freizusprechen (BGH NStZ 1998 142).
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Geboten ist in der Regel eine weitere Unterbringung auch dann, wenn die Maßregel schon in einem früheren Strafverfahren angeordnet worden ist. 144 Bei vermindert Schuldfähigen ergibt sich dies schon daraus, dass nur so - über eine Unterbrechungsregelung gemäß § 54 Abs. 3 StVollstrO - eine Anrechnung der Unterbringung auf die neue Strafe gemäß § 67 Abs. 1, 4 möglich ist (BGHSt 50 199, 202 m.w.N.). Bei Schuldunfähigen kommt es darauf an, ob die erneute Unterbringung zur Erreichung des Maßregelziels der Besserung und Sicherung geeignet und erforderlich ist, weil von ihr zur Erreichung dieses Ziels Wirkungen ausgehen, die der erste Maßregelausspruch nicht zeitigt (BGHSt 5 0 199, 203). Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werden sich jedenfalls schwerere Straftaten auch auf die Dauer des Vollzugs auswirken, da die Schwere der vom Beschuldigten begangenen Taten und seine sich hierin manifestierende Gefährlichkeit maßgeblichen Einfluss darauf hat, wie lange die Maßregel - auch unter Beachtung des grundsätzlichen Freiheitsanspruchs des Beschuldigten (Art. 2 Abs. 2. Satz 2 GG) - vollzogen werden darf (vgl. BVerfGE 70 297, 313). Ist dagegen nicht zu erwarten, dass der Maßregelvollzug durch die erneute Anordnung der Unterbringung in maßgeblicher Weise beeinflusst würde, so ist diese zur Besserung und Sicherung des Beschuldigten nicht geeignet und erforderlich, so dass sie nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterbleiben muss (BGHSt 50 199, 205).
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Dem System der Zweispurigkeit entspricht es, dass die Anordnung der Maßregel unabhängig von der Verhängung und Zumessung der Strafe erfolgt (Fischer § 4 6 Rdn. 15). Verfehlt ist es daher, wenn der BGH in einem Fall mit geringfügigen Vor- und Anlasstaten (BGHR Gefährlichkeit 8) - eher beiläufig - die Ansicht vertritt, beim nur vermindert schuldfähigen Täter sei „bei der Notwendigkeit einer Unterbringung" zu beachten, dass „gegen ihn als Mittel der Einwirkung auch die Strafe zur Verfügung" stehe. Das widerspricht der Konzeption des § 63. Denn danach kommt es für die Anordnung der Unterbringung - mit oder ohne gleichzeitige Aussetzung nach § 67b - allein auf die Gefährlichkeit des Täters im Zeitpunkt des Urteils an (näher Vor § 61 Rdn. 66, 72; vgl. auch Holtz M D R 1977 459, 460). Nach dem System des Gesetzes lässt sich auch nicht sagen, dass es sich beim Verhältnis zwischen Strafe und Maßregel um eine Frage des Subsidiaritätsprinzips in dem hier (Rdn. 133 ff) befürworteten Sinne handelt. Vielmehr zeigen insbesondere § 67 Abs. 2 und § 67b, dass der erkennende Richter bei bestehender
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Allgemeine Meinung, z.B. BGH NStZ 1990 122, 123; BGH NStZ-RR 2 0 0 5 370; NJW 1992 1570 mit zust. Anm. Walter NStZ 1992 100; Fischer Rdn. 21; Lackner/Kühl Rdn. 11; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 0 ; Jescheck/Wetgend AT § 77 II 3; van Gemmeren MK Rdn. 48. Anders geregelt für die Staatsanwaltschaf im Sicherungsverfahren gegen Schuldunfähige gem. § 413 StPO. BGHSt 50 199, 201 mit abl. Bespr. Pollähne
J R 2 0 0 6 316; BGH NJW 1976 1949; BGH bei Daliinger M D R 1956 5 2 5 ; BayObLG NStZ-RR 2 0 0 4 295, 2 9 6 ; Fischer, Lackner/Kühl und Sch/Schröder/Stree aaO; vgl. auch BGH NStZ-RR 2 0 0 2 , 2 3 0 , 231; Eisenberg NStZ 2 0 0 4 2 4 0 , 241; Grünebaum R & P 2 0 0 4 190; zweifelnd van Gemmeren MK Rdn. 50, Fn. 187; aA LG München I R & P 2 0 0 2 184.
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Gefährlichkeit i.S.d. § 63 auf die Einwirkungsmöglichkeiten mit Hilfe des Maßregelrechts grundsätzlich nicht verzichten darf. 154
Erst recht ist der Richter nicht befugt, an Stelle der Maßregel eine längere Strafe zu verhängen. 145 Dies würde nicht nur gegen die zwingende Vorschrift des § 63 verstoßen, sondern auch gegen die Strafzumessungsgrundsätze des § 46, weil der Richter die Strafe dann nicht an der Schuld, sondern an der Gefährlichkeit orientieren müsste. Ferner würde der Gedanke vereitelt, die Einwirkungsmöglichkeiten des Maßregelvollzugs vorrangig und unter Anrechnung auf die Strafe auszunutzen (§ 67).
155
Unzulässig ist nach herrschender Meinung eine Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe. Im Gegensatz zu einigen anders lautenden Entscheidungen des RG (RGSt 68 294; H R R 1940 Nr. 571) hat der BGH die Frage schon kurz nach Inkrafttreten des 2. StrRG grundsätzlich verneint (BGHSt 24 132 m.w.N.), weil der Schuldgrundsatz (§ 46 Abs. 1) im System der Zweispurigkeit gebiete, „klar zwischen den Aufgaben der Strafe und der Maßregel zu unterscheiden" und weil sich die Strafe „von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich ... weder nach oben noch nach unten inhaltlich lösen" dürfe (BGHSt 24 132, 133 f). Für diese Auslegung spricht auch der Vorwegvollzug der Maßregel und deren Anrechung auf die Strafe gemäß § 67 Abs. 1 und 4 (Marquardt S. 160). Innerhalb des Spielraums der schuldangemessenen Strafe ist es jedoch zulässig, die Erfüllung der spezialpräventiven Zwecke durch die Maßregel strafmildernd zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich aber um ein Problem der Auslegung des § 46.
156
Anerkannt ist jedoch die Strafmilderung beim Vorwegvollzug der Strafe vor der Unterbringung (§ 67 Abs. 2), da in diesen Fällen die Freiheitsentziehung insgesamt länger dauert, was in der Regel durch eine Herabsetzung der sonst angemessenen Strafe zu berücksichtigen ist. 146
157
Bei der Konkurrenz des § 63 mit anderen Maßregeln ist nach den Maßstäben des § 72 zu beurteilen, ob oder in wie weit die Maßregeln nebeneinander anzuordnen sind (s. Hanack LK § 72 insbes. Rdn. 21, 24 ff). Sind neben den Voraussetzungen des § 63 auch die der Anordnung der Sicherungsverwahrung erfüllt, so gebührt der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus selbst bei zweifelhaften Heilungsaussichten - nach § 72 Abs. 1 regelmäßig der Vorzug, wenn die psychische Störung gem. § 63 und der Hang i.S.v. § 66 auf derselben Ursache beruhen (vgl. z.B. BGHR StGB § 72 - Sicherungszweck 1 und 6; BGH NStZ 1998 35; 2002 533; 2 0 0 3 310, 311 Rdn. 5; NStZ-RR 2002 230; R & P 2 0 0 6 205, 206; StV 2007 410; Lackner/Kühl Rdn. 12; Sch/Schröder/Stree Rdn. 22; vgl. van Gemmeren MK Rdn. 88, 90). Dies folgt schon aus dem Vorrang der Besserung und dem Ultima-ratio-Charakter der Sicherungsverwahrung (BGH NStZ 2002 533); der gebotene Schutz der Allgemeinheit vor dem gefährlichen Täter ist allein im Vollzug der Unterbringung nach § 63 zu gewährleisten (BGH NStZ 2002 533f; NStZ-RR 2002 230, 231). Obwohl die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach Auffassung des BGH gegenüber der Sicherungsverwahrung „kein geringeres, sondern ein anderes Übel" (BGHSt 5 312, 314; BGH NStZ 1981 390) darstellt, so dass grundsätzlich die gleichzeitige Anordnung mög-
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BGHSt 2 0 2 6 4 , 2 6 6 ; BGH J Z 1988 264; BGH bei Daliinger MDR 1972 196; BGH MDR 1973 728; vgl. auch BGH StV 1988 3 0 7 ; zust. z.B. Lackner/Kühl Rdn. 11; Böllinger/Polläbne NK Rdn. 116; vgl. auch Tröndle GA 1974 304.
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BGH NStZ 1985 91; BGH NJW 1986 143; vgl. auch Theune StV 1985 163; Bruns Recht der Strafzumessung S. 88.
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lieh wäre, ist doch der Unterbringung nach § 63 gegenüber der Sicherungsverwahrung nach § 66 der Vorrang einzuräumen, weil sie bei identischer Ursache auch bessere Behandlungsmöglichkeiten eröffnet (BGH NStZ 1998 35; BGH Urt. v. 20.2.2002 - 2 StR 486/01). Werden beide Maßregeln nebeneinander angeordnet, muss das Gericht in der Urteilsformel die Vollstreckungsreihenfolge bestimmen (§ 72 Abs. 3 Satz l ) . 1 4 7 Wegen der doppelten Übelszufügung sollt die dies jedoch im Hinblick auf § 62 vermieden werden. 1 4 8
VII. Verhältnis zu den Unterbringungsgesetzen der Länder 1. Landesrechtliche Vorschriften. Gesetze, die eine Unterbringung psychisch Kranker und Süchtiger (idR nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens durch richterlichen Beschluss gegen ihren Willen) zulassen, bestehen in Ausführung von Art. 104 Abs. 2 GG. Es handelt sich um polizeirechtliche Unterbringungen zur Gefahrenabwehr (auch bei Selbstmordgefahr), deren Anordnung nicht die Begehung einer rechtswidrigen Tat voraussetzt. Einzelheiten zu den Landesgesetzen, die teils als Gesetz für psychisch Kranke o.ä. (PsychKG), teils als Unterbringungsgesetz bezeichnet werden, finden sich bei Marschner/Volckart Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl. 2001.
158
2. Das Konkurrenzverhältnis zu § 63 a) Allgemeines. Das Verhältnis zwischen der Unterbringung nach § 63 und den genannten Landesgesetzen ist erheblich umstritten. Denn die landesrechtlichen Unterbringungsgesetze erfassen, unbeschadet ihrer Verschiedenartigkeiten, in einem jeweils subtil geregelten Verfahren unter Einschaltung des Richters grundsätzlich auch die Fälle, in denen eine Unterbringung nach § 63 vorgesehen ist (gehen im Übrigen über § 63 freilich zum Teil hinaus, weil sie regelmäßig auch bei bloßer Selbstgefährdung und bei gewissen Fremdgefährdungen eingreifen, die § 63 nicht mehr unterfallen). Beide Verfahren betreffen also, wenn auch unter verschiedenen Aspekten, denselben Lebenssachverhalt. Wie sie sich zueinander verhalten, ist jedoch gesetzlich weitgehend ungeregelt (über einige Ausnahmen in neueren Landesgesetzen s. Rdn. 169) und eben daher seit jeher umstritten.
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An dieser Situation hat sich auch durch die Strafrechtsreform (1. und 2. StrRG) im Grundsatz nichts geändert: Folgt man der hier vertretenen Ansicht, dass das sog. Subsidiaritätsprinzip auch weiterhin schon bei Anordnung der Maßregel zu beachten ist (Rdn. 134 i.V. mit Rdn. 60 Vor § 61), stellt sich die Konkurrenzfrage, wie früher (vgl. im folg. Text), bereits in diesem Zusammenhang. Folgt man hingegen der Ansicht, dass das Subsidiaritätsprinzip erst bei der Aussetzung gemäß § 67b beachtlich ist (Rdn. 133), verschiebt sich das Problem nur auf die, dann in den Einzelheiten freilich etwas anders akzentuierte Frage, welche Bedeutung die landesrechtlichen Unterbringungsgesetze bei der Anwendung des § 67b besitzen (dazu Rissing-van Saan/Peglau LK § 67b Rdn. 35 f;
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Wenz S. 2 4 2 f f ) .
b) Rechtsprechung. Die höchstrichterliche Rechtsprechung vertritt seit BGHSt 24 98 einheitlich die Auffassung, dass die Unterbringungsgesetze der Länder die öffentliche Sicherheit weniger wirksam schützen als das Strafrecht. Begründet hat BGHSt 24 98 das
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BGH NStZ 1995 284. BGH NStZ-RR 1999 170; 2002 230;
Böllinger/Pollähne NK Rdn. 108; anders ausnahmsweise BGHR S 72 Sicherungszweck.
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mit Regelungen des nordrhein-westfälischen Rechts, das beim Fehlen einer rechtzeitigen Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung die automatische Entlassung vorsah, kürzere Fristen für den Widerruf der Entlassung kannte und Beurlaubungen bis zu zehn Tagen durch den Anstaltsleiter erlaubte. An gegenteiligen früheren Entscheidungen, insbesondere BGHSt 12 50 und 17 123, 1 4 9 hielt der BGH nicht fest (vgl. BGHSt 2 4 98, 101). Sie hatten in Einzelpunkten schwächere landesrechtliche Sicherungen für unerheblich gehalten, weil hinsichtlich der Sicherungswirkungen kein wesentlicher Unterschied bestehe; BGHSt 17 123 hatte sogar ein Absehen von der strafgerichtlichen Unterbringung auch dann für zulässig gehalten, wenn die Anordnung nach Landesrecht noch nicht rechtskräftig war, nach der Art des Unterbringungsgrundes aber an ihrem Fortbestand keine Zweifel bestehen konnten. 162
Der BGH hat, soweit ersichtlich, die Maßstäbe von BGHSt 24 98 zur Bestimmung der Konkurrenzfrage bis heute nicht ausdrücklich aufgegeben. Im Rahmen des § 67b, wo die Frage für ihn seit der Strafrechtsreform wegen seiner Ansicht zum Subsidiaritätsprinzip offenbar allein akut wird (Rdn. 133 sowie BGHR § 63 Gefährlichkeit 2, 6), behandelt er sie seit dem Urteil des 1. Strafsenats vom 26.3.1987 aber etwas anders: Er stellt darauf ab, welche Art der Unterbringung günstiger für die Heilung oder Pflege des Täters ist, nämlich im Hinblick auf die gezielte Behandlung seiner Krankheit oder im Hinblick auf die ihm günstigere Durchführung der Unterbringung bei der Frage des Urlaubs oder sonstiger Vollzugslockerungen (BGHSt 34 313, 317; BGH NStZ 2 0 0 2 590 f; BGHR § 67b Abs. 1 besondere Umstände 1, 3, 5; ebenso OLG Naumburg R & P 2 0 0 7 37). Bei gleicher Wirksamkeit hat der BGH die Aussetzung der strafgerichtlichen Unterbringung dabei jedoch abgelehnt (BGHSt 34 313, 317).
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c) Herrschende Lehre. Die wissenschaftliche Literatur bietet kein einheitliches Bild. Das gilt, wie bemerkt, schon für ihre Haltung zum Subsidiaritätsprinzip, also zu der Frage, ob die landesrechtliche Unterbringung bereits bei Anordnung der Maßregel zu berücksichtigen ist (Rdn. 133). Es gilt darüber hinaus aber auch für die Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses als solchem. Überwiegend tendiert das Schrifttum zur Meinung, dass die strafgerichtliche Unterbringung von der landesrechtlichen unabhängig ist. Da dabei meist auf BGHSt 24 98 (oben Rdn. 161) verwiesen wird, darf man vermuten, dass der Grund dafür wohl im angeblich geringeren Sicherheitsgrad der landesrechtlichen Unterbringung gesehen wird. 1 5 0 Soweit es um die Anwendung des § 67b geht (vgl. oben Rdn. 160), zeigt sich dabei jedoch die Neigung, eine Unterbringung nach den Landesgesetzen als besonderen Umstand i.S. dieser Bestimmung und nach den Grundsätzen von BGHSt 34 313 (s. Rdn. 162) zu berücksichtigen. 151
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d) Grundsätzlich abweichende Auffassungen. Verschiedentlich wird versucht, das Konkurrenzverhältnis der beiden Unterbringungsarten nicht von ihrem Sicherheitsgrad her zu bestimmen, sondern in anderer Weise zu erfassen.
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Dazu Anm. von Kohlbaas und Krumme LM Nr. 17 und 21 zu § 42b a.F. Fischer Rdn. 23; Lackner/Kühl Rdn. 8; Sch/ Schröder/Stree Rdn. 1, die aber immerhin z.T. auf BGHSt 34 313 (oben Rdn. 162) hinweisen.
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So z.B. Fischer § 67b Rdn. 3; Horn SK § 67b Rdn. 4; eingehend zu der insoweit bestehenden Problemlage Horstkotte LK, Erl. zu § 67b m.w.N.
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(1) Die Meinung, dass die Regelung der strafrechtlichen Unterbringung die speziel- 1 6 5 lere sei und daher bei Vorliegen einer rechtswidrigen Tat die Anwendung der landesrechtlichen Unterbringungsgesetze ausschließe (OLG Düsseldorf MDR 1984 71 LS; Baumann/ Weber AT 9 § 44 II l b Fn. 19), ist aber schwerwiegenden Einwendungen ausgesetzt (vgl. Wenz S. 56 ff). So ist nicht zu bestreiten, dass die Spezialität des strafgerichtlichen Unterbringungsverfahrens eine Ausnahme von dem Grundsatz darstellen würde, dass die Akte verschiedener Staatsorgane untereinander nur Tatbestandswirkung haben, sofern das Gesetz selbst nichts anderes bestimmt. Solche anderen Bestimmungen finden sich nun zwar in einigen der landesrechtlichen Unterbringungsgesetze (unten Rdn. 169), aber eben doch nur in einigen und auch nur für das Nebeneinander im Falle der Vollstreckung (Rissing-van Saan/Peglau § 67b Rdn. 35 f); sie mildern also lediglich die Folgen einer konkurrierenden Zuständigkeit, von der sie im Übrigen gerade ausgehen. Ein Vorrang des Strafrechts ergibt sich beim unterschiedlichen Zweck der beiden Unterbringungsformen auch nicht aus dem Verhältnis zwischen Bundes- und Landesrecht. Entsprechend zeigen auch die Gesetzesmaterialien, dass sowohl der Reichs- wie der Bundesgesetzgeber von einer konkurrierenden Zuständigkeit der beiden Unterbringungsmöglichkeiten ausgegangen ist. 152 Für diese Auffassung spricht im Übrigen, dass die obige Ansicht zu erheblichen prak- 1 6 6 tischen Schwierigkeiten führt, weil sie Grenzfälle und „unklare" Fälle anerkennen muss, bei denen eine vorläufige Mitzuständigkeit des landesrechtlichen Unterbringungsrichters besteht, bis sich herausstellt, dass entweder ein „klarer" Fall der strafrechtlichen oder der landesrechtlichen Kompetenz vorliegt. Hier können sich Spannungen z.B. ergeben, wenn der landesrechtliche Unterbringungsrichter einen „klaren" strafgerichtlichen Fall bejaht und darum seine Zuständigkeit ablehnt, da seine Auffassung den Strafrichter nicht bindet und die Staatsanwaltschaft nicht einmal zwingt, ein Sicherungsverfahren nach § 413 StPO durchzuführen, da insoweit das Opportunitätsprinzip gilt. Deshalb ist diese Ansicht mit dem geltendem Recht nicht zu vereinbaren (zu ihrem berechtigten praktischen Kern s. Rdn. 174 f). (2) Unbefriedigend bleibt auch die zeitweilig von K. Peters (Strafprozeß, 2. Aufl. 1 6 7 1966, S. 498; vgl. auch Maurach/Zipf AT § 1 Rdn. 42) vertretene Ansicht, dass man zur Vermeidung von Verfahrensverdoppelungen in Anlehnung an § 12 StPO auf den Grundsatz der zeitlichen Priorität abstellen müsse. Gegen eine solche Lösung spricht schon, dass es nicht von den Zufälligkeiten des ersten oder des schnelleren Zugriffs abhängen kann, ob der Täter dem einen oder dem anderen Verfahren unterliegt. Auch könnte die Lösung zu einer Aushöhlung des strafrechtlichen Unterbringungsverfahrens führen, die rechtspolitisch vielleicht zweckmäßig ist, 153 sich aber jedenfalls nicht mit dem Umstand in Einklang bringen lässt, dass das geltende Recht nun einmal bei der Unterbringung auch die Kompetenz des Strafrichters kennt. (3) Eher daran denken könnte man, das Verhältnis der beiden Unterbringungsformen 1 6 8 im abstrakten Vergleich ihrer rechtlichen Regelungen danach zu bestimmen, welche Unterbringung für den Täter günstiger bzw. nachteiliger ist. Ein Ansatz dieser Art findet sich bei Montenbruck (In dubio pro reo, 1985, S. 134), der feststellt, dass die strafrecht-
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So ausdrücklich schon in der amtlichen Begründung zum GewVerbrG (Schäfer/Wagner/ Schaßeutle Art. 2 § 42b Anm. 1) und ebenso in der Begründung zum E 1962 (S. 208).
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So eindrucksvoll K. Peters 4. Aufl. 1985, § 64 I, S. 569.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
liehe Unterbringung insoweit einige Vorzüge mit sich bringt, nämlich bei der Aussetzung nach § 67b (die mit der landesrechtlichen Beurlaubung nicht vergleichbar sei), bei der Überprüfung gemäß § 67e Abs. 2 (die nach Landesrecht jedenfalls zum Teil innerhalb längerer Fristen erfolgt) sowie in den Fällen einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe neben der Unterbringung. Aber dies zeigt wohl schon die kritischen Punkte eines solchen Ansatzes: Die genannten Unterschiedlichkeiten sind gering und oft zufällig. Sie können zudem nach Lage des Einzelfalles durch gegenläufige andere Aspekte ausgeglichen oder sogar überlagert werden. Und sie müssten zu einem prinzipiellen Vorrang des Strafrechts führen, der in dieser Form vom Gesetz erkennbar nicht gewollt ist. Dieser passt z.B. nicht zum staatsanwaltschaftlichen Ermessen bei der Einleitung eines Sicherungsverfahrens nach § 413 StPO und führt im Übrigen zu den praktischen Einwendungen gegen die obige Auffassung (Rdn. 166) zurück. 169
e) Konsequenzen und eigene Ansicht. Nach allem ist es wohl unabweisbar, für das geltende Recht von einem echten Nebeneinander der strafrechtlichen und der landesrechtlichen Unterbringung jedenfalls im Grundsatz auszugehen, wie das auch der herrschenden Meinung entspricht. Etwas anderes ergibt sich, wie schon angedeutet (Rdn. 165), insbesondere auch nicht aus einigen Unterbringungsgesetzen, nach denen eine landesrechtliche Unterbringung nicht anzuordnen bzw. aufzuheben ist, wenn gegen den Täter „Maßnahmen" nach den §§ 126a StPO, 63, 64 StGB getroffen werden. 154 Denn abgesehen davon, dass sich die Regelungen ersichtlich nur auf zu vollstreckende, nicht aber auf gemäß S 67b ausgesetzte strafrichterliche „Maßnahmen" beziehen (Horstkotte LK 1 0 § 67b Rdn. 66): Sie besagen nicht, dass die landesrechtliche Unterbringung von vornherein subsidiär ist (was wohl auch kaum wünschenswert wäre, vgl. Rdn. 167 mit Fn. 153), sondern bestätigen eher das grundsätzliche Nebeneinander beider Unterbringungsarten. 155 Daraus ergibt sich im Einzelnen Folgendes:
170
(1) Zunächst ist nachdrücklich daran zu erinnern, dass die Einleitung eines Sicherungsverfahrens (§§ 413 ff StPO) beim Schuld- oder Verhandlungsunfähigen im Ermessen der Staatsanwaltschaft liegt (Hanack LK § 71 Rdn. 15). Diese kann daher auch vom Boden der herrschenden Meinung aus (Rdn. 163 ff) auf die Einleitung verzichten. Ein solcher Verzicht aber dürfte sich in der Regel empfehlen, wenn eine landesrechtliche Unterbringung möglich oder gar schon angeordnet ist, da die Auffassung vom generell geringeren Sicherungswert der landesrechtlichen Unterbringung nicht zutrifft. Das gilt insbesondere in den nicht seltenen Fällen, in denen die Anlasstat geringeres Gewicht hat oder/und der medizinische Krankheitsbefund eindeutig ist (vgl. schon Rdn. 129). Die Staatsanwaltschaft sollte dabei namentlich bedenken, dass - unbeschadet der Fragwürdigkeit des Gedankens vom „wertneutraleren" Unterbringungsverfahren - auch das strafprozessuale Sicherungsverfahren der §§ 413 ff StPO gerade für den Kranken häufig eine schwerwiegende oder sogar rehabilitationsstörende Belastung bedeutet.
154
So nach dem bremischen Gesetz ( § 1 1 Abs. 3), dem hamburgischen (§ 9 Abs. 3, nur für § 126a StPO) und nach dem nordrhein-westfälischen (§§ 1 Abs. 3, 11 Abs. 3); vgl. auch SaAn § 13 Abs. 2 und Thü § 7 Abs. 2; Einzelheiten bei Marschner/Volckart Rdn. 146 ff.
338
155
Vgl. dazu auch BGHSt 2 4 98, 99 für das nordrhein-westfälische Gesetz, BGHSt 34 313, 316 f für das Bayerische Unterbringungsgesetz und OLG Naumburg R&P 2 0 0 7 37 f für das PsychKG Sachsen-Anhalt.
Heinz Schöch
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
(2) Nach dem hier vertretenen Standpunkt, wonach das Subsidiaritätsprinzip weiterhin schon bei der Anordnung der strafgerichtlichen Maßregel gilt (Rdn. 134; Vor § 61 Rdn. 76 ff), ist die Anordnung auch dann zu unterlassen, wenn eine vorliegende landesrechtliche Unterbringung im Wesentlichen gleiche Sicherheit bietet wie eine strafrechtliche Unterbringung (Rdn. 137) und hinsichtlich ihrer Behandlungsperspektiven mindestens gleichwertig ist.
171
Im Gegensatz zur Vorauflage ist diese Voraussetzung aber nicht „grundsätzlich" zu bejahen (so Hanack LK 1 1 § 63 Rdn. 115), sondern - selbst bei psychotischen Tätern, bei denen sie noch am ehesten in Betracht kommt - die Ausnahme. Hanack begründete seine Auffassung von der gleichen Sicherheitsgewährleistung im Wesentlichen damit, dass § 138 StVollzG hinsichtlich des Vollzugs der Unterbringung auf Landesrecht verweise und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften in der Sache gegenüber den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen nur geringe Unterschiede aufwiesen, so dass sie die These vom geringeren Sicherheitsgrad der landesrechtlichen Unterbringung nicht stützten. Bezeichnenderweise seien die beiden Unterbringungsarten in einigen Bundesländern (so in Baden-Württemberg, Bayern und Schleswig-Holstein) einander sogar formal dadurch angeglichen, dass die Regeln über die landesrechtliche Unterbringung grundsätzlich auch für den Maßregelvollzug gälten (Hanack LK 1 1 § 63 Rdn. 106).
172
Diese Begründung berücksichtigt aber nicht hinreichend die beträchtlichen tatsächliehen Unterschiede im Vollzug der Unterbringung. Die spezialisierten forensisch-psychiatrischen Krankenhäuser umfassen eine große Vielfalt von hoch gesicherten Einrichtungen (z.B. in Haina, Lippstadt-Eickelborn oder Straubing) bis zum gelockerten oder offenen Vollzug in speziellen Abteilungen psychiatrischer Krankenhäuser, die sich auch in ihrer Behandlungskonzeption wesentlich von der Allgemeinpsychiatrie unterscheiden (vgl. MiillerIsberner in: Venzlaff/Förster, Psychiatrische Begutachtung 4 , S. 423 ff). Während die Akutpsychiatrie heute im Allgemeinen auf möglichst kurzfristige Unterbringung von wenigen Wochen mit frühzeitiger Lockerungserprobung ausgerichtet ist, orientiert sich der forensische Maßregelvollzug an einer längerfristigen Behandlungsstrategie über mehrere Jahre. Dabei muss auch der oft schwer erkennbaren Raffinesse von Straftätern und deren plötzlichem Übergang von leichteren Lockerungsverstößen zu schwersten Straftaten durch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen Rechnung getragen werden (Schöch Festschrift Venzlaff S. 317, 342). Welch gravierende Konsequenzen sich aus der Nichtbeachtung dieser Unterschiede ergeben, hat der dem Urteil des 5. Strafsenats des BGH vom 13.11.2003 (BGHSt 4 9 1) zu Grunde liegende Fall aus Brandenburg ergeben, wo ein fehlerhaft nach dem BbgPsychKG untergebrachter Gewalttäter im Anschluss an einen Lockerungsmissbrauch mehrere Menschen tötete (kritisch dazu Schöch Festschrift Venzlaff S. 317 ff).
173
(3) Ist eine strafgerichtliche Unterbringung angeordnet, ist eine zusätzliche Unterbringung nach Landesrecht grundsätzlich nicht mehr erforderlich; 156 dies gilt auch dann, wenn die Unterbringungsanordnung noch nicht rechtskräftig ist oder lediglich auf § 126a StPO beruht (so ausdrücklich Sage/Göpptnger aaO; Wenz aaO).
174
Ein noch laufendes landesrechtliches Unterbringungsverfahren ist mit der Vollziehbarkeit der strafrechtlichen Unterbringung in der Hauptsache erledigt (Saage/Göppinger Teil 4.4 Rdn. 143 ff, 163).
175
156
OLG Stuttgart Justiz 1975 313, 314 für rechtskräftige Anordnungen; Saage/Göppinger Teil III Rdn. 194; Wenz S. 158 ff; Schmidt-Futterer MDR 1967 357; vgl. auch
die in Rdn. 113 erwähnten Spezialregelungen; aA BayObLGZ 1956 109 = N J W 1956 881 sogar für den Fall einer rechtskräftigen Anordnung nach § 64 bzw. nach § 4 2 c a.F.
Heinz Schöch
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§63
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Entsprechendes muss auch gelten, wenn die landesrechtliche Unterbringung schon rechtskräftig geworden ist, bevor es zu einer strafgerichtlichen Anordnung gemäß § 63 oder gemäß § 126a StPO kommt, sofern nicht ausnahmsweise die landesrechtliche Unterbringung nach den o.g. Kriterien gleichwertig ist (Rdn. 171).
VIE. Dauer der Unterbringung; Aussetzung, Erledigung, Kontrolle 176
1. Dauer der Unterbringung. Die Dauer der Unterbringung ist nach geltendem Recht an eine Frist nicht gebunden. Dies ergibt sich klar aus § 67d und entspricht der allgemeinen Meinung. Die Unterbringung dauert so lange wie es ihr Zweck erfordert, u.U. also lebenslang. Zu den damit verbundenen Problemen s. Rdn. 21 und Rdn. 24.
177
2. Aussetzung der Vollstreckung, Führungsaufsicht. Eine Aussetzung der Vollstreckung oder der weiteren Vollstreckung kennt das Gesetz in verschiedenen Formen: Eine Aussetzung kann schon zugleich mit der Anordnung der Unterbringung vom erkennenden Gericht unter den Voraussetzungen des § 67b angeordnet werden (näher Rissing-van Saan/Peglau LK zu § 67b). Die iRd § 63 festgestellte Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit darf nicht zugleich hinreichender Grund für die Versagung der Aussetzung des Vollzugs zur Bewährung sein (BGH R&P 2002 192). Hat der Täter - ausnahmsweise, s. § 67 Rdn. 59 - zunächst Freiheitsstrafe verbüßt, kann die Vollstreckungskammer unter den Voraussetzungen des § 67c Abs. 1 die Vollstreckung der Unterbringung aussetzen (näher Rissing-van Saan/Peglau LK zu § 67c). Gleiches gilt, wenn der Vollzug der Unterbringung drei Jahre nach Rechtskraft der Anordnung noch nicht begonnen und der Täter auch nicht vorab Freiheitsstrafe verbüßt hat (§ 67c Abs. 2; näher Rissing-van Saan/Peglau aaO). Schließlich ist nach begonnenem Vollzug die weitere Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 2 auszusetzen, „wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird" (näher Rissing-van Saan/Peglau LK, Erl. zu § 67d; Koller BewHi 2005 237).
178
In allen Fällen der Aussetzung tritt mit der Anordnung kraft Gesetzes Führungsaufsicht ein (S 67b Abs. 2, § 67c Abs. 1 S. 2, § 67c Abs. 2 S. 4, § 67d Abs. 2 S. 2). Die früher etwas undifferenzierte Ausgestaltung der Führungsaufsicht ist durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht vom 17.4.2007 zu einem flexibleren „Kriseninterventionsinstrumentarium" (Schneider LK Vor § 68 Rdn. 27b) umgestaltet worden. Insbesondere wurde die - zu starre - Höchstfrist von fünf Jahren (§ 68c Abs. 1) dadurch gelockert, dass in besonderen Fällen auch eine unbefristete Anordnung bzw. Verlängerung der Führungsaufsicht möglich ist (§ 68c Abs. 2, 3). Dafür besteht gerade bei dem Personenkreis des § 63 nicht selten Bedarf. Darüber hinaus gibt es weitergehende Vorschläge für eine effektive flächendeckende Nachsorge zur Verminderung der Rückfallgefahr.157
157
Hierzu auf der Grundlage von Rückfallstatistiken Seifert/Schiffer/Leygraf PsychiatPrax 2 0 0 3 235; Seifert/Bolten/Möller-Mussavi MschrKrim. 2 0 0 3 127; Seifert/MöllerMussavi/Bolten/Losch StV 2 0 0 3 301; Seifert/
340
Mussavi NStZ 2 0 0 6 131; Scbmitt-Homann ZRP 2 0 0 2 236; Stolpmann NStZ 1997 316; in Bezug auf Sexualstraftäter: Seifert/MöllerMussavi/Bolten Sexuologie 2 0 0 3 13.
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Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
3. Erledigung der Maßregel. § 67d Abs. 2 eröffnet für alle drei freiheitsentziehenden Maßregeln als Regelfall für die Beendigung der Unterbringung die erfolgreiche Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung (Koller Festschrift Venzlaff S. 229, 231 m.w.N.): Wenn das Gericht diese Aussetzung nicht gemäß § 67g widerruft, führt sie nach dem Ende der Führungsaufsicht (§ 68c) bzw. ihrer vorzeitigen gerichtlichen Beendigung (§ 68e) zur endgültigen Erledigung der Maßregel (§ 67g Abs. 5). Erst in zweiter Linie sind daneben die verschiedenen - vom Gesetzgeber in ihren Voraussetzungen je nach angeordneter Maßregel sehr unterschiedlich ausgestalteten - Erledigungsfälle in Betracht zu ziehen. Sie alle führen jedoch im Gegensatz zu der Aussetzung zur Bewährung iSd § 67d Abs. 2 zu einer unwiderruflichen Beendigung der Maßregelvollstreckung. Im Falle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist § 67d Abs. 6 mit dem Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23.7.2004 neu eingefügt worden, der eine ausdrückliche Bestimmung zur Erledigung der Unterbringung enthält (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg NStZ-RR 2005 40). 1 5 8 Die Möglichkeit der Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung greift dabei das Risiko weiterhin besonders gefährlicher Täter auf, deren Unterbringung gem. § 67d Abs. 6 erledigt worden ist. 4. Kontrollpflichten. Während der Unterbringung bestehen besondere gerichtliche Überprüfungspflichten im Hinblick auf die Frage, ob die weitere Vollstreckung noch erforderlich ist (§ 67e). 159 Die Strafvollstreckungskammer kann dies jederzeit tun, muss es aber mindestens im Abstand von einem Jahr (§ 67e Abs. 2). Für die Entscheidung wird idR der behandelnde Arzt des Krankenhauses, in dem sich der Untergebrachte befindet, herangezogen. Wenn der Untergebrachte sich aber seit längerer Zeit in demselben psychiatrischen Krankenhaus befindet, ist es geboten einen anstaltsfremden („externen") Sachverständigen heranzuziehen (BVerfGE 70 297, 319; OLG Düsseldorf StV 1994 552; OLG Koblenz NStZ 1999 448).
179
180
181
IX. Vollstreckung und Vollzug 1. Reihenfolge der Vollstreckung. Ist der (vermindert schuldfähige) Täter neben der Unterbringung auch zu Freiheitsstrafe verurteilt, richtet sich die Reihenfolge der Vollstreckung nach den Regeln des § 67. Zur Reihenfolge der Vollstreckung bei Anordnung mehrerer freiheitsentziehender Maßregeln s. § 72 Abs. 3 und dazu Hanack LK § 72 Rdn. 31 ff. Im Falle einer Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung kann der Verurteilte vor der Verbüßung der Freiheitsstrafe nicht durchsetzen, dass anstelle der Sicherungsverwahrung seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wird (OLG Karlsruhe Justiz 1997 342).
158
Zu den gesetzlichen Regelungen vor 2 0 0 4 und daraus folgenden Meinungsstreitigkeiten in der Literatur siehe Koller FS Venzlaff S. 229, 2 3 7 ff; OLG Frankfurt NStZ 2003 222; R&cP 2 0 0 3 108; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 58; vgl. Schneider NStZ 2004 649.
159
Rissing-van Saan/Peglau LK, Erl. zu § 67e; Koller BewHi 2 0 0 5 237, 2 4 6 ff; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2 0 0 2 191; Schleswig-Holsteinisches OLG SchlHA 2 0 0 2 143, 144.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
183
2. Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel. Sie ist nach § 67a Abs. 1 in dem dort genannten Umfang als nachträgliche Anordnung zulässig, wenn dadurch die Resozialisierung des Täters besser gefördert werden kann (dazu im Einzelnen Rissing-van Saan/Peglau LK, Erl. zu § 67a). Die Möglichkeit der Überweisung aus der Maßregel der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus in die der Sicherungsverwahrung ist im Gesetzgebungsverfahren nicht in § 67a Abs. 1 aufgenommen worden (BVerfG NJW 1995 772; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 90).
184
3. Auswahl einer konkreten Anstalt. So sehr dem Richter im Einzelfall daran gelegen sein kann, dass der Täter in einer bestimmten, für ihn besonders geeigneten Anstalt untergebracht wird: Die Entscheidung darüber ist grundsätzlich Sache der Vollstreckungsbehörde (§§ 451, 463 StPO). Das erkennende Gericht kann also immer nur die Unterbringung als solche anordnen, nicht aber die Unterbringung in einer bestimmten Anstalt. 160 Bemühungen oder Empfehlungen des Gerichts zur Unterbringung in einer möglichst geeigneten Anstalt werden dadurch freilich nicht ausgeschlossen.
185
4. Gestaltung des Vollzugs. Sie ist im StVollzG nur hinsichtlich des eigentlichen Behandlungsziels geregelt (§ 136; vgl. schon oben Rdn. 2). Gemäß § 136 richtet sich diese Behandlung nach ärztlichen Gesichtspunkten. Der Täter soll „soweit möglich" „geheilt oder sein Zustand soweit gebessert werden, dass er nicht mehr gefährlich ist". Nur wenn Heilung oder Besserung nicht möglich sind, wird Schutz der Allgemeinheit „durch die beaufsichtigte Unterbringung ohne eine auf Kriminalitätsminderung zielende Behandlung gewährleistet" (so die Formulierung im RegE des StVollzG, BTDrucks. 7/918 S. 90). In jedem Fall wird dem Täter „die nötige Aufsicht, Betreuung und Pflege zuteil" (§ 136 S. 3 StVollzG). Im Übrigen verweist das Gesetz für die Ausgestaltung der Unterbringung auf das Landesrecht (§ 138 StVollzG), da die Unterbringung, wie sich aus § 139 StVollzG ergibt, nicht in justizeigenen Vollzugsanstalten, sondern in Einrichtungen der allgemeinen Krankenpflege erfolgt (Krankenhäuser, Kliniken, „Heilanstalten"), in denen auch andere Patienten behandelt werden; näher zum geltenden Landesrecht Rdn. 188.
186
Umstritten war auch, ob es überhaupt sinnvoll ist, die Unterbringung nicht in vollzugseigenen Anstalten, sondern im Rahmen der allgemeinen Krankenversorgung durchzuführen (zu den hier bestehenden Problemen Rdn. 5 ff). In der modernen Psychiatrie hat sich aber mit Recht die Auffassung durchgesetzt, dass die Betreuung der Untergebrachten als spezifisch ärztliche Aufgabe ihre Einbindung in die Institutionen der allgemeinen psychiatrischen Versorgung verlangt.161 Auch der Bericht über die Lage der Psychiatrie (BT-Drs. 7/4200) hat sich - in Abweichung vom Zwischenbericht der Kommission - zu einer solchen Lösung bekannt (S. 26 f, 281 ff mit speziellen Empfehlungen; vgl. auch S. 420).
187
Zu den Rechtsproblemen des Maßregelvollzugs im Einzelnen vgl. insbes. die eingehende Darstellung von Volckart/Griinebaum Maßregelvollzug, 6. Aufl. 2003; Schöch S. 385 ff;, auch Baur Der Vollzug der Maßregeln, Diss. 1988; 'Wagner Effektiver Rechtsschutz; Kammeier in: Schwind/Blau S. 103.
160
Vgl. schon RGSt 70 117; OGHSt. 109, 112; OLG Hamm SJZ 1950 213 m. Anm. Eb. Schmidt; ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 6 ; vgl. auch E 1962 S. 210.
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161
Vgl. dazu Ehrhardt Kriminologische Gegenwartsfragen Heft 11, S. 159 m.w.N.; Rasch/ Konrad Forensische Psychiatrie S. 104 f; Venzlaff FS Schaffstein, S. 297.
Heinz Schöch
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
5. Landesrechtliche Ausführungsvorschriften. Ausführungsvorschriften zum Vollzug gemäß § 138 StVollzG (s. Rdn. 185) sind mittlerweile in allen „alten" Bundesländern erlassen.162 Dabei lassen sich zwei Regelungsmodelle unterscheiden: In den meisten Bundesländern sind spezielle Maßregelvollzugsgesetze geschaffen worden, so in Hamburg (Gesetz v. 14.6.1989, GBV1. S. 99), in Hessen (Gesetz v. 3.12.1981, GBVI. S. 414), in Niedersachsen (Gesetz v. 1.6.1982, GBV1. S. 131), in Nordrhein-Westfalen (Gesetz v. 18.12.1984, GBV1. 1985, S. 14), in Rheinland-Pfalz (Gesetz v. 23.9.1986, GBVI. S. 223) im Saarland (Gesetz v. 29.11.1989, ABl. 1990, S. 81, 334), in SachsenAnhalt (Gesetz v. 9.10.1992, GVB1. S. 736) und in Schleswig-Holstein (Gesetz v. 19.11. 2000, GVBl. S. 114).
188
In den übrigen Bundesländern ist der Maßregelvollzug im Rahmen der landesrechtlichen Unterbringungsgesetze (oben Rdn. 158) geregelt. X . Verfahrensrechtliches 1. Einschaltung von Sachverständigen. Nach § 80a StPO „soll", wenn mit einer Unterbringung zu rechnen ist, einem Sachverständigen schon im Vorverfahren Gelegenheit zur Vorbereitung eines Gutachtens gegeben werden, und nach § 246a StPO „ist" in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand und die Behandlungsaussichten zu vernehmen, wenn die Unterbringung in Betracht kommt 163 (dazu Vor § 61 Rdn. 117; BVerfG NJW 1995 3047; zu § 246a S. 3 Vor § 61 Rdn. 117, § 64 Rdn. 191). Auch kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 81 StPO zum Zwecke der Vorbereitung eines Sachverständigengutachtens für höchstens sechs Wochen die Unterbringung des Beschuldigten in einem öffentlichen psychiatrischen Krankenhaus anordnen. Diese Maßnahme darf jedoch nur angeordnet werden, wenn sie unerlässlich ist, d.h. wenn ohne sie die Schuldfähigkeit nicht beurteilt werden kann. 164 Wenn es sich nur um ein Bagatelldelikt handelt, verstößt die Anordnung der Unterbringung zur Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (LG Zweibrücken StraFo 2003 89).
189
Die Einschaltung von Sachverständigen wirft - auch oder gerade - im Bereich des 1 9 0 § 63 erhebliche Probleme auf, deren sich das erkennende Gericht nicht nur aus prozessualen, insbesondere revisionsrechtlichen Gründen (dazu Vor § 61 Rdn. 119), sondern auch im Hinblick auf die Verantwortung des Gerichts für die materielle Richtigkeit der Entscheidung bewusst sein sollte. Verschiedene Untersuchungen über die Güte forensisch-psychiatrischer Gutachten ergeben ein zwar unterschiedliches, aber in mehrfacher Hinsicht doch sehr kritisches Bild von der Sorgfalt und bisweilen auch von der Kompetenz der Gutachter und ihrer Objektivität.165 Dies kann im Bereich des § 63 namentlich
162
163
Abdruck und Kommentierung nach dem Stand von 2 0 0 3 bei Volckart/Grünebaum; vgl. auch Wagner Effektiver Rechtsschutz S. 31 mit Schrifttumsangaben zu einzelnen Gesetzen. In der Neufassung durch das UnterbrSichG v. 14.7.2007 wurden auf Vorschlag des Bundesrats zur Klarstellung die Worte wenn „damit zu rechnen ist" ersetzt durch „kommt in Betracht" (BT-Drs. 16/1344, S. 17.
164
165
BVerfGE 17 1 0 8 , 1 1 7 ; StV 1995 617; 2 0 0 1 657; Meyer-Goßner § 81 StPO Rdn. 8. Heinz Fehlerquellen forensisch-psychiatrischer Gutachten (1982); Leygraf S. 60 (dazu im folg. Text); Pfäfflin Vorurteilsstruktur und Ideologie psychiatrischer Gutachten über Sexualstraftäter (1978); Rasch MschrKrim. 1982 2 5 7 ; Thondorf Recht und Psychiatrie 1984 155; Venzlaff NStZ 1983 199; Verrei Schuldfähigkeitsbegutachtung und Strafzumessung bei Tötungsdelikten
Heinz Schöch
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§63
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
bei Beurteilung der Schuldfähigkeit (oben Rdn. 37 ff) relevant werden, aber auch zu Schwierigkeiten bei der Diagnose der weiteren Gefährlichkeit (oben Rdn. 7 0 ff) führen, und zwar gerade im Zusammenhang mit den ohnedies höchst problematischen Fragen der Prognose (Vor § 61 Rdn. 107 ff). 191
Es stimmt bedenklich, dass nach der repräsentativen Untersuchung von Leygraf (S. 4 9 ) in 2 8 , 5 % der untersuchten Fälle die hauptsächliche gutachterliche Einweisungsdiagnose im Laufe der Unterbringung geändert werden musste, mag das nach Leygraf (S. 50) auch nicht besagen, „dass es sich in jedem Fall um eine Fehldiagnose ... gehandelt hatte". Geklagt wird auch über Fälle, in denen Anlass zur Sorge besteht, Gutachter könnten ein Interesse daran haben, dass Täter nicht in („ihre") Krankenhäuser eingewiesen werden ( B a e r Psychiatrie für Juristen, 188, S. 181, der dann die Begutachtung durch den „neutralen Sachverständigen eines anderen Krankenhauses" empfiehlt; vgl. auch Kaiser Krise S. 3 7 m.w.N.).
192
Das BVerfG ( N J W 1 9 9 5 3 0 4 7 ) weist mit Recht darauf hin, dass „der hohe Rang des Grundrechts der Freiheit der Person und die Schwere des möglichen Eingriffs ... eine eingehende Prüfung der Erforderlichkeit der freiheitsentziehenden Maßnahme gebieten". Trotz des insoweit irreführenden Wortlauts des § 2 4 6 a S. 2 StPO ist anerkannt, dass eine Untersuchung des Angeklagten für die prognostische Beurteilung unerlässlich i s t 1 6 6 und dass diese Untersuchung „maßnahmespezifisch" sein, d.h. ihrem Gegenstand nach unter dem Gesichtspunkt der in Betracht kommenden Maßregel durchgeführt werden muss. 1 6 7 Eine früher einmal erfolgte - im konkreten Fall 3 Jahre zurückliegende - „Untersuchung auf den geistig-seelischen Zustand - ohne konkreten Bezug zu dem Verfahren, in dem über eine Anordnung gem. § 63 entschieden werden soll - kann aber keine ,maßnahmespezifische', unter dem Gesichtspunkt der in Betracht kommenden Maßregel durchgeführte Untersuchung gem. § 2 4 6 a StPO darstellen" BVerfG ( N J W 1995 3 0 4 7 ) . Eine maßnahmespezifische Untersuchung des Angeklagten kann u.U. auch vorliegen, wenn der Angeklagte vorher auf seinen geistig-seelischen Zustand gemäß §§ 2 0 , 21 untersucht worden ist und wenn die Frage einer Unterbringung nach § 63 sich erst in der Hauptverhandlung stellt (BGH N S t Z 1 9 9 4 592).
193
Das Gutachten muss nachvollziehbar und transparent darlegen, auf welchen Tatsachen, Untersuchungsmethoden und Denkmodellen das Ergebnis beruht (van Gemmeren M K Rdn. 6 0 m.w.N.). Zur Qualitätssicherung und Übersichtlichkeit prognostischer Gutachten empfiehlt sich die Einhaltung formeller und inhaltlicher Mindestanforderungen. Hierzu hat ein Arbeitskreis aus Richtern, Bundesanwälten, Kriminologen, forensischen Psychiatern und Psychologen Empfehlungen vorgelegt, die auch dem Richter die Prüfung der erforderlichen Gutachtenqualität ermöglichen (Bötticher/Kröber u.a. N S t Z 2 0 0 6 537, 5 3 9 f m.w.N.; eingehend dazu Schöch LK Vor § 61 Rdn. 121 ff).
194
2 . Hinweispflicht des Gerichts. Die Hinweispflicht des Gerichts gem. § 2 6 5 StPO umfasst bei möglicher Unterbringung in einem psychiatrischem Krankenhaus auch den
(1995); vgl. auch Less insbes. S. 149 ff; Wagner Effektiver Rechtsschutz, insbes. S. 183 ff; Dippel Die Stellung des Sachverständigen im Strafprozeß (1986), insbes. S. 34 ff; Konrad NStZ 1991 315 speziell zum Problem der Fehleinweisungen; Kinzig R&P 1997 9; Habermeyer/Saß Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2007 10.
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Vgl. Meyer-Goßner StPO § 246a Rdn. 3; Herdegen, in: KK-StPO, § 246a Rdn. 3; BGHSt 9, 1; BGH, NStZ 1990 27. Vgl. Meyer-Goßner § 246a Rdn. 3; Herdegen in: KK-StPO, § 246a Rdn. 3; Gollwitzer in: Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 246a Rdn. 10.
Heinz Schöch
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§63
förmlichen Hinweis hierauf. Ein bloßer Hinweis durch den in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen macht einen solchen gerichtlichen Hinweis nicht entbehrlich (BGH NStZ-RR 2002 271; StV 2 0 0 3 151; 2 0 0 4 580). 1 6 8 3. Einstweilige Unterbringung. Die einstweilige Unterbringung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit ist nach § 126a StPO unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig. Das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit muss so schwer wiegen, dass das Freiheitsgrundrecht des Täters dahinter zurück tritt. Liegen zugleich die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft (§§ 112, 112a StPO) vor, so ist § 126a StPO vorrangig. 169 Nach § 126a Abs. 2 S. 1 StPO idF. des UnterbrSichG vom 16.7.2007 ist jetzt auch die Aussetzung des Vollzugs des Unterbringungsbefehls gemäß § 116 Abs. 3 StPO möglich. Dem behandelnden Stationsarzt steht in der Hauptverhandlung kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 zu (BGH NStZ 2002 214).
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Die problematische Organisationshaft, d.h. die kurzzeitige Verbüßung von Strafhaft des sich in Untersuchungshaft befindenden Gefangenen, bevor die Maßregel vollzogen werden kann, kann der Tatrichter dadurch vermeiden, dass er den Haftbefehl nach § 112 StPO in einen Unterbringungsbefehl nach § 126a StPO umwandelt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür gegeben sind (KG Berlin, Beschl. v. 16.7.2001 - 1 AR 453/01; zu den Grenzen der Organisationshaft § 67 Rdn. 33 ff).
196
4. Selbständige Anfechtung der Unterbringungsentscheidung. Streitig ist, ob oder wann die Anordnung oder Ablehnung der Unterbringung selbständig anfechtbar ist (näher Hanack Löwe/Rosenberg, § 344 Rdn. 51 ff m.w.N.). Während im Schrifttum vielfach Untrennbarkeit angenommen wird, weil der Richter den ganzen Tat- und Schuldunterbau prüfen müsse, 170 lässt der BGH die selbständige Anfechtung weitgehend zu (BGHSt 5 267; 15 285; NStZ 1995 610). Hat nur der Angeklagte Revision eingelegt, so kann das angefochtene Urteil im Rahmen der Sachrüge auch daraufhin überprüft werden, ob von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu Recht abgesehen worden ist (BGHSt 37 5). § 358 Abs. 2 Satz 3 (n.F.) stellt ausdrücklich klar, dass das Verschlechterungsverbot der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen steht (BGH NStZ 1998 191; NStZ 2002 197 f).
197
Wurde der Angeklagte gemäß § 20 nicht bestraft, aber seine Unterbringung angeordnet, so gestattete BGHSt 5 2 6 7 1 7 1 die selbständige Anfechtung durch den Angeklagten ohne Rücksicht auf die untrennbare Verbindung mit der Schuldfrage, weil der Angeklagte wegen des Verbots der Schlechterstellung zu Strafe doch nicht mehr verurteilt werden kann. Der 4. Strafsenat des BGH bestätigte in einem Beschluss vom 24.7.2001 (4 StR 268/01) diese Rechtsprechung und empfahl den Staatsanwaltschaften, in vergleichbaren Verfahrenskonstellationen regelmäßig ihrerseits die Einlegung eines Rechtsmittels in Erwägung zu ziehen. Im Hinblick auf diese unbefriedigende Konstellation (vgl. z.B. BGHSt 49, 347) entschloss sich der Gesetzgeber im UnterbrSichG vom 14.7.2007 für
198
168
Vgl. auch B G H R StPO § 2 6 5 Abs. 2 Hinweispflicht 6; Meyer-Goßner § 265, Rdn. 2 0 ; Lackner/Kühl Rdn. 12.
169
LG Hildesheim StV 2 0 0 1 5 2 1 ; Bohnert J R 2001 402, 403. So insbesondere Eb. Schmidt StPO Teil II, § 318 Rdn. 3 6 ; Grünwald Die Teilrechts-
170
171
kraft im Strafverfahren, 1 9 6 4 , S. 1 9 6 ff, 2 0 4 ff. In Abweichung insbesondere von B G H N J W 1 9 5 1 4 5 0 sowie von RGSt 71 2 6 5 und RGSt 7 2 3 5 3 , 3 5 4 (während der Nichtgeltung des Verschlechterungsverbots).
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§64
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
diese Fälle zu einer Durchbrechung des Verbotes der Schlechterstellung, indem er - dem Vorschlag des Bundesrates folgend (BT-Drs. 16/1344, S. 17) in § 358 Abs. 2 Satz 2 n.F. einfügte, dass die Aufhebung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Verurteilung zu Strafe nicht hindere. Die bis zum Schluss der Beratungen umstrittene Durchbrechung des Verbotes der reformatio in peius sei zur Vermeidung einer Sanktionslücke bei Feststellung voller Schuldfähigkeit in der neuen Hauptverhandlung unverzichtbar und im Hinblick auf ihre enge Fassung auch aus rechtsstaatlicher Sicht unbedenklich (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/5137, S. 22, 29). 172 199
Wird die Unterbringung im Falle des § 21 in Verbindung mit einer Strafe ausgesprochen, gestattet der BGH die selbständige Anfechtung regelmäßig ebenfalls, sofern nicht im Einzelfall eine untrennbare Wechselwirkung zum Strafausspruch besteht (BGHSt 38 362). 173 Im gleichen Sinne hat BGHSt 15 269 (mit Anm. Fränkel LM Nr. 20 zu § 42b) die Beschränkung des staatsanwaltschaftlichen Rechtsmittels auf die Ablehnung der Unterbringung „mit völliger Selbstverständlichkeit" (so BGH NJW 1963 1414) für zulässig gehalten (ebenso BGH StV 1990 260). Die Brüchigkeit dieser Auffassung wird - für die Fälle einer isolierten Anfechtung sowohl der angeordneten wie der abgelehnten Unterbringung - an dem Hinweis von BGHSt 15 279, 285 deutlich, dass der Tatrichter trotz der angeblich wirksamen Beschränkung der Revision bei einer entsprechend beschränkten Aufhebung des Urteils in der neuen Verhandlung an die bisherigen Feststellungen zur verminderten Schuldfähigkeit nicht gebunden sei (vgl. auch BGH NJW 1963 1414). Bei Jugendlichen hält auch BayObLG JR 1990 209 mit Anm. Brunner die isolierte Prüfung der Nichtanordnung im Hinblick auf § 5 Abs. 3 JGG für unzulässig.
200
5. Zum Verschlechterungsverbot s. oben Rdn. 149 und Vor § 61 Rdn. 132 ff.
201
6. Zu weiteren verfahrensrechtlichen Fragen s. Vor § 61 Rdn. 102 ff.
202
XI. Übergangsvorschriften („alte" Bundesrepublik) S. Hanack LK 11 § 63 Rdn. 136 ff.
§64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Ubermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die
172
173
Zur Aufrechterhaltung der Unterbringung ohne gleichzeitige Verhängung einer Strafe bei verminderter Schuldfähigkeit in solchen Fällen s. Rdn. 149. St. Rspr., vgl. BGH NJW 1963 1414 mit
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weiteren Hinweisen auf eine „einhellige und gefestigte Rechtsprechung des BGH"; BGH NJW 1969 1578; BGH bei Holtz MDR 1977 4 6 0 , 461.
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
§64
Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Erziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
Schrifttum Adams/Gerhardt Die Berücksichtigung der Behandlungsbedürftigkeit von Drogenabhängigen im Rahmen des Ermittlungs-, Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahrens, NStZ 1981 241; Athen Möglichkeiten und Grenzen der Behandlung von Alkoholkranken im Maßregelvollzug, MschrKrim. 1989 63; Baer Psychiatrie für Juristen (1988); Baur Der Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung nach den § § 6 3 und 64 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt, Münster (1988); ders. Besserung und Sicherung - Zur Problematik des Vollzugs der Maßregeln der Besserung und Sicherung für psychisch kranke und suchtkranke Täter nach § § 6 3 und 64 StGB, StV 1982 33; Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drs. 7/4200 (Bericht der Sachverständigen-Kommission; dazu auch Anhang [Berichte der Arbeitsgruppen, Material, Gutachten u.a.] BT-Drs. 7/4201); Bode Tendenzen strafrechtlichen Vorgehens gegen die Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluß in Schweden und den USA, BA 1971 353; ders. Möglichkeiten des Strafrechts zur Rehabilitation und Nachschulung von Alkoholverkehrsstraftätern. Erfahrungsbericht, BA 1976 265; Burmann Andere berauschende Mittel im Straßenverkehrsrecht, DAR 1987 134; Dessecker Suchtbehandlung als strafrechtliche Sanktion (1996); ders. Die strafrechtliche Unterbringung von Alkoholtätern. Zur Rechtswirklichkeit des § 64 StGB, in Egg/Geisler (Hrsg.) Alkohol, Strafrecht und Kriminalität (2000) 181; Dessecker/Egg (Hrsg.) Die strafrechtliche Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: rechtliche, empirische und praktische Aspekte (1995); Ermer-Externbrink Das psychiatrische Gutachten zur Unterbringung nach § 64 StGB, MschrKrim. 1991 106; Foerster Störungen durch psychotrope Substanzen in Foerster (Hrsg.), Psychiatrische Begutachtung. Ein Handbuch für Ärzte und Juristen 4. Aufl. (2004) 199; Frisch Prognoseentscheidungen im Strafrecht (1983); Kemper Fehleinweisungen in die Entziehungsanstalt, R&P 2006, 15; Kreuzer Der Drogenmißbrauch und seine Bekämpfung, ZStW 86 (1974) 379; ders. Jugend, Drogen, Kriminalität 3. Aufl. (1987); ders. Therapie und Strafe. Versuch einer Zwischenbilanz zur Drogenpolitik und zum Betäubungsmittelgesetz von 1981, NJW 1989 1505; ders. (Hrsg.) Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts (1998); Kühne Therapie statt Strafe? MschrKrim. 1984 379; Langelüddeke/Bresser Gerichtliche Psychiatrie 4. Aufl. (1976); Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit (Unterabschnitt: Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt), in Göppinger/ Witter, Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd. I (1972) 195; Lutz/Leu Alkohol und Verkehrsunfälle, BA 1975 116; Marquardt Dogmatische und kriminologische Aspekte des Vikariierens von Strafe und Maßregel (1972); Marschner/Volckart Freiheitsentziehung und Unterbringung 4. Aufl. (2001); Menges Entziehungsanstalten als Verwahrungsanstalten? StV 1981 415; Metrikat Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB - Eine Maßregel im Wandel? Hannover (2001); H.-J. Meyer Zur Rechtslage bei der Unterbringung drogenabhängiger Jugendlicher, die nach § 93a JGG vollzogen wird, MDR 1982 177; Nedopil Forensische Psychiatrie 3. Aufl. (2007); Penners Zum Begriff der „Aussichtslosigkeit" einer Entziehungskur in § 64 Abs. 2 Strafgesetzbuch. Zugleich ein Beitrag zur Effizienzkontrolle der strafgerichtlichen Unterbringung anhand einer Nachuntersuchung entlassener „Maßregelpatienten", Berlin (1985); Rasch/Konrad Forensische Psychiatrie 3. Aufl. (2004); Saage/Göppinger Freiheitsentziehung und Unterbringung 2. Aufl. (1975); Saß/Wittchen/Zaudig/Houben Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen Textrevision - DSM-IV-TR (2003); Schäfer Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. (2001); Schalast Suchtkranke Rechtsbrecher, in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass (Hrsg.) Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 3 (2006) 326; Schalast/Dessecker/van der Haar Unterbringung in der Entziehungsanstalt: Entwicklungstendenzen und gesetzlicher Regelungsbedarf, R&P 2005 3; Schalast/Leygraf Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Auswirkungen des Beschlusses des BVerfG, NStZ 1994, 578 - Überlegungen zur gesetzlichen Regelung NStZ 1999 485; dies. Unterbringung und Behandlung im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB, in Schneider/Frister (Hrsg.) Alkohol und Schuldfähigkeit (2002) 181; R. Schmitt Auf der Grenze zwischen Recht und Medizin: Die zwangsweise
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§64
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Unterbringung von Trinkern, Festschrift Bockelmann (1979) 861; Schmitt-Homann Alkohol- und drogenabhängige Patienten im Maßregelvollzug nach § 64 StGB an Beispiel des Bundeslandes Hessen. Gießen (2001); Scböch Juristische Aspekte des Maßregelvollzugs, in Foerster (Hrsg.), Psychiatrische Begutachtung. Ein Handbuch für Ärzte und Juristen 4. Aufl. (2004) 385; ders. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Lichte der neueren Rechtsprechung, Suchtmed 8 (2006) 157; Schreiber/Rosenau Rechtliche Grundlagen der psychiatrischen Begutachtung, in Foerster (Hrsg.), Psychiatrische Begutachtung. Ein Handbuch für Ärzte und Juristen 4. Aufl. (2004) 53; Täschner Therapie der Drogenabhängigkeit (1983); ders. Forensisch-psychiatrische Probleme bei der Beurteilung von Drogenkonsumenten, NJW 1984 638; Venzlaffl. Strafrechtsreformgesetz und Krankenhauspsychiatrie, Festschrift Schaffstein (1975) 293; Volckart/Grünebaum Maßregelvollzug 6. Aufl. (2003); Wanke Aktuelle Erfassung der derzeitigen Erscheinungsformen von Sucht und Mißbrauch in stationären Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drs. 7/4201 S. 488 (Anhang zum Bericht über die Lage der Psychiatrie); Weber Betäubungsmittelgesetz 2. Aufl. (2003); Wilms Drogenabhängigkeit und Kriminalität. Eine kritische Analyse des § 64 StGB unter kriminalwissenschaftlichen und verfassungsrechtlichen Aspekten. Münster (2005); Witter Die forensische Beurteilung von Alkoholdelikten und anderen Rausch- und Suchtdelikten, in Göppinger/Witter, Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd. II (1972) 1029; Zierholz Mängel der Suchtpolitik in beiden Teilen Deutschlands, DÄB1.1990 1153. S. im Übrigen die Angaben Vor § 61.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist durch das GewVerbG v. 2 4 . 1 1 . 1 9 3 3 (Vor § 61 Rdn. 8) geschaffen worden. Der damalige § 4 2 c hatte folgende Fassung: „Wird jemand, der gewohnheitsmäßig im Übermaß geistige Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich nimmt, wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das er im Rausch begangen hat oder das mit einer solchen Gewöhnung in ursächlichem Zusammenhang steht, oder wegen Volltrunkenheit (§ 330a) zu einer Strafe verurteilt und ist seine Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt erforderlich, um ihn an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Unterbringung an." Aufgrund des 2. StrRG (zur Strafrechtsreform s. näher unten Rdn. 17 f) erhielt sie dann als § 6 4 folgende, ab 1.1.1975 geltende Fassung: (1) Hat jemand den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird er wegen einer rechtswidrigen Tat, die er im Rausch begangen hat oder die auf seinen Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunßhigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so ordnet das Geriebt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, wenn die Gefahr besteht, daß er infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. (2) Die Anordnung erscheint.
unterbleibt,
wenn eine Entziehungskur
von vornherein
aussichtslos
Im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts v o m 16. März 1 9 9 4 (2 BvL 3/90, 4/91 und 2 BvR 1537/88, 4 0 0 / 9 0 , 349/91, 3 8 7 / 9 2 = BVerfGE 91 1 ff) ist § 6 4 insoweit als mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 GG unvereinbar und nichtig erklärt worden, als er die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch dann vorsah, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs nicht bestand. S. hierzu Rdn. 116 ff. Die seit dem Beschluss des Deutschen Bundestages v o m 2 0 . 4 . 1 9 8 9 (BT-Drs. 11/2597) bestehenden Reformbemühungen wurden durch diese Entscheidung bestärkt. Eine Reihe
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§64
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
von Novellierungsbemühungen in der 14. und 15. Legislaturperiode blieben zunächst ohne gesetzgeberischen Erfolg. In der 16. Legislaturperiode standen sich zuletzt ein Regierungsentwurf vom 31.3.2006 (BT-Drs. 16/1110) und ein Bundesratsentwurf vom 26.4.2006 (BT-Drs. 16/1344) gegenüber. Nach Beratungen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, der am 28.2.2007 eine öffentliche Anhörung mit Sachverständigen durchführte, wurde das Gesetz zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (UnterbrSichG) am 25.4.2007 im Bundestag und am 8.6.2007 im Bundesrat beschlossen, am 16.7.2007 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 1,1327) und trat am 20.7.2007 in Kraft.
Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1. Zweck und Ziel 2. Empirische Befunde a) Zum Suchtproblem b) Zahl der Anordnungen c) Entwicklung der Unterbringungszahlen d) Konsequenzen e) Zur Qualität der Behandlung . . . 3. Strafrechtsreform und UnterbrSichG Π. Personenkreis (Jugendliche) ΙΠ. Begehung „einer rechtswidrigen Tat" „im Rausch" oder aufgrund seines „Hanges" 1. Vorliegen einer „rechtswidrigen Tat" (Anlasstat) a) Bedeutung suchtbedingter Fehlvorstellungen b) Sonstige Anforderungen c) Art der rechtswidrigen Tat . . . . 2. Erwiesene oder nicht auszuschließende Schuldunfähigkeit . . . . a) Allgemeines b) Kein Feststehen der verminderten Schuldfähigkeit c) Prüfung der Schuldfähigkeit . . . 3. Begehung „im Rausch" oder aufgrund „seines Hanges" a) Begehung im Rausch b) Begehung aufgrund seines Hanges 4. Symptomatischer Charakter IV. Hang zum „Übermaß" beziigl. „alkoholischer Getränke" oder „anderer berauschender Mittel" 1. Allgemeines 2. Der Begriff „Hang" 3. Der Begriff „Übermaß" 4. „Missbrauch" und „Abhängigkeit" als Faktoren des Hanges zum Übermaß 5. Alkoholische Getränke 6. Andere berauschende Mittel a) Allgemeines b) Einzelheiten (Überblick) 7. Zum Problem der „Mischformen" .
1 9 9 11 12 14 16 17 21
24 25 27 30 33 33 34 35 36 37 40 42
Rdn. V. Die weitere Gefährlichkeit des Täters 1. „Gefahr" weiterer Taten 2. Gefahr „rechtswidriger Taten" . . . 3. Gefahr „erheblicher" rechtswidriger Taten a) Allgemeines b) Einzelheiten 4. Gefährlichkeit „für die Allgemeinheit"? 5. Gefährlichkeit „infolge seines Hanges" 6. Ermittlung der Gefährlichkeit: Gesamtwürdigung 7 Der Grundsatz in dubio pro reo . . . 8. Maßgebender Zeitpunkt der Prognose 9. Das Subsidiaritätsprinzip a) Allgemeines b) Einzelfragen 10. Verzicht auf § 64 bei Strafaussetzung zur Bewährung? 11. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes VI. Hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2) 1. Allgemeines 2. „Heilung" und „Entwöhnung" . . . 3. Endgültige oder zeitweise „Heilung" bzw. „Entwöhnung"? 4. Feststellung der Erfolgsaussichten; Kriterien und Gesichtspunkte . . . . 5. Nichtgeltung von in dubio pro reo . 6. Mangelnde Behandlungsintensität . . VII. Kumulation von Strafe und Unterbringung
43 44 51
56 65 66 66 74 80
95 97 99 100 101 102 102 106 109 113
116 124 130 137 148 149
155 . .
X. Unterbringung nach landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen XI. Dauer der Unterbringung; Aussetzung, Erledigung, Kontrolle 1. Dauer der Unterbringung 2. Aussetzung der Vollstreckung, Führungsaufsicht
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86 86 91
151
Vm. Soll-Vorschrift IX. Konkurrenz mit anderen Maßregeln
83 85
163 165
166 168
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Rdn. a) Allgemeines b) Entscheidung über die Aussetzung; Einwirkungen während der Aussetzung 3. Erledigung der Maßregel; Abbruch 4. Kontrollpflichten
ΧΠ. Außerstrafrechtliche Hilfemöglichkeiten; sozialrechtliche Probleme 1. Allgemeines 2. Beratungsstellen und Aufklärungsmaterial 3. Sozialhilfe nach dem SGB X I I . . . . 4. Jugendhilfe nach dem K J H G (SGB VIII) 5. Gesetzliche Krankenversicherung . . 6. Arbeitsrecht 7. Privatkrankenkassen
Rdn.
168
169
ΧΙΠ. Vollstreckung und Vollzug 1. Reihenfolge der Vollstreckung . . . . 2. Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
186
3. Auswahl der konkreten Anstalt 4 . Organisation 5. Gestaltung des Vollzugs
187 188 189
175 177
. . .
XIV. Verfahrensrechtliches 1. Sachverständige 2. Einstweilige Unterbringung 3. Selbständige Anordnung 4. Selbständige Anfechtbarkeit der Unterbringungsentscheidung . . . . 5. Urteilsgründe 6. Verschlechterungsverbot 7. Weitere verfahrensrechtliche Fragen .
178 179 180 181 182 183 184
X V . Übergangsvorschriften
185
190 193 194 195 196 197 198 199
I. Allgemeines 1
1. Zweck und Ziel. § 64 dient in erster Linie der Besserung, 1 jedoch ist der damit verbundene Freiheitsentzug im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 nur gerechtfertigt, wenn dieser auch der Sicherung der Allgemeinheit dient. „Der Zweck einer Sicherung der Allgemeinheit wird hier auf dem Wege einer Behandlung der Rauschmittelabhängigkeit des Untergebrachten verfolgt" (BVerfGE 91 1, 28).
2
Der Vorrang des Besserungszwecks kommt in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck (E 1962 S. 211; 2. Bericht S. 26) und entsprach der weit überwiegend vertretenen Auffassung zu § 42c a.F. 2 Er wurde bestätigt durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1994 (BVerfGE 91 1, 28), wonach die Unterbringung gemäß S 64 unterbleiben muss, wenn keine hinreichend konkrete Aussicht bezüglich des Behandlungserfolgs besteht. Schließlich spricht dafür auch die zeitliche Begrenzung der Unterbringungsdauer gemäß § 67d Abs. 1 auf regelmäßig zwei Jahre (Ausnahme § 67d Abs. 1 Satz 3). Die Festsetzung der Zweijahresfrist, die bei der Strafrechtsreform umstritten war (näher Rdn. 167), beruht auf der Überlegung, dass die Entwöhnung nach den bisherigen Erfahrungen entweder innerhalb dieser Zeit gelingt oder aussichtslos ist.
3
Zu beachten bleibt jedoch, dass der Besserungszweck allein die Anordnung einer Maßregel nie rechtfertigen kann (Schöch LK Vor § 61 Rdn. 34), weil die Maßregel als eine Art Notwehrmaßnahme (Schöch LK Vor § 61 Rdn. 39 ) immer an den Belangen der öffentlichen Sicherheit ausgerichtet ist und eine nicht an Schuld oder Gefährlichkeit orientierte Freiheitsentziehung lediglich zum Zwecke der Besserung auch verfassungsrechtlich fragwürdig wäre (vgl. Schöch LK Vor § 61 Rdn. 34). Zu beachten bleibt schließlich, dass - dementsprechend - § 64 entscheidend darauf abstellt, ob der Täter erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Diese Formulierung
1
Für die Dominanz des Besserungszwecks z.B. OLG Hamm MDR 1989 664; OLG München NJW 1978 552; OLG Nürnberg NStZ 1990 2 5 3 mit krit. Anm. Baur; Jescheck/Weigend AT § 77 III 1; Lenckner S. 195 f; vgl. auch Menges StV 1981 415.
350
2
RG J W 1936 4 5 2 ; AG Bremen NJW 1956 1888; OLG Hamm MDR 1974 153; LangHinrichsett LK 9 § 4 2 c Rdn. 1 m.w. Nachw.; aA OLG Frankfurt NJW 1960 1399.
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
§64
entspricht genau den berechtigten Bemühungen um eine einschränkende Neufassung des § 42c a.F.: Die Klausel von der Erforderlichkeit der Unterbringung, um den Täter an ein „gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen", wurde zu Recht als zu weit angesehen, weil „Trinkerfürsorge als solche nicht Aufgabe des Strafrechts" ist (Jescheck AT § 75 III 1 m.w.N.). Der dominante Besserungszweck lässt sich also bei § 64 nur bei gleichzeitiger Beachtung des Sicherungszwecks der Maßregel realisieren. Erforderlich ist, dass die angestrebte Besserung auch günstige Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit im Sinne einer Verminderung der vom rauschmittelabhängigen Täter ausgehenden Gefährlichkeit bewirkt (BGH NStZ 2003 86). Nur eine solche Betrachtung ist mit dem Gesetzeswortlaut sowie dem Wesen der Maßregel zu vereinbaren; und sie allein beugt der Gefahr vor, dass § 64 zweckwidrig zum Mittel bloßer Suchtfürsorge wird oder diese Fürsorge doch unsachgemäß in den Vordergrund tritt (ebenso Fischer Rdn. 2).
4
Das entspricht mittlerweile auch der Auffassung des BGH (BGHSt 28 327, 328; BGH NStZ 2003 86) und einer zunehmend vertretenen Meinung, die aus der notwendigen Begrenzung des § 64 zum Teil allerdings den nicht ganz exakten Schluss zieht, die Maßregel diene sowohl der Besserung wie der Sicherung.3
5
Das Bundesverfassungsgericht hat zur Zweck-Mittel-Relation des § 64 ausgeführt, dass die Unterbringung nur zur Suchtbehandlung angeordnet werden darf, die aber ihrerseits auf den Schutz der Allgemeinheit durch Besserung ausgerichtet sein muss (BVerfGE 91 1, 28). Richtigerweise ist also genau zu differenzieren: Eine Anordnung allein zum Zweck der Besserung bleibt auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts unzulässig, da es sich im Rahmen der Konzeption des § 64 StGB verbiete, „die Maßregel der Heilbehandlung eines für die Allgemeinheit ungefährlichen Täters anzuordnen" (BVerfGE 91 1, 28). Andererseits wird auch ausdrücklich klargestellt, dass mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und den in § 62 verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Schutzzweck der „Sicherung" bei S 64 immer durch das Mittel der „Besserung" erreicht werden muss; keinesfalls darf sich das Mittel bei § 64 in bloßer „Verwahrung" erschöpfen (BVerfGE 91 1, 28 f). Wenn nun Volckart/Grünebaum (S. 203) aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts den Schluss ziehen, dass die Besserung alleiniges Vollzugsziel sei, so muss deutlich gemacht werden, dass zwar Ziel des Vollzugs der Maßregel die Besserung ist (§ 137 StVollzG; näher Rdn. 189), Ziel der Maßregelanordnung ist aber auch die Sicherung (durch Besserung).
6
Als dritte Säule - neben Zweck und Mittel - ist noch die Eignung zu berücksichtigen, nämlich die Eignung des Mittels „Entziehungsanstalt" zur Zweckerreichung „Besserung"; dies ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dann gewährleistet, wenn die hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg, d.h. den Täter von der Sucht zu heilen oder jedenfalls für einen gewissen Zeitraum vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren, positiv festgestellt werden kann (vgl. zur Eignung auch die abweichende Meinung der Richterin am Bundesverfassungsgericht Graßhof BVerfGE 91 50 ff; zur Entscheidung des BVerfG s. genauer Rdn. 116 ff).
7
3
BayObLG N J W 1981 1522 und LG Dortmund NStZ 1989 3 4 0 , 341: Gefahrenabwehr und Heilung; ebenso O L G Hamburg M D R 1988 516; OLG Hamm M D R 1978 950; wie hier aber OLG Düsseldorf M D R 1980 779; LG Bonn M D R 1986 3 3 9 ; AG Frankfurt StV 1981 603, 6 0 4 . Aus dem Schrifttum vgl. im
Einzelnen insbesondere Fischer Rdn. 2; Horn SK Rdn. 2, 14; Lackner/Kühl Rdn. 1 (Vorrang der Sicherung, Schwerpunkt aber auf dem
Heilungszweck); Sch/Schröder/Stree Rdn. 1; Schreiber/Rosenau S. 92; eingehend Baur Anm. NStZ 1990 254; Penners S. 25 ff m.w.N.
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351
§64 8
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Wo § 64 wegen der Dominanz des Besserungszweckes (Rdn. 2 ff) nicht eingreift oder nicht ausreicht, kann die Vorschrift bestehenden Sicherungsbedürfnissen nicht Rechnung tragen. Unter Umständen kommen andere Maßregeln oder eine Unterbringung nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen (dazu Rdn. 164) in Betracht. Zur Häufung von Maßregeln, wenn § 64 allein nicht ausreicht, vgl. die Erl. bei Hanack LK § 72 Rdn. 21 ff. 2. Empirische Befunde
9
a) Zum Suchtproblem. In Deutschland ist - wie in den meisten Industriestaaten etwa seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts eine außerordentliche Zunahme der Drogensucht und des Alkoholismus zu verzeichnen. Es übersteigt die Möglichkeiten eines strafrechtlichen Kommentars, die individuellen und überindividuellen Entstehungsursachen der Suchtprobleme und des Rauschmittelmissbrauchs darzustellen und den Einzelfragen der ständig wechselnden „Drogenszene" nachzugehen (zu früheren Erkenntnissen Lang-Hinrichseti LK 9 , Anhang zu § 42c). Hinzuweisen ist auf die Spezialliteratur (Angaben z.B. bei Körner5 Einl. u. Anh. C) sowie auf die einschlägigen Lehrbücher der Kriminologie und der forensischen Psychiatrie. Eine vorzügliche und noch heute wesentliche Darstellung der Gesamtproblematik enthält der Bericht über die Lage der Psychiatrie (BT Drucks. 7/4200, insbesondere S. 265 ff) mit ergänzenden Einzeluntersuchungen (Anhang zum Bericht über die Lage der Psychiatrie, BT Drucks. 7/4201, S. 43 ff, 488 ff, 506 ff, 521 ff, 565 ff) sowie verschiedene Veröffentlichungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (vgl. z.B. „Drogen und Sucht", „Drogenaffinitätsstudie"), der Drogenbeauftragten („Drogen- und Suchtbericht 2005"), des Bundesministeriums für Gesundheit (z.B. „Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen") und der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren. Eine Einführung zur Drogensituation in Deutschland mit vielen Daten findet sich auch bei Weber Einleitung Rdn. 50 ff. Insgesamt sind die Daten über die Entwicklung des Alkoholismus und der sonstigen Rauschmittelsucht erschreckend.
10
In Deutschland sind etwa 1,6 Millionen Menschen alkoholabhängig (BZgA „Drogen und Sucht"); von sogar 2,5 Millionen Alkoholabhängigen geht Wilms (S. 30, dort weitere interessante Zahlen) aus. Der „Drogen- und Suchtbericht 2005" schätzt die Zahl der Opiatabhängigen auf 120.000-150.000 (S. 14); die Zahl der von Medikamentenabhängigkeit Betroffenen wird auf 1,4 Mio. geschätzt (S. 15), 400.000 Menschen weisen einen missbräuchlichen oder abhängigen Cannabiskonsum auf (S. 42). Dass sich die Zunahme des Alkoholismus und der Rauschmittelsucht auch in einer entsprechenden Zahl spezifischer Delikte Süchtiger und hohen Rückfallgefahren auswirkt, ist nicht zu bezweifeln. Inund ausländische Untersuchungen zeigen, dass sich auch unter den wegen Alkoholverkehrsstraftaten Verurteilten ersichtlich viele chronische Alkoholiker oder „Problemtrinker" befinden (Berichte von Bode BA 1971 353 und Lutz/Leu BA 1975 129). Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik 2004 standen von allen Tatverdächtigen 10,6 % während der Tatbegehung unter Alkoholeinfluss, 2005 waren es 9,7 %, 4 wobei nur ein offensichtlicher oder wahrscheinlich die Urteilskraft beeinträchtigender Alkoholeinfluss erfasst wird (PKS 2005 12). Als Konsumenten harter Drogen waren der Polizei im Jahr 2004 nur 4,7 % aller Tatverdächtigen bekannt, im Jahr 2005 waren es 5,0 % (dabei wurden aber nur die polizeibekannten Drogenkonsumenten erfasst, vgl. PKS 2005 131).
4
Bundeskriminalamt (Hrsg.) Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2 0 0 4 131 f; 2 0 0 5 132.
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Heinz Schöch
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
§64
b) Zahl der Anordnungen. Eine Übersicht über die Zahl der jährlichen gerichtlichen 11 Anordnungen gemäß § 64 (bzw § 42c a.F.) seit 1955 findet sich bei Schöch LK § 61 Rdn. 13. Von 1970 (172) bis 2005 (1628) stiegen die Zahlen um das 9,5fache und damit am stärksten von allen Maßregeln. Darin kommt das Bedürfnis der Gerichte zum Ausdruck, der zunehmenden Suchtproblematik bei Straffälligen mit nachhaltigen therapieorientierten Sanktionen zu begegnen. Auch Strafverteidiger verfolgen - nicht nur in Fällen nachhaltiger Therapiebereitschaft - häufiger als früher die Strategie, ihren M a n danten gemäß § 67 Abs. 1, 4 den vorrangigen und meist als angenehmer empfundenen Maßregelvollzug gemäß § 64 zu ermöglichen, der mit häufigeren Vollzugslockerungen und besserer Entlassungsvorbereitung verbunden ist. Dabei ist die richtige Auswahl der geeigneten Klientel das zentrale Problem dieser in ihrer Effizienz oft unterschätzten Maßregel (Kaiser Krise S. 40). Obwohl nach § 246a StPO in der Hauptverhandlung vor der Anordnung der Unterbringung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen ist, gelingt dies oft nicht, da die in solchen Fällen ohnehin anwesenden Rechtsmediziner oder Toxikologen mit der erforderlichen Behandlungsprognose oft überfordert sind. In der Regel wird man auf die Heranziehung eines forensisch-psychiatrischen Sachverständigen nicht verzichten können. Nach den offiziellen Statistiken waren in ca. 4 0 - 5 0 % der Fälle vermindert schuldfähige, in 3-10 % schuldunfähige und in den restlichen Fällen voll schuldfähige Täter von der Anordnung betroffen. 5 c) Entwicklung der Unterbringungszahlen. In den Jahren zwischen 1934 und 1937 wurden nach Extter (Kriminologie 3 1949, S. 201) insgesamt 414 Personen nach § 42c untergebracht, und zwar 379 wegen Alkoholismus und 35 wegen anderer Rauschmittelabhängigkeit. Auch später war die Zahl der Unterbringungen relativ gering und unterlag zudem beträchtlichen Schwankungen, offenbar auch regional abhängig (Penners S. 19 m. Nachw.; Kreuzer NJW 1989 1512; Übersicht von 1965 bis 2005 bei Schöch LK § 61 Rdn. 13). So ergibt sich nach der Bundesstatistik (vgl. auch Jescheck/Weigend AT § 5 V 2; Penners S. 21 ff) für die Jahre zwischen 1967 und 1972 eine eher abflachende Tendenz von 291 Unterbringungen im Jahre 1967 auf den absoluten Tiefstand von 129 im Jahr 1972. Bis zum Jahr 1980 zeigt sich schon eine ansteigende Tendenz (632 Unterbringungen). Seit 1990 ist ein beträchtlicher Anstieg der Unterbringungszahlen zu verzeichnen (ausführlich für die Jahre 1965 bis 2002 dargestellt bei Schöch S. 393 bzw. für die Jahre von 1970 bis 2006 Stat. Bundesamt, Strafvollzug, Fachserie 10, Reihe 4.1, Tab. 6); die Zahl der Unterbringungen hat sich seitdem mehr als verdoppelt (von 1160 Untergebrachten 1990 auf 2619 im Jahr 2006). Unter den Verurteilten befinden sich jeweils nur wenige Frauen (zuletzt mit ansteigender Tendenz: 2006: 150 Frauen = 9,5 % der Untergebrachten).
12
Der Anteil der Drogensüchtigen unter den Untergebrachten stieg Ende der 70er Jahre stark an (Schöch LK § 61 Rdn. 13, letzte Spalte „ohne Trunksucht"), von zunächst 15 % im Jahr 1975 (29 von 183) auf 40 % im Jahr 1980 (259 von 632). Danach war bis 1990 ein Rückgang auf 2 7 % (315 von 1160) zu verzeichnen, der vermutlich durch die 1982 eingeführte Zurückstellung vom Strafvollzug oder vom Vollzug einer Unterbringung nach § 64 gemäß §§ 35, 37 BtMG bewirkt wurde. Seither ist aber wieder ein beträchtlicher Anstieg der Drogenpatienten zu verzeichnen, so dass es 2006 sogar 60 % der Untergebrachten waren (1582 von 2619). Der Anstieg bei den drogenabhängigen Unter-
13
5
Metrikat S. 49; Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung, 2005, Tab. 5.5, 5.6, 5.7:
2,7 % Schuldunfähige, 47,5 % vermindert Schuldfähige, 49,8 % Schuldfähige.
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§64
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
gebrachten ist problematisch, stehen doch Alternativen zur Verfügung (§§ 35 ff BtMG Strafriickstellungsregelung; §§ 56, 56c Abs. 3 StGB), die sich auch bewährt haben (Schalast/Dessecker/von der Haar R & P 2005 4; für die Möglichkeit der Strafrückstellung analog § 35 BtMG bei Alkoholtätern auch Schalast/Leygraf NStZ 1999 490). 14
d) Konsequenzen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.3. 1994 (BVerfGE 91 1), in der eine positive Behandlungsprognose verlangt wurde, hatten viele einen Rückgang der Unterbringungen erwartet, was durch die tatsächliche Entwicklung aber widerlegt ist. Man kann allenfalls von einer „vorübergehenden Unsicherheit" der Gerichte sprechen (Oessecker 2 0 0 0 S. 182). Seit 1995 hat sich die Zahl der Untergebrachten fast verdoppelt, die der Drogenabhängigen sogar fast verdreifacht (Schöch LK § 61 Rdn. 13). Der Anteil der Erledigungen wegen Aussichtslosigkeit gemäß § 67d Abs. 5, der 1994 noch bei einem Drittel lag, betrug 2 0 0 6 schon mehr als die Hälfte. 6 Es ist also nicht gelungen, die für eine Entziehungsanstalt geeigneten Straftäter genauer zu bestimmen (generell skeptisch Kemper R & P 2 0 0 7 15, 24 f). Hinzu kommt, dass die Erledigung wegen Aussichtslosigkeit gemäß § 67d Abs. 5 - trotz des Wegfalls der verfassungswidrigen Sperrfrist von einem Jahr - nicht zu der von den Maßregeleinrichtungen prognostizierten früheren Erledigung in den ersten drei bis sechs Monaten (vgl. BVerfGE 91 1, 22, 34) geführt hat. Tatsächlich sind die Entziehungsanstalten und die Strafvollstreckungskammern relativ zurückhaltend mit der frühen Feststellung der Aussichtslosigkeit; die durchschnittliche Unterbringungszeit bis zur Rechtskraft der Entscheidungen gemäß § 67d Abs. 5 bewegt sich bei 16 bis 18 Monaten, weil entsprechende Anträge meist erst bei besonderen Vorkommnissen im Rahmen von Lockerungserprobungen gestellt werden (Schalast/Leygraf 1999, 488 f). Die späten Erledigungserklärungen hängen möglicherweise auch mit den erhöhten prognostischen Anforderungen für die Aussetzung der Strafe nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 und der Maßregel nach § 67d Abs. 2 (seit dem SexualdelikteBekG vom 26.1.1998) zusammen, die bei vielen Patienten - trotz an sich vorhandener Therapieanstrengungen - zum Verlust der vorzeitigen Entlassungsperspektive und der damit verbundenen Therapiemotivation geführt hat. 7
15
Dies alles und der seit Jahren anhaltende Belegungsdruck 8 haben den Gesetzgeber dazu veranlasst, im UnterbrSichG vom 16.7.2007 - neben der Umsetzung verfassungsgerichtlicher Vorgaben (BVerfGE 91 1) bezüglich der Abhängigkeit der Anordnung der Unterbringung von einem zu erwartenden Behandlungserfolg - § 64 in eine bloße SollVorschrift umzugestalten (Rdn. 155 ff).
16
e) Zur Qualität der Behandlung. Obwohl sich seit dem Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland, der die Mängel in der Versorgung insgesamt „alarmierend" nannte (BT-Drs. 7/4200, S. 14), einiges gebessert hat, sind die vorhandenen Fachkliniken und Suchtstationen oft überfordert. Neuere Untersuchungen liegen zwar nicht vor, 9 jedoch sollen die Behandlungsmöglichkeiten im Maßregelvollzug 6
7
Schalast/Dessecker/von der Haar R & P 2 0 0 5 4 f; Leygraf in den schriftlichen Stellungnahmen zur Anhörung des BT-Rechtsausschusses am 28.2.2007, S. 5 m.w.N.; Prot, der 47. Sitzung des BT-Rechtsausschusses, 16. Wahlperiode S. 9; nach Kemper (R&P 2 0 0 7 15, 17) sogar 67,1 % . Schalast/Dessecker/von der Haar R & P 2 0 0 5 7.
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8
9
Dazu Nedopil und Schöch in den schriftlichen Stellungnahmen zur Anhörung des BT-Rechtsausschusses am 28.2.2007, S. 19, 2 7 mw.N.; Schalast/Dessecker/von der Haar R & P 2 0 0 5 4. Zur früheren Lage Leygraf ( 1988); Athen MschrKrim 1989 63; Baur (1988).
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
§64
nach wie vor schlechter sein als in Fachkrankenhäusern modernen Standards und teilweise eher verwahrungsähnlichen Charakter haben (Böllinger/Pollähne NK Rdn. 8). Das Bild ist freilich nicht einheitlich, und es ist im Übrigen anhand der Berichte oft kaum objektivierbar. Festzuhalten ist jedoch, dass die Entziehungsanstalten trotz verbesserter Ausstattung einen schwierigen Behandlungsauftrag zu erfüllen haben, da sie eine mit hohem Rückfallrisiko belastete Täterklientel erfolgreich behandeln sollen. Dies muss angesichts der Uberbelegung unter zeitlich, räumlich und finanziell beengten Gegebenheiten geschehen, und im Zeichen des „neuen Sicherheitsdenkens" ohne Gefahren bei den unverzichtbaren Lockerungen und bei der Entlassung von statten gehen (bei Schalast/Dessecker/von der Haar R & P 2005 3, 6). Eine Heilung im engeren Sinne wird von manchen Psychiatern skeptisch beurteilt; die Suchtbehandlung könne nur versuchen, das Phänomen des „Herausreifens" oder des „Herauswachsens" aus Sucht und Kriminalität zu unterstützen und eine in Ansätzen vorhandene Ausstiegsmotivation aus dem Leben in freiheitsentziehenden Institutionen zu stabilisieren (Schalast S. 328 f, 341). 3. Strafrechtsreform und UnterbrSichG. Bei den Beratungen zur Strafrechtsreform war die Maßregel des § 64 wiederholt und in manchen Einzelheiten sehr eingehend erörtert worden, wobei auch Sachverständige gehört wurden. - Aus den Gesetzesmaterialien sind vor allem zu nennen: Niederschriften Bd. 4, S. 215 ff, 235, 481 ff, 492 ff; Bd. 12, S. 335 ff, 528 ff, § 83 E 1962 und Begr. S. 211; Prot. IV, 793 ff, 803 ff, 818 ff; Prot. V, 10, 427, 2258, 2908; 2. Bericht S. 26 f; RegE z. EGStGB, BT-Drs. 7/550, S. 214.
17
Die Beratungen standen jedoch zum einen vielfach nicht auf dem Stand des heutigen Wissens. So konnte z.B. Schafheutie bei den besonders wichtigen Erörterungen in der 4. Legislaturperiode noch unwidersprochen erklären, „der Aufenthalt in einer Strafanstalt sei die wirksamste Entziehungskur, die es gebe" (Prot. IV, 794). Zum anderen waren die Beratungen ersichtlich von der Annahme geprägt, dass sich die Maßregel „im ganzen bewährt" habe (E 1962, S. 211). Es ging daher vornehmlich um die „Klarstellung" der Voraussetzungen für die Maßregelanordnung, die „nach den Erfahrungen der Praxis zum Teil" als „zu unbestimmt gefasst" angesehen wurden, sowie um die Schließung gewisser Lücken und um gewisse Ergänzungen (E 1962 aaO). Eine wichtige Rolle spielten dabei insbesondere: die Frage der Maßregeldauer (Rdn. 166 f), die Erweiterung der Unterbringung auf Fälle erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit (Rdn. 33), die Beschränkung auf die Gefahr „erheblicher" weiterer Straftaten (Rdn. 86) sowie die Probleme des Subsidiaritätsprinzips (Rdn. 102). Die Probleme, die im Zeichen einer zunehmenden Zahl von Alkohol- und Drogenabhängigen heute vor allem Schwierigkeiten machen, wurden damals nicht wirklich gesehen, geschweige denn gelöst (vgl. auch Penners S. 14). Es sind dies insbesondere: Die Gestaltung des Vollzugs der Behandlung, insbesondere der nachgehenden Betreuung im Rahmen einer „therapeutischen Kette" (vgl. näher Rdn. 141); die Frage des Verhältnisses von § 64 zu den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen (Rdn. 165) und zu den sonstigen außerstrafrechtlichen Möglichkeiten der Betreuung Süchtiger (Rdn. 178 ff).
18
Die Folge ist, dass die strafrechtliche Unterbringung gemäß § 64 in ein denkbares und wünschenswertes System integrierter Methoden zur Suchtbekämpfung (dazu der Bericht über die Lage der Psychiatrie, S. 274 ff) bis heute nur unvollkommen einbezogen ist. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.3.1994 kam es wieder zu verstärkten gesetzlichen Reformbemühungen. Eine Reihe von Novellierungsbemühungen in der 14. und 15. Legislaturperiode blieben zunächst ohne gesetzgeberischen Er-
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
folg.10 In der 16. Legislaturperiode standen sich zuletzt ein Regierungsentwurf vom 31.3.2006 (BT-Drs. 16/1110) und ein Bundesratsentwurf vom 26.4.2006 (BT-Drs. 16/ 1344) gegenüber. Nach Beratungen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, der am 28.2.2007 eine öffentliche Anhörung mit Sachverständigen durchführte, wurde das Gesetz zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (UnterbrSichG) am 16.7.2007 verkündet und trat am 20.7.2007 in Kraft. Es beschränkte sich hinsichtlich des § 64 freilich auf die Präzisierung der Unterbringungsvoraussetzungen bezüglich des zu erwartenden Behandlungserfolgs, auf die Umgestaltung in eine Soll-Vorschrift sowie die Neuregelung der Vollstreckungsreihenfolge bei gleichzeitig verhängter Freiheitsstrafe von über drei Jahren gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3. 20
Die Einbindung der Entziehungsanstalten in ein Gesamtsystem funktionierender Nachsorge und Ambulanz (dazu Böllinger/Pollähne NK Vor § 67 Rdn. 53) war nicht Gegenstand dieses Gesetzes, jedoch besteht die Möglichkeit, dass die im Gesetz vom 13.4.2007 realisierte Reform der Führungsaufsicht mit erweiterten Weisungsmöglichkeiten und der Einbeziehung forensischer Ambulanzen in die Führungsaufsicht und Bewährungshilfe zu Verbesserungen führt. Π. Personenkreis (Jugendliche)
21
Die Anordnung der Unterbringung nach § 64 ist seit dem Gesetz zur Änderung des BtMG vom 22.12.1971 (BGBl. I S. 2092) auch gegenüber Jugendlichen bzw. ihnen nach § 105 JGG gleichgestellten Heranwachsenden zulässig (§ 7 JGG). Die durch das genannte Gesetz eingefügte Vorschrift des § 93a JGG schreibt vor, dass die Unterbringung in einer Einrichtung vollzogen wird, „in der die für die Behandlung suchtkranker Jugendlicher erforderlichen besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen zur Verfügung stehen." Diese Vorschrift wirft in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten auf, weil die für den Vollzug erforderlichen Anstalten bisher „nur vereinzelt eingerichtet" worden sind (Eisenberg JGG § 93a Rdn. 3 f mit eingehenden Nachw.). Seit dem Gesetz vom 22.12.1971 ist die Auferlegung einer Entziehungskur im Übrigen auch als Weisung gemäß § 10 Abs. 2 JGG zulässig. - Zu den spezifisch jugendstrafrechtlichen Problemen vgl. die spezielle Literatur zum Jugendstrafrecht, insbesondere die Studienbücher Laubenthal, Meier/Rössner/Schöch, Schaffstein/Beulke und Streng sowie die Kommentare von Brunner/Dölling, Eisenberg, Ostendorf und Diemer/Schoreit/Sonnen, jeweils mit zahlr. Nachweisen.
22
Stehen nach dem Vollstreckungsplan des Landes, in dem die Unterbringung zu vollziehen ist, spezielle Einrichtungen nach § 93a JGG nicht zur Verfügung, ist die Anordnung einer Unterbringung Jugendlicher oder Heranwachsender nach § 64 problematisch und ihr Vollzug ggf. abzubrechen, wenn die charakteristischen Mittel einer therapeutischen Behandlung Jugendlicher (Heranwachsender) durch die Behandlungsmittel der normalen Entziehungsanstalt für Erwachsene nicht ersetzt werden können, weil dann die gesetzlichen Voraussetzungen der Unterbringung nicht erfüllt sind (LG Bonn NJW 1977 345; anders die h.M. zum Erwachsenenstrafrecht, s. unter Rdn. 147). Jedoch ist das Phänomen der Sucht in der Regel altersunabhängig, weshalb z.B. an die Drogentherapie für Jugendliche nur bedingt wesentlich andere Anforderungen als an die für Erwachsene zu
10
Dargestellt in der Begründung zum Regierungsentwurf vom 31.3.2006 (BT-Drs. 16/1110), S. 9.
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
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stellen sind (Kühne in Kreuzer [Hrsg.], Handbuch für Betäubungsmittelstrafrecht, 1998, S. 1440 f). Deshalb ist der Versuch einer Behandlung in einer allgemeinen Entziehungsanstalt im Zweifel dem völligen Verzicht hierauf vorzuziehen. Der BGH hat zu § 67 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit § 93a J G G ausgeführt, dass von einem Vorwegvollzug der Unterbringung nicht wegen eines fehlenden Therapieplatzes abgesehen werden darf (BGH NStZ 1982 132 m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht sieht in der nachträglichen Anordnung der Strafvollstreckung keinen verfassungsrechtlichen Verstoß, wenn sich der Maßregelvollzug aus tatsächlichen Gründen als undurchführbar erwiesen hat (BVerfG Beschl. v. 22. Juni 1977 - 2 BvR 1008/76).
23
ΠΙ. Begehung „einer rechtswidrigen Tat" „im Rausch" oder aufgrund seines „Hanges" 1. Vorliegen einer „rechtswidrigen Tat" (Anlasstat). Der Täter muss eine „rechtswidrige Tat" begangen haben; die Begehung einer Ordnungswidrigkeit reicht also auch hier nicht (s. Schöch LK § 63 Rdn. 35).
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a) Bedeutung suchtbedingter Fehlvorstellungen. Die bei S 63 sehr streitige Frage, welche Anforderungen in subjektiver Hinsicht an den Begriff der rechtswidrigen Tat zu stellen sind (Schöch LK § 63 Rdn. 43 ff), wird bei § 64 in den Erläuterungswerken selten angeschnitten, obwohl sie sich auch hier stellt. Einige Stimmen in der Literatur 11 machen durch Verweisungen deutlich, dass sie, wie bei § 63, eine volle Erfüllung des subjektiven Tatbestandes für erforderlich halten, also eine Nichtberücksichtigung krankheitsbedingter (suchtbedingter) Fehlvorstellungen für unzulässig erachten.
25
Dem ist, wie bei § 63 (Schöch LK § 63 Rdn. 44 ff), auch hier nicht zu folgen: Es wäre kriminalpolitisch verfehlt und kann nicht der Sinn des Gesetzes sein, die Anwendung des § 64 gerade dort auszuschließen, wo er im Zweifel besonders indiziert ist, weil der Täter infolge eines rausch- oder suchtbedingten Irrtums handelt. Dafür spricht erkennbar auch die Gesetzesformulierung, die auf eine im Rausch begangene bzw. auf den Hang zurückzuführende Tat abstellt und die Unterbringung ausdrücklich zulässt, ob nun der Täter wegen der Tat verurteilt oder wegen erwiesener bzw. nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit nicht verurteilt wird. Ähnlich wie bei § 63 (Schöch LK § 63 Rdn. 4 6 f) müssen daher auch bei S 64 Fehlvorstellungen, die allein durch den Rausch oder den Hang bedingt sind, beim Begriff der rechtswidrigen Tat außer Betracht bleiben. 12
26
b) Sonstige Anforderungen. Im Übrigen - also abgesehen von der Frage suchtbedingter Fehlvorstellungen und der Schuldfähigkeit - müssen aber, wie bei § 42c a.F., alle Voraussetzungen der Strafbarkeit vorliegen (vgl. auch Horn SK Rdn. 10). Das ergibt sich aus dem Erfordernis, dass der Täter wegen der Anlasstat „verurteilt" bzw. „nur" wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldfähigkeit „nicht verurteilt wird"; die Rechtslage ist insoweit genauso wie bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 und
27
11
Böllinger/Pollähne NK Rdn. 62; § 63 Rdn. 69; Horn SK Rdn. 3; Lackner/Kühl § 63 Rdn. 3; an der Gegenansicht zweifelnd auch Kindhäuser § 63 Rdn. 1.
12
Ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; Theune NStZ 1997, 62; so auch die Rspr. zu § 63 bzw. § 42b: BGHSt 3 2 8 7 ; 10 355; BGH NStZ 2 0 0 3 , 4 2 0 , 421.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
beim Berufsverbot nach § 70 (s. die dort. Erl.). Besonderheiten gelten lediglich durch das prozessuale Verbot der reformatio in peius (Rdn. 197). Die Tat muss also - unter Außerachtlassung suchtbedingter Fehlvorstellungen (Rdn. 25 f) - nicht nur rechtswidrig sein; der Täter muss sich - von der Schuldfähigkeit nach § 20 abgesehen - auch schuldhaft verhalten und strafbar gemacht haben. Daran fehlt es, wenn zu seinen Gunsten ein nicht suchtbedingter Schuldausschließungsgrund oder Strafausschließungsgrund bzw. Strafaufhebungsgrund eingreift (vgl. auch Schöch LK § 63 Rdn. 51 f, 54; Horn SK Rdn. 11; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8). 28
Daran fehlt es aber auch bei nicht verfolgbaren Taten. Daher scheiden verjährte Taten (§§ 78 ff; vgl. S 78 Abs. 1) ebenso aus wie Antrags- oder Ermächtigungsdelikte ( S S 77 ff), wenn der Strafantrag (Lackner/Kühl Rdn. 2; ebenso BGHSt 31 132 zu S 63), die Ermächtigung oder das Strafverlangen fehlt oder wirksam zurückgenommen ist bzw. wenn ein Ersatz des Antrags durch die staatsanwaltschaftliche Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses (vgl. z.B. S 232, SS 248a, 257 Abs. 4 S. 2, 259 Abs. 2, 263 Abs. 4, 266 Abs. 3) im Gesetz nicht vorgesehen ist. Die im früheren Recht zu § 42b a.F. zum Teil vertretene Auffassung, dass ein fehlender Antrag jedenfalls die Unterbringung im Sicherungsverfahren nach (jetzt) §§ 413 ff StPO nicht hindere, ist durch die Strafrechtsreform überholt (Schöch LK S 63 Rdn. 56 f) und schon darum auch für S 64 ohne Bedeutung.
29
Auf die Art der Verurteilung kommt es nicht an (vgl. auch unten Rdn. 152 zur lebenslangen Freiheitsstrafe), wenn der Täter nur schuldig gesprochen wird. Es reicht also auch, wenn von Strafe nach § 60 oder sonstigen Vorschriften abgesehen wird, 13 die ein solches Absehen erlauben, oder wenn lediglich Erziehungsmaßregel oder Zuchtmittel des Jugendstrafrechts (§S 9-16 JGG) angeordnet werden. Zur Anordnung der Unterbringung bei Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung s. Rdn. 109 ff.
30
c) Art der rechtswidrigen Tat. Auf die Art der rechtswidrigen Tat kommt es, wenn sie nur den im Vorigen umschriebenen Voraussetzungen genügt (und im Rausch begangen bzw. auf des Täters Hang zurückzuführen ist; dazu Rdn. 36 ff), nicht an. So braucht die Tat insbesondere auch nicht „erheblich" zu sein. 14 Die Frage hat freilich Bedeutung bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ($ 62); eine Unterbringung wegen bloß „lästiger Taten" (s. Schöch LK § 63 Rdn. 86 f) dürfte daher auch hier in aller Regel ausscheiden.
31
Es braucht sich, anders als bei der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ( S 66), nicht um eine vorsätzliche Tat zu handeln; mithin reicht eine fahrlässige Tat, soweit sie (vgl. S 15) im Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedroht ist. Ebenso reicht eine versuchte Tat, wenn sie nach §§ 23, 24 strafbar ist (vgl. Schöch LK § 63 Rdn. 53 und speziell zur Bedeutung des Rücktritts Rdn. 54), sowie eine strafbare Vorbereitungshandlung oder Teilnahme (ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 5).
32
Ausreichend ist auch eine Straftat nach § 323a, ob sie nun vorsätzlich oder fahrlässig begangen ist. 15 Reichen kann, insbesondere bei fahrlässigem Sichberauschen, ferner eine Tat, die unter die Voraussetzungen der actio libera in causa fällt; doch gilt dies dann
13 14
Ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 5, 8. Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; krit. R. Schmitt FS Bockelmann S. 864; aA Böllinger/ Pollähne NK Rdn. 65; mit Hinweis auf den Wortlaut von § 62 StGB auch van Gemmeren MK Rdn. 30.
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Allgemeine Meinung, z.B. Fischer Rdn. 13; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; eingehend Spendel LK 1 0 Rdn. 3 0 4 ff.
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
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nicht, wenn sich der Täter nur Mut antrinken wollte, die Tat also nicht auf den Hang des Täters zurückgeht (so zu Recht BGH NJW 1990 3282, 3283 = J R 1991 161 mit Anm. Stree gegen LK 1 0 und die bis dahin herrschende Meinung im Schrifttum). 2. Erwiesene oder nicht auszuschließende Schuldunfähigkeit a) Allgemeines. § 64 gestattet im Gegensatz zu S 42c a.F. die Anordnung der Unterbringung ausdrücklich auch, wenn der Täter wegen erwiesener oder zweifelhafter Schuldunfähigkeit nicht verurteilt wird (dazu Begr. ζ. E 1962, S. 211 f). Die Neuregelung bedeutet jedoch keine nennenswerte Ausdehnung der Maßregel (Lenckner S. 196 f). Denn schon nach früherem Recht war der Täter gemäß § 330a a.F. (jetzt: § 323a), auf den § 42c ausdrücklich verwies, strafbar, wenn er sich vorsätzlich oder fahrlässig in einen seine Schuldunfähigkeit begründenden Rausch versetzte, wobei es nach herrschender Meinung (BGHSt 9 390) nicht darauf ankam, ob die Schuldunfähigkeit positiv festgestellt werden konnte oder zweifelhaft blieb. Der Vorwurf der vorsätzlichen oder fahrlässigen Herbeiführung des Rauschzustandes aber war bei dem hier in Betracht kommenden Personenkreis eigentlich immer begründet (Lenckner S. 196 f).
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b) Kein Feststehen der verminderten Schuldfähigkeit. Anders als bei § 63 (Schock LK § 63 Rdn. 59) kommt es bei § 64 nicht darauf an, dass zumindest die verminderte Schuldfähigkeit des Täters feststeht. 16 Das ergibt sich klar aus dem Wortlaut des Gesetzes und war beabsichtigt (E 1962, S. 212), da § 64 auch bei voller Schuldfähigkeit anwendbar ist (Rdn. 33).
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c) Eine Prüfung der Schuldfähigkeit ist bei Alkoholikern und Drogensüchtigen - im Hinblick auf die Strafbarkeit der Anlasstat - in vielen Fällen angezeigt. Besonders nach längerer Abhängigkeit mit schweren Entzugserscheinungen kommt eine Verminderung der Schuldfähigkeit in Betracht, 17 in Verbindung mit schweren Persönlichkeitsstörungen in seltenen Ausnahmen auch Schuldunfähigkeit. Im Einzelnen ist wegen der Probleme zu verweisen auf Schöch LK § 20 Rdn. 116.
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3. Begehung „im Rausch" oder aufgrund „seines Hanges". § 64 setzt voraus, dass die rechtswidrige Tat „im Rausch begangen" ist oder auf des Täters „Hang zurückgeht". Da das Gesetz an späterer Stelle verlangt, dass die Gefahr besteht, dass der Täter infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, ist die erstere Möglichkeit nur ein Unterfall der zweiten, so dass diese den Oberbegriff darstellt (BGH NJW 1990 3282 m. Anm. Stree J R 1991 161). Eine scharfe Trennung zwischen den beiden Alternativen ist oft schwer möglich, aber auch nicht nötig, wenn nur feststeht, dass eine von beiden mit Sicherheit gegeben ist.
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17
Allg. Meinung; vgl. z.B. BGH NStZ-RR 2 0 0 3 12, 41; BGH bei Detter NStZ 2 0 0 3 138; BGHR StGB § 64 Rausch 1; BGH NJW 1990 3283; Böllinger/Pollähne NK Rdn. 62; Horn SK Rdn. 10; Lackner/Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; Fischer Rdn. 14; vgl. schon BGH L M Nr. 3 zu § 42c a.F. BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 5, 9;
BGH NStZ 1990 384; eher restriktiv BGH NJW 1981 1221; BGH JR 1987 2 0 6 mit Anm. Blau; die Vermutung von Kreuzer NJW 1 9 8 9 1511 f, die Gerichte würden der Unterbringung durch restriktive Handhabung des § 21 ausweichen, dürfte überholt sein.
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§64
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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a) Im Rausch begangen ist die Tat, wenn sie während des für das jeweilige Rauschmittel typischen, die geistig-psychischen Fähigkeiten beeinträchtigenden Intoxikationszustandes erfolgt. Der Rausch muss jedoch Einfluss auf die Begehung der Straftat gehabt haben, wie sich mittelbar auch aus der Alternative vom „Zurückgehen" auf den Hang ergibt; steht der Rausch, was freilich kaum je denkbar ist, nur in zufälligem Zusammenhang mit der Tat, liegt kein „Begehen im Rausch" vor.
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Demgegenüber meint Horn (SK Rdn. 7), dass die Tat nicht schon dann im Rausch begangen sei, wenn feststeht, dass sich der Täter in einem solchen Rausch befunden oder der Rausch einen Einfluss auf die Tat gehabt hat, diese also ohne den Rausch unterblieben wäre. Horn, der - an sich zu Recht - den „Hang" des Täters als den Oberbegriff für das Begehen „im Rausch" ansieht, will vielmehr nur denjenigen Rausch reichen lassen, der auf den Hang des Täters zurückzuführen ist. Horn argumentiert, von der Vorschrift würden sonst auch Fälle erfasst, in denen der Täter von anderen gewaltsam oder mittels Täuschung in den Rausch versetzt worden ist, der Rausch also mit dem „Hang" des Täters nicht in Zusammenhang steht, so dass die im Rausch begangene Tat „nur als Anlass, nicht aber als Grund für die Einweisung erschiene". Horn spricht damit die Frage des symptomatischen Charakters der Rauschtat an. Im Ergebnis führt seine Ansicht, weil dieser symptomatische Charakter in der Tat zu verlangen ist (Rdn. 42), nicht zu einer Abweichung gegenüber der hier vorgenommenen, üblichen Darstellung der Sachprobleme. Zweifelhaft ist nur, ob es angebracht ist, den Begriff des Rausches von vornherein so mit dem des Hanges zu verbinden und die Probleme des „symptomatischen Charakters" auf den „Rausch" zu beziehen. Da die Symptomatik der Tat nicht nur in den von Horn genannten Beispielsfällen fehlen kann und die Betrachtung Horns eine gewisse Gefahr der Verwischung begründet, erscheint es richtiger, die Sachfragen „Begehung der Tat im Rausch" und „symptomatischer Charakter der Tat" auch äußerlich zu trennen, zumal die Unterscheidung Horns zwischen „Anlass" und „Grund" nicht unbedenklich ist.
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Schuldunfähigkeit oder auch verminderte Schuldfähigkeit braucht bei der im Rausch begangenen Tat nicht gegeben zu sein, da § 64 auch bei voller Schuldfähigkeit anwendbar ist.
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b) Auf den Hang zurück geht die Tat, wenn zwischen ihr und dem Hang ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Im früheren Recht war das ausdrücklich ausgesprochen („in ursächlichem Zusammenhang" mit der „Gewöhnung"). Die neue Fassung sollte daran sachlich nichts ändern und hat es auch nicht getan. Zum Begriff des Hanges s. näher Rdn. 44 ff. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Hang liegt vor, wenn die Tat in der Alkohol- oder Rauschmittelsucht „ihre Wurzel" hat. 18 Es muss also ein symptomatischer Zusammenhang vorliegen (BGH J R 1991 161 m. Anm. Stree). Dies ist auch dann der Fall, wenn der Täter infolge des ständigen Gebrauchs von Alkohol oder sonstigen Rauschmitteln labil und deshalb kriminell geworden ist oder wenn die Gewöhnung den sozialen Verfall des Täters verursacht hat, der ihn dann auch auf kriminelle Wege führte (indirekter symptomatischer Zusammenhang, OLG Celle aaO; kritisch Horn SK Rdn. 8). Im akuten Rausch braucht die Tat nicht begangen zu sein (Sch/Schröder/Stree Rdn. 7).
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Hangtypische Delikte sind solche, die der Täter begeht, um in den Besitz von Rauschmitteln oder des zu ihrer Beschaffung notwendigen Geldes zu gelangen (Diebstahl von 18
BGH NJW 1 9 9 0 3282, 3283; OLG Celle NJW 1958 2 7 0 ; allg. Meinung, z.B. Horn SK
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Rdn. 8; Lackner/Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; Fischer Rdn. 13.
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
§64
Rezeptblättern, Rezeptfälschungen, Apothekeneinbrüche, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz; Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; vgl. auch BGH bei Holtz MDR 1990 886). Nicht vorausgesetzt wird, dass die Beschaffung von Betäubungsmitteln allein dem Eigenkonsum dient, ansonsten schiede dies regelmäßig als Symptomtat aus (BGH bei Detter NStZ 2003 471, 475). Aber auch Verletzungen der Unterhaltspflicht (§ 170b), Verletzungen der Fürsorge- oder Erziehungspflicht (§ 170d), Exhibitionismus (§ 183) sowie die Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a) und Körperverletzungen (§§ 223 ff) gehen nicht selten auf den Hang zurück, u.U. aber auch Verkehrsstraftaten (dazu Bode BA 1976 256; vgl. auch Rdn. 10). Näher zur spezifischen Rauschmittelkriminalität z.B. Kaiser Kriminologie § 54 Rdn. 1 ff m.w.N. sowie zu den Anlassdelikten in den Jahren 1960 und 1993 Kaiser § 93 Rdn. 60 Tabelle 51. Nach der Strafverfolgungstatistik 2005 entfielen die insgesamt 1628 Anordnungen gemäß § 64 auf folgende Deliktsgruppen: Straftaten nach dem BtMG 374 (23,0%); Raub und Erpressung 311 (19,1 %), Körperverletzung 296 (18,2 %), Diebstahl und Unterschlagung 229 (14,1%), gemeingefährliche Straftaten ohne Verkehr 112 (6,9%), Straßenverkehrsdelikte 82 (5,0 %), Delikte gegen das Leben 67 (4,1 %), Sexualdelikte 64 (3,9 %), Betrug und Untreue 36 (2,2 %), alle sonstigen Delikte 57 (3,5 %). 1 9 4. Symptomatischer Charakter. Die Anlasstat muss, wie bemerkt, Symptomwert für 4 2 den Rausch bzw. den Hang des Täters haben, 20 so dass sich in ihr seine Gefährlichkeit äußert. Deshalb scheiden z.B. Taten aus, die auch ein nicht im Übermaß gewohnheitsmäßig Rauschmittel Genießender in der gleichen Situation, etwa angesichts eines schwierigen Lebenskonflikts oder bei Provokation durch den Verletzten, verübt haben würde oder könnte (Lang-Hinrichsen LK 9 S 42c Rdn. 15). Gemäß der Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang alleinige Ursache für die Anlasstaten ist; ausreichend ist vielmehr, dass der Hang neben anderen Umständen mitursächlich dafür war, dass der Täter erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (BGH NStZ-RR 2004 78, 79 m.w.N.). Der Zusammenhang kann also nicht allein deshalb verneint werden, weil neben der Sucht noch andere Persönlichkeitsmängel eine Disposition zur Begehung von Straftaten begründen (BGH bei Detter NStZ 2001 472 f; BGH NStZ 2000 25, 26; BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Zusammenhang zwischen dem Hang zum Alkohol-/Drogenkonsum und der Tat sowie der zukünftigen Gefährlichkeit bestehen muss (ebenso BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - 4 StR 522/02), aber keine Monokausalität des Hanges.
IV. Hang zum „Übermaß" beziigl. „alkoholischer Getränke" oder „anderer berauschender Mittel" 1. Allgemeines. Die Unterbringung nach § 64 ist immer nur unter der Voraussetzung 4 3 zulässig, dass der Täter den „Hang" hat, „im Übermaß" „alkoholische Getränke" oder „andere berauschende Mittel" zu sich zu nehmen. Das spezielle Erfordernis des „Hanges
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Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung, Fachserie 10, Reihe 3 Tab. 5.1 (www.destatis.de). BGH JR 1991 161 m. A-im. Stree; BGH
NStZ-RR 1997 67; 2 0 0 6 2 0 4 ; Horn SK Rdn. 8 (dazu Rdn. 34); Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; Fischer Rdn. 13; Jescheck/Weigend AT § 77 III 3b.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
zum Übermaß" charakterisiert dabei das wesentliche und eigentümliche Anordnungsmoment der Maßregel. Der Hang muss sicher bzw. „positiv" festgestellt sein; es genügt nicht, dass er lediglich nicht auszuschließen ist - dann ist für eine Unterbringung kein Raum (BGH NStZ-RR 2003 106; 2006 103). Er muss zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bestehen (BGH NStZ-RR 2001 295); Zweifel schlagen zugunsten des Angeklagten aus und stehen der Maßregelanordnung entgegen (BGH aaO; zum Ganzen ebenso Weber Vor §§ 29 ff Rdn. 1035). 44
2. Der Begriff „Hang". Hang bedeutet, dass der Täter vom Drang zu alkoholischen Getränken oder anderen Rauschmitteln so beherrscht wird, dass er ihm immer wieder nachgibt und dadurch in seiner Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt wird, (BGHSt 3 339 f; NStZ 2004 494; Fischer Rdn. 7 m.w.N.). Es muss sich also um eine eingewurzelte, auf Grund psychischer Disposition oder durch Übung erworbene intensive Neigung handeln, immer wieder Alkohol oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen (st. Rspr., vgl. BGH J Z 1971 788; NStZ 2004 384 f; 2004 494; 2004 681; Lackner/Kühl Rdn. 2). Nicht wird danach schon erfasst, wer nur gelegentlich oder öfter in einem seine Kräfte übersteigenden Maß zum Alkohol oder zur Droge greift.21 Selbst eine „starke Neigung zum Alkohol, die im Zusammenwirken mit ... charakterlichen Mängeln" (konkret: „willenloser Psychopath") die Ursache der Straftat bildet, reicht noch nicht (BGHSt 3 339, 342).
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Erforderlich ist vielmehr ein suchtartiger Hang (vgl. BGHSt 3 339, 342: „Alkoholsucht"), mindestens aber ein gewohnheitsmäßiger Missbrauch, der den Grad psychischer Abhängigkeit erreicht. 22 Diese psychische Abhängigkeit wird im Sinne einer auf Disposition beruhenden oder durch Übung erworbenen intensiven Neigung, Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren, verstanden (BGH NStZ 2004 384 f; BGHR § 64 StGB Hang 4, 5). Hingegen steht nach BGH 1 StR 65/51 v. 2.10.1951 (zit. bei Pfeiffer/Maul/Schulte, § 42c Anm. 1) der Unterbringung nicht entgegen, dass der Täter gegenüber dem Alkoholgenuss ab und zu Hemmungen aufbringt, weil ein „unwiderstehlicher" Hang nicht vorausgesetzt wird. Eine sog. Persönlichkeitsdepravation ist nicht erforderlich, jedoch kann einer solchen indizielle Bedeutung für einen Hang zukommen (BGH StV 2008 76; Beschl. v. 6.9.2007 - 4 StR 318/07; Beschl. v. 25.7.2007 - 1 StR 332/07). Eine physische Abhängigkeit ist nicht erforderlich,23 eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit also nicht nötig (BGH bei Detter NStZ 2002 136).
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Der Umstand, dass Taten im Zustand erhalten gebliebener Schuldfähigkeit begangen sind, soll eher gegen die Annahme eines Hanges sprechen (BGH bei Detter NStZ 2001 130, 136); dies ist aber mit besonderer Vorsicht zu verstehen, da es für § 21 StGB nur auf die Tatzeit ankommt, bei der Beurteilung, ob ein Hang vorliegt, aber eine komplexere Berücksichtigung auch des Vor- und Nachtatverhaltens geboten ist. Eine suchtbedingte Abhängigkeit kann nämlich auch bei voller Schuldfähigkeit einen Hang begründen, also
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BGH NStZ 1998 4 0 7 ; BGHR StGB § 64 Hang 1; BGH bei Holtz MDR 1 9 8 9 857, 858; BGH J Z 1971 7 8 8 ; vgl. auch BGHSt 3 339, 3 4 0 ; BGH L M Nr. 3 zu § 4 2 c a.F.; Lang-Hinrichsen LK 9 § 42c Rdn. 6. BGHR StGB § 64 Hang 1, 4, 5; BGH NStZ 1998 4 0 7 ; 2 0 0 4 384 f; NStZ-RR 1997 291; ebenso Weber Vor §§ 2 9 ff Rdn. 1032;
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van Gemmeren MK Rdn. 16; Fischer Rdn. 9; Lackner/Kühl Rdn. 2. BGH NStZ 1993 3 3 9 m. Anm. Gebhardt StV 1994 77; BGH NStZ 1998 4 0 7 ; NStZ-RR 2 0 0 3 41; BGHR § 64 StGB Hang 4, 5; Fischer Rdn. 9; Lackner/Kühl Rdn. 2; van Gemmeren MK Rdn. 19.
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
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auch dann, wenn nicht der Schweregrad einer seelischen Störung i.S. der §§ 20, 21 StGB erreicht ist (BGH NStZ-RR 2003 295; BGH bei Detter NStZ 2003 471, 475). Wichtig ist, dass der Hang auf ein „Übermaß" (Rdn. 51 ff) bezogen sein muss. Daher fällt z.B. der Gewohnheitstrinker, der innerhalb des ihm und der Umwelt noch zuträglichen Quantums verbleibt, trotz seines Hanges nicht unter die Vorschrift, wenn er sich einmal betrinkt und dann im Rausch eine rechtswidrige Tat begeht.24 Auch der Täter, „der den Wirt um die Zeche prellt, weil er gern täglich einige Gläser Bier oder einen Schoppen Wein trinkt, aber kein Geld hat, um sich das leisten zu können", wird noch nicht von § 64 erfasst; denn er handelt „wohl aus Genusssucht, möglicherweise auch aus einem Hang zum Alkoholgenuss", lässt damit aber noch nicht den „Hang zum Übermaß" erkennen (BGHSt 3 339, 340 f). Entsprechendes gilt nach BGH (bei Mösl NStZ 1981 427), wenn sich der Täter immer dann, wenn er zu Hause oder bei der Arbeit Ärger hatte, in erheblichem Maße betrinkt (zweifelhaft; wohl Frage des Einzelfalls). Nicht ausreichend ist grundsätzlich, wenn der Täter noch in der Lage ist, kontrolliert mit Betäubungsmitteln umzugehen (BGH bei Detter NStZ 2002 132,136).
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Der Begriff des Hanges ersetzt den Begriff „gewohnheitsmäßig" bzw. „Gewöhnung" 4 8 in § 42c a.F., ohne dass damit eine inhaltliche Änderung gegenüber dem früheren Recht beabsichtigt gewesen wäre (E 1962 S. 212; OLG Köln NJW 1978 2350). Der Begriff Hang macht aber immerhin deutlicher, dass es nicht notwendig auf eine durch Übung erworbene Neigung ankommt, der Grund des Hanges vielmehr ohne Bedeutung ist und z.B. auch mit einer Disposition zusammenhängen kann (so schon die h.M. für § 42c; vgl. Lang-Hinrichsen LK 9 § 42c Rdn. 6). Der Hang setzt - wie die „Gewöhnung" - jedoch nicht voraus, dass der Täter täglich oder auch nur regelmäßig trinkt (RGSt 74 217, 218; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3). Es genügt vielmehr, dass der Täter zeitweise oder bei sich bietender Gelegenheit Alkohol oder Rauschmittel zu sich nimmt, wenn er dabei nur seinem auf ein Übermaß bezogenen Hang folgt (Lang-Hinrichsen aaO). Erfasst wird daher auch der sog. Quartalssäufer (Lackner/Kühl Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree aaO).
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Hangtypische Indizien bei Alkoholikern sind z.B. ein früher Trinkbeginn, erhebliche Trinkmengen, mehrtägige Räusche (vgl. BGH NJW 1995 3131, 3133), Vorratshaltung und Unruhe bei zur Neige gehender Reserve, Unfähigkeit des Konsumsaufschubs, Verheimlichen und Verharmlosen des Konsums sowie von Beschaffungsbemühungen, konsumbedingte erhebliche Störungen der Beziehungen im sozialen Nahraum, Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit, körperliche und psychische Verwahrlosung, typische Beschaffungskriminalität; Gegenindizien sind z.B. Fähigkeit zur Kontrolle des Konsums, Einnahme nur zu bestimmten Gelegenheiten, Konsumverzicht oder -beschränkung aus eigenem Antrieb für längere Zeit (vgl. zum Ganzen Fischer Rdn. 11). Intervalle vorübergehender Abstinenz sprechen nicht immer gegen einen „Hang", sondern können - im Wechsel mit Konsumphasen - in manchen Fällen auch suchttypisch sein (Fischer Rdn. 9).
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3. Der Begriff „Übermaß". „Im Übermaß" bedeutet, dass der Täter alkoholische 51 Getränke oder sonstige berauschende Mittel aufgrund seines Hanges immer wieder in solchen Mengen zu sich nimmt, dass er in einen Rauschzustand gerät oder doch infolge des häufigen Genusses sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (BGH NStZ 2005 210),
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BGHSt 3 339, 340; vgl. auch BGH NJW 1972 3 4 7 ; BGH bei Holtz MDR 1989 857, 858; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3.
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und sei es auch nur dadurch, dass er seine Gesundheit schädigt oder seine Arbeits- und Leistungsfähigkeit wesentlich herabsetzt. 25 Laut BGH kommt die soziale Gefährdung gerade auch bei Beschaffungskriminalität in Betracht (BGH NStZ 2005 210), was aber wohl näher und differenzierter zu begründen ist. Die Einbeziehung der gesundheitlichen Selbstschädigung sowie der Herabsetzung von Arbeits- oder Leistungsfähigkeit bedeutet hier keine Kompetenzüberschreitung der strafrechtlichen Betrachtung; denn sie geschieht nicht unmittelbar zum Schutz dieser Werte, sondern ist - im Zusammenhang mit der Anlasstat, dem Hang und der Gefahr weiterer Taten - Indiz für die Behandlungsbedürftigkeit des Täters im Hinblick auf seine kriminelle Gefährdung. 52
Die Frage des Übermaßes ist in dem Sinne individuell zu beurteilen, dass derjenige, der regelmäßig schon für andere geringfügige Mengen nicht verträgt, für sich im Übermaß genießt. 26 Auf die Häufigkeit des Genusses kommt es also auch hier nicht an (RGSt 74 217, 218). Die bloße Tendenz zum Missbrauch „ohne Depravation und erhebliche Persönlichkeitsstörungen" genügt nicht (BGH NStZ 2004 494; 2 0 0 5 626). In diesem Punkt scheint sich ein Wandel der Rspr. abzuzeichnen. Nach Auffassung des 1. Strafsenats des BGH setzt ein Hang i.S.d. § 64 nicht notwendigerweise eine Depravation voraus; das Fehlen bzw. Vorliegen einer Depravation könne jedoch eine nicht unerhebliche indizielle Bedeutung haben (BGH 1 StR 332/07 - Beschluss v. 25.7.2007). Der 2. Strafsenat verlangt zwar noch eine Depravation und Persönlichkeitsstörung, jedoch müsse diese nicht so schwer ausgeprägt sein, wie es für die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 erforderlich sei (BGH, Beschl. v. 10.8.2007 - 2 StR 344/07).
53
Das Übermaß an Alkohol- oder Rauschmittelgenuss muss aber stets eine Folge des Hanges sein. Auch aus diesem Grunde reicht es nicht, wenn sich jemand einmal betrinkt und im Rausch eine Straftat begeht. Trinken im Übermaß liegt aber auch dann nicht vor, wenn jemand Mengen zu sich nimmt, die lediglich seine Zahlungsfähigkeit überschreiten; Übermaß bedeutet nicht „mehr trinken als man bezahlen, sondern mehr trinken als man vertragen kann". 2 7 Das Übermaß bezieht sich also auf die körperliche Verträglichkeit, nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Sch/Schröder/Stree Rdn. 3).
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Eine „Krankhaftigkeit" des Hanges wird - anders als nach der umstrittenen früheren Rechtsprechung des BGH zu § 42c a.F. 28 - heute nicht mehr verlangt. An ihre Stelle ist auch in der Rechtsprechung - die normative Bestimmung der Behandlungsbedürftigkeit getreten (BGH bei Detter NStZ 2003 475). 2 9 Deshalb ist bei einer lege artis durchgeführten Substitutionsbehandlung mit Methadon oder Buprenorphin nicht von einem Hang zum Rauschmittelkonsum im Übermaß i.S. des § 64 auszugehen, wohl aber bei beachtlichem Beikonsum anderer berauschender Mittel. 30
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Überholt ist auch der in der Medizin häufig verwendete Begriff der „Suchtkrankheit" („Alkoholkrankheit"), eine Bezeichnung, die dort „mehr aus den praktischen Gesichts-
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BGH NStZ-RR 2 0 0 3 106; BGHSt 3 339, 340; BGH LM Nr. 3 zu § 42c; BGH NJW 1972 374; zustimmend van Gemmeren MK Rdn. 14; Lackner/Kühl Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3; Fischer Rdn. 7; Lang-Hinrichsen LK 9 § 4 2 c Rdn. 7; Kohlrausch/Lange § 4 2 c Anm. III. Sch/Schröder/Stree aaO. BGHSt 3 339, 3 4 0 ; Sch/Schröder/Stree aaO; Kohlrausch/Lange § 4 2 c Anm. III. BGHSt 3 339, 3 4 0 ; BGH NJW 1972 347;
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BGH 4 StR 3 1 6 / 6 6 v. 21.10.1966; ferner, wenn auch ebenfalls ohne nähere Begründung, Kohlrausch/Lange § 4 2 c Anm. III; Lang-Hinrichsen LK 9 § 4 2 c Rdn. 7 (anders aber Rdn. 9). Ebenso Hanack L K n Rdn. 48; Horn SK Rdn. 5; Böllinger/Pollähne NK Rdn. 72. Missverständlich BGH NStZ 2 0 0 3 4 8 4 m. Anm. Dannhorn; generell verneinend Böllinger/Pollähne NK Rdn. 72.
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
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punkten der Therapieführung und der Finanzierung therapeutischer Vorhaben entstanden ist" (so die Arbeitsgruppe Suchtkranke im Anhang zum Bericht über die Lage der Psychiatrie, BT-Drs. 7/4201 S. 46) und mit dem Begriff der „Abhängigkeit" identisch ist bzw. sich bei Alkoholikern mit dem früheren Begriff der Trunksucht deckt (Arbeitsgruppe aaO; vgl. auch Rdn. 56). Aus medizinischer Sicht handelt es sich vor allem deswegen um „eine krankhafte Entwicklung", weil sie „letztlich in das Stadium des chronischen Alkoholismus mündet" (so die Arbeitsgruppe aaO, für Alkoholsüchtige). Aus psychiatrischer Sicht werden von dem Begriff „Hang" nicht nur solche Personen erfasst, die den WHO-Kriterien der „Sucht" genügen; jedoch soll der Begriff „Hang" anknüpfend an erfolgreiche Behandlungskonzeptualisierungen - als Sucht- bzw. Abhängigkeitssyndrom (gem. ICD-10 bzw. DSM-IV) definiert werden (Konrad in Dessecker/ Egg, S. 121,124). 4. „Missbrauch" und „Abhängigkeit" als Faktoren des Hanges zum Übermaß. Misslieh ist, dass sich der Begriff des „Hanges zum Übermaß" mit der vorherrschenden medizinischen Terminologie und dem Ergebnis internationaler Bemühungen um eine einheitliche Nomenklatur nicht deckt. Dadurch entsteht hier in besonderem M a ß e die Gefahr von Verständigungsfehlern zwischen Richter und Sachverständigem.
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Es gibt eine ganze Reihe von Begriffen, mit deren Hilfe Fachleute wie Laien versuchen, Art, Stadium oder Ausprägung einer Alkohol- oder Rauschmittelsucht zu umschreiben oder zu definieren (vgl. z.B. zum Alkoholismus: die Darlegungen der in Rdn. 55 zit. Arbeitsgruppe, S. 45 ff; Alkoholismus nach ICD-10 F. 10: ausführliche und tabellarische Darstellung bei Schmitt-Homann S. 43). Immer größere Bedeutung hat dabei die Unterscheidung zwischen „Abhängigkeit" und 5 7 „Missbrauch" gewonnen, die ersichtlich wesentlich von den Bemühungen des Sachverständigenausschusses für Suchtgifte der Weltgesundheits-Organisation (WHO) beeinflusst ist, im Interesse der internationalen Suchtbekämpfung einheitlich verwendbare Begriffe zu gewinnen (näher zu den Begrifflichkeiten „Missbrauch" und „Abhängigkeit" s. Wilms S. 20 ff; Schmitt-Homann S. 39 ff). Nachdem die W H O zunächst zwischen Sucht und Gewöhnung unterschied, hat sie, weil sich diese Unterscheidung als unzureichend und unpraktikabel erwies, 1964 den Oberbegriff der Drogen-Abhängigkeit (drug dependence) geschaffen und dabei bestimmte „Typen der Drogen-Abhängigkeit" als solche umschrieben. Heute benutzt die W H O den Begriff des „schädlichen Gebrauchs" (der inhaltlich wohl nahezu deckungsgleich ist mit „Missbrauch") einerseits und den der „Abhängigkeit" andererseits (dargestellt bei Wilms S. 22, 24 f). Der Kriterienkatalog der W H O zur Diagnose „Abhängigkeit" ist abgedruckt bei van Gemmeren MK Rdn. 18. Auch nach DSM-IV-TR wird bei den Störungen durch Substanzkonsum nach Substanzabhängigkeit und Substanzmissbrauch differenziert (Saß/Wittchen/Zaudig/Houben S. 233 ff, 238 ff). Die Kriterien der Substanzabhängigkeit nach ICD 10 und DSM-IV, die nicht völlig identisch sind, werden ausführlich dargestellt bei Foerster S. 207. Diese Abhängigkeit, die mit den Begriffen Sucht und Suchtkrankheit gleichgestellt werden kann, ist vornehmlich psychische Abhängigkeit, zu der freilich vielfach auch eine körperliche Abhängigkeit hinzutritt, „wobei diese körperliche Abhängigkeit bis zum Tode führen kann und die wesentliche Ursache für das Phänomen des Nicht-mehr-aufhören-Könnens" darstellt (Bericht über die Lage der Psychiatrie, S. 266). Psychische Abhängigkeit liegt vor bei einem „Zustand krankhafter Beziehung (pathological interaction) zwischen einem Individuum und einer psychotropen Substanz. Dieser Zustand ist charakterisiert durch Verhaltensänderungen, durch ein unbezwingbares gieriges Verlangen nach Selbstverwandlung, durch Verlust der Konsumkontrollen bzw. durch das Vor-
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rangigwerden der psychotropen Substanzen im Leben des Betroffenen" (Bericht aaO). Er kann sich „im Initialstadium periodisch in bestimmten Konstellationen manifestieren", führt dann aber je nach der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen und den pharmakologischen Eigenschaften der verwendeten Substanz „früher oder später zu einer kontinuierlichen Abhängigkeit" (Bericht aaO). 59
Missbrauch (drug abuse) charakterisiert demgegenüber den einmaligen, gelegentlichen oder auch kontinuierlichen Gebrauch einer Substanz ohne medizinische Indikation bzw. in nicht üblicher Form (ähnlich Bericht aaO; Arbeitsgruppe für Suchtkranke [oben Rdn. 55] S. 46 f). So versteht man unter Alkoholmissbrauch „den sinnlosen, überhöhten, unüblichen und gefährlichen Gebrauch", z.B. bei der Arbeit oder bei der Teilnahme am Straßenverkehr (Arbeitsgruppe aaO). Der „Missbrauch" ist noch keine „Abhängigkeit", doch kann der kontinuierliche Missbrauch die Gefahr der Abhängigkeit begründen bzw. sich als seine Vorstufe darstellen. Aus ärztlicher Sicht handelt es sich um ein „Fehlverhalten", einen „Zustand der Gefährdung", der aber nicht „einem Krankheitsprozess gleichzusetzen" ist und deshalb „nur insoweit Gegenstand therapeutischer Maßnahmen (ist), als das zum Missbrauch führende Fehlverhalten auf krankhaften Störungen beruht, oder/und durch den Missbrauch Schäden" „auf körperlichem, psychischem oder sozialem Gebiet entstanden sind" (Bericht aaO); im Übrigen ist der Missbrauch „Zielpunkt präventiver Maßnahmen", d.h. aus medizinischer Sicht (vgl. Bericht aaO S. 271) Gegenstand insbesondere allgemeiner Aufklärung und Vorbeugung. Der „Missbrauch" darf also nicht automatisch mit dem „Hang zum Übermaß" gleichgesetzt werden.
60
Die Abhängigkeit ist grundsätzlich ein Fall des „Hanges zum Ubermaß" i.S. des § 64, weil sie dessen charakteristische Merkmale (Rdn. 44 ff) erfüllt. So deutet beispielsweise die Behandlung mit Methadon auf einen vorhandenen Hang hin, da zur Aufnahme in ein Methadonprogramm eine Opiatabhängigkeit erforderlich ist (BGH NStZ 2003 484 ff m. Dannhorn, der danach differenziert, ob die zielgesetzte Therapie im Vordergrund steht, oder ob sich das Programm vorwiegend in der Verabreichung einer Ersatzdroge ohne therapeutische Zielsetzung erschöpft). Typisch für eine Abhängigkeit ist das Auftreten von Entzugssyndromen. Fehlen erhebliche Entzugssyndrome, so kann das gegen einen Hang sprechen (BGHR § 64 StGB Gefährlichkeit 3). Der „Missbrauch" hingegen fällt nur im Einzelfall unter diesen Hang, wenn er nämlich - insbesondere als kontinuierlicher Missbrauch - beim Betroffenen diejenigen Folgen auslöst, die die in Rdn. 51 umschriebene soziale Gefährdung oder Gefährlichkeit ergibt. Dass sich der Täter im medizinischen Sinne nicht als „abhängig" („süchtig") darstellt und dass sein Zustand medizinisch nicht einem „Krankheitsprozess gleichzusetzen" ist, ist nach der ratio legis des § 64 ohne Belang.
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Die Einbeziehung des „Missbrauchs" im Einzelfall entspricht dem verbreiteten psychiatrischen Hinweis, dass die Unterbringung in der Entziehungsanstalt häufig zu spät erfolgt. Sie darf aber nicht zu der Annahme verführen, dass damit die gewissermaßen prophylaktische Unterbringung zur Abwendung eines noch gar nicht eingetretenen „Hanges zum Übermaß" zulässig sei; denn diese Prophylaxe ist nicht mehr Aufgabe der strafrechtlichen Vorschrift (vgl. auch oben Rdn. 6).
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Die Übergänge sind nicht klar abgrenzbar. Entgegen Langelüddeke/Bresser S. 281 ist aber der „Hang zum Übermaß" nicht erst dann erreicht, „wenn schon körperliche oder seelisch-geistige Schäden eingetreten sind, wenn ... der ununterbrochene langfristige und zunehmende Gebrauch erwiesen ist" („und sich aus den Umständen ein verbrecherisches Verhalten ergeben hat"). Als zweckmäßig für die Abgrenzung erscheint die Frage, ob die Neigung eine handlungsleitende Auswirkung hat (so Fischer Rdn. 8 mit Hinweis auf die neuere Rechtsprechung, vgl. BGH NStZ 1998 407; 2004 365 f; 2005 210).
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In Fällen der Komorbidität, das heißt des Zusammentreffens eines Hanges mit ande- 6 3 ren psychischen Defekten, scheidet § 64 nicht notwendig aus, weil der Hang nicht die alleinige Ursache für die Begehung von Straftaten sein muss (BGH NStZ 2000 25; 2004 681; NStZ-RR 2005 304; Fischer Rdn. 12). In der forensisch-psychiatrischen Literatur wird vor allem auf das häufige Zusammentreffen von Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit mit anderen psychischen Störungen, insbesondere mit der dissozialen Persönlichkeitsstörung hingewiesen (Nedopil S. 121 m.w.N.; zu weiteren Konstellationen Schöcb LK § 20 Rdn. 72). In Ausnahmefällen können zwar gemäß § 72 Abs. 2 die Maßregeln der §§ 63, 64 nebeneinander angeordnet werden, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für beide vorliegen. Im Regelfall ist aber der Unterbringung nach § 64 der Vorzug zu geben, da diese den Täter weniger beschwert (§ 72 Abs. 1 Satz 2; s. Erl. zu § 72). Meist fehlen bei solchen Konstellationen aber auch die Voraussetzungen für die Unterbringung nach § 63, weil der Ausschluss oder die erhebliche Minderung der Schuldfähigkeit nicht schon allein durch eine länger dauernde psychische Störung im Sinne der §§ 20, 21, sondern erst durch aktuell hinzutretenden Genuss berauschender Mittel herbeigeführt worden ist (BGHSt 44 338, 339). Nach ständiger Rechtsprechung kommt in solchen Fällen aber ausnahmsweise ein 6 4 Vorrang des § 63 in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder aufgrund eines psychischen Defektes alkoholsüchtig ist, der, ohne pathologisch zu sein, in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (BGHSt 44 338, 339 m.w.N). § 64 scheidet also nur dann zugunsten des § 63 aus, wenn die Alkoholabhängigkeit auf einem von der Sucht selbst unterscheidbaren eigenständigen psychischen Defekt beruht, der ihr Fortbestehen bedingt (BGHSt 44 338, 341; BGHR § 63 Zustand 4, 7). Diese Ausnahme wird neuerdings in noch vertretbarer Weise ausgedehnt auf Fälle, in denen der Täter an einer dauerhaften krankhaften geistig-seelischen Störung leidet, die als solche unterhalb der Schwelle der §§ 20, 21 liegt, bei der aber bereits geringer Alkoholkonsum eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen kann (BGHSt 44 369, 374 bei paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie; vgl. auch BGH NStZ-RR 2000 299; van Gemmeren MK Rdn. 121). 5. Alkoholische Getränke werden von S 64 ohne Rücksicht auf ihre Art und ihre 6 5 Konsistenz erfasst. Die Schwierigkeit, den Begriff der „alkoholischen Getränke" von solchen anderen Getränken abzuheben, bei denen der Alkohol nur eine untergeordnete Rolle spielt, entsteht wegen des Begriffs der „anderen berauschenden Mittel" sowie wegen der weiteren Voraussetzungen des § 64 (Hang, Rausch, Übermaß) praktisch nicht. Wohl nur theoretische Bedeutung hat auch die Frage, ob die Einnahme von Alkohol, entsprechend dem Gesetzeswortlaut, unbedingt immer in Form von Getränken geschehen muss, wie das für Alkoholiker typisch ist. Sollte die Einnahme wirklich einmal auf sonstige Weise erfolgen, läge jedenfalls ein „anderes berauschendes Mittel" vor. Für den Begriff des alkoholischen Getränks ist es im übrigen gleichgültig, ob seine spezifische Wirkung allein auf den Alkohol zurückgeht oder noch andere Ursachen hat (Überempfindlichkeit, Kombination mit Medikamentenmissbrauch u.ä.); dies ist vielmehr eine Frage des „Hanges zum Übermaß" (vgl. Rdn. 43 ff). 6. Andere berauschende Mittel a) Allgemeines. Der Begriff „andere berauschende Mittel" ist mit dem Hinweis auf einzelne Drogen nicht hinreichend zu bestimmen; als Oberbegriff wird meist „psycho-
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trope Substanzen" (d.h. Substanzen mit Wirkung auf das zentrale Nervensystem) verwendet (Fischer Rdn. 5); er bedarf der weitergehenden systematischen Auslegung, orientiert am Zweck des § 64. Dieser Zweck stimmt nicht ohne weiteres mit dem anderer Vorschriften überein, die den Begriff des „berauschenden Mittels" verwenden (§§ 315a, 315c, 316, 323a). So spielt z.B. bei § 323a eine Rolle, ob das Mittel zur Schuldunfähigkeit führt bzw. geführt hat, während es bei Anwendung des § 64 darauf nicht ankommt, sondern auf die Eignung, einen Hang zum Übermaß herbeizuführen bzw. im Rahmen eines Hanges konsumiert zu werden. Eine grundsätzlich einheitliche Auslegung der verschiedenen Vorschriften erscheint daher nicht möglich (aA Burmann DAR 1987 134; van Gemmeren MK Rdn. 121). Insbesondere für die tatsächliche Beurteilung der Wirkungsweise bestimmter Stoffe als „berauschende Mittel" kann freilich die Heranziehung der bei den anderen Vorschriften gewonnenen Erkenntnisse hilfreich sein (König LK Erl. zu § 316 und Hilgendorf LK Erl. zu § 323a sowie unten Rdn. 74 ff). So erscheint der für die Straßenverkehrsdelikte vorgeschlagene Begriff der „zentral wirksamen Substanzen, die geeignet sind, eine erhebliche Intoxikationspsychose i.S. der §§ 20, 21 auslösen", 31 auch für § 64 sinnvoll. 67
Für den Begriff der berauschenden Mittel i.S. des § 64 ist entscheidend, ob die Mittel in ihren Auswirkungen denen des Alkohols vergleichbar sind und sie zu einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens sowie der intellektuellen und motorischen Fähigkeiten führen (BGH VRS 53 356). 32 Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Umschreibung, insbesondere der Verbindung („andere") mit den alkoholischen Getränken, und entspricht dem Zweck der Maßregel. Dass das Mittel zum „Genuss" im Sinne lustbetonter Empfindungen oder Vorstellungen geeignet ist, 33 wird nach Wortlaut und Zweck des § 64 nicht verlangt.
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Mittel der genannten Art können grundsätzlich - wenn auch u.U. nur im Zusammenhang mit einer besonderen körperlichen oder psychischen Disposition - eine Abhängigkeit in dem oben (Rdn. 60) umschriebenen medizinischen Sinne erzeugen und entsprechen damit dem traditionellen Begriff der Rauschgifte (Rauschmittel, Suchtmittel). Nicht erfasst werden lediglich solche Drogen, die zwar auch eine Wirkung auf das Zentralnervensystem ausüben und Intoxikationen begründen oder begründen können, dabei aber nicht eigentlich berauschend oder betäubend wirken, wie das beim Tabakrauchen der Fall ist.
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Nicht erfasst werden die Spielsucht und andere „nicht stoffgebundene" Abhängigkeiten; hier ist § 64 nicht anwendbar, angesichts des eindeutigen Willens des historischen Gesetzgebers und mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht analog (BGH NJW 2005 230 m. Anm. Bottke NStZ 2005 327, Schramm J Z 2005 418 und Schock JR 2005 296). Der Wunsch, spielsüchtige Täter zu therapieren, gebietet auch keine verfassungsrechtliche oder rechtspolitische Korrektur unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit, da auch im Strafvollzug Resozialisierung (§ 2 StVollzG) und Behandlung (§§ 6, 7 StVollzG) angestrebt werden. Es ist zweifelhaft, ob die ohnehin überlasteten Entziehungsanstalten die erforderlichen modifizierten Behandlungskonzepte für pathologische Spieler zur Ver-
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Ulbricht Rauschmittel im Straßenverkehr (1990) S. 57 im Anschluss an Gerchow BA 24 (1987), 233, 2 3 9 ; zust. Schöch DAR 1996 452, 454. Ähnlich bereits die amtliche Begründung zum GewohnheitsverbrecherG, Staatsanzeiger 1933 Nr. 2 7 7 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4;
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Fischer Rdn. 6; König LK 11 § 316 Rdn. 140; vgl. auch BayObLG NJW 1997 1381, 1382; OLG Düsseldorf BA 3 6 (1999) 140, 141. Vgl. zu dieser Frage, die bei anderen auf „berauschende Mittel" abstellenden Vorschriften Bedeutung haben kann, Gerchow FS Sarstedt S. 1.
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fügung stellen könnten. Die therapeutischen Mittel und sozialen Maßnahmen der sozialtherapeutischen Anstalten (§ 9 StVollzG) im Zusammenhang mit vorausgehendem Strafvollzug erscheinen bei dieser Population besser geeignet (Schöch JR 2005 297). Im Übrigen werden nicht nur sog. „echte Rauschmittel" erfasst, sondern auch die 7 0 Rauschmittel i.w.S. Das sind Mittel, die bei richtiger Dosierung oder bei nur gelegentlicher Einnahme als relativ ungefährlich anzusehen sind und von vielen Menschen eingenommen werden, ohne dass sie dadurch in Rausch geraten oder abhängig („süchtig") werden, die aber bei übermäßigem Gebrauch, beim Zusammentreffen mit anderen Faktoren oder auch durch die besondere Art des Gebrauchs (Rdn. 77 ff) ähnliche Folgen wie die „echten Rauschmittel" auslösen (z.B. Benzodiazepine). Dass auch die Rauschmittel i.w.S. (oft ungeschickt „harmlose Rauschmittel" genannt) 71 unter § 64 fallen, war schon für § 42c a.F. anerkannt (Lang-Hinrichsen LK 9 § 42c Rdn. 8). Es folgt nicht nur aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern vor allem auch aus seinem Zweck. Denn es geht nicht um den abstrakten Schutz vor bestimmten Substanzen, sondern um die Gefährlichkeit bestimmter Zustände. Dies zeigt sich mit aller Deutlichkeit auch an den „alkoholischen Getränken", die ja nur einen gesetzlichen Sonderfall der „anderen" berauschenden Mittel darstellen, für die aber ebenfalls eine unterschiedliche Art der Verwendung und der Wirkung typisch ist. Die Rechtslage ist danach bei § 64 ähnlich wie beim Merkmal „Sucht", das sich in 7 2 verschiedenen Formulierungen (vgl. Marschner/Volckart Teil Β Rdn. 110) in den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen (Schöch LK § 63 Rdn. 158) findet. Die Einbeziehung der Rauschmittel i.w.S. ist dort zwar etwas streitig, entspricht aber heute der weit vorherrschenden Meinung (Saage/Göppinger2 Teil III Rdn. 119 ff; Marschner/Volckart Teil A Rdn. 109) Die reichhaltige Literatur und die Rechtsprechung zu diesem Merkmal lässt sich daher grundsätzlich auch für die Interpretation des S 64 heranziehen. Daran ändert auch die spezifische Problematik des Krankheitsbegriffs bei den Unterbringungsgesetzen (dieser ist dargestellt bei Marschner/Volckart Teil A Rdn. 98 bzw. Teil Β Rdn. 108) erkennbar nichts. Der Begriff der „anderen berauschenden Mittel" geht bei § 64 über die von den Unterbringungsgesetzen erfassten Suchtmittel lediglich dann hinaus, wenn man annimmt, dass diese Gesetze das Einatmen von Benzindämpfen und bestimmten ätherischen Ölen nicht erfassen, wie das zum Teil behauptet wird, bei einer Zweckauslegung der Unterbringungsgesetze aber kaum vertretbar erscheint. Möglicherweise nicht ganz identisch mit dem Begriff der „berauschenden Mittel" ist 7 3 hingegen der Begriff „Rauschgiftsucht" der Weltgesundheitsorganisation bzw. der diesen Begriff ablösende Begriff der „Drogenbhängigkeit" (oben Rdn. 57 f). Denn diese Begriffe stellen, entsprechend ihren spezifisch medizinischen oder sozialmedizinischen Zwecken, zwar auf die Abhängigkeit und Zwanghaftigkeit sowie die gesundheitszerstörende Wirkung ab, nicht aber per definitionem auch auf die „berauschende Wirkung". Immerhin liegt diese Wirkung den durch die zitierten Begriffe erfassten Phänomenen regelmäßig zugrunde. Das gilt insbesondere für die Beschreibung bestimmter „Typen der Drogenabhängigkeit", die mit dem neuen Oberbegriff der Drogenabhängigkeit verbunden werden: nämlich dem Morphin-Typ, dem Barbiturat-Alkohol-Typ (zusammengefasst wegen der ähnlichen Erscheinungen), dem Kokain-Typ, dem Cannabis-(Marihuana-)Typ, dem Amphetamin-Typ, dem Khat-Typ, dem Halluzinogen-(LSD-)Typ und dem spezifischen Opiat-Antagonist-Typ (Darstellung z.B. bei Schmitt-Homann S. 50; Baer Psychiatrie für Juristen, S. 112 ff; Penners S. 91 ff). Der Katalog des DSM-IV (Textrevision S. 232) zu den psychotropen Substanzen unterteilt in 13 Substanzklassen (Alkohol; Amphetamine; Cannabis; Halluzinogene; Inhalatien; Koffein; Kokain; Nikotin; Opiate; Phencyclidine; Sedativa, Hypnotika/Anoxiolytika; multiple Substanzen; andere) und stellt potentiell
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mögliche Abhängigkeiten, Folgen (z.B. Delir) und Störungen (z.B. Psychische Störungen) übersichtlich dar; s.a. die Einteilung des ICD 10: Fl. 74
b) Einzelheiten (Uberblick). Die Zahl der Substanzen, die danach als „andere berauschende Mittel" in Betracht kommen, ist kaum zu übersehen und zudem in der Praxis vielfach dem raschen Wandel unterworfen. Es übersteigt die Möglichkeiten auch des Großkommentars, sie im vorliegenden Zusammenhang im Einzelnen aufzuzählen oder sie gar in ihren je nach der Persönlichkeit des Betroffenen oft recht unterschiedlichen Folgen und Wirkungen näher zu beschreiben. Der Benutzer muss auf das einschlägige Spezialschrifttum verwiesen werden; zu den Wirkstoffen s.a. Anlage I—III des BtMG. Ein vorzüglicher Überblick mit zahlreichen weiterführenden Nachweisen findet sich bei Körner, Anhang C 1 und Weber § 1 Rdn. 96 ff. Weitere Darstellungen der wesentlichen Suchtmittel bringen z.B. Nedopil S. 112 ff, 115; Rasch/Konrad S. 245 ff; Uchtenbagen in Kreuzer (Hrsg.) 1998, Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts, S. 4 ff; Baer Psychiatrie für Juristen, S. 111 ff; Langelüddeke/Bresser S. 157 ff. Hier mag nur folgendes hervorgehoben werden.
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Zu den berauschenden Mitteln gehören grundsätzlich die im Betäubungsmittelgesetz v. 28.7.1981 genannten Stoffe und Zubereitungen, die in den Anlagen Ι-ΙΠ zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt und an die Stelle der Gleichstellungsverordnungen des früheren BtMG getreten sind (Abdruck nach dem neuesten Stand bei Körner S. 38 ff). Diese Stoffe erfassen aber längst nicht alle Substanzen, die wegen ihrer möglichen Wirkungen als berauschende Mittel gelten müssen (vgl. Weber § 1 Rdn. 13).
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Bei den Cannabis-Produkten (Haschisch, Marihuana; im Szenejargon u.a. Hasch, Kiff, Shit) können verbreitete Zweifel, ob die pharmakologisch relativ milde Droge wirklich so gefährlich ist und vom BtMG erfasst werden sollte (so geschehen in Anlage I), nach den heutigen Einsichten über ihre Wirkungsweise die Annahme nicht hindern, dass sie alle Merkmale des berauschenden Mittels i.S. des § 64 erfüllen. Das gilt auch für Haschisch, das insbesondere von Jugendlichen vielfach verwendet wird. 34 Da für das Vorliegen eines Hanges eine physische Abhängigkeit nicht erforderlich ist (s. Rdn. 45), kann jedenfalls auch bei einem regelmäßigen Haschischkonsum ein Hang gegeben sein (BGHR § 64 StGB Anordnung 2 ohne Stellungnahme zur Natur der Abhängigkeit; wie hier Schäfer Vor §§ 29 ff Rdn. 1033), selbst wenn man dessen körperliche Abhängigkeitswirkung bezweifelt, da jedenfalls eine psychische Abhängigkeit die Folge sein kann (so auch BGH StV 1994 76 m. krit. Anm. Gebhardt; BGH NStZ 2002 142 f; unter Hinweis auf neuere Studien Caspers-Merk „Eine Risiko-Debatte zum Cannabis-Konsum ist nötig" Suchtreport Nr. 2 März/April 2002 26 ff). Genauer zu Cannabinoiden und deren Wirkung vgl. Rasch/Konrad S. 249, wo eine „Sucht im engeren Sinn" wegen fehlender schwerer körperlicher Entzugserscheinungen abgelehnt wird, das psychische Verlangen der Cannabis-Gewohnten aber als sehr hoch eingestuft wird.
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Sog. Schnüffelstoffe (Sniffers; vgl. Körner Anh. D I 108 ff), d.h. Stoffe, die inhaliert werden, können ebenfalls „berauschende Mittel" sein. Es handelt sich dabei vor allem um Substanzen, die in Lösungs-, Klebe- oder Reinigungsmitteln, aber auch im Treibstoff oder in Spraytreibgasen enthalten und leicht zugänglich sind. Die euphorisierende Wirkung dieser Stoffe ist zwar meist relativ kurz, ihre Benutzung kann jedoch bei länger dauerndem Gebrauch zu körperlichen Schädigungen ebenso führen wie zu den charakte34
Ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 4; Fischer Rdn. 6, der die Anordnung von § 64 eher nur in Einzelfällen gerechtfertigt sieht.
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ristischen Erscheinungen der Sucht. Die Mittel spielen insbesondere bei Jugendlichen eine gewisse Rolle und sind dann nicht selten „Schrittmacher" für den Gebrauch schwerer wiegender Rauschmittel. Arzneimittel haben in der „Drogenszene" erhebliche Bedeutung. Es gibt eine Fülle von (Kopf-)Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmitteln, die bei dauerndem oder sonst überzogenem Gebrauch berauschende oder betäubende Zustände mit u.U. beträchtlichen Suchtzuständen und gesundheitlichen Schädigungen nach sich ziehen. 35
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Ähnliches gilt für viele Aufputschmittel („Stimulanzien"), die als Mittel zur Leistungssteigerung („Doping" bei Sportlern) oder zur Müdigkeitsbekämpfung verwendet werden, sowie für bestimmte sog. Appetitzügler („Abmagerungspillen"). Auch diese Mittel kommen daher als „berauschende Mittel" in Betracht (vgl. Langelüddeke/Bresser S. 281, die freilich zu Unrecht verlangen, dass die Mittel nach ihrer Dosierung zu Ausnahmezuständen führen, die die Schuldfähigkeit ausschließen). Zu beachten ist, dass die angesprochenen Mittel nicht einmal rezeptpflichtig zu sein brauchen, geschweige denn dem BtMG unterliegen müssen. Übereinstimmend mit dem hier vertretenen Standpunkt hat die Rechtsprechung im Rahmen des § 323a und der landesrechtlichen Unterbringungsgesetze eine ganze Reihe von Arznei- und Aufputschmitteln als „berauschende Mittel" angesehen; ihre z.T. umstrittenen Entscheidungen (näher Spendel LK 1 0 § 323a Rdn. 97; vgl. auch Fischer Rdn. 5 bzw. § 323a Rdn. 4) sind grundsätzlich auch im Bereich des § 64 verwertbar.
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7. Zum Problem der „Mischformen". In der Praxis der „Drogenszene" sind sog. Mischformen verbreitet (vgl. z.B. den Überblick im Anhang zum Bericht über die Lage der Psychiatrie, BT-Drs. 7/4201 S. 527 f): Der Betroffene ist nicht nur aufgrund des Gebrauchs einer Droge süchtig; seine Sucht und seine Gefährdung oder Gefährlichkeit werden vielmehr dadurch gesteigert oder u.U. auch überhaupt erst hervorgerufen, dass er mehrere Drogen benutzt, insbesondere neben einer „Primär-Droge" andere zur Stützung, zur Steigerung der Wirkung oder auch zur Abmilderung unangenehmer Folgeerscheinungen verwendet. Vor allem beim übermäßigen Alkoholkonsum ist diese Situation relativ häufig, insbesondere die Kombination mit Amphetamin- und Barbituratmissbrauch. Sie hat die Rechtsprechung im Rahmen des S 323a häufig beschäftigt (näher Sch/Schröder/ Cramer § 323a Rdn. 9). In der forensischen Psychiatrie spricht man von polyvalentem Substanzmissbrauch, während für die Abhängigkeit von verschiedenen Substanzen, die auch im Wechsel ohne Kombination eingenommen werden, der Begriff Polytoxikomanie verwendet wird (Nedopil S. 136).
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Keine Schwierigkeiten entstehen für die Bewertung, wenn eine der benutzten Drogen schon für sich ein „berauschendes Mittel" ist. Dass ihre spezifischen Wirkungen erst durch die Kombination mit anderen Mitteln entstehen, ist lediglich ein Problem des „Hanges zum Übermaß".
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Kritischer ist die Frage, wenn erst das spezifische Zusammenwirken mehrerer Substanzen zu den charakteristischen Symptomen des „berauschenden Mittels" (Rdn. 66 ff) führt. Nach dem Zweck des § 64 ist davon auszugehen, dass sich die Eigenschaft einer
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Vgl. nur B G H bei Holtz M D R 1 9 8 8 1 0 9 für das Schlafmittel Medinox; Liste bei Körner Anh. D I. Vgl. auch Ulbricht Rauschmittel im Straßenverkehr. Eine Untersuchung über Medikamente als Rauschmittel im Sinne der
§§ 315c, 316 StGB. Marburg ( 1 9 9 0 ) ; zur Wirkungsweise von Medikamenten (Sedativa, Hypnotika, Analgetika) Rasch/ Konrad S. 2 5 1 f.
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Substanz als „berauschendes Mittel" durchaus auch aus der Eigenschaft verschiedener Drogen ergeben kann, wenn gerade oder nur diese Kombination die spezielle berauschende Wirkung und die speziellen Folgen der Abhängigkeit (Sucht) herbeiführt. Denn es geht bei § 64 nach der gesamten gesetzgeberischen Intention darum, zum Schutz vor gefährlichen Tätern Süchtige einer erforderlichen Entziehungskur zuzuführen, wenn die sonstigen Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind. V. Die weitere Gefährlichkeit des Täters 83
1. „Gefahr" weiterer Taten. „Gefahr" ist, rein sprachlich betrachtet, weniger als „Erwartung" i.S. des § 63. 36 Das Gesetz begnügt sich hier also erkennbar mit einem etwas geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit, wobei sich die Unterschiede abstrakt freilich kaum bestimmen lassen. Die Schwelle für eine Unterbringung ist also in § 64 etwas niedriger angesetzt als in § 63, was wegen der zeitlichen Befristung des § 64 auch gerechtfertigt ist.
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Insgesamt wird man bei § 64 auf einen Grad von Wahrscheinlichkeit abstellen müssen, den man am besten wohl als nahe liegende Wahrscheinlichkeit charakterisieren kann (Sch/Schröder/Stree Rdn. 9: nur „Wahrscheinlichkeit"; BGH NStZ 1994 30: „begründete Wahrscheinlichkeit"). Die Schwierigkeiten der theoretischen Umschreibung (eingehend und sehr kritisch Frisch S. 8 ff) sind hier größer als die Bestimmung im konkreten Einzelfall, bei dem sich die „Gefahr" aus der Tat (Symptomtat, Rdn. 42) und aus dem Hang zum Übermaß regelmäßig entweder aufdrängt oder aber - in dubio pro reo - nicht sicher genug beurteilen lässt; zur Geltung des Grundsatzes in dubio pro reo auch hinsichtlich der „Gefahr" vgl. Schöch LK Vor § 61 Rdn. 60. Die bloße Möglichkeit der Begehung weiterer Taten reicht auch hier nicht (vgl. Schöch LK Vor § 61 Rdn. 58; ebenso BGH NStZ 1994 30). Zweijähriger Heroinkonsum allein vermag daher nach OLG Frankfurt (bei Krämer StV 1982 93) die Unterbringung noch nicht zu begründen, da ja die Selbstgefährdung als solche nicht ausreicht.
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2. Gefahr „rechtswidriger Taten". Die Gefahr muss sich darauf beziehen, dass der Täter „rechtswidrige Taten" begehen wird. Der Begriff der rechtswidrigen Tat ist dabei wie bei § 63 (Schöch LK § 63 Rdn. 77) auch hier nach den gleichen Anforderungen zu bestimmen, die für die Interpretation der „rechtswidrigen Tat" als Anlasstat gelten; s. zu diesen Anforderungen oben Rdn. 24 ff. Die Gefahr kann u.U. allein durch die Anlasstat vermittelbar sein (BGH NStZ-RR 2004 204). 3. Gefahr „erheblicher" rechtswidriger Taten
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a) Allgemeines. Der Begriff der „erheblichen" Taten, den das Gesetz seit der Strafrechtsreform u.a. bei allen freiheitsentziehenden Maßregeln benutzt, lässt sich nicht bei allen Maßregeln ohne weiteres nach den gleichen Grundsätzen interpretieren (Schöch LK Vor § 61 Rdn. 53; § 63 Rdn. 80). Auf erhebliche Straftaten hat die Lehre übrigens schon bei § 42c a.F. abgestellt (Lang-Hinrichsen LK 9 § 42c Rdn. 16; Lenckner S. 197). Eine inhaltliche Abklärung ist dabei aber nicht erfolgt. 36
So richtig Schreiber/Rosenau S. 94; vgl. auch Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 58; Fischer Rdn. 15; aA Horn SK Rdn. 13, der keinen
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sachlichen Unterschied sieht; i.Erg. ebenso Volckart/Grünebaum S. 14.
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Die überwiegende Meinung nimmt an, dass der Maßstab der Erheblichkeit bei § 64 weniger streng sei als bei der Unterbringung nach § 63 oder gar nach § 66. 3 7 Begründet wird die Auffassung von den geringeren Anforderungen insbesondere mit drei Argumenten: dem Dominieren des Besserungszwecks im Charakter der Maßregel; ihrer zeitlichen Befristung auf zwei Jahre; dem Umstand, dass es hier nach dem Gesetz, im Gegensatz zu ξ 63, auf eine „Gefahr für die Allgemeinheit" nicht ankomme.
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Dem kann nur mit Einschränkungen gefolgt werden: Der „Besserungszweck" ist für sich kein Unterbringungsgrund, sondern nur eine einschränkende Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Maßregel, die unbeschadet dieser Besonderheit grundsätzlich an der Gefährlichkeit des Täters orientiert ist (oben Rdn. 2 ff); der „Besserungszweck" ist daher auch kein Moment, mit dessen Hilfe die Anforderungen an die künftige Gefährlichkeit bestimmt oder mitbestimmt werden können. Auch der Umstand, dass das Gesetz bei § 64 anders als bei § 63 auf eine Gefahr „für die Allgemeinheit" nicht ausdrücklich abstellt, sagt wenig über geringere Anforderungen an die Erheblichkeit; denn einmal zeigt schon die Interpretation des § 63, dass auch dort Taten erfasst werden, die nicht unmittelbar „die Allgemeinheit" betreffen (s. Schöch LK § 63 Rdn. 97 ff), und zum anderen sind „erhebliche" Taten i.S. des § 64 selbstverständlich insbesondere solche, die „die Allgemeinheit" gefährden (s.u. Rdn. 95).
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Richtig an der geschilderten Argumentation ist daher nur der Hinweis auf die relativ kurze zeitliche Befristung der Maßregel. Sie mag in der Tat dafür sprechen, die Anforderungen an die Erheblichkeit im Einzel- oder Grenzfall ein klein wenig geringer zu halten als bei § 63. Für eine solche Sicht dürfte im Übrigen auch der Umstand ein Indiz sein, dass das Gesetz sich bei § 64 mit einem etwas geringeren Grad für die Wahrscheinlichkeit der weiteren Taten begnügt (Rdn. 83).
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Letztlich wird man die Frage der Erheblichkeit, wie bei § 63, auch hier in erster Linie aus sich selbst heraus bestimmen müssen (vgl. Schöch LK § 63 Rdn. 84): Maßgebend muss sein, ob die zu erwartenden Taten den Rechtsfrieden so ernstlich und gravierend bedrohen, dass dem Täter im Hinblick auf seine suchtbedingte Gefährlichkeit das Sonderopfer eines an sein Verschulden nicht anknüpfenden Freiheitsentzugs auferlegt werden kann (vgl. auch LG Köln M D R 1986 339). Dabei wird der Richter berücksichtigen dürfen, dass bei gleichzeitiger Verhängung von Freiheitsstrafe die Unterbringung nach den Regeln des § 67 auf die Strafe anzurechnen ist (§ 67 Abs. 1, 4), weil sich die Belastung des Täters, also das Maß seines Sonderopfers, dadurch wesentlich verringert. Eine starre Strafgrenze von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe für die zu erwartenden Straftaten ist aber abzulehnen (van Gemmeren MK Rdn. 43; aA Volckart/Grünebaum S. 15).
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b) Einzelheiten. Im Ganzen ist bei einer Betrachtung nach den im vorigen dargelegten 91 Grundsätzen anzunehmen, dass sich die Anforderungen an die Erheblichkeit bei § 64 im Allgemeinen nicht wesentlich von denen nach § 63 unterscheiden (so auch Sch/Schröder/ Stree und Horn, oben Rdn. 87, Fn. 18; Horstkotte LK 1 0 S 67d Rdn. 58). So können bloß „lästige" Taten (vgl. Schöch LK § 63 Rdn. 86) auch bei § 64 die Unterbringung nicht rechtfertigen (Volckart/Griinebaum S. 15). Denn sie sind grundsätzlich keine so ernste Bedrohung des Rechtsfriedens, dass sie die trotz der zeitlichen Befristung schwerwiegende
37
OLG Karlsruhe MDR 1989 664 und Justiz 1979 301; Lackner/Kühl Rdn. 5; Fischer Rdn. 12; Lenckner S. 197 f; Schreiber S. 55; Volckart/Griinebaum S. 15; aA LG Köln MDR 1968 340; Horn SK Rdn. 13 und
Sch/Schröder/Stree Rdn. 9, die ersichtlich § 64 und § 63 gleich behandeln wollen; Jescheck/Weigend AT § 77 III 3c; vgl. auch R. Schmitt FS Bockelmann S. 864.
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§64
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Maßregel gestatten, insbesondere wenn die suchtbedingten Ursachen der „lästigen" Beeinträchtigung offenkundig sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorrang des „Besserungsgedankens" (s. Rdn. 2 ff; auch Rdn. 113), weil sonst der charakteristische Anknüpfungspunkt der Maßregel, die Gefährlichkeit des Täters, übersprungen würde. Hier helfen gegebenenfalls nur außerstrafrechtliche Maßnahmen. 92
Drohende Taten im weit gespannten Bereich der „mittleren Kriminalität" können wie bei § 63 (Scböcb LK § 63 Rdn. 90 ff) die Unterbringung rechtfertigen. Entscheidend ist insoweit, genau wie bei § 63, die sorgfältige Abwägung im Einzelfall, insbesondere nach Art und Häufigkeit der zu erwartenden Taten. Geringfügige Taten im Bereich der „Bagatell-Kriminalität" reichen nicht (Sch/Schröder/Stree Rdn. 9). Die bloße Addition von leichteren Straftaten darf nicht dazu führen, an sich unerhebliche Taten zu erheblichen aufzuwerten, jedenfalls soweit die Taten nicht spezifisch gegen wirtschaftlich schwache Personenkreise (dazu Rissing-van Saan/Peglau § 66 Rdn. 160 ff) gerichtet sind. Dass fortgesetzte Rezeptfälschungen vor dem Hintergrund einer Medikamentenabhängigkeit nicht reichen (so LG Köln M D R 1986 339), wird darum mindestens in der Regel anzunehmen sein (aA offenbar Horn SK Rdn. 13). Auch der BGH hält fest, dass geringfügige Eigentumsdelikte aus dem Bereich der Beschaffungskriminalität nicht geeignet sind, die Anordnung des § 64 StGB zu rechtfertigen (BGH StV 1998 74). Ebenso wenig kann die Gefahr des Erwerbs kleinerer Rauschgiftmengen zum Eigengebrauch (vgl. § § 2 9 Abs. 5, 31a BtMG) eine Unterbringung rechtfertigen (BGH NStZ 1994 280).
93
Erheblich können dagegen wiederholte Straftaten im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss sein, 38 auch wenn es sich nur um Trunkenheitsfahrten nach § 316 StGB, also um abstrakte Gefährdungsdelikte, handelt (Schöch NK 2001 28, 31; νan Gemmeren MK Rdn. 43). Die heute weitgehend offenen Entziehungsanstalten stellen mit ihrem 6- bis 12monatigen Therapiekonzept eine geeignete Behandlung gerade für Verkehrstäter mit chronischer Alkoholproblematik dar. Sie sind den teilweise praktizierten kurzen Freiheitsstrafen, die allenfalls vorübergehenden körperlichen Entzug bewirken, deutlich überlegen.
94
In der kritischen Frage, ob es Tatbestände gibt, deren Verletzung grundsätzlich als unerheblich anzusehen ist, gelten die für § 63 dargelegten Maßstäbe (Schöch LK § 63 Rdn. 94 f) entsprechend. Künftige Unterlassungstaten können die Unterbringung auch nach § 64 grundsätzlich nicht rechtfertigen, weil die Pflicht zur Sorge für ein Rechtsgut durch die Unterbringung des Pflichtigen nicht gefördert wird (s. Schöch LK § 63 Rdn. 96).
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4. Gefährlichkeit „für die Allgemeinheit"? Dass der Täter infolge seines Hanges „für die Allgemeinheit gefährlich" ist, verlangt das Gesetz, anders als bei den § § 6 3 und 66, nicht ausdrücklich. In den Gesetzesmaterialien wird das damit begründet, dass bei § 64 „der Besserungszweck im Vordergrund" stehe und „für die Maßregel verhältnismäßig enge zeitliche Grenzen festgelegt sind" (E 1962 S. 211). Dass dies „nicht plausibel" ist, hat schon Lenckner (S. 197) dargelegt: Die Frage der relativ engen zeitlichen Begrenzung ist lediglich bei der Prüfung der „Erheblichkeit" von gewissem Belang (Rdn. 86 ff), im vorliegenden Zusammenhang jedoch bedeutungslos. Denn „wenn das Gesetz die ,Gefahr' voraussetzt, dass der Täter ,erhebliche' Straftaten begehen wird, so ist er selbstverständlich auch für die Allgemeinheit gefährlich". 39 Dies gilt gerade auch dann, wenn man mit dem Sonderausschuss (2. Bericht S. 26) und der herrschenden Meinung (s.
38
BGH NStZ-RR 1997 18; BGH NJW 2 0 0 5 1997; NStZ-RR 2 0 0 6 2 0 3 ; OLG Rostock v. 22.3.2001 - 1 Ss 2 4 4 / 0 0 bei juris.
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Lenckner aaO; Sch/Schröder/Stree Rdn. 9; Fischer Rdn. 7: Feststellung entbehrlich.
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Schöch LK § 63 Rdn. 98) unter der Gefahr „für die Allgemeinheit" auch die Gefährdung nur einer konkreten Einzelperson oder ihrer Güter versteht. So wird man das Fehlen des Passus „für die Allgemeinheit" hier allenfalls als verstärkendes Indiz dafür deuten dürfen, dass das Gesetz bei § 64, in Übereinstimmung schon mit der herrschenden Meinung zu § 42c a.F. (Lang-Hinrichsen LK 9 § 42c Rdn. 16) auch die Gefährdung von Einzelpersonen erfasst. Die bloße Selbstgefährdung scheidet wie bei § 63 (Schöch LK § 63 Rdn. 100) auch hier aus, 40 anders aber, wenn erhebliche Taten zu erwarten sind, die der Beschaffung zum Eigenverbrauch dienen.41 Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass es für den „Hang zum Übermaß" genügt (oben Rdn. 47), wenn der Täter infolge seines Hanges seine Gesundheit schädigt oder seine Arbeits- und Leistungsfähigkeit wesentlich herabsetzt, weil diese Gesichtspunkte immer im Zusammenhang mit seiner weiteren kriminellen Gefährlichkeit zu sehen sind. Bei bloßer Selbstgefährdung besteht daher, unter den gesetzlichen Voraussetzungen, nur die Möglichkeit einer Unterbringung nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen; dazu eingehend Marschner/Volckart Teil Β Rdn. 117.
96
5. Gefährlichkeit „infolge seines Hanges". Die Gefahr, dass der Täter erhebliche rechtswidrige Taten begeht, muss „infolge seines Hanges" bestehen. Vorausgesetzt wird damit nach der gesetzlichen Formulierung, ganz ähnlich wie bei § 63 (Schöch LK § 63 Rdn 101), Kausalität dergestalt, dass die künftigen Taten als Folge des „Hanges", und zwar des Hanges „zum Übermaß", erscheinen, also auf diesen Hang zurückzuführen sind, wobei aber genügt, dass der Täter diese Taten zumindest auch (neben anderen Umständen) infolge seines Hanges begeht (BGH NStZ 2000 25; NStZ-RR 1997 291; 2004 78). Trotz des in § 64 StGB vorausgesetzten symptomatischen Zusammenhanges zwischen dem Hang, der Anlasstat und der zukünftigen Gefährlichkeit ist es nicht erforderlich, dass gleiche oder ähnliche Straftaten wie bei der Anlasstat zu befürchten sind; eine derartige „Konnexität" ist nicht erforderlich (BGH NStZ 2000 25; Fischer, § 64 Rdn. 15). Es reicht die Gefahr beliebiger Taten, wenn diese suchtbedingt und erheblich sind (BGH NStZ-RR 1996 257).
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Es liegt dabei im Wesen der Maßregel - und ergibt sich schon aus dem Begriff des „Hanges" - , dass beim Täter ein Defekt von längerer Dauer vorliegen muss (vgl. auch Schöch LK § 63 Rdn. 105); denn nur zur Abwehr eines solchen Zustandes ist die Maßregel, die sich speziell gegen Trinker und sonstige Süchtige richtet, vorgesehen.
98
Die Voraussetzungen der Gefährlichkeit infolge des Hanges sind im Urteil genau darzustellen (vgl. z.B. BGHR Gefährlichkeit 1, 2); sie verlangen eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat, s. dazu im folg. Text. 6. Ermittlung der Gefährlichkeit: Gesamtwürdigung. Das Gesetz verlangt - anders als bei § 63 - merkwürdigerweise nicht ausdrücklich, dass die künftige Gefährlichkeit anhand einer „Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat" ermittelt wird; Gründe für diesen Verzicht sind in den Gesetzesmaterialien nicht erkennbar. Man wird beim Gewicht der Maßregel aber auch hier verlangen müssen, dass das Gericht, und zwar unter Einschaltung eines Sachverständigen (§ 246a StPO), sorgfältig anhand einer Gesamtwürdigung feststellt, ob vom Täter erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind (so im Ergebnis auch Fischer Rdn. 15 f; Horn SK Rdn. 13).
40
OLG Hamm NJW 1974 614; Lang-Hinrichsen LK 9 § 4 2 c Rdn. 16.
41
Fischer Rdn. 15; BGH 2 StR 4 9 6 / 9 7 .
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Die Gesamtwürdigung erfordert regelmäßig, dass das Vorleben des Täters, insbesondere die Entwicklung seines Hanges, erörtert wird, dass charakteristische Persönlichkeitszüge und Lebensumstände sowie der derzeitige Zustand des Täters festgestellt werden. Hat der Täter längere Zeit keine suchtbedingten Taten begangen, spricht das in der Regel gegen seine Gefährlichkeit. Wesentliche Anhaltspunkte für die Prognose ergeben sich selbstverständlich auch aus dem Charakter der Anlasstat (Symptomcharakter, s. Rdn. 42) und aus eventuellen früheren Straftaten oder Strafverfahren, soweit ihrer Heranziehung nicht § 51 BZRG entgegensteht (näher dazu Rissing-van Saan/Peglau LK § 66 Rdn. 68). Typisch für eine hangbedingte Gefährlichkeit ist, wenn der Täter straffällig wird, um in den Besitz von Rauschmitteln zu kommen (BGH NStZ-RR 2002 331 f). Allerdings reicht die Erwartung, der Täter werde auch in Zukunft kleine Mengen Rauschgift zum Eigenkonsum erwerben, nicht aus, um die Gefahr „erheblicher rechtswidriger Taten" zu begründen (BGH bei Winkler NStZ 2005 315, 318). 100
7. Der Grundsatz in dubio pro reo. Er gilt, wie bei § 63, richtiger Meinung nach auch bei Beurteilung der prognoserelevanten Tatsachen. Hinsichtlich des prognostischen Wahrscheinlichkeitsurteils nach Satz 1 genügt die Überzeugung des Gerichts, dass der Angeklagte weitere erhebliche Straftaten begehen werde (streitig; näher Schöch LK Vor § 61 Rdn. 61). Die prognostische Unsicherheit führt nicht zur Anwendung des Zweifelssatzes.
101
8. Maßgebender Zeitpunkt für die Prognose. Entscheidend ist der Zustand des Täters zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatgericht (allg. Meinung). Dies ergibt sich aus der Neufassung des Gesetzes aufgrund des 2. StrRG und war beabsichtigt (näher Schöch LK Vor § 61 Rdn. 72 ff). Das Abstellen auf den Zeitpunkt der tatgerichtlichen Hauptverhandlung hindert jedoch nicht, die Entwicklung des Täters zwischen Tat und Urteil zu berücksichtigen: War der Täter zur Zeit der Tat gefährlich, ist die Gefährlichkeit aber - aus welchen Gründen auch immer - im Zeitpunkt des Urteilserlasses behoben, ist die Anordnung der Maßregel unzulässig (Schöch LK Vor § 61 Rdn. 72). Dagegen darf nicht auf die Anordnung des § 64 mit der Begründung verzichtet werden, der Täter werde durch die Strafverbüßung hinreichend beeindruckt (BGH StV 1998 72; 73; ebenso van Gemmeren MK Rdn. 46). Damit würde - auch im Hinblick auf § 67 Abs. 1 - fehlerhaft auf den Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafverbüßung abgestellt werden (BGH StV 1998 73).
102
9. Das Subsidiaritätsprinzip wirft seit der Strafrechtsreform auch bei § 64 neue Probleme auf. a) Allgemeines. Entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers entbindet der Umstand, dass das Gesetz auf die „Erforderlichkeit" der Unterbringung nicht mehr ausdrücklich abstellt, den Richter nicht von der Pflicht zur Prüfung, ob eine solche Erforderlichkeit - im Zeitpunkt der Urteilsfällung - tatsächlich besteht (dazu näher Schöch LK Vor § 61 Rdn. 78; § 63 Rdn. 136 f). Die von der herrschenden Meinung vertretene gegenteilige Auffassung, nach der die Gefährlichkeitsprognose auch bei § 64 so zu stellen ist, als ob sonstige Maßnahmen zur Ausschaltung der Gefährlichkeit nicht möglich oder zu erwarten seien, weil diese Maßnahmen nur bei der Aussetzung der Vollstreckung zum Zwecke der Bewährung (§ 67b) eine Rolle spielen könnten, 42 ist, wie bei § 63, mit
42
Horn SK Rdn. 15; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10; Lenckner S. 197.
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der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips (Schöch LK Vor § 61 Rdn. 74 ff) nicht in Einklang zu bringen. 43 Doch auch die Rechtsprechung sah die Anordnung der Maßregel bisher als zwingend an, wenn die Voraussetzungen des § 64 StGB vorlagen (zahlreiche Nachw. zur Rspr. des BGH bei Detter NStZ 2003 471, 475; BGH NStZ-RR 2003 295); es bestand nach bisheriger Auffassung kein Wahlrecht oder (Ermessens-) Spielraum des Tatgerichts (BGH bei Detter NStZ 2003 133, 138; ebenso bei Schäfer Rdn. 838). Ein Absehen wurde auch dann nicht für möglich gehalten, wenn eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. §§ 35, 36 BtMG ins Auge gefasst wurde (BGH NStZ-RR 2003 12; BGH bei Detter NStZ 2002 132, 136; 2003 133, 138; für die Möglichkeit der Strafrückstellung analog § 35 BtMG Schalast/Leygraf NStZ 1999 485 ff), da diese Vorschriften erst im Vollstreckungsverfahren griffen und deshalb im Erkenntnisverfahren nicht zu prüfen seien (BGH NStZ-RR 1996 196; 1996 258). Die Möglichkeit einer freiwilligen Therapie nach §§ 35, 36 BtMG stand der Anordnung also bisher nicht entgegen (BGH NStZ-RR 2001 118).
103
An der genannten Auffassung war vielmehr, ähnlich wie bei § 63 (Schock LK § 63 Rdn. 136), zunächst richtig, dass die Fälle, in denen mildere Mittel die künftige Gefährlichkeit des Täters so sicher ausschließen, dass schon die Anordnung der Unterbringung unterbleiben kann, praktisch selten sein werden, weil der damit verbundene völlige Verzicht auf strafrechtliche Kontrollmaßnahmen vielfach fragwürdig bleibt. Das gilt zumal, weil die Rückfallgefahr bei fast allen Süchtigen hoch ist und es sich in vielen Fällen um labile oder doch hochgradig gefährdete Personen handelt. Gleichwohl blieben Grenzfälle, insbesondere bei noch nicht allzu langer Suchtentwicklung, in denen eine freiwillige Therapie als milderes Mittel ebenso Erfolg versprechend war.
104
Obwohl der Vorrang des § 64 primär mit dessen Tatbestandsvoraussetzungen begründet wurde, dürfte sich die Problematik im Sinne der hier vertretenen Lösung durch die Umgestaltung des § 64 in eine Soll-Vorschrift entschärfen. Zwar wurden in den amtlichen Begründungen als Beispiele für das Absehen von der Unterbringung nur die völlig sprachunkundigen Ausländer, die ausreisepflichtigen Verurteilten sowie die wegen weiterer Persönlichkeitsmängel kaum behandelbaren Hangtäter genannt, 44 jedoch haben diese Beispiele keinen Eingang in die gesetzliche Formulierung gefunden. Zu den begründeten Ausnahmefällen, die es erlauben, von der Unterbringung abzusehen, sind daher auch die aus Gründen der Subsidiarität vorzuziehenden, Erfolg versprechenden freiwilligen Therapien zu rechnen.
105
b) Einzelfragen. Immerhin ist im konkreten Fall nach wie vor denkbar, dass z.B. der freiwillige Eintritt in eine Entziehungsanstalt, der Anschluss an einen Enthaltsamkeitsverein oder die ambulante Durchführung einer Kur nach Lage der Sache ausreicht, wenn die Durchführung genügend gesichert ist. 45 Dem stehen auch die §§ 35, 36 BtMG nicht zwingend entgegen (aA offenbar Körner § 35 Rdn. 103 für ambulante Therapieformen, wenn an den Verurteilten unzureichende Anforderungen gestellt werden). Im Einzelnen
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43
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Ebenso für § 64 ausdrücklich Jescheck/Weigend AT § 77 II 2; vgl. auch Lackner/Kühl Rdn. 5 (der dann zwar die Maßregel nicht für subsidiär entbehrlich hält, aber auf die u.U. gebotene sofortige Aussetzung zur Bewährung hinweist) und die weiteren Nachw. Schöch LK Vor § 61 Rdn. 77. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechts-
45
ausschusses vom 25.4.2007, BT-Drs. 16/5137, S. 2 4 unter Bezugnahme auf den Gesetzentwurf des Bundesrats vom 2 6 . 4 . 2 0 0 6 , BT-Drs. 16/1110 S. 12. BGH bei Daliinger MDR 1957 140 und allg. Meinung zu § 4 2 c a.F., vgl. statt vieler LangHinrichsen LK 9 § 4 2 c Rdn. 17 ff.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
gelten vielmehr im Prinzip die gleichen Grundsätze wie bei § 63, so dass auf die dortigen Darlegungen (Schöch LK § 63 Rdn. 138 ff) verwiesen werden kann. 107
Generell zu bemerken bleibt, dass bei vielen Süchtigen die Bereitschaft, ihre Süchtigkeit zu überwinden, durchaus vorhanden oder zu wecken ist und dass dann offenbar mit einer freiwillig übernommenen Therapie vielfach bessere Erfolge zu erzielen sind als mit einer zwangsweisen Einweisung, bei der nicht selten innere Widerstände auftreten, die einen Behandlungserfolg erschweren oder gar ausschließen. Die ambulante Betreuung gilt aus medizinischer Sicht heute überhaupt als die entscheidende Einwirkungsmöglichkeit (unten Rdn. 169 ff).
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Die Behandlung mit Ersatzdrogen (insbesondere: Methadon oder Buprenorphin bei Opiatabhängigen) wirft nicht nur spezielle rechtliche Probleme auf (vgl. BGHSt 37 383). Sie ist auch medizinisch mit erheblichen Risiken verbunden, setzt eine sehr strenge Überwachung voraus und verlangt jedenfalls bei schwerer Abhängigkeit in der Regel eine mindestens kurze stationäre Behandlung zur „Entgiftung" (vgl. Stellungnahme der Bundesärztekammer, Dt. Ärzteblatt 1989 575; s.a. näher Körner § 35 Rdn. 104 ff und Rdn. 132). Dass allein die Möglichkeit einer solchen Behandlung den Verzicht auf die Maßregelanordnung nach Subsidiaritätsgrundsätzen rechtfertigt, dürfte kaum oder nie in Betracht kommen. Ähnliches gilt für die pharmakotherapeutische Unterstützung bei Alkoholikern (Antabus, Naltrexon, Akamprosat), die als Mittel einer ambulanten Behandlung von Laien eine Zeitlang vielfach als eine Art Wundermittel angesehen wurde. Sie wird heute überwiegend nur als „Krücke" zur Erleichterung der Abstinenz verstanden, und ihre Wirkung hängt entscheidend davon ab, dass sie von den Betroffenen akzeptiert wird (näher z.B. Stevens in Foerster S. 674, 684).
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10. Verzicht auf § 64 bei Strafaussetzung zur Bewährung? Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass das Subsidiaritätsprinzip nach wie vor auch bei der Entscheidung über die Anordnung der Maßregel zu beachten ist (Rdn. 102), entsteht die Frage, ob der Richter die Unterbringung gemäß § 64 auch dann nicht anzuordnen braucht, wenn sich der künftigen Gefährlichkeit des Täters im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung begegnen lässt und deren Voraussetzungen vorliegen; vom Standpunkt der herrschenden Meinung aus kann das Problem nicht entstehen.
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Fälle, in denen sich die Frage stellt, werden gerade bei § 64 nicht selten sein: Die Möglichkeit, eine gegen den Täter verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 56 zur Bewährung auszusetzen, wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Täter i.S. des § 64 gefährlich ist. 46 Denn trotz dieser Gefährlichkeit kann gerade aufgrund der geplanten Einwirkung während der Bewährungsaussetzung die Erwartung bestehen, dass der Täter auch ohne den Vollzug der Strafe keine weiteren rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Die Einwirkungen im Rahmen der Bewährungsaussetzung, die bis hin zur Heilbehandlung, zur Entziehungskur und zum Anstaltsaufenthalt reichen (§ 56c Abs. 3), sind in manchen Fällen oft ebenso zur Gefahrbeseitigung geeignet wie § 64 bzw. die im Gefolge des § 64 mögliche Führungsaufsicht (§ 67b, § 67d Abs. 2). Auch besteht angesichts der Widerrufbarkeit der Strafaussetzung (§ 56f) ein meist ausreichendes Druckmittel, so dass der sonst fragwürdige Verzicht auf jede Kontrollmöglichkeit insoweit nicht eintritt.
46
Treffend OLG Hamm MDR 1974 153 zum früheren Recht; aA, aber nicht überzeugend, BGH GA 1957 148; für Verzicht auf § 64 bei
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gleicher „Sicherheit" aus Gründen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit van Gemmeren MK Rdn. 51
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Dennoch erscheint zweifelhaft, ob in den geschilderten Fällen der Verzicht auf die An- 1 1 1 Ordnung der Maßregel zulässig ist (vgl. aber auch Schöch LK § 63 Rdn. 94a). Denn das Gesetz stellt, in bewusster Abweichung vom E 1962 (s. Hanack LK 1 1 Rdn. 21 ff Vor § 68), für stützende Einwirkungen auf den i.S. des § 64 gefährlichen Täter grundsätzlich das Institut der Führungsaufsicht mit seinem spezifischen Instrumentarium zur Verfügung. Es wäre mit dem Sinn dieser Regelung, aber auch mit dem ihr erkennbar zugrunde liegenden Prinzip, für den Bereich der freiheitsentziehenden Maßregeln bei Aussetzungen ein einheitliches System zu schaffen, schwer vereinbar, sie durch einfache Bewährungsaufsicht zu unterlaufen. Da die Führungsaufsicht elastisch gehandhabt werden kann, ja muss (Erl. Vor § 68), lässt sich auch kaum sagen, dass der Täter, wenn er stützender rechtlicher Maßnahmen bedarf, nach dem Subsidiaritätsprinzip zwingend Anspruch darauf hätte, nur nach den Regeln der Strafaussetzung zur Bewährung behandelt zu werden. Dafür spricht auch, dass jede vierte aussetzungsfähige Maßregel nach § 67b zur Bewährung ausgesetzt wird (Dessecker S. 195). Letztlich lassen sich beide Wege in der Praxis nicht ganz scharf voneinander abgrenzen, da das Gericht im Einzelfall auch bei Verneinung eines Hanges i.S. von § 64 im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung wegen „starker Gefährdung ... in Richtung auf die Entwicklung" einer Alkohol- oder Rauschmittelabhängigkeit (so Bode BA 1976 270) Entziehungskuren und andere stationäre Einwirkungen gemäß § 56c Abs. 3 sowie sonstige zulässige ambulante Weisungen (§ 56c Abs. 1, Abs. 2) anordnen kann.
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11. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62) hatte bei § 64 bzw. bei § 42c a.F. in Rechtsprechung und Lehre früher kaum Konturen.
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Während Lenckner (S. 197 f) beim Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor allem die „Heilung", das „Interesse des Täters" und die zeitlichen Grenzen berücksichtigen will, und deshalb weniger strenge Anforderungen an die „Erheblichkeit" als bei § 63 StGB stellt, warnt Hanack vor einem „vergleichenden Maßstab" bezüglich der Erheblichkeit, da die Anforderungen für jede Maßregel spezifisch zu bestimmen seien (Hanack LK 1 1 Rdn. 74). Das gelte auch für die Frage der Verhältnismäßigkeit, was sehr deutlich werde, wenn man z.B. bedenke, dass BGHSt 24 134 in der Auseinandersetzung mit BGHSt 20 232 die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit selbst bei § 63 äußerst gering ansetzt (s. Schöch LK § 63 Rdn. 79 ff); es sei nicht ersichtlich, welche Bedeutung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für § 64 überhaupt haben könnte, wenn man hier noch „weniger strenge Anforderungen" stellen würde. Vielmehr sei die künftige Gefährlichkeit des Täters auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen; eine rein an der „Heilung" orientierte Verhältnismäßigkeit würde zu einer Entwertung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes führen (Hanack LK 11 Rdn. 89). Deshalb ist auch der Sicherungszweck der Maßregel bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BGH NStZ-RR 1996 257). Auch die Möglichkeit der Zurückstellung nach §§ 35, 36 BtMG sollte bei der AnOrdnung des § 64 StGB im Rahmen der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden (s. Rdn. 103, 106). Der BGH begründet seine abweichende Auffassung damit, dass dieses Vorgehen erst das Vollstreckungsverfahren betreffe und deshalb im Erkenntnisverfahren ohne Einfluss bleiben müsse (BGH NStZ-RR 1996 258). Das überzeugt aber nicht, da bei jeder spezialpräventiven Sanktion die voraussichtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in der Strafvollstreckung (mittelbar) mitbedacht werden sollten. Die neue Soll-Regelung ermöglicht auch insoweit größere Flexibilität.
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Eine besondere Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des § 64 hat das Bundesverfassungsgericht vorgenommen (BVerfGE 91 1 ff). Nach Ansicht
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
des Gerichts ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz neben den allgemeinen Anforderungen des § 62 jedenfalls auch dadurch zu wahren, dass bei § 64 eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht positiv festzustellen ist (s. hierzu genauer Rdn. 116 ff). Allerdings ist hierzu anzumerken, dass der für das Maßregelrecht so zentrale Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur gewahrt werden kann, wenn man ihn auch bei allen anderen Sanktionsvoraussetzungen berücksichtigt, insbesondere bei der Qualität der Anlassdelikte und der Erheblichkeit der zu erwartenden Straftaten (ebenso Oessecker S. 199; i.d.S. auch van Gemmeren MK Rdn. 51).
VI. Hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2) 116
1. Allgemeines. Dass die Maßregel unzulässig ist, wenn mit ihrer Hilfe eine Besserung und damit eine Beseitigung der Gefahr für die Zukunft nicht erreicht werden kann, entsprach schon der herrschenden Meinung zu § 42c a.F. (Lang-Hinrichsen LK 9 § 42c Rdn. 24 m. Nachw.; vgl. auch im folg. Text). Die ausdrückliche Normierung dieses Ausschlussgrundes in § 64 Abs. 2 a.F. ergab sich aus der Streichung des Merkmals der Erforderlichkeit, das diese Einschränkung in § 42c a.F. zum Ausdruck brachte. 4 7 Innerer Grund für diese Beschränkung war die eigentümliche Struktur der Maßregel, die sich zwar gegen gefährliche Täter richtet, insoweit aber in ihrem Anwendungsbereich auf Fälle reduziert wird, in denen sich dieser Gefährlichkeit durch Besserung begegnen lässt (oben Rdn. 2 ff). Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1994 (BVerfGE 91 1 ff) wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB noch an eine weitere Voraussetzung geknüpft und dadurch sowohl bereits ihre Anordnung als auch ihr Vollzug noch weiter beschränkt. Nötig war danach, „dass eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Süchtigen zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren". Außerdem durfte „die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter vollzogen werden, wenn entgegen einer anfänglich positiven Prognose keine hinreichend konkrete Aussicht mehr auf einen solchen Behandlungserfolg" besteht. Nach dieser Entscheidung war § 64 StGB insoweit mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 GG unvereinbar und nichtig, als er die Anordnung der Unterbringung unter den Voraussetzungen seines ersten Absatzes auch dann vorsah, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs nicht bestand. Die Vorschrift blieb aber auf die Fälle anwendbar, in denen eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg gegeben ist.
Die Reaktionen auf die Entscheidung waren geteilt; Gesundheits- und Vollzugsverwaltungen hofften auf Entlastung, die aber nicht eintrat (Rdn. 11 ff sowie Schöch LK § 61 Rdn. 13). 117 Früher hatte das Gesetz für das Unterbleiben der Anordnung nach § 64 Abs. 2 a.F. nur verlangt, dass die Kur von vornherein aussichtslos war; danach wurden auch Fälle erfasst, in denen keine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs besteht, was Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 GG widerspricht. Heute muss die Eignung des Eingriffs richtigerweise aus verfassungsrechtlichen Gründen positiv und konkret festgestellt wer-
47
2. Bericht S. 26; Prot. IV, 249; Penners S. 49 f.
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den (BVerfG aaO; st. Rspr. s. nur BGHR StGB § 64 Erfolgsaussicht 5, 9; BGH NStZ-RR 2005 10). Hiergegen wurde eingewendet, dass gerade vor Beginn des Maßregelvollzugs die Beurteilungsbasis so unsicher ist, dass eine Anfangsprognose mit einer besonders hohen Irrtumswahrscheinlichkeit behaftet sei, jedenfalls mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, als eine Prognose während des Vollzugs, wie sie bei § 67d Abs. 5 S. 1 verlangt werde. Aus diesem Grund sei die Forderung nach einer konkreten und positiv festgestellten Erfolgsaussicht nicht angebracht, da die Korrektur einer falsch positiven Anfangsprognose später im Vollzug möglich sei, die einer falsch negativen aber nicht (so die Richterin am BVerfG Graßhof in ihrer abweichenden Meinung zu BVerfGE 91 1, a a O S. 38 ff, 53 im Hinblick auf die Maßstäbe bei § 64 und § 67d Abs. 5 S. 1, die ihrer Meinung nach nicht zwingend einheitlich sein müssen).
118
Um zu besseren Prognosegrundlagen zu kommen, wurde bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeit der probeweisen Anordnung einer Entziehungsbehandlung gefordert (dargestellt bei Graßhof BVerfGE 91 1, 54 m.w.N.). Darüber hinaus wurde geltend gemacht, dass die Anforderungen an die Eignungsprognosen bei § 64 und § 67d Abs. 5 nur formal gleich seien, während sich materiell, bedingt schon durch die unterschiedlichen tatsächlichen Gegebenheiten, Unterschiede ergäben; so verschärften sich die Maßstäbe mit der Dauer des Vollzugs, da in dessen Verlauf neue Erkenntnisse bezüglich der für die Prognose relevanten Merkmale gewonnen werden könnten (ebenso Graßhof BVerfGE 91 1, 55 m.w.N.).
119
Sichere Kriterien für die Aussichtslosigkeit der Therapie gab es schon für § 64 Abs. 2 a.F. im Regelfall kaum, 4 8 auch weil die Behandlungsmethoden einem steten Wandel unterliegen. Gedacht war vor allem an Fälle, in denen der Täter bereits mehrere erfolglose Kuren hinter sich hatte und auch eine weitere Kur keine besseren Aussichten versprach, der Täter also seiner Sucht „unheilbar verfallen" war. 4 9 Nicht reichte jedenfalls, dass der Erfolg zweifelhaft oder sogar unwahrscheinlich war. 5 0 Nicht von vornherein aussichtslos war die Unterbringung in der Regel auch bei bloßer Therapieunwilligkeit, 51 weil deren Überwindung gerade zu den Behandlungsmethoden der Entziehungsanstalt gehört oder gehören sollte (§ 137 StVollzG; dazu Rdn. 189).
120
Seit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.3.1994, in der auch 1 2 1 die einjährige Sperrfrist bis zur Erledigung wegen Aussichtslosigkeit in § 67d Abs. 5 S. 1 a.F. für nichtig erklärt wurde (BVerfGE 91 1, 34), kam es zu einem erwartungswidrigen Anstieg der Beendigungen gemäß § 67d Abs. 5, obwohl nach den normativen Vorgaben eigentlich nur noch Personen mit positiver Behandlungsprognose nach § 64 untergebracht werden sollten. Psychiater und Kriminologen konnten bei der untergebrachten Klientel keine eindeutigen Veränderungen ausmachen, die diesen Anstieg erklären könnten (Schalast/Dessecker/von der Haar R & P 2005 3, 4 f m. Hinweisen auf Studien, nach
48
49
50
OLG Frankfurt NStZ 1983 187; vgl. auch Penners S. 45; Täschner NJW 1984 640. BGHSt 28 327, 328; ebenso zum früheren Recht BGH 4 StR 583/65 v. 4.2.1966 und 4 StrR 34/54 v. 26.5.1954; RGSt 73 44; RG JW 1936 452; vgl. auch Baumann/Weber AT S 44 II 2b. BGHSt 36 199, 200; BGH NStZ 1991 126, 127; BGH bei Holtz MDR 1987 799 („unter Einbeziehung aller Umstände streng zu
51
prüfen"); BGH bei Detter NStZ 1990 580; OLG Hamm BA 1979 319; OLG Köln OLGSt 39 zu § 21 StGB; OLG Neustadt NJW 1964 2435 zum früheren Recht; Lenckner S. 198; Schreiber S. 56; vgl. aber auch OLG Frankfurt NJW 1960 1399. BGH NStZ 1991 126, 127; BGH 4 StR 561/85 v. 5.12.1985; OLG Celle JR 1982 468 mit Anm. Stree; OLG Hamm BA 1979 319.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
denen teils Quoten von über 60 % ermittelt wurden). Dies ist ein bedenklicher Trend, darf das Scheitern doch nicht zur - demotivierenden - „Regel" werden. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass insbesondere sog. „Abbrecher" häufig eine erhöhte Rückfallgefahr aufweisen, wie man aus Erfahrungen mit sozialtherapeutischen Anstalten und anderen Behandlungsmodellen weiß. 122
Es konnte bisher kein signifikanter Rückgang der Unterbringungszeit bis zur Feststellung der Aussichtslosigkeit festgestellt werden; die mittlere Unterbringungszeit lag 1994 bei 16 Monaten, 1995 zeichnete sich immerhin ein Rückgang auf 13 Monate ab, allerdings lag 1999 die Dauer bis zur Rechtskraft von Entscheidungen gem. S 67d V StGB doch wieder bei 18 Monaten (dargestellt bei Schalast/Leygraf NStZ 1999 4 8 6 , 488). Metrikat konnte zwar eine deutlich verkürzte Verweildauer (von 19 auf 12 Monate) für eine Stichprobe aus dem räumlichen Geltungsbereich Niedersachsen im Maßregelvollzug feststellen, wenn die Maßregel wegen Aussichtslosigkeit nach § 67d Abs. 5 erledigt wurde (S. 254). Allerdings kam es jedenfalls nicht zu einem Absinken der Verweildauer auf unter zwölf Monate, was anlässlich der Intention des Bundesverfassungsgerichts doch überrascht; dieses hatte vorher eine Befragung von 12 Kliniken durchgeführt, wonach sich als Erfahrungswert ergeben hatte, dass in der Regel spätestens nach 6 Monaten deutlich werde, ob eine Behandlung möglich sei oder nicht (BVerfGE 91 1, 22). Tatsächlich zeigt sich die Erfolglosigkeit der Behandlung in der Regel erst bei den Lockerungserprobungen gegen Ende der Unterbringungszeit, was gegen allzu strenge Anforderungen an eine positive Behandlungsprognose zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils spricht.
123
Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber im UnterbrSichG vom 16.7.2007 dafür entschieden, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts möglichst wörtlich in § 64 S. 2 zu übernehmen, wonach die Anordnung der Unterbringung nur ergehen darf, „wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen". Eine Abweichung findet sich nur bei der Zeitspanne bezüglich der erwarteten Rückfall- und Straftatenverhinderung. Während das Bundesverfassungsgericht nur „eine gewisse Zeitspanne" (BVerfGE 91 1, 34 f) und der Regierungsentwurf „eine nicht unerhebliche Zeit" (BT-Drs. 16/1110, S. 7) verlangte, hat sich letztlich der Bundesratsentwurf mit der strengeren Formulierung durchgesetzt, dass „eine erhebliche Zeit" verlangt werden müsse (BT-Drs. 16/1344, S. 7; näher dazu Rdn. 134 ff).
124
2. „Heilung" und „Entwöhnung". Schon nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts galt es, die Anforderungen an den hinreichend konkreten Behandlungserfolg auszufüllen; das Gericht selbst hat dazu festgehalten, dass - ebenso wie bei § 64 Abs. 2 a.F. - nicht nur die endgültige Heilung, sondern auch die „Bewahrung vor dem Rückfall in die akute Sucht" als Erfolg gelten soll (BVerfGE 91 1).
125
Im UnterbrSichG vom 16.7.2007 wurde dieses noch erweitert durch die Alternative „Rückfall in den Hang" und Abhaltung „von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten, die auf ihren Hang zurückgehen". Somit ist die positive Prognose nicht schon zu verneinen, wenn eine „Heilung" des Täters im engeren Sinne unmöglich ist. Es ist überhaupt problematisch, „Heilung" und „Erfolg" gleichzusetzen. 52 Eine solche „Heilung"
52
Kritisch bzw. differenzierend auch Volckart/ Grünebaum S. 13; Schalast/Dessecker/ van der Haar R & P 2 0 0 5 3, 6 f; Böllinger/
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Pollähne N K Rdn. 3 4 ff; Leygraf in: Prot. der 47. Sitzung des BT-Rechtsausschusses, 16. Wahlperiode, S. 9.
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ist, jedenfalls nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und trotz ihrer Fortschritte gerade in den letzten Jahren, in vielen Fällen überhaupt nicht denkbar: Schon eingetretene physische und psychische Veränderungen lassen sich oft nicht mehr rückgängig machen, und auch das Ziel, die der Sucht „zugrunde liegende Fehlhaltung zu beheben" (§ 137 StVollzG), lässt sich oft nicht in der eigentlichen Bedeutung der Worte erreichen. Die Möglichkeiten der Besserung sind zwar bei den einzelnen berauschenden Mitteln verschieden und überdies in sehr starkem Maße von der Persönlichkeit sowie den Umweltbedingungen abhängig. Aber generell ist die Rückfallgefahr bei fast allen Süchtigen groß; trinkt z.B. der Alkoholiker nach der Kur auch nur wenig, verfällt er, wie breite wissenschaftliche Erfahrung zeigt, nur zu häufig, wenn nicht in der Regel, sofort wieder der Sucht. Die Rechtsprechung der einzelnen Senate des BGH im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war zunächst nicht einheitlich, hat sich aber dann angeglichen (dargestellt bei Metrikat S. 46 m. zahlreichen Nachweisen); danach ist nun eine Gesamtabwägung der für und gegen die Therapierbarkeit sprechenden Punkte nötig (im Einzelnen Rdn. 137 ff).
126
In diesem Zusammenhang darf die Komplexität der „Sucht" nicht verkannt werden; eine Behandlung im Rahmen des § 64, die Sucht als monokausale Störung versteht, die nur auf dem „Stoff" beruht, wäre wenig erfolgversprechend. Vielmehr ist „Sucht" oft gepaart mit sonstigen (Persönlichkeits-)Störungen (zu den Alkoholfolgekrankheiten und der Komorbidität s. Rasch/Konrad S. 243 f; bei 40-60 % der Alkoholabhängigen besteht eine Komorbidität mit einer psychiatrischen Zusatzdiagnose, Foerster S. 211; zur Komorbidität auch Schöch LK § 20 Rdn. 72; Streng StV 2004 614 ff) und darüber hinaus auch in ihrem eigenen Verlauf Schwankungen unterworfen. Nur eine an diesen Gegebenheiten ausgerichtete Unterbringung kann Erfolg bringen.
127
So ist erreichbares Ziel der Behandlung in erheblichem Umfang nur, die Persönlichkeit des Betroffenen und seine Umweltbedingungen so zu stabilisieren und zu beeinflussen, dass er im Stadium der Entwöhnung beharrt, also in Versuchungs-, Stress- oder Krisensituationen nicht zur Flasche oder Droge greift.53 Dieses Ziel zu erreichen ist, bei aller berechtigten Skepsis über die generelle Prognose von Alkoholikern und Drogensüchtigen, im Einzelfall aber durchaus nicht unmöglich (vgl. dazu bereits den Bericht über die Lage der Psychiatrie, S. 270, 271).
128
Ein „Misserfolg" wäre die Entziehungskur nur dann, wenn auch die Erreichung dieses beschränkten Ziels unmöglich erscheint. Die fehlende Heilungsmöglichkeit im engeren Sinne begründet hingegen ebenso wenig fehlende Erfolgsaussicht wie die typische Rückfallgefahr des Süchtigen (ähnlich LK-Hanack11 Rdn. 93 zur alten Rechtslage). An die Bejahung der Erfolgsaussichten dürfen also keine „überspannten Anforderungen" gestellt werden, insbesondere nicht in Fällen, in denen zugleich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Frage steht (BGH bei Detter NStZ 2004 140; Beschl. v. 6 . 1 2 . 2 0 0 7 - 3 StR 355/07).
129
3. Endgültige oder zeitweilige „Heilung" bzw. „Entwöhnung"? Zweifelhaft ist, ob 1 3 0 § 64 auch dann ausscheidet, wenn nach Lage des Einzelfalles lediglich eine zeitweilige, mehr oder weniger lang anhaltende Befreiung von der akuten Süchtigkeit oder doch eine
53
Zustimmend Horn SK Rdn. 14; Fenners S. 53; Schreiber S. 56; vgl. auch Volckart/ Grünebaum S. 16.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
wesentliche Abmilderung der Suchtintensität im Bereich des Möglichen liegt. Die Frage hat erhebliche Bedeutung. Denn je nachdem, ob man die Eriolgsaussicht nur auf eine „endgültige" „Heilung" bzw. „Entwöhnung" (Rdn. 124) oder auch auf eine „vorübergehende" Besserung bezieht, ergeben sich für den Anwendungsbereich des § 64 Satz 2 sehr verschiedene Grenzen. In der praktischen Wirklichkeit sind die Fälle ersichtlich nicht selten, in denen - aus welchen Gründen auch immer - eine dauerhafte Heilung (Entwöhnung) im Grunde wenig reale Chancen hat, wohl aber Hoffnung besteht, den Süchtigen über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren, z.B. als Alkoholiker „trocken zu halten". (Zur „Suchtverlagerung" bzw. „harm reduction" z.B. durch Methadon-Substitution s. Schmitt-Homann S. 20 f, der die Notwendigkeit der psycho-sozialen Begleitbetreuung bei solchem Vorgehen betont.) 131
Eindeutig ist, dass allein die Möglichkeit der Durchführung einer Entziehungskur noch kein „Erfolg" ist, obwohl eine zweijährige Abstinenz mit geregelter Lebensführung prinzipiell mindestens für die Zeit nach der eigentlichen „Entgiftung" gewissermaßen notwendig eine „Entwöhnung" und damit auch eine Stabilisierung nach sich zieht. Erwartet wird vielmehr eine erkennbar darüber hinausgehende Wirkung der Kur. Die rechtliche Sicht unterscheidet sich damit von der ärztlichen (z.B. Langelüddeke/Bresser S. 281), für die schon ein solcher zweijähriger Einwirkungsversuch als sinnvolle Therapie angezeigt ist.
132
Das gilt erst recht für die einer Entziehungskur vorausgehende Entgiftung (vgl. OLG Köln NJW 1978 2350). Unter Entgiftung versteht man diejenige medizinisch-somatische Behandlung, die im akuten Entziehungsstadium erforderlich ist, um die körperlichen Folgeerscheinungen abzufangen, die mit dem Absetzen des Suchtstoffs verbunden sind, oder die als Sofortmaßnahmen bei Intoxikationen angewendet werden müssen. Diese Entgiftung erfordert meist nur wenige Tage oder Wochen, ist also bei einer zweijährigen Unterbringung durchweg zu erreichen. Daher bedeutet sie keine Erfolgaussicht in dem Sinne, dass sie die Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 Satz 2 rechtfertigen würde. Dass die Entgiftung stets im gesundheitlichen Interesse des Täters liegt, kann daran nichts ändern, da es bei § 64 nicht um Gesundheitsfürsorge geht (Rdn. 3 ff). Dies muss selbst und gerade dann gelten, wenn die Entgiftung zum Schutz von Leib oder Leben des Patienten unmittelbar indiziert ist; es handelt sich dann vielmehr um ein Problem der Notfallmedizin, das - soweit erforderlich - unter Zuhilfenahme der darauf eingerichteten Dienststellen des Polizei- und Gesundheitsdienstes oder des Anstaltsarztes der Untersuchungshaftanstalt zu lösen ist, nicht aber durch das viel zu schwerfällige Straf- oder Sicherungsverfahren, das auf solche Fälle nicht einmal bei § 126a StPO zugeschnitten ist.
133
Während früher für die Aussichtslosigkeit nach § 64 Abs. 2 a.F. von der Rechtsprechung eine über die Zeit der eigentlichen Kur hinausgehende Wirkung in der Weise verlangt wurde, dass die Hoffnung zweifelsfrei54 „nicht ausgeschlossen" war, den Süchtigen für unbestimmte Zeit vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren, also z.B. den Alkoholiker „trocken zu halten", sind die Anforderungen heute inhaltlich höher, da eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht gefordert wird. Die in der Praxis sehr häufigen Fälle, in denen es zwar nahe liegend, aber nicht sicher ist, dass der Süchtige irgendwann einer Rückfallgefährdung erliegt, würden daher bei einem derart unbestimmten Zeitrahmen aus dem Anwendungsbereich des § 64 herausfallen.
54
BGH NStZ 1994 286; nach der Entscheidung BVerfGE 91 1 verfehlt auch noch BGH NStZ-RR 1999 267, 268, wobei diese Ent-
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Scheidung die Ausnahme blieb, da der BGH sich ansonsten der Meinung des Bundesverfassungsgerichts angeschlossen hat.
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In Anlehnung an die in BVerfGE 91 1 ff entwickelten Kriterien bejaht die Rechtsprechung einen Behandlungserfolg nicht nur, wenn der Süchtige (endgültig) geheilt ist, sondern bereits dann, wenn der Süchtige über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht bewahrt wird (BGH NStZ 2002 647; BGH NStZ-RR 2002 7 m. Anm. Stange StV 2001 678 f; BGH NStZ 1995 229). In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 91 1 ff) war ja bereits „hinreichend konkrete Aussicht auf Heilung oder doch auf Bewahrung vor einem Rückfall in die akute Sucht für eine gewisse Zeitspanne" verlangt worden (BVerfGE 91 1, 35).
134
In den Beratungen zum UnterbrSichG vom 16.7.2007 versuchte der Regierungsentwurf zunächst mit der Formulierung „eine nicht unerhebliche Zeit", den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts möglichst nahe zu kommen (BT-Drs. 16/1110, S. 7, 13 f). Zur Begründung wurde angeführt, dass der Zeitraum der Bewahrung vor dem Rückfall nicht zu knapp sein dürfe, da andernfalls das vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Erfordernis der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht weitgehend obsolet sei. Andererseits gebe es auch keinen Anlass, über die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts hinaus zu gehen, das der Erkenntnis Rechnung getragen habe, dass eine Heilung der Sucht in sehr vielen Fällen nicht möglich sei. Das Bundesverfassungsgericht habe keine zusätzlichen zeitlichen Schranken errichten wollen. Es sollten nur Fälle ausgeschlossen werden, in denen zu erwarten sei, dass der oder die Kranke fast unmittelbar nach der Entlassung im Abstand von wenigen Tagen oder Wochen einen Rückfall in die Sucht erleide, also praktisch kein die Behandlung überdauernder Therapieerfolg eintrete (BT-Drs. 16/1110, S. 13 f).
135
Durchgesetzt hat sich im Gesetzgebungsverfahren letztlich die strengere Formulierung des Bundesratsentwurfs, der „eine erhebliche Zeit" verlangt hatte (BT-Drs. 16/1344, S. 7); diese Formulierung bringe sowohl eine zeitliche wie eine qualitative Komponente zum Ausdruck; dies sei im Hinblick auf den Eingriffscharakter der Unterbringung erforderlich und solle auch verhindern, die Unterbringung bereits mit der Rückfallbewährung während der Zeit der Freiheitsentziehung zu begründen55 (BT-Drs. 16/1344, S. 13). Nachdem bei der Sachverständigenanhörung am 28.2.2007 Bedenken gegen diesen wenig überzeugenden Kompromiss geäußert wurden,56 wies die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 25.4.2007 zutreffend darauf hin, dass der Prognosezeitraum in jedem Fall durch die Zeitspanne begrenzt werde, über die bereits im Zeitpunkt der Unterbringungsentscheidung eine fachlich begründete Prognose möglich sei (BT-Drs. 16/5137, S. 25). Diese Grenze bedeutet, dass in der Regel bei süchtigen Hangtätern jedenfalls ein Zeitraum von mehr als einem Jahr schon erheblich ist.
136
4. Feststellung der Erfolgsaussichten; Kriterien und Gesichtspunkte. Die Erfolgsaussichten einer Entziehungskur lassen sich, da sichere allgemeine Kriterien fehlen (Rdn. 120 ff), nur nach Lage des Einzelfalles und regelmäßig nur mit Hilfe eines Sachverständigen (§§ 80a, 81, 246a StPO) klären. Dass ein Sachverständiger „lediglich nicht ausschließen kann", dass eine Therapie etwas an dem Hang des Täters ändern könnte, vermag eine konkrete Erfolgsaussicht natürlich nicht zu begründen (BGH NStZ-RR
137
55
Der Hinweis auf BGH NStZ-RR 2 0 0 2 2 9 8 ist wenig überzeugend, da die dort vorliegende Fallkonstellation auch nach allen anderen Formulierungen aus dem Anwendungsbereich des § 6 4 ausgeschieden werden müsste.
56
Protokoll der 47. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags am 28.2.2007, 16. Wahlperiode: Schöch S. 18, 90 (schriftliche Stellungnahme); Leygraf S. 41 f.
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2001 103; Beschl. v. 18.12.2007 - 3 StR 516/07). Die Aussichten hängen, wie schon angedeutet, von zahlreichen Faktoren ab (eingehend Penners S. 83 ff), insbesondere von der Persönlichkeit des Täters, der Art und dem Stadium seiner Sucht (vgl. Rdn. 99) sowie von bereits eingetretenen physischen und psychischen Veränderungen und Schädigungen. 138
Im Regierungsentwurf zum UnterbrSichG vom 16.7.2007 wird die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht dahingehend präzisiert, dass „keine sichere oder unbedingte Gewähr, sondern eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit des Behandlungserfolges verlangt" wird (BT-Drs. 16/1110, S. 13). Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hänge damit auch künftig nicht vom Therapiewillen der betroffenen Person ab. Vielmehr könne die Herbeiführung der Behandlungsbereitschaft Bestandteil der Therapie sein.
139
Fehlende Therapiebereitschaft war schon nach der bisherigen Rspr. kein zwingendes Indiz für eine mangelnde Erfolgsaussicht (BGH StV 1998 73 f; NJW 2000, 3015; NStZ 2000 587 f; NStZ-RR 2004 263; Lackner/Kühl, § 64 Rdn. 1 m.w.N.). Gerade zu Beginn einer Therapie ist oft ein Mangel an Motivation zu beklagen, was aber dem Erfolg einer Therapie - gerade bei Drogen- und Alkoholsüchtigen - nicht entgegenstehen muss. Nach heutigem Kenntnisstand ist bei Suchtmittelabhängigen Freiwilligkeit keine zwingende Voraussetzung für den Therapieerfolg; Einweisungen, die zunächst unter Zwang geschehen, haben nahezu die gleichen Erfolgschancen (Nedopil S. 121 f, 137 f). Es sollte also auch als Teil einer Therapie begriffen werden, dass diese unter Umständen erst die Motivation zu ihr leisten muss (ähnlich BGH bei Detter NStZ 2003 133, 139); über kurz oder lang ist die - später selbstverständlich nötige - Eigenmotivation so häufig erreichbar. Auch erfolglose Therapieversuche (außerhalb des § 64) stehen der Erfolgsaussicht einer Therapie nicht entgegen (BGH NStZ-RR 1997 131; BGH Beschl. v. 6.12.2007 - 3 StR 355/07 betr. Sozialtherapie); etwas anderes kommt erst in Betracht, wenn mehrere Therapien abgebrochen wurden bzw. es trotz Therapien öfter zu einem Rückfall kam (BGH StV 1998 73 f), insbesondere wenn Unterbringungen nach § 64 mehrfach erfolglos blieben.
140
Bei bestimmten Erkrankungen und Leiden, z.B. senilen und präsenilen organischen Psychosen und ähnlichen Syndromen (vgl. OLG Zweibrücken MDR 1989 179), schwerer Alkoholdemenz, deutlichen Formen des Schwachsinns oder progredienten Organerkrankungen mit schlechter oder infauster Prognose (Krebs, schwere Herzinsuffizienz, fortgeschrittene Leberzirrhose), ist die Entwöhnungsbehandlung aus ärztlicher Sicht absolut kontraindiziert, während bei bestimmten anderen Erkrankungen und Leiden nur eine relative Kontraindikation vorliegt (näher Penners S. 137 ff). Dass bereits eine mehrjährige Substitutionsbehandlung mit Methadon durchgeführt wurde, spricht nicht automatisch gegen eine Erfolgsaussicht i.d.S., dass Drogenfreiheit nicht erreichbar wäre (BGH NStZ-RR 2001 12).
141
Besonders umstritten sind die Erfolgsaussichten einer Entziehungsbehandlung bei Ausländern mit unzureichenden Sprachkenntnissen. Der 1. Senat des BGH hält insoweit nur „Grundkenntnisse" für erforderlich (BGHSt 36 199, 203; dagegen Lorbacher Anm. in NStZ 1990 80). Auch der 4. Senat (BGH StV 1998 74 f) sieht in Sprachschwierigkeiten kein der Unterbringung entgegenstehendes Hindernis, da der Schutz der Allgemeinheit durch Besserung des Täters ein zu wichtiges Ziel sei, als dass man es an derartigen Hürden scheitern lassen dürfe. Die mangelnden Sprachkenntnisse seien im Zweifel durch einen Dolmetscher auszugleichen. In einer weiteren Entscheidung (BGH NStZ-RR 2002 7 m. Anm. Stange StV 2001 678) bestätigt der 3. Senat die Linie, dass mangelhafte oder fehlende Sprachkenntnisse bei der Prognoseentscheidung des § 64 Abs. 2 a.F. außer Betracht zu bleiben haben, und unterstreicht dies mit dem Hinweis darauf, dass es Aufgabe der für den Maßregelvollzug zuständigen Vollstreckungs- und Verwaltungsbehör-
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den sei, geeignete Vollstreckungsmöglichkeiten bereitzustellen. Der 5. Senat (NStZ 2 0 0 1 418) hält es hingegen - unter Verweis auf BVerfGE 91 1 - für nahe liegend, dass es an der hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg bei Sprachunkundigkeit des Angeklagten fehle, lässt diesen Punkt aber letztlich offen. Durch die neue Soll-Regelung soll insbesondere für diese Fallgruppe größere Flexibilität ermöglicht werden (Rdn. 155 ff). Mit Blick auf sachgerechte Ergebnisse ist eine differenzierte Beurteilung des Sprachenproblems geboten. Zunächst kommt es darauf an, um welche Muttersprache es sich handelt 5 7 bzw. welche Fremdsprachen der Täter ansonsten beherrscht (so dürfte eine Verständigung auf Englisch oft möglich sein), wie viele Sprachanteile bei den Behandlungskonzepten nötig sind und wie schwer es ist, einen geeigneten Dolmetscher zu finden. Denkbar wäre auch, überregional Gruppen für bestimmte Muttersprachler einzurichten. Je erheblicher die Taten sind, die von einem Täter zu erwarten sind, desto höher sind die Anforderungen an die Anstrengungen, die zu unternehmen sind, um einen Sprachunkundigen erfolgreich behandeln zu können. Dies ergibt sich aus dem Sicherungszweck der Maßregel, der den Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten gebietet. Auch die Bereitschaft und Fähigkeit des Täters, die deutsche Sprache zu erlernen, kann als Gesichtspunkt bei der Prognose berücksichtigt werden (van Gemmeren MK Rdn. 61). Zu denken ist auch an die Möglichkeit der Vollstreckung im Ausland gem. § 70 Abs. 1 IRG; s.a. Rdn. lOOd zu Art. 68 des Schengener Übereinkommens, was aber nur sinnvoll ist, wenn in dem anderen Land eine § 64 vergleichbare Einrichtung besteht.
142
Bei allen Behandlungsprognosen sind auch soziale Aspekte und die Art der Behändlung von Belang (vgl. auch Rdn. 169 ff). So besteht wohl bei allen Fachleuten Einigkeit darüber, dass jedenfalls der hartnäckigen Alkohol- oder Drogenabhängigkeit in der Regel nur mit einer Kombination sorgfältig aufeinander abgestimmter Behandlungsmethoden, einer „therapeutischen Kette", beizukommen ist. 58 Der Erfolg einer stationären Behandlung hängt oft entscheidend von der begleitenden und nachträglichen Betreuung ab, die aus medizinischer Sicht heute in der Regel als unverzichtbar gilt. So bedarf der Süchtige nach der Kur in nahezu allen Fällen einer intensiven Stütze und geduldigen Führung, sei es durch kundige (Haus-)Ärzte, durch Fachambulanzen oder Übergangsheime, durch Alkohol- oder Suchtfürsorgestellen oder auch durch den Anschluss an einen Enthaltsamkeitsverein mit gegenseitiger Hilfeleistung der Mitglieder. Nicht selten wird sogar über längere Zeiträume hinweg noch eine Behandlung mit Psychopharmaka für erforderlich gehalten; als nützlich erwiesen haben sich ferner Gruppentherapie, autogenes Training, psychotherapeutische Einwirkung, sinnvolle Arbeits- und Beschäftigungstherapie. Wichtig ist ferner, dass - und zwar möglichst schon während des Anstaltsaufenthalts - die Angehörigen zugezogen und „durch Information und konfliktszentrierte Beratung, durch Ehetherapie und Familientherapie" (so der Bericht über die Lage der Psychiatrie, S. 276) in die Behandlung einbezogen werden. Es ist sehr häufig von ausschlaggebender Bedeutung, ob es gelingt, eine Veränderung der familiären und der sonstigen sozialen Umstände im Lebensbereich des Täters zu erreichen, die seine Süchtigkeit bedingt oder gefördert haben bzw. seiner Stabilisierung („Entwöhnung") entgegenstehen. Die Bemühungen der Maßregelvollzugseinrichtungen, die Patienten intensiv
143
57
58
Ähnlich differenziert Stange NStZ 2001 6 7 8 zwischen EG- und sonstigen Straftätern. Vgl. statt vieler m.w.N.: Athen MschrKrim. 1989 65; Kühne MschrKrim. 1984 38; Penners S. 120 ff; Täschner NJW 1984 638,
6 4 0 ; Bericht über die Lage der Psychiatrie, S. 265 ff, auch S. 2 7 4 ff; s. auch Volckart/ Grünebaum S. 2 0 4 ; OLG Köln N J W 1978 2350.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
durch Lockerungen, insbesondere Beurlaubungen, auf die Entlassung vorzubereiten, sind deshalb zu begrüßen, da in diesem Rahmen eine enge Betreuung möglich ist (so auch Schalast/Leygraf S. 181, 200). Wünschenswert ist und bleibt natürlich, dass die ambulante Nachbetreuung und deren Kooperation mit den Kliniken des Maßregelvollzugs ausgebaut wird. 144 Schwierig ist es aber, diese Gesichtspunkte, auf deren Bedeutung im Fachschrifttum immer wieder hingewiesen wird, schon bei Beurteilung der konkreten Erfolgsaussichten heranzuziehen, da es hierfür entscheidend auf die Wirkung der Kur nach der Unterbringung ankommt (zu ihrer weiteren Bedeutung für Ob und Wie einer Aussetzung s. Rdn. 169 ff). Die Rechtsprechung stellt im Prinzip allein auf Umstände in der Person des Täters ab, klammert hingegen im Grundsatz alle davon losgelösten Gesichtspunkte aus der Prüfung aus, insbesondere also alle Fragen der organisatorischen Ausgestaltung und der praktischen Durchführung der Kur, 59 und zwar selbst beim Fehlen eines geeigneten Therapieplatzes (dazu Rdn. 149). In erster Linie stellt der BGH dabei auf die unmittelbar suchtbezogenen Umstände in der Person des Täters ab (BGHSt 28 327); daneben hält er neuerdings in vorsichtiger Form auch die Heranziehung „nicht unmittelbar suchtbedingter Umstände" für möglich, „wenn es, ohne dass es insoweit weiterer Prüfung und Aufklärung bedarf, bereits im Zeitpunkt der Aburteilung für das Gericht ohne weiteres auf der Hand liegt, dass gerade wegen dieser Umstände eine hinreichend Erfolg versprechende Suchtbehandlung nicht möglich sein wird und auch durch besondere, auf die individuellen Verhältnisse des Täters abgestimmte organisatorische Maßnahmen der Verwaltung nicht erreicht werden kann" (BGHSt 36 199, 202, wo dies im Ergebnis aber für unzureichende Sprachkenntnisse verneint wird). An dieser Ansicht ist jedenfalls nicht überzeugend, dass eine Berücksichtigung „nicht unmittelbar suchtbezogener" persönlicher Umstände nur in Betracht kommen soll, wenn ihr Vorliegen für den Richter „ohne weitere Prüfung und Aufklärung" „auf der Hand liegt". Denn es gibt durchaus personenbezogene Umstände nicht suchtbedingter Art, die den Erfolg einer Entziehungskur im Sinne des S 64 Satz 2 ausschließen, aber im Einzelfall gewiss der näheren richterlichen „Prüfung und Aufklärung" bedürfen, so insbesondere bestimmte Krankheiten und Leiden. 145
Bedenklich erscheint darüber hinaus aber auch die Ansicht des BGH, im Rahmen des § 64 Satz 2 prinzipiell nur auf Umstände in der Person des Täters abzustellen, also die Fragen der organisatorischen Ausgestaltung und der praktischen Durchführung der Unterbringung in der Regel außer Acht zu lassen. Dass sich das nicht durchhalten lässt, zeigt im Grunde schon die Lockerung dieser Ansicht in BGHSt 36 199, die letztlich widersprüchlich bleibt: Es ist nicht einzusehen, warum die Lockerung nur für „nicht unmittelbar suchtbedingte" Umstände in der Person des Täters gelten soll, nicht aber auch für die spezifisch suchtbezogenen. Denn auch bei diesen Umständen sind ohne Zweifel Fälle denkbar, bei denen ein Erfolg der Kur nur aufgrund einer besonders aufwändigen Behandlung möglich erscheint, die aber mit den üblichen, generell vorgesehenen Mitteln einer Entziehungsanstalt nicht durchführbar ist, z.B. die Behandlung in Form einer langjährigen analytischen Psychotherapie klassischer Prägung oder eine Behandlung
59
BGH StV 1998 72; BGHSt 28 327, 328; 36 199, 200 = NStZ 1990 78 mit krit. Anm. Lorbacher; ebenso z.B. Horn SK Rdn. 14; Lackner/Kühl Rdn. 7; vgl. auch Schöch LK
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S 67 Rdn. 60 zur entsprechenden Handhabung beim Vorwegvollzug der Unterbringung.
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
§64
unter Einbeziehung des gesamten familiären und sozialen Umfelds des Täters. Allerdings hat der BGH nochmals betont, dass die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs nicht schon deshalb zu verneinen ist, weil der Täter aufgrund einer Persönlichkeitsstörung einer bestimmten Therapieform nicht zugänglich sei. Vielmehr müssten adäquate, die Behandlung des Täters gewährleistende Therapieformen bedacht werden. Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung und praktischen Durchführung der Maßregel allein dürften die Entscheidung nicht beeinflussen (BGH NStZ 2007 326 f). Dem BGH ist zuzugeben, dass der Strafrichter die Entscheidung über die Anwendbarkeit des § 64 nicht von den gewissermaßen mehr beiläufigen Details und Unterschiedlichkeiten in der Organisation, den Behandlungsmethoden und der (personellen oder sächlichen) Ausgestaltung der konkreten Entziehungsanstalt abhängig machen darf, die sich u.U. ja auch schnell ändern. So wird der Richter (entgegen möglicherweise Penners S. 55) nicht darauf Rücksicht nehmen dürfen, dass in der konkreten Anstalt nur ein unerfahrenes Ärzteteam zur Verfügung steht. Aber der Strafrichter muss die Persönlichkeit des Täters immer auch in der Relation zu den Möglichkeiten der Behandlung in einer Entziehungsanstalt sehen und diese in einer Art generalisierender Betrachtung mit den persönlichen Umständen in der Person des Täters in Verbindung bringen. Denn sie sind mindestens im Grenzbereich untrennbar miteinander verzahnt. Die gegenteilige Haltung des BGH ist zu sehr von der Tendenz zur Beweiserleichterung (BGHSt 36 199) bzw. der Tendenz bestimmt, Mängel in der Ausstattung der Anstalten bei der richterlichen Entscheidung nicht gelten zu lassen (BGHSt 28 327; dazu Rdn. 149).
146
Dem BGH ist wiederum zuzustimmen, wenn er feststellt, dass eine erhöhte Fluchtgefahr bei Lockerungen im Maßregelvollzug bei der Prognose, ob eine hinreichend konkrete Aussicht auf den Behandlungserfolg besteht, außer Betracht zu bleiben hat (BGH NStZ-RR 2002 7; BGH Beschl. v. 27.7.1999 - 4 StR 328/99). Insbesondere ist bei einem Ausländer nicht automatisch von einer Fluchtgefahr auszugehen; Stange (StV 2001 678 f) weist zutreffend darauf hin, dass nach Art. 68 des Schengener Übereinkommens eine Sicherung des Vollzugs durch Erbitten der Vollstreckungsübernahme möglich ist, und so ein effektiver Weg zur Verfügung steht, um der Fluchtgefahr wirksam zu begegnen.
147
5. Nichtgeltung von in dubio pro reo. Anders als bei der Beurteilung der weiteren Gefährlichkeit des Täters (s. Rdn. 100) gilt der Grundsatz in dubio pro reo bei der Entscheidung über die Erfolgsprognose nach § 64 Satz 2 nicht: Da es sich um eine den Eingriffstatbestand begrenzende Prognoseeinschätzung handelt, muss nur die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs zur Überzeugung des Gerichts feststehen, insofern also bewiesen sein. Die prognostische Unsicherheit führt nicht zur Anwendung des Zweifelssatzes.
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6. Mangelnde Behandlungsintensität. In den beiden Vorauflagen hat Hanack mit beachtlichen Gründen die Auffassung vertreten, dass von einer Aussichtslosigkeit der Behandlung auch dann auszugehen sei, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten des räumlichen Bezirks, in dem die Unterbringung vollzogen werde, Möglichkeiten für eine ausreichend intensive Behandlung nicht zur Verfügung stünden, die Unterbringung also nur auf eine vordergründige Zwangsabstinenz, im übrigen aber auf einen „Verwahrungsvollzug" ohne weitergehende Einwirkung auf die der Sucht „zugrunde liegende Fehlhaltung" (vgl. § 137 StVollzG) hinauslaufen würde und dieser Vollzug nach den Umständen des Einzelfalles erkennbar „von vornherein aussichtslos" sei (Hanack LK 1 1 Rdn. 103). Demgegenüber vertreten der BGH und die herrschende Lehre die Ansicht, dass das Gericht nicht allein deswegen von der Unterbringung absehen dürfe, weil es im zuständigen Bereich keine Anstalt gebe, die eine Erfolg versprechende Suchtbehandlung durch-
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führen könnte; 60 organisatorische und praktische Gesichtspunkte, die die Durchführung der Maßregel betreffen, seien danach nicht zu berücksichtigen. Es sei Sache der Verwaltung, die gesetzlich vorgesehenen Einrichtungen bereitzustellen, u.U. durch länderübergreifende Verwaltungsvereinbarungen; jedenfalls könnten die Gerichte einem eindeutigen Gesetzesbefehl die Gefolgschaft nicht deswegen versagen, weil die Exekutive diese Bereitstellung nicht vornehme, zumal die Exekutive es sonst in der Hand hätte, durch Verzögerung der notwendigen Maßnahmen die Durchführung eines Gesetzes für einen ihr richtig erscheinenden Zeitraum zu verhindern (so insbes. BGHSt 28 329). Es ist allerdings zweifelhaft ob diese zugespitzte Situation einer bloßen Verwahrung, die teilweise in den 60er und 70er Jahren, vereinzelt auch noch in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts vorkam, heute noch irgendwo der Realität entspricht, und ob ein Gericht in der Lage wäre, dies mit strafprozessualen Beweismitteln festzustellen. 150
Jedenfalls kommt die durch das UnterbrSichG vom 16.7.2007 geschaffene Neufassung des § 64 den Bedenken Hanacks in doppelter Weise entgegen. Zum einen eröffnet jetzt das Erfordernis der positiven Behandlungsprognose - besser als die Feststellung völliger Aussichtslosigkeit - die Möglichkeit, die organisatorische Ausgestaltung und praktische Durchführung des Maßregelvollzugs in gewissen Grenzen mit den persönlichen Umständen in der Person des Täters in Verbindung zu bringen (Rdn. 143 f). Zum andern könnte das Gericht im Rahmen des durch die neue Soll-Vorschrift eröffneten Ermessens bei gravierenden Defiziten der Vollzugsgestaltung von der Anordnung absehen, was aber auf seltene Ausnahmefälle begrenzt werden müsste, um die für den Maßregelvollzug zuständigen politischen Instanzen nicht aus der Verantwortung zu entlassen. VII. Kumulation von Strafe und Unterbringung
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Während nach § 42c a.F. die Unterbringung nur neben Strafe angeordnet werden konnte, erfasst § 64 auch Täter, die wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit für die Anlasstat nicht bestraft werden können. Das Gesetz schließt damit eine Lücke (E 1962, S. 211 f), die praktisch freilich nicht sehr bedeutsam war (oben Rdn. 33). Ist der Täter (voll oder vermindert) schuldfähig, setzt das Gesetz, entsprechend dem Prinzip der Zweispurigkeit, seine „Verurteilung" voraus. Die Art der Verurteilung ist dabei gleichgültig (oben Rdn. 30 ff). Eine Unterbringung des Schuldfähigen ohne „Verurteilung" kommt außer in den Fällen des S 5 Abs. 3 JGG nur dann in Betracht, wenn ein früheres Urteil, das Schuldunfähigkeit bejahte, aufgehoben worden ist und nun wegen des Verbots der Schlechterstellung in der neuen Hauptverhandlung trotz Feststellung von (voller oder verminderter) Schuldfähigkeit eine Strafe nicht mehr verhängt werden darf. Hier entfällt die Strafe nur aus dem verfahrensrechtlichen Grund des Verbots der reformatio in peius; vgl. dazu näher Schöch LK Vor § 61 Rdn. 135 und § 63 Rdn. 149. Daran hat auch die Neufassung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO durch das UnterbrSichG vom 16.7.2007 nichts geändert, da dieser das Verbot der reformatio in peius nur für den seltenen Fall einer Aufhebung der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus durchbricht (dazu Schöch LK § 63 Rdn. 198), nicht für die Unterbringung
60
BGH StV 1998 72; BGHSt 2 8 327; 36 199, 201 m.w. Nachw. = NStZ 1990 78 mit krit. Anm. Lorbacher; BGH NStZ 1 9 8 9 4 9 2 mit krit. Anm. Scholz; BGH NStZ 1982 132;
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Horn SK Rdn. 15; Lackner/Kühl Rdn. 7 ; Fischer Rdn. 2 4 ; Jescheck AT § 77 III 1; Schreiber S. 56; vgl. auch OLG Hamburg MDR 1988 516.
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
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in einer Entziehungsanstalt, da diese ja auch bei Feststellung voller Schuldfähigkeit nach Aufhebung des ersten Urteils bestehen bleiben kann. Die Anordnung der Unterbringung nach § 64 ist auch neben lebenslanger Freiheitsstrafe möglich (BGHSt 37 160 m. Anm. Schüler-Springorum StV 1991 560; Schöch LK § 67 Rdn. 17, 18). Da § 67 davon ausgeht, dass die Maßregel grundsätzlich vor der Strafe zu vollstrecken ist, um die besonderen Einwirkungsmöglichkeiten des Maßregelvollzugs nutzbar zu machen, ist - anders als im früheren Recht und ähnlich wie bei § 63 (näher Schöch LK § 63 Rdn. 150) - davon auszugehen, dass die Unterbringung auch neben lebenslanger Freiheitsstrafe in Betracht kommt, wobei ein Vorwegvollzug der Strafe nach § 67 Abs. 2 jedoch grundsätzlich ausscheidet (BGHSt 37 160). Daran hat auch die Lockerung des Vikariierungsprinzips durch das UnterbrSichG vom 16.7.2007 nichts geändert, da der neue § 67 Abs. 2 Satz 2 auf zeitige Freiheitsstrafen von über drei Jahren begrenzt ist. Gerade bei längeren Freiheitsstrafen soll frühzeitig mit der Behandlung begonnen werden (BGH aaO). Das Ziel der Unterbringung, den Täter von seinem Hang zu befreien und zugrunde liegende Fehlhaltungen zu korrigieren (§ 137 StVollzG), ist nämlich wiederum von Bedeutung für den Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe, deren Vollzugsziel im Übrigen auf ein künftiges Leben in Freiheit ausgerichtet sein muss (BVerfGE 45 187, 239). Nach Erreichung des Ziels der Unterbringung (§ 137 StVollzG) ist dann freilich nicht § 67 Abs. 5 anwendbar, der erkennbar nur für zeitige Freiheitsstrafen gelten soll, wie auch § 57a zeigt.
152
Dass eine Unterbringung bereits früher in einem anderen Verfahren angeordnet worden ist, hindert die erneute Anordnung nicht;61 jedoch gilt die frühere Anordnung dann kraft Gesetzes als erledigt (§ 67f). Werden in einem Urteil mehrere Strafen verhängt (z.B. wegen § 55 StGB), darf die Maßregel des § 64 StGB aber nur einmal angeordnet werden (BGH bei Detter NStZ 2003 475). Die Frage, ob die Maßregelanordnung in einem solchen Fall einer der Strafen zuzuordnen ist (wenn sie neben mehreren der verhängten Strafen in Betracht kommt), oder ob dies dem Vollstreckungsverfahren (§ 44b StrVollstrO) zu überlassen ist, hat der BGH offengelassen (BGH bei Detter NStZ 2003 475).
153
Für das Verhältnis zur Strafe - soweit eine solche angeordnet wird - gilt im Prinzip, wie bei der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (s. näher Schöch LK § 63 Rdn. 154), dass der Richter nicht befugt ist, anstelle der Maßregel eine längere Strafe zu verhängen (BGHSt 20 264 für § 42b a.F.), er aber auch die schuldangemessene Strafe nicht allein im Hinblick auf die Maßregel-Anordnung unterschreiten darf (BGHSt 24 123 für § 42b a.F.). Vgl. zur Problematik näher Schöch LK Vor § 61 Rdn. 24 f.
154
V m . Soll-Vorschrift Lagen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, so war das Gericht nach dem klaren Wortlaut des früheren Gesetzes verpflichtet, die Unterbringung anzuordnen,62 sofern kein eindeutiger Fall der Aussichtslosigkeit nach § 64 Abs. 2 a.F. vorlag. Für eine Ermessensentscheidung bestand daher kein Raum. Die in Grenzfällen vermisste Flexibilität wurde eigentlich bereits, durch die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.3.1994 (BVerfGE 91 1) verlangte positive Behandlungsprognose ermöglicht, da
61
Lackner/Kühl Rdn. 7; OLG Frankfurt NJW 1960 1399; BGH NStZ 1992 4 3 2 : nach bisheriger Rechtslage bei Vorliegen der Voraussetzungen sogar zwingend geboten.
62
BGHSt 37 5, 6; BGH bei Holtz M D R 1990 886; OLG Köln NJW 1978 1802; Sch/Schröder/Stree Rdn. 12.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
im Rahmen der unbestimmten Rechts begriffe „hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg" ungeeignete Hangtäter hätten ausgeschieden werden können. Der Regierungsentwurf zum UnterbrSichG vom 1 6 . 7 . 2 0 0 7 wollte daher § 6 4 als zwingende Vorschrift beibehalten. 6 3 Tatsächlich wirkte sich dies aber auf die Anordnungspraxis der Gerichte nach 1 9 9 4 nicht aus; im Gegenteil, die Einweisungszahlen stiegen weiterhin nachhaltig (von 1995 bis 2 0 0 5 um mehr als das Doppelte, ähnlich die Zahl der Untergebrachten in Entziehungsanstalten; Schöch LK § 6 2 Rdn. 13). 156
So ist es verständlich, dass der Gesetzgeber dem Vorschlag des Bundesrats 6 4 folgte und - trotz der Gefahr einer Beschränkung der Behandlungsplätze auf das von den Gesundheits- und Sozialministerien für erforderlich gehaltene M a ß 6 5 - § 6 4 Satz 1 in eine Soll-Vorschrift umgestaltete. Das bedeutet, dass das Gericht in der Regel die Unterbringung anordnen muss, wenn die Voraussetzungen vorliegen; lediglich in besonderen Ausnahmefällen darf es von der Anordnung absehen. 6 6 In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 2 5 . 4 . 2 0 0 7 wird für die Ausnahmefälle auf die folgenden drei Fallgruppen verwiesen, die im Bundesratsentwurf genannt waren. 6 7 Diese sollten dazu beitragen, dass die Kapazitäten der Entziehungsanstalten nicht durch eine beträchtliche Anzahl „von in Anbetracht des Heilungszwecks weniger geeigneten Personen blockiert würden" (BT-Drs. 16/1344, S. 12).
157
Die erste Fallgruppe sollen Ausländer mit unzureichenden Sprachkenntnissen sein, mit denen eine Verständigung nicht oder nur über einen Dolmetscher möglich ist. Da die Rechtsprechung bisher überwiegend mangelhafte oder fehlende Sprachkenntnisse des Angeklagten bei der Unterbringungsanordnung außer Betracht ließ (BGHSt 3 6 199; B G H N S t Z - R R 2 0 0 2 7), mussten die für den Maßregelvollzug zuständigen Behörden geeignete Vollstreckungsmöglichkeiten bereitstellen.
158
In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 2 5 . 4 . 2 0 0 7 6 8 heißt es dazu einschränkend, es solle dabei bleiben, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers allein nicht Grund sein könne, auf seine Unterbringung zu verzichten. Unter Hinweis auf BGHSt 3 6 199, 2 0 1 wird die Auffassung vertreten, dass die für den Vollzug der Maßregel zuständigen Vollstreckungs- und Verwaltungsbehörden verpflichtet seien, behandlungsund besserungsfähigen ausländischen Täterinnen und Tätern hinreichend geeignete, ihren besonderen persönlichen Verhältnissen individuell gerecht werdende Vollstreckungsmöglichkeiten bereitzustellen. Nur wenn der Schaffung dieser Voraussetzungen unüberwindbare Schwierigkeiten entgegenstünden, weil z.B. der ausländische Verurteilte eine in Deutschland sehr selten vertretene Fremdsprache spreche, und im Einzelfall auch nicht erwartet werden könne, dass die verurteilte Person im Maßregel- oder Strafvollzug ausreichend Deutsch lernen werde, um an einer Therapie mitwirken zu können, dürfe auf ihre Unterbringung verzichtet werden. Wie oben gezeigt (Rdn. 141 f), ist die Rechtsprechung aber schon bisher nicht einheitlich der Auffassung, dass bei sprachunkundigen Ausländern eine positive Behandlungsprognose möglich sei (jedenfalls zweifelnd der 5. Senat B G H N S t Z 2 0 0 1 418). Angesichts noch größerer Handlungsspielräume bei der
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64 65
BT-Drs. 16/1110, S. 7; zust. Schöch Protokoll der 47. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags am 28.2.2007, 16. Wahlperiode S. 18 f, 90 (schriftliche Stellungnahme). BT-Drs. 16/1344, S. 7,12. Kritisch dazu Schöch Protokoll der 47. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen
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Bundestags am 28.2.2007, 16. Wahlperiode S. 18 f, 90 (schriftliche Stellungnahme). Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 25.4.2007, BT-Drs. 16/5137, S. 24. BT-Drs. 16/1344, S. 12. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 25.4.2007, BT-Drs. 16/5137, S. 24 f.
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
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Ermessensausübung und wegen des Überbelegungs-Druckes in den Entziehungsanstalten wäre es wohl nicht gesetzeswidrig, wenn sich in dieser Frage eine etwas restriktivere und differenziertere Anordnungspraxis (dazu Rdn. 142) durchsetzen würde. Die zweite Fallgruppe betrifft Ausländer mit bevorstehender Ausweisung (BT-Drs. 16/ 1344). Hier gehe es beispielsweise um durchreisende, schwer betäubungsmittelabhängige und nicht der deutschen Sprache mächtige Kuriere, bei denen durchweg die Voraussetzungen des § 64 bejaht werden müssten. Es erscheine nicht vertretbar, in solchen Konstellationen die beschränkten Ressourcen des Maßregelvollzugs einzusetzen, obwohl die Ausweisung bevorstehe und die ohnehin problematischen Therapiebedingungen deswegen noch deutlich erschwert seien, weil eine regelmäßig erhöhte Fluchtgefahr bestehe, die Lockerungen entgegenstehe (zur bisherigen Unterbringungspraxis vgl. aber BGH NStZ-RR 2002 7 sowie Rdn. 147). Das Absehen von der Anordnung des § 64 geht in solchen Fällen der nach § 67 Abs. 2 Satz 4 bestehenden Möglichkeit der Vollstreckung der Maßregel vor der Strafe logisch vor, jedoch kann in Grenzfällen (z.B. bei unsicherer Ausweisung), auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben der Strafe angeordnet und dann der flexible Weg über die Soll-Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 4 gewählt werden (§ 67 Rdn. 100 ff).
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Die dritte Fallgruppe betrifft Täter mit Persönlichkeitsstörungen, bei denen eine Disposition für die Begehung von Straftaten nicht wesentlich durch den Hang zu übermäßigem Drogenkonsum, sondern durch weitere Persönlichkeitsmängel begründet wird und deshalb eine Erprobung unter Lockerungsbedingungen nicht möglich ist (vgl. BGH NStZ-RR 1997 231; KG NStZ 2001 166). 6 9 Hier ist vor allem an dissoziale Persönlichkeitsstörungen zu denken, bei denen nur in Ausnahmefällen zugleich die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 63 gegeben sind.
160
Darüber hinaus ist an Grenzfälle der positiven Behandlungsprognose gedacht, in 1 6 1 denen zwar eine Erfolgsaussicht gerade noch bejaht werden kann, die Ausgangsbedingungen aber sehr ungünstig sind. Hierdurch soll der Maßregelvollzug von einem faktisch nicht zu leistenden Therapieaufwand entlastet werden, der den aussichtsreichen Fälle die knappen Ressourcen entzieht (BT-Drs. 16/1344, S. 12 f). Es wird Aufgabe der Gerichte sein, bei ihrer Ermessensausübung von diesen Ausnahmen äußerst behutsam Gebrauch zu machen, da im Rahmen der Soll-Vorschrift nach wie vor Gesichtspunkte der Besserung und Sicherung dominant sind 70 und das Absehen von der Anordnung des § 64 auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben muss. So wäre es z.B. ermessensfehlerhaft, die Anordnung der Maßregel im Hinblick darauf zu unterlassen, dass der Täter noch eine längere Freiheitsstrafe zu verbüßen hat. Die zu S 42c a.F. vertretene Auffassung, dass es in diesem Falle an der „Erforderlichkeit" der Unterbringung fehlen könne (BGH NJW 1972 374; Pfeiffer/Maul/Schulte Anm. 2 m.w.N.), weil es bereits durch die Freiheitsstrafe zu einer wirksamen Entwöhnung kommen werde, ist seit der Strafrechtsreform schon wegen des grundsätzlichen Vorwegvollzugs der Maßregel (§ 67) nicht mehr vertretbar. Sie erscheint im Übrigen auch deswegen fragwürdig, weil allein durch die Abstinenz die spezifische Gefährdung des Süchtigen meist nicht beseitigt wird, sondern eine weitergehende Behandlung erforderlich ist, die in der Strafanstalt regelmäßig nicht geleistet werden kann.
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BT-Drs. 16/1344, S. 12. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 25.4.2007, BT-Drs. 16/5137, S. 24.
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Auch die fehlende Ausübung des Ermessens, z.B. wegen eines zu engen Hang-Begriffes, führt zur Aufhebung des Urteils in der Revisionsinstanz (BGH StV 2008 76). IX. Konkurrenz mit anderen Maßregeln 163
Sind die Voraussetzungen mehrerer Maßregeln erfüllt, hat das Gericht nach den Grundsätzen des § 72 zu entscheiden, ob und wieweit sie nebeneinander angeordnet werden müssen und in welcher Reihenfolge sie dann zu vollstrecken sind (s. näher die Erl. zu S 72). Die Frage macht vor allem Schwierigkeiten, wenn sowohl die Voraussetzungen des § 64 als auch die des § 63 gegeben sind (dazu Hanack LK § 72 Rdn. 21). Dass sich ein erheblicher Teil der unterbringungsbedürftigen süchtigen Rechtsbrecher möglicherweise im psychiatrischen Krankenhaus befindet (oben Rdn. 16), ist kein gutes Zeichen. Der Bericht über die Lage der Psychiatrie (S. 278) rechnet aber damit, dass auch in Zukunft „eine nicht unbeträchtliche Zahl" von Alkohol- und Drogensüchtigen als „Patienten mit hochgradigen Verwahrlosungserscheinungen, die körperlich und psychisch bereits erheblich geschädigt sind", auf Dauer „krankenhausbedürftig" bleibt, also „eine anderweitige Unterbringung außerhalb des Krankenhauses nicht in Betracht kommt". Zur Anordnung von § 63, wenn eine Anordnung nach § 64 mangels hinreichend konkreter Erfolgsaussicht scheitert, s. BGH NStZ 2004 96 und Schöch LK § 63 Rdn. 115.
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Wenn der vom Täter ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) durch die Unterbringung in der Entziehungsanstalt begegnet werden kann, ist die Sicherungsverwahrung nicht gleichzeitig anzuordnen (BGH NStZ-RR 1997 291; BGH NStZ 2000 587, 589; Beschl. v. 12.9.2007 - 5 StR 347/07). Allerdings sind an die Sicherheit der Prognose bezüglich der Erfolgsaussicht sehr hohe Anforderungen zu stellen („ein hohes Maß an Gewissheit", BGH NJW 2000 3015). X . Unterbringung nach landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen
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Eine Unterbringung von Alkohol- und Rauschmittelsüchtigen ist grundsätzlich auch nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen (s. dazu Schöch LK § 63 Rdn. 158) möglich (eingehend insbes. Marschner/Volckart Teil Β Rdn. 110 ff). Im Unterschied zu § 64 kommt es dabei auf die Gefahr weiterer Straftaten nicht an. Auch reicht die bloße Selbstgefährdung. Die Unterbringung entfällt ferner nicht bei Aussichtslosigkeit der Behandlung, ist also nicht von einer Besserungsmöglichkeit abhängig. Die Abgrenzung zwischen den beiden Unterbringungsmöglichkeiten ist, soweit sie sich überschneiden, ebenso zu beurteilen wie bei § 63 (Schöch LK § 63 Rdn. 159 ff). Sie bestehen also grundsätzlich nebeneinander (streitig, s. aaO). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass § 64, anders als § 63, eine Befristung in der Höchstdauer der Maßregel kennt. Zu den Möglichkeiten, die unerfreulichen Konsequenzen des Nebeneinanders beider Unterbringungsmöglichkeiten abzumildern, s. näher Schöch LK S 63 Rdn. 169 ff. XI. Dauer der Unterbringung; Aussetzung, Erledigung, Kontrolle
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1. Dauer der Unterbringung. Auch § 64 ist eine Maßregel von unbestimmter Dauer, obwohl die Höchstdauer der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 1 grundsätzlich auf zwei Jahre befristet ist. Aber innerhalb dieser Frist dauert sie (ungeachtet des § 67d Abs. 5) so 394
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
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lange, wie es ihr Zweck erfordert. Der Richter hat daher die Dauer der Unterbringung im Urteil nicht festzusetzen. 71 Die Zweijahresfrist des § 67d Abs. 1 verlängert sich nämlich gemäß § 67d Abs. 1 S. 3, wenn der Täter gleichzeitig zu Freiheitsstrafe verurteilt und die Maßregel vor der Strafe vollzogen wird (dazu § 67). Die dann u.U. lange Zeit eines möglichen Maßregelvollzugs auszunutzen, empfiehlt sich aber in aller Regel nicht (dazu § 67 Rdn. 58). Nach der Neufassung des § 67 Abs. 2 Satz 2, 3 durch das UnterbrSichG vom 16.7.2007 soll bei Anordnung des § 64 neben einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren letztere solange vorweg vollzogen werden, dass danach und nach einer anschließenden Unterbringung in der Entziehungsanstalt diese nach § 67 Abs. 5 zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Die Maßregeldauer erhöht sich nicht, wenn sie durch verschiedene Urteile mehrfach angeordnet worden ist (§ 67f; überholt darum OLG Frankfurt N J W 1960 1399), wenn eine Aussetzung der Unterbringung gemäß § 67g Abs. 1 - 3 widerrufen wird (§ 67g Abs. 4) oder es zur Einbeziehung der Unterbringung in eine spätere Gesamtstrafe kommt (vgl. BGHSt 30 305). Die Zweijahresfrist war bei der Strafrechtsreform umstritten. Sie beruht auf der Annahme, dass die Entwöhnung, wenn überhaupt, innerhalb dieser Frist gelingt. 72 Der Gesetzgeber ging nach den Äußerungen der Sachverständigen davon aus, dass die Frist nicht nur bei der ersten, sondern auch bei der wiederholten Unterbringung ausreiche (2. Bericht S. 33); er wich daher vom Vorschlag des § 89 E 1962 ab, die Frist bei der wiederholten Unterbringung auf vier Jahre zu erstrecken. Eine Verweildauer von mehr als einem Jahr hielt der Gesetzgeber in der Regel sogar eher für schädlich (2. Bericht aaO; Rdn. 166).
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2. Aussetzung der Vollstreckung, Führungsaufsicht a) Allgemeines. Eine Aussetzung der Vollstreckung oder der weiteren Vollstreckung kommt, genau wie bei § 63 (s. dort Rdn. 177), in folgender Weise in Betracht: als Aussetzung zugleich mit der Anordnung durch das erkennende Gericht (§ 67b), als Aussetzung nach einer - ausnahmsweise - vorweg vollzogenen Freiheitsstrafe (§ 67c Abs. 1); als Aussetzung, wenn drei Jahre nach Rechtskraft ein Vollzug der Unterbringung noch nicht begonnen und der Täter auch nicht vorab Freiheitsstrafe verbüßt hat (§ 67c Abs. 2); als Aussetzung zur Bewährung nach begonnenem Vollzug, sobald verantwortet werden kann zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 2). Mit der Aussetzung tritt jeweils kraft Gesetzes Führungsaufsicht ein.
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b) Entscheidung über die Aussetzung; Einwirkungen während der Aussetzung. Nach den Angaben im 2. Bericht (S. 33) wurden untergebrachte Trinker, und zwar auch im Wiederholungsfalle, damals in der Regel nach einem Jahr entlassen. Ein längeres Festhalten hätte nach Meinung des Berichts aufgrund der praktischen Erfahrungen sowohl bei Trinkern als auch bei anderen Süchtigen im Zweifel sogar mehr negative als positive Wirkungen, weil „die Schwierigkeiten des Lebens, an denen sie bisher gescheitert sind, in
169
71
72
BGHSt 3 0 305, 3 0 7 ; RG H R R 1936 Nr. 1684; allg. Meinung, Sch/Schröder/Stree Rdn. 12. So auch BGH 4 StR 5 8 3 / 6 6 v. 4 . 2 . 1 9 6 6 im Anschluss an RG J W 1936 4 5 2 ; AG Bremen
NJW 1956 1888; kritisch Ehrhardt FortschrNeurol-Psych 1969 6 6 8 unter Hinweis auf eine „seit Jahrzehnten" gegenteilige Auffassung „von psychiatrischer Seite".
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der Anstalt nicht auftreten, sie sich mit ihnen deshalb auch nicht auseinandersetzen können", so dass „ihnen die spätere Bewährung nach der Entlassung um so mehr erschwert (wird), je länger sie in der geschlossenen Anstalt gehalten werden". Im Grundsatz gelten diese Erfahrungen wohl heute noch (vgl. die Angaben bei Horstkotte LK 10 § 67d Rdn. 4), mag auch bei der Unterbringung von Drogensüchtigen, die heute z.T. länger dauert (vgl. Horstkotte aaO), jetzt eine differenziertere Betrachtung angezeigt sein. 170
Noch immer wichtig ist auch die medizinische Konzeption (vgl. schon Rdn. 137 ff), dass „der Schwerpunkt bei der Behandlung der Abhängigkeit ... auf der ambulanten Betreuung" liegen sollte. Die stationäre Behandlung wird nur „als ein Glied in der Behandlungskette angesehen. Sie stellt eine allerdings sehr behandlungsintensive Phase der Therapie dar", hat aber „andererseits den Nachteil, dass sie in der Regel in einem ungünstigen Milieu abläuft und damit ungünstigere Voraussetzungen für die Erzielung einer dauerhaften Abstinenz" mit sich bringt, da „ein abnorm süchtiges Verhalten im Wesentlichen nur dann korrigiert werden kann, wenn der Patient - eventuell nach einer durch eine kurz- oder mittelfristige stationäre Behandlung erreichten zeitlichen Zäsur in seinem normalen sozialen Umfeld verbleibt und mit den hierbei auftretenden Spannungen, Problemen und Konflikten konfrontiert wird" (so der Bericht über die Lage der Psychiatrie, S. 274).
171
Ob im Einzelfall aus medizinischer Sicht eine stationäre Behandlung erforderlich ist, kann grundsätzlich nur der Sachverständige (vgl. §§ 80a, 81, 246a StPO) beurteilen. „Die Entscheidung ... muss nach genauer Diagnose und Analyse der Persönlichkeitsstruktur, Feststellung der bereits eingetretenen Schäden sowie Beurteilung der jeweiligen Umweltbedingungen ... getroffen werden" (Bericht über die Lage der Psychiatrie, S. 286). Bei fortgeschrittenerem Suchtstadium wird eine anfänglich klinisch-stationäre Behandlung meist für erforderlich gehalten. Sie muss dann vielfach in einer geschlossenen Anstalt erfolgen, schon um den vielfältigen möglichen Komplikationen im akuten Entziehungsstadium (Abstinenzdelirium bei Alkoholikern, Krampfanfällen bei Arzneimittelsüchtigen usw.) zu begegnen.
172
Die ärztliche und die richterliche Sicht über eine notwendige Anstaltsunterbringung sind im Einzelfall nicht ohne weiteres identisch, weil es bei der Frage der Vollstreckung (§ 67b) wie der weiteren Vollstreckung einer Unterbringung (§ 67d Abs. 2) jeweils immer, wenn auch in etwas unterschiedlicher gesetzlicher Akzentuierung, entscheidend darauf ankommt, ob vom Täter im Falle der Aussetzung weitere Straftaten drohen.
173
Ist eine Aussetzung der Vollstreckung oder der weiteren Vollstreckung möglich, muss das dafür zuständige Gericht stets sorgfältig prüfen, wie die dann kraft Gesetzes eingreifende Führungsaufsicht zweckmäßigerweise ausgestaltet wird. Die Führungsaufsicht dient der Stützung („Besserung") wie der Überwachung („Sicherung"), kann oder muss aber den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalles angepasst werden und kann daher auch vornehmlich oder allein nur auf eine der beiden Funktionen beschränkt werden (vgl. Schneider LK Erl. Vor § 68).
174
Der stützenden Hilfe ist der Süchtige fast immer bedürftig (Rdn. 143 ff), schon weil er in vielen Fällen nicht im eigentlichen Sinne „geheilt", sondern nur „entwöhnt" werden kann (Rdn. 124). Der Richter und die sonstigen Beteiligten - insbesondere der bei der Führungsaufsicht zwingend zu bestellende Bewährungshelfer (§ 68a), aber auch der Verteidiger, der hier viel Gutes bewirken kann - müssen versuchen, die in ihrem regionalen Bezirk bestehenden Möglichkeiten herauszufinden und nutzbar zu machen. Dem Richter wird dabei ein mit den Verhältnissen vertrauter Sachverständiger viel helfen können; im Übrigen ist namentlich auf die einschlägigen Beratungsstellen und die zu ihrer Auffindung bestehenden Hilfen (vgl. Rdn. 179) zu verweisen.
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Heinz Schöch
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
§64
3. Erledigung der Maßregel; Abbruch. Endgültig entlassen wird der Untergebrachte nach Ablauf der Höchstfrist („Erledigung" der Maßregel, § 67d Abs. 4). Eine vorzeitige Erledigung kann unter den Voraussetzungen des § 67c Abs. 2 erfolgen, wenn drei Jahre nach Rechtskraft der Anordnung ihr Vollzug oder ein Strafvollzug noch nicht begonnen hat (näher Rissing-van Saan/Peglau LK Erl. zu § 67c). Kommt es zu einer erneuten Anordnung der Maßregel, ist eine frühere Anordnung erledigt (§ 67f; näher Rissing-van Saan/Peglau LK Erl. zu § 67f).
175
Ansonsten erledigt sich die Maßregel, wie bei § 63 (Schöch LK § 63 Rdn. 179), regelmäßig auf dem Weg der Aussetzung der Vollstreckung oder der weiteren Vollstreckung (Rdn. 168 ff) mit dem Ende der dann eintretenden Führungsaufsicht oder der sonstigen Beendigung dieser Aufsicht (vgl. Schneider LK § 68e Rdn. 44). Ausnahmsweise und obwohl im Gesetz nicht vorgesehen, ist die vorzeitige Erledigung (ohne Führungsaufsicht) nach herrschender Meinung auch möglich, wenn sich herausstellt, dass die Maßregel zu Unrecht angeordnet worden ist, nicht jedoch, wenn der Täter während des Vollzugs von der Sucht geheilt wird (streitig; näher Rissing-van Saan/Peglau LK Erl. zu § 67c und § 67d). Das OLG Karlsruhe (R&P 2006 43) bejaht diese Möglichkeit in dem speziellen Fall, dass der Täter das Therapieziel erreicht hat, aber neben der Sucht noch weitere dissoziale Persönlichkeitsstörungen vorliegen, die nicht aufgearbeitet wurden, was aber eben auch nicht Zweck der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei. Der eigentliche Maßregelzweck wurde also erreicht, so dass diese für erledigt erklärt werden konnte (zur Anwendung von § 67c Abs. 2 S. 5 StGB analog statt S 67d Abs. 5 s. ebenfalls OLG Karlsruhe R&P 2006 43 f m. Anm. Pollähne).
176
Von der Erledigung der Maßregel ist ihr Abbruch aus den Gründen des § 67d Abs. 5 zu unterscheiden; dazu im Einzelnen Rissing-van Saan/Peglau LK Erl. zu § 67d. 4. Kontrollpflichten. Während der Unterbringung bestehen besondere Überwachungspflichten im Hinblick auf die weitere Erforderlichkeit der Vollstreckung insbesondere nach § 67e (näher Rissing-van Saan/Peglau LK Erl. zu § 67t).
177
ΧΠ. Außerstrafrechtliche Hilfemöglichkeiten; sozialrechtliche Probleme 1. Allgemeines. Alkohol- und Rauschmittelsucht sind in der Sache Zustände krankhafter oder krankheitsähnlicher Art (vgl. auch Rdn. 54 f), die regelmäßig die soziale Lage des Betroffenen und seiner Familie tief greifend berühren und die darum in mancherlei Weise auch sozialrechtliche Bedeutung besitzen bzw. Gegenstand helfenden Bemühens sind. Darüber sollte auch der Strafjurist, insbesondere der Verteidiger, Bescheid wissen, damit er bestehende Hilfsmöglichkeiten ausnutzen kann (vgl. auch Bode BA 1976 271); das gilt vor allem im Rahmen der Entscheidung über eine mögliche Aussetzung der Unterbringung (oben Rdn. 169 ff).
178
Es ist nicht Aufgabe dieses Kommentars und übersteigt seine Möglichkeiten, die Fülle der außerstrafrechtlichen Hilfsmöglichkeiten und der sozialrechtlichen Probleme im Einzelnen darzustellen (ganz abgesehen davon, dass sich diese Möglichkeiten und Regelungen vielfach schnell ändern). Hingewiesen werden darf aber auf Folgendes. 2. Beratungsstellen und Aufklärungsmaterial. Es gibt in der Bundesrepublik eine ganze Reihe staatlicher, karitativer sowie auf privater Initiative beruhender Beratungsstellen, die sich um Alkoholiker und Süchtige bemühen (und vielfach auch Lehrgänge für Helfer durchführen oder/und Aufklärungsmaterial zur Verfügung stellen). Heinz Schöch
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§64
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Zu nennen sind insbesondere: die DHS - Dt. Hauptstelle gegen die Suchtgefahren mit einer Zentrale (in Hamm) und entsprechenden Landesstellen (Zusammenschluss der in der Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe bundesweit tätigen Verbände, s.a. unter www.dhs.de); die BZgA - Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (www.bzga.de, weitere Internetplattformen der BZgA zur Suchtprävention: www.drugcom.de, www. bist-du-stärker-als-alkohol.de); die Drogenbeauftragte der Bundesregierung (www. drogenbeauftragte.de), die den jährlich erscheinenden „Drogen- und Suchtbericht" herausgibt; die Bundesweite Drogen- und Suchthotline: 0 1 8 0 5 3 1 3 0 3 1 ; die Aktion Jugendschutz mit einer Bundeszentrale (derzeit in München) und Landesstellen in den meisten Landeshauptstädten; der Elternkreis drogengefährdeter und drogenabhängiger Jugendlicher (derzeit in Bonn); die Gesundheitsämter sowie die Jugendämter, die meist über lokale Beratungsstellen verfügen oder über solche Stellen doch orientiert sind. Anschriften finden sich im Jahrbuch Sucht der DHS sowie unter den oben genannten Internetseiten. Ein Anschriftenverzeichnis der staatlich anerkannten Therapieeinrichtungen gemäß § § 35, 36 B t M G bringen Egg/Kurze Drogentherapie in staatlich anerkannten Einrichtungen, Krim. Zentralstelle Wiesbaden, 1989; vgl. auch Körner § 35 Rdn. 92 f zu staatlich anerkannten Therapieprogrammen. 180
3. Sozialhilfe nach dem SGB ΧΠ. Durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003 wurde das frühere BSHG abgelöst. 73 Die Sozialhilfe ist jetzt im SGB XII geregelt und hat die Aufgabe, Hilfsbedürftigen die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Das kann oft auch für Alkohol- oder Rauschmittelsüchtige notwendig werden (§ 1 SGB XII). Bei ihnen kommen nicht nur vorbeugende Gesundheitshilfe (§ 47), Hilfe bei Krankheit (§ 37) und evtl. Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 5 3 - 6 0 ) in Betracht, sondern vor allem die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67 f).
181
4. Jugendhilfe nach dem KJHG (SGB VIII). Gegenüber Minderjährigen und z.T. auch jungen Erwachsenen (18-27 Jahre) bestehen spezielle Hilfs- und Einwirkungsmöglichkeiten nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) v. 26.6.1990, das das J W G abgelöst hat und dessen Vorschriften als 8. Buch in das Sozialgesetzbuch (SGB) eingefügt worden sind (Überblick bei Rüfner N J W 1991 1). Neben den allgemeinen angebotenen Hilfen, die sich insbesondere auch an (Allein-)Erziehungsberechtigte wenden, kennt das Gesetz vielfältige Arten der Hilfe für Einzelne (§§ 2 7 - 4 1 SGB VIII), darunter die Erziehung außerhalb des Elternhauses bis hin zur Heimerziehung (vgl. § 38 SGB VIII). Nach Maßgabe des § 12 J G G i.d.F. des 1. JGGÄndG kann die Hilfe zur Erziehung dabei auch von einem Jugendgericht angeordnet werden. - Nach der hier vertretenen, aber umstrittenen Ansicht zum Subsidiaritätsprinzip sind diese Möglichkeiten schon bei der Entscheidung über die Anordnung des § 64 zu berücksichtigen, während sie nach herrschender Meinung nur im Rahmen des § 67b Berücksichtigung finden können (oben Rdn. 102 ff). Die neue Soll-Vorschrift stützt die hier vertretene Auffassung.
182
5. Gesetzliche Krankenversicherung. Nach der std. Rechtsprechung des BSG (BSGE 2 8 114 m.w.N.) ist die „langdauernde zwanghafte Abhängigkeit" von einem Suchtmittel
73
Dazu noch Mrozynski Resozialisierung und soziales Betreuungsverhältnis ( 1 9 8 4 ) , insbes. S. 2 4 0 ff, S. 2 6 1 ff; Krasney Sozialrechtliche Vorschriften bei der Betreuung Suchtkranker,
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3. Aufl. 1 9 8 0 ; allgemein Erlenkämper Sozialrecht - Rechtliche Grundlagen in Foerster (Hrsg.), Psychiatrische Begutachtung. 4. Aufl. ( 2 0 0 4 ) S. 5 8 1 , 614 ff.
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
§64
eine Krankheit i.S. der gesetzlichen Krankenversicherung, selbst wenn - bei Alkoholsucht - keine „Geisteskrankheit im engeren Sinne" vorliegt oder „körperliche Erscheinungsformen" noch fehlen, aber ein „Verlust der Selbstkontrolle" eingetreten ist (so BSGE 2 8 114; vgl. auch B S G E 4 6 41); es kommt dabei grundsätzlich nicht darauf an, ob der Zustand selbstverschuldet ist (BSGE 13 6 4 0 ) . 6. Arbeitsrecht. Auch das BAG versteht Alkoholsucht - im Rahmen des EntgeltfortzahlungsG und des KündigungsschutzG - als Krankheit. Es stellt dabei heute, anders als früher, in differenzierter Weise auf die Frage des Verschuldens bzw. auf eine Interessenabwägung ab; vgl. näher BAG N J W 1983 1659; 1987 1956; M D R 1 9 8 8 3 4 5 .
183
7. Privatkrankenkassen. Eine private Krankenversicherung, die die übliche sog. Suchtklausel vorsieht, d.h. den Ausschluss der Kostenübernahme bei Suchterkrankungen und deren Folgen, braucht nach B G H Z 65 142 = N J W 1976 106 die Kosten einer Entziehungskur selbst dann nicht zu tragen, wenn sich die Sucht als Folge der ärztlichen Behandlung einer nicht selbstverschuldeten Krankheit mit morphiumhaltigen Medikamenten ergibt und die Krankheit unter den Versicherungsschutz fällt (kritisch dazu der Bericht über die Lage der Psychiatrie, S. 2 7 3 ) .
184
ΧΙΠ. Vollstreckung und Vollzug 1. Reihenfolge der Vollstreckung. Ist der Täter auch zu Freiheitsstrafe verurteilt, riehtet sich die Reihenfolge der Vollstreckung nach den Regeln des § 67. Für die Reihenfolge der Vollstreckung mehrerer freiheitsentziehender Maßregeln gilt § 7 2 Abs. 3. Empirische Daten zum Vollsteckungsverlauf finden sich bei Metrikat S. 210 ff.
185
2. Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel. Sie ist nach § 6 7 a Abs. 1 , 2 unter den in § 67a Abs. 1 genannten Voraussetzungen als nachträgliche Anordnung zulässig, wenn dadurch die Resozialisierung des Täters besser gefördert werden kann; die Fristen für die Höchstdauer der Unterbringung sowie für die Überprüfung gemäß § 67e werden dadurch jedoch nicht berührt, § 6 7 a Abs. 4 (näher Rissing-van Saan/Peglau LK Erl. zu § 67a).
186
3. Auswahl der konkreten Anstalt. Der Richter hat im Urteil nur die Anordnung der Unterbringung als solche auszusprechen, so sehr ihm im Einzelfall daran gelegen sein kann, dass der Täter in einer für ihn besonders geeigneten Anstalt untergebracht wird. Denn die Entscheidung darüber ist, wie bei ξ 63, grundsätzlich Sache der Vollstreckungsbehörde. 7 4
187
4 . Organisation. Die Unterbringung erfolgt - wie bei § 63 - nicht in justizeigenen Vollzugsanstalten, sondern in Einrichtungen der allgemeinen Krankenpflege. Dabei werden die Verurteilten - in der Regel getrennt von den nach Landesrecht Untergebrachten im Hinblick auf die speziellen Sicherungsbedürfnisse regelmäßig in bestimmten, dafür besonders eingerichteten Häusern, teilweise auch in selbständigen Entziehungsanstalten unter Leitung eines Psychiaters zentralisiert. Die Frage, ob nicht auch für den Personen-
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74
BGHSt 28 327, 330; Sch/Schröder/Stree Rdn. 12; vgl. schon BGH J Z 1951 239 zu § 42c a.F.
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§64
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
kreis des S 64 justizeigene Sonderanstalten hätten geschaffen werden sollen, ist wie bei S 63 umstritten (s. Schöch LK S 63 Rdn. 186). 189
5. Gestaltung des Vollzugs. Sie ist, wie bei der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (s. Schöch LK § 63 Rdn. 185), im StVollzG nur hinsichtlich des eigentlichen Behandlungsziels geregelt. Nach § 137 StVollzG ist „Ziel der Behandlung des Untergebrachten ..., ihn von seinem Hang zu heilen und die zugrunde liegende Fehlhaltung zu beheben". Im Übrigen verweist das Gesetz für die Ausgestaltung des Vollzugs auf das Landesrecht (§ 138 StVollzG). Der Rückzug auf das Landesrecht steht im Gegensatz zu den Vorschlägen der Strafvollzugskommission (§§ 130 f KommissionsE) und des AE (§ 194 AE-StVollzG und dazu die Begr. S. 245 ff). Ob er sachlich geboten und klug war, ist umstritten (zu den Gründen der gesetzgeberischen Entscheidung s. den RegE zum StVollzG, BT-Drs. 7/918 S. 87, 90 f). Die landesrechtlichen Vollzugsvorschriften (§ 138 StVollzG) sind aufgezählt bei Schöch LK § 63 Rdn. 188. Zu den Einzelheiten des Vollzugsrechts für § 64 vgl. insbesondere Volckart/Griinebaum Maßregelvollzug, 6. Aufl. Anhang S. 263 ff.
XIV. Verfahrensrechtliches 190
1. Ein Sachverständiger „soll" schon im Vorverfahren (§ 80a StPO) und „muss" in der Hauptverhandlung zugezogen werden. Nach der Neufassung des § 246a Abs. 2 durch das UnterbrSichG ist die Heranziehung eines Sachverständigen allerdings nur noch geboten, wenn das Gericht - im Rahmen seines nunmehr eingeräumten Ermessens - „erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt anzuordnen". Zur Vorbereitung des Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten ist unter den Voraussetzungen des § 81 StPO auch die befristete Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus möglich. Die Einweisung allein zum Zwecke der Klärung, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat durch Alkohol oder sonstige Rauschmittel vorübergehend bewusstseinsgestört war, reicht dafür aber nicht (BGH bei Dallinger MDR 1966 383).
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Gem. § 246a S. 1, 2 StPO ist ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und insbesondere die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gem. § 246a S. 3 StPO „soll" dem Sachverständigen - hat er ihn nicht schon früher untersucht - vor der Hauptverhandlung Gelegenheit zur Untersuchung gegeben werden; dieses „soll" ist richtigerweise als „muss" zu lesen. Während nämlich die Untersuchung geboten ist, bezieht sich die irreführend formulierte Soll-Vorschrift allein auf den Zeitpunkt der Untersuchung in dem Sinne, dass diese auch noch während der Hauptverhandlung stattfinden kann (allg. M. in Rspr. und Lit., s. nur BGH NStZ 2002 384 m.w.N.). Durch das UnterbrSichG vom 16.7.2007 ist § 246a S. 2 StPO eingefügt worden, wonach „Gleiches (sc. wie für die Unterbringung nach § 63 und § 66) gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen". Damit soll „in Ansehung der Umgestaltung des § 64 StGB zur Soll-Vorschrift ... sichergestellt bleiben, dass das Gericht seine Ermessensentscheidung regelmäßig - sachverständig beraten - treffen kann". Die Beauftragten eines Gutachters wird also nicht erst notwendig, wenn das Gericht die Anordnung der Unterbringung nach § 64 konkret in Betracht zieht (so noch der Entwurf des Bundesrates, BT-Drs. 16/1344, S. 17). „Vielmehr entfällt die Pflicht zur Hinzuziehung eines Sachverständigen nur in den Fällen, in denen eine Unterbringung unter Ausschöpfung des dem Gericht nunmehr eingeräumten eng begrenzten Ermessensspielraums offensichtlich nicht in Betracht kommt" (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 25.4.2007, BT-Drs. 16/5137, S. 11).
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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Die Einschaltung der Sachverständigen dürfte ähnliche Probleme wie bei § 63 (Schöch LK S 63 Rdn. 190) aufwerfen (vgl. Penners S. 167; instruktiv und deprimierend Ermer-Externbrink MschrKrim. 1991 106). Nicht ganz selten begnügen sich die Gerichte immer noch mit der beiläufigen Empfehlung eines ohnehin anwesenden Rechtsmediziners oder Toxikologen, der keine präzisere Kenntnis von den Voraussetzungen und Therapiemöglichkeiten der Entziehungsanstalten hat.
192
2. Die einstweilige Unterbringung kommt unter den Voraussetzungen des § 126a StPO in Betracht; eingehend dazu Hilger in Löwe-Rosenberg Erl. zu § 126a.
193
3. Die selbständige Anordnung der Unterbringung ist bei Schuld- oder VerhandlungsUnfähigkeit des Täters gemäß § 71 i.V. mit §§ 413 ff StPO zulässig (siehe dazu Hanack LK 11 Erl. zu § 71).
194
4. Selbständige Anfechtbarkeit der Unterbringungsentscheidung. Ob die Anordnung oder Ablehnung der Unterbringung im Normalverfahren selbständig, also ohne Rücksicht auf die Entscheidung über die Bestrafung, angefochten werden kann, beurteilt sich nach den gleichen Überlegungen wie bei § 63 (Schöch LK § 63 Rdn. 133 ff). Vom Standpunkt der Rechtsprechung zu § 63 bzw. zu § 42b a.F. aus müsste daher die selbständige Anfechtung grundsätzlich zulässig sein. 75 Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung der Angeklagte durch die Nichtanordnung der Unterbringung nicht beschwert (BGHSt 28 327, 330 ff; 38 4, 7; zutreffende Kritik bei Fischer Rdn. 28).
195
5. Urteilsgründe. Das Urteil muss sich damit auseinandersetzen, ob die Voraussetzungen des § 64 StGB vorliegen, wenn die Urteilsfestellungen ergeben, dass eine Beschaffungstat vorliegt oder der Angeklagte „Alkohol- oder Drogenprobleme" hat (dargestellt bei Schäfer Rdn. 839; BGHR StGB § 64 Ablehnung 6, 8). Empirische Daten, zu welchen Voraussetzungen Urteile wie häufig Stellung bzw. nicht Stellung nehmen bei Metrikat S. 195, jeweils mit der Differenzierung „vor" und „nach" der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 91 1 ff).
196
6. Zum Verschlechterungsverbot s. Schöch Rdn. 151.
197
LK Vor § 61 Rdn. 132 ff und oben
7. Zu weiteren verfahrensrechtlichen Fragen s. Schöch LK Vor § 61 Rdn. 102.
XV.
Übergangsvorschriften
Es besteht im Prinzip dieselbe Regelung wie bei § 63 (dazu Schöch Wegen der Einzelheiten wird auf Hanack LK 11 Rdn. 137 verwiesen.
75
198
In diesem Sinn in der Tat BGH 4 StR 3 4 / 5 4 v. 26.5.1954, zit. bei Pfeiffer/Maul/Schulte S 42c Anm. 6; vgl. auch BGHSt 3 339 und die Nachweise über eine differenzierende Betrachtung bei Gollwitzer in Löwe-Rosenberg § 318 Rdn. 92; zum Spezialfall der
LK Rdn. 202).
Beschränkung der Revision auf die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung, wenn hierdurch die Entscheidung über die Nichtanwendung des $ 64 StGB ausgeklammert wird s. BGH NStZ 1994 449.
Heinz Schöch
401
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Für Unterbringungen, die vor dem 1.5.1986 angeordnet worden sind, besteht bezüglich der Anrechnung des Maßregelvollzugs auf die Strafe gemäß $ 67 Abs. 4 und § 67d Abs. 5 i.d.F. des 23. StrÄndG eine weitere Übergangsregelung (siehe Art. 316 EGStGB; Einzelheiten bei Hanack LK 1 1 Rdn. 79 f).
§65 (weggefallen)
§66
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (1) Wird jemand wegen einer vorsätzlichen Straftat zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. der Täter wegen vorsätzlicher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, 2. er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und 3. die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, für die Allgemeinheit gefährlich ist. (2) Hat jemand drei vorsätzliche Straftaten begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Nr. 3 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Nr. 1 und 2) anordnen. (3) Wird jemand wegen eines Verbrechens oder wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat ein Verbrechen oder eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Nr. 2 und 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Nr. 3 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Nr. 1 und 2) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
(4) Im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine vorsätzliche Tat, in den Fällen des Absatzes 3 eine der Straftaten der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.
Schrifttum Alex Sozialtherapie unter den Bedingungen der Gesetzesverschärfungen seit 1998 unter besonderer Berücksichtigung von vorbehaltener und nachträglicher Sicherungsverwahrung StV 2006 105; Allen Die Behandlung der gefährlichen Gewohnheitsverbrecher im englischen Strafrecht, ZStW 80 (1968) 163; Amelung/Funcke-Auffermann Die erneute Reform des Sexualstrafrechts StraFo 2005 114; Baer Psychiatrie für Juristen (1988); Beeck/Wuttke Zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung in medizinischer und strafprozessualer Sicht (§§ 80a, 246a StPO n.F.), SchlHA 1971 74; Beyer Die Gesamtstrafe als Vorverurteilung im neuen Recht der Sicherungsverwahrung, NJW 1971 1597; Blau Recht und Unrecht beim Straf- und Maßregelvollzug, GA 1959 141; ders., Die Sicherungsverwahrung - ein Nekrolog? Festschrift H. J. Schneider (1998) S. 759; Blei Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung, JA 1971 444; Bockelmann Studien zum Täterstrafrecht, Teil I (1939), Teil II (1940); Boetticher Der neue Umgang mit Sexualstraftätern - eine Zwischenbilanz, MschrKrim. 1998 354; ders. Aktuelle Entwicklungen im Maßregelvollzug und bei der Sicherungsverwahrung - Ambulante Nachsorge für Sexualstraftäter ist Aufgabe der Justiz! NStZ 2005 417; Boetticher/Kröber/ Müller-Isberner/Böhm/Müller-Metz/Wolf Mindestanforderungen für Prognosegutachten NStZ 2006 537; K. Böhm Zusammentreffen von lebenslanger Freiheitsstrafe mit anderen Strafen und freiheitsentziehenden Maßregeln, NJW 1982 135; Böker/Häfner Gewalttaten Geistesgestörter (1973); de Boor Zum Begriff des Hangtäters, Zeitschr. F. d. Sachverständigenwesen 1981 176; Breithardt Die Behandlung des Rückfalls und des Rückfalltäters in der Strafrechtsreform der sechziger Jahre, Diss. Hamburg 1971; Bringewat Die Bildung der Gesamtstrafe (1987); Ch. Brückner Der Gewohnheitsverbrecher und die Verwahrung in der Schweiz gemäß Art. 42 StGB (1971); G. Brückner Sicherungsverwahrung, DRiZ 1955 291; Bruns Die Maßregeln der Besserung und Sicherung im StGB-Entwurf 1956, ZStW 71 (1959) 210; Conrad Das Verhalten von 100 Insassen der Verwahrungsanstalt Thorberg nach ihrer Entlassung (Berner Krim. Untersuchungen Bd. 8, 1973); de Boor Zum Begriff des Hangtäters, ZSW 1981 176; Dahle Grundlagen und Methoden der Kriminalprognose, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass (Hrsg.) Handbuch der Forensischen Psychiatrie Bd. 3 (2006) S. 1; Deckers Probleme der forensischen Hang-Diagnostik bei Sicherungsverwahrung, in: de Boor/Frisch/Rode (Hrsg.) Die Strafe auf dem Prüfstand (1997) S. 46; Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit (Habil.) 2004; Dötting Anm. zu BGH, Urt. v. 31.08.1995 - 4 StR 292/95, StV 1996 541; Dreher Die Vereinheitlichung von Strafen und sichernden Maßregeln, ZStW 65 (1953) 481; Dreher Liegt die Sicherungsverwahrung im Sterben? DRiZ 1957 51; Dreher Zur Auslegung des § 42e Abs. 1 Nr. 1 StGB - Eine Besprechung der Urteile BGHSt 24, 243 und MDR 1972, 702 Nr. 52, MDR 1972 826; Dünnebier Die Durchführung der Zweispurigkeit bei den freiheitsentziehenden Maßregeln im Entwurf 1960 eines Strafgesetzbuchs, ZStW 72 (1960) 32; Düx Sexualstraftaten und Sicherungsverwahrung - Abschied vom rechtsstaatlichen Strafverfahren? ZRP 2006 82; Eder-Rieder Die freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßregeln (1985; bezogen auf Österreich); Ehrhardt Über Behandlungsmöglichkeiten für Delinquenten nach dem deutschen Strafgesetzentwurf 1962, ZStW 76 (1964) 216; Eisenberg/Hackethal „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten" vom 26.1.1998 ZfStrVO 1998 196; Engelhardt Die Erfahrungen mit der Durchführung der §§ 20a, 42e ff StGB im Bereich des OLG Celle, Diss. Kiel 1963; Engisch Zur Idee der Täterschuld ZStW 61 (1942) 166; Engisch Bietet die Entwicklung der dogmatischen
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Strafrechtswissenschaft seit 1930 Veranlassung, in der Reform des Allgemeinen Teils des Strafrechts neue Wege zu gehen? ZStW 66 (1954) 339; Engisch Um die Charakterschuld, MschrKrim. 1967 108; Eser Zur Entwicklung von Maßregeln der Besserung und Sicherung als zweite Spur im Strafrecht, Festschrift für Heinz Müller-Dietz, 2001, S. 213; Exner Theorie der Sicherungsmittel (1914); Exner Das System der sichernden und bessernden Maßregeln nach dem Gesetz v. 24.11.1933, ZStW 53 (1934) 655; Exner Wie erkennt man den gefährlichen Gewohnheitsverbrecher? DJ 1943 377; Feltes Rückfallprognose und Sicherungsverwahrung: Die Rolle des Sachverständigen StV 2000 281; Frey Der frühkriminelle Rückfallverbrecher (1951 zit. Frey); Frey Das Verhältnis von Strafe und Maßnahme, SchwZStr. 66 (1951) 295; Frisch Prognoseentscheidungen im Strafrecht (1985); Frisch Die Maßregeln der Besserung und Sicherung im strafrechtlichen Rechtsfolgesystem, ZStW 102 (1990) 343; Frommel Die Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Gelegenheitstätern, NJW 1981 1083; dies.: „Eeene meene muh - drin bist Du" Zur Wiederkehr der Sicherungsstrafe in der gegenwärtigen Diskussion KJ 1995 226; Geerds Die Bekämpfung der Berufs- und Gewohnheitsverbrecher und Behandlung des Rückfalls, in: Materialien Bd. \V\, 1954, S. 175; Geisler Die Sicherungsverwahrung im englischen und deutschen Strafrecht (Kriminologische Forschungen Bd. 5, 1967); Gerland Die Sicherungsverwahrung, Festschrift für Rudolf Hübner, 1936, S. 19; Grebe Katamnestische Untersuchungen an Gewohnheitsverbrechern, med. Diss. Frankfurt 1956; Greiser Die Serientäter und der schwere wirtschaftliche Schaden im neuen Recht der Sicherungsverwahrung, NJW 1971 789; Grünwald Sicherungsverwahrung, Arbeitshaus, vorbeugende Verwahrung und Sicherungsaufsicht im Entwurf 1962, ZStW 76 (1964) 633; Habermeyer Psychiatrische Kriminalprognose in einer „fachfremden" Maßregel: Erfahrungen mit Probanden vor bzw. in Sicherungsverwahrung MschrKrim. 2005 12; ders. Die Maßregel der Sicherungsverwahrung: Forensisch-psychiatrische Bedeutung, Untersuchungsbefunde und Differentialindikation zur Maßregel gemäß § 63 StGB (med. Habil. - bisher unveröffentlicht) 2005; Habermeyer/Hoff/Saß Das psychiatrische Sachverständigengutachten zur Hangtäterschaft - Zumutung oder Herausforderung? MschrKrim. 2002 20; Habermeyer/Kunert/Herpetz Bedeutung des „Psychopathy"-Konzepts von Hare für die Maßregel der Sicherungsverwahrung ArchKrim 213 (2004) 65; Habermeyer/Puhlmann/Passow/Vohs Kriminologische und diagnostische Merkmale von Häftlingen mit angeordneter Sicherungsverwahrung MSchrkrim. 2007 317; Hackbarth Todsicher verwahrt ZfStrVO 2006 290; K. A. Hall Sicherungsverwahrung und Sicherungsstrafe, ZStW 70 (1958) 41; von Harbou Das neue Recht der Sicherungsverwahrung 1999; Harrendorf Gefährliche Gewalttäter? - Ergebnisse einer bundesweiten Rückfallstudie BewH 2006 308; Hassemer Sicherheit durch Strafrecht StV 2006 321; Heinitz Strafzumessung und Persönlichkeit, ZStW 63 (1951) 57; Heinitz Der Entwurf des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches vom kriminalpolitischen Aspekt aus, ZStW 70 (1958) 1; Heinz Freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung - Stand und Entwicklung anhand statistischer Eckdaten der amtlichen Strafrechtspflegestatistiken Festschrift Schwind (2006) S. 893; Hellmer Rückfallverbrechertum und Frühkriminalität, ZStW 72 (1960) 397; Hellmer der Gewohnheitsverbrecher und die Sicherungsverwahrung 1934-1945 (1961); Hellmer Hangtäterschaft und Berufsverbrechertum, ZStW 73 (1961) 441; Hellmer Verurteilung als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher, NJW 1962 2040; Hennke Rechtsmittelbeschränkung bei Anordnung der Sicherungsverwahrung, GA 1956 41; Horstkotte Die Vorschriften des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts über den Rückfall und die Maßregeln der Sicherung und Besserung, J Z 1970 152; Hörnle Verteidigung und Sicherungsverwahrung StV 2006 383; Jacobsen Gefangen zwischen Besserung und Sicherung - Ein Plädoyer für die regelmäßige Prüfung der Gefährlichkeit in der Hauptverhandlung NKrimP 2005 92; Jansing Nachträgliche Sicherungsverwahrung (2004); Jescheck Die kriminalpolitische Konzeption des Alternativ-Entwurfs eines Strafgesetzbuchs (Allgemeiner Teil), ZStW 80 (1968) 54; Kaiser Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? (1990); Kalf Sicherungsverwahrung und Schutzbedürfnis der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern Maßregel in: Baron (Hrsg.) „... weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist" (2006) S. 205; Anh. Kaufmann Das Schuldprinzip2 (1976); Kern Aktuelle Befunde zur Sicherungsverwahrung - Ein Beitrag zur Problematik des § 66 StGB, ZfStrVO 1997 19; ders. Brauchen wir die Sicherungsverwahrung (1997); Kilching Tagungsbericht Kolloquiumsdiskussion „Die Praxis der Sicherungsverwahrung" ZStW 109 (1997) S. 165; Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand (1996); ders. Die Praxis der Sicherungsverwahrung ZStW 109 (1997) 122; ders. Die Einführung der Sicherungsverwahrung in den neuen Bundesländern, NJ 1997 63; ders. Die Gutachtenpraxis bei der Anordnung von Sicherungsverwahrung, RuP 1997 9; ders. Der
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Hang zu erheblichen Straftaten - und was sich dahinter verbirgt, NStZ 1998 14; ders. An den Grenzen des Strafrechts - Die Sicherungsverwahrung nach den Urteilen des BVerfG, NJW 2004 911; ders. Kriminalpolitik durch das Volk, in: Kammeier/Michalke/Hrsg.), Streben nach Gerechtigkeit, Festschrift für Günter Tondorf zum 70. Geburtstag (2004) S. 157; ders. Die Sicherungsverwahrung von einer vergessenen zu einer boomenden Maßregel in: Baron (Hrsg.) „... weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist" (2006) S. 143; Kögler Die zeitliche Unbestimmtheit freiheitsentziehender Sanktionen im Strafrecht. Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Rechtslage und Strafvollstreckungspraxis in der Bundesrepublik ... und den USA (1988); Koffka Anm. zu BGHSt 24 160 (= JR 1971 426), JR 1971 427; Köhler Die materiellrechtliche Bedeutung „formeller" Maßregelvoraussetzungen bei der Sicherungsverwahrung, N J W 1975 1150; Köhne Sicherungsverwahrung und Resozialisierung StraFo 2003 230; ders. Mehr Resozialisierung in der Sicherungsverwahrung? BewHi 2005 278; Krebs Aus der Praxis der Sicherungsverwahrung, Festschrift Mayer (1966) S. 629; Krebs Zur Durchführung der Maßregel Sicherungsverwahrung nach den Bestimmungen des Entwurfs eines Strafvollzugsgesetzes 1973, in Krim. Gegenwartsfragen Heft 11, 1974, S. 121; Kröber Psychiatrische Aspekte der Sicherungsverwahrung, MschrKrim. 2004 261; ders. Kriminalprognostische Begutachtung in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass (Hrsg.) Handbuch der Forensischen Psychiatrie Bd. 3 (2006) S. 69, 159 ff Kröniger Lebenslange Freiheitsstrafe, Sicherungsverwahrung und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - KrimZ-Studie - (2006); Kühl/Schumann Prognosen im Strafrecht - Probleme der Methodologie und Legitimation R & P 1989 126; Kunz Die Verwahrung psychisch unauffälliger Straftäter - ein Problem für den Rechtsstaat? Überlegungen zur Legitimität der sichernden Verwahrung, SchwZStrR 2004 234; ders. Gefährliche Rechtsbrecher und ihre Sanktionierung, in: Arnold/u.a. Menschengerechtes Strafen, Festschrift Eser (2005), S. 1375; Lange Das Rätsel Kriminalität (1970; zit. Lange); Lang-Hinrichsen Betrachtungen zur Strafrechtsreform, in Peters/Lang-Hinrichsen, Grundfragen der Strafrechtsreform, 1959, S. 53; Lang-Hinrichsen Die kriminalpolitischen Aufgaben der Strafrechtsreform, Gutachten für den 43. Dt. Juristentag, 1960; Lang-Hinrichsen Probleme der Sicherungsverwahrung. Zum Begriff der erheblichen Straftat, Maurach-Festschrift, S. 197; Laubenthal Die Renaissance der Sicherungsverwahrung ZStW 116 (2004) 703; Lemberger Die kriminologische Wirklichkeit des Begriffs des Gefährlichen Gewohnheitsverbrechers, Diss. Kiel 1962; Lau Zum Umgang mit gefährlichen Menschen MschrKrim. 2004 451; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit (Unterabschnitt: Die Sicherungsverwahrung), in Göppinger/Witter, Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd. I 1972, S. 199; Leygraf Die Begutachtung der Gefährlichkeitsprognose, in: Ventzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung 4. Aufl. (2004) S. 437; Lötz Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher (Krim. Abhandlungen Heft 41, 1939); Maetzel Zum Zweck der Maßregel der Sicherungsverwahrung, N J W 1970 1963; Maurach Die kriminalpolitischen Aufgaben der Strafrechtsreform, Gutachten für den 43. Dt. Juristentag 1960; H. Mayer Strafrechtsreform für heute und morgen (1962); H. Mayer Typologie der Gewohnheitsverbrecher oder Rezidivisten, Krim. Gegenwartsfragen Heft 5, 1962, S. 135; H. Mayer Behandlung der Rezidivisten (Gefährliche Gewohnheitsverbrecher) im deutschen Strafrecht, ZStW 80 (1968) 139; Mayrhofer Die Krise der Sicherungsverwahrung, ÖstJZ 1986 489; Mergen Die Kriminologie 2 (1978); Meyer-Velde Sicherungsverwahranstalten, in: Schwind/Blau (Hrsg.), Strafvollzug in der Praxis, 2. Aufl. 1988, S. 95; Mezger Täterstrafrecht, DStR 1934 135, 145; Mezger Die Straftat als Ganzes, ZStW 57 [1938] 675; Mezger Tatstrafe und Täterstrafe, insbesondere Kriegsstrafrecht, ZStW 60 (1941) 370; G. Meyer Die Behandlung des Kampfes gegen die Gewohnheitsverbrecher im Laufe der Deutschen Strafrechtsreform, Diss. Hamburg 1935; Milde Mit Vollrausch in die Sicherungsverwahrung StraFo 2006 217; ders. Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung in den Jahren von 1998 bis 2004 (2006); Mindt/Kiener Attentäter und Gewalttäter - ein Vergleich, MschrKrim. 1976 2; Möller Die Entwicklung der Lebensverhältnisse von 135 Gewohnheitsverbrechern und über Maßregeln der Sicherung und Besserung, in Pfundtner-Neubert, Das neue Reichsrecht 2 , 1933 ff, Ile 10; Moser Jugendkriminalität und Gesellschaftsstruktur (1970; zit. Moser); Müller Das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933 (1997); Miiller-Dietz Grenzen des Schuldgedankens im Strafrecht (1967); Müller-Metz Die Sicherungsverwahrung, StV 2 0 0 3 42; Mrozynski Krankheit-Hang-schädliche Neigungen, MschrKrim. 1985 1; Naucke Methodenfragen zum „Typ" des Gewohnheitsverbrechers, MschrKrim. 1962 84; Nedopil Prognosebegutachtung bei zeitlich begrenzten Freiheitsstrafen, NStZ 2002 344; Neu Die erhebliche Straftat gemäß § 42e I Nr. 3 StGB bzw. § 66 I Nr. 3 2. StrRG, insbesondere die „singulare" und „additive" Erheblichkeit,
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MDR 1972 915; ders. Die Behandlung der Vollstreckung bzw. Weitervollstreckung einer nach früherem Recht (§§ 20a, 42e StGB a.F.) angeordneten Sicherungsverwahrung, MDR 1973 551; ders. Sicherungsverwahrung nach der Strafrechtsreform, Diss. Münster 1976; Neuwirth Können Verbrechen und Vergehen wider das Leben durch Maßregeln der Sicherung und Besserung verhindert werden? (Kriminologische Untersuchungen an Mördern und Totschlägern ...), Diss. Heidelberg 1974; Noll Diskussionsvotum auf der Strafrechtslehrertagung ..., ZStW 76 (1964) 707; Nowara Gefährlichkeitsprognosen bei Maßregeln. Zur Güte von Prognosegutachten und zur Frage der Legalbewährung in: Baron (Hrsg.) „... weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist" (2006) S. 176 ff; Passek Sicherungsverwahrung im Wandel Neuregelungen der §§ 66, 66a und 66b StGB, GA 2005 96; Peglau Zur Anordnung der Sicherungsverwahrung neben lebenslanger Freiheitsstrafe, NJW 2000 2980; ders. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung, das Rechtsmittelverfahren und das Verschlechterungsverbot, NJW 2004 3599; Pfister Juristische Voraussetzungen der Sicherungvserwahrung Jahresheft für forensische Psychiatrie. Kriminalprognose - psychiatrische und juristische Sicht 2004 146; ders. Juristische Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung ForensPsychiatrPsycholKriminol 2007 111; Pollähne Sicherungsverwahrung, Rückfallverjährung und Rechtsstaat, StraFo 2004 156; ders. Trendwende im Strafrecht? Aktuelle Entwicklungen im Maßregelrecht unter besonderer Berücksichtigung der Sicherungsverwahrung SchlHA 2005 135; Rasch Forensische Psychiatrie (1986); Räzt Die Einführung der Sicherungsverwahrung im ungarischen Strafrecht, ZStW 87 (1975) 755; Riederer Die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfalltäter, ÖStJZ 1976 390; Rietsch Die Abwehr des Gewohnheitsverbrechertums, DJ 1938 134, 178; Röhl Fragen und Fragwürdigkeit der Sicherungsverwahrung, J Z 1955 145; Rösch Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 zur Sicherungsverwahrung, ZfStrVO 2004 131; Rudolph Zum Vollzug und zur bedingten Entlassung aus der Sicherungsverwahrung, DRiZ 1956 176; Rzepka Sicherheits- statt Rechtsstaat - Überblick und Anmerkungen zu bundes- und landesrechtlichen Konzepten einer nachträglichen Sicherungsverwahrung Teil 1 R&P 2003 127, Teil 2 R8cP 2003 191; Sauerlandt Zur Praxis der Sicherungsverwahrung in Rechtsprechung und Vollzug, MschrKrimBiol. 1938 305; Schachert Kriminologische Untersuchungen an entlassenen Sicherungsverwahrten, Diss. Göttingen 1963, Schäfer/Wagner/Schafheutle Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung (1934); Schall/Schreibauer Prognose und Rückfall bei Sexualstraftätern NJW 1997 2412; Schewe Die Geschichte der Sicherungsverwahrung, Diss. Kiel, 1999; Schmälzer/Skirl Quo Vadis, Sicherungsverwahrung? ZfStrVo 2004 323; Schnell Anlage und Umwelt bei fünfhundert Rückfallverbrechern (Krim. Abhandlungen Heft 22, 1935); Schneider Die Verbesserung des Schutzes der Gesellschaft vor gefährlichen Sexualstraftätern, J Z 1998 436; Schöch Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998 NJW 1998 1257; Schöch Anmerkung zu BGH Urt. v. 9.6.1999, 3 StR 89/99, J R 2000 209; Schönberger Zur justitiellen Handhabung der Voraussetzungen gemäß §§ 63, 66 StGB (2002); Schreiber/ Rosenau Rechtliche Grundlagen der psychiatrischen Begutachtung, in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 2004 S. 53; Die Vereinheitlichung der Strafe und der sichernden Maßnahmen, ZStW 66 (1954) 180; Schröder Die „Erforderlichkeit" von Sicherungsmaßregeln, J Z 1970 90; Schiiler-Springorum SV ohne Hang? MschrKrim. 1989 147; Schultz Kriminalpolitische Bemerkungen zum Entwurf eines Strafgesetzbuches, E 1962, J Z 1966 113; Schwaab Die soziale Prognose bei rückfälligen Vermögensverbrechern (Krim. Abhandlungen Heft 42, 1939); Seibert Gewohnheitsverbrecher und Sicherungsverwahrung, DRiZ 1955 137; Siciliano Ein Bericht aus dem Rechtsausschuss in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a.M. (Hrsg.), Irrwege der Strafgesetzgebung, 1999, S. 363; Skirl Die Renaissance der Sicherungsverwahrung - vom Auslaufmodell zur Mode-Maßregel? ZfStrVO 2005 323; Steinhilper Sexualtäter und Sicherungsverwahrung. Abhandlungen über Fragen der Sicherungsverwahrung und kriminologische Untersuchungen an rückfälligen Sexualtätern, Diss. Heidelberg 1970; Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz 1960; Streng das Legitimation-Dilemma sichernden Freiheitsentzuges - Überlegungen zur neueren Rechtsentwicklung, Festschrift Lampe (2003) S. 611; Sveri Die Behandlung der gefährlichen Gewohnheitsverbrecher in den nordischen Ländern, ZStW 80 (1968) 176; Tröndle Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, GA 1973 289; Wacker Sicherungsverwahrung und Grundgesetz, Diss. Tübingen 1966; Weber/Reindl Argumente zur Abschaffung eines umstrittenen Rechtsinstituts, NKrimP 2001 16; dies. Sicherungsverwahrung: Zur Renaissance eines verdachtsbegründeten Rechtsinstituts in: Gutiérrez-Lobos/Katschnig/Pilgram (Hrsg.) 25 Jahre Maßnahmenvollzug - eine Zwi-
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
schenbilanz (2002) S. 137; Reichert Sicherungsverwahrung - verfassungsgemäß? StrVert. 1989 265; Weihrauch Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher. Kriminologische Untersuchungen an rückfälligen Vermögenstätern unter dem Gesichtspunkt der §§ 20a, 42e StGB ..., Diss. Heidelberg 1968; Weihrauch Die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung, NJW 1970 1897; Wetterich Erscheinungsformen gefährlicher Gewohnheitsverbrecher, Diss. Freiburg 1963. Vgl. im Übrigen die Angaben bei Vorbem. Vor § 61 sowie zu §§ 66a und 66b.
Entstehungsgeschichte Die Maßregel der Sicherungsverwahrung ist in Anlehnung an langjährige Reformforderungen durch das GewVerbrG v. 2 4 . 1 1 . 1 9 3 3 eingeführt worden (zur Entstehungsgeschichte, auch zu Entwicklungen im 18. und 19. Jahrhundert vgl. BVerfGE 109 190, 213 ff). Aufgrund dieses Gesetzes galt bis zum 1. StrRG unverändert der folgende § 42e „Wird jemand nach § 20a als ein geßhrlicher Gewohnheitsverbrecher verurteilt, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert". S 20a der ebenfalls durch das GewohnheitsverbrecherG eingefügt wurde enthielt eine Strafverschärfung gegen „gefährliche Gewohnheitsverbrecher". § 1 des Gesetzes v. 4.9.1941 (RGBl. I 549), der durch Art. 2 des KontrollratsG Nr. 11 v. 3 0 . 1 . 1 9 4 6 (Amtsblatt S. 5 5 ) wieder aufgehoben wurde erstreckte diese Strafschärfung auch auf die Möglichkeit der Todesstrafe. Im übrigen galt § 2 0 a bis zum 1. StrRG unverändert; er lautete in seinen entscheidenden Absätzen 1 und 2 (Absatz 3 und 4 regelten ähnlich wie heute § 66 Abs. 4 , Rückfallverjährung und ausländische Verurteilungen) wie folgt: „(1) Hat jemand, der schon zweimal rechtskräftig verurteilt worden ist, durch eine neue vorsätzliche Tat eine Freiheitsstrafe verwirkt und ergibt die Gesamtwürdigung der Taten, daß er ein geßhrlicher Gewohnheitsverbrecher ist, so ist soweit die neue Tat nicht mit schwererer Strafe bedroht ist, auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren und, wenn die neue Tat auch ohne diese Strafschärfung ein Verbrechen wäre, auf Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen. Die Strafschärfung setzt voraus, daß die beiden früheren Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens ergangen sind und in jeder von ihnen auf Todesstrafe, Zuchthaus oder Gefängnis von mindestens sechs Monaten erkannt worden ist. (2) Hat jemand mindestens drei vorsätzliche Taten begangen und ergibt die Gesamtwürdigung der Taten, daß er ein geßhrlicher Gewohnheitsverbrecher ist, so kann das Gericht bei jeder abzuurteilenden Einzeltat die Strafe ebenso verschärfen, auch wenn die übrigen in Abs. 1 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind". Durch das 1. StrG wurde - mit Wirkung vom 1 . 4 . 1 9 7 0 - § 2 0 a aufgehoben und § 42e grundlegend verändert (näher unten Rdn. 8 ff). Der neugefasste § 4 2 e wurde mit Inkrafttreten des 2. StrRG (1.1.1975) inhaltlich unverändert zu § 6 6 (vgl. KG N S t Z 1983 77, 78), und zwar in einer Übergangsfassung, die mit dem Inkrafttreten des § 6 5 über die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt durch eine endgültige Fassung ersetzt werden sollte. Infolge der Aufhebung des § 65 noch vor seinem Inkrafttreten ist diese endgültige Fassung des § 6 6 nie in Kraft getreten, so dass stets die Übergangsregelung galt und unbefristet weiter gilt. Die nicht in Kraft getretene endgültige Fassung beschränkte (in Abgrenzung von § 65) § 6 6 Abs. 1 und 2 jeweils auf Anlasstaten nach Vollendung des 2 5 . Lebensjahres (zur Problematik unten Rdn. 55), enthielt bei Abs. 1 Nr. 3 die Klammerdefinition „Hangtäter" und verwies in § 66 Abs. 3 auf § 65 Abs. 5.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Durch das 23. StrÄndG wurde - wegen der Aufhebung des § 4 8 - in § 6 6 Abs. 3 die bisherige Verweisung auf § 4 8 Abs. 3 und 4 durch eine inhaltsgleiche Neuregelung ersetzt. Durch Art. 1 Nr. 3 SexualdelikteBekG wurde Absatz 3 eingefügt und der bisherige Absatz 3 zu Absatz 4. Ferner wurden in Satz 5 des nunmehrigen Absatz 4 die Fälle des jetzigen Absatz 3 einbezogen. Die Aufzählung der von Absatz 3 Satz 1 (neu) erfassten Straftaten wurde durch Art. 1 Nr. 5 des 6. StrRG den durch dieses Gesetz bewirkten Änderungen angepasst. Gleichzeitig wurde die Höchstfrist für die erstmalige Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in § 67d aufgehoben. Das 6. StrRG brachte redaktionelle Änderungen in § 6 6 Absatz 3 Satz 1. Durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 2 1 . 8 . 2 0 0 2 (BGBl. I S. 3 3 4 4 ) entfielen in Absatz 1, Absatz 2 und Absatz 3 Satz 1 und 2 jeweils der Zusatz „zeitiger" vor dem Wort „Freiheitsstrafe", so dass die Sicherungsverwahrung nunmehr auch neben einer lebenslangen (Einzel-)Freiheitsstrafe angeordnet werden kann. Zu Übergangsregelungen und wiedervereinigungsbedingter vgl. unten Rdn. 2 5 2 f.
Rechtsvereinheitlichung
Übersicht Rdn.
Rdn. 3. Art. 2 Abs. 2 G G 4. Ne bis in idem/Bestimmtheitsgrundsatz
I. Normzweck und praktische Bedeutung im heutigen Sanktionensystem . . . . Π. Entwicklung der Maßregel der Sicherungsverwahrung 1. Bis zur Einführung der Sicherungsverwahrung . Das Gewohnheitsverbrechergesetz . Nach 1945 . Der Weg zum 1. StrRG . Die Entwicklung seit dem 1. StrRG . . Die Entwicklung nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten 7. Ausblick auf die zukünftige Rechtsentwicklung . . . . . . 8. Entwicklungen im Ausland ΠΙ. Kritik an der Sicherungsverwahrung . . 1. Umfassende Kritik 2. Einzelkritik a) Falscher Personenkreis betroffen . . b) Verhängung auch gegenüber „gewaltlosen, nicht als besonders gefährlich anzusehenden Straftätern" c) Ersatz der Sicherungsverwahrung durch alternative (mildere) Maßnahmen d) Zu niedrige formelle Anforderungen an die Sicherungsverwahrung . . . e) Prognoseunsicherheiten f) Vollzugsdefizite 3. Zusammenfassung IV. Verfassungsmäßigkeit 1. Übersicht 2. Menschenwürde
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V. Aufbau und Schwerpunkte des § 6 6
11 12
13 19 20 21 22 27 28
30
31 32 33 36 37 38 39
. . .
VI. Die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach Absatz 1 1. Vorverurteilungen und Vortaten . . . a) Die Vortaten b) Vorverurteilungen c) Die Gesamtstrafe insbesondere . . . d) Die Jugendstrafe e) Verurteilungen nach DDR-Recht . . f) Taten, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des StGB abgeurteilt wurden g) Zur Bewährung ausgesetzte und erlassene Strafe 2. Freiheitsentzug aufgrund der Vorverurteilung 3. Nichtberücksichtigung von Vorverurteilungen und Vortaten a) Rückfallverjährung b) Tilgung im Bundeszentralregister . c) Verwertung als Beweisanzeichen? . 4. Die auslösende Tat (Anlasstat) a) Allgemeines b) Gesamtstrafe c) Symptomatischer Charakter . . . . d) Jüngere Erwachsene VII. Die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach Absatz 2 1. Allgemeines zu Absatz 2 2. Drei vorsätzliche Straftaten 3. Verwirkte Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 6 6
Rdn. 4. Verurteilung zu mindestens dreijähriger Freiheitsstrafe 5. Rückfallverjährung, Auslandstaten etc. V m . Die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 6 6 Abs. 3 1. Allgemeines 2. Vorverurteilung bei Unterbringung nach Absatz 3 S. 1 3. Freiheitsentzug aufgrund der Vorverurteilung 4. Auslösende Tat (Anlasstat) nach Absatz 3 S. 1 5. § 6 6 Abs. 3 S. 2 I X . Materielle Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung 1. Allgemeines 2. Generell zum Begriff des Hanges . . . 3. Definition des Begriffes „Hang" a) Eingeschliffener innerer Zustand b) Wiederholte Begehung von Straftaten c) Dauernd zu Straftaten entschlossen d) Ursache des eingeschliffenen Verhaltensmusters e) Kriterien für die Ermittlung des Hangs f) Zur Kritik des Hangbegriffs . . . 4. Hang zu erheblichen Straftaten a) Allgemeines b) Kriterien für die Erheblichkeit . . aa) Regelbeispiele „namentlich" . bb) Formelle Voraussetzungen als Anhaltspunkt cc) Katalogtaten bei § 66 Abs. 3 . dd) Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . . c) Bestimmung der Erheblichkeit im Einzelfall d) Additive oder singulare Erheblichkeit e) Schwerer wirtschaftlicher Schaden aa) Allgemeines bb) Berücksichtigung der Opferempfindlichkeit (1) Nichtberücksichtigung . . (2) Berücksichtigung im Einzelfall (3) Generalisierende Betrachtung (4) Stellungnahme cc) Bestimmung eines Schwellenwertes für die Schadenshöhe . (1) Generell-objektiver M a ß stab
89 93
94 95 102 103 106
112 114 118 119 120 124 126 134 143 148 149 154 155 156 157 160 166 167 169 169 171 172 174 175 175
Rdn. (2) Speziell-objektiver M a ß s t a b dd) Berücksichtigung immaterieller Faktoren f) Schwere körperliche Schädigung . aa) Individueller oder objektiver Maßstab bb) Schwerer körperlicher Schaden g) Schwere seelische Schädigung . . . 5. Gefährlichkeit für die Allgemeinheit . a) Allgemeines b) Gefährlich c) Maßgeblicher Zeitpunkt der Gefährlichkeitsprognose d) Einzelfragen e) „Für die Allgemeinheit" 6. Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten a) Inhalt der Gesamtwürdigung . . . b) Symptomcharakter der Taten insbesondere 7. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . X . Obligatorische und fakultative Anordnung, Verhältnis zur Strafe 1. Allgemeines 2. Obligatorische Anordnung nach Absatz 1 3. Fakultative Anordnung nach Absatz 2 und Absatz 3 4 . Verhältnis zur Strafe X I . Konkurrenz mit anderen Maßregeln
. .
ΧΠ. Dauer der Sicherungsverwahrung; Aussetzung; Erledigung; Kontrolle 1. Dauer 2. Aussetzung der Vollstreckung; Führungsaufsicht 3. Erledigung der Maßregel 4 . Kontrollpflichten
181 183 185 186 190 193 201 202 203 206 208 210 213 214 218 223
228 229 232 236 237
238 239 240 241
Χ Μ . Vollstreckung und Vollzug 1. Reihenfolge der Vollstreckung . . . . 2. Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel 3. Gestaltung des Vollzugs
243 244
XIV. Verfahrensrechtliches 1. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung 2. Sachverständige 3. Rechtsmittel 4. zum Verschlechterungsverbot . . . .
245 247 249 250
X V . Übergangsregelungen 1 . 1 . StrRG 2. Recht des Einigungsvertrages und spätere Übergangsregelungen . . . .
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
242
252 253
409
§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
I. Normzweck und praktische Bedeutung im heutigen Sanktionensystem 1
In den verschiedenen Rechtsordnungen lassen sich zwei Grundtypen von Regelungen zum Schutz vor Gewohnheitsdelinquenten und Rückfalltätern unterscheiden: Zum einen besteht die Möglichkeit der Strafschärfung für Wiederholungstäter (so z.B. im geltenden spanischen Strafrecht1), zum anderen die der Zweispurigkeit der Sanktionierung, nämlich durch Verhängung einer Strafe, deren Höhe streng durch die Schuld limitiert ist, und zusätzlich der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die präventive Zwecke verfolgt, wenn die Verhängung einer Strafe allein zum Schutz der Bevölkerung nicht ausreicht.2 In Deutschland ist die Entscheidung zugunsten des Schuldstrafrechts gefallen, welches auch verfassungsrechtlich verankert ist.3 Daher lässt sich der unabweisbar notwendige Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Gewohnheitsstraftätern, nur über rein präventiv ausgerichtete Maßregeln der Besserung und Sicherung, hier der Sicherungsverwahrung, erreichen, insbesondere in den Fällen, in denen individuelle Schuld und Gefährlichkeit auseinanderklaffen.4
2
In der Vorauflage stand Hanack der Sicherungsverwahrung insgesamt recht kritisch gegenüber. Auch aktuell gibt es nicht wenige Kritiker dieses Rechtsinstituts. Indes hat sich die Kritik inzwischen mehr auf die Vorschriften des § 66a und vor allem des § 66b verlagert, während § 66 (von einigen als ungeliebtes, aber notwendiges Übel) akzeptiert wird.5 Die sehr restriktive Auslegung der §§ 66a und 66b durch die höchstrichterliche Rechtsprechung (u.a. Vorrang des § 66 gegenüber § 66a; enger Begriff der neuen Tatsachen i.S.v. S 66b) hat § 66 wieder mehr in den Vordergrund gerückt und zwingt zu dessen verstärkter und sorgfältiger Prüfung (und als Folge auch zu dessen häufigerer Anwendung), da Versäumnisse im Erkenntnisverfahren nachträglich nicht mehr über § 66a oder § 66b korrigiert werden können (vgl. § 66b Rdn. 87 ff). Die öffentliche bzw. politische Diskussion ist ohnehin von dem Bestreben nach Einschränkung dieser Maßregel, das die sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts prägte, umgeschlagen in Erweiterungsbestrebungen, die schließlich zu § 66 Abs. 3 sowie §§ 66a und 66b geführt haben (vgl. unten Rdn. 13 ff). So ist inzwischen bereits von einer „Renaissance der Sicherungsverwahrung" die Rede.6 Hierzu hat sicherlich die „mediale Überrepräsentation" von Gewalttaten beigetragen.7 Man sollte aber nicht vergessen, dass - selbst wenn die Zahlen bei Gewalt- und Sexualdelikten in den vergangenen Jahrzehnten nicht angestiegen sein sollten, sondern „bloß" stagnieren - auch die Senkung der Kriminalitätshäufigkeit in diesem Bereich eine legitime Zielsetzung ist.8
3
Zweck der Sicherungsverwahrung ist, als eine Art „letzter Notmaßnahme der Kriminalpolitik", der Schutz vor dem aufgrund seines Hangs chronisch kriminellen, für die
1
Vgl. dazu Mir FS Gössel S. 317, 3 1 8 f; nähere Einzelheiten auch unten Rdn. 2 0 .
2
Vgl. zum Ganzen Hanack L K 1 1 Rdn. 10. BVerfGE 9 1 6 7 , 1 6 9 ; 2 0 3 2 3 , 3 3 1 ; 2 5 2 6 9 , 2 8 5 ; Freund M K 2 0 0 3 Vor SS 13 ff Rdn. 2 1 6 .
3
4
5
Frisch Z S t W 1 0 2 ( 1 9 9 0 ) S. 3 7 1 , 3 9 0 f; Lackner/Kühl Rdn. 1; Schreiber/Rosenau in Venzlaff/Foerster S. 5 3 , 9 6 ; Weber in Baumann/ Weber/Mitsch AT S. 6 7 f; vgl. auch Hassemer StV 2 0 0 6 3 2 1 , 3 2 4 . Ähnlich: Sch/Schröder/Stree Rdn. 3; Ullenbruch M K Rdn. 10 ff, 14 ff; Schreiber/
410
Rosenau S. 5 3 , 9 7 ; Eser FS Müller-Dietz S. 213, 2 1 5 . 6
So der Titel des Beitrages von Weber/Reindl in 2 5 Jahre Maßnahmenvollzug S. 1 3 7 (der allerdings kritisch gemeint ist) sowie des Beitrages von Laubenthal Z S t W 116 ( 2 0 0 4 ) 7 0 2 ; vgl. auch: Pollähne SchlHA 2 0 0 5 135, 136.
7
Laubenthal Z S t Z 116 ( 2 0 0 4 ) 7 0 2 , 7 0 4 ; vgl. auch: Pollähne SchlHA 2 0 0 5 135, 136 ff.
8
Vgl. zum Ganzen auch: Hassemer 321 ff.
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StV 2 0 0 6
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Allgemeinheit gefährlichen Täter im Bereich der schweren Kriminalität, dem mit anderen strafrechtlichen Mitteln nicht mehr beizukommen ist.9 Sicherungsdefizite der Strafe sollen so ausgeglichen werden. Dem entspricht das Ziel der Unterbringung: Der Täter soll, während der Dauer seiner Gefährlichkeit, in erster Linie sicher verwahrt werden (§ 129 S. 1 StVollzG); daneben soll ihm, entsprechend dem Charakter eines rechtsstaatlich-humanen Strafrechts, freilich auch geholfen werden, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern (§ 129 S. 2 StVollzG). Die Verhängung der Sicherungsverwahrung ist (bedingt durch ihre Stellung als zweite Spur strafrechtlicher Sanktionen) nicht an die Schuld des Täters geknüpft. Ihre Dauer wird durch seine Schuld nicht limitiert (vgl. § 6 2 ) . Die Verortung der Sicherungsverwahrung im StGB ist nicht zwingend, handelt es sich doch nicht um Strafrecht, sondern Gefahrenabwehrrecht,10 das sich auf solche Personen beschränkt, die bereits straffällig geworden sind.11 Sie ist aber im Hinblick auf eine einheitliche Entscheidung über Strafe und Maßregel durch das sachnähere Gericht, sinnvoll.12 Vereinzelt wird allerdings auch ein vom Strafrecht losgelöstes Maßnahmenrecht gefordert.13 Ob die Sicherungsverwahrung ein besonderes Legitimationsbedürfnis - über das 4 sonstiger Gefahrenabwehr - aufweist, weil sie nicht nur der punktuellen Gefahrenabwehr dient, ist umstritten.14 Das BVerfG hat entschieden: „Es ist der staatlichen Gemeinschaft nicht verwehrt, sich gegen gefährliche Straftäter durch Freiheitsentzug zu sichern. Die vom Grundgesetz vorgegebene Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums rechtfertigt es, unabdingbare Maßnahmen zu ergreifen, um wesentliche Gemeinschaftsgüter vor Schaden zu bewahren" (NJW 2004, 739, 749). 15 Es ist dem Gefahrenabwehrrecht nicht immanent, nur punktuelle Gefahren abzuwehren (vgl. z.B. die Regelungen des BSeuchG oder der Länderunterbringungsgesetze). Es dürfte auch kaum begründbar sein, der Gemeinschaft nur gegen punktuelle Gefahren ein Abwehrrecht, nicht aber gegen Dauergefahren (ggf. auch durch Freiheitsentziehung) zuzusprechen. Der Staat hat zwei kollidierende Pflichten, nämlich seine Schutzpflicht für höchste Rechtsgüter der Bürger und das Freiheitsrecht des Einzelnen auszugleichen. Beide Pflichten sind prinzipiell gleichermaßen zu erfüllen.16
Π. Entwicklung der Maßregel der Sicherungsverwahrung Die Entwicklungsgeschichte ist hier nicht im Einzelnen, sondern nur in Umrissen 5 insoweit darzustellen, wie es zum Verständnis des geltenden Rechts und seiner gewachsenen Struktur unerlässlich ist (s. dazu im Übrigen Hanack LK11 § 66 Rdn. 3 ff sowie Schöch LK Vor § 61 Rdn. 1 ff).
9
BTDrucks. V / 4 0 9 4 S. 17, 19 f; Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2 7 0 ; BGHSt 3 0 2 2 0 , 2 2 2 ; Lackner/Kühl Rdn. 1 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 ; Mitsch in Baumann/Weber/Mitsch AT § 4 4 II 4 a S. 7 9 4 ; Feltes StV 2 0 0 0 2 8 1 ; Laubenthal Z S t W 116 ( 2 0 0 4 ) S . 7 0 3 , 7 0 9 ra.w.N.
10
Vgl. nur: Frommel KJ 2 0 0 4 81, 8 3 ; Streng FS Lampe S. 611, 6 2 0 .
11
Vgl. Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 3 8 8 .
12
Eser FS Müller-Dietz S. 2 1 3 , 2 3 5 f; Kaiser Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? S. 5 2 .
13
De Boor Z S W 1 9 8 1 1 7 6 , 1 7 8 m.w.N. So: Streng FS Lampe S. 6 1 1 , 6 2 0 ; a A Frisch Z S t W 1 0 2 ( 1 9 9 0 ) S. 361, 367.
14
15
16
Vgl. auch: Kalf S. 2 0 5 , 2 1 1 ; Wacker Sicherungsverwahrung und Grundgesetz S. 7 6 ff. Frisch Z S t W 1 0 2 ( 1 9 9 0 ) 3 6 1 , 3 6 8 f; vgl. zum Ganzen auch Hörnle StV 2 0 0 6 3 8 3 , 3 8 4 f.
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411
§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
6
1. Bis zur Einführung der Sicherungsverwahrung. Bereits lange vor der Einführung der Sicherungsverwahrung waren präventive Maßregeln (auch ohne Anknüpfung an psychische Erkrankungen) nicht unbekannt. So war in der Constitutio Criminalis Carolina die deliktsunabhängige Sanktionierung bestimmter Personen geregelt (z.B. das Einsperren einer Person, die mit der Begehung eines Verbrechens drohte). 17 Der Richter sollte darüber vielfach aus Gründen der Zweckmäßigkeit im Strafverfahren nach den dort geltenden Grundsätzen mitentscheiden. Auch sah § 362 RStGB vor, dass der Strafrichter die Überweisung eines Delinquenten, der wegen Landstreicherei, Bettelei etc. nach § 361 RStGB verurteilt wurde, an die Landespolizeibehörde anordnete, welche dann eigenständig eine Sicherungsmaßnahme (wie z.B. die Unterbringung in einem Arbeitshaus oder die Heranziehung zu gemeinnützigen Arbeiten, bei Ausländern die Verweisung außer Landes, etc.) verhängte. In der Strafrechtslehre Anfang des 20. Jahrhunderts bestand aber Einigkeit darüber, dass es sich bei den Maßregeln grundsätzlich um polizeirechtliche Regelungen zur Gefahrenabwehr handelte, die nur aus Zweckmäßigkeitsgründen ins Strafgesetzbuch, nicht aber ins Strafrecht übernommen werden sollte (vgl. Eser Festschrift Müller-Dietz, S. 213, 216 ff und 235; Jansing S. 9, 21 jew. m.w.N.). Ein zweispuriges System mit einer Unterbringungsmöglichkeit für Gewohnheitsverbrecher wurde erstmals mit dem Entwurf für ein StGB 1911 vorgeschlagen und blieb in allen Entwürfen (E 1913, E 1919, E 1925 und E 1927) erhalten (der E 1909 enthielt noch nicht die Möglichkeit der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sondern lediglich die der Unterbringung in einem Arbeitshaus), wurde aber bis zum Ende der Weimarer Republik nie Gesetz.
7
2. Das Gewohnheitsverbrechergesetz. Mit dem Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24.11.1933 (RGBl. I 1933 S. 995; vgl. dazu: Müller Das Gewohnheitsverbrechergesetz) wurde die Sicherungsverwahrung zum 1.1.1934 eingeführt (§ 42e i.V.m. § 20a RStGB, eingeführt durch Art. 2 und Art. 1 Nr. 1 Gewohnheitsverbrechergesetz). Ihre Einführung als solche beruht nicht auf spezifisch nationalsozialistischem Gedankengut (s.o.; vgl. zur Entwicklung: Eser FS Müller-Dietz, S. 213, 228 ff), 18 möglicherweise aber ihre konkrete Ausgestaltung. Sie erfuhr in ihrer Ausgestaltung gegenüber den Vorentwürfen eine Reihe von Verschärfungen (z.B. zwingende Anordnung, keine Vorverurteilung erforderlich etc.). 19 Eine Weiterung der Anordnungsmöglichkeiten wurde auch dadurch erreicht, dass eine Einstufung als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher für die Anordnung notwendig war. Diese Einstufung, die zu einer obligatorischen (§ 20a Abs. 1 RStGB) bzw. fakultativen (§ 20a Abs. 2 StGB) Strafschärfung führte, konnte aber nach § 20a Abs. 2 RStGB bereits bei mindestens drei vorsätzlich begangenen Taten und der Einstufung als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher vorgenommen werden.20 Entgegen allen vorausgegangenen Schätzungen - anvisiert war eine Zahl etwa von 800 - , 2 1 erfuhr die Maßregel in der Praxis zunächst einen enormen Anwendungsbereich, an dem auch z.T. schwer erklärbare Schwankungen auffielen. Insgesamt wurden zwischen 1934 und 1945 etwa 15.000-16.000
17 18
Eser FS Müller-Dietz S. 213, 216. Weber in Baumann/Weber/Mitsch AT S. 65 ff; Blau FS Schneider S. 759, 762; Deckers Probleme der forensischen HangDiagnostik bei Sicherungsverwahrung S. 46, 53; Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V/S. 271; Huber-Stentrup in Kilching ZStW 109 (1997) S. 1 6 5 , 1 6 9 f; ähnlich Laubenthal ZStW 116 (2004) 703,
412
19
20
21
711 (Entartung unter dem Nationalsozialismus); aA (nationalsozialistische Elemente): Schewe S. 78 ff; differenzierend: Müller Das Gewohnheitsverbrechergesetz S. 98 f. Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 17; Schewe S. 52 f. Vgl. dazu Exner ZStW 53 (1934) S. 629, 650 f und die Übersicht bei Schewe S. 52 f. Jansing S. 29; Weihrauch S. 1 m. Nachw.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Personen zur Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt.22 Die Anordnung der Sicherungsverwahrung war gleichzeitig gekoppelt an einen allgemeinen Strafschärfungsgrund des gefährlichen Gewohnheitsverbrechers oder Rückfalltäters in § 20a RStGB. Neben der Sicherungsverwahrung nach dem StGB bestand die Möglichkeit der Anordnung der Vorbeugungshaft zum Schutz vor Berufs- und Gewohnheitsverbrechern durch die Polizei (Jansing S. 37 ff). 23 3. Nach 1945. Nach 1945 sprach sich der Alliierte Kontrollrat für eine Abschaffung 8 der Sicherungsverwahrung aus. Zu einer Abschaffung kam es aber nicht (Jansing S. 49 f). In der DDR wurden die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung im Jahre 1952 vom Obersten Gericht der DDR für ungültig erklärt. Als funktionale Äquivalente dienten insbesondere Vorschriften zur Strafschärfung bei Rückfall. 24 In der Bundesrepublik Deutschland ging die Häufigkeit der Anordnungen erheblich 9 zurück.25 In den Jahren zwischen 1958 und 1969 wurde die Maßregel nach der Kriminalstatistik jährlich gegenüber etwas mehr als 200 Personen angeordnet. Der Anteil der Frauen betrug etwa 5 % (Statistik bei Geisler S. 205). Am 31.3.1961 betrug die Gesamtzahl der Verwahrten 673, am 31.3.1966: 899, am 31.3.1970: 718. 51 % der am 31.3.1970 Untergebrachten befanden sich im Alter von 25^45 Jahren, 34,6 % im Alter von 45-65 Jahren, 5,4 % waren älter als 65 Jahre. Die durchschnittliche Verwahrungsdauer betrug etwa drei bis vier Jahre. 26 Wie gering der Anteil der eigentlich Schwerkriminellen noch nach 1945 war, zeigen vorhandene Untersuchungen. Nach Grünwald betrug in den Jahren zwischen 1958-1961 der Anteil der Diebe unter den Verwahrten 55 % und der der Betrüger 20 % . 2 7 Nach den Untersuchungen von Schachert28 an 140 Sicherungsverwahrten, die nach 1945 eingewiesen und bis 1959 entlassen wurden, haben die Betroffenen überwiegend niemals eine schwere Tat begangen. Die Diebe hatten häufig nur Lebens- und Genussmittel, Kleidungsstücke, Fahrräder und Kleinvieh an sich gebracht; im Einzelfall überstieg ihre Beute selten 100,- DM. Während ihrer gesamten kriminellen Betätigung hat die Mehrzahl eine Beute von 1000,- DM nicht erreicht. Eine Aufschlüsselung nach Deliktsgruppen, die zur Anordnung der Sicherungsverwahrung führten, für die im Jahr 1956 Untergebrachten durch Geisler ergibt: Während nur 1,8 % der Straftaten Gefahren für Leib und Leben mit sich brachten und 5,3 % Raub, räuberischen Diebstahl, Erpressung sowie schweren Diebstahl betrafen, handelte es sich bei 20,1 % der Straftaten um Hehlerei und Betrug sowie bei 49,1 % um Rückfalldiebstähle. Sexualdelikte fanden sich bei den Verwahrten zwar recht häufig (Geisler29: 2 3 , 1 % ; Grünwald30: 15%), doch liegt ihr
22
23
Vgl. Hellmer Z S t W 7 3 4 4 2 f; Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 2 0 ; Weichert StV 1 9 8 9 2 6 5 , 2 6 7 ; Bundesjustizministerium Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2 7 6 ; näher zur Handhabung bis 1 9 4 5 : Hellmer Der Gewohnheitsverbrecher. Z u r Entstehungsgeschichte der Sicherungsverwahrung allgemein vgl. Schewe S. 12 ff sowie Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2 7 5 .
24
Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 2 3 f.
25
Hellmer Z S t W 7 3 ( 1 9 6 1 ) S. 4 4 2 , 4 4 5 . Geisler Die Sicherungsverwahrung, S. 1 9 6 ; Grünwald Z S t W 7 6 6 4 1 m.w.N. Grünwald Z S t W 7 6 6 4 1 , 6 4 3 . Schachert Kriminologische Untersuchungen, S. 3 3 ff.
26
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29 30
Geisler Die Sicherungsverwahrung, S. 2 0 9 . Grünwald Z S t W 7 6 6 3 3 , 6 4 4 .
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10
§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Anteil bei wesentlich weniger als 5 ,wenn man von der Hauptdeliktsrichtung des Täters ausgeht.31 11
4. Der Weg zum 1. StrRG. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Großen Strafrechtsreform mit der Sicherungsverwahrung sehr eingehend beschäftigt (vgl. dazu eingehend Neu S. 101 ff und Hanack LK 11 § 66 Rdn. 11). An der seinerzeit bestehenden Regelung wurde im Schrifttum erhebliche Kritik geübt (vgl. dazu Hanack in LK 11 § 66 Rdn. 2 ff). Schon der E 1962 bemühte sich auch um Einschränkungen der Sicherungsverwahrung, damit die Maßregel nur Täter erfasst, für die sie wirklich unabweisbar ist. Auf die Kritik (insbesondere von Grünwald ZStW 76 633), dass dieses Ziel durch die Regelung noch nicht erreicht werde, kam es später zu eingehenden weiteren Bemühungen um eine Einengung (vgl. näher Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V/ S. 270 ff, S. 2298 ff), die zur heutigen Regelung (der Absätze 1 und 2 sowie der Rückfallverjährung) führten. Dabei sind einmal die sog. formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung beträchtlich verschärft worden: durch angehobene Anforderungen an die Vorstrafen (näher Rdn. 47 ff) und durch das Erfordernis von Vorverbüßungen (näher Rdn. 58), die allerdings für § 66 Abs. 2 nicht gelten (dazu Rdn. 77 ff), sowie durch Anhebung des für die Anlasstat verwirkten Strafmaßes (Rdn. 72; Rdn. 89 und Rdn. 103 ff). Eingegrenzt wurden weiter die sog. materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung durch die Gefahr „erheblicher" Straftaten, für die der Gesetzgeber mit der „namentlich"-Klausel des Abs. 1 Nr. 3 eine Art Leitlinie gibt (näher Rdn. 149). - Beseitigt wurde im Übrigen die problematische frühere Rechtslage, nach der (s. Rdn. 206) der Richter die Prognose auf den Zeitpunkt nach der Entlassung aus dem Strafvollzug zu beziehen hatte, was freilich nicht nur neue Schwierigkeiten aufwirft, sondern unbeschadet der besonderen Pflicht zur Prüfung, ob nach dem Strafvollzug ein Vollzug der Maßregel noch erforderlich ist (§ 67c Abs. 1), die Anordnung der Sicherungsverwahrung eher erleichtert.
12
5. Die Entwicklung seit dem 1. StrRG. Die Entwicklung seit dem 1. StrRG zeigt, dass die Erwartung des Gesetzgebers, die Anordnung der Sicherungsverwahrung werde erheblich zurückgehen, nicht getrogen hat. Die Zahl der Sicherungsverwahrten entwickelte sich wie folgt (jeweils zum 31.3.): 1970: 718; 1975: 337; 1980: 208; 1985: 190; 1990 (früheres Bundesgebiet): 182; 1995: 183; 1996: 176. 32 Seitdem steigen die Zahlen wieder an: 31.12.1997: 191; 31.12.1998: 207. 3 3 Gegenüber früher verändert haben sich auch die Delikte, deretwegen die Unterbringung angeordnet worden ist. 34 Im Jahre 1991 waren von 187 Sicherungsverwahrten 77 Sexualtäter, 28 Raubtäter, 19 Totschläger, 40 Diebe, 14 Betrüger, 7 Brandstifter und 2 Täter sonstiger Straftaten. Nach einer von Kern (ZfStrVo 1997 19) durchgeführten Untersuchung für Baden-Württemberg waren bei den 1994 in der JVA Bruchsal einsitzenden Sicherungsverwahrten 78 % Tötungs-, Sexual- und Raubdelikte die Anlasstat. Nur 14,4 % entfielen auf Einbruchdiebstahl und Betrug.
31
Grünwald ZStW 76 633, 6 4 4 ; vgl. allgemein zu den seinerzeitigen Täterbiographien die Untersuchungen von Hellmer Der Gewohnheitsverbrecher, Schachert S. 9 ff und Weihrauch S. 150 ff; eine gute Übersicht über das seinerzeitige statistische Material gibt auch das Materialpapier des BMJ für den Sonderausschuss für die Strafrechtsreform
414
32 33
34
(Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 275 ff). StatBA, Rechtspflege Reihe 4.1; 1998 S. 6. StatBA, Rechtspflege Reihe 4.2; 1997 S. 17; 1998 S. 17. Näher und kritisch Weichert aaO; für die Zeit bis 1974 eingehend Neu S. 165.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Kinzig (Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 165 ff; S. 572 ff) fand heraus, dass auf die fakultative Vorschrift des § 66 Abs. 2 rund ein Fünftel aller angeordneten Verwahrungen entfallen. Prozentual am höchsten fand § 66 Abs. 2 bei der Gruppe der Betrüger Anwendung (37,5 %). Die Zahl der Anordnungen gegenüber Ausländern ist hingegen gemessen an ihrem Anteil an den Strafgefangenen gering. Die durchschnittliche Vollzugsdauer, lag bei vier bis fünf Jahren. Das durchschnittliche Alter der Delinquenten bei Verhängung der Maßnahme lag bei etwa 40 Jahren. 6. Die Entwicklung nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten. Die Entwicklung seit dem SexualdelikteBekG (zur Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes vgl. v. Harbou S. 2 ff), mit dem § 66 Abs. 3 neu eingefügt wurde,35 zeigt, dass die Zahlen weiter ansteigen. Dennoch ist - entsprechend dem Normzweck als ultima ratio - die zahlenmäßige Bedeutung der Sicherungsverwahrung im Verhältnis zu sonstigen Freiheitsentziehungen nach dem StGB sehr gering.36
13
Zur Zahl der Sicherungsverwahrten (ihre Höhe wird von der Zahl der Neuanordnungen und der Aussetzungspraxis gem. §§ 67c und 67d bestimmt): Im Jahre 1999 (31.12.) gab es 227 Sicherungsverwahrte, im Jahre 2000 (31.12.) waren es bereits 251 und 2001 277 Personen.37 Anlässlich der Entscheidung über den Wegfall der zeitlichen Begrenzung einer erstmaligen Sicherungsverwahrung gem. § 67d i.V.m. Art. 1 a Abs. 3 EGStGB hat das BVerfG bei den Ländern rechtstatsächliche Daten abgefragt (BVerfGE 109 133, 147 f). Danach befanden sich in dem Untersuchungszeitraum März bis Juni 2002 284 Personen im Vollzug der erstmaligen Sicherungsverwahrung. Gegen weitere 29 Personen war die Maßregel bereits zum wiederholten Male angeordnet worden. Im Jahre 2003 befanden sich 306 Personen im Vollzug der Sicherungsverwahrung, ein Jahr später waren es 304, im Jahre 2005 waren es 350, 2006 schon 375. 3 8 Die Belegung der Justizvollzugsanstalten in der Bundesrepublik Deutschland lag z.B. 2002 (31.12.) insgesamt hingegen bei 70977 Inhaftierten. Weitere 4818 Verurteilte befanden sich im Maßregelvollzug nach § 63 StGB, 2163 Verurteilte im Vollzug einer Unterbringung nach § 64 StGB. 3 9 Damit macht die Zahl der Sicherungsverwahrten etwa 0,5 % aller nach dem StGB Inhaftierten und Untergebrachten aus. Die durchschnittliche Vollzugsdauer der erstmalig angeordneten Sicherungsverwah- 14 rung lag nach den dem BVerfG zur Verfügung stehenden Erkenntnissen (je nach Bundesland) zwischen zwei Jahren und drei Monaten (Schleswig-Holstein) und sieben Jahren (Bayern). Bei der wiederholt angeordneten Sicherungsverwahrung lagen die Zahlen in Bayern bei 10,2 Jahren, in Nordrhein-Westfalen bei sechs Jahren und drei Monaten. Der Anteil der Untergebrachten, die sich in psychologischer, psychiatrischer oder sozialtherapeutischer Behandlung befanden, lag zwischen 22 % (Baden-Württemberg) und 69 %
35
36
37
38
Vgl. dazu: Hammerschlag/Schwarz NStZ 1998 321; Schöch N J W 1998 1257. Pfister Jahresheft für forensische Psychiatrie 2 0 0 4 146, 149; Schönberger Justitielle Handhabung, S. 15; zur Aussagekraft der amtlichen Statistiken vgl. Heinz FS Schwind S. 893, 8 9 7 ff. StatBA, Rechtspflege Reihe 4.2; 1 9 9 9 S. 17; 2 0 0 0 S. 17 und 2 0 0 1 S. 17. Vgl. näher Schöch LK § 61 Rdn. 13 ff; Boetticher Sicherungsverwahrung und
39
Prognosegutachten aus revisionsrechtlicher Sicht S. 87, 89; Dünkel/van Zyl Smit KrimPäd 2 0 0 4 47, 4 9 ; Kinzig Stellungn. für die Anhörung des Rechtsausschusses des BT am 19.3.2007 (abrufbar über www.bundestag.de): Pollähne SchlHA 2 0 0 5 135, 140 m.w. Angaben; vgl. auch: Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 2 4 . StatBA, Rechtspflege Reihe 4 . 2 , S. 7 , 1 9 .
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
(Nordrhein-Westfalen). 40 Nach der Studie von Kröniger wurde im Jahre 2004 bei 26 Sicherungsverwahrten der Vollzug dieser Maßregel beendet. In dieser Gruppe werden in der Studie alle diejenigen zusammengefasst, die aufgrund Todes, wegen der Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel nach § 67a oder nach § 67d Abs. 2 oder Abs. 3 aus dem Vollzug der Sicherungsverwahrung ausgeschieden sind. Von den 26 Personen wurden 13 nach § 67d Abs. 2 auf Bewährung entlassen, bei zwei weiteren beruhte die Entlassung auf § 67d Abs. 3. Bei den nach § 67d Abs. 2 bzw. Abs. 3 in Freiheit entlassenen Verurteilten lag der Medianwert der Unterbringungsdauer bei 4,67 Jahren, bei einem Minimalwert von 5 Monaten und einem Maximalwert von 10 Jahren. Nicht erfasst wurden in der Studie die Verurteilten, die aufgrund einer Bewährungsaussetzung nach § 67c Abs. 1 den Maßregelvollzug erst gar nicht antreten mussten sowie die Verweildauer der noch nicht entlassenen Sicherungsverwahrten.41 15
Zahl der Anordnungen der Sicherungsverwahrung: Wurde 1995 und 1997 die Sicherungsverwahrung in den alten Bundesländern einschließlich Berlin noch 45 bzw. 4 6 mal verhängt, fiel die Anordnung im Jahre 2001 - bei einer Gesamtzahl von knapp 720.000 Verurteilten (davon etwa 40.000 mal eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung) - 74 mal (wobei es sich hier um einen „Ausreisser" handelt. 42 90 % der Verurteilungen erfolgten wegen Sexualdelikten, Raub und schweren Gewalttaten. 43 Im Jahre 2005 gab es 75 Neuanordnungen. Vgl. zum Ganzen Schöch LK § 61 Rdn. 13 ff sowie anhand von Zahlen aus Nordrhein-Westfalen (nebst den vollstreckungsrechtlichen Auswirkungen) - Skirl ZfStrVO 2005 323 ff.
16
Während sich die Zahl der Abgeurteilten gegen die eine Maßregel nach § 63 verhängt wurde zwischen 1965 und 2003 mehr als verdoppelt und die von einer Maßregel nach § 64 betroffenen versiebenfacht hat, ist die Zahl der Abgeurteilten mit einer Maßregel nach § 66 auf etwa ein Drittel zurückgegangen. 44 Nach einer Untersuchung von Baltzer haben sich die Gerichte selbst bei einem „harten Kern" der untersuchten Gewalttäter (18 %), bei denen in der Hälfte der Fälle die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung vorlagen, nur in wenigen Fällen mit der Anordnung dieser Maßregel befasst. 45
17
Genauere Untersuchungen über die nach heutigem Recht zu Sicherungsverwahrung Verurteilten gibt es nur wenige. Das Durchschnittsalter der Sicherungsverwahrten liegt jedenfalls mit rund 50 Jahren recht hoch. Nahezu alle in dieser Maßregel Untergebrachten haben bereits mehrere gravierende Vordelikte begangen und im Durchschnitt rund 12-13 Jahre in Haft verbracht, bevor es zu ihrer Anordnung kam. 4 6 Nach Kröniger lag das Durschnittsalter der im Jahre 2004 aus der Maßregel entlassenen Sicherungsverwahrten bei knapp 59 Jahren. Von den 15 nach § 67d Abs. 2 oder Abs. 3 entlassenen Sicherungsverwahrten waren die Maßregel bei fünf Personen wegen gewaltloser Eigentums- und Vermögensdelikte, bei weiteren fünf wegen Sexualdelikten, bei drei wegen Tötungsdelikten und bei je einem wegen Körperverletzung und gewaltsamen Eigentumsdelikten
40 41
42
43 44
BVerfGE 1 0 9 1 3 3 , 1 4 7 f. Kröniger Lebenslange Freiheitsstrafe, Sicherungsverwahrung und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus S. 19 ff. StatBA, Strafverfolgung 1 9 9 5 S. 2 7 1 ; 1 9 9 7 S. 2 7 9 ; 2 0 0 1 S. 10 f; 1 2 2 f; 2 7 6 f. Böhm Strafvollzug, 3. Aufl. ( 2 0 0 3 ) 2 2 5 . Vgl. Schöch
416
LK § 61 Rdn. 13 ff; vgl. auch die
Übersicht bei: Dünkel/van Zyl Smit KrimPäd 2 0 0 4 47, 4 9 ; Boetticher N S t Z 2 0 0 5 417, 418. 45
Baltzer Die Sicherung des gefährlichen Straftäters S. 161, 2 1 7 ; Daten zur Rückfälligkeit von Straftätern allgemein bietet auch Harrendorf B e w H 2 0 0 6 3 0 8 ff.
46
Vgl. Habermeyer Die Maßregel der Sicherungsverwahrung S. 9 3 f. m.w.N.
R u t h Rissing-van Saan/Jens Peglau
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
angeordnet worden. 47 Nach einer vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht durchgeführten Studie sind von 27 untersuchten verstorbenen ehemaligen Sicherungsverwahrten 13 im Vollzug verstorben.48 Einen umfassenden Eindruck von den Probanden vermittelt Kinzig49 (einschließlich familiärer Herkunft, schulischer und beruflicher Bildung etc.), dessen Untersuchung auch die umfassendste zur Sicherungsverwahrung sein dürfte (auch wenn sie noch aus der Zeit vor den Änderungen durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten stammt). 50 Daneben ist die Untersuchung von Kern51 zu nennen, die sich allerdings nur auf Baden-Württemberg bezog. Zu nennen ist ferner die Untersuchung von Schönberger.52 Das BVerfG hat die Erstellung einheitlichen statistischen Materials gefordert, damit die (verfassungs-) gerichtliche Überprüfung weiterhin möglich bleibt. 53 Umstritten ist, ob für die Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung überhaupt ein Handlungsbedarf bestand. Angezweifelt wird dies vor dem Hintergrund, dass ein signifikanter Anstieg von Sexualstraftaten nicht zu verzeichnen war. 54 Allerdings lässt sich dazu anmerken, dass durchaus auch die Senkung eines über Jahre gleichbleibenden Kriminalitätsniveaus (vor allem bei schweren Straftaten) ein legitimes gesetzgeberisches Ziel ist.
18
Es ist zu erwarten, dass als Folge der restriktiven höchstrichterlichen Auslegung des § 66b, insbesondere der Voraussetzung der neuen Tatsachen, zukünftig die Tatgerichte vermehrt schon bei der Aburteilung der Anlasstat die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 prüfen werden, denn Versäumnisse hier sind nachträglich nicht über § 66b korrigierbar, wenn die die Gefährlichkeit begründenden Umstände bereits zum Zeitpunkt der Aburteilung der Anlasstat erkennbar waren (vgl. S 66b Rdn. 87 ff). 55 Hang und Gefährlichkeit sind daher in jedem Verfahren zu überprüfen, in dem die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 bis 3 vorliegen. Nur so kann vermieden werden, dass für die Allgemeinheit hochgefährliche Straftäter nicht erkannt werden und nach Verbüßung ihrer zeitigen Freiheitsstrafe entlassen werden müssen, auch wenn ihre Gefährlichkeit fortbesteht.56 7. Ausblick auf die zukünftige Rechtsentwicklung. Nicht nur im Anwendungsbereich des § 66b (vgl. dort), sondern auch bei der (anfänglichen) Sicherungsverwahrung, ist der Gesetzgeber weiterhin tätig. Zur Zeit wird diskutiert, die anfängliche Maßregelanordnung auch bei „Ersttätern" (gemeint sind Erstverurteilte) in etwa unter den gleichen Voraussetzungen zu ermöglichen, wie die nachträgliche Anordnung im Rahmen des § 66b Abs. 2 (Gesetzesantrag Mecklenburg-Vorpommerns, BRDrucks. 876/05). So könnte jedenfalls der nicht nachvollziehbare Unterschied bei den Anordnungsmöglichkeiten nach § 66 und S 66b beseitigt werden. In der Literatur wird - sehr bedenkenswert -
47
Kröniger Lebenslange Freiheitsstrafe, Sicherungsverwahrung und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus S. 17 ff.
50
Vgl. auch die Folgeaufsätze von Kinzig zu seiner Untersuchung in: Z R P 1 9 9 7 99; Z S t W 1 0 9 ( 1 9 9 7 ) 1 2 2 ; N S t Z 1 9 9 8 14.
48
Kinzig Die Sicherungsverwahrung - von einer vergessenen zu einer boomenden Maßregel S. 143, 1 7 0 .
51
49
Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand, S. 1 7 6 ff; vgl. auch die Angaben zur Folgestudie in: Kinzig Die Sicherungsverwahrung - von einer vergessenen zu einer boomenden Maßregel S. 1 4 3 ff.
Brauchen wir die Sicherungsverwahrung; vgl. auch den Folgeaufsatz in: ZfStrVO 1 9 9 7 19. Z u r justitiellen Handhabung der Voraussetzungen gemäß §§ 6 3 , 66 StGB. BVerfGE 1 0 9 133, 155.
52
53 54 55 56
Vgl. Boetticher MschrKrim. 1 9 9 8 3 5 4 , 3 5 5 . Vgl. B G H Urt. v. 9 . 1 1 . 2 0 0 6 - 3 StR 3 6 0 / 0 6 . So auch: J a c o b s e n N K r i m P 2 0 0 5 9 2 ff.
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19
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
weitergehend eine Systemumstellung auf eine „nachfolgende Sicherungsverwahrung" angeregt.57 Dadurch, dass über die Sicherungsverwahrung generell erst am Ende der Haftzeit entschieden wird, könnten sämtliche Wertungswidersprüche zwischen § 66, 66a und 66b auf einen Schlag beseitigt und die Maßregelentscheidung von vornherein auf eine breitere Tatsachenbasis (nämlich inklusive der Erkenntnisse aus dem Vollzug) gestellt werden. Die häufigere Ungewissheit des Verurteilten über sein Schicksal nach Verbüßung der Strafe dürfte durch die verminderte Hoffnungslosigkeit bei nicht anfänglicher Anordnung ausgeglichen werden. Ein zusätzlicher Anreiz an sich zu arbeiten, würde dadurch geschaffen. Würde man das System erst mit Wirkung für die Zukunft entsprechend umstellen, dürfte das mit höherrangigem Recht vereinbar sei. 58 Insbesondere würde, da jede Verurteilung, die bestimmte formelle Voraussetzungen erfüllt, Kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der späteren Maßregelanordnung steht, hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 5 EMRK nichts anderes gelten, als bei § 66a, der in dieser Hinsicht unproblematisch ist (vgl. dort Rdn. 10 ff). 20
8. Enwicklungen im Ausland. Ein Blick auf das Ausland zeigt, dass zur Bekämpfung des gefährlichen Gewohnheitsverbrechers auch dort sehr unterschiedliche Wege beschritten worden sind und die Methoden z.T. gewechselt haben. So gibt es die Sicherungsverwahrung im Rahmen eines zweispurigen Systems ebenso wie einspurige Reaktionen. 59 Aus der neueren Entwicklung im Ausland mag hervorgehoben werden: Ähnlich wie in Deutschland standen auch in Österreich und der Schweiz die Bestrebungen zur Einschränkung des Anwendungsbereichs der Sicherungsverwahrung lange Jahre im Vordergrund. Zu einer Abschaffung ist es dort allerdings genauso wenig gekommen wie in der Bundesrepublik.60 In der Schweiz ist die Unterbringung in Art. 42 StGB geregelt (vergleichbar § 66 Abs. 1). Inzwischen (2004) ist in der Schweiz eine Strafrechtsrevision verabschiedet worden, die bis zu 20-jährige und lebenslange Freiheitsstrafen bereits für Ersttäter, die jemanden schwer geschädigt haben oder schädigen wollten und bei Rückfalltätern die zeitlich unbegrenzte Verwahrung vorsieht (dazu eingehend: Kinzig FS Tondorf S. 157, 164 ff; Kunz SchwZStrR 2004 234 ff 6 1 ). In Österreich besteht die Möglichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 23 ÖStGB unter ähnlichen Voraussetzungen wie nach § 66 Abs. 1 in Deutschland (teilweise sind einzelne Voraussetzungen weiter, andere strenger gehalten). Seit 1990 befanden sich aber nur 3 Personen in dieser Maßregel. 62 In Großbritannien wurde die Sicherungsverwahrung 1967 abgeschafft und durch die Möglichkeit einer Strafschärfung ersetzt.63 Seit dem Criminal Justice Act von 1991 dürfen die lebenslange Freiheitsstrafe und die zeitlich bestimmte Freiheitsstrafe (in Form einer Strafschärfung) zur Sicherung der Gesellschaft vor gefährlichen Rückfalltätern herangezogen werden. So ist die fakultative lebenslange Freiheitsstrafe für eine Vielzahl unterschiedlicher Delikte möglich (u.a. erschwerter Einbruchdiebstahl, Brandstiftung, Raub, Vergewaltigung, Inzest, Sodomie, etc. 64 Neuerdings wird in Großbritannien die Schaffung einer Unterbringungsanordnung für Personen mit schweren und ge-
57 58 59
60
61
Caspari D R i Z 2 0 0 6 7 2 f. Vgl. Caspari D R i Z 2 0 0 6 7 2 , 7 4 . Vgl. zur älteren Rechtslage im Ausland: Hanack L K 1 1 Rdn. 10. Frisch Z S t W 102 3 4 9 . Z u r Rechtslage in der Schweiz bis Mitte der 90er Jahre: Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand, S. 4 8 9 ff.
62
Kinzig Z R P 1 9 9 7 99, 1 0 3 ; allgemein zur Rechtslage in Österreich: Rieder ÖStJZ 1 9 7 6 390.
63
Näher: Allen Z S t W 8 0 ( 1 9 6 8 ) S. 1 6 3 ff; Geisler Die Sicherungsverwahrung.
64
Vgl. dazu: Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand, S. 5 3 8 ff.
Vgl. auch: Kunz FS Eser S. 1375, 1 3 7 7 f.
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fährlichen Persönlichkeitsstörungen („Dangerous Severe Personality Disorder") diskutiert. Dabei geht es um reine Gefahrenabwehrmaßnahmen. Weitergehend als in der Diskussion um eine sog. gefahrenabwehrrechtliche „nachträgliche Sicherungsverwahrung" in Deutschland, geht es in Großbritannien auch darum, die Unterbringungsmöglichkeit unabhängig von einem Strafverfahren oder einer strafrechtlichen Verurteilung zu ermöglichen. 65 In Spanien wird teilweise die Rückkehr zu einem zweispurigen System mit Sicherungsverwahrung gefordert. 66 In den USA wird dem Präventionsbedürfnis der Bevölkerung nicht durch die Sicherungsverwahrung begegnet, sondern im Rahmen eines einspurigen Systems durch die Möglichkeit von z.T. drastischen Strafschärfungen. Es ist eine Tendenz zu einem System des „Three strikes and you are out" (automatische Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe ohne vorzeitige Entlassungsmöglichkeit nach der Begehung der dritten Gewaltstraftat) zu beobachten. 67 Zu weiteren europäischen und außereuropäischen Rechtsordnungen vgl. Blau FS Schneider S. 759, 765 ff; Kinzig ZRP 1997 9 9 , 1 0 3 und Schewe S. 162 ff.
ΙΠ. Kritik an der Sicherungsverwahrung Die Notwendigkeit des Schutzes der Bevölkerung vor gefährlichen Gewohnheits- oder Rückfalltätern - über die Sicherung, die von einer tatschuldangemessenen Freiheitsstrafe ausgeht, hinaus - wird man nicht ernsthaft bestreiten können. 6 8 Die trotzdem erhobene, teilweise polemische Kritik, die sich seit etwa Ende der 90er Jahre erneut entwickelt hat, richtet sich allerdings in erster Linie gegen die seitdem vorgenommenen Gesetzesverschärfungen. 69
21
Die Kritik an der Sicherungsverwahrung selbst kommt - neben den verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu unten Rdn. 38 ff) - aus zwei Richtungen: 1. Umfassende Kritik. Die Kritik richtet sich zum Teil generell gegen das zweispurige Strafrechtsmodell. Auch bei solchen Tätern, die die „Klientel" für die Sicherungsverwahrung stellen, wird eine einspurige Reaktion gefordert. Indes ist die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten eines zweispurigen Strafrechtsmodells gefallen. Dieses ist auch verfassungsrechtlich geboten. Das BVerfG sieht das Schuldprinzip in Art. 1 Abs. 1 GG sowie im Rechtstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankert. 70 Dabei ist „Schuld" als „Tatschuld" zu verstehen (was sich in BVerfGE 6 389, 439 daran zeigt, dass es heißt, die Strafe dürfe „nach Art und Maß der unter Strafe gestellten Handlung [Hervorh. d. Verf.] nicht schlechthin unangemessen sein" und sich in BVerfGE 25 268, 285 f aus dem Verweis auf die Tat- Schulddefinition in BGHSt 2 194, 200 ergibt). Damit wäre ein einspuriges Modell, das zu Sicherungszwecken eine Strafschärfung über das tatschuldangemessene Maß hinaus vorsieht, nicht vereinbar. Ebenso wäre auch eine Schulderhöhung über die Begründung einer „Lebensführungsschuld" mit der Verfassung nicht zu vereinbaren.
65
66 67
68
Lau MSchrKim 2 0 0 4 4 5 1 ; Peglau Z R P 2 0 0 0 1 4 7 f. Mir FS Gössel S. 317, 3 2 5 . Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand, S. 5 5 6 f. Kaiser Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? S. 5 3 ; Kern ZfStrVO 1 9 9 7 19, 2 4 ; Ullenbruch M K Rdn. 10.
69
Erkennbar z.B. an Überschriften wie: „Im Zweifel gegen die Freiheit . . . " (Mushoff F o R 2 0 0 3 131 ) „Vorwärts in die Vergangenheit" (Pollähne F o R 1 9 9 8 1 2 9 ff); „Eene meene muh - drin bist D u " (Frommel KJ 1 9 9 5 226).
70
BVerfGE 6 3 8 9 , 4 3 9 ; BVerfGE 2 5 2 6 9 , 2 8 5 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Anders als ein einspuriges Strafschärfungssystem, welches individuelles Reagieren auf die aktuelle Gefährlichkeit des Täters nicht erlaubt, bietet die Sicherungsverwahrung ein flexibles, am konkreten Sicherungsbedürfnis ausgerichtetes System (vgl. §§ 67d und 67e StGB). 71 Soweit ersichtlich, wird gegenwärtig der Übergang zu einem einspurigen Modell mit entsprechenden Schärfungsmechanismen nicht gefordert. 72 Wegen der früheren Diskussion zu Ein- und Zweispurigkeit vgl. Hanack LK 1 1 Rdn. 2 ff. 23
In jüngerer Vergangenheit wurde kritisiert, dass die Unterschiede zwischen schuldgebundener Strafe und schuldunabhängiger Sicherungsverwahrung ohnehin zum großen Teil eingeebnet worden seien. So widerspräche es bereits dem Konzept einer präventiven Maßregel, sie erst anzuwenden, wenn es zu einer Straftat gekommen sei. Strafe und Maßregel wären demnach beide Rechtsfolgen strafbarer Handlungen. Der Maßregel seien Begrenzungen gegeben, die an sich den Strafen immanent sind, wie dem Verschlechterungsverbot, der (seinerzeit noch bestehenden) Höchstfrist für die erstmalige Sicherungsverwahrung und der regelmäßigen Überprüfung ihrer weiteren Vollziehung. Die limitierende Funktion der Schuld bei der Strafe würde bei der Sicherungsverwahrung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip erfüllt. Die Einebnung der Unterschiede zeige sich auch an der Wechselwirkung zwischen Maßregelverhängung und Strafzumessung. 73
24
Dem kann zunächst entgegengehalten werden, dass Annäherung zwischen Maßregel und Strafe nicht Identität bedeutet (Blau FS Schneider S. 759, 763). Gewisse Interpendenzen sind einem zweispurigen System immanent, ohne dass daraus eine Gleichstellung zwischen Strafe und Maßregel gefolgert werden kann. Alle staatlichen Grundrechtseingriffe sind dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen. 74 Daraus folgt, dass eine solche grundrechtsbeschränkende Maßnahme wie die Sicherungsverwahrung nur so lange angeordnet und vollstreckt wird (vgl. §§ 67a, 67d, 67e StGB), wie dies im Hinblick auf die Gefahrenabwehr erforderlich ist. Der wesentliche Unterschied zu Strafe liegt darin, dass der Präventionsgedanke bei dieser nur ein Zweck unter vielen ist, 75 was dazu führen kann, dass trotz fehlender Präventionserforderlichkeit hohe Strafen verhängt werden müssen oder umgekehrt, trotz großen Präventionserfordernisses nur relativ geringe Strafen ausgesprochen werden. Letztendlich ist das Erfordernis der vorangegangenen Straftatenbegehung nur eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und hat limitierende Funktion. 76 Nur dort, wo die Gefährlichkeitsprognose durch bereits in die Tat umgesetztes strafbares Handeln zusätzlich gestützt wird, kann die Maßregel verhängt werden. Zum Argument, dass den Maßregeln Begrenzungen beigefügt seien, die an sich der Strafe immanent ist, ist darauf hinzuweisen, dass die Höchstfrist für die erstmalige Anordnung der Sicherungsverwahrung in § 67d StGB inzwischen durch das SexualdelikteBekG abgeschafft wurde. Das Problem des zutreffend als systemwidrig eingestuften Verbots der reformatio in peius in §§ 331, 358 StPO bei der Sicherungsverwahrung wurde inzwischen auch vom Gesetzgeber erkannt und es gab Bestrebungen zu seiner Einschränkung (BTDrucks. 15/3652 S. 8), die allerdings bisher noch nicht umgesetzt wurden, soweit die Sicherungsverwahrung betroffen ist. 77 Auch die Wechselwirkung zwischen
71
72 73
74
Das verkennen Böllinger/Pollähne NK Rdn. 36, ähnlich wie hier: Streng FS Lampe S. 611, 623. Vgl. auch: Kunz FS Eser S. 1375, 1376. Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand, S. 5 8 8 ff. BVerfGE 17 306, 313; 55 159, 165 f; SchulzeFielitz in Dreier GG 1998, Art. 20 Rdn. 167.
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Vgl. nur: Lackner/Kühl $ 46 Rdn. 1 ff; Sch/Schröder/Stree § 46 Rdn. 3 ff; Fischer $ 46 Rdn. 2 ff. BVerfGE 109 190, 2 2 0 ; Peglau ZRP 2 0 0 0 147,149. Vgl. auch Peglau NJW 2 0 0 4 3599.
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§66
Strafe und Maßregel zeugt nicht von einer Einebnung der Unterschiede, sondern beruht auf der Berücksichtung der persönlichen Verhältnisse des Täters gem. § 4 6 Abs. 2 und einem gerechten Schuldausgleich. Im Übrigen ist es nach der Rechtsprechung nicht zwingend geboten, die Anordnung der Sicherungsverwahrung strafmildernd zu berücksichtigen (vgl. unten Rdn. 236). Ferner ist darauf hinzuweisen, dass auch die Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Täter nachteilige außerstrafrechtliche Tatfolgen, wie Ausweisung, Ausschließung aus der Anwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO) oder beamtenrechtliche Folgen (§ 2 4 BRRG) drohen, 7 8 nicht zu einer Einebnung der Unterschiede zwischen Kriminalstrafe und Gefahrenabwehr oder standesrechtlichen Maßnahmen führen. Teilweise wird die Maßregel unter Hinweis auf ihre erstmalige gesetzliche Regelung unter dem nationalsozialistischen Regime in Frage gestellt. 79 Dabei wird allerdings übersehen, dass die heutige Ausgestaltung der Regelungen zur Sicherungsverwahrung mit der damaligen nicht viel mehr als den Namen gemein hat (vgl. oben Rd. 7).
25
Ähnlich wird versucht, den Sicherungsgedanken als „Tendenzwende in Richtung eines härteren Strafklimas" und die Täterorientierung als Ausdruck einer „illiberalen Haltung" zu beschreiben. 80 Dabei wird verkannt, dass die Maßregel mit ihren regelmäßigen Überprüfungsintervallen flexibler gehandhabt werden kann, als eine Strafe, bei der allenfalls eine Bewährungsaussetzung zur (ausnahmsweise) Halbstrafe oder zum Zweidrittelzeitpunkt in Betracht kommt. 8 1 Die tatsächlichen Zahlen zeigen auch, dass die erstmalige Sicherungsverwahrung im Durchschnitt nicht übermäßig lange vollstreckt wird (vgl. oben Rdn. 12 ff).
26
2. Einzelkritik. Die Kritik richtet sich auch gegen einzelne Aspekte der gesetzlichen oder praktischen Ausprägung der Sicherungsverwahrung.
27
a) Falscher Personenkreis betroffen: Nach dem 1. StrRG hat die Kritik, dass sich die Sicherungsverwahrung auf die falsche Gruppe von Straftätern bezieht, weitgehend an Überzeugungskraft verloren (vgl. oben Rdn. 8 ff). 8 2 Durch die Einführung des § 6 6 Abs. 3 StGB dürfte sich das Schwergewicht der Anordnungen im Übrigen weiter in Richtung schwerer Gewalt- und Sexualdelikte verschoben haben.
28
Teilweise wird behauptet, dass es den gefährlichen Gewohnheitsverbrecher als Tätertypus überhaupt nicht gebe. 8 3
29
Kinzig hat festgestellt, dass das Durchschnittsalter der Sicherungsverwahrten bei 5 0 Jahren liegt, einem Alter also, zu dem viele den Höhepunkt ihrer kriminellen Karriere bereits überschritten haben (was dann an der Erforderlichkeit der Maßnahme zweifeln ließe). 84 Daraus lässt sich aber kein Argument gegen die Sicherungsverwahrung herleiten, sondern der Umstand spricht lediglich dafür, dass die Anforderungen an die Sicherungsverwahrung, was Vorstrafen und Lebensalter angeht, sehr hoch sind und die Gerichte von der fakultativen Anordnung möglicherweise erst sehr spät Gebrauch machen. 8 5 Immerhin verlangt die Anordnung der Sicherungsverwahrung eine trotz des hohen Alters
78
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Vgl. BGHR § 4 6 Abs. 1 StGB Schuldausgleich Nr. 8, 10, 37. Frotnmel KJ 1995, 226, 2 3 0 ; Rzepka P & R 2 0 0 3 191 f. Frommel KJ 1995 226, 228. Vgl. Schöcb in Kilching ZStW 109 (1997) S. 165, 173.
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Kern Brauchen wir die Sicherungsverwahrung S. 181; Kilching ZStW 109 1 6 5 , 1 7 0 f. Böllinger/Pollähne NK Rdn. 38. Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand, S. 5 8 4 ; vgl. auch bereits: Horstkotte J Z 1970 1 5 2 , 1 5 4 . Ähnlich Kern ZfStrVO 1997 19, 2 0 .
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
positive Gefährlichkeitsprognose ebenso, wie die Entscheidung über den weiteren Vollzug, so dass das faktisch hohe Lebensalter keinen Kritikpunkt darstellt. Im Übrigen darauf weist KernS6 zu Recht hin - ist es wenig überzeugend, wenn man einerseits die Prognoseunsicherheiten kritisiert, wegen derer die Sicherungsverwahrung nicht zu früh angeordnet werden soll, andererseits aber beklagt, dass die Anordnung erst erfolgt, wenn der Kriminalitätsgipfel (angeblich) bereits überschritten ist. 30
b) Verhängung auch gegenüber „gewaltlosen, nicht als besonders gefährlich anzusehenden Straftätern". 87 Diese Kritik setzt gewaltlose (z.B. Betrüger und Wirtschaftskriminelle) mit nicht besonders gefährlichen Tätern gleich. Dabei handelt es sich aber um zwei völlig verschiedene Kriterien. Einmal geht es um die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (Gefahr), das andere mal um die Art des betroffenen Rechtsguts, für das die Gefahr besteht. Der Gesetzgeber hat aber nun einmal in § 66 StGB festgelegt, dass er auch Vermögenswerte grundsätzlich für schützenswert hält („schwerer wirtschaftlicher Schaden"). Im Übrigen können auch reine Eigentums- oder Vermögensdelikte das Opfer (da viele Schäden nicht versichert und auch nicht versicherbar sind und beim Täter Schadensersatz meist nicht zu erlangen ist) vergleichbar nachhaltig wie Gewaltdelikte oder sogar schlimmer treffen. Existenzen können ruiniert werden. 88 Von Tätern, die zu derartigen Vergehen in der Lage sind und nicht selten besonders skrupellos vorgehen, als nicht besonders gefährlich zu sprechen, erscheint kaum vertretbar.
31
c) Ersatz der Sicherungsverwahrung durch alternative (mildere) Maßnahmen: Vereinzelt wurde in der Vergangenheit eingewandt, dass ein Teil der Sicherungsverwahrten keines festen Vollzuges in Strafanstalten bedürfe, sondern unter dem Gesichtspunkt der Schutzhilfe in besondere, mehr caritativ ausgerichtete Einrichtungen gehöre. 89 Ein anderer Teil der Sicherungsverwahrten könne hingegen über ξ 63 StGB aufgefangen werden. 90 Vereinzelt nehmen die Vertreter dieser Ansicht dabei hin, dass „bei diesen Leuten mit gelegentlichen Rückfällen für längere Zeit gerechnet werden muss", 91 ein Umstand, der dem jeweiligen Opfer z.B. einer solchen Rückfallvergewaltigung oder gefährlichen Körperverletzung etc. nur schwer vermittelbar und hinsichtlich des Sicherungsaspektes nicht gleich geeignet 92 sein dürfte. Im Übrigen bietet allein die Verbesserung der Täterbehandlung bei so stark rückfallgefährdeten Gruppen, wie man sie unter den Sexualtätern z.T. antrifft, keinen ausreichenden Schutz (Schneider J Z 1998 436, 444). Gegen eine Auffangfunktion des § 63 StGB spricht, dass bereits jetzt die Maßregelvollzugsanstalten mit therapieunwilligen oder -unfähigen Patienten überlastet sind. 93 Vor allem aber hat § 63 eine völlig andere Sanktions- und Sicherungsfunktion als § 66.
32
d) Teilweise werden die formellen Anforderungen an die Sicherungsverwahrung als zu niedrig angesehen. Diese seien vor allen Dingen deswegen zu niedrig, weil die weitere (materielle) Voraussetzung des § 66, nämlich der „Hang", nicht geeignet sei, den Kreis der potentiell von der Maßregelanordnung betroffenen Personen einzuschränken. Das Hangerfordernis sei inhaltsleer (und erfülle keine limitierende Funktion). Es bedürfe daher höherer formeller Barrieren (z.B. Beschränkung des § 66 auf Gewaltkriminalität,
86
87 88
Brauchen wir die Sicherungsverwahrung, S. 186. Kinzig ZStW 109 (1997) 122, 163. Vgl. Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V/S. 2301 f; BGH NStZRR 2 0 0 2 38.
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90 91 92 93
Mayer ZStW 80 139, 160; Mrozynski MschrKrim. 1985 1, 12. Kinzig ZRP 1997 99, 105. So Mayer aaO. Vgl. dazu: BVerfGE 109 133, 158 f. Blau FS Schneider S. 759, 770.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
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Heraufsetzung der für eine Anordnung erforderlichen Strafhöhen bzw. Verbüßungszeiten etc.). 94 Wollte man die formellen Anforderungen erhöhen, so bestünde noch mehr die Gefahr, dass die Sicherungsverwahrung zu spät greift, also insbesondere Probanden in fortgeschrittenem Alter trifft. Hingegen ist die Kritik an der „Inhaltsleere" des Hangerfordernisses nicht ganz unberechtigt (vgl. unten Rdn. 134 ff). 95 Gesetzgeberische Tendenzen zum Verzicht auf die Hangvoraussetzung zeigen sich bei der vorbehaltenen und nachträglichen Sicherungsverwahrung (vgl. § 66a Rdn. 31 und § 66b Rdn. 145 ff). 96 e) Prognoseunsicherheiten führten zu einer großen Zahl von zu Unrecht als gefährlieh eingeschätzten und untergebrachten (falsch-positiv bewerteter) Personen. 97 Eine besonders hohe Prognoseunsicherheit besteht gerade bei einigen Delikten, die als besonders schwer anzusehen sind, aber nur eine geringe Rückfallquote aufweisen (z.B. Totschlag). 98
33
Die Prognoseunsicherheiten gibt es sicherlich. Abgemildert werden sie allerdings dadurch, dass der Angeklagte durch die Erfüllung formeller Voraussetzungen (bei den Fällen des § 66 Abs. 1 und Abs. 2 häufiger, bei denen des Abs. 3 weniger häufig) seine Gefährlichkeit unter Beweis gestellt hat. Auch das BVerfG geht davon aus, dass „ein bestimmter und bestimmbarer Anteil der Probanden [...] eine derartige Häufigkeit von Risikofaktoren auf sich [versammele], dass eine Gefahr sicher prognostiziert werden könne" (BVerfGE 109 133, 158 9 9 ). Das gilt insbesondere für die vornehmlich von der Sicherungsverwahrung betroffenen Täter schwerer Sexualdelikte (vgl.: Schneider J Z 1998 436, 438). Prognoseunsicherheiten sind aber gefahrenabwehrrechtlichem Handeln immanent. Die Prognose ist Grundlage jeder Gefahrenabwehr; insoweit kann für die Gefahrenabwehr durch längerandauernde Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht nichts anderes gelten, als für alle anderen Bereiche (Rösch ZfStrVO 2004 131, 133). Jeder (auch fachlich korrekt erstellten) Prognose haftet eine gewisse Unsicherheit an. Das ist ihr wegen ihrer Zukunftsgerichtetheit immanent. Das BVerfG hat daran keinen Anstoß genommen. 100 Der Vorwurf der UnVerhältnismäßigkeit kann sich insoweit also nur aus einer für das konkret bedrohte Rechtsgut zu niedrigen Rückfallwahrscheinlichkeit herleiten.
34
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Gefahr falscher Prognosen in ihrer Auswirkung durch die eher geringe Zahl von Anordnungen sowie die Möglichkeiten nachträglicher Korrektur (§§ 67c, 67d, 67e StGB) abgeschwächt wird 101 (freilich wird dadurch eine mögliche Fehlunterbringung bis zur Korrektur nicht rückgängig gemacht). Dennoch wird die Prognosesicherheit im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der Maßregel zukünftig noch eine wesentliche Rolle spielen. 102
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Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand, S. 5 9 1 ff, ders. N S t Z 1 9 9 8 14, 19; ähnlich: Eisenberg/Schlüter N J W 2 0 0 1 188. Auf die weitgehende Identität von Hang und Gefährlichkeitsprognose in den Begründungen gerichtlicher Entscheidungen verweist auch Schönberger Justitielle Handhabung S. 1 7 0 f. Vgl. insoweit den bei Kichling Z S t W 1 0 9 ( 1 9 9 7 ) S. 165, 166 f wiedergebenen Kommentar von Kaiser zur Kinzig-Studie. Vgl. Peglau MK § 66a Kinzig Die Prüfstand,
JR 2002 449, 451; Ullenbruch Rdn. 3 4 und § 6 6 b Rdn. 95. Sicherungsverwahrung auf dem S. 5 9 6 ; Schumann KJ 1 9 9 5 88,
9 4 ; Siciliano Irrwege der Strafgesetzgebung S. 3 6 3 , 3 6 5 ff; Weber/Reindl N K r i m P 2 0 0 1 17 f; vgl. auch: Nedopil N S t Z 2 0 0 2 3 4 4 , 3 4 7 ; Streng FS Lampe S. 611, 6 2 1 ff. 98
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Weber/Reindl Z u r Renaissance ... S. 137, 148. Vgl. dazu: Kröber MschrKrim. 2 0 0 4 2 6 1 , 2 6 3 f. BVerfGE 1 0 9 133, 158. Blau FS Schneider S. 7 5 9 , 7 6 4 ; Streng FS Lampe S. 611, 6 2 4 . Vgl. Müller-Metz StV 2 0 0 3 4 2 , 4 4 f; Nedopil N S t Z 2 0 0 2 3 4 4 ff; ferner: Kühl/ Schumann R & P 1 9 8 9 1 2 6 ff; Schall/ Schreibauer N J W 1 9 9 7 2 4 1 2 ff.
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Zur Frage der angeblich falsch positiv (als gefährlich) bewerteten Probanden, nämlich dass bei Annahme einer bestimmten Rückfallwahrscheinlichkeit innerhalb einer bestimmten Tätergruppe, zwangsläufig nur ein dem Wahrscheinlichkeitsprozentsatz entsprechender Prozentsatz der Verwahrten tatsächlich gefährlich ist, die Differenz (zu 100 %) aber zu Unrecht verwahrt sei, vgl. Urbaniok Validität von Risikokalkulationen bei Straftätern S. 85, 93 f, 103. 103 Hinweise zur Verbesserung von Prognosestellungen geben Feltes StV 2000 281, 284 ff und Boetticher NStZ 2005 417, 419 ff; Boetticher u.a. NStZ 2006 537. 36
f) Vollzugsdefizite (vgl. dazu auch Hanack in der Vorauflage Rdn. 18), insbesondere eine faktisch nahezu gleiche Ausgestaltung des Verwahrungsvollzuges mit dem Strafvollzug,104 sind kein Argument gegen die Sicherungsverwahrung, sondern eines für eine Umgestaltung des Vollzuges. Konkrete Vorschläge dazu sind zu finden bei Rösch (ZfStrVO 2004, 131, 133 ff) und Köhne (StraFo 2003, 230 ff). 105 Vereinzelt wird allerdings auch angezweifelt,106 ob der Vollzug wirklich so resozialisierungsfeindlich ist, wie dies teilweise behauptet wird.107 Im Übrigen erfüllt die Anordnung der Sicherungsverwahrung teilweise bereits ihren Zweck, indem sich manche Probanden so während der Strafverbüßung zu einer Sozialtherapie bewegen lassen, um die Vollstreckung der Maßregel möglicherweise noch abzuwenden.108 Es ist darauf hinzuweisen, dass auch der Vollzug der Sicherungsverwahrung einen sinnvollen Behandlungsvollzug vorzusehen hat und auch Vollzugslockerungen möglich sein müssen, wie das BVerfG in seiner Entscheidung zu § 67d (BVerfGE 109 133) betont hat (wegen ihrer Bedeutung für spätere Prognoseentscheidungen). 109
37
3. Zusammenfassung. Im Ergebnis ist festzustellen, dass angesichts der verfasssungsrechtlichen Vorgabe eines (Tat-)Schuldstrafrechts für ein einspuriges Strafsystem kein Raum ist, so dass die Sicherungsverwahrung das einzige Mittel zum nachhaltigen Schutz vor gefährlichen, nicht in den Bereich des § 63 StGB fallenden, Rückfall- und Gewohnheitstätern bleibt.110 Einzelne im Detail zu Recht angebrachte Kritikpunkte ändern daran nichts, sondern geben allenfalls Anlass zu einer Verbesserung des Anwendungsbereichs und der Ausgestaltung dieser Maßregel.
IV. Verfassungsmäßigkeit 38
1. Übersicht. Entgegen der im Schrifttum immer wieder erhobenen Einwände, die Sicherungsverwahrung sei verfassungswidrig, hat das BVerfG bereits mehrfach die Ver-
103 Yg] z u dieser Problematik auch: Boetticher N S t Z 2 0 0 5 417, 4 1 9 ; Dünkel/van Zyl Smit KrimPäd 2 0 0 4 47, 5 6 ; Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 5 9 6 f; Streng FS Lampe S. 611, 6 2 2 . Kern Brauchen wir die Sicherungsverwahrung, S. 1 8 4 f; Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand, S. 5 9 4 f; Pollähne F o R 1 9 9 8 129, 131. 105 y g ) auch ¿¡e Vorschläge von Köhne zu
einer effektiven Besserstellung von Sicherungsverwahrten in BewHi 2 0 0 5 2 7 8 ff. 106 107 108
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Blau FS Schneider S. 759, 7 7 4 f. Böllinger/Pollähne N K Rdn. 11 f. Kern Brauchen wir die Sicherungsverwahrung, S. 1 8 4 f. Dünkel/van Zyl Smit KrimPäd 2 0 0 4 47, 5 0 f. Ahnlich: Ullenbruch M K Rdn. 10; vgl. auch: Boetticher N S t Z 2 0 0 5 417, 4 2 0 .
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
einbarkeit dieser Maßregel mit dem Grundgesetz bestätigt. 111 Die Kritiker rügen insbesondere einen Verstoß gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), gegen Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, das Bestimmtheitsgebot und das Verbot der Doppelbestrafung.112 Ferner werden auch Verletzungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) durch unterschiedliche Anwendungspraxis der Gerichte und ein Verstoß gegen das Verbot der seelischen und körperlichen Misshandlung (Art. 104 Abs. 1 S. 2 GG) beanstandet.113 2. Menschenwürde. Das BVerfG hat mehrfach einen Verstoß der Sicherungsverwahrung gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.S. einer Herabwürdigung des Täters zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und Achtungsanspruches verneint. Es ist der staatlichen Gemeinschaft nicht verwehrt, sich gegen einen gemeingefährlichen Täter auch durch Freiheitsentzug zu sichern,114 denn das Grundgesetz geht von der Gemeinschaftsgebundenheit und Gemeinschaftsbezogenheit der Person aus. 115 Die Würde des Untergebrachten und sein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) resultierender Resozialisierungsanspruch116 werden durch die zahlreichen Überprüfungs- und Aussetzungsmöglichkeiten (§§ 67c Abs. 1 S. 1 StGB und § 67e Abs. 2 StGB), die Regelungen des § 67d Abs. 3 StGB (Vollstreckung der Maßregel über zehn Jahre hinaus nur unter erhöhten Voraussetzungen), die normativ andersartige Ausgestaltung der Maßregel gegenüber dem Strafvollzug (§§ 131 ff StVollzG), der nach Ansicht des Gerichts „im Rahmen des Möglichen" Rechnung getragen wird und durch das tatsächlich vorhandene psychologische und psychiatrische Behandlungsangebot sowie durch die Überweisungsmöglichkeit in den Vollzug einer anderen Maßregel (§ 67a) gewahrt (BVerfGE 109 133 ff). 117 Wie auch die tatsächlichen Zahlen zur Sicherungsverwahrung belegen (vgl. dazu oben Rdn. 13 ff), bedeutet diese Anordnung keinesfalls automatisch lebenslanges Weggesperrtsein, sondern - gerade bei der erstmaligen Maßregelverhängung - (im Durchschnitt) häufig nur eine Freiheitsentziehung von gut zwei bis zu sieben Jahren.
39
3. Art. 2 Abs. 2 GG. Ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 GG läge nur dann vor, wenn die Maßregel grundsätzlich gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen würde. Auch das hat das BVerfG verneint. Die Sicherungsverwahrung ist geeignet zum Schutz vor gefährlichen Straftätern und auch dazu erforderlich. Eine Überschreitung des dem Gesetzgeber zustehenden Einschätzungsspielraums liegt in der konkreten Ausgestaltung der Maßregel nicht. Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang sowohl anerkannt, dass Prognoseentscheidungen zwar immer die Gefahr einer Fehlprognose in sich trügen, zur Gefahrenabwehr aber unverzichtbar seien, als auch, dass die Sicherungsverwahrung
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BVerfGE 109 1 3 3 , 1 4 9 ff; 4 2 1, 6 ff; NStZRR 1996, 122; BVerfG Beschl. v. 7.12.2006 - 2 BvR 1560/06; vgl. zu diesem Themenkomplex aus der Literatur die umfassenden (älteren) Untersuchungen von Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz und Wacker Sicherungsverwahrung und Grundgesetz sowie aus jüngerer Zeit (bezogen auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz): Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 372 ff. Vgl. Ullenbruch MK Rdn. 13 ff; Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand, S. 39 ff; Mushoff FoR 2 0 0 3 131 f; Weber/
113
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Reindl NKrimP 2 0 0 1 16, 19 f; Weber/Reindl Sicherungsverwahrung: Zur Renaissance eines verdachtsbegründeten Rechtsinstituts S. 1 3 7 , 1 5 2 ff; Weichert StV 1 9 8 9 265, 2 7 2 . Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 4 6 f; Weichert StV 1 9 8 9 2 7 2 f. BVerfGE 4 5 189, 2 4 2 . BVerfGE 47, 15 f; vgl. auch Dölling StV 1996, 542. BVerfGE 98 169, 2 0 0 . Vgl. ebenso auch: BVerfG Beschl. v. 7.12.2006 - 2 BvR 1560/06.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
einen höheren Schutz bietet, als jede andere Behandlungsmaßnahme unter gelockerter Aufsicht (BVerfGE 109 133, 158). Es ist eine Abwägung zwischen dem Freiheitsinteresse des Täters und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit erforderlich. Je länger der Freiheitsentzug andauert, um so höher sind die Anforderungen an das Sicherungsbedürfnis hinsichtlich Art, Umfang und Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls (BVerfGE 70 297, 315; vgl. auch: Oessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 372 ff; 391, 393). Die Maßregel ist aufgrund der oben geschilderten Ausgestaltung nicht unangemessen, denn letztendlich muss das Freiheitsinteresse des Straftäters nur dort hinter das Integritätsinteresse potentieller Opfer zurücktreten, wo ein chronisch unverbesserlicher Hangtäter dauerhaft jede Behandlung verweigert und trotz fortschreitenden Alters bis an sein Lebensende gefährlich bleibt (BVerfGE 109 133, 158 ff) und wo erhöhte Anforderungen an die bedrohten Rechtsgüter erfüllt sind. 41
4. Ne bis in idem/Bestimmtheitsgrundsatz. Auch ein Verstoss gegen das Verbot der Doppelbestrafung118 hat das BVerfG verneint. Die Strafe wird für die Tat verhängt, die Maßregel nur aus Anlass der Tat zur Sicherung der Allgemeinheit. Dass sich der Vollzug der Strafe und der Maßregel stark ähneln ist unvermeidlich, da Strafe wie Sicherung nur mit Mitteln des Freiheitsentzuges durchgeführt werden können. Daher hat es das BVerfG für ausreichend gehalten, wenn der Abstand zwischen Maßregel und Strafe im Rahmen der Möglichkeiten des StVollzG ausgeschöpft wird (BVerfGE 109 133, 167 ff) und darauf hingewiesen, dass Art. 103 Abs. 3 GG kein umfassendes Verbot enthalte, aus Anlass eines Sachverhalts verschiedene Sanktionen zu verhängen.119 Die Kritik hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots bezieht sich regelmäßig auf die Voraussetzung des „Hangs", ζ. T. wird sie aber nur in Form einer Behauptung geäußert.120 Der Begriff hat aber eine hinreichende Ausfüllung durch die Rechtsprechung gefunden.121 V. Aufbau und Schwerpunkte des § 6 6
42
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist von bestimmten formellen und materiellen Voraussetzungen abhängig. Während die Anordnung der Maßregel nach Abs. 1 zwingend ist, ist sie nach den Abs. 2 und 3 fakultativ. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die Sicherungsverwahrung nach Abs. 1 verhängt werden muss. Erst wenn dies nicht der Fall ist, kann auf die fakultativen Anordnungsmöglichkeiten der Abs. 2 oder Abs. 3 übergegangen werden (hinsichtlich Abs. 3 ergibt sich das bereits aus dessen S. 3, wonach die Abs. 1 und 2 unberührt bleiben, im Übrigen aus der Natur der Sache, dass nämlich Ermessenserwägungen nach Abs. 2 oder 3 nicht angestellt werden bräuchten, wenn die Maßregel ohnehin zwingend nach Abs. 1 anzuordnen wäre). Abs. 3 S. 1 enthält eine Absenkung der Schwelle für vorverurteilte Täter bei bestimmten Katalogtaten und ist damit eine Ergänzung zu Abs. 1; Abs. 3 S. 2 erweitert die Anordnungsmöglichkeiten für bisher nicht (zwingend) vorbestrafte Serientäter des Typs aus Abs. 2. 1 2 2
118
119 120 121
Vgl. dazu Weber/Reindl NKrimP 2001 16, 19. BVerfG NStZ-RR 1996 122. Weber/Reindl NKrimP 2 0 0 1 16, 19. Vgl. BVerfG NStZ-RR 1996 122; Meier Strafrechtliche Sanktionen, 2001 S. 279; vgl. auch Bölling StV 1996 542, 543.
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122
BTDrucks. 13/7559 S. 10; BTDrucks. 13/9062 S. 9; vgl. auch: Lackner/Kühl Rdn. 2; Fischer Rdn. 11; Sch/Schröder/Stree Rdn. 47, 65; Ullenbruch MK Rdn. 238; Horstkotte J Z 1970 152, 155.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Die formellen Voraussetzungen enthalten Barrieren, vor deren Überschreitung die Sicherungsverwahrung nach dem Gesetz nicht in Betracht kommt. Formelle Voraussetzungen sind Vorstrafen, Vorverbüßungen sowie Gewicht, Art und Zeitpunkt der Anlasstat und Umfang der hierfür verhängten Strafe (Sicherungsverwahrung kann nur neben Strafe, nicht statt Strafe angeordnet werden). Die formellen Erfordernisse sind nach ihrer Funktion einschränkende Merkmale. Durch sie wird die Möglichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung auf einen kleinen Teil des Personenkreis beschränkt, dem die materielle Voraussetzung der Gefährlichkeit prognostiziert wird (denn bestimmte Vorstrafen und Vorverbüßungen sind Umstände, die in die Prognose einfließen, diese aber nicht allein begründen, vgl. unten Rdn. 126 ff). 1 2 3 Das Vorliegen formeller Voraussetzungen sichert somit, da sich die Gefährlichkeit bereits nachhaltig manifestiert hat, die Prognose ab und ist gleichzeitig Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
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Die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung in Absatz 1 Nr. 3 sind für die Fälle aller Absätze gleich. Sie enthalten den eigentlichen Schwerpunkt, nämlich die Entscheidung, ob gegen den Täter, der die Barriere der formellen Voraussetzungen überschritten hat, wegen seines Hangs zu erheblichen Straftaten Sicherungsverwahrung anzuordnen ist, und damit die der Gefahrenabwehr dienende Prognose.
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Bejaht das Gericht die materiellen Voraussetzungen, ist es zur Anordnung der Sieherungsverwahrung verpflichtet, wenn die formellen Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen. Die Anordnung unterliegt hingegen - trotz festgestellter Gefährlichkeit - seinem pflichtgemäßen Ermessen, wenn nur die formellen Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 vorliegen (näher Rdn. 228 ff).
45
Für die Beurteilung der Gefährlichkeit ist der Zustand des Täters im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung maßgebend (näher Rdn. 206). Ob die angeordnete Sicherungsverwahrung auch vollstreckt wird, ist vor Ende des Strafvollzugs - der der Verwahrung zwingend vorausgeht - gemäß § 67c Abs. 1 in einer besonderen Entscheidung durch die Strafvollstreckungskammer zu prüfen.
46
VI. Die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach Absatz 1 1. Vorverurteilungen und Vortaten. § 66 Abs. 1 Nr. 1 setzt voraus, dass der Täter vor der jetzt abzuurteilenden Tat mindestens zweimal wegen vorsätzlicher Straftaten jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist. Sowohl an die Vortaten, als auch die hierauf ergangenen Vorverurteilungen stellt das Gesetz also bestimmte Anforderungen.
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a) Die Vortaten müssen Vorsatztaten sein. Fällt mit der Vorsatztat tateinheitlich auch ein Fahrlässigkeitsdelikt zusammen, hindert dies das Vorliegen einer Vorsatztat als solches nicht (davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die erforderliche Vorstrafe für die Vorsatztat verhängt wurde, dazu unten Rdn. 50). Als Taten kommen auch Vorbereitungshandlungen, Versuch und Teilnahme in Betracht, sofern sie unter Strafe gestellt sind (allg. Meinung). Eine fortgesetzte Handlung (vgl. dazu BGHSt 34 321, 323) gilt nach allgemeinen Grundsätzen als eine Tat. Diese dürfte allerdings, wegen Absatz 4 Satz 3 kaum
48
123
Z u Zahlen, wie viele Verurteilte die materiellen Voraussetzungen erfüllen vgl. Pfister
Jahresheft für forensische Psychiatrie 2 0 0 4 1 4 6 , 1 5 4 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
mehr relevant werden. Jedenfalls steht der Verwendung als Vorverurteilung nicht entgegen, dass die frühere Strafe entgegen der Entscheidung des Großen Senats zur fortgesetzten Handlung (BGHSt 40 138) wegen einer Fortsetzungstat verhängt wurde, denn der neue Tatrichter ist an Schuldspruch und Strafausspruch der rechtskräftigen Vorverurteilung gebunden.124 49
b) Die Vortaten und Vorverurteilungen müssen in der Reihenfolge „Tat - Verurteilung - Tat - Verurteilung" begangen worden sein. Es müssen mindestens zwei Vorverurteilungen vorliegen. Denn die für eine zwingende Anordnung der Sicherungsverwahrung notwendige Feststellung der kriminellen Intensität des Täters verlangt, dass er mindestens zweimal die Warnfunktion eines Strafurteils missachtet hat. Wäre die zweite Tat vor der ersten Vorverurteilung begangen worden, so wäre die erforderliche Missachtung der Warnfunktion nicht gegeben. Außerdem müsste auch eine nachträgliche Gesamtstrafe gebildet werden, die (Absatz 4 Satz 1) dann zu nur einer Vorverurteilung führen würde. Die Vortaten müssen vor der Anlasstat begangen und abgeurteilt worden sein. Vorverurteilungen, die aus dem BZR getilgt (über die Richtigkeit der Tilgung hat der über die Anordnung der Sicherungsverwahrung entscheidende Richter nicht zu befinden)125 sind oder tilgungsreif sind, dürfen nach § 51 BZRG nicht mehr zur Feststellungen der formellen Voraussetzungen herangezogen werden.
50
Die Vorverurteilungen müssen jeweils mindestens auf ein Jahr Freiheitsstrafe wegen einer Vorsatztat lauten. Zur Problematik der Gesamtstrafe vgl. unten Rdn. 52. Erfolgte eine Vorverurteilung wegen der tateinheitlichen Begehung einer Vorsatz- und einer Fahrlässigkeitstat ist str., ob dies die Anordnungsvoraussetzung des § 66 Abs. 1 Nr. 1 erfüllt. Keine Probleme dürfte der Fall bereiten, in dem die Strafe dem Strafrahmen des Vorsatzdeliktes entnommen wird (nach § 52 Abs. 2 S. 1 StGB) und eine strafschärfende Berücksichtigung des tateinheitlich verwirklichten Fahrlässigkeitsdeliktes nicht erfolgt. Die Frage stellt sich also nur dort, wo das fahrlässig verwirklichte Delikt ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt wurde oder die Strafe dem Strafrahmen des Fahrlässigkeitsdeliktes entnommen wurde. Letztgenannter Fall dürfte als Anlassverurteilung untauglich sein, da der Unrechtsschwerpunkt auf dem Fahrlässigkeitsdelikt liegt und deswegen nicht feststellbar ist, ob auch das reine Vorsatzdelikt zu einer entsprechenden Verurteilung geführt hätte. Im Übrigen (strafschärfende Berücksichtigung des Fahrlässigkeitsdelikts) dürfte die Konstellation einer Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination i.S.v. § 11 Abs. 2 StGB vergleichbar sein und deswegen als Vorsatztat zählen.126 Die gegenteilige Auffassung, die in solchen Fällen wie bei der Jugendstrafe vorgehen will (dazu unten Rdn. 54) 1 2 7 verkennt, dass es sich bei der Berücksichtigung des tateinheitlich verwirklichten Fahrlässigkeitsdelikts lediglich um einen Strafzumessungsgesichtpunkt unter anderen handelt und § 66 nicht die „Herausrechnung" einzelner Strafzumessungskriterien verlangt.
51
Str. ist, ob die Vorverurteilungen rechtskräftig sein müssen. Die h.M. in Rechtsprechung und Lehre nimmt dies an. 128 Nicht völlig von der Hand zu weisen ist dagegen der Einwand von Ollenbruch129, dass sich die Warnfunktion einer Vorverurteilung durch
124
125 126 127 128
BGHSt 41 97, 98 f; aA: LG Frankfurt am Main NStZ 1995 192. BGHSt 2 0 205, 2 0 6 . Ebenso bereits: Ullenbruch MK Rdn. 72. Horn SK Rdn. 8. BGHSt 38 258, 2 5 9 ; 35 6, 11 f; StraFo 2 0 0 5 39, 4 0 ; BGH bei Holtz MDR 1988 100;
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Böllinger/Pollähne NK Rdn. 55; Horn SK Rdn. 6; Lackner/Kühl Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; Fischer Rdn. 7; Schreiber/ Rosenau in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, S. 53, 97; Horstkotte J Z 1970 1 5 2 , 1 5 5 . Ullenbruch MK Rdn. 55.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
diese selbst und nicht erst durch den Eintritt ihrer Rechtskraft beim Täter entfalten müsste und ihre besondere Missachtung gerade darin liegt, dass noch im Rechtsmittelverfahren mit dem strafbaren Handeln fortgefahren wird. 130 Die besondere Warnfunktion der Rechtskraft lässt sich aber damit begründen, dass dem Täter, der bis dahin vielleicht noch auf eine Aufhebung der Verurteilung oder Abmilderung der Strafe unterhalb der für § 66 Abs. 1 Nr. 1 erforderlichen Grenze hoffte, mit der Rechtskraft der Verurteilung in aller Deutlichkeit klar werden müsste, dass nun ein weiterer gewichtiger Schritt in Richtung der Sicherungsverwahrung getan ist. Eine derartige Interpretation entspricht auch dem Verständnis des Gesetzgebers von der Vorschrift, der es als selbstverständlich ansah, dass die Vorverurteilung rechtskräftig sein muss.131 Freiheitsstrafe ist auch die Jugendstrafe gemäß §§ 17 ff J G G 1 3 2 (dazu unten Rdn. 54). Nicht ausreichend ist die an Stelle einer Geldstrafe tretende Ersatzfreiheitsstrafe.133 c) Die Gesamtstrafe insbesondere. Gemäß § 66 Abs. 4 S. 1 gilt die Verurteilung zu einer Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Dem Gesetzeswortlaut ist nicht ganz eindeutig zu entnehmen, ob sich dies auch auf die nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 notwendige Strafhöhe bezieht. Kommt es hinsichtlich der jeweiligen Mindestverurteilung zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf die etwa verhängte Gesamtstrafe an oder ist auf die darin enthaltenen Einzelstrafen abzustellen? Abzustellen ist richtigerweise darauf, ob in der Gesamtstrafe wenigstens eine Einzelstrafe von mindestens einem Jahr mit Symptomcharakter (vgl. Rdn. 218 ff) enthalten ist (nahezu einhellige Meinung in Rechtsprechung und Lehre). 134 Entscheidend für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht, dass es mit dem Sinn der Neuregelung durch das 1. StrRG nicht zu vereinbaren wäre, wenn man über die Gesamtstrafenbildung zur Verwertung leichterer Delikte als Voraussetzung der Sicherungsverwahrung kommen würde. Denn nach dem Sinn der Regelung sollen nur schwerwiegende Taten ein ausreichendes symptomatisches Gewicht für die Anordnung der Sicherungsverwahrung haben. Die Gesamtstrafe selbst aber besagt über die Schwere der ihr zugrunde liegenden Taten häufig nichts. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, muss sich aus den Feststellungen (auch zu den Einzelstrafen der Vorverurteilungen) ergeben, anderenfalls liegt ein Darlegungsmangel vor, der den Bestand der Maßregelanordnung im Revisionsverfahren gefährden kann. 135
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Die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 sind ebenfalls nicht gegeben, wenn zwar zwei Vorverurteilungen vorliegen, diese aber nachträglich gemäß § 55 oder gemäß § 460 StPO auf eine Gesamtstrafe zurückgeführt wurden. 136 Dies muss auch dann gelten, wenn
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132
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BGHSt 2 6 387, 389. BTDrucks. V/4094 S. 19; BGHSt 35 6, 13; 38 2 5 8 ; Horstkotte J Z 1970 152, 155. BGHSt 12 129, 132; 2 6 152, 153; BayObLGSt 1960 271, 2 7 2 ; Horn SK Rdn. 8; Fischer Rdn. 7; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10; zweifelnd BGHSt 21 11; aA Böllinger/ Pollähne NK Rdn. 57; Eisenberg JGG § 17 Rdn. 3 7 m.w.N.; Eisenberg/Schlüter NJW 2001 189 f; vgl. auch Rdn. 32 zur einheitlichen Jugendstrafe. So schon RG DJ 1935 1769; Fischer Rdn. 7; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10. BGHSt 34 321 mit zahlr. Nachw.; BGH Beschl. v. 11.7.2006 - 4 StR 184/06; ebenso
135
136
schon Beyer N J W 1971 1957; Koffka J R 1971 427, 4 2 8 ; vgl. auch Blei JA 1972 310; anders früher: Dreher M D R 1972 8 2 6 und Tröndle GA 1972 307. BGH NStZ-RR 2 0 0 1 103, 104; N J W 1 9 9 9 2 6 0 6 ; BGH Beschl. v. 11.7.2006 - 4 StR 184/06. BGH NStZ-RR 2 0 0 4 9; BGH bei Theune NStZ 1987 166; NStZ 1982 44, 45; StV 1982 4 2 0 L; Fischer Rdn. 8; Horn SK Rdn. 7; Lackner/Kühl Rdn. 5a mit rechtspolitischen Bedenken; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; ebenso schon das RG, z.B. RGSt 6 8 149, 151.
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429
§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
die Bildung einer Gesamtstrafe zu Unrecht unterlassen worden ist. 1 3 7 Es reicht auch nicht, dass zwei in einem Urteil festgesetzte Einzelstrafen nachträglich in zwei verschiedene Gesamtstrafen einbezogen worden sind (BGHSt 3 0 2 2 0 ) . Eine zweimalige Verurteilung i.S.v. § 6 6 Abs. 1 Nr. 1 liegt allerdings dann vor, wenn es in einem Urteil zu einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung und zu einer weiteren Strafe kommt, soweit die der zweiten Strafe zugrunde liegende Tat nach Rechtskraft der in die erste Gesamtstrafe einbezogenen Tat liegt. 138 54
d) Die Jugendstrafe. Dass - dem entsprechend - eine einheitliche Jugendstrafe nach § 31 J G G nur ausreicht, wenn sie erkennen lässt, dass mindestens hinsichtlich einer Einzeltat eine Strafe von mindestens einem Jahr verwirkt gewesen wäre, hat schon BGHSt 2 6 152 überzeugend dargelegt; 139 das gilt auch für eine Jugendstrafe von unbestimmter D a u e r 1 4 0 i.S. des - jetzt aufgehobenen - § 19 a.F. J G G (was aber praktisch wegen Absatz 4 S. 2 nicht mehr relevant werden dürfte). Der über die Sicherungsverwahrung entscheidende Richter muss zur hypothetischen Bewertung des früheren Richters in den Urteilsgründen Stellung nehmen. 1 4 1 Das kann er nur, wenn die Feststellungen des früheren Tatrichters ausreichend waren. Er darf nicht im Nachhinein eine eigene Strafzumessung vornehmen. 1 4 2
55
e) Verurteilungen nach DDR-Recht: Hinsichtlich solcher Verurteilungen, in denen ein DDR-Gericht wegen mehrerer Straftaten nur einheitlich auf Freiheitsstrafe erkannt hat (§§ 63 f StGB-DDR), sind die Grundsätze zur Jugendstrafe sinngemäß heranzuziehen. 143
56
f) Taten, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des StGB (also der Bundesrepublik) rechtskräftig abgeurteilt worden sind, stehen nach § 6 6 Abs. 4 S. 5 einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, vorausgesetzt, dass sie nach deutschem Strafrecht vorsätzliche Straftaten wären. Sie können also, abweichend von § 4 8 a.F., die formellen Voraussetzungen des ξ 66 erfüllen. Allerdings hat das entscheidende Gericht zu prüfen, ob das ausländische Urteil in einem rechtsstaatlichen Grundsätzen genügenden Verfahren zustande gekommen ist.
57
g) Zur Bewährung ausgesetzte und erlassene Strafe. Eine zur Bewährung ausgesetzte und nach erfolgreicher Bewährung erlassene Strafe ist als Vorverurteilung zu berücksichtigen, da Tat und Vorverurteilung ihre indizielle Bedeutung trotz der Bewährung behalten. 1 4 4 Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit des Täters soll nach dem Gesetz lediglich die Frist von fünf Jahren gemäß § 66 Abs. 4 als Gegenindiz berücksichtigt werden, nicht eine u.U. kürzere Bewährungszeit.
137
138
BGH NStZ-RR 2004 9; BGH GA 1976 182; NJW 1971 2318; vgl. Fischer Rdn. 8; Horn SK Rdn. 7; Lackner/Kühl Rdn. 5a. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen
141 142
8. 139
140
Vgl. auch: BGH StraFo 2003 207; NStZ 2002 29; NJW 1999 3723, 3725; StV 1998 343; NStZ 1996 331, 332; Fischer Rdn. 9; aA Ullenbruch MK Rdn. 62 m.w.N.; Eisenberg/Schlüter NJW 2001 188, 189 f. Ebenso BGH StV 1988 296; NJW 1985
430
143
144
2839, 2840; BGH bei Holtz MDR 1980 628, 629. BGH NStZ-RR 2007 171. BGH NStZ 2003 201, 203; NStZ 2002 29; NJW 1999 3723; 1985 2839, 2840; BGH bei Holtz MDR 1980 628 f; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 2, 6. Ullenbruch MK Rdn. 70; offen gelassen in BGHR § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 12. Sch/Schröder/Stree Rdn. 11.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
2. Freiheitsentzug aufgrund der Vorverurteilungen. § 66 Abs. 1 Nr. 1 verlangt, dass der Täter wegen einer oder mehrerer der in § 66 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel befunden hat. Nach Meinung des historischen Gesetzgebers kann - abgesehen vom Ausnahmefall des § 66 Abs. 2 und Abs. 3 erst nach einem solchen Vollzug mit der erforderlichen Sicherheit gesagt werden, dass die Sicherungsverwahrung als letztes Mittel der Kriminalpolitik zum Schutze der Allgemeinheit vor dem gefährlichen Täter unumgänglich ist (BTDrucks. V/4094 S. 20).
58
Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese zwei Jahre auf eine Strafverbüßung oder auf den Vollzug einer Maßregel entfallen bzw. wie sie sich auf beide verteilen. Es genügt, dass an dem Täter aufgrund der Vorverurteilungen Strafen oder freiheitsentziehende Maßregeln vollzogen worden sind, die in der Summe der Vollzugszeiten zwei Jahre erreichen. Das gilt auch dann, wenn diese Vollzugsdauer auf mehr als zwei Vorverurteilungen im Sinne des Absatz 1 Nr. 1 zurückgeht. Die Vollzugsdauer kann also durch Addition des Vollzugs auch von mehr als zwei Strafen oder von Strafen und Maßregeln erreicht werden, 145 wobei eine etwaige Vorverlegung des Entlassungszeitpunkts gemäß § 16 Abs. 3 StVollzG nach str. Ansicht nicht zu beachten ist. 1 4 6 Das ist allerdings mit dem Wortlaut des § 66 Abs. 1 Nr. 2 („befunden hat" nicht: „hätte befinden müssen") nur schwer zu vereinbaren. Denn anders als bei bestimmten Hafterleichterungen (Freigang, Urlaub etc. 1 4 7 ) ist mit der Entlassung die behördliche Verwahrung beendet. Eine derartige Auslegung wirft zudem Probleme hinsichtlich der Vorverlegung des Entlassungszeitpunkts nach § 43 Abs. 9 StVollzG (Anrechnung des Arbeitsurlaubs auf Entlassungszeitpunkt) auf, da hier die zeitliche Vorverlegung weitaus größer sein kann, als die zwei Tage nach § 16 Abs. 3 StVollzG. 148
59
Hinsichtlich der Verbüßung von Gesamtstrafen ist zunächst zu differenzieren: Sind in die Gesamtstrafe nur Einzelstrafen einbezogen, die für sich schon die formellen Voraussetzungen nach Abs. 1 Nr. 1 erfüllen, handelt es sich um eine zu beachtende Vorverbüßung. Sind in der Gesamtstrafe auch Einzelstrafen enthalten, die die formellen Voraussetzungen für sich nicht erfüllen, so ist die Berücksichtigungsfähigkeit der Vorverbüßung nur gegeben, wenn die berücksichtigungsfähigen Einzelstrafen wenigstens in der Summe eine Strafe von 2 Jahren ergeben. Anderenfalls ist nur eine anteilige Berücksichtigung der Gesamtstrafenverbüßung möglich. Gleiches gilt, wenn die Gesamtstrafe nur teilweise vollstreckt wurde. 149 Zu den Auswirkungen von verspäteten Vollstreckungsunterbrechungen bei der Vollstreckung von Strafen für Katalogtaten im Hinblick auf ebenfalls zu verbüßende Strafen für Nichtkatalogtaten vgl. Graul GA 1991 11, 22.
60
Als Strafverbüßung ist gemäß § 66 Abs. 4 S. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 auch die Anrechnung der Untersuchungshaft 150 oder einer anderen Freiheitsentziehung (§ 51) auf die Freiheitsstrafe anzusehen. Doch kann dies in diesem Zusammenhang - anders als für § 66 Abs. 4 S. 4 - nicht gelten, wenn zwar die Untersuchungshaft angerechnet, im Übrigen aber die Strafe zur Bewährung ausgesetzt und später erlassen worden ist, da dann eine „Verbüßung" mit Warnfunktion i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 1 trotz des § 51 nicht erfolgt
61
145
146 147
148
BTDrucks. V/4094 S. 2 0 ; Böllinger/Pollähne NK Rdn. 65; Sch/Schröder/Stree Rdn. 14; Fischer Rdn. 10. BGH N J W 1982 2 3 9 0 ; Fischer Rdn. 10. Dazu: BGH NStZ 2 0 0 5 265, 2 6 6 ; Lackner/ Kühl Rdn. 11. Menbruch MK Rdn. 92.
149
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OLG Hamm M D R 1976 157; BayObLG JR 1984 381 mit zust. Anm. Hettinger; Horn SK § 66 Rdn. 11; Lackner/Kühl Rdn. 7; Fischer Rdn. 10, 6; Ullenbruch MK Rdn. 86; aA: OLG Oldenburg NdsRPfl 1983 253. BGHSt 4 9 25, 27.
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ist und sich andernfalls die dem Täter gewährte Wohltat der Anrechnung trotz Bewährung für ihn nachteilig auswirken würde. 151 Im Falle der Nichtbewährung, d.h. bei Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, verbleibt es freilich bei der Anrechnung. Eine auf Freiheitsstrafe angerechnete Therapiezeit (§ 36 Abs. 3 BtMG) ist keine Verbüßung i.S.v. § 66 Abs. 4 S. 1, denn es handelt sich nicht um eine Freiheitsentziehung, sondern um eine Maßnahme, der sich der Proband selbst unterworfen hat und die auch ambulant durchgeführt werden kann. 1 5 2 3. Nichtberücksichtigung von Vorverurteilungen und Vortaten 62
a) Rückfallverjährung. Für § 66 Abs. 1 - wie für Absatz 2 und Absatz 3 Satz 1 - gilt gemäß § 66 Abs. 4, dass eine frühere Tat außer Betracht bleibt, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind (BGH NStZ 1987 84, 85). Es kommt demnach auf die Zeitpunkte der Taten an, nicht auf die der Verurteilung, so dass insbesondere nicht erforderlich ist, dass die jeweilige Verurteilung noch innerhalb der Fünfjahresfrist erfolgt. 153 Maßgebend ist gegebenenfalls die Beendigung der Tat, nicht die Vollendung (Fischer Rdn. 20). In der Frist ist der Begehungstag der vorausgehenden Tat nicht einzurechnen. 154 Zur Fristberechnung im Falle einer nachträglich aus mehreren Vorverurteilungen gebildeten Gesamtstrafe vgl. BGHSt 25 106.
63
In die Frist nicht eingerechnet wird die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist (Absatz 4 Satz 4), weil er in dieser Zeit keine Gelegenheit hatte, sich in Freiheit zu bewähren (BGHSt 4 9 25, 27 f). 1 5 5 Entsprechend dem Grundgedanken der Regelung sind als Verwahrung nicht nur verbüßte Freiheitsstrafen, Maßregelvollzug und Freiheitsentzug nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen anzusehen, sondern z.B. auch Untersuchungshaft, die Unterbringung in einer Fürsorgeentziehungsanstalt,156 die Verbüßung von Ordnungshaft oder die Durchführung von Erzwingungshaft. 157 Die Gegenansicht will unter Berufung auf eine „verfassungskonforme Auslegung" Freiheitsentziehungen wie Unterbringungen nach Landesrecht doch in die Frist einrechnen, da die gesetzgeberische Annahme, solche Freiheitsentziehungen trügen nicht zur Verringerung der Gefährlichkeit bei, nicht mehr zutreffe. 158 Sie dürfte aber die geschilderte gesetzgeberische Intention verkennen und lässt offen, was daran nicht verfassungskonform sein soll.
64
In einer Anstalt verwahrt ist auch ein Strafgefangener, dem Lockerungen wie Freigang etc. gewährt werden. Die Vollzugslockerung schwächt die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und die Überwachung ab, sie hebt aber die Verwahrung nicht auf. 1 5 9 Deshalb ist auch die Nichteinbeziehung entsprechender Zeiten in die Frist für die Rückfallverjährung konsequent. Die Situation desjenigen, der im Falle seines Fehlverhaltens die schnell und wirksam durchsetzbaren anstaltsinternen Sanktionen (wie z.B. Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug etc.) zu gewärtigen hat, ist mit einer in Freiheit
151
152
153
Böllinger/Pollähne NK Rdn. 65; Sch/Schröder/Stree Rdn. 15; Fischer Rdn. 7. Körner BtMG § 36 Rdn. 12; ebenso auch: Sch/Schröder/Stree Rdn. 15; Fischer Rdn. 10; Ollenbruch MK Rdn. 90. Lackner/Kühl Rdn. 11; Sch/Schröder/Stree Rdn. 68; Fischer Rdn. 2 0 ; vgl. BGHSt 25 106 mit Anm. Koffka JR 1973 2 5 0 zu § 48 a.F.
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154 155 156 157
158 159
RG J W 1935 521. Horn SK Rdn. 9; Ullenbruch MK Rdn. 100. RG J W 1935 523. Sch/Schröder/Stree Rdn. 12, 13, 15; Fischer Rdn. 21. Böllinger/Pollähne N K 2 Rdn. 62. BGH NStZ 2 0 0 5 265, 2 6 6 .
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
befindlichen Person nicht vergleichbar. Zur Anrechnung der Zeiten, in denen sich ein Anstaltsverwahrter fluchtbedingt in Freiheit befand vgl. BGH NStZ 2 0 0 8 91. Auf die materielle Rechtmäßigkeit der Unterbringung kommt es grundsätzlich nicht an. 1 6 0 Außer Betracht bleiben jedoch rechtsstaatliche Willkürmaßnahmen (wie z.B. die Verwahrung in einem Konzentrationslager des Dritten Reiches; dazu näher BGHSt 7 160).
65
Umstritten ist, ob in die fünfjährige Frist auch diejenige Zeit nicht einzurechnen ist, in der sich der Betroffene in Untersuchungshaft befand, wenn er später freigesprochen bzw. außer Verfolgung gesetzt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde. In der Vorauflage (Hanack LK 1 1 Rdn. 40) wurde eine Einbeziehung in die Frist bejaht, wenn dem Betroffenen eine Entschädigung nach dem StrEG zugesprochen wurde. Ihm solle dann auch im Übrigen aus dem Vollzug der Untersuchungshaft kein Nachteil erwachsen. Es solle ihm mithin nicht angelastet werden dürfen, dass er während des Vollzugs der Untersuchungshaft nicht in gleichem Maße Gelegenheit hatte, sich zu bewähren wie bei einem Leben in Freiheit, da er die Tatsache seiner Freiheitsbeschränkung nicht durch eigenes Verhalten herbeigeführt habe, sondern sie lediglich zur Sicherung eines Strafverfahrens hinnehmen musste. Entsprechendes müsse aus den genannten Gründen auch gelten, wenn der Täter später in einem Wiederaufnahmeverfahren unter Zubilligung von Entschädigung freigesprochen worden ist. Nach anderer Meinung soll die in Untersuchungshaft verbrachte Zeit nach dem „Grundsatz weitest möglicher Folgenbeseitigung von zu Unrecht erlittener Freiheitsentziehung" in diesen Fällen gänzlich in die Frist eingerechnet werden. 161 Richtig ist es hingegen, wie in den übrigen Fällen nicht schuldhaft verursachter Inhaftierung, auch im Falle der Untersuchungshaft bei späterem Freispruch (entsprechend auch in den Wiederaufnahmefällen) die Verwahrzeit nicht in die Frist einzubeziehen. Schon der Wortlaut spricht - auch in diesen Fällen - für die Nichteinrechnung der Unterbringungszeit, denn er knüpft keine weiteren Voraussetzungen an die Unterbringung, insbesondere nicht in dem Sinne, dass ein schuldhaftes Verhalten des Betroffenen Ursache der Verwahrung ist. Der Betroffene erleidet auch nicht durch die Nichteinrechnung einen Nachteil, sondern durch sein Legalversagen außerhalb (vor und/oder nach) der Verwahrung. Es wäre mit dem Sinn der Regelung nicht zu vereinbaren, solche Verwahrungen, in denen der Betroffene seine Legalbewährung nicht oder nur eingeschränkt unter Beweis stellen konnte, in die Frist einzubeziehen und würde gerade eine ungerechtfertige Besserstellung bedeuten; eine sich im Nachhinein als zu Unrecht verbüßt herausstellende Untersuchungshaft wird - bei Beachtung der Voraussetzungen der §§ 121 ff StPO - im Regelfall auch nicht als Willkürmaßnahme zu gelten haben. 1 6 2 Soweit dagegen eingewandt wird, dass auch andere Personen in Unfreiheit (z.B. freiwilliger Aufenthalt in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus) ihre Bewährung nicht unter Beweis stellen konnten, dort aber eine Einrechnung erfolgen müsse, 1 6 3 sind diese Fälle für einen Vergleich untauglich. Da der Anstaltsaufenthalt nicht aufgrund einer behördlichen Anordnung sondern freiwillig erfolgt, ist die Straffreiheit während dieser Zeit schon ein Indiz für eine Legalbewährung des Betroffenen, denn er könnte die Anstalt jederzeit verlassen und dann Straftaten begehen. Fehl geht auch das Argument, es sei
66
160 161
162
BGH N J W 1 9 6 9 1678 zu § 2 0 a a.F. Böllinger/Pollähne NK Rdn. 60; Horn SK Rdn. 12; Ullenbruch MK Rdn. 102; Pollähne StraFo 2 0 0 4 156. BGHSt 4 9 25, 27; Horn SK Rdn. 9; Fischer Rdn. 21; vgl. auch bereits: BGH MDR 1969
163
855 (ein obiter dictum zu § 2 0 a a.F.); krit. zur Entscheidung des BGH: Pollähne StraFo 2 0 0 4 156 („rechtsstaatliche Fragwürdigkeit"). Pollähne StraFo 2 0 0 4 158, 159.
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
willkürlich, in den hier zu diskutierenden Fällen, die Zeit der Untersuchungshaft nicht in die Frist einzubeziehen, weil es auch sonstige Konstellationen gebe, in denen etwa aufgrund schwerer Krankheit oder wegen eines Unfalls eine Gelegenheit zur Straftatenbegehung fehle, die hierauf entfallenden Zeiträume aber durchaus angerechnet würden. 1 6 4 Zuzugeben ist zwar, dass es dem Zweck der Vorschrift entspräche, jegliche Zeiträume, in denen eine Legalbewährung faktisch nicht möglich erscheint, in die Frist nicht einzubeziehen. Ein solches Unterfangen muss jedoch an erheblichen Feststellungs- und damit Praktikabilitätsproblemen scheitern, so dass das Gesetz konsequenterweise darauf verzichtet hat. 1 6 5 67
Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Tatrichter die Verwahrungszeiten im Urteil so genau feststellen, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob die Rückfallverjährung eingetreten bzw. zu Recht verneint worden ist. 1 6 6
68
b) Tilgung im Bundeszentralregister. Eine Vortat kann zur Feststellung der Voraussetzungen des § 6 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 auch nicht herangezogen werden, wenn die Eintragung der Verurteilung gemäß §§ 45 ff B Z R G getilgt oder (s. § 45 Abs. 2) tilgungsreif ist und kein Ausnahmefall nach § 45 Abs. 3 BZRG vorliegt. 167 Dies ergibt sich aus dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG, da die Vorverurteilung keine „Rechtsfolge" im Sinne des § 51 Abs. 2 BZRG darstellt. Über Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Tilgung hat der über die Voraussetzungen des § 66 urteilende Richter nicht zu befinden (BGHSt 2 0 2 0 5 , 2 0 6 f). Nicht in das B Z R übernommene Vorverurteilungen durch DDR-Gerichte bleiben als Anordnungsvoraussetzungen außer Betracht (§§ 5 1 - 5 3 , 64a Abs. 3 BZRG). Entsprechende gespeicherte Eintragungen sind bis zum 31.12.2008 zu löschen (§ 64b Abs. 1 BZRG).
69
c) Verwertung als Beweisanzeichen? Ob oder wie weit auszuscheidende Vortaten als Beweisanzeichen für die Hangtäterschaft herangezogen werden dürfen, ist eine ganz andere Frage. Richtigerweise wird man hier wie folgt zu unterscheiden haben: Soweit es um die Rückfallverjährung geht, ist die Verwertung als Beweisanzeichen nicht ausgeschlossen. 168 Denn der Umstand, dass die rückfallverjährten Taten für die formellen Voraussetzungen des § 66 ausscheiden, bedeutet nicht, dass sie auch für die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Gefährlichkeit außer acht bleiben müssten. Absatz 4 Satz 3 bezieht sich nur auf die formellen Voraussetzungen i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2. Das ergibt sich schon aus dem Vergleich mit den übrigen Sätzen dieses Absatzes, die sich auch nur auf formelle Voraussetzungen beziehen. Wichtiger ist aber noch, dass eine „Gesamtwürdigung" (u.a.) des Täters nach Abs. 1 Nr. 3 gefordert ist, welche nicht möglich erscheint, wenn entsprechende Ausschnitte der Täterbiographie ausgeblendet werden müssten.
70
Anders hingegen ist die Tilgung bzw. die Tilgungsreife nach dem BZRG zu behandeln: Das Gesetz verbietet (eben anders als § 66 Abs. 4 S. 3 StGB) in § 51 Abs. 1 BZRG ausdrücklich jede Verwertung der Tat und der Verurteilung zum „Nachteil" des Betroffenen, wozu auch ein Vorhalten in der Hauptverhandlung gehört. Eine Verwertung zum
164 165 166
Böhm StV 2 0 0 5 1 3 1 , 1 3 2 . Ähnlich: BGH NStZ 2 0 0 5 265, 266. BGH NStZ-RR 2001 1 0 3 , 1 0 4 ; NStZ 1987 84, 85; BGH bei Detter NStZ 1990 225.
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167 168
Vgl. BGH NStZ-RR 2 0 0 2 332. BGH NStZ 1 9 9 9 5 0 2 , 5 0 3 ; NStZ 1983 71; Sch/Schröder/Stree Rdn. 70; Fischer Rdn. 20; Schöch JR 2 0 0 0 209.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Nachteil des Betroffenen liegt auch dann vor, wenn die Tat als Beweisanzeichen für die Notwendigkeit einer Maßregel der Besserung und Sicherung zu seinen Ungunsten herangezogen wird. 1 6 9 Etwas anderes gilt nur in den Ausnahmefällen des § 51 BZRG, insbesondere soweit es um die Beurteilung des Geisteszustandes geht (§ 51 Abs. 1 Nr. 2). Demgegenüber können Taten, bei denen es nicht zu einer Verurteilung gekommen ist, durchaus zur Hangfeststellung herangezogen werden. 170
71
4. Die auslösende Tat (Anlasstat) a) Allgemeines. Wegen der zur Aburteilung stehenden vorsätzlichen Tat muss der Täter zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt werden (§ 66 Abs. 1). Strafbarkeit wegen Versuchs oder Teilnahme 171 reicht auch hier ebenso wie strafbare Vorbereitung nach § 30 StGB, denn in allen diesen Fällen handelt es sich - ebenso wie in denen einer Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination (§ 11 Abs. 2) - um vorsätzliche Straftaten.
72
Die Anlasstat muss nach den Taten, die den Vorverurteilungen zugrunde liegen (Absatz 1 Nr. 1), sowie nach den in Abs. 1 Nr. 2 genannten Vorverbüßungen begangen sein. Zur Frage, ob die Vorverurteilungen rechtskräftig sein müssen, vgl. oben Rdn. 51. Seitdem im Rahmen des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21.8.2002 (BGBl. I S. 3344) vor „Freiheitsstrafe" das Wort „zeitige" gestrichen wurde, ist eindeutig, dass auch im Falle der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe daneben auf Sicherungsverwahrung erkannt werden kann. 1 7 2
73
b) Gesamtstrafe. Im Falle einer Gesamtstrafe gilt für die Anlasstat der Grundsatz, dass nicht die Höhe der Gesamtstrafe entscheidet, sondern wenigstens eine der Einzelstrafen, aus denen die Gesamtstrafe zu bilden ist, die Höhe von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe erreichen muss. 1 7 3 Dies ergibt sich aus den unterschiedlichen Formulierungen in § 66 Abs. 1 und Abs. 2 und war beabsichtigt (BTDrucks. V/4094 S. 20).
74
c) Symptomatischer Charakter. Die abzuurteilende Tat muss symptomatisch für die verbrecherische Neigung des Täters, also für seinen Hang und die von ihm ausgehende Gefährlichkeit sein (näher Rdn. 218 ff). 1 7 4 Hierzu reicht auch ein vorsätzlich begangenes Vergehen gemäß § 323a, da derjenige, der im Vollrausch wiederholt strafbare Handlungen begangen hat, im Zeitpunkt des Alkoholgenusses für die Allgemeinheit auch künftig gefährlich sein kann. 1 7 5 Der symptomatische Charakter ist besonders sorgfältig
75
169
170 171 172
BGHSt 25 100, 104; BGH NStZ-RR 2 0 0 2 332; StV 1990 3 4 0 ; BGH Beschl. v. 12.9.2007 - 5 StR 3 4 7 / 0 7 (mit der Einschränkung, dass Verwertbarkeit gegeben sein soll, wenn entsprechende Erkenntnisse auf Angaben des Angeklagten beruhen); krit. - aber im Ergebnis offengelassen: BGH NStZ 2 0 0 5 397. BGH NStZ 2 0 0 5 397. BGH NJW 1 9 9 9 3 7 2 3 ; RGSt 68 169; 71 15. Zur früheren Rechtslage vgl. Peglau NJW 2 0 0 0 , 2 9 8 0 m.w.N. sowie ferner Passek GA 2 0 0 5 96 ff.
173
174 175
BGH StraFo 2 0 0 3 2 8 2 f; NStZ 2 0 0 2 536, 5 3 7 ; GA 1991 2 2 4 ; BGH bei Mösl NStZ 1982 4 5 6 ; NJW 1972 8 3 4 ; Lackner/Kühl Rdn. 4 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 16; Fischer Rdn. 6; Ullenbruch MK Rdn. 50; Beyer NJW 1971 1597, 1598; Horstkotte J Z 1970 150; Tröndle GA 1 9 7 3 307. BGH NStZ-RR 1 9 9 6 1 9 6 , 1 9 7 . Ebenso: Sch/Schröder/Stree Rdn. 17, 18 m.w.N.; vgl. auch: BGH NStZ 2 0 0 4 96, 97.
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
zu prüfen, wenn die Anlasstaten aus sehr verschiedenen Kriminalitätsbereichen stammen. 176 Auch Affekttaten können symptomatisch sein. 177 76
d) Jüngere Erwachsene. Gegenüber Jugendlichen und Heranwachsenden ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung unzulässig (§ 7, § 106 Abs. 2 JGG). Dies zu ändern, war bereits Gegenstand jüngerer (gescheiterter) Gesetzgebungsinitiativen.178 Ob die Anordnung von Sicherungsverwahrung gegenüber Jugendlichen oder Heranwachsenden, die nach Jugendstrafrecht abgeurteilt werden, wirklich sinnvoll ist, erscheint zweifelhaft, da eine Gefährlichkeitsprognose zum Zeitpunkt der Verurteilung zwar möglich ist, diese sich aber wegen der Entwicklungsfähigkeit des jungen, nicht ausgereiften Menschen noch ändern kann und dann unnötige Ungewissheit über den Entlassungszeitpunkt besteht. Jedenfalls gab es in der älteren Gesetzgebung die Bestrebung, die Anordnung der Sicherungsverwahrung altersmäßig eher hinauszuzögern (vgl. dazu Hanack LK 11 Rdn. 47 f). Die Bundesregierung will mit einem Gesetzentwurf („Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht"; BTDrucks. 16/6562) durch Änderung von § 7 JGG ermöglichen, bei Verurteilungen zu mindestens 7 Jahren Jugendstrafe wegen bestimmter Straftaten, zukünftig auch ohne sog. „neue Tatsachen" nachträglich die Sicherungsverwahrung verhängen zu können. Der BGH hält die Sicherungsverwahrung auch gegenüber jüngeren Tätern bei „besonderer Gefährlichkeit" nach geltendem Recht für unverzichtbar, verlangt aber die „besonders sorgfältige Prüfung der Gefährlichkeitsprognose",179 dazu unten Rdn. 201 ff. VII. Die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach Absatz 2
77
1. Allgemeines zu Absatz 2. § 66 Abs. 2 setzt, anders als Absatz 1, nicht voraus, dass der Täter schon früher zu Strafe verurteilt worden ist und Freiheitsentzug erlitten hat. Andererseits stehen Vorverurteilung und Vorverbüßung einer Anordnung der Sicherungsverwahrung auf Grundlage des Absatzes 2 aber auch nicht entgegen.180 Das ergibt ein Erst-Recht-Schluss: Wenn schon der Täter ohne Vorverurteilung und Vorverbüßung unter Abs. 2 fällt, dann erst recht, derjenige mit der sich hierin ausdrückenden erhöhten kriminellen Energie. Der Wortlaut bestätigt das das ebenfalls („auch ohne ...").
78
Der Gesetzgeber selbst hat bei der früheren Strafrechtsreform den Ausnahmecharakter der Vorschrift des Absatzes 2 hervorgehoben (BTDrucks. V/4094 S. 20 f), der auch in der Rechtsprechung betont wird,181 ohne dass daraus allerdings zusätzliche Anwendungsvoraussetzungen abgeleitet werden können (dagegen sprechen schon Bestimmtheitserwägungen).182 Gedacht ist bei § 66 Abs. 2 vor allem an gefährliche Serientäter, denen es bisher gelungen ist, sich der Verurteilung (§ 66 Abs. 1 Nr. 1) oder der Verbüßung (§ 66 Abs. 1 Nr. 2) zu entziehen, bei denen aber Hangtäterschaft gegeben ist. Hier kann jedenfalls in Einzelfällen - für die Allgemeinheit ein echtes Schutzbedürfnis bestehen.183
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179 180
BGH NStZ 2 0 0 2 537, 538; MDR 1996 881. BGH MDR 1992 632. Vgl. z.B. BTDrucks. 15/3146 S. 5 und jetzt neuerdings wieder: BTDrucks. 16 276/05 i.V.m. BRDrucks. 50/06. BGH NStZ 1 9 8 9 67 zu § 66 Abs. 2. Ullenbruch MK § 66 Rdn. 160.
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181
182 183
Z.B. BGH NStZ 1 9 8 9 67; NJW 1976 300; KG NStZ 1983 77, 78. BGH NStZ 1999 614; Fischer Rdn. 11. BTDrucks. V/4094 S. 21; vgl. auch BGH NStZ 1989 67; NJW 1976 3 0 0 ; Horstkotte J Z 1970 152, 155.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Dem Ausnahmecharakter entspricht die Subsidiarität des Absatzes 2: Das Gericht hat zunächst stets zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen. 184 O b es allerdings dem Bestand des Urteils schadet, wenn das Gericht, das sie Sicherungsverwahrung nach Abs. 2 anordnet, verabsäumt hat, zuvor Abs. 1 zu prüfen (bzw. dies im Urteil zu erörtern) erscheint (jedenfalls bei einer reinen Angeklagtenrevision) fraglich. Denn dem Angeklagten kann kein Nachteil hieraus entstehen (entweder die Voraussetzungen des Abs. 1 liegen nicht vor oder aber es hätte sogar zwingend auf Sicherungsverwahrung erkannt werden müssen). Im Schrifttum wird zwar darauf hingewiesen, dass das Gericht die Frage, welchen Absatz es angewandt hat, im Urteil nicht offen lassen dürfe, sondern angeben müsse, welcher Absatz angewendet wird. 1 8 5 Das ist dogmatisch zweifelsohne richtig. O b ein Verstoß (bei einer reinen Angeklagtenrevision) aber zur Aufhebung führen würde, erscheint auch hier (mangels Beschwer) fraglich. In den Entscheidungen, in denen die Anwendung des Absatzes 2 vom BGH beanstandet wurde, führte wohl eher der Umstand, dass die Gerichte in den Fällen, in denen sie offen gelassen haben, ob die Anordnung auf Abs. 1 oder Abs. 2 beruht, ihr Ermessen nicht erkennbar ausgeübt haben, 1 8 6 denn die Rechtsfolgen sind im Falle des Absatzes 1 zwingend, im Falle des Absatzes 2 fakultativ. Auch Fälle, in denen die Rückfallverjährung eine Anordnung der Maßregel nach Abs. 1 hindert, können unter § 6 6 Abs. 2 fallen.
79
2. Drei vorsätzliche Straftaten. Der Täter muss (mindestens 187 ) drei vorsätzliche Straftaten begangen haben, wobei die Art der Begehung - Täterschaft, Teilnahme, Versuch, strafbare Vorbereitung - wiederum - gleichgültig ist (vgl. oben Rdn. 48; allgemeine Meinung). Doch darf auch hier die Rückfallverjährung (§ 66 Abs. 4; s. Rdn. 6 2 ff) bzw. die Tilgung oder Tilgungsreife nach dem B Z R G (dazu Rdn. 68) noch nicht eingetreten sein. Zur Berücksichtigung von Auslandstaten s. Rdn. 56.
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Gemeint sind im Absatz 2 drei rechtlich selbständige Taten, die einer selbständigen Aburteilung fähig sind. Dies ergibt sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und kriminalpolitischem Zweck und entspricht der herrschenden Meinung. 1 8 8
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Der zeitliche Zusammenhang der Taten ist gleichgültig. Ihre Reihenfolge spielt keine Rolle.
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Rasch aufeinander folgende Taten, die aufgrund eines einheitlichen Entschlusses begangen wurden, können die formalen Voraussetzungen des Abs. 2 ebenfalls erfüllen. Die tatsächliche Würdigung, ob die Taten auf einem eingewurzelten Hang beruhen, bedarf dann jedoch ganz besonderer Sorgfalt. 1 8 9 Die gewerbsmäßige Begehung hindert nicht die rechtliche Selbständigkeit. 190 Ähnliches gilt für sonstige Grenzfälle zur Tateinheit, so etwa, wenn mehrere Handlungen gegenüber verschiedenen Opfern (vgl. den Fall der BGHSt 18 376 zugrunde lag) auf
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BGH StraFo 2 0 0 3 2 8 2 , 2 8 3 ; NStZ-RR 1996 1 9 6 , 1 9 7 ; NStZ 1996 331, 332; BGH bei Mösl NStZ 1981 4 2 7 ; BGH bei Holtz MDR 1976 9 8 6 ; Scb/Schröder/Stree Rdn. 4 7 ; Fischer Rdn. 11. Scb/Schröder/Stree Rdn. 4 7 ; Ullenbruch MK Rdn. 158. BGH StraFo 2 0 0 3 2 8 2 , 2 8 3 ; NStZ-RR 1996 197; NStZ 1996 331, 332. BGH NStZ 2 0 0 2 536, 537.
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Näher BGHSt 1 313, 316 m.w.N.; RGSt 7 5 381 m.w.N.; Scb/Schröder/Stree Rdn. 50; Fischer Rdn. 12. BGHSt 3 169, 171; NStZ 2 0 0 2 313; NStZ 1 9 8 9 6 7 ; Lackner/Kühl Rdn. 8; Ullenbruch MK Rdn. 166. BGH N J W 1953 955; RGSt 72 164, 165; vgl. auch Rissing-vatt Saan L K 1 2 Vor § 5 2 Rdn. 80.
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
einen einheitlichen Vorsatz zurückgehen; demgegenüber genügen Einzelakte einer Handlungseinheit nicht (vgl. Rissing-van Saan LK 12 Vor § 52 Rdn. 10 ff; 20 ff). Wegen des tateinheitlichen Zusammentreffens der Symptomtat mit einem Fahrlässigkeitsdelikt vgl. oben Rdn. 50. 84
3. Verwirkte Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr und (mindestens) gleichzeitige Aburteilung der Taten. Der Täter muss für jede der drei vorsätzlichen Straftaten jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt haben (und außerdem wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu mindestens dreijähriger Freiheitsstrafe verurteilt werden). „Verwirkt" bedeutet nicht, dass der Täter auch jeweils entsprechend verurteilt worden sein oder werden muss. Das ergibt sich aus der Formulierung „verwirkt". Was aber genau darunter zu verstehen ist, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Sicherlich müssen die Freiheitsstrafen nicht sämtlich in der gleichen Verurteilung wie die Sicherungsverwahrung verhängt werden, sondern können (wenigstens teilweise) auch schon in früheren Urteilen verhängt worden sein (vgl. dazu noch später).191 Fraglich ist, ob „verwirkt" aber auch meint, dass entsprechende Freiheitsstrafen überhaupt nicht verhängt werden oder wurden, sondern es ausreicht, dass eine entsprechende Freiheitsstrafe für eine Tat verhängt worden oder zu verhängen wäre (Bsp.: Die Verfolgung einer Tat wurde nach § 154 StPO durch das über die Maßregel entscheidende Gericht in dem Verfahren, in dem auch über die Maßregel entschieden wird, eingestellt. Das Gericht ist aber von der Begehung der Tat überzeugt und meint, dass hierfür eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu verhängen gewesen wäre). Der Wortlaut (verwirken meint: „sich zuziehen" oder „verdienen" 192 ) ließe dies zu. Entsprechende Formulierungen in einigen Kommentierungen (der Täter muss wegen der entsprechenden Tat verfolgbar sein) 193 deuten auf die Möglichkeit eines derartigen Verständnisses hin (die Betonung der Verfolgbarkeit wäre nicht erforderlich, wenn die entsprechenden Taten ohnehin abgeurteilt wurden oder werden) - eine Auffassung, welche offenbar auch RGSt 75 381, 832 tatsächlich zugrunde lag. Die Entscheidung in BGHSt 1 385, 386, die von den Kommentierungen in diesem Zusammenhang genannt wird, ergibt aber, dass über die Verfolgbarkeit hinaus das Erfordernis bereits abgeurteilter oder abzuurteilender Taten zu beachten ist. 194 Die Rechtsprechung des RG zu § 20a StGB dürfte auch für die vorliegende Frage wenig aussagekräftig sein, da § 20a nach seinem Wortlaut gerade nur die „Begehung" einer Straftat voraussetzte, nicht aber auch die Verwirkung einer bestimmten Strafe hierfür. Der Gesetzgeber des 1. StrRG hat nicht zu erkennen gegeben, dass er in Abweichung von BGHSt 1 385 auch nicht abgeurteilte Taten, für die (hypothetisch) eine entsprechende Mindestfreiheitsstrafe zu verhängen gewesen wäre, ausreichen lassen wollte. Ein Bedürfnis für eine andere Auslegung besteht auch nicht. 195 Dementsprechend formuliert der BGH in seiner jüngeren Rechtsprechung: „Eine Strafe ist danach verwirkt (...), wenn wegen der Tat eine Verurteilung bereits ergangen ist oder in Zusammenhang mit dem Verfahren, in dem die Frage der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist, ausgesprochen wird. 196
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Daraus folgt: Ob eine Freiheitsstrafe von jeweils mindestens einem Jahr verwirkt ist, hat das erkennende Gericht zu entscheiden (i.S. einer Ausurteilung einer Strafe), soweit
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So u.a. Ullenbruch MK Rdn. 170 ff. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl. Bd. 8 S. 3745. Sch/Schröder/Stree Rdn. 51; Hanack LK 1 1 § 66 Rdn. 61.
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194 195 196
Vgl. auch BGHSt 25 4 4 , 4 5 f. I.E. wie hier: Horn SK Rdn. 25. BGHSt 5 0 284, 2 9 4 ; BGH NStZ 2 0 0 7 212 f.
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§66
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
die Taten bei ihm anhängig sind (vgl. auch B G H S t 2 5 4 4 , 45, s.o. Rdn. 8 4 ff). Liegt eine Vorverurteilung vor, ist die dort erkannte Strafe maßgebend. Zweifelhaft ist jedoch, ob das erkennende Gericht dabei auch an die Feststellungen des früheren Richters über die Begehung der Vortat gebunden ist, da Abs. 2 nicht, wie Abs. 1, auf die Vorverurteilung und damit auf deren Warnfunktion - , sondern lediglich auf die „Begehung" der Straftaten abstellt. 1 9 7 Für eine solche Bindung sprechen nicht nur die „erheblichen praktischen Schwierigkeiten", zu denen dies führen würde. Dafür spricht vor allem, dass Abs. 2 nur eine Ergänzung des Absatz 1 bildet und dass, zumal angesichts der Warnfunktion auch einer sachlich nicht oder nicht ganz richtigen Vorverurteilung, nicht angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber, der vor allem an die gleichzeitige Aburteilung dachte, mit der abweichenden Formulierung eine so weitgehende Freiheit des Richters gegenüber der früheren Entscheidung konstituieren wollte (so schon Hanack LK11 Rdn. 60). Zu verlangen ist daher, dass eine oder zwei der drei Taten entweder schon abgeurteilt sind (RGSt 6 8 3 3 0 ; BGHSt 1 313, 317; B G H N J W 1 9 6 4 115), oder dass alle Taten vom erkennenden Gericht gleichzeitig abgeurteilt werden und werden können. Sind noch nicht abgeurteilte Taten bei verschiedenen Gerichten anhängig, kann nur der letzte Richter über die Sicherungsverwahrung entscheiden. Dies verlangt im Übrigen auch die Subsidiarität des Abs. 2 , weil nach Aburteilung der Taten möglicherweise Abs. 1 eingreifen kann.
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Auch Taten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden, genügen nicht, selbst wenn ihretwegen andere Maßregeln verhängt werden könnten. 1 9 8 Das gleiche gilt für diejenigen Taten, die im Zeitpunkt der anstehenden Verurteilung verjährt sind. 1 9 9 Das folgt aus dem (oben erörterten) Erfordernis einer vorhergehenden oder gleichzeitigen Aburteilung und Straffestsetzung bezüglich dieser Taten. Denn eine verjährte Tat kann nicht abgeurteilt werden oder abgeurteilt worden sein und die Verfolgungs ver jährung dürfte wegen § 6 6 Abs. 4 und § § 7 7 Abs. 3; 7 9 Nr. 3c StGB praktisch nicht relevant werden, da i.d.R. vorher oder gleichzeitig Rückf all Verjährung eintritt. 2 0 0
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Vorverurteilung und Vorverbüßung sind im Gegensatz zu § 6 6 Abs. 1 nicht erforderlieh; dies erklärt sich aus dem Zweck der Vorschrift (Rdn. 77). Ihre Anwendbarkeit wird durch Vorverurteilungen freilich nicht ausgeschlossen. § 6 6 Abs. 2 kann daher sowohl in Fällen relevant werden, in denen sämtliche formellen Voraussetzungen für die Maßregelanordnung erst im gleichen Verfahren, in dem über die Sicherungsverwahrung entschieden wird, geschaffen werden, als auch in Fällen, in denen ein Teil der formellen Voraussetzungen bereits zuvor erfüllt wurde. Früher abgeurteilte Taten können zusammen mit der aktuell zur Aburteilung anstehenden Tat auch zusammengenommen erst die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 begründen (sofern die jeweiligen Mindeststrafen erreicht sind) 2 0 1 und wenigstens noch eine der Anlasstaten durch das über die Sicherungsverwahrung entscheidende Gericht abgeurteilt w i r d . 2 0 2 So können z.B. der jetzigen Verurteilung eine abgeurteilte und nicht abgeurteilte Tat oder zwei - oder mehr - abgeur-
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 54; Menbruch MK Rdn. 172. RG DR 1943 1033; Sch/Schröder/Stree Rdn. 51. BGHSt 1 385, 386; RGSt 75 381 (jeweils zu § 20a StGB a.F.).
200 201
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Sch/Schröder/Stree BGH NStZ 2 0 0 2 Sch/Schröder/Stree Rdn. 160. BGH NStZ 2 0 0 2
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Rdn. 51. 313; Lackner/Kühl Rdn. 8; Rdn. 53; Ullenbruch MK 536, 537.
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
teilte Taten vorausgegangen sein. 2 0 3 Es kann auch für zwei der Taten bereits früher eine Gesamtstrafe gebildet worden sein, 2 0 4 vorausgesetzt, dass die in ihr enthaltenen Einzelstrafen je ein Jahr erreicht haben, 2 0 5 da es sonst an der erforderlichen kriminellen Intensität des Täters fehlt, die sich aus der Schwere der einzelnen Tat bzw. Vortat ergibt. Im Falle der Vorverurteilung genügt eine verwirkte Jugendstrafe von mindestens einem Jahr (BGHSt 12 129, 134 f); mindestens eine der Symptomtaten muss im Erwachsenenalter begangen worden sein. 2 0 6 Die Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel wegen einer oder mehrerer der Symptomtaten reicht bereits nach dem Wortlaut nicht aus. 89
4. Verurteilung zu mindestens dreijähriger Freiheitsstrafe. Wegen mindestens einer der drei Taten muss der Täter ferner zu einer Freiheitsstrafe (auch lebenslange Freiheitsstrafe, s.o. Rdn. 73) von wenigstens drei Jahren verurteilt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass sich der Gesamtunrechtsgehalt der Taten im Bereich der schweren Kriminalität bewegt (BTDrucks. V/4094 S. 26: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Unproblematisch ist der Fall, in dem wegen der Anlasstat eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verhängt wurde. Aus der Gesetzesformulierung ergibt sich, dass auch eine Gesamtstrafe von drei Jahren genügt, welche entweder alle drei Symptomtaten, aber auch nur 2 von ihnen (hinsichtlich der dritten muss dann nur eine einjährige Mindeststrafe verwirkt sein) erfassen kann (vgl. auch BTDrucks. V/4094 S. 20 f); 2 0 7 es folgt aus der unterschiedlichen Formulierung des § 66 Abs. 2 („wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe") gegenüber § 66 Abs. 1. Die Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren kann sich auch aus mehr als nur drei Einzelfreiheitsstrafen von mindestens einem Jahr zusammensetzen. Das womöglich geringere Gewicht jeder einzelnen Strafe wird dann kompensiert durch die Vielzahl von Verurteilungen. Dies ist auch der Standpunkt der herrschenden Meinung. 208
90
Die von einer Mindermeinung (Böllitiger/Pollähne NK Rdn. 70; Ullenbruch MK Rdn. 180 ff) vertretene Ansicht, dass die Verurteilung zu einer Einzelstrafe von mindestens drei Jahren erforderlich sei (eine entsprechende Gesamtstrafe also nicht ausreicht) überzeugt nicht. Sie begründet dies mit dem (eher rechtspolitischen) Argument, dass die in einer Gesamtfreiheitsstrafe zusammengefassten (geringeren) Einzelstrafen nicht das notwendige Maß der Erheblichkeit aufwiesen, was sich auch nicht quantitativ kompensieren lasse. Ferner wird mit dem Ausnahmecharakter von Abs. 2 gegenüber Abs. 1 und Abs. 3 argumentiert, die ihrerseits schon Verurteilungen wegen einer Straftat zu mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe voraussetzten, so dass die entsprechenden Anforderungen in Abs. 2 nicht niedriger ausgelegt werden dürften.
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Dagegen spricht aber bereits die unterschiedliche Zielgruppe der verschiedenen Absätze: So erfasst Abs. 2 gefährliche Serientäter und legt den Schwerpunkt auf die Allgemeinschädlichkeit von Serien einzelner durchaus erheblicher Straftaten, während Abs. 3 sich auf schwerstkriminelles Handeln (bei geringer Häufigkeit) und Abs. 1 auf den unbelehrbaren Wiederholungstäter bezieht. Die Mindermeinung ist darüber hinaus nicht mit den Ergebnissen der historischen und der Wortlautauslegung vereinbar.
203
204 205
RGSt 68 330, 331; BGHSt 1 313, 317; NJW 1964 115 (jeweils zu § 2 0 a StGB a.F.); vgl. auch BGH NJW 1976 3 0 0 ; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 48. RGSt 68 2 2 2 , 2 2 4 (zu § 2 0 a StGB a.F.). Lackner/Kühl Rdn. 9; Sch/Schröder/Stree Rdn. 53; Ullenbruch MK Rdn. 160.
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BGH NStZ-RR 2 0 0 2 183; NJW 1976 301. Fischer Rdn. 13. BGH NStZ 2 0 0 2 536; N J W 1972 834, 835; vgl. auch BGH bei Holtz M D R 1982 4 4 7 ; Lackner/Kühl Rdn. 10; Sch/Schröder/Stree Rdn. 55; Fischer Rdn. 13; Beyer NJW 1971 1597, 1598; Dötting StV 1996 542, 544.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Liegen der Gesamtstrafe nicht nur Taten zugrunde, die die formellen Voraussetzungen 9 2 erfüllen (also vorsätzliche Begehung und Verwirkung einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr) so ist aus den Einzelstrafen, die die formellen Voraussetzungen erfüllen, eine fiktive Gesamtstrafe zu bilden, also zu prüfen, ob allein die berücksichtigungsfähigen Taten eine Gesamtstrafe in entsprechender Höhe gerechtfertigt hätten. 209 5. Rückfallverjährung, Auslandstaten etc. Insoweit vgl. die Ausführungen zu Abs. 1.
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VIH. Die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 6 6 Abs. 3 1. Allgemeines. § 66 Abs. 3 S. 1 (Anordnung der Sicherungsverwahrung nach Vor- 9 4 strafe und Vorverbüßung) stellt eine Erweiterung der Unterbringungsmöglichkeiten nach Abs. 1, § 66 Abs. 3 S. 2 (Anordnung der Sicherungsverwahrung ohne Vorstrafe oder Vorverbüßung) eine Erweiterung der Unterbringungsmöglichkeiten nach Abs. 2 dar. § 66 Abs. 3 S. 2, der weder Vorstrafe noch Vorverbüßung erfordert, ist subsidiär gegenüber § 66 Abs. 2 (s.o. Rdn. 79). Hier ist, aufgrund der geringen Zahl der erforderlichen Taten die Hang- bzw. Gefährlichkeitsprognose wegen der schmalen Datenbasis besonders schwierig (vgl. dazu unten Rdn. 126 ff und 201 ff). 210 Wegen der Abfolge von Vortaten und Vorverurteilungen wird auf die Ausführungen zu Absatz 1 verwiesen. Die Regelung, dass eine Anordnung nach Absatz 3 nur erfolgen kann, wenn der Täter wenigstens eine der in Satz 1 genannten Katalogtaten nach dem 31.1.1998 begangen hat (Art. la Abs. 2 EGStGB a.F.), wurde durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23.7.2004 (BGBl. I 1838) beseitigt und ist im neuen Art. la EGStGB nicht mehr enthalten.211 2. Vorverurteilung bei Unterbringung nach Absatz 3 S. 1. Die (mindestens eine) Vor- 9 5 Verurteilung von mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe, die Absatz 3 Satz 1 verlangt, muss zwar ein Verbrechen oder eine sonstige in Satz 1 genannte Straftat betreffen. Nicht zwingend notwendig ist jedoch, dass es sich um dieselbe Deliktsart wie bei der auslösenden Tat handelt.212 Bei Verschiedenartigkeit der Delikte bedarf freilich die erforderliche Gesamtwürdigung i.S. des § 66 Abs. 1 Nr. 3 der besonders kritischen Prüfung. Ist in der Vorverurteilung einer Gesamtstrafe verhängt, so reicht es aus, wenn diese 9 6 drei Jahre erreicht, jedenfalls dann, wenn den Einzelstrafen jeweils nur Katalogtaten zugrunde liegen. Eine Einzelstrafe in dieser Höhe ist nicht erforderlich (anders noch Hanack LK 11 , Nachtrag zu § 66 StGB Rdn. 8). Das ergibt sich aus dem Wortlaut („wegen einer oder mehrerer solcher Taten"), welcher an Abs. 2 angelehnt ist und gerade nicht die Einschränkung einer jeweils verhängten Einzelstrafe enthält.213 Die Gegenansicht begründet ihre Auffassung damit, dass eine Mehrzahl minder gewichtiger Straftaten nicht geeignet sei, dem gesetzgeberischen Anliegen der Unterscheidung der gefährlichen von den bloß lästigen Tätern Rechnung zu tragen.214 Sie verkennt dabei allerdings,
209
210 211 212
BGH NJW 1995 3263; Lackner/Kühl Rdn. 10; Fischer Rdn. 13. Boetticher MschrKrim. 1998 354, 3 6 4 f. Vgl. dazu BGHSt 5 0 373, 377. Fischer Rdn. 15.
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BGHSt 48 100; Fischer Rdn. 15; grds. ebenso, aber differenzierend: V. Harbou Das neue Recht der Sicherungsverwahrung S. 4 6 ff. üllenbruch MK Rdn. 227.
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
dass man bei den für Absatz 3 erforderlichen Katalogtaten kaum von bloß „lästigen" Taten reden kann. 97
Fraglich ist die Behandlung solcher Fälle, in denen der Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren auch Nichtkatalogtaten zugrunde lagen. Der Wortlaut verbietet nicht, dass der Verurteilung zur Gesamtstrafe auch andere Delikte zugrunde liegen können (er enthält kein einschränkendes „nur"). Der gesetzgeberischen Intention würde es zuwiderlaufen, wenn bereits ein geringfügiges in eine Gesamtstrafe einbezogenes Delikt zur Untauglichkeit als Vorverurteilung führen würde. Auch hier erscheint eine fiktive Gesamtstrafenbildung daher am ehesten geeignet, das Problem zu handhaben. Ergibt diese (unter Ausschluss der Nichtkatalogtaten) immer noch die Möglichkeit einer Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als drei Jahren, so reicht das aus. 215 Der BGH hat es dementsprechend genügen lassen, wenn sicher ausgeschlossen werden kann, dass allein aus den Einzelstrafen für Katalogtaten eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe als drei Jahre gebildet worden wäre (im konkreten Fall ging es um Einzelfreiheitsstrafen von 2 Jahren 9 Monaten; 2 Jahren 3 Monaten und 1 Jahr 6 Monaten). 2 1 6 Den Anforderungen des Absatzes 3 Satz 1 genügt jedoch eine solche Verurteilung nicht, deren Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren nur eine Katalogtat mit einer niedrigeren Einzelstrafe und im Übrigen Nichtkatalogtaten zugrunde liegt, denn dann wird der Täter auf keinen Fall „wegen einer oder mehrer" Katalogtaten zur erforderlichen Mindestfreiheitsstrafe verurteilt (BGH NStZ 2 0 0 5 88, 89).
98
Offen gelassen hat der BGH bisher den Fall, dass zwar allein aus den Einzelstrafen für die Katalogtaten in vertretbarer Weise eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren gebildet werden könnte, aber nicht zwingend hervorgeht. 217 Erreichen jeweils die Einzelstrafen wegen Katalogtaten noch nicht einmal in der Summe drei Jahre, so ist mit Rücksicht auf die Grundsätze der Gesamtstrafenbildung (§ 54 Abs. 2 S. 1) § 66 Abs. 3 S. 1 nicht anwendbar (Fischer Rdn. 16).
99
Entsprechend muss bei einer einheitlichen Jugendstrafe gemäß § 31 J G G wegen mehrerer Fälle für den jetzigen Tatrichter erkennbar sein, dass der Richter eine oder mehrere Katalogtaten ein solches Gewicht beigemessen hat, dass er allein für diese eine Einheitsjugendstrafe von drei Jahren oder höher verhängt hätte. 218 Die Rechtsprechung zu Absatz 1 Nr. 1 (vgl. oben Rdn. 54) lässt sich hier heranziehen, da Absatz 3 Nr. 1 nur den Anwendungsbereich von Absatz 1 erweitert.
100
Bei tateinheitlicher Verurteilung wegen einer Katalogtat und einer Nichtkatalogtat lassen sich diese Grundsätze nicht entsprechend anwenden, weil es hier nicht um die einheitliche - Reaktion auf mehrere Taten, sondern um eine Tat geht und das tateinheitlich begangene Delikt nach § 52 Abs. 2 i.V.m. § 4 6 StGB nur einen Strafschärfungsgrund unter anderen darstellt. Mit der Auffassung des BGH zu § 66 Abs. 3 S. 2 (BGH N J W 1999 3723, 3 7 2 5 ) 2 1 9 wird man es daher ohne Rücksicht auf die konkurrierende Nichtkatalogtat als ausreichend ansehen müssen, wenn die Strafe gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 aus dem Strafrahmen der Katalogtat bestimmt worden ist.
215
216
Wie hier i.E.: OLG Frankfurt Beschl. v. 27.1.2005 - 3 Ws 1 0 3 6 / 0 4 (= NStZ-RR 2 0 0 5 140 nur LS); Sch/Schröder/Stree Rdn. 61; aA: Fischer Rdn. 16 mit einem eigenen, eher restriktiven Lösungsvorschlag; Ullenbruch MK Rdn. 227. BGH Beschl. v. 19.7.2006 - 1 StR 2 3 8 / 0 6 .
442
BGH Beschl. v. 19.7.2006 - 1 StR 2 3 8 / 0 6 . BGHSt 5 0 2 8 4 , 294; vgl. auch BGH NJW 1999 3 7 2 3 m.w.N. 219 Yg[ i n s o w e ¡ t zust. Anm. Schöch in NStZ 2 0 0 0 138; aA Eisenberg/Schlüter NJW 2001 188, 189.
217 218
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Bei ausländischen Vorverurteilungen (Abs. 4 S. 5; dazu oben Rdn. 56) hat das Gericht gemäß dem neu eingefügten letzten Halbsatz von Abs. 4 auch zu prüfen, ob sie einer deutschen Verurteilung wegen eines der in Absatz 3 Satz 1 genannten Delikte entsprechen. In diesem Zusammenhang sollte das erkennende Gericht auch überprüfen, ob die Höhe der Vorstrafe auch nach deutschem Recht möglich gewesen w ä r e . 2 2 0
101
3. Freiheitsentzug aufgrund der Vorverurteilung. Für den Freiheitsentzug aufgrund der Vorverurteilung (Absatz 3 Satz 1 i.V.m. Absatz 1 Nr. 2) gelten die Nichtberücksichtigung früherer Verurteilungen und Taten (Absatz 4) die Ausführungen zu Absatz 1 entsprechend.
102
4 . Auslösende Tat (Anlasstat) nach Absatz 3 S. 1. Eine solche kann nur ein Verbrechen oder eine der sonstigen in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Straftaten sein. O b das Verbrechen personenbezogen ist oder nicht, spielt keine Rolle, so dass z.B. ein Delikt nach § 2 6 0 a genügt. Erfasst werden auch Taten, die nur infolge einer Erfolgsqualifikation Verbrechen sind. Auf die Art der Begehung des Verbrechens oder der sonstigen Straftat, kommt es, wie bei Abs. 1 und 2 , nicht an, so dass es insoweit gleichgültig ist, ob Täterschaft oder Teilnahme, Vollendung, Versuch oder strafbare Vorbereitung vorliegt. Soweit vereinzelt die Aufnahme der in § 66 Abs. 3 S. 1 genannten Vergehen als Katalogtaten als unverhältnismäßig kritisiert wurde, 2 2 1 kann dem in dieser Allgemeinheit wohl nicht zugestimmt werden, sondern die Frage, ob die Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgrund eines Vergehens unverhältnismäßig ist, kann nur im Einzelfall beantwortet werden. 2 2 2
103
Für die Begehung eines Verbrechens oder der sonstigen Straftat im Rausch gemäß § 3 2 3 a genügt als Symptomtat des Absatzes 3 Satz 1 nach dem Wortlaut des Gesetzes eine fahrlässige Rauschtat, was als unverhältnismäßig angesehen w i r d . 2 2 3 O b das wirklich vom Gesetzgeber so gewollt war, erscheint zweifelhaft: Denn in Absatz 1 und 2 werden nur vorsätzliche Taten erfasst, so dass man aus systematischen Erwägungen annehmen könnte, dass dies auch für Abs. 3 zu gelten h a t . 2 2 4 Auch sind die übrigen in Absatz 3 genannten Katalogtaten sämtlich Vorsatzdelikte, was möglicherweise auf ein gesetzgeberisches Versehen bei der Einbeziehung des § 323a schließen lässt. Grundsätzlich macht es auch keinen Sinn, Fahrlässigkeitsdelikte als Anlasstaten einzubeziehen, weil sie typischerweise nicht auf dem erforderlichen Hang i.S. des Absatzes 1 Nr. 3 beruhen. In der Literatur wird allerdings darauf verwiesen, dass das bei § 3 2 3 a im Einzelfall gerade anders sein kann. So mag es durchaus Täter geben, deren Verurteilung wegen der eigentlichen Katalogtat (im konkreten Fall) nur am Rausch scheitert, ein Hang und eine entsprechende Gefährlichkeitsprognose aber gestellt wird. 2 2 5 Liegen dann auch die Voraussetzungen des § 6 4 StGB nicht vor, so gäbe es keine Möglichkeit, die Allgemeinheit über die Freiheitsstrafe hinaus zu schützen. Insofern kann der fahrlässige Vollrausch als Anlasstat also durchaus Sinn machen und es ist nicht zwingend, ein gesetzgeberisches Versehen anzu-
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V. Harbou Das neue Recht der Sicherungsverwahrung S. 35. Vgl. Eisenberg/Hackethal ZfStrVO 1998 196, 199. V. Harbou Das neue Recht der Sicherungsverwahrung S. 21. Fischer Rdn. 14; Ullenbruch MK Rdn. 203;
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Milde StraFo 2006 217, 219 f (auch zur statistischen Relevanz von Vollrauschtaten im Zusammenhang mit der Sicherungsverwahrung). Sch/Schröder/Stree Rdn. 59. Vgl. Milde StraFo 2006 217, 220.
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§ 66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
nehmen. 226 Im Hinblick auf den Wortlaut des Absatz 3, der eben die Einschränkung „vorsätzlich", wie sie die Absatz 1 und 2 enthalten, nicht aufweist, kann man daher möglicherweise auch eine fahrlässige Rauschtat als Anlasstat ansehen (ähnlich schon Hanack LK 11 Nachtrag zu § 66 Rdn. 6). 2 2 7 Ob für die Feststellung der Hangtäterschaft dann eine einmalige Vorverurteilung wegen fahrlässiger Rauschtat ausreichen könnte, erscheint hingegen fraglich. 105
Für die mindestens zweijährige Freiheitsstrafe, die Absatz 3 Satz 1 als Ahndung der Anlasstat verlangt, gilt wie bei Absatz 1, dass bei Gesamtstrafen wenigstens eine der zugrunde liegenden Einzelstrafen die Höhe von zwei Jahren erreichen. Ebenso wie bei Absatz 1 genügt es nicht, wenn eine Einzelstrafe in der genannten Höhe nach § 55 StGB nachträglich in die Gesamtfreiheitsstrafe, die das Gericht bei Aburteilung der Anlasstat verhängt, einbezogen wird. 228
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5. § 66 Abs. 3 S. 2. Die Vorschrift erfordert mindestens zwei Anlasstaten aus dem Katalog des Absatz 3 Satz 1. Jede dieser Taten muss mit einer Mindesteinzelstrafe von 2 Jahren und eine dieser Taten oder sie zusammen mit einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren geahndet werden.
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Ebenso wie in Absatz 2 reicht es aus, wenn wenigstens eine der Symptomtaten im Erwachsenenalter begangen wurde. 229 Auch hier ist - ebenso wie in Absatz 2 - nicht erforderlich, dass alle Straftaten mit dem Urteil, in dem über die Sicherungsverwahrung entschieden wird, abgeurteilt werden, sondern einzelne Symptomtaten können auch bereits zuvor zur Aburteilung gelangt sein. 230 Der Wortlaut gebietet nicht, nur solche Fälle unter Absatz 3 S. 2 zu subsumieren, in denen die beiden Anlasstaten in der jetzigen Verurteilung abgeurteilt werden. Es reicht, wenn wegen zwei Straftaten jeweils mindestens Freiheitsstrafe von zwei Jahren verwirkt ist. Dass es der Wortlaut genügen lässt, dass der Täter wegen „einer ... dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren" verurteilt wird, spricht eher dafür, dass auch eine getrennte Aburteilung möglich ist. 231 Der Gesetzgeber hat Absatz 3 Satz 2 als Unterfall des Absatz 2 mit erhöhten Voraussetzungen angesehen (vgl.: BTDrucks. 13/7559 S. 10; 13/9062 S. 9) und die Vorschrift auch gesetzestechnisch an Absatz 2 angelehnt. Es würde auch dem Schutzzweck der Vorschrift zuwiderlaufen, wollte man eine gleichzeitige Aburteilung als zwingende Voraussetzung verlangen. Denn dann würde in den Fällen, in denen Absatz 3 Satz 1 wegen fehlender Vorverbüßung nicht anwendbar ist, der Täter, der trotz Warnung durch eine vorangegangene Verurteilung erneut schwerste Straftaten begeht, besser stehen als derjenige, der eine solche vorangegangene Warnung noch nicht beachten konnte.
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Auch im Übrigen (Tatort, Rückfallverjährung etc.) kann auf die Ausführungen zu Absatz 2 verwiesen werden (vgl. oben Rdn. 93).
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Wird eine Katalogtat tateinheitlich mit einer Nichtkatalogtat abgeurteilt, so hindert das nicht die Anordnung der Sicherungsverwahrung, wenn die erforderliche Mindest-
226 V g i . umfassend hierzu: Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 50 ff. 2 2 7 Ebenso: v. Harbou Das neue Recht der Sicherungsverwahrung S. 32 f. 228 Sch/Schröder/Stree Rdn. 60; Fischer Rdn. 15, 3; Ullenbruch MK Rdn. 214. 2 2 9 BGH NStZ-RR 2 0 0 2 183; Fischer Rdn. 17; Ullenbruch MK Rdn. 253.
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BGHSt 5 0 284, 2 9 3 ff; BGH NJW 1999 3723, 3 7 2 4 ; BGH NStZ 2 0 0 7 212, 213; OLG Celle Beschl. v. 19.6.2007 - 1 WS 2 5 1 / 0 7 ; Ullenbruch MK Rdn. 2 5 0 . Vgl. zu diesem Argument bei § 66 Abs. 2 BGHSt 2 5 44, 45.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
strafhöhe erreicht ist. 2 3 2 Es gelten hier die gleichen Erwägungen, wie bei der Problematik des tateinheitlichen Zusammentreffens eines Vorsatzdeliktes mit einem Fahrlässigkeitsdelikt bei Absatz 1 und Absatz 2. Problematisch erscheinen die Fälle, in denen der Strafrahmen für eine Einzelstrafe nach § 52 Abs. 2 S. 1 StGB der Nichtkatalogtat entnommen wurde, 233 weil sich in diesen Fällen die Bedeutung der Katalogtat auf einen Strafzumessungsfaktor beschränkt. Soweit zeitlich eng aufeinander folgende Taten, die auf einen einheitlichen Entschluss zurückgehen, nicht als ausreichend erachtet werden, 2 3 4 erscheint diese Ansicht angesichts des Gesetzeswortlauts zweifelhaft. Ob wirklich ein gefährlicher Rückfalltäter vorliegt, wird man vielmehr durch eine eingehende Hangprüfung ermitteln müssen.
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Auch insoweit wurde die zeitliche Beschränkung für die Begehung wenigstens einer Tat nach dem 31.1.1998 aufgehoben (vgl. oben Rdn. 94).
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IX. Materielle Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung 1. Allgemeines. Als materielle Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungs-
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Verwahrung verlangt § 6 6 A b s . 1 N r . 3 - in gleicher Weise für § 6 6 A b s . 1, A b s . 2 u n d
Abs. 3 - , dass die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge seines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. Diese Formel wurde durch das 1. StrRG eingeführt, von der Rechtsprechung in ihrem sachlichen Gehalt aber schon früher verwendet. 235 Mit der gegenüber § 20a StGB a.F. („Gewohnheitsverbrecher") abweichenden Bezeichnung „Hang" soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Neigung zum Verbrechen nicht notwendig durch Gewohnheit erworben zu sein braucht (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V., S. 269, 272; Protokolle des Unterausschusses Strafrecht IV., S. 841, 856), sondern auch auf Anlagefaktoren beruhen kann, wie dies bereits im früheren Recht anerkannt war. Es müssen also, damit die Sicherungsverwahrung verhängt werden kann, zwei materielle Voraussetzungen als Ergebnis einer Gesamtwürdigung kumulativ vorliegen („Hang" und „Gefährlichkeit für die Allgemeinheit"). Hauptdiskussionspunkte in Schrifttum und Rechtsprechung sind die Definition des Begriffs „Hang" sowie sein Verhältnis zur Gefährlichkeitsprognose (vgl. dazu Rdn. 135).
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2. Generell zum Begriff des Hanges. Die Frage, wann jemand i.S. des § 66 als Hangtäter handelt, ist schwierig. Denn ein objektiv feststellbarer Befund (Schüler-Springorum StV 1989 149: „Zustand"), wie er der Unterbringung nach den §§ 63 und 64 zugrunde liegt, ist beim Hangtäter in vergleichbarer Weise regelmäßig nicht gegeben (SchülerSpringorum aaO). 2 3 6 Auch der nach § 246a StPO erforderliche Sachverständige hilft hier nur begrenzt weiter. Als Psychiater ist er seiner Ausbildung nach zwar befähigt eine Sucht oder eine psychische Erkrankung zu diagnostizieren, nicht jedoch einen „Hang", der aus psychischer Konstitution oder sozialpsychologischer Kondition nicht linear ableitbar ist (Deckers S. 46, 57).
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BGH NJW 1 9 9 9 3723, 3725; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 60; Schöch NStZ 2 0 0 0 , 138; aA: Ullenbruch MK Rdn. 2 5 2 ; Eisenberg/Scblüter NJW 2 0 0 1 , 188. Ebenso: Fischer Rdn. 19.
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V. Harbou Das neue Recht der Sicherungsverwahrung S. 72 f. Z.B. BGHSt 1 94, 100; NJW 1953 673, 674. Vgl. dazu auch Pfister Jahresheft für forensische Psychiatrie 2 0 0 4 146, 163 ff.
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Zum „Hang" gehört nach der gesetzgeberischen Vorstellung aber jedenfalls mehr als die bloße Rückfälligkeit. 237 Gemeint sind nach dem Zweck des § 66 ersichtlich Täter, bei denen sich auf andere Weise, insbesondere allein durch Anwendung von Freiheitsstrafe, eine hinreichende Einwirkung oder gar Resozialisierung nicht erreichen lässt. 238
116
Funktional könnte man die Voraussetzung des „Hangs" als Äquivalent zum in § 63 geforderten „Zustand" oder zum „Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen" i.S.v. § 64 interpretieren. 239 Während dort allerdings der Zustand oder Hang als solches keinen unmittelbaren Strafbarkeitsbezug hat, sondern dieser erst über die Gefährlichkeit hergestellt wird, gibt es eine solche straftatenunabhängige Tätereigenschaft bei § 66 nicht, sondern Gegenstand des Hangs sind gerade Straftaten. Ob er deshalb ein Äquivalent zu den entsprechenden Voraussetzungen der § § 6 3 und 64 darstellt oder ob es ein solches gar nicht gibt, wird noch im Rahmen des Verhältnisses zur Gefährlichkeitsprognose zu erörtern sein (vgl. unten Rdn. 134 ff). 2 4 0
117
Der Begriff „Hang" ist ein Rechtsbegriff. 241 Das Gericht hat ihn im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten sowie seiner Taten unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Umstände festzustellen (nicht allein der Sachverständige). 242 Zur kriminologischen Kategorisierung der verschiedenen Typen von Hangtätern vgl. Hanack in der Vorauflage Rdn. 67 ff sowie Göppinger Kriminologie 5 S. 312 ff. 3. Definition des Begriffes „Hang"
118
a) Nach der Rechtsprechung verlangt das Merkmal „Hang" einen „eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist danach derjenige, der dauernd zu Straftaten entschlossen ist, oder der auf Grund einer fest eingewurzelten Neigung, deren Ursache unerheblich ist, immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. 243 Der Hang in diesem Sinne verstanden, ist somit eine persönliche Eigenschaft oder bleibende „Seelenverfassung". 244
119
b) Ein wesentlicher Anhaltspunkt für das Vorliegen eines so verstandenen Hanges ist demnach die wiederholte Begehung von Straftaten. Diese ist für die Bejahung des Hanges nach § 66 nach bisheriger Rechtsprechung notwendige, aber nicht alleinige Voraussetzung. 245 Eine bestimmte Mindestzahl lässt sich hier (zu trennen von den formellen Voraussetzungen) nicht bestimmen. Zur Frage, ob Entsprechendes auch für §§ 66a bzw.
Vgl. Protokolle des Unterausschusses Strafrecht IV, 45. Sitzung S. 841 857; Sch/Schröder/Stree Rdn. 24; Hanack J R 1980 3 4 0 ; vgl. schon RGSt 68 1 7 4 , 1 7 5 . 238 Yg[ K a t s e r i n Kaiser/Schöch Kriminologie/ Jugendstrafrecht/Strafvollzug (2006 ) 237
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S. 66 ff. Ullenbruch MK Rdn. 108; vgl. auch Kröber MschrKrim. 2 0 0 4 261 265. Vgl. auch: BGH Urt. v. 2 0 . 2 . 2 0 0 2 , 2 StR 486/01. BGHR § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit Nr. 3; Fischer Rdn. 2 4 . BGHR § 66 Abs. 1 Hang 4; BGH NStZ
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1995 178; BGH Beschl. v. 7.3.2006 - 3 StR 3 7 / 0 6 ; Boetticher u.a. NStZ 2 0 0 6 537, 540; Müller-Metz StV 2 0 0 3 4 2 4 4 . BGHSt 5 0 188, 196; BGH NStZ 2 0 0 5 265 f; 2 0 0 3 201, 2 0 2 ; 2 0 0 0 587; 1999 502, 503; 1995 178; BGH bei Holtz MDR 1989 682; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 5 106, 109; vgl. auch: BGHSt 2 4 160, 161; NStZ 1988 4 9 6 ; BGH bei Holtz MDR 1990 97. Milde S. 139 unter Bezugnahme auf RGSt 32 394, 3 9 7 ; 59 142, 143. BGHSt 2 4 160, 162; BGH Beschl. v. 7.3.2006 - 3 StR 3 7 / 0 6 ; vgl. auch Kröber MschrKrim. 2 0 0 4 261, 2 6 8 .
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
66b gelten kann (letzterer setzt nur eine Verurteilung, also möglicherweise auch nur eine Tat voraus) oder ob dort auf die Hang-Voraussetzung ggf. ganz zu verzichten ist, vgl. § 66a 30 ff und S 66b Rdn. 145 ff. c) Die wiederholte Straftatenbegehung muss darauf beruhen, dass der Täter entweder dauernd zu Straftaten entschlossen ist oder eine fest eingewurzelte Neigung zur Straftatenbegehung hat. Der dauernd zu Straftaten entschlossene Täter ist insbesondere der Berufsverbrecher, der bewusst den kriminellen Lebensstil eingeschlagen hat. 2 4 6 Demgegenüber kann eine fest eingewurzelte Neigung auch bei demjenigen vorliegen, der immer wieder strauchelt, wenn sich „die Gelegenheit" bietet, selbst wenn er es „an sich" nicht will. 2 4 7
120
Was eine fest eingewurzelte Neigung ist, wird in der Rechtsprechung nicht näher ausgeführt. Hierbei kann es letztendlich nur um die Abgrenzung zu Augenblicks-, Gelegenheits- und Konflikttaten gehen. Dies folgt daraus, dass das Gesetz nur den „Hang" erfassen will, die genannten situationsbedingten Taten sind oft nicht auf eine eingewurzelte Neigung zurückzuführen. 248 Das bedeutet aber nicht, dass die entsprechenden Taten nie auf einer entsprechenden Neigung beruhen. Das ist vielmehr im Einzelfall festzustellen. Die Unterscheidungen, um die es danach geht, sind in der Praxis oft schwierig zu treffen. Ob der Hang als Rechtsbegriff der Anwendung des Zweifelssatzes überhaupt zugänglich ist, 2 4 9 erscheint fraglich. Jedenfalls ist für die vergleichbare Problematik der Erheblichkeit im Rahmen des § 21 die neuere Rechtsprechung anderer Auffassung. 250 Ein bestimmter Tätertyp ist nicht gefordert. 251
121
Augenblickstaten können z.B. Affekttaten sein. Das Vorliegen eines Affektes schließt aber den Hang nicht zwingend aus. Auch eine solche kann hangbedingt sein, wenn sie Ausdruck innerer Spannungen des Täters ist, die ihn zu Straftaten besonders bereit machen. 2 5 2 Entsprechend sind auch Fälle alkoholbedingter Enthemmung zu prüfen. 2 5 3 Ähnliches gilt auch für Konflikts- und Gelegenheitstaten. Zu den Taten in einer Konfliktsituation kann man die Taten aus einer Notlage heraus begangen ebenfalls zählen. Selbst diese schließt den Hang nicht zwingend aus, wenn der Täter nicht ernstlich gewillt war, auf ehrliche Weise seine Notlage zu überwinden oder aus Charakterschwäche die Notlage, derer andere noch mit redlichen Mitteln Herr geworden wären, mit illegalen Mitteln löst. 2 5 4 Der Begriff „Gelegenheitstaten", schließlich, meint solche Taten, die der Täter nur bei sich bietender (günstiger oder zufälliger) Gelegenheit verübt. 2 5 5 Solche Gelegenheitstaten können insbesondere bei willensschwachen oder erhöht aggressionsbereiten Tätern auch auf einem Hang beruhen, nämlich wenn er sich durch die Willens-
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 31; vgl. eingehend: Hellmer ZStW 73 441, 455. BGH NStZ-RR 2 0 0 3 107; BGH bei Holtz MDR 1990 97; 1 9 8 9 6 8 2 ; NJW 1980 1055. BGH J R 1980 338 3 3 9 m. Anm. Hanack. So aber: BGH JR 1980 338 3 3 9 m. Anm. Hanack. BGHSt 4 9 45, 53; BGH NJW 2 0 0 6 386, 388 m.w.N.; vgl. auch: BGH Urt. v. 21.12.2006 - 3 StR 436/06. Vgl. Böllinger/Pollähne N K 2 Rdn. 81; Müller-Metz StV 2 0 0 3 42, 43.
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BGH NStZ 1994 2 8 0 , 821; 1992 3 8 2 m.w.N. BGH NStZ 1995 178, 179; 1994 2 8 0 , 2 8 1 ; J R 1980 338, 3 3 9 ; GA 1974 175, 176; N J W 1966 894. BGH NStZ 1992 382; N J W 1955 800; RGSt 7 3 4 4 , 4 6 ; DR 1944 901 für „Hunger wegen kriegsbedingter Nahrungsschmählerung"; vgl. auch BGH J R 1980 338 mit Anm. Hanack. Hanack J R 1980 340.
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
schwäche immer wieder bei entsprechender Gelegenheit zu Taten hinreißen lässt, denen er anderenfalls widerstanden hätte. 256 Entscheidend ist in diesen Fällen, ob trotz mitwirkender äußerer Umstände eine eingewurzelte Neigung zu Straftaten gegeben ist, der Täter aufgrund seiner Neigung dem Anreiz in Situationen nachgibt, in denen andere noch legale Auswege finden oder den Anreiz überwinden.257 Augenblicks-, Gelegenheits- und Konfliktstaten schließen die Begehung aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung nur dann aus, wenn die Taten allein auf die jeweiligen anreizschaffenden Umstände zurückzuführen sind. 258 Bestimmte Verhaltensweisen im Prozess, die auf eine Gesinnungsänderung schließen lassen (z.B. ein Geständnis) können das Vorliegen eines verfestigten Hangs in Frage stellen.259 123 In Abgrenzung zu einer Maßregel nach § 63 StGB ist darauf hinzuweisen, dass letztere (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) nur dann in Betracht kommt, wenn die eingewurzelte Neigung so stark ist, z.B. einer Persönlichkeitsstörung entspricht, so dass der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus handelt und deshalb u.U. das Eingangsmerkmal der „schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.d. § 20 StGB bejaht werden kann. 260 Umfassend mit der Abgrenzung der Klientel des § 63 zu dem des § 66 (aus psychiatrischer Sicht) befasst sich Habermeyer.261 Danach sind als mögliche Merkmale für einen Hangtäter im Sinne des § 66 insbesondere beispielhaft die weitgehend erhaltenen Verhaltensspielräume, intakte Realitätskontrolle und reife Abwehrmechanismen, durchgehende altersentsprechende biographische Entwicklung, fehlende psychosoziale Auslösefaktoren, aktive Gestaltung der Tatumstände bzw. der Tat und Spezialisierung auf einen bestimmten Delinquenztyp zu nennen. 124
d) Die Ursache für das eingeschliffene Verhaltensmuster ist unerheblich. Es kann auf Anlage und/oder Übung, 262 einer bewussten Entscheidung oder Willensschwäche263 beruhen. Unerheblich ist also insbesondere auch, ob der Hang auf Anlage oder Umwelt oder Übung zurückzuführen ist, und unerheblich ist ferner, ob dem Täter aus dem Hang ein Vorwurf gemacht werden kann. 264 Entscheidend ist vielmehr allein das Bestehen des Hangs (BGHSt 24 160, 161). Dies folgt aus dem Zweck des Gesetzes, das nur auf das Vorhandensein des gefährlichen Hangs abstellt.
125
Vereinzelt wurde zwar vertreten, dass sich die Sicherungsverwahrung nach dem 1. StrRG nicht auf willensschwache Täter beziehe.265 Weder im Wortlaut noch in den Materialien finden sich für eine derartige Einschränkung aber hinreichende Anhaltspunkte. 266 Die Rechtsprechung und die h.L. sind dem auch nicht gefolgt. 267 256
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BGH NStZ 1994 2 8 0 , 281; J R 1980 338, 3 3 9 ; vgl. auch: OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 5 106, 109. Vgl. BGH bei Holtz MDR 1990 97; NJW 1955 799, 800. BGH NStZ-RR 2 0 0 7 10 f; BGH JR 1980 338, 3 3 9 ; BGH NStZ-RR 2 0 0 7 107, 108; vgl. auch BGH Beschl. v. 4 . 7 . 2 0 0 7 - 5 StR 232/07; Müller-Metz StV 2 0 0 3 4 2 , 43. BGH Beschl. v. 7.3.2006 - 3 StR 37/06. BGH wistra 2 0 0 5 95; vgl. auch: BGHSt 4 2 385, 388. Die Maßregel der Sicherungsverwahrung, S. 108 ff.
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BGH NStZ 1999 502, 5 0 3 ; NStZ 1995 178, 179. BGH NStZ 2 0 0 3 310, 311; NStZ-RR 2 0 0 3 107; NStZ 1995 178, 179; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 5 106, 109. Sch/Schröder/Stree Rdn. 33. Horstkotte J Z 1970 152, 155. BGHSt 2 4 160, 161; vgl. ausführlicher Hanack LK 1 1 § 66 Rdn. 7 9 ff. Vgl. Horn SK Rdn. 18; Lackner/Kühl Rdn. 13; Scb/Schröder/Stree Rdn. 33; Ullenbruch MK Rdn. 110; Mrozynski MschrKrim. 1985 1 , 1 1 f (krit.).
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
So reicht auch der angeborene Hang, 2 6 8 der durch ein unverschuldetes Leiden verursacht oder gesteigert worden ist. 2 6 9 Auch bei verminderter Schuldfähigkeit kann Hangtäterschaft vorliegen. 270 Beruht der Hang jedoch auf einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit i.S.v. § 63 StGB, so ist die Maßregel nach § 63 vorrangig. 271 Auch bei unreifen Personen, bei denen die Möglichkeit der Nachreife besteht, kann schon Hangtäterschaft anzunehmen sein, 2 7 2 oder bei Sexualtätern, deren kriminelle Neigung auf Altersrückbildung beruht. 273 In den genannten Fällen werden im Übrigen vielfach die Voraussetzungen des S 63 gegeben sein, wobei dann nach den Regeln des § 72 zu entscheiden ist, ob es der Anordnung der Sicherungsverwahrung wirklich bedarf. Auch weltanschaulicher Fanatismus kann insbesondere bei Anarchisten, Extremisten und Terroristen gleich welcher politischer oder ideologischer Prägung, Hangtäterschaft begründen. 274 e) Kriterien für die Ermittlung des Hangs. Der Richter (und nicht der Sachverständige 2 7 5 ) kann und soll den Hang im Rahmen einer Gesamtwürdigung ermitteln. Es ist nicht angängig, allein auf die Rückfälligkeit abzustellen. 276
126
Zur Beurteilung des Hangs werden verschiedene Faktoren oder Faktorenbündel für bedeutsam gehalten, 277 die sich schon in der Judikatur des RG widerspiegeln. Es handelt sich dabei z.T. um Gesichtspunkte sehr allgemeiner Natur, die darum auch nur von einem gewissen und unterschiedlichen - positiven oder negativen - Indizwert sind. Sie beruhen im Übrigen stark auf den kriminalbiologisch orientierten Forschungsergebnissen der dreißiger Jahre, und zwar unbeschadet des Umstandes, dass sie im Grundsatz auch in späteren Forschungen - meist - eine Bestätigung gefunden haben. Ob es gelingen wird, über sie in einer Weise hinauszukommen, die der Richter besser judizieren kann, dürfte eine offene Frage sein. 2 7 8 Im Einzelnen geht es um die nachfolgenden Faktoren bzw. Faktorenbündel, bei denen jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob ihnen tatsächlich Relevanz für ein bestimmtes Verhalten zukommt (vgl. zu den relevanten Kriterien ausführlich: Dittmann S. 39 ff; Habermeyer MschrKrim. 2005 12 ff; ders. Die Maßregel der Sicherungsverwahrung S. 117; Kern Brauchen wir die Sicherungsverwahrung? S. 85 ff; Kinzig NStZ 1998 14 ff; Schönberger S. 170 ff 2 7 9 ). Entsprechende Darlegungen muss das Strafurteil enthalten, damit eine revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist. 2 8 0 Will der Tatrichter eine Frage hin-
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273
Sch/Schröder/Stree Rdn. 33; ablehnend: de Boor ZSW 1981 178. RGSt 6 9 129, 130; Sch/Schröder/Stree Rdn. 33. BGHSt 2 4 160, 161; ebenso schon BGH NJW 1957 1932; GA 1965 249. BGH NStZ 2 0 0 3 310, 311. Sch/Schröder/Stree Rdn. 33 m.w.N; vgl. neuerdings den Entwurf des BMJ „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht" (BTDrucks. 16/6562). RGSt 73 276, 2 7 7 ; DR 1942 889 mit eindringlicher Betonung, dass hier von der Sicherungsverwahrung „nur ein sehr vorsichtiger Gebrauch nach sorgfältigster Prüfung gemacht werden" dürfe.
Sch/Schröder/Stree Rdn. 33; krit.: Böllinger/ Pollähne NK Rdn. 85 f. 2 7 5 Vgl. Habermeyer Die Maßregel der Sicherungsverwahrung S. 12. 2 7 6 BGH Beschl. v. 7.3.2006 - 3 StR 37/06. 277 Yg¡ insbesondere Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 2 ff m.w.N. sowie: Habermeyer MschrKrim. 2 0 0 5 12, 15 ff. 278 Hanack LK 1 1 § 66 Rdn. 90 ff. 279 Yg[ n äher auch: Göppinger Kriminologie 5 S. 2 0 9 ff; Kaiser/Schöch Kriminologie/ Jugendstrafrecht/Strafvollzug (2006) S. 6 9 ff; Habermeyer/Puh Imann/Passow/ Vohs MSchrKrim 2 0 0 7 317 ff. 2 8 0 Vgl. nur: BGH NStZ-RR 2 0 0 2 29. 274
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
sichtlich Gewicht oder Bewertung einzelner Kriterien anders als der gehörte Sachverständige entscheiden, so muss er dies in einer Weise tun, die erkennen lässt, dass er mit Recht eigene Sachkunde in Anspruch genommen hat. 2 8 1 128
Die Herkunft des Täters, also die sozialen und psychologisch bzw. psychopathologisch relevanten Verhältnisse der Familie und des Elternhauses, aus dem er stammt, sowie die Erziehungsverhältnisse, unter denen er aufgewachsen ist, das eigene Verhalten in der Jugendzeit (Verhalten in der Schule, der Lehre, bei der sonstigen Berufsausbildung). 282 Auch in der Familie vorkommende Alkoholmissbrauch oder Kriminalität, frühe Verweisung oder Zerrüttung der elterlichen Ehe können einen ungünstigen Einfluss im Sinne einer Hangentstehung ausüben. 283 Nach Habermeyer lagen bereits in der Herkunftsfamilie bei 9 von 10 Probanden Auffälligkeiten vor. 2 8 4 Hingegen scheinen die wirtschaftlichen Verhältnisse, unter denen der Täter aufgewachsen ist, eine zwar wichtige, aber doch keine zentrale Rolle zu spielen. 285
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Die allgemeine Persönlichkeitsstruktur des Täters. Insoweit dürften, entgegen früher verbreiteter Meinung, Verstandesmängel und Mängel im Urteilsvermögen nicht ohne Weiteres als Anzeichen einer Hangtäterschaft zu bewerten sein. Dagegen sind Persönlichkeitsstörungen, Charaktermängel und abnorme Züge, insbesondere wohl Gefühlsarmut, Gefühlskälte, Willensschwäche und Haltlosigkeit, hohe Aggressionsbereitschaft bei geringer Frustrationstoleranz oder neurotische Verwahrlosung und Neigung zu überschießenden Reaktionen bei geringer Impulskontrolle vielfach wichtige Indizien dafür, dass die vorhandene Straffälligkeit auf einen Hang zurückgeht. 286 Das gleiche gilt für Arbeitsscheue. 287 Hangtäter sind zumeist Menschen mit erheblichen Defiziten im Bereich des „Habens" (Summe aller materiellen Güter), des „Geltens" (soziale Anerkennung) und der „Liebe" (aktive Liebesfähigkeit und passives Geliebtwerden). 288 Auch eine bewusst rechtsfeindliche Einstellung ist ein wichtiges Indiz; 2 8 9 ebenso eine chronische Abweichung im Sexualverhalten. 290 Indifferenz gegenüber Wert- bzw. Moralvorstellungen begründet für sich alleine noch kein ausreichendes Hangindiz, da auch so veranlagte Täter möglicherweise durch die Angst vor Bestrafung von Straftaten abgehalten werden. 291 Zulässiges Verteidigungsverhalten darf allerdings nicht hangbegründend verwertet werden. 2 9 2
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Das allgemeine soziale Verhalten des Täters, das sich mit seinen Persönlichkeitsmerkmalen vielfältig überschneidet (Verhältnis zur Arbeit); so seine Trinkgewohnheiten, sein Umgang, seine ehelichen und familiären Verhältnisse, sein Freizeitverhalten (dessen Bedeutung in der neueren kriminologischen Forschung zu Recht verstärkt betont wird, vgl. nur Göppinger Der Täter in seinen sozialen Bezügen, 1983 S. 89 ff, insbes. S. 106 f), Kontaktschwäche und seine soziale Verankerung. 293
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BGH NStZ-RR 2 0 0 5 39. OLG Frankfurt NJW 1971 903, 906; Horn SK Rdn. 19 OLG Frankfurt N J W 1971 903, 906; Sch/Schröder/Stree Rdn. 23; vgl. auch: Göppinger Kriminologie 5 S. 4 5 6 ff. Habermeyer MschrKrim. 2 0 0 5 1 2 , 2 0 . Sch/Schröder/Stree Rdn. 23. Vgl. BGH wistra 2 0 0 5 95; NStZ 2 0 0 3 310, 311; 2 0 0 3 201, 2 0 2 ; 2 0 0 0 5 8 7 ; 1994 2 8 0 , 281; 1992 382; OLG Frankfurt NJW 1971 903, 906.
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Näher z.B. Sch/Schröder/Stree Rdn. 28; vgl. auch BGHSt 1 9 4 , 1 0 0 ; RGSt 7 3 44, 46. Vgl. näher: de Boor ZSW 1981 176, 177 ff. Fischer Rdn. 25. Dittmann S. 37, 4 5 (speziell zu Sexualstraftätern auch noch: S. 4 7 ff). BGH NStZ-RR 2 0 0 3 20, 2 2 . BGH NStZ 2 0 0 1 595, 596. Vgl. BGH NStZ 2 0 0 3 310, 311; 1988 496.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Die bisherige kriminelle Betätigung, die naturgemäß für die Beurteilung besondere Bedeutung besitzt. Die Zahl der Vorstrafen ist dabei zwar wichtig, aber nicht entscheidend. Wichtig ist vor allem die zeitliche Verteilung der Straftaten (insbesondere auch die Nähe zu einem vorangegangenen Strafvollzug und im Strafvollzug verbrachte Zeiten), 2 9 4 insbesondere die Rückfallgeschwmdigkeit, 295 wobei aber auch längere straffreie Zeiträume nicht zwingend gegen einen Hang sprechen, 296 aber ggf. einer eingehenden Würdigung im Urteil bedürfen) 2 9 7 und der Beginn der kriminellen Betätigung; Frühkriminalität ist vielfach ein wichtiges Symptom der Hangtäterschaft, obwohl auch Spätkriminalität der Hangtätereigenschaft nicht entgegensteht, so vor allem bei bestimmten Sexualdelikten. 298 Die Bedeutung der Frühkriminalität kann sich allerdings mit zunehmendem Alter wieder relativieren. 299 Ferner ist wichtig die Art der Straftaten; häufig sind Hangtäter auf bestimmte Straftatenarten „spezialisiert" oder festgelegt. 300 Hervorzuheben bleibt noch einmal, dass der Rückfall allein noch nicht den Hang beweist. Bei der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 ist, wegen der geringen Zahl von Taten die Prognose sehr schwierig und mit Zurückhaltung vorzunehmen. 301 Zu möglichen Kriterien in diesen Fällen vgl. Kröber MschrKrim. 2 0 0 4 261, 268 f. Zu statistischen Rückfallquoten, insbesondere bei Sexualdelikten und Gewaltkriminalität vgl. die Darstellung von Dessecker S. 312 ff. Nach Habermeyer standen 8 von 10 Probanden bei Begehung der Anlasstat(en) unter Bewährung. 302
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Im Rahmen der kriminellen Entwicklung sind nicht nur die Taten, die die formellen Voraussetzungen begründen, sondern auch sonstige Vorstrafen und Vortaten zu berücksichtigen (allg. Meinung) 3 0 3 und zwar auch rückfallverjährte Taten. 3 0 4 Das Verwertungsverbot aus § 41 BZRG ist zu beachten. 3 0 5 Auch und vor allem die Anlasstaten müssen bei der Hangprüfung Berücksichtigung finden. 306 Insbesondere bei rasch aufeinander folgenden Taten, die aber rechtlich in Tatmehrheit zueinander stehen (insbesondere bei § 66 Abs. 2) bedarf es einer eingehenden Auseinandersetzung damit, inwieweit die wiederholte Begehung Indikator für den Hang ist. 3 0 7 Grundsätzlich können aber auch in rascher Abfolge begangene Taten Ausdruck eines Hangs sein (BGH Urt. v. 25.7.2007 - 2 StR 209/07). Gleiches gilt, wenn die Taten auf völlig unterschiedlichen Gebieten begangen wurden. 308
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Schließlich sind auch die Einsicht oder fehlende Einsicht des Täters in seine Störung, Therapiebereitschaft und Therapiemöglichkeiten sowie seine Auseinandersetzung mit der Tat wichtige Hangindikatoren. 309
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BGHR § 66 Abs. 1 Hang Nr. 5; BGH NStZRR 2 0 0 6 105 (LS). Vgl. BGH NStZ 1999 502, 5 0 3 ; JR 1980 338, 3 3 9 ; OLG Frankfurt NJW 1971 903, 906; BGH Beschl. v. 8.2.2005, 3 StR 4 5 2 / 0 4 (insoweit in BGH NStZ 2 0 0 5 5 2 6 nicht abgedruckt); kritisch Frommel N J W 1981 1083, 1084. BGH NStZ 2 0 0 5 265, 2 6 6 ; NStZ-RR 2 0 0 5 39. BGHSt 5 0 1 8 8 , 1 9 3 ff. OLG Frankfurt NJW 1971 903, 9 0 6 . Göppinger Kriminologie 5 S. 313.
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 27. Schöch NJW 1998 1257, 1261. Habermeyer MschrKrim. 2 0 0 5 12, 21. BGHSt 1 94, 9 9 ff; Sch/Schröder/Stree Rdn. 25; Ullenbruch MK Rdn. 141, jeweils m.w.N. BGH NStZ 1 9 9 9 502, 5 0 3 ; 1983 71. BGHSt 25 100, 104; Sch/Schröder/Stree Rdn. 24; Schöch JR 2 0 0 0 209. Dittmann S. 37, 44. BGH NStZ 2 0 0 2 313. BGH NStZ 2 0 0 2 537; NStZ-RR 2 0 0 3 107. Dittmann S. 37, 4 5 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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f) Zur Kritik des Hangbegriffs: An der Voraussetzung des Hangs wird die mangelnden Bestimmtheit des Begriffs kritisiert. Der Gesetzgeber selbst habe bereits nicht erkennen lassen, was er darunter verstehe und eine Definition sei der Rechtsprechung nicht gelungen, sondern allenfalls eine gewisse Negativabgrenzung. 310 Einen abgrenzbares kriminologisches Eigengewicht habe der Begriff nicht. Eine klare Abgrenzung vergleichbar einer Sucht oder einer psychischen Erkrankung gebe es nicht. 3 1 1 Schließlich wird kritisiert, dass auch die Ausfüllung des Hangbegriffs durch die Rechtsprechung teilweise unzutreffend sei, da es weder einen angeboren noch einen durch Übung erworbenen Hang geben könne, sondern endogene Bedürfniskonstellationen entscheidend seien. 312
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Eine gewichtige Kritik des Hangbegriffs hält die Abgrenzung des Hangs von der Gefährlichkeitsprognose für kaum möglich (so wohl die inzwischen h . M . im Schrifttum). 3 1 3 Nach dieser Ansicht werden die Kriterien, die zur Begründung des Hangs herangezogen werden auch zur Begründung der Gefährlichkeitsprognose benutzt. 314 Die Klausel, dass der Täter „für die Allgemeinheit gefährlich" ist, hat nach dieser Auffassung gegenüber der Prognose, er werde infolge seines Hangs erhebliche Straftaten begehen, keine eigenständige Funktion. 3 1 5 Eine Allgemeingefährlichkeit - trotz Vorliegen eines Hangs sei danach nur dann ausschließen, wenn der Täter sich „so dumm anstellt", dass seine Taten immer zum scheitern verurteilt sind (da erscheint aber auch die Annahme eines Hangs zu erheblichen Straftaten bedenklich). Komme auch nur ein gelegentlicher Erfolg in Betracht, kann man die Allgemeingefährlichkeit nicht verneinen. Letztendlich verbleibe als Fall des Auseinanderfallens von Hang und Gefährlichkeit nur der, in dem der Täter durch äußere Umstände gehindert ist, seinen Hang auszuleben. Dann sei aber auch die Gefährlichkeit zu verneinen sein, ohne dass es auf das Bestehen oder Nichtbestehen des Hangs ankomme. Plakativ heißt es bei Tröndle/Fischer54 Rdn. 18d: „Auf den inneren ,Hang' zur Begehung von Banküberfällen kommt es nicht an, wenn der Täter dauerhaft bettlägerig erkrankt ist". Angesichts dieser Abgrenzungsschwierigkeiten wird deshalb die Auffassung vertreten, bei den Voraussetzungen von Hang und Gefährlichkeitsprognose handele es sich um eine Tautologie. 3 1 6 Kinzig hat in einer umfänglichen Untersuchung festgestellt, dass Gefährlichkeitsprognose und Hang in 2/3 der untersuchten Entscheidungen keine eigenständige Bedeutung hatte, vielmehr die Gefährlichkeit mit dem Hang begründet wurde. 3 1 7 Im Übrigen wurde die Gefährlichkeit mit Argumenten begründet, die von den Gerichten auch zur Begründung des Hangs herangezogen werden (u.a.:
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Böllinger/Pollähne NK Rdn. 77 ff; Frommel NJW 1981 1083, 1084; Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 105; Mrozynski MschrKrim. 1985 1, 8 ff; jeweils mit Nachw. z. älteren Schrifttum; vgl. auch: Weichert StV 1989 265, 269; ferner: Mergen Die Kriminologie 3. Aufl. S. 360; Naucke MschrKrim. 1962 84, 95 f. Müller-Metz StV 2003 42, 43. Vgl. näher: de Boor ZSW 1981 176, 178. Fischer Rdn. 26 ff; Ullenbruch MK Rdn. 111; Oessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 302; Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 104; Milde Entwicklung der Normen
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S. 140 f; Schönberger S. 202 f; Volckart Praxis der Kriminalprognose 1997 S. 95; Jacobsen NKrimP 2005 92, 94; vgl. auch: Müller-Metz StV 2003 42, 43; SchülerSpringorum MschrKrim. 1989 147 ff; aA Renzikowski NStZ 2006 280, 281. Fischer Rdn. 27; Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 104; ders. NStZ 1998, 14, 15 f; Schönberger S. 202 f. Horn SK Rdn. 17; Fischer Rdn. 28. So: Schüler-Springorum MschrKrim. 1989 147, 149; Volckart Praxis der Kriminalprognose 1997 S. 95 f. Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 367 f.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
unveränderte Lage des Täters, keine Behandlung möglich oder erfolgreich, keine Reue/ Einsicht oder schlicht unter Berufung auf das Sachverständigengutachten). 318 Die Rechtsprechung sieht zwar dem Grundsatz nach in Hang und Gefährlichkeit keine identischen Merkmale, ist aber uneinheitlich. So wird es in manchen Entscheidungen als Widerspruch angesehen, die Gefährlichkeit zu bejahen, den Hang aber zu verneinen. Die erforderliche Gefährlichkeit könne regelmäßig dann schon prognostiziert werden, wenn die Eigenschaft als Hangtäter festgestellt ist. Nur wenn zwischen der letzten Hangtat und dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung neue Umstände eingetreten sind, die die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten entfallen lassen, könne danach die Gefährlichkeit verneint werden. 319 In anderen Entscheidungen werden hingegen die eigenständigen Bedeutungen von Hangfeststellung und Gefährlichkeitsprognose in den Vordergrund gestellt. Zugleich heißt es, dass die hinreichende Rückfallwahrscheinlichkeit (Gefährlichkeitsprognose) in der Regel vorliegt, wenn die Hangtätereigenschaft festgestellt sei. 3 2 0 Es seien aber Konstellationen denkbar, in denen dies nicht der Fall sei. 3 2 1 So könne trotz bestehenden Hangs die Gefährlichkeit dadurch gemindert sein, dass die Taten so dilettantisch angelegt sind, dass sie leicht durchschaut werden können. 3 2 2
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Für eine Trennung zwischen Hang und Gefährlichkeit spricht zunächst der GesetzesWortlaut, der zeigt, dass der Gesetzgeber seinerzeit beiden Begriffen Bedeutung zugemessen hat. 3 2 3 Auch die Gesetzesmaterialien zu § 66a und § 66b lassen erkennen, dass der Gesetzgeber (nach wie vor) von einer selbständigen Bedeutung des Hangs ausgeht. Dort heißt es, dass auf eine Hangvoraussetzung - anders als auf die Gefährlichkeit - deshalb verzichtetet werden könne, weil der Hang unter den künstlichen Bedingungen des Strafvollzugs ohnehin nicht feststellbar sei. 3 2 4
137
Offenbar war der Begriff des Hanges in § 66 Abs. 1 Nr. 3 vom Gesetzgeber im Gleichklang mit § 63 und § 64 zu dem dort jeweils vorausgesetzten „Zustand" bzw. „Hang ... im Übermaß zu sich zu nehmen" gemeint. Dort bedarf es neben der festzustellenden Gefährlichkeit jeweils eines bestimmten (außerstrafrechtlichen) Umstandes, auf dem die Gefährlichkeit beruhen muss. 3 2 5 Bei § 66 beziehen sich Hang und Gefährlichkeitsprognose zunächst auf den (innerstrafrechtlichen) Umstand der Straftatenbegehung. 326 Die wesentliche Unterscheidung zwischen „Hang" und „Gefährlichkeit für die Allgemeinheit" folgt aber bei § 66 Abs. 1 Nr. 3 letztlich aus dem Umstand, dass die Tatsachen, aus denen sich der Hang ableiten lässt, nur Teilaspekte einer „Gesamtwürdigung" von Täterpersönlichkeit, der äußeren Umstände der Tat(en) und der sie begleitenden Vorstellungen und Motive des Täters usw. darstellen. Aus dieser Gesamtwürdigung aller relevanten Faktoren ist sodann die Beurteilung der Gefährlichkeit abzuleiten, näm-
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Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 367 f; vgl. auch: Müller-Metz StV 2 0 0 3 42, 4 3 ; Schönberger S. 170. BGH StraFo 2 0 0 7 211, 212; BGH Urt. v. 2 0 . 2 . 2 0 0 2 - 2 StR 486/01 vgl. auch BGH Urt. v. 25.7.2007 - 2 StR 209/07. So z.B. auch BGHSt 50, 188, 193 ff; BGH NStZ 1990 334, 335 m.w.N.; 1988 4 9 6 ; BGH bei Holtz MDR 1990 676; Scb/Schröder/Stree Rdn. 36; ebenso schon BGHSt 1 94,100. BGHSt 50 188, 196. BGHR § 66 Abs. 1 Hang 4; BGHSt 50 188, 193 ff.
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Vgl. Renzikowski NStZ 2 0 0 6 280, 281. BTDrucks. 14/8586 S. 7 (zu § 66a); BTDrucks. 15/2887 S. 13 (zu § 66b). Die Autoren sind in dieser Frage unterschiedlicher Auffassung. Die nachfolgenden Ausführungen Rdn. 138 und 139 geben nur die Meinung der Verf. Rissing-van Saan wieder. So formuliert Scbüler-Springorum MschrKrim. 1 9 8 9 147: „Der Zustand gem. § 63 und der Hang gem. § 64 passen in eine Schublade, der Hang gem. § 66 gehört in eine andere, und es könnte sein, dass diese leer ist".
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lieh ob eine bestimmte Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Täter durch seinem Hang entspringende Taten auch in Zukunft den Rechtsfrieden empfindlich stören wird (BGHSt 1 94, 100; Lackner/Kühl Rdn. 15). Der Unterschied zwischen Hang und Gefährlichkeitsbeurteilung liegt darin begründet, dass ersterer eine Tätereigenschaft, eine individuelle Disposition zur Begehung von Straftaten, beschreibt und damit einen Befund beinhaltet, letztere hingegen eine Prognose327 die sich nicht allein aus dem Befund speist, sondern auch sonstige Faktoren berücksichtigen muss, die das Gewicht des Befundes relativieren und Einfluss auf die weitere Entwicklung des Täters nehmen können. 139
Diejenigen, die dem Merkmal des Hanges bei § 66 keine eigenständige Bedeutung beimessen und es für weitgehend inhaltsleer halten, 328 überbetonen die Abhängigkeit der Gefährlichkeitsprognose von Vorstrafen und Vortaten und vernachlässigen dabei den Einfluss der übrigen Prognosefaktoren. Deshalb wird u.a in der neueren forensischpsychiatrischen Wissenschaft, die sich einer kriteriengeleiteten Diagnostik bedient, zu Recht darauf hingewiesen, dass eine allein an den Rückfällen orientierte Kriminalprognose unzureichend ist. 329 Zur Einschätzung des Risikos zukünftiger erheblicher Straftaten spielen vielmehr auch andere Faktoren, wie etwa die Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung des Täters, sein soziales Umfeld u. ä. sowie die persönlichen und situativen Bedingungen seiner Delinquenz und deren zeitliche Stabilität oder Veränderbarkeit eine wesentliche Rolle. 3 3 0
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Deshalb fordert die Rechtsprechung - angesichts des klaren Gesetzeswortlauts - für § 66 völlig zu Recht die gesonderte Prüfung von Hang und Gefährlichkeit.331 Beides sollte also vom Tatgericht geprüft und im Urteil dargestellt werden, mag auch die Bejahung der beiden Tatbestandsmerkmale ggf. mit den gleichen Argumenten erfolgen. Auch hier soll so verfahren werden, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Einordnungsfrage sachliche Bedeutung nicht besitzt, solange man sich der verschiedenen Sachkriterien, um die es geht, bewusst bleibt. Hält man mit Ullenbruch die Gefährlichkeitsprognose für weitergehend, so geht der Hang in ihr auf und seine eigenständige Prüfung stellt allenfalls eine zusätzliche Sicherheit dar. 332 Im Übrigen zeigen die Einordnungsprobleme nur die Verschlungenheit der einzelnen Gesetzesmerkmale und die Bedeutung der „Gesamtwürdigung".
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Auch für § 66b, wo ebenfalls darum gestritten wird, ob es eines Hangerfordernisses bedarf, löst die Bejahung eines solchen kaum mehr als etwa repetitive Schreibarbeit für das Gericht aus. Größere Bedeutung hat die Problematik für § 66a, wo streitig ist, ob es einer Hangprüfung und -feststellung bedarf oder nicht (vgl. § 66a Rdn. 30 ff).
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De lege ferenda wäre zu überlegen, ob man auf die Hangvoraussetzung verzichtet (wie es der Gesetzgeber bereits bei §§ 66a und 66b den Gesetzgebungsmaterialien nach vorhatte - ob § 66a Abs. 1 bzw. § 66b eine Hangfeststellung voraussetzen ist str. - vgl. dazu § 66a Rdn. 30 ff und § 66b Rdn. 145 ff). Einer besonderen Ursache der Gefährlich-
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i pßster Jahresheft für forensische Psychiatrie. Kriminalprognose - psychiatrische und juristische Sicht 2 0 0 4 147, 153.
Vg
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Kinzig N S t Z 1 9 9 8 14, 16 und Sicherungsverwahrung S. 3 7 7 ; Milde Entwicklung der N o r m e n S. 141 m.w.N.
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Speziell zu den Anforderungen an die Prognosebegutachtung bei § 6 6 d Abs. 3 und § 4 6 3 Abs. 3 Satz 4 StPO: Boetticher et al. N S t Z 2 0 0 6 5 3 7 , 5 3 8 f.
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Boetticher et al. a a O S. 5 4 3 f; Dahle S. 1, 5, 5 4 ff; Kröber Kriminalprognostische Begutachtung S. 69, 1 5 9 ff; Nedopil Forensische Psychiatrie, 2. Aufl. S. 2 8 , 2 4 1 f; Habermeyer Die Maßregel der Sicherungsverwahrung (Habil.) S. 2 4 ff, 118 ff.
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Vgl. Renzikowski N S t Z 2 0 0 6 2 8 0 , 2 8 1 . A A Kinzig N S t Z 1 9 9 8 1 0 4 (keine einschränkende Funktion).
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keit, wie sie bei §§ 63 und 64 StGB Eingrenzungs- und Zuweisungsfunktion (hinsichtlich der Art der Behandlung) erforderlich ist, bedarf es möglicherweise bei § 66 nicht. 333 Das was bei der Sicherungsverwahrung den Kreis der möglicherweise betroffenen gefährlichen Täter verkleinert, sind letztendlich die formellen Voraussetzungen sowie die Art der Gefährlichkeit (insbesondere für bestimmte Rechtsgüter); 334 eine besondere Art der Behandlung, vergleichbar denen der §§ 63 und 64 gibt es nicht. 4. Hang zu erheblichen Straftaten a) Allgemeines. § 66 Abs. 1 Nr. 3 verlangt, dass der Täter „infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich" ist. Im Gesetz werden „namentlich" solche Straftaten genannt, „durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird." Die Voraussetzung der Erheblichkeit ist eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BTDrucks. V/4094 S. 20).
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Die Art und der Grund der künftigen Gefährlichkeit, auf die es nach dem Gesetz ankommt, lassen sich nur durch eine Prognose feststellen, die weitgehend am Bild der bisherigen Taten orientiert ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Maßregelanordnung zu verneinen ist, wenn es bei der bisherigen Delinquenz nicht zu eingetretenen Schäden gekommen ist (etwa weil die Tat im Versuchsstadium stecken blieb). Die Prognose kann vielmehr nur derart geschehen, dass untersucht wird, welche Schädigungen zu erwarten sind, wenn die Straftaten, zu denen der Täter einen Hang hat, zum Erfolg führen würden (vgl. BGH NStZ 1986 164), bzw. welche Schädigungen auch ein Versuch nach sich ziehen kann.
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Der Begriff der Erheblichkeit wird häufig durch andere, ebenso wenig aus sich heraus klare Begrifflichkeiten definiert. So heißt es: Der Begriff der Erheblichkeit kennzeichne im Zusammenhang des § 66 Straftaten, die durch einen wesentlich erhöhten Grad von Schädlichkeit charakterisiert sind.335 Die Rechtsprechung nimmt eine Abgrenzung nach Kriminalitätsbereichen vor. Dabei sollen zu erwartenden Straftaten, die Verbrechen darstellen, regelmäßig,336 hingegen solche, die dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind, nur dann als Grundlage für eine Maßregel dienen können, wenn sie einen hohen Schweregrad aufweisen und den Rechtsfrieden empfindlich oder in besonders schwerwiegender Weise stören. 337 Wann dies der Fall ist, lässt sich meist nicht allgemein sagen, sondern hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. 3 3 8 Der Gesetzgeber hat insoweit darauf abgestellt, ob die Bevölkerung in besonderem Maße in Unruhe versetzt wird (BTDrucks. V/4094 S. 20), aber auch das ist ein interpretationsbedürftiger Begriff.
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Was mittlere Kriminalität ist, ist eine Wertungsfrage. Die Gesetzgebungsmaterialien verwenden den Begriff „Straftaten mittlerer Schwere", allerdings in dem Sinne, dass sie
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334 335 336 337
Vgl. Kaiser und Schöch in Kilching ZStW 1997 165, 167, 172; Schüler-Springorum MschrKrim. 1989 147, 153. Vgl. Frommel N J W 1971 1083, 1084. Weihrauch N J W 1970 1897. BGH N J W 1976 3 0 0 . BGHSt 2 4 1 5 3 , 1 5 4 f; NStZ-RR 2 0 0 3 73, 74; NStZ 1984 3 0 9 ; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3.
338
BGHSt 2 4 153, 154 f; 2 4 1 6 0 , 1 6 2 ; NStZRR 2 0 0 3 73, 74; 2 0 0 3 108, 109; NStZ 1 9 9 0 4 9 6 ; NStZ 1988 4 9 6 ; wistra 1988 2 2 , 2 3 ; NStZ 1984 3 0 9 ; 1983 71; StV 1983 5 0 3 ; J R 1980 338 mit Anm. Hanack; Ollenbruch MK Rdn. 112.
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfo'gen der Tat
für eine Maßregelanordnung gerade nicht ausreichen sollen (BTDrucks. V/4094 S. 19). Ob man zudem noch zwischen „Straftaten mittlerer Schwere" und „mittlerer Kriminalität" abgrenzen soll bzw. kann 3 3 9 ist zweifelhaft. Sonderlich ergiebig sind solche Differenzierungen des mittleren Kriminalitätsbereichs in der Sache nicht. 3 4 0 147
Abzugrenzen von den erheblichen Straftaten sind jedenfalls solche, die lediglich dem Bereich der unteren bzw. bagatellhaften Kriminalität zuzurechnen sind, denn durch diese wird die Allgemeinheit auch bei häufiger Begehung durch einen Täter nicht im Sinne von Abs. 1 Nr. 1 „schwer geschädigt". 341 Das entspricht dem Zweck der Gesetzesfassung, nämlich kleinkriminelle Wiederholungstäter von der Maßregel zu verschonen und steht in Übereinstimmung mit der Entstehungsgeschichte und der Absicht des Gesetzgebers (BTDrucks. V/4094 S. 18 f; BGHSt 24 153) steht. 3 4 2 Umgekehrt ist ein „besonders schwerer" Schaden (das zeigt schon der Wortlaut) nicht erforderlich. 343
148
b) Kriterien für die Erheblichkeit: Es gilt also, Kriterien zu finden, die den Begriff der Erheblichkeit, bzw. die ihn umschreibende Definition der empfindlichen Störung des Rechtsfriedens näher ausfüllen. Hierzu müssen Kriterien gefunden werden, die das Maß des Unrechts umschreiben; das Maß der Schuld spielt hingegen insoweit keine entscheidende Rolle (BGHSt 24 153,155).
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aa) Die in § 66 Abs. 1 Nr. 3 aufgezählten Schädigungen sowie die in den formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung erkennbar werdenden gesetzgeberischen Wertung sind die Hauptkriterien zur Ausfüllung des Begriffs der Erheblichkeit. Das Wort „namentlich" zeigt, dass es sich um Beispiele handelt. Die Formulierung hat vornehmlich den Sinn, Straftaten von geringerem Schweregrad auszuscheiden, soll aber selbst keine abschließende Aufzählung enthalten. 344 Vielmehr ist es im Sinne von „,beispielsweise' oder vielleicht noch besser ,vor allem' " zu verstehen (BGHSt 24 153, 154 f). Der Gesetzgeber wollte nur seine „Grundentscheidung" durch die Beispiele verdeutlichen und im Übrigen darauf hinweisen, dass es - in Ausnahmefällen - ebenso schwere Taten geben kann, die nicht die körperliche, seelische oder wirtschaftliche Integrität schwer schädigen, aber trotzdem „erheblich" im Sinne der Vorschrift sind (BTDrucks. V/4094 S. 20; Horstkotte J Z 1970 152, 155). Gedacht wurde zum Beispiel - und in recht unklarer Weise - an sexuelle Handlungen mit Kindern, weil hier schwere körperliche oder seelische Schäden nicht immer nachweisbar seien, 345 aber auch an Straßenräuber, die die Bevölkerung in besonderem Maße in Unruhe versetzen, jedoch nicht notwendig schwere Schädigungen oder große Schäden verursachen. Viele zu erwartende Straftaten werden
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So OLG Hamm M D R 1971 155 („obere Grenze der mittleren Kriminalität" als Schwelle der Erheblichkeit); ähnlich: BGH NStZ-RR 2 0 0 3 73, 74; Sch/Schröder/Stree Rdn. 39. Vgl. auch BGH StV 1983 5 0 3 (für drohende Vermögensdelikte): „läßt sich nicht mit allgemeingültigen Formeln beantworten"; vgl. auch: Frisch ZStW 102 (1990) 371, 383 f; krit. (zur Frage, ob mittlere Kriminalität überhaupt ausreicht): Schreiber/ Rosenau S. 53, 98. BGHSt 2 4 153, 154; NStZ 1987 165; 1986 165; Ullenbruch MK Rdn. 113.
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BGH bei Dallinger M D R 1970 5 6 0 und 7 3 0 ; OLG Köln N J W 1971 154; OLG Nürnberg NJW 1971 1573. BGH NStZ-RR 2 0 0 2 38. BGHSt 24 153, 154 f; NStZ 1986 165; J R 1980 338 mit Anm. Hanack; Fischer Rdn. 30; Ullenbruch MK Rdn. 112; ähnlich: Sch/Schröder/Stree Rdn. 41 f. Das dürfte überholt sein, vgl. BGHR § 66 Abs. 1 StGB Erheblichkeit Nr. 5 BGH Urt. v. 1 4 . 8 . 2 0 0 7 - 1 StR 201/07.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
sich eindeutig den Regelbeispielen für schwere Schädigungen zuordnen lassen. Aber auch dort, wo dies nicht möglich ist, hindert das nicht zwingend die Annahme der Erheblichkeit. So mag erst aus dem Zusammentreffen eines für sich genommen nicht schweren wirtschaftlichen Schadens mit für sich genommen nicht schweren körperlichen oder seelischen Schädigungen insgesamt die Erheblichkeit begründbar sein. 346 Aus der Formulierung „namentlich" lässt sich weiter ableiten, dass die SicherungsVerwahrung (jedenfalls nach Absatz 1 und Absatz 2) nicht auf die Schädigung bestimmter Rechtsgüter beschränkt ist. Im Übrigen verdeutlicht die Gesetzesformulierung, dass die Erheblichkeit des Schadens nicht der einzige Indikator zur Bestimmung der „erheblichen Straftaten" ist (treffend BGH NStZ 1986 165: „so kann ein Mordversuch ohne jeden Schaden bleiben oder ein mit großer Energie durchgeführter Raubüberfall letztlich nur geringe Beute bringen").
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Straftatbestände, die ihrer Art nach keine schweren Schädigungen oder Schäden i.S. der ausdrücklichen Umschreibung des § 66 Abs. 1 Nr. 3 besorgen lassen, aber dennoch die Sicherungsverwahrung rechtfertigen können, sind selten. Straftaten nach § 248b kommen allenfalls im Zusammenhang mit anderen Delikten in Betracht, 347 nicht aber für sich allein, weil der Schutzbereich des § 248b für sich noch nicht die Höhenmarke der „erheblichen" Straftat erreicht. Weiter ist zweifelhaft, ob aus der Formulierung in den Materialien, dass auch Taten, die die „Bevölkerung in besonderem Maße in Unruhe versetzen" generell solchen, der beispielhaft aufgeführten Art vergleichbar sind.
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Nicht unbedenklich erscheint es auch, hinsichtlich des friedensstörenden Charakters zu sehr darauf abzustellen, ob die Taten „der Bevölkerung das Gefühl der Rechtssicherheit zu nehmen geeignet sind" (so aber Lang-Hinrichsen LK 9 § 42e Rdn. 66 unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung); denn dieses „Gefühl" ist ein sehr vager Faktor zur Bestimmung objektiv drohenden Unrechts und zur Entscheidung, ob die „letzte Notmaßnahme der Kriminalpolitik" erforderlich ist. Bedenklich ist aus denselben Gründen auch das Abstellen auf eine „besonders gemeine Begehungsweise", die BGHSt 24 153, 155 in einem obiter dictum erwähnt (ebenso schon Hanack LK 11 Rdn. 142).
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Das Abstellen auf das Gefühl der Bevölkerung scheint auch nicht in jedem Falle ein brauchbares Kriterium zu sein. So dürfte es durchaus Delikte geben, durch die ein schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, die aber in den Augen der Bevölkerung eher als „Kavaliersdelikt" gelten (z.B. Versicherungsbetrug, Steuerhinterziehung etc.). Auch wird es Delikte geben, die - jedenfalls sofern nicht massenhaft begangen - zwar den öffentlichen Frieden verletzten, aber kaum zu einem den Beispielen in Abs. 1 Nr. 3 vergleichbaren Schaden und auch nicht zu einer Beeinträchtigung des Rechtssicherheitsgefühl des Bevölkerung führen (vgl. z.B. § 140 Nr. 2 StGB).
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bb) Neben den Beispielen in § 66 Abs. 1 Nr. 3 gibt vor allem die formelle VorausSetzung einer Vorverurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr einen Anhaltspunkt für die Erheblichkeit, wobei man allerdings nicht zwingend bei jeder Strafe von mehr als einem Jahr generell eine Straftat von erheblichem Gewicht angenommen werden kann. 3 4 8 Ob nämlich im Einzelfall eine Strafe von mehr als einem Jahr ausgeurteilt werden wird, hängt nicht zuletzt auch von Umständen in der Persönlichkeit des
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Vgl. z.B. den Fall aus BGH NStZ-RR 2 0 0 2 38. AA: BGHSt 21 330, 331. BGH NStZ-RR 2 0 0 3 73, 74; Fischer
Rdn. 30; noch weitergehend: Ullenbruch MK Rdn. 116 („zwingende Voraussetzung" aus Bestimmtheitsgründen).
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§66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Täters (Vorleben, Vorstrafen) ab, die nichts mit der Erheblichkeit der Taten zu tun haben. 3 4 9 Für die Höhe der Freiheitsstrafe kommt es nach geltendem Recht nicht nur auf die Erheblichkeit des Schadens, sondern auf zahlreiche andere Momente (§ 46), insbesondere das M a ß der Schuld an, während es für die Erheblichkeit auf das M a ß des Unrechts ankommt (dazu auch BGHSt 2 4 153, 155). Darum lässt sich in der Tat nicht generell annehmen, dass bei Erwartung solcher Verurteilungen notwendigerweise Taten von erheblichem Gewicht vorlägen. Doch bietet die Einjahresgrenze jedenfalls umgekehrt eine gewisse Markierung: Drohende Taten, die für sich ihrem objektiven Unrechtsgehalt nach diese Grenze nicht erreichen, scheiden für die Sicherungsverwahrung regelmäßig aus. Anders als von Ullenbruch gefordert, 3 5 0 wird man allerdings die Einjahresgrenze nicht aus Bestimmtheitsgründen als zwingende Voraussetzung der Erheblichkeit ansehen können. Beim Hang zu erheblichen Straftaten geht es um eine Prognose, also etwas Zukunftsgerichtetes. Zwar kann man insoweit die Höhe der bisherigen Vorstrafen als Indiz betrachten, entscheidend ist aber, ob weiterhin Taten, die derartig bestraft werden, zu erwarten sind, so dass das entscheidende Gericht es selbst in der Hand hat, für die zu erwartenden Straftaten eine höhere oder niedrigere Strafe als ein Jahr anzusetzen. Da Strafzumessung nicht mathematisch genau ist, dürfte die Forderung Ollenbruchs allenfalls geeignet sein, zu einer Pseudobestimmtheit zu führen. Die Einjahresgrenze kann daher nur eine Kontrollüberlegung im Sinne einer ungefähren Größenordnung, nicht aber eine exakte Grenzlinie sein. 155
cc) Insbesondere wenn es um die Anordnung der Maßregel nach § 6 6 Abs. 3 geht, bietet der Katalog der dort genannten Straftaten einen wichtigen Anhaltspunkt für die Erheblichkeit. 3 5 1
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dd) Hingegen erscheint es zweifelhaft, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus § 6 2 (als dessen Ausprägung auch die Voraussetzung der Erheblichkeit angesehen werden kann, vgl. oben Rdn. 143) bei der Bestimmung dieses Begriffs weiterhilft, 3 5 2 da dort genauso wie hier, zunächst selbst die Gewichtung von Taten vorgenommen werden muss, diese sich aber nicht aus der Norm selbst unmittelbar ergibt.
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c) Bestimmung der Erheblichkeit im Einzelfall. Zur Bestimmung der Erheblichkeit sollte man zunächst einmal von der Strafandrohung für das jeweilige zu erwartende Delikt ausgehen. 3 5 3 Bei Verbrechen, insbesondere auch noch solchen, die eine höhere Mindeststrafe als ein Jahr Freiheitsstrafe vorsehen, ist die Erheblichkeit regelmäßig indiziert. 3 5 4 Denn hierbei handelt es in aller Regel um Straftaten, durch die schwerer wirtschaftlicher, körperlicher oder seelischer Schaden angerichtet wird oder die aber in ihren Auswirkungen derartigen Schädigungen vergleichbar sind. In ihrer Rechtsfolge liegen sie auch über den Mindestgrenzen des S 6 6 Abs. 1 Nr. 1. Aber auch hier wird man zu beachten haben, dass es Fälle gibt, in denen dies nicht von selbst versteht. 355 Der Gesetzgeber selbst hat zur Konkretisierung des Erheblichkeitsbegriffs „Regelbeispiele" formuliert. Er hat hingegen nicht zwischen Verbrechen und Vergehen differenziert. Auch die aufgrund eines Verbrechens zu erwartenden Schädigung muss deshalb im Grad der
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Greiser NJW 1971 789, 790. Ullenbruch MK Rdn. 116. BGH NStZ-RR 2001 13. So aber: Ullenbruch MK Rdn. 112. Vgl. BGH NJW 1976 300.
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BGH GA 1980 422, 423; NJW 1976 300; Sch/Schröder/Stree Rdn. 39; vgl. auch BGHSt 24 153,154; BGH JR 1980 338 mit Anm. Hanack. Frommel NJW 1981 1084.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Auswirkungen den Regelbeispielen vergleichbar sein. Das dürfte z.B. bei leichten Handtaschenräubereien, in denen die Gewaltanwendung allein im Wegreißen der Tasche liegt und das bisherige Verhalten des Täters zeigt, dass er bei Widerstand nicht zu einer darüber hinausgehenden Gewaltanwendung neigt, nicht der Fall sein. 3 5 6 Auch wenn lediglich ein minderschwerer Fall vorliegt, ist die Erheblichkeit wohl eher nicht zu vermuten, sondern konkret festzustellen. 357 Anders mag dies ggf. sein, wenn eine hohe Tathäufigkeit zu erwarten ist (vgl. dazu unten Rdn. 160 ff). Außerhalb des Bereichs der Verbrechen ist eine solche „RegelVermutung" für die Erheblichkeit nicht gegeben.
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Entscheidend für die Erheblichkeit ist nach der Rechtsprechung das „Maß des Unrechts" und die Frage, ob die Taten „den Rechtsfrieden empfindlich" (so BGH NStZ 1984 309) oder „wirklich empfindlich stören" sollen. 358 Das ist bei Eigentums- und Vermögensdelikten nicht nur eine Frage der Schadenshöhe, sondern richtet sich „in erster Linie nach Art und Umfang des Eingriffs" (so BGH NStZ-RR 2 0 0 2 38; NStZ 1988 4 9 6 ; 1984 309), wobei in gewissem Umfang auch eine Rolle spielen kann, ob die Taten planmäßig auf Wiederholung angelegt sind, eine große Häufigkeit zu erwarten ist bzw. in besonders rascher Folge drohen. 359 Bei reinen Vermögensdelikten ist auch der Umstand zu berücksichtigen, ob nicht auch körperliche Konfrontationen in Kauf genommen werden 3 6 0 (also es doch zu einem Mehr als der bloßen Vermögensschädigung kommt). Dabei kann im Einzelfall u.U. auch berücksichtigt werden, dass zu erwartende weitere Taten (Betrügereien) zwar als solche erheblich, aber doch so dilettantisch angelegt sind, dass sie sich leicht durchschauen lassen. 361 Indes kommt es, da es sich um eine zukunftsgerichtete Prognose handelt, nicht darauf an, wie erfolgreich bisherige Taten waren, sondern nur darauf, wie erfolgreich derartige Taten in der Zukunft sein könnten. 3 6 2 Bei Vergehen ist eine wichtige Kontrollüberlegung, ob zu erwartenden Taten jeweils eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr nach sich ziehen würden (vgl. oben Rdn. 154). Auch wird man den Deliktstyp nicht unberücksichtigt lassen können. So erscheinen Delikte mit einer Strafobergrenze von einem Jahr oder weniger für sich genommen kaum geeignet, die Erheblichkeit zu begründen. Die mäßige Strafandrohung zeigt, dass im Falle eines Verstoßes nicht stets schon von der Gefahr für wesentliche Rechtsgüter ausgegangen werden kann. 3 6 3 In Betracht kommen jedoch - entsprechenden Hang vorausgesetzt - Delikte von allgemeiner und abstrakter Gefährlichkeit, so Geldfälschung (§§ 146 ff) und Bildung krimineller und terroristischer Vereinigungen nach §§ 129, 129a. Ob auch Delikte wie z.B. Volksverhetzung (§ 130) als Grundlage der Maßregelanordnung dienen können erscheint eher zweifelhaft. Jedenfalls ist nicht automatisch mit der Tatbestandserfüllung, die nur die Geeignetheit zur Störung des öffentlichen Friedens verlangt, auch eine empfindliche Störung des Rechtsfriedens zu gewärtigen. Auch zu erwartende Betäubungsmittelkriminalität kann erheblich sein, selbst wenn
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Insoweit ist der Fall, der BGHR § 66 Abs. 1 Erheblichkeit Nr. 3, wo die Erheblichkeit beim Handtaschenraub bejaht wurde, doch schwerwiegender (Opfer wurde verletzt und erlitt Schmerzen). Vgl. (zu § 63): BGH NStZ-RR 2 0 0 5 72, 73. Ebenso z.B. BGHSt 2 4 160; BGH bei Holtz MDR 1991 1020; wistra 1988 22, 23; NStZ 1988 4 9 6 ; 1984 3 0 9 ; J Z 1980 532. BGHSt 2 4 1 5 3 , 1 5 4 ; NStZ-RR 2 0 0 3 73, 74;
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wistra 1998 2 6 2 , 2 6 3 ; NStZ 1988 4 9 6 m.w.N. BGH NStZ-RR 2 0 0 2 38. BGH bei Detter NStZ 1990 221, 2 2 5 . BGH NStZ-RR 2 0 0 2 38; NStZ 1986 165; krit.: Ullenbruch MK Rdn. 128. Fahren ohne Fahrerlaubnis scheidet nach BGHSt 19 98, 100 f aus (gegen BGHSt 17 213, 214 f).
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
„lediglich" eine portionsweise Abgabe an erwachsene, schon abhängige Täter zu gewärtigen ist. Das versteht sich, da die entsprechenden Strafvorschriften nicht nur die Volksgesundheit, sondern auch Gesundheit und Leben des Einzelnen schützen, regelmäßig von selbst. 364 Jedenfalls vermögen Gesichtspunkte der Selbstgefährdung der süchtigen Abnehmer die Erheblichkeit solcher Taten nicht zu hindern, 365 denn gerade bei schon abhängigen Opfern steht der Suchtdruck vor Überlegungen zur Selbstgefährdung (wenn solche überhaupt noch angestellt werden) ausgenutzt und erhöhen gerade noch die Gefahr von Schäden für Gesundheit und Leben. 160
d) Additive oder singulare Erheblichkeit. Umstritten ist, ob der Begriff der „erheblichen Straftat" die Zusammenrechnung mehrerer Einzeltaten zulässt oder ob es auf den Schweregrad jeder einzelnen künftigen Tat ankommt. Das Gesetz selbst erlaubt mehrere Deutungen. Diskutiert wird dies regelmäßig im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Schäden, nicht jedoch mit solchen an höchstpersönlichen Rechtsgütern. 366 Aber auch bei höchstpersönlichen Rechtsgütern stellt sich - wenn der gleiche Rechtsgutsträger betroffen ist - die Frage, ob nicht beispielsweise die wiederholte Begehung einfacher Körperverletzungen, von denen jede für sich eher geringe körperliche Schäden nach sich zieht (z.B. sich ständig wiederholende Misshandlungen von Familienangehörigen), in der Summe zu schweren körperlichen oder seelischen Schäden führt (vgl. z.B. § 225 Abs. 1). Die vorhandenen Ansichten lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen.
161
Eine erste - überwiegend im Schrifttum vertretene Ansicht - gestattet als Anknüpfungspunkt nur die einzelne Tat selbst. 367 Nur wenn die Einzeltat jeweils so schwerwiegend ist, dass die zukünftige Begehung gleicher oder ähnlicher Taten für sich „erheblich" sei, solle den neuen Taten durch die Sicherungsverwahrung vorgebeugt werden. Begründet wird dies namentlich damit, dass sonst der Schweregrad der einzelnen Tat notwendigerweise vernachlässigt und die Sicherungsverwahrung auch weiterhin auf Kleinkriminelle angewendet würde. Der Ultima-ratio-Charakter der Sicherungsverwahrung würde anders nicht gewahrt. Hätte das Gesetz nicht auf die Einzeltat abstellen wollen, hätte es auf ganz andere Momente abheben müssen, nämlich vor allem auf Zahl und Häufigkeit der Delikte. Ferner wird mit der Parallelität zu den formellen Voraussetzungen sowie einer aus dem Bestimmtheitsgrundsatz abgeleiteten Einjahresgrenze argumentiert (vgl. oben Rdn. 154).
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Demgegenüber will Horstkotte (JZ 1970 152, 155; vgl. auch Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V, S. 23 01) 3 6 8 zwar eine Gesamtbetrachtung der Einzelstraftaten zulassen, jedoch nur bei Aktionen, die auf Grund einer einheitlichen Planung eine Vielzahl von Personen um kleinere Werte schädigen (z.B. betrügerische Werbe- und Abzahlungskampagnen), während zahlreiche planlos begangene kleinere Schädigungen, die unterhalb des vorausgesetzten Schweregrades liegen, auch durch ihre Summierung einen schweren Schaden i.S. des § 66 nicht ausmachen könnten. - Auch der BGH hat wiederholt auf das Merkmal der „planmäßigen Wiederholung" abgehoben, 369
364 365 366
367
BGH NJW 2 0 0 0 3015. AA: Neubacher NStZ 2 0 0 1 322. Vgl. BGH NStZ 1988 4 9 6 ; OLG Frankfurt NJW 1971 903, 905; Weihrauch NJW 1970 1897, 1899; Sch/Schröder/Stree Rdn. 40. OLG Frankfurt NJW 1971 903, 905; Böllinger/Pollähne NK Rdn. 102 ff; Horn SK Rdn. 16; Ullenbruch MK Rdn. 119;
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Blei JA 1971 4 4 4 ; Neu MDR 1972 915; Schreiber/Rosenau S. 53, 98 f; Weihrauch NJW 1970 1897, 1898. Ähnlich: Lackner/Kühl Rdn. 14; Koffka JR 1971 427, 428. So BGH NStZ 1984 309; BGH J Z 1980 532 m. Anm. A. Mayer; vgl. auch BGHSt 2 4 153, 157.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
versteht dieses Kriterium, das er mit der Frage des Gesamtvorsatzes bzw. der fortgesetzten Handlung nicht verwechselt wissen will, aber erkennbar nur als einen von mehreren Gesichtspunkten zur Bestimmung der Erheblichkeit insbesondere in Grenzfällen der mittleren Kriminalität. Die Rechtsprechung und ein großer Teil der Literatur sehen demgegenüber vom Erfordernis der einheitlichen Planung ab, berücksichtigen aber auch nicht nur den Schweregrad jeder zu erwartenden Einzeltat, sondern halten eine zusammenfassende Gesamtschau der drohenden Einzeltaten jedenfalls im Prinzip für möglich. 3 7 0 Einigkeit besteht aber, dass auch eine Vielzahl von Bagatelldelikten nicht geeignet ist, die Erheblichkeit zu begründen, sondern dass es sich um Taten aus dem Bereich der „mitttleren Kriminalität" handeln muss. 371
163
Begründet wird dies damit, dass das Gesetz nicht darauf abhebe, ob „durch die einzelnen Taten das einzelne Opfer wirtschaftlich schwer geschädigt wird; es genügt, dass von den Taten insgesamt ein schwerer wirtschaftlicher Schaden zu erwarten ist und dass daraus sich die Gefährlichkeit des Täters ergibt". Dies sei „eindeutig" auch die Auffassung des Sonderausschusses gewesen, da er die Anordnung der Sicherungsverwahrung für möglich gehalten habe, „wenn die Gesamthöhe des bei einer planmäßigen Betrugskampagne angerichteten Schadens sehr groß, die individuelle Einbuße der einzelnen Geschädigten aber verhältnismäßig gering ist" (so in der Tat BTDrucks. V/4098 S. 20; vgl. auch Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2301). Vereinzelt wird allerdings auch hier für § 66 Abs. 3 eine Ausnahme dahingehend gemacht, dass es hier auf den Schaden durch die zu erwartenden Einzeltaten ankommt, weil auch die formellen Voraussetzungen dieses Absatzes auf wenige, für sich schwere Straftaten abstellen. 372 Zutreffend erscheint die dritte Auffassung, welche eine Gesamtbetrachtung der drohenden Taten auch dann zulässt, wenn eine einheitliche Planung nicht vorliegt. Diese Auffassung hat hinsichtlich des wirtschaftlichen Schadens bereits den Wortlaut der Vorschrift für sich. Der stellt für den wirtschaftlichen Schaden nicht auf (einzelne) Opfer ab (es heißt nicht: „durch welche die Opfer seelisch, körperlich oder wirtschaftlich schwer geschädigt werden") sondern anders als körperlichen oder seelischen Schäden abstrakt auf einen Schaden (so schon Hanack in der Vorauflage). Auch die historische Auslegung spricht hinsichtlich des wirtschaftlichen Schadens für sie, denn der Gesetzgeber hat in den Materialien die „Serientäter" und die „breite Streuung" im Blick gehabt (vgl. oben). Lediglich illustrierend hat er geplante Straftatenkampagnen bezeichnet, woraus man aber nicht schließen kann, dass dies zwingende Voraussetzung für die Erheblichkeit bei einer Gesamtbetrachtung sein sollte. Seiner Zielsetzung, dass „kleine" Diebstähle, Unterschlagungen und Betrügereien bei der Sicherungsverwahrung keine Rolle mehr spielen sollen (BTDrucks. V/4098 S. 18, 21), wird dadurch nicht tangiert, da solche ohnehin ausscheiden (vgl. oben). Es erscheint daher richtig, zwar zunächst auf das - unverzichtbare Gewicht der Einzeltaten, also darauf abzustellen, ob sie für sich in den Bereich der „mittleren Kriminalität" mit „hohem Schweregrad" gehören, dann aber auch die Frage des drohenden Gesamtschadens zu berücksichtigen.
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BGHSt 2 4 153, 156; BGHSt 2 4 345, 3 4 7 ; BGH NStZ-RR 2 0 0 3 73, 74; 2 0 0 2 38; NJW 2 0 0 0 3015; NStZ 1984 309; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 40; Fischer Rdn. 32; Greiser NJW 1971 789, 790; Lang-Hinricbsen FS Maurach S. 311, 315.
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BGH bei Dallinger M D R 1 9 7 0 730; OLG Celle NJW 1970 1199, 1200; OLG Hamm MDR 1971, 155; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4 0 m.w.N. V. Harbou Das neue Recht der Sicherungsverwahrung S. 93.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Für andere als wirtschaftliche Schäden, also solche körperlicher oder seelischer Art gilt das nicht in gleicher Weise. Die Addition leichter Schäden höchstpersönlicher Rechtsgüter unterschiedlicher Rechtsgutsträger ist nicht möglich und führt nicht in der Summe zu einem erheblichen Schaden. Anderes gilt für die Häufung von Taten gegenüber ein und demselben Opfer. Es gibt insoweit keinen Grund, hier von der für die wirtschaftlichen Schäden gefundenen Auslegung abzuweichen. Diese müssen dann, wenn schon rein wirtschaftliche Schäden, deren Bedeutung der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Sicherungsverwahrung durch das 11. StrRG zurückdrängen wollte, in der Gesamtschau zur Erheblichkeit führen können, erst recht die Erheblichkeit begründen können. Es kann dann allenfalls die Frage sein, ob der Täter in den genannten Fällen für die Allgemeinheit gefährlich ist.
166
e) Schwerer wirtschaftlicher Schaden. Der Begriff des schweren wirtschaftlichen Schadens wirft, wie schon die vorausgegangenen Ausführungen zeigen, gewisse Schwierigkeiten auf.
167
aa) Allgemeines. Im wesentlichen sind drei Problemfelder zu erörtern: Zum einen ist zu bestimmen, welche Schadenshöhe (betragsmäßig) zu fordern ist (und wie ein Schwellenwert festgestellt werden kann) und ob auch andere - immaterielle - Faktoren zu berücksichtigen sind. Fraglich ist im Übrigen - und im Zusammenhang damit - , ob die Schwere des Schadens mehr individuell nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der vermutlichen Opfer zu bestimmen ist oder ob es, unabhängig davon, allein auf eine objektiv zu bestimmende Schadenshöhe ankommt.
168
Die Formulierung des § 66 Abs. 1 Nr. 3 mag den Eindruck begünstigen, dass die „Erheblichkeit" bei Delikten mit wirtschaftlichem Schaden nur nach der drohenden Schadenshöhe zu betrachten ist. Tatsächlich geht es jedoch auch um die Erheblichkeit der drohenden Taten nach ihrem sonstigen (objektiven) Unrechtsgehalt, wie z.B. schon die Überlegung zeigt, dass es für die „Erheblichkeit" von Diebstählen natürlich einen Unterschied macht oder machen kann, ob es sich um einfache Diebstähle handeln wird oder um solche nach den §§ 243, 244. So hat der BGH durchaus Recht, wenn er in starkem Maße auf den Einzelfall abstellt (Rdn. 145). bb) Berücksichtigung der Opferempfindlichkeit:
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(1) Die Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums wollen individuelle Empfindlichkeiten oder Unempfindlichkeiten potentieller Opfer unberücksichtigt lassen. 373 Zu denken ist einerseits daran, dass der Täter eine Vorgehensweise entwickelt hat, die vorwiegend sozial schwächere Schichten trifft (z.B. Kleinkreditbetrüger oder Heimarbeitsbetrüger, die vor Übersendung der Kreditunterlagen oder der Heimarbeitsunterlagen zunächst eine „Bearbeitungsgebühr verlangen"). 374 Andererseits stehen dem Täter gegenüber, die Kriminalitätsformen entwickelt haben, die typischerweise finanzstarke Unternehmen treffen (z.B. „Leasingluftgeschäfte", Versicherungsbetrug). 375 Gegen die Berücksichtigung individueller Opferempfindlichkeiten spricht die Gesetzgebungsgeschichte:
373
BGHSt 2 4 160, 162; BGH NStZ 1984 304; BGH bei Mösl NStZ 1981 4 2 8 ; BGH bei Holz MDR 1976 986; Fischer Rdn. 32; Ullenbruch MK Rdn. 125; Lang-Hinrichsen FS Maurach S. 311, 318; vgl. auch bereits Hanack in der Vorauflage.
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Vgl. auch: Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2301. Vgl. BGH StV 1983 503.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
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Der AE wollte in § 70 Abs. 1 (wie bei den körperlichen und seelischen Schäden) auch bei den wirtschaftlichen Schäden ausdrücklich auf die Schädigung „der Opfer", d.h. auf einen individualisierenden Maßstab abstellen. Diese Formulierung ist vom 1. StrRG für den wirtschaftlichen Schaden bewusst nicht übernommen worden. Grund dafür war wohl die Meinung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, dass die Sicherungsverwahrung „auch dann gerechtfertigt sein (kann), wenn die dem Verurteilten eigentümlichen Taten sich vorzugsweise gegen Opfer richten, die aus wirtschaftlichen Gründen weniger schadensempfindlich sind als andere Betroffene" (BTDrucks. V/4098 S. 20). Gedacht war hierbei an Täter, die sich auf Bankeinbrüche oder sonst auf die Schädigung großer Unternehmen spezialisiert haben, aber auch an Delikte gegen den Fiskus. Des weiteren wollte der Sonderausschuss, wie schon erwähnt, auch Fälle etwa einer „planmäßigen Betrugskampagne" erfasst wissen, bei der „die Gesamthöhe des (...) angerichteten Schadens sehr groß, die individuelle Einbuße der einzelnen Betroffenen aber relativ gering ist" (vgl. dazu auch Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2302 f, 2306). 3 7 6 Dazu, dass man die Materialien auch anders interpretieren kann vgl. unten Rdn. 172. Gegen die Berücksichtigung einer konkreten Opfersituation spricht auch der Wortlaut. Während bei körperlichen oder seelischen Schäden auf „Opfer" abgestellt wird, ist das beim wirtschaftlichen Schaden nicht der Fall (s.o. Rdn. 167 ff). Dennoch lässt die Rechtsprechung stellenweise die Berücksichtigung individueller Opfer(un)empfindlichkeiten erkennen: So hat der BGH selbst einerseits einen erstrebten Schaden von 8.000-10.000 DM bei verschiedenen Versicherungsgesellschaften, wenn auch mit Blick auf deren Schutzmöglichkeiten, nicht für ausreichend gehalten. 377 In einem anderen Fall hat der BGH die Wertung des Landgerichts unbeanstandet gelassen, dass bei einem Betrugsgesamtschaden von 157.500 Euro, verteilt auf 35 Taten deswegen keine erheblichen Straftaten vorliegen, weil die Opfer dem Täter nur das Geld überlassen hätten, das sie entbehren konnten. 378 Andererseits hat er aber einen schweren wirtschaftlichen Schaden bei Beträgen von 4.000 DM, 6.400 DM und 9.000 DM bejaht. 379 Selbst Schäden von 1.130 und 1.060 DM sind nach dem BGH nur „in der Regel" noch keine schweren wirtschaftlichen Schäden. 380 Die Begrenzung auf eine „außergewöhnliche" Schadenshöhe lehnt BGH wistra 1988 22, 23 ausdrücklich ab. (2) Ein Teil des Schrifttums ist der Ansicht, es sei nicht möglich, absolute Schadensgroßen zu finden, so dass es bei einem konkret auf den Einzelfall abstellenden Maßstab bleiben müsse, der der konkreten Lage dieses Einzelfalles Rechnung trage. 381 Das ist in dieser Ausschließlichkeit schwer einzusehen. Denn so schwierig es ist, absolute Schadensgrößen zu fixieren (dazu im folg.), die Schwierigkeiten einer gänzlich am Individualfall orientierten Bemessung sind nicht geringer; so fällt auch auf, dass Weihrauch und Steinhilper wesentlich mit der Würdigung begangener Taten argumentieren, weniger jedoch im Hinblick auf drohende. Und bei letzteren ist es oft dem Zufall anheim gestellt, ob das
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Lang-Hinrichsen FS Maurach S. 311, 318. BGH StV 1983 503. BGH StV 2 0 0 5 129. BGHSt 2 4 160, 163; BGHSt 2 4 153, 158; BGH M D R 1976 9 8 6 ; vgl. auch BGH bei Holtz MDR 1980 2 6 6 , wo er im Anschluss daran die Wertminderung durch vorübergehende Nutzung von „überwiegend neuen
380 381
und hochwertigen Kraftfahrzeugen" reichen lässt. BGH J Z 1 9 8 0 532. Steinhilper Sexualtäter und Sicherungsverwahrung, S. 7 7 ff; Weihrauch Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher S. 86 ff und N J W 1970 1897; vgl. auch Böllinger/Pollähne NK Rdn. 9 9 f.
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jeweils vom Täter ausgewählte Opfer selbst schwer getroffen wird oder nicht. Vor allem aber erscheint es nach System und Zweck des Gesetzes in der Tat kaum angängig, die Gefahr selbst sehr hoher Schadenssummen deswegen außer Betracht zu lassen, weil der Verlust etwa für ein Großunternehmen vielleicht kein „schwerer" Schaden wäre. 172
(3) Eine weitere Ansicht will demgegenüber den drohenden Schaden zwar nicht ganz nach der konkreten Opfersituation bestimmen, sondern - in etwas verschieden akzentuierter Weise - generalisierend auch die allgemeinen Lebensverhältnisse der von den drohenden Taten mutmaßlich betroffenen Bevölkerungskreise mitberücksichtigen oder doch neben dem objektiven Maßstab als zusätzlichen Gradmesser heranziehen. 382 Diese Ansicht hat für sich, dass man den Materialien einen objektiver Maßstab nur im Hinblick auf Opferunempfindlichkeiten (Großunternehmen) entnehmen kann. Dass auch besondere Opferempfindlichkeiten unberücksichtigt bleiben sollten, geben sie nicht her. 383 Im Gegenteil: Die Ausführungen in den Protokollen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V, S. 2301 zeigen sehr wohl, dass dies bei der Gesetzesfassung Berücksichtigung gefunden hat. Es dürfte auch mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) nur schwerlich vereinbar sein, würde ein objektiver Maßstab dazu führen, dass weite, sozial schwache, Teile der Bevölkerung schutzlos gestellt werden.
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Es dürfte dementsprechend zunächst von einem objektiven Maßstab auszugehen sein. Bei diesem hat es grundsätzlich sein bewenden, wenn lediglich bestimmte Opferunempfindlichkeiten im Räume stehen. Geht es hingegen um besondere Empfindlichkeiten potentieller Opferkreise, so sind diese ggf. zu berücksichtigen. Es ergänzen sich also ein „generell-objektiver" und ein „speziell-objektiver" Maßstab.
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(4) Der Meinungsstreit ist stark dadurch bedingt, dass bei der Betrachtung viel zu sehr auf den durch die begangenen Taten entstandenen Schaden abgestellt wird, während es doch darauf ankommt, ob durch die künftigen Taten schwerer wirtschaftlicher Schaden zu erwarten ist. Bedenkt man dies, verliert das Problem viel von seiner Gewichtigkeit. Denn dann ist maßgebend, ob der Täter, wenn er ständig weiter handeln könnte, durch die Art der von ihm zu erwartenden („erheblichen") Taten einen solchen Schaden verursachen würde. Es verliert ferner an Gewicht, wenn man berücksichtigt, dass auch schwere körperliche und seelische Schäden - und diese opferbezogen - zur Erheblichkeit führen können und der Verlust eines Geldbetrages, den ein Großunternehmen leicht verschmerzt, bei einem sozial schwachen Opfer („armer Rentner") möglicherweise zu erheblichen seelischen Schäden führen kann. cc) Bestimmung eines Schwellenwertes für die Schadenshöhe
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(1) Generell-objektiver Maßstab. Seine eigentliche Schwierigkeit liegt, wie bemerkt, in der Frage, ob es möglich ist, irgendwie eine absolute Schadensgröße zu fixieren. Die Materialien geben keinen näheren Aufschluss darüber, wann ein wirtschaftlicher Schaden generell als schwer anzusehen ist. Nach den Protokollen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2301 sei die Schädigung eines Rentners um 100 D M als
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OLG Hamburg N J W 1971 1574, 1575; Lackner/Kühl Rdn. 14; Sch/Schröder/Stree Rdn. 43; Blei JA 1971 4 4 4 ; Kofka JR 1971 427, 4 2 8 ; wohl auch Maurach/ Gössel/Zipf AT § 68 Rdn. 35, S. 682.
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OLG Hamburg N J W 1971 1 5 7 4 , 1 5 7 5 ; Lang-Hinrichsen FS Maurach S. 311, 321.
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schwer anzusehen, die eines Großunternehmens um 10.000,- oder 1 0 0 . 0 0 0 , - D M möglicherweise in concreto nicht. Die Rechtsprechung stellt auf die „materielle Lebenshaltung des Durchschnittsbürgers" ab. 3 8 4 Was darunter zu verstehen ist, und wie aus diesem Maßstab Schwellenbeträge ableitbar sind, wird nicht gesagt. Sie hält jedenfalls Schadensbeträge von 9.000 D M insgesamt, bei Einzelschäden von jeweils mehreren hundert D M (1971), 3 8 5 einen Gesamtschaden von 4.000,- D M (1976) 3 8 6 , einen Gesamtschaden von 39.000 D M (2001, bei Diebstählen mit Inkaufnahme körperlicher Konfrontation), 387 Einzelschäden von 6.400,- bzw. 3 0 . 0 0 0 , - D M (1971), 3 8 8 Einzelschäden von 11.000,- und 5 . 8 0 0 , - D M bei Einbruchdiebstählen in Geschäftsräume ( 1 9 8 4 ) 3 8 9 von 450 bzw. 2 6 0 D M (bei Raubtaten mit körperlichen Übergriffen, 198 8 ) 3 9 0 für ausreichend und hat dies für Schäden von 530 bzw. 2 0 0 D M (1971) offen gelassen. 391 Zweifel hatte der BGH offenbar, ob bei einem Versicherungsbetrug Einzelschäden von 2 0 0 0 , - D M bei einem angestrebten Gesamtschaden von 8.000 bis 10.000,- D M ausreichen. 392 Ein „außergewöhnlicher" wirtschaftlicher Schaden ist aber nicht zwingend erforderlich. 393
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Geht man mit der Rechtsprechung von der materiellen Lebenshaltung des Durchschnittsbürgers aus, so dürfte der Vorschlag, als generelle Erheblichkeitsschwelle das Durchschnittseinkommen von drei Monaten zugrunde zu legen, ein brauchbarer Ansatz sein. 3 9 4 Ein solcher Maßstab würde, da sich das Durchschnittseinkommen aus den Statistischen Jahrbüchern des Statistischen Bundesamtes jeweils ersehen lässt, den jeweiligen geänderten wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragen. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass der Wegfall eines vierteljährlichen Einkommens den Durchschnittsverdiener in erhebliche finanzielle Bedrängnis stürzen wird. Lang-Hinrichsen (Maurach-Festschrift, S. 319) hat gemeint, dass trotz aller Schwierigkeiten versucht werden müsse, eine solche absolute Größe zu finden, um § 66 insoweit praktikabel zu machen und eine gewisse Einheitlichkeit der Handhabung herbeizuführen. Er hat versucht, eine derartige Größe durch den Bezug zum monatlichen Einkommen des Bürgers zu ermitteln, freilich nicht verkannt, dass sich dabei „eine gewisse Willkürlichkeit" der Festsetzung nicht vermeiden lasse, und betont, dass es sich auch nur um eine Richtlinie handeln könne. Sein Gedanke ist, dass es „in einer Zeit, in welcher die Arbeit im Mittelpunkt des sozialen Lebens steht oder stehen soll", nahe liege zu fragen, „wie lange der Durchschnittsbürger arbeiten muss, um einen bestimmten Schaden wieder abzugleichen", weil danach „im Leben allgemein die Erheblichkeit des Schadens bemessen" werde.
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Der so zu ermittelnde Grenzwert dürfte jedenfalls grundsätzlich geeignet sein, der gesetzgeberischen Intention, Klein- und Bagatellkriminalität nicht zur Anordnung der Maßregel ausreichen zu lassen, gerecht werden. Ausdrücklich ist allerdings noch einmal darauf hinzuweisen, dass bei einer Vielzahl von zu erwartenden Taten die Schwellenwert-
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BGHSt 2 4 1 6 0 , 1 6 2 ; BGH NStZ 1984 3 0 9 ; BGH bei Mösl NStZ 1981 428. BGHSt 2 4 153, 158. BGH MDR/H 1976 986. BGH NStZ-RR 2 0 0 2 38. BGHSt 2 4 1 6 0 , 1 6 2 . BGH NStZ 1984 309. BGHR S 66 StGB Erheblichkeit Nr. 2. BGHSt 2 4 160, 162. BGH StV 1983 503.
393 394
BGH wistra 1988 2 2 , 23. Horn SK Rdn. 15; Lang-Hinrichsen FS Maurach S. 311, 319; vgl. auch LG Bochum Urt. v. 9.12.2003 - 10 KLs 35 Js 220/01, wo ein „Vielfaches" des monatlichen Durchschnittseinkommens zugrundegelegt wurde; aA: Böllinger/Pollähne NK Rdn. 100, der darin einen Verstoß gegen das Übermaßverbot sieht.
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erreichung keinen schweren wirtschaftlichen Schaden begründet, wenn die Taten für sich jeweils nur bagatellhaften Charakter haben. So wird man jedenfalls eine Vielzahl von Taten, deren Schadensbetrag jeweils die Geringwertigkeitsschwelle i.S.v. § 248a StGB nicht oder nur unwesentlich überschreitet, auch bei Überschreitung des o.g. Gesamtschwellenwertes nicht zur Begründung eines erheblichen Schadens heranziehen können. 179
Etwas anderes dürfte auch für die Steuerhinterziehung gelten. Hier kann der Maßstab nicht das Dreimonatseinkommen sein. Die Schadensschwere wird hier doch betragsmäßig deutlich anders eingeschätzt, als bei anderen Eigentums- oder Vermögensdelikten. Das zeigt sich daran, dass die Grenze, bei der eine Einstellungsmöglichkeit nach § 153a StPO noch gegeben sein soll, nicht unter 10.000,- DM gesehen wird, eher noch höher. 395
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Ein anderer Ansatz, der vorgeschlagen wird, wäre, um dem Ultima-ratio-Charakter noch besser gerecht zu werden, von einer bestimmten Zahl von Verdiensten eines Mittelklassebürgers auszugehen.396 Dabei wird es sich aber um einen Wert handeln, der nur schwer zu ermitteln sein dürfte.
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(2) Speziell-objektiver Maßstab. Wie bemerkt (Rdn. 174), ist bei der Prüfung, ob schwerer wirtschaftlicher Schaden droht, ergänzend auch mit auf die konkreten Verhältnisse der mutmaßlichen Opfer abzustellen, weil der Relationsbegriff der Schwere Bezug zur Fühlbarkeit der Einbuße voraussetzt. Dabei spielt - wie ausgeführt - nur eine höhere Schadensempfindlichkeit bestimmter Opferkreise, nicht aber eine geringere eine Rolle. Auch hier ist freilich darauf zu achten, dass Bagatell- und Kleinkriminalität (auch bei extremer Häufung) auszuscheiden haben, denn das war die vordringliche Intention des Gesetzgebers. Dabei ist jedoch, entgegen Weihrauch397 und Steinhilper,398 auch hier nicht auf die konkrete individuelle Schadensempfindlichkeit der einzelnen Person abzustellen, schon weil das im Hinblick auf die drohenden Taten letztlich gar nicht möglich sein dürfte. Abzustellen ist vielmehr auf die objektiven Verhältnisse der jeweils betroffenen Bevölkerungsschicht (so auch Lang-Hinrichsen FS Maurach S. 311, 319; OLG Hamburg NJW 1971 1574, 1575). Hier muss es zu einer der Einbuße eines Dreimonatseinkommens beim Durchschnittsbürger vergleichbaren Beeinträchtigung kommen. Ob dabei schon die Einbuße einer Monatsrente von 350,- DM ausreicht 399 erscheint zweifelhaft. Zu berücksichtigen ist aber bei sozial schwächeren Bevölkerungsschichten, dass ein geringeres Einkommen i.d.R. auch geringere Rücklagen und häufig auch eine höhere Verschuldung bedingt, so dass auch die Einbuße von weniger als drei Monatseinkommen der betroffenen Bevölkerungskreise zu einer dem Durchschnitt vergleichbaren Beeinträchtigung führen.
182
Darauf hinzuweisen bleibt (auch angesichts der zit. Entscheidung) noch einmal, dass die dargelegte Meinung immer nur gelten kann, wenn festgestellt ist, dass sich die kriminelle Gefährlichkeit des Täters in der genannten Weise zielgerichtet gerade gegen wirtschaftlich Schwache richtet. Das gilt auch für die Frage, ob eine begangene Einzeltat, für sich betrachtet, schweren Schaden angerichtet hat; hier ist dann besonders zu beachten, dass die begangene Tat symptomatischen Charakter für den Hang und die weitere Gefährlichkeit des Täters haben muss.
395
396 397
Vgl. Götzens in Wannenmacher, Steuerstrafrecht, 5. Aufl. (2004), S. 1064. Koffka J R 1971 427, 428. Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher S. 91 ff.
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Sexualtäter und Sicherungsverwahrung S. 97 ff. OLG Hamburg NJW 1971 1 5 7 4 , 1 5 7 5 .
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dd) Berücksichtigung immaterieller Faktoren: Die Rechtsprechung berücksichtigt bei der Erheblichkeit nicht nur die Höhe eines rein wirtschaftlichen Schadens, sondern auch die Tatmodalitäten. So wird ein Wohnungseinbruchsdiebstahl oder Taten mit Inkaufnahme körperlicher Konfrontation 400 eher an Erheblichkeit gewinnen, als ein einfacher Diebstahl. Dies entspricht der Regelungssystematik des Abs. 1 Nr. 3. Es kommt nicht (zwingend) darauf an, dass ein Schaden für eines der dort genannten Güter droht. Ausgangspunkt ist der Begriff der Erheblichkeit und für diesen ist die Aufzählung möglicher Schädigungen nur beispielhaft. Deswegen kann eine zu erwartende Tat erheblich sein, auch wenn der wirtschaftliche Schaden selbst nicht groß wäre, nämlich dann, wenn weitere erschwerende Momente (wie z.B. dem durch Wohnungseinbrüche oft nachfolgenden Unsicherheitsgefühl der Opfer in der eigenen Wohnung mit teilweise auch psychischen Folgeproblemen; Neigung zu körperliche Konfrontation gegenüber dem Opfer) hinzutreten.401
183
Die gegenteilige Ansicht von Ullenbruch (MK Rdn. 125), dass es einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot darstelle, wollte man andere Kriterien als die Schadenshöhe berücksichtigen, überzeugt nicht. Sie verkennt, dass es sich bei dem Merkmal des schweren wirtschaftlichen Schadens nur um ein Beispielskriterium für die Erheblichkeit handelt. Wenn aber auch ganz andere Umstände als die drei Beispiele des § 66 Abs. 1 Nr. 3 für sich allein grundsätzlich die Erheblichkeit begründen können, dann muss dies erst recht gelten, wenn einer dieser Umstände im Ansatz vorliegt und für sich genommen nur nicht schwer genug wiegt. Widersprüchlich ist es, einerseits den Beispielcharakter anzuerkennen, andererseits dann aber die genannten Bestimmtheitsbedenken zu erheben. 402
184
f) Schwere körperliche Schädigung. Ähnliche Probleme wie bei der Feststellung des schweren wirtschaftlichen Schadens ergeben sich beim Merkmal der „schweren körperlichen Schädigung". Allerdings reicht hier, wie schon der Gesetzeswortlaut verdeutlicht, die Addition geringer Schäden bei mehreren Personen niemals, weil es stets nur um die drohende Schädigung von Individualpersonen geht, die auch durch eine Fülle geringer Schäden bei verschiedenen Personen nicht größer wird. Zweifelhaft bleibt jedoch, wie beim wirtschaftlichen Schaden, ob ein individueller Maßstab, etwa im Hinblick auf den Beruf der Opfer, oder ein genereller Maßstab zugrunde gelegt werden muss. Das Problem ist noch wenig erörtert. In den meisten Erläuterungswerken wird es überhaupt nicht oder doch jedenfalls nicht in eindeutiger Weise behandelt; auch in der Spezialliteratur finden sich nur wenige Ansätze. Auch den Grad der Schädigung, der gegeben sein muss, damit der Begriff „schwer" erfüllt ist, gilt es zu klären.
185
aa) Individueller oder objektiver Maßstab? Weihrauch403 will einen absoluten Maßstab anlegen, weil hinsichtlich der Körperintegrität alle Menschen gleich seien und sich eine unterschiedliche Bewertung daher insoweit verbiete. 404 Als erheblich sieht Weihrauch danach einen körperlichen Schaden dann an, wenn er irreparabel ist und der Betroffene durch ihn in seinen körperlichen Fähigkeiten gemindert oder in einer schwer
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400 401
402
BGH NStZ-RR 2 0 0 2 38. Vgl. auch: Ullenbruch MK Rdn. 121, der diese Fälle von vornherein den schweren seelischen Schäden zurechnen will. Vgl. MK Ullenbruch Rdn. 112 einerseits und Rdn. 125, 128 andererseits.
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Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher, S. 91 f; N J W 1970 1897, 1899. Ähnlich im Ergebnis, wenn auch aus anderen Gründen, Horn SK Rdn. 15.
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zu ertragenden Weise in seiner äußeren Erscheinung herabgesetzt wird, wie das bei allen Schädigungen i.S. des § 224 der Fall sein soll. Die gegenteilige Auffassung, (individueller Maßstab) will darauf abstellen, ob das Opfer wegen der Schädigung „nicht mehr oder nur noch erheblich behindert in dem sozialen und beruflichen Wirkungskreis tätig sein kann, in dem es vorher tätig war". 4 0 5 Auf die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Tat und ihre Wirkungen hebt unter Ablehnung eines generellen Maßstabs auch Sch/Schröder/Stree Rdn. 42 ab.
188
Lang-Hinrichsen (LK9 § 42e Rdn. 75) hat einen differenzierenden Standpunkt eingenommen: 406 Zu unterscheiden sei zwischen Schäden, die sich im Wesentlichen bei allen Menschen gleich auswirken und darum auch für jedes betroffene Opfer, sowie Schäden, bei denen es auf die Individualität des Verletzten ankomme. Zur ersteren Gruppe rechnet Lang-Hinrichsen im Anschluss an die Normierung des S 224 das Sehvermögen auf einem oder beiden Augen, das Gehör, die Sprache, die Zeugungsfähigkeit sowie das Verfallen in Siechtum, Lähmung oder Geisteskrankheit, aber auch die schwere Schädigung wichtiger innerer Organe, etwa der Leber oder der Niere. Die zweite Gruppe sieht er in den „wertausfüllungsbedürftigen Begriffen" des § 226 (wichtiges Glied, erhebliche dauernde Entstellung), wo es, im Sinne auch einer neueren Betrachtung des § 226, auf die speziellen Folgen für den Verletzten ankomme. Im Ergebnis führt das weitgehend zur Meinung Steinhilpers wie auch die herangezogenen Beispiele zeigen (Verlust des Fingers bei einem Geiger, Narbe einer Schauspielerin).
189
Die geschilderten Überlegungen sind z.T. reichlich akademisch und treffen kaum die eigentliche Problematik, weil sie wiederum zu sehr an der Betrachtung nicht der drohenden, sondern der durch Vortaten angerichteten Schäden orientiert sind. Außerdem dürfte der Verlust eines Fingers oder entstellende Narbenbildung unabhängig von individuellen Umständen als schwer einzustufen sein. 407 Zutreffend dürfte es sein, auf die konkreten potentiellen Opfer(kreise) abzustellen. Das entspricht dem Wortlaut der Gesetzesfassung und auch wohl dem gesetzgeberischen Willen. Denn die Diskussion um einen objektiven Schaden entspannte sich nur beim wirtschaftlichen Schaden (vgl. oben Rdn. 169 ff).
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bb) Schwerer körperlicher Schaden: Die Verwendung des Begriffs „körperlicher Schaden" macht deutlich, dass zu erwartende bloße körperliche Misshandlungen ohne Gesundheitsbeeinträchtigung nicht ausreichend sind. Andererseits ist auch eine schwere Körperverletzung i.S.v. § 226 StGB nicht erforderlich.408 Es kommt nicht auf die feinen und problematischen - Ziselierungen des § 226 bei der Würdigung eingetretener Schäden an. Entscheidend sind vielmehr die Neigungen, die Methoden und die typischen Verhaltensweisen des Täters, also etwa die Frage, ob er, unjuristisch ausgedrückt, als „chronischer Wirtshausschläger" „gefährlich" oder nur „rüde" ist. Nur von daher lässt sich klären, ob vom Täter die Gefahr „schwerer" Körperschäden zu erwarten ist, nicht aber von den mehr oder weniger zufälligen Auswirkungen begangener Einzeltaten (so auch die Vorauflage Rdn. 133). Ist der Hang - nach den geschilderten Kriterien - so, dass er für die potentiellen Opfer die unkontrollierbare Gefahr erheblicher Auswirkungen zeitigt (mag es auch sein, dass bisherige Opfer aufgrund glücklicher Umstände immer glimpflich davon gekommen sind), ist der Hang auf „schwere" Schädigungen gerichtet (vgl. BGH NStZ 1983 71). Dass er speziell auf die Folgen des § 226 ausgerichtet ist, ist hingegen
405 406
407
Steinhilper S. 97. Zustimmend: Neu Sicherungsverwahrung nach der Strafrechtsreform S. 54. So schon Hanack LK 1 1 Rdn. 132 f.
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BGH bei Daliinger MDR 1972 16; Ullenbruch MK Rdn. 122.
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nicht zu verlangen. 409 § 226 enthält allenfalls einen - nicht vollständigen, aber auch nicht nötigen - Anhaltspunkt für die Richtung, ebenso übrigens wie § 224 nur eine Auswahl der für die Schwere der Schädigungen wesentlichen Angriffsmethoden darstellt. Bei irreparablen, den Betroffenen in seinen körperlichen Fähigkeiten beeinträchtigenden Schäden wird ein schwerer körperlicher Schaden regelmäßig zu bejahen sein. 410 Diese sind aber nicht erforderlich. Abs. 1 Nr. 3 lässt auch einfache Körperverletzungen i.S. einer Gesundheitsbeschädigung nach § 223 StGB ausreichen, wie sich aus der fehlenden Beschränkung des Wortlauts ergibt. 411 Im Übrigen muss es sich beim Begriff der körperlichen Schädigung immer um Delikte handeln, bei denen die Gefahr einer solchen Schädigung im Schutzbereich der Norm liegt; vgl. dazu die Ausführungen im folgenden Text zum Begriff des schweren seelischen Schadens, in dem auch auf die Abgrenzung zwischen „körperlichen" und „seelischen" Schäden eingegangen wird.
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Auch eine nur allgemeine und abstrakte Gefährlichkeit von Delikten (z.B. nach dem BtMG) für die körperliche Unversehrtheit reicht gegebenenfalls aus, um die Sicherungsverwahrung zu verhängen.412
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g) Schwere seelische Schädigung. Schwierig ist auch die Frage, wann „schwere seelisehe Schädigungen" für das Opfer zu erwarten sind.413 Nicht nur das Maß der „Schwere", sondern selbst der Kausalzusammenhang (dazu eingehend Steinhilper insbes. S. 115 ff) werden sich, streng genommen, schon für die begangenen, vor allem aber für die drohenden Taten vielfach kaum oder gar nicht klären lassen. Gerade bei Sexualdelikten, um die es vor allem geht, ist, entgegen einer wohl noch immer verbreiteten Auffassung, die Problematik seelischer Schäden und ihrer Erheblichkeit höchst komplex und von Delikt zu Delikt, ja sogar von Opfer zu Opfer höchst unterschiedlich.414
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Der Begriff der seelischen Schädigung ist ungewöhnlich. Vorausgesetzt wird zwar immer, dass er durch Straftaten entsteht. Auch ist eine genauere Abgrenzung zu den körperlichen Schäden in der Praxis meist nicht erforderlich, weil beide Schädigungen gleichgestellt werden; ob z.B. die durch eine Überdosis von LSD ausgelöste Psychose (vgl. Lang-Hittrichsen Maurach-Festschrift, S. 323) zu den schweren seelischen Schädigungen zählt (so Lang-Hinrichsen) oder zum Körperschaden (wie die traditionelle Auslegung als „Gesundheitsbeschädigung" i.S. des § 223 vielleicht näher legt), kann daher im Ergebnis insoweit offen bleiben.
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Zweifelhaft ist jedoch folgendes: Schwere seelische Schäden können - abstrakt wie konkret - als Folge jeder Straftat auftreten; sie sind z.B. auch bei Diebstählen, ja selbst bei Delikten gegen den Staat denkbar. Es fragt sich daher, ob die Gefahr solcher Schäden bei jedem Delikt berücksichtigt werden muss oder nur bei solchen, bei denen die Vermeidung seelischer Schäden irgendwie noch zum spezifischen Schutzzweck der Bestimmung gehört. Die Frage hat eine gewisse - freilich nicht zu überschätzende - praktische Relevanz, weil mit ihrer Entscheidung zugleich einiges auch für die Auslegung des Begriffs „namentlich" präjudiziert wird. Hanack war in der Vorauflage (Rdn. 137) der Ansicht,
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409
410 411 412
So im Ergebnis auch BGH bei Dallinger MDR 1972 16; Sch/Schröder/Stree Rdn. 42; Fischer Rdn. 31. Böllinger/Pollähne NK Rdn. 98. AA offenbar: Horn SK Rdn. 15. BGH N J W 2 0 0 0 3015; Lackner/Kühl Rdn. 15.
413 vgl. Neu Die Sicherungsverwahrung nach der Strafrechtsreform, S. 55. 4 1 4 Dazu eindrucksvoll die umfassende empirische Studie von M. Baurmann Sexualität, Gewalt und psychische Folgen, BKA, 1983.
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dass der Begriff der seelischen Schädigungen nur solche Schäden erfasst, die zu verhindern mindestens noch mittelbar im Schutzbereich der Norm liegt. Jede andere Betrachtung würde diesen Schutzzweck in der „bedenklichsten Weise" ausdehnen und dazu führen oder führen können, in den Bannkreis der Sicherungsverwahrung auch Folgen zu schlagen, die zu treffen der Tatbestand nicht eingerichtet ist. 196
Daran ist sicherlich richtig, dass es jedenfalls ausreicht, wenn der Schutzbereich der zu erwartenden Delikte auch den seelischen Schaden mit umfasst. Dabei wird man aber nach dem Zusammenhang der schweren Schädigung mit dem Begriff der „erheblichen" Straftaten annehmen müssen, dass der Gesetzgeber, wiewohl er die genannten Delikte als Kriminalunrecht begreift, bei § 66 nur an Straftatbestände dachte, bei denen es typischerweise um mehr geht als um Belästigung und Ärgerniserregung im weitesten Sinne, selbst wenn die Delikte im Einzelfall nach der Art ihrer Begehung und dem Hang des Täters einmal die Gefahr weitergehender Schäden bergen. Danach dürften z.B. Beleidigungsdelikte grundsätzlich ausscheiden, aber auch alle diejenigen Delikte im Rahmen des 14. Abschnitts, für die Freiheitsstrafe nur bis zu einem Jahr vorgesehen ist; dafür spricht auch, dass das Gesetz insoweit nicht einmal Führungsaufsicht besonders vorgesehen hat.
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Aber auch zu erwartende Delikte, zu deren Schutzgut nicht auch seelische Schäden gehören, wird man, wenn sie Folge solcher Straftaten sein können, ausreichen lassen müssen. Das Gesetz stellt nämlich nicht auf das Schutzgut von Strafnormen ab, sondern nur darauf, ob Opfer durch entsprechende Taten (tatsächlich) seelisch schwer geschädigt werden können. Deshalb können auch zu erwartende Wohnungseinbrüche, die häufig zu einem erheblichen Unsicherheitsgefühl der Opfer führen sowie Trickdiebstähle die mit dem Eindringen in Wohnungen betagter Frauen bei Inkaufnahme körperlicher Konfrontationen verübt werden oder Handtaschenräubereien z.N. besonders empfindlicher Opfer, ausreichen. 415
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Schwierigkeiten bereitet weiter, wie schon angedeutet, die Frage, wann bei „erheblichen" Straftaten im Einzelfall schwere seelische Schädigungen zu erwarten sind, weil insoweit höchst komplexe und von Fall zu Fall verschiedene Konstellationen von Bedeutung sind. Angesichts dieser Vielschichtigkeit dürfte wie folgt zu differenzieren sein.
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Der Richter wird stets auf Besonderheiten des Einzelfalles zu achten haben. So ist es z.B. denkbar, dass ein hangmäßig fixierter Pädophiler seine Taten nur an einem bestimmten Opfertyp und so vornimmt, dass ein schwerer seelischer Schaden nicht zu erwarten ist. Selbst bei der Vergewaltigung ist es vorstellbar, dass der Hangtäter, etwa weil er nur Frauen Gewalt antut, mit denen er schon in Geschlechtsbeziehungen gestanden hat und die Gewaltanwendung jeweils an der unteren Grenze liegt, im Einzelfall nicht die Gefahr schwerer seelischer Schäden besorgen lässt (mögen solche Fälle in der forensischen Praxis auch so gut wie nie auftauchen).
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Liegen derartige Besonderheiten nicht vor, wird man hingegen, wenn die Klausel praktikabel sein und ihre Anwendung dem Zweck des Gesetzes genügen soll, beim seelischen Schaden schon die abstrakte Gefahr eines solchen Schadens als ausreichend ansehen müssen, soweit für sie sichere Anhaltspunkte vorliegen, 416 die sich vielfach von selbst ergeben. Dies entspricht auch den Vorstellungen des Gesetzgebers, wie sie im 1. Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zum Ausdruck kommen. Denn in ihm wird darauf hingewiesen (BTDrucks. V/4098 S. 20), dass sich ein schwerer seelischer (oder körperlicher) Schaden bei Sexualdelikten an Kindern oft nicht in allen Fallgestaltungen nachweisen lasse, dass hier aber, wie das Wort „namentlich" ergebe, die
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BGHR § 66 Abs. 1 Erheblichkeit Nr. 3; BGH NStZ-RR 2 0 0 2 38.
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Steinhilper Sexualtäter und SicherungsverWährung S. 122, 263.
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Anordnung der Sicherungsverwahrung auch dann der Grundentscheidung des Gesetzgebers entsprechen könne, wenn der Richter nicht in der Lage sei, mit der erforderlichen Sicherheit im Einzelfall festzustellen, ob durch die vom Täter zu befürchtenden Taten ein schwerer seelischer Schaden drohe. 5. Gefährlichkeit für die Allgemeinheit. Infolge seines Hangs zu erheblichen Straftaten muss der Täter „gefährlich" sein, und zwar „für die Allgemeinheit". Dabei kommt es (näher Rdn. 2 0 6 ) auf die Gefährlichkeit im Zeitpunkt der Urteilsfindung an.
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a) Allgemeines. Die Gefährlichkeitsprognose ist Aufgabe des Gerichts, nicht des Sachverständigen. 417 Zu den Anforderungen an ein Prognosegutachten des Sachverständigen vgl. Schöch LK Vor § 61 Rdn. 142 ff; Boetticher/Kröber u.a. NStZ 2 0 0 6 537, Nowara S. 176 ff; Müller-Metz StV 2 0 0 3 42, 4 4 f und Feltes StV 2 0 0 0 281 ff. Von Teilen des Schrifttums wird die Gefährlichkeitsvoraussetzung (angesichts einer praktisch fehlenden eigenständigen Bedeutung des Hangkriteriums, vgl. dazu oben Rdn. 134 ff) als das zentrale Kriterium bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung gesehen. 418
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b) Gefährlich ist der Täter, wenn von ihm aufgrund seines Hangs erhebliche Straftaten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. 419 Wie im Vorigen bemerkt, ist das bei festgestellter Hangtätereigenschaft in Bezug auf erhebliche Taten zwar in der Regel zu vermuten, aber dennoch stets gesondert zu prüfen. 4 2 0 Die Kriterien für die Allgemeingefährlichkeit sind dabei im wesentlichen dieselben wie für den Hang (vgl. oben Rdn. 126 ff). Das Hauptaugenmerk liegt auch hier auf der Legalbiographie des Täters. 4 2 1
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Die bloße Möglichkeit künftiger Straftaten reicht nach dem dort Gesagten nicht (allg. Meinung). 422 Andererseits ist aber auch nicht erforderlich, dass die künftigen Straftaten mit Sicherheit zu erwarten sind 4 2 3 oder eine „extrem hohe Wiederholungsgefahr" gegeben ist. 4 2 4 Es muss genügen, dass die Taten aufgrund des Hangs ernsthaft zu besorgen sind. 425 Die teilweise in der Rechtsprechung zu findende Formulierung „bestimmte Wahrscheinlichkeit" (z.B. BGHSt 25 59, 61; BGH NStZ 1990 334, 3 3 5 ) 4 2 6 dürfte keinen inhaltlichen Unterschied begründen. Wichtig ist nur, dass die Wahrscheinlichkeit im Sinne einer Abgrenzung von der bloßen „Möglichkeit" vorliegt, und dass, wie auch BGH GA 1965 28 ausspricht, eben die „allgemeine Gefahr", die aus der Hangtäterschaft folgt, für sich noch nicht notwendig ausreicht. So wird es auch nicht angängig sein, die Wiederholungsgefahr allein aus der statistischen Rückfallwahrscheinlichkeit für bestimmte Straftäter oder Straftatenarten zu folgern (vgl. dazu unten zur Gesamtwürdigung Rdn. 213 ff). 4 2 7 Besonderer Sorgfalt bedarf die Gefährlichkeitsprognose bei einem frühkriminellen Hangtäter. 428
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BVerfGE 109 130, 164; Fischer Rdn. 33. Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 3 0 2 f; Jacobsen NKrimP 2 0 0 5 92, 94. Vgl. Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 181; Jacobsen NKrimP 2 0 0 5 92, 93. BGH bei Holtz MDR 1994 761, 762; MDR 1990 676; NStZ 1988 4 9 6 ; Sch/Schröderi Stree27 Rdn. 36. Fischer Rdn. 34; Ullenbruch MK Rdn. 131; Schöch NStZ 2 0 0 0 138, 139.
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BGH bei Holtz M D R 1990 676. RG DJ 1938 1794. BGH wistra 1988 2 2 , 23. BGH NStZ-RR 2 0 0 3 108; NJW 1968 997, 998; GA 1965 28. Ebenso: Lackner/Kühl Rdn. 15; vgl. auch BGH Beschl. v. 13.11.2007 - 3 StR 341/07. BGH StraFo 2 0 0 7 211, 212. BGH NStZ 1989 67.
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Der Gefahrenbegriff wird im Schrifttum teils heftig kritisiert, 4 2 9 u.a. weil eine Präzisierung, insbesondere der geforderten Wahrscheinlichkeit, nicht möglich sei. In der Praxis zeigen sich die Schwierigkeiten aber - jedenfalls bisher - eher selten, da die Maßregelanordnung de facto ohnehin nur in den Fällen geschieht, in denen die Rückfälligkeit handgreiflich ist (lange Vorstrafenliste, Straftatenbegehung unter Bewährung stehend oder gar im [offenen] Vollzug, etc.). Das kann sich bei der zu beobachtenden stärkeren Inanspruchnahme des § 66 Abs. 3 S. 2 zukünftig möglicherweise ändern.
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c) Maßgeblicher Zeitpunkt, auf den die Gefährlichkeitsprognose abzustellen hat, ist der Zeitpunkt der Aburteilung. 430 Dementsprechend ist Gefährlichkeit dann nicht gegeben, wenn bereits im Zeitpunkt der Beurteilung, also zwischen Tatbegehung und Urteilsfindung, Umstände eingetreten sind die die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten entfallen lassen. 4 3 1 Denkbar ist das nach Lage des Einzelfalles bei sozialer Stabilisierung, etwa durch Heirat oder Aufnahme in eine Familie sowie Alterung und Krankheit. 4 3 2 Doch schließen Reue und die ernsthafte Absicht, einen kriminellen Lebensweg aufzugeben, insbesondere beim Hangtäter aus Willensschwäche (vgl. Rdn. 124 ff) die fortbestehende Gefährlichkeit durchaus nicht ohne Weiteres aus, 4 3 3 dürften sogar im Zweifel, jedenfalls allein, nicht reichen (vgl. auch BGHR § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1). Dass das Gesetz auf den Zeitpunkt der Aburteilung abstellt ist auch sinnvoll, denn die Unsicherheit einer Prognose wächst mit der Distanz zum Prognosezeitpunkt. Valide Prognosen sind regelmäßig nur für den Zeitraum eines Jahres möglich. 4 3 4
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Dass die bloße Möglichkeit einer Besserung oder künftiger Änderung äußerer Umstände zur Verneinung der Gefährlichkeit nicht ausreicht, war, nach einigen Schwankungen, in der Rechtsprechung schon zum früheren Recht anerkannt. 4 3 5 Streitig war jedoch, unter welchen Voraussetzungen eine Wahrscheinlichkeit der Besserung die Anordnung der Sicherungsverwahrung ausschloss. 436 Diese Fragen sind mit der Neuregelung der Sicherungsverwahrung im 1. StrRG gegenstandslos geworden, weil es seitdem (s. näher Rdn. 206) grundsätzlich auf die Gefährlichkeit allein im Zeitpunkt der Urteilsfindung ankommt (allgem. Meinung), 4 3 7 wie sich unter anderem an § 67c StGB zeigt, wonach vor Ende der Vollstreckung der Strafe zu prüfen ist, ob es noch der Maßregelvollstreckung bedarf (also die Frage der Gefährlichkeit zum Zeitpunkt des Strafendes auch erst hier zu beantworten ist). 4 3 8 Allerdings ist dem Gericht unbenommen, wenn es um
429 Yg¡ f m c / j Prognoseentscheidungen in der strafrechtlichen Praxis 1994, S. 84 ff; Kögler Die zeitliche Unbestimmheit freiheitsentziehender Sanktionen, S. 93 f. 4 3 0 BGHSt 25 59, 61; 2 4 1 6 0 , 1 6 4 ; BGH NStZ 2 0 0 7 4 0 1 ; BGH NStZ-RR 2 0 0 5 337; NStZ 2 0 0 2 535, 536; NStZ-RR 1 9 9 9 301; 1998 2 0 6 ; Lackner/Kühl Rdn. 15; Fischer Rdn. 36 m.w.N.; Ollenbruch MK Rdn. 135. 4 3 1 BGH NStZ 1990 334, 335; BGH bei Holtz MDR 1 9 8 9 6 8 2 ; StV 1981 621, 622; BGHR § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1; ganz herrschende Lehre, vgl. nur: Lackner/Kühl Rdn. 15 und Sch/Schröder/Stree27 Rdn. 36. 4 3 2 Vgl. BGH StV 2 0 0 4 2 0 0 ; 1981 621, 622; RGSt 72 356, 358; s. auch Sch/Schröder/ Stree Rdn. 36.
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BGH bei Holtz MDR 1990 97. Dittmann S. 37, 4 0 . RGSt 74 217, 219; BGHSt 1 66; BGH GA 1966 181; vgl. auch BGH NJW 1968 997, 998. Vgl. BGH N J W 1953 1559 gegen RGSt 72 295; 72 356, 358 und RGSt 73 154; 73 303, 305. BGHR § 66 Abs. 1 Hang 3; BGH NStZ-RR 2 0 0 5 337; 1999 301; 1998 2 0 6 ; NStZ 1990 334, 335; BGH bei Holtz MDR 1990 676; Lackner/Kühl Rdn. 15; Fischer Rdn. 36; Ullenbruch MK Rdn. 135. BGH NStZ-RR 2 0 0 5 337.
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die fakultative Anordnung der Maßregel geht, zukünftig zu erwartende Entwicklungen zu berücksichtigen, wie z.B. eine alters- oder haftbedingte Haltungsänderung, wobei allerdings allein der Verweis auf das Alter des Angeklagten nicht aussagekräftig i s t . 4 3 9 Dies ist allerdings - wohlgemerkt - eine Frage, die sich erst auf der Rechtsfolgenseite der Ermessensvorschriften des § 6 6 Abs. 2 und Abs. 3 stellt und keine der Gefährlichkeit als solcher. d) Einzelfragen. Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn sich schon zum Zeitpunkt der Urteilsfindung mit Sicherheit absehen lässt, dass der zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilte Täter nach der Strafverbüßung nicht mehr gefährlich sein wird. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist, unbeschadet der Möglichkeiten des § 6 7 c Abs. 1, nach ihren gesamten psychologischen und rechtlichen Folgen ein viel zu ernster Eingriff, als dass man dem Gericht oder dem Betroffenen die Anordnung zumuten dürfte, wenn sie erkennbar „unsinnig" wäre. In diesen Fällen kann es dem Gericht daher nicht verwehrt sein, von der Sicherungsverwahrung trotz derzeit noch bestehender Gefährlichkeit abzusehen. Für die fakultative Anordnung nach § 6 6 Abs. 2 hatte der Gesetzgeber dies ausdrücklich im Blick (BTDrucks. V / 4 0 9 4 S. 21; B G H N S t Z 1985 2 6 1 ) . Im Rahmen der Ermessensausübung nach § 6 6 Abs. 2 (und wohl auch § 66 Abs. 3) kann und muss das Gericht einen solchen Umstand (wie z.B. alterbedingter Gefährlichkeitsabbau, bessernde Auswirkungen des Strafvollzuges oder des - vorherigen - Vollzuges anderer Maßregeln) berücksichtigen. 4 4 0 Es gilt aber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wohl auch für die zwingende Anordnung nach § 66 Abs. I . 4 4 1 Das ist letztendlich eine Folgerung aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 4 4 2 Die Meinung wird im Schrifttum überwiegend geteilt. 4 4 3 Es muss sich immer nur um Fälle handeln, in denen sich, und sei es auch mit Hilfe des ohnedies zuzuziehenden Sachverständigen (§ 2 4 6 a StPO), der Abbau der Gefährlichkeit mit - menschenmöglicher - Sicherheit schon im Urteilszeitpunkt feststellen lässt. Diese Situation kann etwa auch gegeben sein, wenn sich der Täter hat kastrieren lassen, der Eingriff seine spezifischen Folgen für den Geschlechtstrieb noch nicht gezeitigt hat, aber nach sachverständiger Feststellung zeitigen wird. Nicht reicht hingegen die bloße Wahrscheinlichkeit einer Besserung, wie das die frühere Rechtsprechung z.T. angenommen hat (s. Rdn. 2 0 7 ) . Denn es entspricht dem klaren Willen des Gesetzes und des Gesetzgebers, dass die mögliche Entwicklung des Täters, insbesondere die Wirkungen des Strafvollzugs, erst am Ende des Vollzugs nach den Kriterien des § 6 7 c Abs. 1 geprüft werden; über diese Schranke kann sich der Richter insoweit nicht hinwegsetzen. Allein die Bereitschaft oder der Wunsch, sich kastrieren zu lassen, beseitigt deshalb für sich noch nicht die Gefährlichkeit des Täters, da ungewiss ist, ob es zu dem Eingriff auch tatsächlich kommt (s. die Voraussetzungen nach § 2 Kastrationsgesetz). 4 4 4
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§ 66a bietet in diesen Fällen keinen Ausweg (vgl. Rdn. 2 3 6 ) . 4 4 5 Soweit der Gesetzgeber für derartige Fälle den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nach § 6 6 a als das
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BGH NStZ 2007 401; StV 2005 129; NStZ 2002 30; NStZ-RR 1999 301; Fischer Rdn. 36. BGH StV 2004 200, 201; 1996 540; NStZ 1999 301 ra.w.N. BGHR S 66 Abs. 1 Gefährlichkeit Nr. 6 und 7; BGH NStZ-RR 2005 337; NStZ 2002 535; StV 2002 479; 2000 258; NJW 2000 3015 f; NStZ-RR 1998 206; NStZ 1993 78.
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Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 374. Wie hier im Ergebnis Lackner/Kühl Rdn. 15; Sch/Schröder/Stree Rdn. 35; Fischer Rdn. 36; vgl. auch Horstkotte LK 10 § 67b Rdn. 5 und § 67c Rdn. 3; aA Horn SK Rdn. 20. Vgl. schon BGHSt 1 66; Sch/Schröder/Stree Rdn. 44. Im Ergebnis ebenso: BGH NStZ 2007 401.
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richtige Sanktionsmittel ansieht, 4 4 6 trifft das nicht zu. Zum einen würde ein bloßes „Fürmöglich-Ansehen", für eine Maßregelanordnung nach § 6 6 Abs. 3 ohnehin nicht ausreichen. Zum anderen fragt sich aber, warum ein Vorbehalt ausgesprochen werden soll, wenn die Gefährlichkeit schon jetzt für den Entlassungszeitpunkt ausgeschlossen werden kann.447 210
d) „Für die Allgemeinheit" gefährlich muss der Täter nach dem Gesetzeswortlaut sein. Damit entsteht die Frage, wie es mit der Gefährlichkeit „für einzelne andere" steht, die § 85 E 1962 noch besonders erfassen wollte: Der Sonderausschuss (BTDrucks. V/4094 S. 2 0 ) hat die Klausel des E 1962 „für einzelne andere" für entbehrlich gehalten, weil der einzelne als Teil der Allgemeinheit anzusehen sei, sofern ihm eine schwere Schädigung drohe und diese Gefahr nur durch die Sicherungsverwahrung abgewendet werden könne. So liege es z.B., wenn der Täter immer wieder danach trachtet, seine Ehefrau zu töten. Lasse sich die Gefahr jedoch dadurch abwenden, dass die Beziehungen zwischen dem Verurteilten und seinem Opfer geändert werden, bestehe keine Gefahr für die Allgemeinheit und infolgedessen auch kein Anlass für die Sicherungsverwahrung; die Gefahr wirtschaftlicher Schädigungen einer Einzelperson werde „deshalb" die Sicherungsverwahrung nicht rechtfertigen.
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Dem folgt die herrschende Meinung, soweit sie sich mit dem Problem beschäftigt. 4 4 8 Drohende Gewaltdelikte „im Familienverband", im „sozialen Nahbereich" bzw. im „Milieu" hat der B G H ohne Weiteres für ausreichend gehalten ( B G H R § 6 6 Abs. 1 Gefährlichkeit 2; B G H N S t Z - R R 199 8 2 0 6 ) . 4 4 9 Jeder erhebliche rechtswidrige Angriff auf eine Person störe den Rechtsfrieden der Allgemeinheit. Dass die Gefahr für eine unbestimmte Vielzahl von Personen bestehen müsse, sei nicht erforderlich.
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Entgegen den Gesetzesmaterialien, dürften auch drohende erhebliche wirtschaftliche Schäden für einzelne Personen ausreichend sein. In den Materialien wird dies mit der Begründung der Möglichkeit der Änderung der Beziehung zwischen Täter und Opfer ausgeschlossen (BTDrucks. V/4094 S. 2 0 ) . Hierbei handelt es sich aber letztendlich um einen im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verankerten Gedanken. Begeht ein Täter z.B. immer wieder allein Betrugstaten z.N. seiner Ehefrau, die ihm Kontovollmacht erteilt hat, so wird die Verhältnismäßigkeit wohl eine Anordnung der Maßregel ausschließen, da hier leicht durch Änderung des Täter-Opfer-Verhältnisses Abhilfe geschaffen werden kann. Anders ist dies aber, wenn ein Täter immer wieder Einbruchsdiebstähle zu Lasten bestimmter Einzelner begeht. Hier ist keine Abhilfe durch Änderung des Täter-OpferVerhältnisses ersichtlich und ebenso wenig, warum diese Opfer schutzlos gestellt werden sollten.
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6 . Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten. O b der Täter infolge seines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist, hat das Gericht
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Darauf hindeuten könnten die Gesetzesbegründung zu § 66a, wonach diese Vorschrift auch die „sachgerechte Handhabung" von Fällen erlaubt, „in denen das Gericht zwar im Urteilszeitpunkt eine Gefährlichkeit des Täters (...) als möglich ansieht, sie jedoch für den Zeitpunkt seiner Entlassung aus dem Vollzug (...) für ausgeschlossen hält (BRDrucks. 219/02 S. 10 f); in diese Rich-
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tung auch (ohne nähere Begründung): BGH Urt. v. 10.1.2007 - 1 StR 530/06, insoweit in StraFo 2007 211 nicht abgedruckt). Vgl. zu dieser Problematik auch: BGHSt 50 188 ff. Horn SK Rdn. 17; Lackner/Kühl Rdn. 15; Fischer Rdn. 35. Vgl. neuerdings auch: BGH StraFo 2007 211.
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anhand einer „Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten" festzustellen. Dabei ist stets ein Sachverständiger heranzuziehen (§ 246a StPO; dazu Rdn. 247). Die Gesamtwürdigung ist das eigentliche Kernstück der Entscheidung über die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung; die Gefährlichkeitsprognose muss das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung sein. Eine derartige Gesamtwürdigung hat die Rechtsprechung schon nach früherem Recht für erforderlich gehalten (z.B. BGHSt 1 94, 99). Nicht angängig ist es, die Rückfallgefahr auf bloß abstrakte statistische Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Delikts- oder Tätergruppen zu stützen. 4 5 0 a) Inhalt der Gesamtwürdigung. Das Gericht hat einmal die Persönlichkeit des Täters in allen kriminologisch wichtigen Bezügen aufzuhellen, insbesondere bedarf es nicht nur einer Auseinandersetzung mit den Anlasstaten bzw. Symptomtaten sondern mit der (berücksichtigungsfähigen) Kriminalität des Täters insgesamt (BGHR § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 2) und mit allen„kriminologisch wichtigen Tatsachen" (BGH N S t Z - R R 2005 39). Dazu gehört weiter die Aufklärung der spezifischen Faktoren des Hangs, und zwar der Entwicklung dieses Hangs („Längsschnittanalyse") wie seiner derzeitigen Ausprägung („Querschnittanalyse"). Dies fordert (s. Rdn. 126 ff) grundsätzlich auch die Klärung spezifischer Persönlichkeitszüge (Charakter, Intelligenz, Triebstruktur), des wesentlichen allgemeinen Sozialverhaltens und die Prüfung eventueller geistig-seelischer Störungen („Psychopathie", Neurosen). 4 5 1 Eine besondere Rolle spielt schon dabei selbstverständlich die bisherige kriminelle Karriere.
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Daher sind Vorstrafen stets heranzuziehen und auf ihren Symptomcharakter (dazu näher unten Rdn. 218) zu untersuchen, selbst wenn sie die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 nicht erfüllen. 4 5 2 Das gilt auch, soweit die Vortaten verjährt sind; doch dürfen getilgte oder tilgungsreife Vorstrafen regelmäßig nicht zuungunsten des Täters herangezogen werden (näher zu diesen Fragen oben Rdn. 68). Über die Heranziehung noch nicht abgeurteilter Taten bei § 66 Abs. 2 s. Rdn. 84 ff. Soweit danach Symptomtaten nicht abzuurteilen sind, ist ihr Sachverhalt dennoch im Urteil - nebst den Strafverbüßungszeiten - in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise darzulegen. 4 5 3
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Bei der Heranziehung von Vorstrafen ist das Gericht nicht auf das Material beschränkt, das zur Würdigung der Taten von dem zuvor entscheidenden Gericht herangezogen worden war. Vielmehr muss es sich gemäß § 155 Abs. 2 StPO erforderlichenfalls noch weitere Aufklärung für die Gesamtwürdigung beschaffen. 4 5 4 In Betracht k o m m e n z.B. weitere Ermittlungen über äußere Verhältnisse und innere Beweggründe, etwa darüber, ob die früheren Taten auf einen speziellen H a n g zurückzuführen sind, auf N o t beruhten oder sich als möglicherweise nicht ausreichende „Gelegenheitstaten" darstellen. 4 5 5 Jedoch sind neue Feststellungen insoweit unzulässig, als sie sich auf den Sachver-
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BGH StraFo 2007 211; BGH Beschl. v. 13.11.2007-3 StR 341/07. Vgl. BVerfGE 109 190, 223 ff; BGH Beschl. v. 13.11.2007 - 3 StR 341/07. So z.B. BGHSt 21 263, 264; BGH NStZ 1999 502, 503; 1990 334, 335; BGH bei Holtz MDR 1990 676; JR 1980 338 mit Anm. Hanack. BGH Urt. v. 8.12.2005 - 4 StR 198/05;
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Beschl. v. 8.11.2005 - 3 StR 370/05 (insoweit in BGH NStZ-RR 2006 105 nicht veröffentlicht); NStZ-RR 2005 39; BGH bei Herían MDR 1954 528; vgl. auch BGHSt 21 263, 264 f. RG JW 1935 934; ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 31. Vgl. RG JW 1938 165; DR 1944 901; BGH NStZ 1999 503.
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halt beziehen, der den früheren Urteilen zugrunde liegt; ebenso ist dem Gericht eine andere rechtliche Würdigung versagt. 4 5 6 217
In untrennbarem Zusammenhang mit der Würdigung der Täterpersönlichkeit steht die Würdigung seiner Taten, und zwar insbesondere der abzuurteilenden Tat oder Taten sowie derjenigen, die die formellen Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung nach § 6 6 Abs. 1 bzw. nach Abs. 2 begründen. Die Rechtsprechung verlangt aus gutem Grund, dass die Taten für die Gefährlichkeit des Täters symptomatisch sein müssen und darum im Hinblick auf diese Gefährlichkeit der genauen Prüfung bedürfen, und zwar so, dass das Revisionsgericht die Prüfung nachvollziehen k a n n . 4 5 7 Sie müssen daher mit ihren „Tatwurzeln" dargestellt werden (BGH bei Herían M D R 1 9 5 4 5 2 8 ) ; ihre bloße Aufzählung und die Würdigung der verhängten Strafen reichen nicht aus. „Bei der Begründung der Anordnung einer Sicherungsverwahrung bedarf es (...) einer ausführlichen Erarbeitung und Darstellung des kriminellen Werdegangs anhand der Vorstrafen, insbesondere wie es zu den Strafen gekommen ist, ob sie gegebenenfalls auf einen Hang zu delinquentem Verhalten beruhen, welche typischen Begehungsweisen ihnen zu eigen sind und inwieweit die Opfer durch sie seelisch oder körperlich geschädigt wurden oder wirtschaftliche Schäden, die für Allgemeinheit gefährlich sind, angerichtet worden sind" ( B G H N S t Z - R R 2 0 0 1 103, 104).
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b) Symptomcharakter der Taten insbesondere. Sowohl bei den Straftaten, die zur Begründung der formellen Voraussetzungen des § 6 6 Abs. I, 2 und 3 erforderlich sind, als auch bei der abzuurteilenden Tat oder den abzuurteilenden Taten muss es sich, wie bemerkt, um sog. Symptomtaten handeln, anderenfalls scheiden sie zur Begründung der formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung aus. 4 5 8 Gleiches gilt für sonstige Vortaten, die als Indiz für das Vorliegen des Hangs bzw. der Gefährlichkeit herangezogen werden. Dieses Erfordernis der Eigenschaft als Symptomtaten haben Rechtsprechung (BGHSt 2 1 2 6 3 , 2 6 4 ) und Lehre (wichtig Exner Z S t W 53 629, 6 3 9 ) schon zum früheren Recht herausgearbeitet. Es folgt heute klar auch aus der Gesetzesformulierung. Symptomcharakter zeigen die Taten, wenn sie kennzeichnend für den Hang und für die Gefährlichkeit des Täters sind. Zwischen ihnen und der Persönlichkeit des Täters ist also eine innere Beziehung dergestalt erforderlich, dass die Taten als Ausfluss des verbrecherischen Hangs erscheinen. 4 5 9 Sie müssen, anders ausgedrückt, in einem gleichartigen Verhältnis zur kriminellen Persönlichkeitsstruktur des Täters stehen. 4 6 0
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Dies bedarf bei verschiedenartigen Taten besonders sorgfältiger Prüfung. 4 6 1 Es kann zwar durchaus sein, dass auch oder gerade ein Wechsel von der einen Verbrechensart zur anderen auf einem eingewurzelten Hang beruht. 4 6 2 Eine solche Annahme ist aber z.B. dann nicht gerechtfertigt, wenn die kriminelle Neigung des Täters deutlich auf die Be-
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RG JW 1938 165; DR 1944 901. So z.B. BGHSt 24 153,157; 24 243, 244; BGH StV 1981 518; JR 1980 338 mit Anm. Hanack; BGH bei Holtz MDR 1980 454; BGHR § 66 Abs. 1 Hang 3; vgl. schon BGHSt 21 263; BGH bei Herían MDR 1954 528 und im Übrigen die Nachweise in den folg. Rdn. Allg. Meinung; vgl. nur: Horn SK Rdn. 19; Lackner/Kühl Rdn. 17; Fischer Rdn. 29; Menbruch MK Rdn. 144.
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So z.B. BGHSt 24 153; 24 243, 244; 21 263, 265; BGH NStZ 1990 335; 1984 309; BGH bei Holtz MDR 1977 106; vgl. auch BGHR S 66 Abs. 1 Hang 3. Vgl. BGH MDR 1957 562, 563; GA 1969 25, 26. BGHSt 24 243, 244; 16, 296, 297; BGH NStZ-RR 2003 107; StV 1996 540; 1981 514; BGH Beschl. v. 26.9.2007 - 5 StR 208/07; vgl. schon RGSt 68 149, 156. RG DJ 1934 1351.
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gehung von Vermögensdelikten hinzielt und er auch ein Sittlichkeitsdelikt begangen hat (BGHSt 24 243, 244). Dieses Delikt ist dann vielmehr insoweit nicht symptomatisch, kann also zur Beurteilung des verbrecherischen Hangs und der Gefährlichkeit nicht herangezogen werden. Anders wäre es nur dann, wenn sowohl die Vermögensdelikte als auch das Sexualdelikt als Ausprägung eines spezifischen Hangs zur Gewaltkriminalität erscheinen, es sich also etwa bei den „Vermögensdelikten" um Raubdelikte und bei dem Sexualdelikt um ein solches nach den § § 177, 178 a.F. handelt. Insgesamt lässt sich sagen (Lang-Hinrichsen LK 9 § 42e Rdn. 83): Je verschiedenartiger die Beweggründe für die einzelnen Taten sind, um so geringer ist die Möglichkeit, sie als Symptomtaten zu bewerten und als kennzeichnend für den verbrecherischen Hang und die Gefährlichkeit einzustufen. Liegen den Taten ganz verschiedene Beweggründe und seelische Einstellungen zugrunde, wird sich die Hangtätereigenschaft nur sehr selten bejahen lassen. Die Rechtsprechung anerkennt allerdings auch einen „ganz allgemein gearteten Hang zum Verbrechen", wenn die „ungleich gearteten, gegen ganz verschiedene Rechtsgüter gerichteten strafbaren Handlungen des Täters ergeben, dass ihm jedes Empfinden für die Gebote des Rechts und der Sittlichkeit ... fehlt oder ... abhanden gekommen ist, ... er sich also bewusst gegen alle ihm nicht zusagenden Normen der Rechtsordnung auflehnt". 4 6 3 Die bloße Feststellung von Wertindifferenz reicht aber nicht aus, bei ganz verschiedenartigen Delikten die Symptomhaftigkeit zu bejahen. 4 6 4 Taten, die in einem erheblichen Affekt oder einer sonstigen außergewöhnlichen Situation begangen sind, scheiden in der Regel (aber durchaus nicht immer) als Symptomtaten aus (vgl. aber oben Rdn. 120 ff). 4 6 5 Die Begehung der Taten im Rahmen eines ambivalenten Beziehungsgeflechts schließt den Symptomcharkter nicht aus. 4 6 6 Auch eine durch intensive, rechtsstaatswidrige Bemühungen eines verdeckten Ermittlers herbeigeführte T a t 4 6 7 soll als Symptomtat ausscheiden. Letzterem wird man allerdings weniger unter dem Gesichtspunkt fehlender Symptomhaftigkeit, 468 als vielmehr unter Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips zustimmen können.
220
Dass nicht jede einzelne Symptomtat für eine endgültige Persönlichkeitsbeurteilung auszureichen braucht, ist selbstverständlich. 469
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Taten, die keine „erheblichen Straftaten" sind, scheiden als Symptomtaten grundsätzlieh aus; sie können nur bei Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten berücksichtigt werden (BGHSt 24 153, 157; BGH NStZ 1984 309). Das folgt bereits daraus, dass die Symptomhaftigkeit gerade in Bezug auf die Taten, die die formellen Voraussetzungen begründen, geprüft wird. 4 7 0
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7. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62); vgl. dazu näher Schöch LK § 62 Rdn. 17 ff) gilt auch für die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Er wird jedoch beim Gewicht der formellen Voraussetzungen und nach exakter Feststellung der Gefährlichkeit eines auf „erhebliche Straftaten" bezogenen Hangs - jedenfalls bei der obligatorischen Variante des § 66 Abs. 1 - praktisch kaum
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So BGHSt 16 2 9 6 , 2 9 7 f unter Bezugnahme auf RG J W 1935 932. BGH StV 1996 5 4 0 ; vgl. auch Lackner/Kühl Rdn. 17. BGH bei Holtz M D R 1 9 7 9 987; Fischer Rdn. 29; Ullenbruch MK Rdn. 146; Plähn StV 1981 71.
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BGH NStZ-RR 2 0 0 6 105. BGHR § 66 Abs. 1 Hang Nr. 9 So aber offenbar Ullenbruch MK Rdn. 146. Sch/Schröder/Stree Rdn. 30. BGH NStZ-RR 2 0 0 3 107; Ullenbruch MK Rdn. 145.
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noch eine Rolle spielen können 4 7 1 , vorausgesetzt freilich, dass die Auslegung und Handhabung der Merkmale des § 66 Abs. 1 Nr. 3 in einer Weise erfolgt, die dem Gesichtspunkt von der „letzten Notmaßnahme der Kriminalpolitik" (vgl. Rdn. 1 ff) entspricht. Denn dann (aber nur dann) ist die Maßregel trotz ihrer Schwere eben grundsätzlich auch verhältnismäßig, liegt also, entsprechend dem gerade auf die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zugeschnittenen Zweck der Neuregelung, in der Handhabung des § 66 die Wahrung der Verhältnismäßigkeit eingeschlossen. 472 Teilweise wird von Rechtsprechung verlangt, dass die Voraussetzungen des § 6 6 Abs. 1 Nr. 3 „im Lichte" des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszulegen sind, 473 was ebenfalls gegen eine eigenständige Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Sicherungsverwahrung spricht, aber im Übrigen auch nicht sehr hilfreich ist. Sicherlich gilt Entsprechendes bei der Ermessensausübung im Rahmen der Absätze 2 und 3; hier können (und ggf. müssen) Verhältnismäßigkeitserwägungen ohne Weiteres eine Rolle spielen. Bei § 66 Abs. 1 ist insoweit für Verhältnismäßigkeitserwägungen grundsätzlich kein Raum. 4 7 4 Der Gesetzgeber hat hier selbst den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch entsprechend hohe Anforderungen konkretisiert. Der obligatorische Charakter der Vorschrift würde unterlaufen, wenn man aufgrund von Verhältnismäßigkeitserwägungen auf andere - weniger einschneidende, aber ja offenbar vom Gesetzgeber in diesen Fällen nicht als ausreichend erachteten - Maßnahmen (z.B. Führungsaufsicht) ausweichen würde. 475 224
Zur Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wenn schon bei Urteilserlass mit Sicherheit feststeht, dass der Täter nach der Strafverbüßung nicht mehr gefährlich ist, vgl. oben Rdn. 2 0 6 und unten Rdn. 232 ff.
225
Im Übrigen ist die Maßregel nach § 66 Abs. 1 auch dann (erneut) anzuordnen, wenn sie schon durch ein früheres Urteil angeordnet war, aber noch nicht vollständig vollstreckt ist. 4 7 6 Dies gilt zwar weniger deshalb, weil nicht gewährleistet ist, ob die erste Maßregelanordnung Bestand hat, 4 7 7 als vielmehr aus einem Umkehrschluss zu § 67 f, dem die Zulässigkeit einer mehrfachen Maßregelanordnung zugrunde liegt. 478 In diesen Fällen fordert die Rechtsprechung eine besondere Erörterung der Verhältnismäßigkeit. 479 Wo diese einzuordnen ist, bleibt offen. Insbesondere ist fraglich, ob, wenn die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 vorliegen, unter Berufung auf § 62 von der obligatorischen Anordnung abgesehen werden kann. Bei § 66 Abs. 2 und Abs. 3 wäre die Verhältnismäßigkeit hingegen unproblematisch im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen. 480
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Zum Verhältnis der Sicherungsverwahrung zu den Maßregeln nach § § 6 3 und 64 vgl. die Kommentierung zu § 72. Grundsätzlich hat § 63 Vorrang vor § 66, da sie im Hinblick auf ihre Anrechnung auf die Strafe (§ 67 Abs. 1 und 4) regelmäßig die weniger beschwerende Maßregel ist. Das bedingt, dass dann, wenn der Sachverhalt Anhalts-
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BGH J R 1980 338 mit Anm. Hanack; Sch/Schröder/Stree Rdn. 44; aA Frommel NJW 1981 1084, die das für „unverständlich" hält. BTDrucks. V / 4 0 9 4 S. 17; BGH wistra 1988 22, 23; OLG Celle MDR 1970 6 0 7 ; ähnlich BGH bei Dallinger MDR 1970 729. BGH StV 1983 503; vgl. auch BGH GA 1984 330, 331. BGH JR 1980 338, 3 3 9 mit (insoweit)
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abl. Anm. Hanack·, aA offenbar auch: Böllinger/Pollähne NK Rdn. 123. AA: Frommel NJW 1981 1083, 1084. BGH NStZ-RR 1998 135; NJW 1995 3 2 6 3 ; Fischer Rdn. 39; Sch/Schröder/Stree Rdn. 46; Dölling StV 1996 542. So noch: OLG Hamm MDR 1966 164. BGH NJW 1995 3263. BGH StV 2 0 0 0 2 5 8 ; NStZ-RR 1998 135. Ähnlich: Dölling StV 1996 542, 544.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
punkte dafür enthält, dass auch die Voraussetzungen des § 63 vorliegen könnten, der Tatrichter diese sicher ausschließen muss, bevor er nach § 66 vorgehen kann. 4 8 1 Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung nach ξ 66a ist kein milderes Mittel. Ein entsprechendes Rangverhältnis lässt sich nicht aufstellen, denn Anordnung nach § 6 6 und Vorbehalt nach § 66a schließen sich - bei Vorrang des § 6 6 - gegenseitig aus (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 setzt die Feststellung der Allgemeingefährlichkeit voraus; § 66a setzt gerade voraus, dass die Allgemeingefährlichkeit nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar ist). 4 8 2 Die Gefahr, dass die Gerichte möglicherweise auf § 66a ausweichen, auch wenn die Voraussetzungen des § 66 vorliegen, wurde im Gesetzgebungsverfahren zur vorbehaltenen Sicherungsverwahrung gesehen (vgl. BR-Drs. 507/02 S. 3). Derartiges war aber ebenso wenig Absicht des Gesetzgebers, wie ein „Net-widening-Effekt". 483 Vielmehr sollte insbesondere der Fall erfasst werden, dass die Prognosegrundlage wegen der geringen Zahl von Taten oder der nahe an einer Tateineinheit liegenden Abfolge von Taten für die Bestimmung der Gefährlichkeit zum Zeitpunkt der Aburteilung noch zu gering ist (so dass eine Anordnung nach § 66 ausscheidet), aber durch Erkenntnisse des nachfolgenden Strafvollzuges noch erweiterungsfähig erscheint (BTDrucks. 14/8586 S. 5). Der BGH hat mehrfach bereits darauf hingewiesen, dass ein Ausweichen auf § 66a nicht möglich ist, wenn die Voraussetzungen des § 66 festgestellt wurden. 4 8 4
227
X . Obligatorische und fakultative Anordnung; Verhältnis zur Strafe 1. Allgemeines. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist in den Fällen des Absatz 1 obligatorisch, in den Fällen des Absatzes 2 und des Absatzes 3 hingegen fakultativ.
228
2. Obligatorische Anordnung nach Absatz 1. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut muss die Anordnung der Sicherungsverwahrung erfolgen, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 vorliegen. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Fall der Maßregelkonkurrenz vorliegt und die Anordnung sonstiger Maßregeln gemäß § 72 Abs. 1 ausreicht (dazu die Erl. zu § 72). § 72 greift jedoch nicht ein, soweit es um das Verhältnis zu einer schon früher angeordneten Sicherungsverwahrung geht: Nach allgemeiner Meinung ist Sicherungsverwahrung auch dann - nochmals - anzuordnen, wenn sie bereits in einem anderen Verfahren ausgesprochen und rechtskräftig geworden ist (vgl. oben Rdn. 225).
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Für eine Ermessensausübung ist, wenn die Voraussetzungen des § 6 6 Abs. 1 festgestellt sind, also grundsätzlich kein Raum. 4 8 5 Die gegenteilige Auffassung 4 8 6 dürfte mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar sein. Aus der Tatsache, dass die 10-jährigen Höchstfrist für die erstmalige Sicherungsverwahrung abgeschafft wurde, folgt nicht, dass eine erneute Anordnung obsolet wäre, weil sie keinen zusätzlichen Sicherheitsnutzen erbringt. Denn jedenfalls eine wegen gewaltfreier Eigentums- oder Vermögensdelikte angeordnete
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BGH NStZ 2 0 0 6 335, 336; BGH Beschl. v. 2 2 . 3 . 2 0 0 7 - 4 StR 5 6 / 0 7 ; BGH Beschl. v. 19.12.2006 - 4 StR 5 3 0 / 0 6 . BGHSt 50 188, 193 ff. BTDrucks. 1 4 / 8 5 8 6 S. 6; vgl. dazu auch: Peglau JR 2 0 0 2 449, 4 5 2 . BGHR StGB § 66a vorbehaltene Sicherungsverwahrung 1; BGHSt 50 188, 193 ff; aA
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offenbar BGH Urt. v. 10.1.2007 - 1 StR 530/06. BGH J R 1980 338, 3 3 9 ; NJW 1968 997, 998 (zum alten Recht); GA 1966 181 (zum alten Recht); Horn SK Rdn. 21; Lackner/ Kühl Rdn. 19; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4 6 . Ullenbruch MK Rdn. 152.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Sicherungsverwahrung dürfte regelmäßig wegen der strengen Voraussetzungen des § 67d Abs. 3 nach 10 Jahren für erledigt erklärt werden, so dass eine erneute Anordnung durchaus zusätzlichen Sicherheitsnutzen bringen kann. 231
Nicht statthaft ist es daher, wenn das Gericht, wie das in der Praxis immer wieder vorkommt, 4 8 7 trotz Bejahung der Voraussetzungen des Absatz 1 von der Anordnung absieht, etwa um dem Angeklagten noch einmal eine Chance zu geben, 4 8 8 ihm die Besserungsmöglichkeit nicht abzuschneiden oder ihm den Rückzug in ein geordnetes Leben nicht zu verbauen. 4 8 9 Die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ebenso wenig wie die rechtliche Beurteilung der Tat einer Verfahrensabsprache zugänglich. 490 Dies muss jedenfalls in Fällen des § 6 6 Abs. 1 gelten. 4 9 1 Eine derartige Vorgehensweise (z.B. auch im Wege eines „deals") erscheint für das Gericht nicht ohne Risiko, denn es besteht die Gefahr der eigenen Strafbarkeit nach §§ 2 5 8 , 258a, 339. Zum anderen dürften sich auch die Argumente, die für die Strafbarkeit einer Anstaltsleitung bei fehlerhaft gewährtem Freigang aus dem Maßregelvollzug angeführt werden 4 9 2 übertragen lassen, so dass je nach Art der erneuten Straffälligkeit seitens des nicht hinreichend Verwahrten möglicherweise auch eine Strafbarkeit z.B. nach §§ 2 2 2 oder 2 2 9 für die mitwirkenden Richter im Räume steht.
232
3. Fakultative Anordnung nach Absatz 2 und Absatz 3. In den Fällen des § 66 Abs. 2 und Absatz 3 ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt („kann"), 4 9 3 wobei der Richter freilich strikt an die Wert- und Zweckvorstellungen des Gesetzes gebunden ist. 4 9 4 Nach der gesetzgeberischen Vorstellung zum (heutigen) § 66 Abs. 2 soll er hier die Möglichkeit haben, sich auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Täter die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt (BTDrucks. V/40941 S. 21). Die Regelung ist aus dem Ausnahmecharakter des § 6 6 Abs. 2 abgeleitet, der nicht voraussetzt, dass der Täter schon früher Strafe erlitten oder verbüßt hat.
233
Für die Ermessensentscheidung ist nur Raum, wenn der Täter im Zeitpunkt des Urteilserlasses gefährlich ist, aber die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 nicht vorliegen. Angebracht sein kann das Absehen von der Anordnung trotz bestehender Gefährlichkeit sein, wenn die schuldangemessene Strafe für die Anlasstaten des Absatz 2 so hoch ist, dass „erwartet werden kann", der Täter werde sich die Strafverbüßung hinreichend zur Warnung dienen lassen (s.o.), also seine kriminelle Haltung ändern. Eine solche Erwartung kann nach Lage des Einzelfalles insbesondere berechtigt sein, wenn der Täter bisher noch keine oder keine nennenswerten Freiheitsstrafen verbüßt hat. 4 9 5 Auch sonst darf der Richter die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen berücksichtigen, und zwar selbst bei Tätern, die im Zeitpunkt der Verurteilung noch sehr jung sind. 4 9 6 Die Erwartung muss freilich stets konkrete Anhaltspunkte und hinreichende Gründe haben (lehrreich BGH NStZ 1985 261). - Nicht überzeugend
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Vgl. BGH NStZ-RR 2 0 0 5 39. BGH NJW 1968 997, 9 9 8 ; J R 1962 25. Vgl. BGH GA 1966 181; RGSt 73 154, 155. BGH NStZ-RR 2 0 0 5 3 9 m.w.N.; NStZ 2 0 0 5 526. Vgl. aber auch - weitergehend - BGH NStZ 2 0 0 5 5 2 6 für die Absätze 2 und 3 BGH N J W 2 0 0 4 2 3 7 ff.
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BGH NStZ 1988 4 9 6 ; 1985 261 m.w.N.; 1984 3 0 9 ; NJW 1976 3 0 0 und 301; BGH bei Holtz MDR 1976 9 8 6 ; NJW 1972 834, 835; allg. Meinung im Schrifttum. BGH NStZ 1985 261. BGH StV 2 0 0 5 1 2 9 , 1 3 0 ; NStZ 1988 4 9 6 ; 1985 261. Vgl. BGH NStZ 1996 331; 1989 67.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
ist es, im Hinblick auf § 6 7 c Abs. 1 im Falle des Absatz 2 grundsätzlich die Anordnung der Maßregel zu befürworten, 4 9 7 weil schon die bloße Anordnung, unbeschadet der Frage ihrer späteren Vollstreckung, einen schweren Eingriff in die gesamte soziale Stellung des Betroffenen bedeutet. Die Negierung des gesetzlich eingeräumten Ermessens stimmt auch nicht mit der gesetzgeberischen Wertung überein, die der Anordnung Ausnahmecharakter zuschreibt. Die Sicherungsverwahrung nach Absatz 2 kann, wie bei Absatz 1, auch verhängt werden, wenn Sicherungsverwahrung bereits in einem früheren Urteil angeordnet worden ist (s. Rdn. 2 2 5 ) . Hier muss aber auch zu erkennen gegeben werden, ob das Ermessen hinsichtlich der Notwendigkeit einer weiteren Maßregelanordnung hinreichend ausgeübt wurde.
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Das Gericht muss im Urteil darlegen, dass und in welcher Weise es von dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat. 4 9 8
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4. Verhältnis zur Strafe. Die Sicherungsverwahrung tritt grundsätzlich neben die Strafe. Aus der strukturellen Trennung von Strafe und Maßregel folgt, dass der Richter nicht befugt ist, an Stelle der Sicherungsverwahrung eine längere Freiheitsstrafe zu verhängen 4 9 9 und umgekehrt die schuldangemessene Strafe an sich auch nicht im Hinblick auf die Anordnung der Unterbringung unterschreiten darf. 5 0 0 Dies gilt auch in den Fällen des Absatzes 2 und des Absatzes 3, weil die Unterbringung auch insoweit allein an die Gefährlichkeit, nicht aber an die Schuld des Täters anknüpft. Auffallend ist, dass der B G H im Rahmen von Aufhebungsentscheidungen z.T. Rücksicht darauf nimmt, ob die Strafe bei Anordnung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre. 5 0 1 Insgesamt ist seine Einstellung zur Wechselwirkung zwischen Strafe und Maßregel ambivalent. Teilweise wird sie verneint. 5 0 2 So sind auch isolierte Aufhebungen des Maßregelausspruchs vorgekommen, wenn auszuschließen war - aufgrund der konkreten Umstände - , dass das Strafmaß von diesem beeinflusst war. 5 0 3 Nach anderen Entscheidungen - die aber z.T. als Einzelfallentscheidungen gewertet werden 5 0 4 - soll hingegen die Anordnung der Sicherungsverwahrung die Strafzumessung durchaus beeinflussen können. 5 0 5 O b daran heute noch - nach Einführung von §§ 66a und 6 6 b festzuhalten ist, erscheint zweifelhaft. Geht man davon aus, dass ein Strafzweck auch die Prävention ist, 5 0 6 so bedarf es zwar - wenn gleichzeitig auch die Sicherungsverwahrung verhängt wird - der Erfüllung dieses Zweckes durch die Strafe möglicherweise nicht. Er kann durch die Maßregel hinreichend erreicht werden. Es ist auch zu berücksichtigen, dass de facto bei solchen Strafhäftlingen, bei denen noch die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung ansteht, häufig der Vollzug der Strafhaft durch ein Weniger an Lockerungen etc. gekenn-
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498 499 500 501
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Horn SK Rdn. 20; Sch/Schröder/Stree Rdn. 57; vgl. auch zum alten Recht: BGHSt 21 11; wie hier: BGH NStZ 1996 331; Fischer Rdn. 40; Ullenbruch MK Rdn. 188. BGH NStZ-RR 2004 12; 1996 196,197. BGH bei Dallinger MDR 1973 727. BGH NStZ 2002 535, 536. Z.B. BGHR § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1, 2; Hang 3; § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 2. Vgl. BGH NStZ 2007 212, 213; BGH NStZ 1994 280, 281; vgl. auch BGH NJW 1996
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3018, 3019 (für wirksam erachtete Revisionsbeschränkung auf Maßregelausspruch insoweit in BGHSt 42 191 nicht abgedruckt). BGH NJW 2000 3015; 1996 3018, 3019. BGH NStZ 1994 280, 281. BGHR § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1 und 2; BGH NStZ-RR 2007 10,11; NStZ 2002 535, 536; BGH Urt. v. 13.3.2007 - 5 StR 499/07. Vgl. nur: Sch/Schröder/Stree § 46 Rdn. 5; Fischer § 46 Rdn. 2.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
zeichnet sein mag. Aber (jedenfalls) nach Einführung der §§ 66a und 66b wird man kaum noch von einer strafmildernden Berücksichtigung der Maßregelverhängung ausgehen können. Denn das würde die Täter, gegen die bereits anfänglich die Sicherungsverwahrung verhängt wird, gegenüber denjenigen, die die Maßregelanordnung erst nachträglich ereilt, ohne sachlichen Grund besser stellen. XI. Konkurrenz mit anderen Maßregeln 237
Bei Konkurrenz mit anderen Maßregeln beurteilt es sich nach den Maßstäben des § 72, ob die Maßregeln nebeneinander anzuordnen sind oder nur einzelne ausgesprochen werden müssen; s. dazu im Einzelnen die Erl. zu § 72; vgl. auch Dessecker S. 374 ff. Ausnahmsweise kann - auch bei Vorliegen der Voraussetzungen - von der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen werden.507 Zur Frage der Revisionsbeschränkung bei Anordnung einer Maßregel nach § 64 und Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung vgl. BGH Urt. v. 10.10.2006 - 1 StR 284/06 (insoweit nicht in NStZ 2007 212 veröffentlicht).
ΧΠ. Dauer der Sicherungsverwahrung; Aussetzung, Erledigung, Kontrolle 238
1. Dauer. Die Sicherungsverwahrung ist grundsätzlich eine Maßregel von unbestimmter Dauer, wie sich aus § 67d Abs. 3 ergibt und unbestritten ist. Allerdings bestehen nach 10 Jahren des Vollzuges erhöhte Anforderungen, an die weitere Vollstreckung. Nach § 67d ist diese nur zulässig (d.h. bei NichtVorliegen der Voraussetzungen hat das Gericht die Maßregel für erledigt zu erklären), „wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden". D.h. die Gefahr eines großen wirtschaftlichen Schadens reicht nicht aus, um die Maßregel über 10 Jahre hinaus noch zu vollstrecken. Das dürfte i.d.R. dazu führen, dass bei reinen Eigentums- oder Vermögensdelinquenten die Vollstreckung der Maßregel endet. Vgl. dazu § 67d Rdn. 60. Die Maßregelanordnung durch das verurteilende Gericht trägt die gesamt Vollstreckung der Maßregel bis etwas anderweitiges entschieden wird (Erledigung, Aussetzung), sofern die erforderlichen Überprüfungen nach § 67c und §§ 67d und 67e rechtzeitig durchgeführt worden sind (oder mit ihnen jedenfalls rechtzeitig begonnen wurde).508 Vgl. zum Ganzen auch § 67c Rdn. 83 ff.
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2. Aussetzung der Vollstreckung, Führungsaufsicht. Vor dem Ende des Strafvollzugs, der der Sicherungsverwahrung zwingend vorausgeht (Schluss aus § 67 Abs. 1; vgl. näher Kommentierung zu § 67), hat die Strafvollstreckungskammer von Amts wegen zu prüfen, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert; ist dies nicht der Fall, setzt es die Vollstreckung zur Bewährung aus (§ 67c Abs. 1). Kommt es zu einer solchen Aussetzung vor Beginn der Vollstreckung nicht, ist nach begonnenem Vollzug die weitere Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen, „sobald zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird" (§ 67d Abs. 2).
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BGH StraFo 2 0 0 6 167; NJW 2 0 0 0 3015. Vgl. BVerfGE 4 2 1, 11 m. abw. Votum
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Hirsch; einschränkender: Ullenbruch Rdn. 287.
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MK
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
Mit der Aussetzung tritt jeweils Führungsaufsicht ein (§ 6 7 c Abs. 1 S. 2 ; § 67ά Abs. 2 S. 2). Gleiches gilt in den Sonderfällen der Aussetzung nach § 6 7 c Abs. 2, wenn der Vollzug der Unterbringung bzw. der Strafe drei Jahre nach Rechtskraft der Anordnung noch nicht begonnen hat. Die Aussetzung kann unter den Voraussetzungen des § 67g widerrufen werden. 3. Erledigung der Maßregel. Zu ihr kommt es, außer in den Sonderfällen des § 6 7 c Abs. 2 S. 5 und 67d Abs. 3, in der Regel nur auf dem Weg über eine erfolgreiche Bewährungsaussetzung: Wenn das Gericht eine solche Aussetzung nicht gemäß § 67g widerruft, führt sie nach dem Ende der Führungsaufsicht (§ 68c) bzw. nach deren vorzeitiger gerichtlicher Aufhebung (§ 68e) zur endgültigen Entlassung; dann ist die M a ß regel „erledigt", § 67g Abs. 5.
240
4. Kontrollpflichten. Während der Unterbringung bestehen besondere Überwachungspflichten des Gerichts im Hinblick auf die Frage, ob die weitere Vollstreckung noch erforderlich ist (§ 67t).
241
Χ Ι Π . Vollstreckung u n d Vollzug 1. Reihenfolge der Vollstreckung. Aus § 6 7 Abs. 1 ergibt sich, dass das Prinzip des Vorwegvollzugs der Maßregel für die Sicherungsverwahrung nicht gilt, die Strafe für die Anlasstat also stets vor der Maßregel zu vollziehen ist. Doch kann der Täter unter den Voraussetzungen des § 9 StVollzG (vgl. § 130 StVollzG) schon während der Strafverbüßung in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt werden; eine solche Verlegung ist nach Wegfall des § 65 bei jüngeren Tätern in der Regel geboten. - Bei gleichzeitiger Anordnung anderer freiheitsentziehender Maßregeln gilt § 7 2 Abs. 3 (vgl. die dortigen Erl.).
242
2. Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel. Sie ist zum Zwecke der besseren Resozialisierung unter den Voraussetzungen des § 67a auch beim Vollzug der Sicherungsverwahrung (vgl. § 67a Abs. 2) als nachträgliche Anordnung zulässig.
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3. Gestaltung des Vollzugs. Die Sicherungsverwahrung wird in Anstalten der Landesjustizverwaltungen vollzogen (§ 139 StVollzG). Für den Vollzug gelten im Einzelnen die §§ 1 2 9 - 1 3 5 StVollzG, die durch bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften zum StrafvollzugsG ( W S t V o l l z G ) ergänzt werden. Ziel der Unterbringung ist in erster Linie die sichere Verwahrung zum Schutz der Allgemeinheit (§ 129 S. 1 StVollzG); doch „soll" dem Verwahrten „geholfen werden, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern" (§ 129 S. 2). Näher dazu die Erläuterungswerke zum StVollzG.
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Die Frage der Ausgestaltung des Vollzugs hat verfassungsrechtliche Bedeutung; s. dazu Rdn. 36. Sie wird in BVerfGE 109 133, 154 (Resozialisierung auch im Rahmen des Vollzugs der Sicherungsverwahrung) noch einmal betont. 5 0 9
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Vgl. zu den vollzuglichen Konsequenzen der Entscheidung: Schmälzger/Skirl ZfStrVo 2004 323 ff.
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§ 66
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
XIV. Verfahrensrechtliches 245
1· Die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Die Anordnung der Maßregel erfolgt zusammen mit der Strafe im Urteil (§ 2 6 0 StPO), und zwar ohne Befristung. Vom Antrag der Staatsanwaltschaft ist die Anordnung nicht abhängig; das Gericht hat die Voraussetzungen des § 66 vielmehr auch ohne Antrag zu prüfen, 5 1 0 muss dabei aber ggf. § 265 StPO (Hinweispflicht) beachten. 511 Ist in der Anklageschrift noch nicht auf die Möglichkeit der Maßregelanordnung hingewiesen worden, so ist zu prüfen, ob dies im Eröffnungsbeschluss zu geschehen hat.
246
Wird die Sicherungsverwahrung angeordnet, ist dies im Urteil zu begründen (§ 2 6 7 Abs. 6 S. 1 StPO). Es ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Feststellung von Hang und Gefährlichkeitsprognose Aufgabe des Tatrichters sind, die bloße unreflektierte Wiedergabe eines Sachverständigengutachtens ohne eigene Wertung also nicht reicht (vgl. oben Rdn. 117 und 202). Wird die Maßregel nicht angeordnet, so ergibt sich die Begründungspflicht für den Fall, dass ein entsprechender Antrag gestellt war, ebenfalls aus § 2 6 7 Abs. 6 S. 1 StPO (prozessuale Begründungspflicht). Auch wenn ein Antrag nicht gestellt war, besteht eine Begründungspflicht, wenn die formellen Voraussetzungen einer Maßregelanordnung vorliegen und die Feststellungen die Annahme eines Hangs nahelegen (sachlich-rechtliche Begründungspflicht). 512 Wird die Maßregel angeordnet, ist genauestens darauf zu achten, dass die Feststellungen ausreichend sind, um dem Revisionsgericht die Überprüfung vor allem auch der formellen Voraussetzungen zu ermöglichen. D.h. dass ggf. bei früheren Verurteilungen zu Gesamtstrafen die jeweiligen Einzelstrafhöhen mitgeteilt werden müssen und Daten mitgeteilt werden, aus denen sich der Ausschluss der Rückfallverjährung ergibt. 5 1 3
247
2. Sachverständige. Ein Sachverständiger „soll" schon im Ermittlungsverfahren (§ 80a StPO) und „muss" in der Hauptverhandlung (§ 2 4 6 a StPO) zugezogen werden. Die Zuziehung in der Hauptverhandlung hat selbst dann zu erfolgen, wenn der Tatrichter beim Angeklagten Ansatzpunkte für eine psychische Auffälligkeit nicht erkennt (BGH bei Miebach NStZ 1990 27). Aufgabe des Sachverständigen ist es nicht, Gründe für die Notwendigkeit der Unterbringung zu finden, sondern sich zum Zustand des Angeklagten und den Behandlungsaussichten, insbesondere also zu den einen Hang ausmachenden Persönlichkeitsmerkmalen, sachverständig zu äußern (BGH bei Holtz M D R 1990 97). 5 1 4 Der Sachverständige sollte nach Möglichkeit ein „externer" Gutachter sein, also nicht jemand, der den Angeklagten bereits aus früheren Aufenthalten im Strafvollzug kennt. 5 1 5 Der Sachverständige hat Anknüpfungs- und Befundtatsachen klar und vollständig darzustellen, seine Untersuchungsmethoden zu erläutern und seine Hypothesen offen zu legen. Auf dieser Grundlage hat er eine Wahrscheinlichkeitsaussage über das
510 511 512
513 514
Vgl. Sch/Schröder/Stree Rdn. 46. Vgl. Engelhardt KK § 2 6 5 Rdn. 15 m.w.N. BGH N J W 1999 2 6 0 6 ; NStZ 1996 331; NStZ-RR 1996 196; Fischer Rdn. 41; kritisch: Schöch J R 2 0 0 0 209. BGH Beschl. v. 8.8.2006 - 4 StR 215/06. Zur Problematik der Begutachtung in den Fällen des § 66 vgl.: Deckers Probleme der forensischen Hang-Diagnostik bei Sicherungsverwahrung S. 46 ff; Habermeyer
484
5,5
MschrKrim. 2 0 0 5 12 ff; Habermeyer/Hoff/ Saß MschrKrim. 2 0 0 2 2 0 ff; Habermeyer/ Kunert/Herpetz ArchKrim. 213 (2004) 65 ff; Kröber MschrKrim. 2 0 0 4 261 ff; Kinzig RuP 1 9 9 7 9 f; Diskussionsbericht Küpper ZStW 102 4 4 9 ff; Leygraf Die Begutachtung der Gefährlichkeitsprognose S. 4 3 7 ff; Müller-Metz StV 2 0 0 3 42 ff; Schüler-Springorum MschrKrim. 1989 147. BVerfGE 109 133, 164.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§66
künftige Legalverhalten des Angeklagten zu treffen. 516 Hang und Gefährlichkeitsprognose werden aber nicht vom Sachverständigen festgestellt, sondern dies muss das Gericht (sachverständig beraten) tun. Es reicht i.d.R. nicht, bloß Ausführungen des Sachverständigen ohne erkennbare eigene Würdigung im Urteil wiederzugeben. 517 Will das Gericht von der Einschätzung des Sachverständigen abweichen, muss er sich in einer Weise mit den Darlegungen des Sachverständigen auseinandersetzen, die erkennen lässt, dass er mit Recht eigene Sachkunde in Anspruch genommen hat und die Darlegungen des Sachverständigen im Einzelnen wiedergeben. 518 Aber auch im Übrigen bedarf es - zur Darlegung von Hang und Gefährlichkeit - im Rahmen der vom Gericht vorzunehmenden Gesamtwürdigung einer hinreichenden Wiedergabe und Würdigung der Ausführungen des Sachverständigen hierzu im Urteil. 519 Dittmann hat eine sehr hilfreiche Checkliste aufgestellt, die dem Juristen auch zur Überprüfung von Prognosegutachten dienen kann. 5 2 0 „Mindestanforderungen für Prognosegutachten" sind auch bei Boetticher/Kröber/u.a. in NStZ 2 0 0 6 537 ff aufgelistet und dargestellt. Eine Unterbringung zur Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. 81, 119 StPO kommt in Betracht. Verweigert der Angeklagte jedoch seine Mitwirkung bei einer Exploration, so bedarf es besonderer Darlegung, warum die Unterbringung dennoch Erkenntnis bringen kann. Anderenfalls wäre sie unverhältnismäßig. 521
248
3. Rechtsmittel. Die Revision sowie die Aufhebungsentscheidung des Revisionsgerichts kann nach ständiger Rechtsprechung darauf beschränkt werden, dass die Anordnung oder die Ablehnung der Sicherungsverwahrung zu Unrecht erfolgt ist, wenn sich im Einzelfall mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen lässt, dass zwischen ihr und der verhängten Strafe ein Zusammenhang besteht. 522 Zur Beurteilung dieses Zusammenhangs s. Hanack Anm. J R 1980 341 sowie, auch zu abweichenden Ansichten, Hanack in LR § 344 Rdn. 55.
249
4. Zum Verschlechterungsverbot. Für die Maßregel der Sicherungsverwahrung gilt das Verbot der reformatio in peius gem. § 358 Abs. 2 StPO. Dies führt zu gewissen Unstimmigkeiten im Verhältnis zur nachträglichen Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB, da nach dieser Vorschrift nur nach der Verurteilung bekannt gewordene Tatsachen zur nachträglichen Anordnung berechtigen, Umstände die aber noch im Rechtsmittelverfahren oder nach einer Zurückverweisung bekannt geworden sind, nach § 358 Abs. 2 StPO unberücksichtigt bleiben müssten. 523 Entsprechende Gesetzesanträge zur Abänderung des § 358 Abs. 2 StPO gab es bereits (BTDrucks. 15/3652 S. 8), sie wurden aber was die Sicherungsverwahrung angeht - bisher nicht verwirklicht.
250
Im Rahmen der Frage Sicherungsverwahrung - Verschlechterungsverbot spielt weiter die Möglichkeit eines Maßregelaustausches (z.B. § 63 wird durch § 66 oder umgekehrt) eine Rolle. Vgl. dazu Kretscbmer S. 220 ff und die Kommentierung zu § 72.
251
516
517 518
519 520 521
BVerfGE 109 133, 164; vgl. dazu Kröber MschrKrim. 2 0 0 4 261, 2 6 7 f. BGHSt 5 0 188, 193 ff. BGH NStZ-RR 2 0 0 7 10 f; BGH NStZ 2 0 0 5 628. BGH Beschl. v. 7.3.2006 - 3 StR 37/06. Dittmann S. 37, 4 2 ff. BGH NStZ-RR 2 0 0 2 38.
522
523
So z.B. und mit w. Nachw. BGH NStZ 1994 2 8 0 , 281; BGH bei Holtz MDR 1 9 8 9 6 8 2 ; JR 1980 338 mit Anm. Hanack; NStZ 1983 71; BGHR § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1, 2 ; § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 2; vgl. schon BGHSt 7 101 (grundlegend). Peglau N J W 2 0 0 4 3 5 9 9 f.
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485
§ 66a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
XV. Übergangsregelungen 252
1. 1. StrRG. Zur Übergangsregelung im 1. StrRG, welche aufgrund des Zeitablaufs kaum mehr relevant werden dürfte, vgl. Hanack in der Vorlauflage Rdn. 184.
253
2. Recht des EinigungsVertrages und spätere Übergangsregelungen durch das SichVG und das SexualdelikteBekG. Nach dem Einigungsvertrag vom 3.10.1990 war die Maßregel zunächst nur auf Täter anwendbar, die die Verurteilung auslösende Tat in den „alten" Bundesländern begangen haben oder dort ihre Lebensgrundlage hatten. 5 2 4 Das „Gesetz zur Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsverwahrung" (SichVG) vom 16.6.1995 5 2 5 hat mit Wirkung zum 1.8.1995 bestimmt, dass die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in den neuen Bundesländern uneingeschränkt Anwendung finden, soweit sämtliche Voraussetzungen für die Maßregel erst nach dem 1.8.1995 gelegt worden sind (Art. l a Abs. 1 1. Hs. i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 i.d.F. des SichVG). Im Übrigen sind die Regelungen anwendbar, wenn bei § 66 Abs. 1 die Vorsatztat, wegen der zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren oder mehr verurteilt wird, und bei Abs. 2 diejenige, durch die er Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, nach dem 1.8.1995 begangen hat. Diese Einschränkungen wurden inzwischen durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung 526 zum 29.7.2004 gestrichen. Gleiches gilt für die Anwendungseinschränkungen hinsichtlich des mit dem SexualdelikteBekG eingeführten Absatz 3. Dementsprechend bestehen nun keinerlei Anwendungseinschränkungen mehr. 5 2 7 Die daraus folgende Rückwirkung, d.h. die Möglichkeit der Maßregelanordnung aufgrund von bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes erfüllten Voraussetzungen, ist verfassungsgemäß, da das Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 für Maßregeln nicht gilt. 5 2 8
§ 66a
Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (1) Ist bei der Verurteilung wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Straftaten nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, ob der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 gefährlich ist, so kann das Gericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 erfüllt sind. (2) Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung entscheidet das Gericht spätestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, auch in Verbindung mit § 454b Abs. 3 der Strafprozessordnung, möglich ist. Es ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
524
525
Art. l a EGStGB i.d.F. des Einigungsvertrages Anlage 1 Kapitel III Sachgebiet C Abschn. II Nr. l a , BGBl. 1990 II S. 954. BGBl. I S. 818; kritisch: Kinzig NJ 1997 63 ff.
486
526 527
528
BGBl. I S. 1838. Vgl. BGHSt 5 0 373, 377; § 66 Geltungsbereich. BVerfGE 109 133, 167.
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Sch/Schröder/Stree
Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
(3) Die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung darf erst nach Rechtskraft der Entscheidung nach Absatz 2 Satz 1 ergehen. Dies gilt nicht, wenn die Voraussetzungen des § 5 7 Abs. 2 Nr. 2 offensichtlich nicht vorliegen.
Schrifttum Arloth Prävention durch nachträgliche oder vorbehaltene Sicherungsverwahrung in: Schöch/ Jehle (Hrsg.) Angewandte Kriminologie zwischen Freiheit und Sicherheit (2004) S. 327; Callies Die „Entwicklung des Verurteilten im Strafvollzug und die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ohne Vorbehalt ZfStrVO 2004 135; Jansing Nachträgliche Sicherungsverwahrung (2004); Kinzig Das Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung NJW 2002 3204; ders. Neues von der Sicherungsverwahrung StV 2002 500; Laubenthal Die Renaissance der Sicherungsverwahrung ZStW 116 (2004) 702; Müller-Metz Die Sicherungsverwahrung StV 2003 42; Passek Sicherungsverwahrung im Wandel Neuregelung der §§ 66, 66a und 66b StGB GA 2005 96; Peglau Das Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung JR 2002 449; Rissing-van Saan Vorbehaltene und nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung als Bewährungsproben des Rechtsstaates, Festschrift Nehm (2006) S. 191; Rzepka Sicherheit statt Rechtsstaat - Überblick und Anmerkungen zu bundes- und landesrechtlichen Konzepten einer nachträglichen Sicherungsverwahrung Teil 1 R&P 2003 127; dies. Sicherheit statt Rechtsstaat Überblick und Anmerkungen zu bundes- und landesrechtlichen Konzepten einer nachträglichen Sicherungsverwahrung Teil 2 R&P 2003 191; Schreiber/Rosenau Rechtliche Grundlagen der psychiatrischen Begutachtung, in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung (2004) S. 53; Streng Das Legitimations-Dilemma sichernden Freiheitsentzuges - Überlegungen zur neueren Rechtsentwicklung in: Festschrift Lampe (2003) S. 611; Ullenbruch Vorbehaltene Sicherungsverwahrung noch eine „Norm ohne Land"? NStZ 2008 5. Vgl. auch die Nachweise zu § 66 und zu § 66b.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 2 1 . 8 . 2 0 0 2 (BGBl. I S. 3 3 4 4 ) mit Wirkung zum 2 8 . 8 . 2 0 0 2 eingeführt. Vorläufervorschriften zu dieser Regelung gibt es nicht. Die Regelung lehnt sich allerdings an § 2 7 J G G (Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe) an (BR-Drs. 219/02 S. 10).
Übersicht Rdn. I. Normstruktur und Normzweck 1. Allgemeines 2. Normzweck Π. Entwicklung
1 2 4
ΠΙ. Kritik der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung IV. Verfassungsrechtliche Aspekte und Aspekte der M R K 1. Gesetzgebungskompetenz 2. Materielles Verfassungsrecht und Menschenrechte a) Verbot der Doppelbestrafung . . . b) Zweifelssatz c) Art. 5 Abs. 1 S. 2 E M R K
7
10 11 12 15 16
Rdn. d) Weitere verfassungsrechtliche Bedenken V. Anordnung des Vorbehalts (1. Stufe) 1. Allgemeines 2. Formelle Voraussetzungen a) Verurteilung wegen einer Katalogtat nach § 66 Abs. 3 S. 1 b) Weitere formelle Voraussetzungen aa) § 66 Abs. 3 S. 1 bb) § 66 Abs. 3 S. 2 3. Materielle Voraussetzungen a) Nicht hinreichend sicher feststellbare Gefährlichkeit b) Hang
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17 18
20 22 23
24 30
487
§ 66a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Rdn.
aa) Ansicht des BGH (Hangfeststellung erforderlich) bb) Gegenansicht (Hangfeststellung nicht erforderlich) (1) Zu den Argumenten des BGH (2) Gegenargument (3) Zu weiteren Argumenten . cc) Praxishinweis c) Symptomcharakter der Anlasstaten etc d) Verhältnismäßigkeit 4. Rechtsfolge 5. Heranwachsende VI. Entscheidung über die Anordnung aufgrund des Vorbehalts (2. Stufe) 1. Allgemeines 2. Formelle Voraussetzungen a) Bestehen eines Vorbehalts . . . . b) Verbüßung von Strafhaft und Entscheidungszeitpunkt aa) Entscheidungszeitpunkt als materiellrechtliche Voraussetzung bb) Entscheidungszeitpunkt als Verfahrensvorschrift cc) Stellungnahme
Rdn. 3. Materielle Voraussetzung a) Gefährlichkeitsprognose aa) Gesamtwürdigung bb) Entwicklung im Vollzug . . . cc) Gefahr erheblicher Straftaten b) Hang? c) Verhältnismäßigkeit 4. Rechtsfolge
32
35 39 41 42
VU. Berücksichtigung bei der Strafzumessung und Verhältnis zu anderen Maßregeln
43 44 45 46
V m . Übersicht über Zuständigkeit und Verfahren 1. Verfahren zur Anordnung des Vorbehalts 2. Nachverfahren a) Zuständigkeit, Ingangsetzung, Entscheidungszeitpunkt b) Frühestmöglicher Zeitpunkt . . . c) Vorbereitung der Hauptverhandlung d) Verfahren in der Hauptverhandlung e) Verhältnis zur Strafrestaussetzung zur Bewährung f) Unterbringungsbefehl g) Rechtsmittel 3. Vollstreckung
47 48 49
51 52 53
55 56 58 62 63 64 65 66 70 71
76 80 81 82 83 84 85 86
I. Normstruktur und Normzweck 1
1. Allgemeines. § 66a enthält in seinem Abs. 1 die Ermächtigung des über eine Anlasstat i.S.v. § 66 Abs. 3 S. 1 urteilenden Gerichts, bei Zweifeln an der Gefährlichkeit i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB die Anordnung der Sicherungsverwahrung einem späteren Zeitpunkt vorzubehalten (1. Stufe). Die Absätze 2 und 3 enthalten demgegenüber die Voraussetzungen für die im Nachverfahren zu treffende Entscheidung (2. Stufe). 1
2
2. Normzweck. Durch § 66a soll der Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen (Sexual-)Straftätern verbessert werden. Ähnlich wie bei § 66b geht es hier darum, zu verhindern, dass Verurteilte Straftäter nach Verbüßung ihrer Strafe in Freiheit entlassen werden müssen, wenn sie sich erst nach der Verurteilung als hochgefährlich erweisen. Anders als § 66b erfasst § 66a aber die Fälle, in denen bei Aburteilung der Anlasstat, die Gefährlichkeit zwar schon erkennbar ist oder jedenfalls möglich erscheint, diese aber noch nicht mit der für eine Anordnung nach § 66 Abs. 3 erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann (BRDrucks. 291/02 S. 7; BTDrs. 14/9041 S. I). 2 Die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung muss also hier schon einmal geprüft worden sein. Ein weiterer - oftmals unterschlagener - Gesetzeszweck ist zudem, die Schwäche des § 66 Abs. 3, nämlich die angesichts der geringen Zahl von erforderlichen Straftaten oft-
1
Vgl. Laubenthal ZStW 116 (2004) 702, 737; Rzepka R&P 2003 127, 139; Schreiber/ Rosenau S. 53, 100.
488
2
Lackner/Kühl Rdn. 1; Ullenbruch MK Rdn. 1.
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Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
mais schwierige Hang- und Gefährlichkeitsprognose, dadurch auszugleichen, dass die Entscheidung über die Gefährlichkeitsprognose nach hinten verlagert wird und so die Tatsachenbasis durch Erkenntnisse aus dem Vollzug verbreitert werden kann (BR-Drs. 219/02 S. 7). In der Literatur wird zum Teil angezweifelt, dass diese Ziele erreicht werden können. Insbesondere wird der Einwand erhoben, dass dem Vollzugsverhalten wegen der künstlichen Bedingungen des Strafvollzugs nur eingeschränkte Prognosewirkung zukommt. 3 Offenbar steht dahinter die Befürchtung, dass nunmehr „primär" 4 aufgrund des Vollzugsverhaltens die Sicherungsverwahrung zu einem späteren Zeitpunkt angeordnet wird. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption nur Unsicherheiten, die eine Anordnung nach § 66 Abs. 3 unmöglich gemacht haben, durch die Vorbehaltslösung begegnet werden sollte. Es geht jedenfalls bei § 66a nicht um eine Anordnung der vorbehaltenen Maßregel erst aufgrund des Vollzugsverhaltens, sondern aufgrund einer Gesamtwürdigung unter Einbeziehung des Vollzugsverhaltens (freilich auch unter Berücksichtigung der künstlichen Vollzugsbedingungen). Das ergibt sich bereits aus dem klaren Gesetzeswortlaut. Man wird die Vorschrift also in dem Sinne verstehen müssen, dass letzte Zweifel, die die anfängliche Anordnung der Maßregel gehindert haben, möglicherweise aufgrund der erweiterten Tatsachenbasis beseitigt werden können. Keinesfalls war gewollt, dass nunmehr „flächendeckend" Vorbehalte - ohne hinreichende Anhaltspunkte für eine Gefährlichkeit ausgesprochen werden, um dann die Gefährlichkeit später allein aufgrund des Vollzugsverhaltens begründen zu können. Das zeigt sich schon an dem Hinweis des Gesetzgebers, dass sog. „Net-widening-Effekten" vorgebeugt werden soll (BR-Drs. 291/02 S. I I ) . 5 Andererseits ist § 66a keine Ausweichnorm, um eine Anordnung nach § 66 zu vermeiden, wenn deren Voraussetzungen vorliegen. 6
3
Π. Entwicklung Seit dem Jahre 1997 gab es zahlreiche Initiativen einiger Länder (vor allem Bayerns), 7 über den Bundesrat eine bundesweite Einführung einer „nachträglichen Sicherungsverwahrung" zu erreichen, um die Bevölkerung vor solchen Straftätern zu schützen, deren Gefährlichkeit sich entweder erst nach einer strafrechtlichen Verurteilung erwies oder aber gegen die trotz bekannter Gefährlichkeit aus anderen Gründen die Maßregel der Sicherungsverwahrung nicht angeordnet worden war. Sämtliche Initiativen scheiterten jedoch. Den Initiativen gegenüber vertrat das Bundesministerium der Justiz die (inzwischen vom BVerfG korrigierte 8 ) Ansicht, dass es sich um reines Gefahrenabwehrrecht handele und für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG („Strafrecht") nicht bestehe. 9 Das Land Hessen versuchte dann eine Vorbehaltslösung (ähnlich der jetzigen Gesetzesfassung) über
3
4 5
6
Ullenbruch MK Rdn. 11 ff; Kinzig N J W 2 0 0 2 3204, 3 2 0 6 . Ullenbruch MK Rdn. 11. Zum dafür vom Gesetzgeber gewählten Mittel der Ermessensvorschrift krit.: Fischer Rdn. 7. BGHSt 5 0 188 193 f; BGHR § 66a vorbehaltene Sicherungsverwahrung 1.
7
8 9
Vgl. BRDrucks. 6 9 9 / 9 7 ; BRDrucks. 854/98; BRDrucks. 144/00; BRDrucks. 176/01. BVerfGE 109 190 ff. U.a.: BR-Plenarprotokoll, 749. Sitzung (17.3.2000), S. 131; 758 Sitzung (21.12.2000), S. 647.
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4
§ 66a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
den Bundesrat in das Gesetzgebungsverfahren zu bringen.10 Die Länder Bayern 11 , BadenWürttemberg 12 , Niedersachsen13, Sachsen-Anhalt14 und Thüringen 15 führten Unterbringungsgesetze als Landesgesetze ein. Die Bundesregierung brachte im Jahre 2002 einen eigenen Gesetzentwurf zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ein (BR-Drs. 219/02). Es folgte ein gleichlautender Entwurf der Regierungskoalition (BTDrucks. 14/8586), der schließlich auch Gesetz wurde.16 Auf der Grundlage seiner damaligen Rechtsauffassung war der Bundesgesetzgeber damit an die Grenzen seiner kompetenzrechtlichen Möglichkeiten gestoßen. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 10.2.2004 (BVerfGE 109 190 ff) hingegen entschieden, dass die Gesetzgebungskompetenz für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung ebenfalls dem Bund zusteht (vgl. dazu Rdn. 10). Daraufhin ist der Bundesgesetzgeber mit der Schaffung des § 66b StGB tätig geworden. 5
Obwohl bisher nur sehr wenige Vorbehalte angeordnet worden sein dürften (jedenfalls finden sich kaum veröffentliche Entscheidungen), meinte der Gesetzgeber im Rahmen der Schaffung des § 66b, dass man auf § 66a nicht verzichten könne, weil das die Anlasstat aburteilende Gericht nicht auf das spätere Erkennbarwerden von Tatsachen, die eine neue Gefährlichkeitsprognose begründen, vertrauen könne und deswegen die Möglichkeit des Vorbehalts wie bisher prüfen müsse (BTDrucks. 15/2887 S. 12; anders noch die Beschlussempfehlung des BR, BR-Drs. 202/1/04 S. 3). Im Ergebnis ist dem grundsätzlich zuzustimmen.17 Vor allem im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erscheint es an sich angezeigt, § 66a bestehen zu lassen. In den Fällen, in denen noch Zweifel an der Gefährlichkeit bestehen, wird dem Verurteilten durch die Vorbehaltsanordnung noch einmal der „Ernst der Lage" vor Augen geführt und er noch einmal eindringlich zur Besserung gemahnt. Das dürfte gegenüber § 66b ein milderes Mittel sein, als gar keine Maßregelentscheidung zu treffen und dann gegen Ende der Strafhaft eine Anordnung nach § 66b StGB zu treffen, ohne dem Verurteilten vorher seine Situation eindringlich vor Augen gehalten zu haben (dem hat die Rechtsprechung allerdings durch die Auslegung des Begriffs der neuen Tatsachen bei § 66b ohnehin einen Riegel vorgeschoben, vgl. dort Rdn. 87 ff). 18 § 66b StGB kommt dann in erster Linie für die Fälle in Betracht, in denen auch ein Vorbehalt bei Aburteilung der Anlasstat nicht angezeigt war.
6
Einige Ungeschicklichkeiten des Gesetzgebers, der bei der Abfassung der Vorschrift ungewollte Interpretationsmöglichkeiten offen gelassen hat, haben dazu geführt, dass denjenigen, denen die „rechtspolitische Richtung der §§ 66a, 66b insgesamt" (vgl. Fischer § 66b Rdn. 6 m.w.N.) nicht behagt, zahlreiche Angriffsflächen geboten werden. Da die Regelung bisher ohne praktische Relevanz ist 19 und diese auch nicht mehr erlangen kann, da sie aufgrund der Auslegung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Hangerfordernis bei Anordnung des Vorbehalts und zur materiellrechtlichen Ausschlusswirkung der Fristüberschreitung nach § 66a Abs. 2 S. 1 weitgehend obsolet geworden ist (vgl. dazu unten Rdn. 39 ff), sollte überlegt werden, ob sie zu streichen ist. § 66a könnte
10 11 12 13 14 15 16
BRDrucks. 118/02; BRDrucks. 281/02. BayGVBl. 2001, 978. GBl. 2001, 188. GVB1. 2003, 368. GVB1. 2002, 80. GVB1. 2003,195. Vgl. zur Entstehung auch: Ollenbruch MK Rdn. 4 ff; Kinzig StV 2002 500, 503; Peglau JR 2002 449; Rzepka R&P 2003 127, 138 f.
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17 18
19
AA Poseck NJW 2004 2559, 2562. Arloth Prävention durch nachträgliche oder vorbehaltene Sicherungsverwahrung S. 327, 331. Fischer § 66a Rdn. 2a; Römer JR 2006 5; Menbruch NStZ 2008 5, 6.
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Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
allerdings gerade bei jungen Erwachsenen, bei denen noch die Aussicht auf eine Entwicklung der Persönlichkeit besteht, einen Sinn haben. Derzeit gibt es - parallel zu § 66 - auch bei § 66a Gesetzesbestrebungen, eine Ersttäterregelung (entsprechend § 66b Abs. 2) zu schaffen.20 ΙΠ. Kritik der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung Gegen die vorbehaltene Sicherungsverwahrung wird - abgesehen von verfassungs- 7 rechtlichen Bedenken (dazu unten 10 ff) - in erster Linie vorgebracht, dass die Ergänzung der Erkenntnisgrundlage um den Zeitraum teilweise Strafvollstreckung nichts an der anfänglichen Prognoseunsicherheit ändere, ja dies sogar kontraproduktiv sei. Denn das Leben im Vollzug sei „künstlich" und habe nur eingeschränkte Aussagekraft für eine Gefährlichkeitsprognose.21 Andere halten demgegenüber den Einwand zwar für gewichtig, meinen aber, seine Berechtigung oder Nichtberechtigung müsse sich erst in einer „Erprobungsphase" erweisen.22 Ob Erkenntnisse aus dem Strafvollzug anfänglich vorhandene Zweifel bei der Gefährlichkeitsprognose beseitigen können, dürfte indes eine Frage des Einzelfalls sein. Das Gericht muss sich natürlich der besonderen Bedingungen des Vollzugs bewusst sein. Ob dann ein bestimmtes Vollzugsverhalten (z.B. neue Straftaten, aggressives Verhalten gegen andere Gefangene oder Bedienstete) tatsächlich auch auf eine Gefährlichkeit im Falle der Entlassung hindeutet, ist eingehend zu prüfen. Insgesamt bietet § 66a aber wohl eher die Möglichkeit, Fehleinweisungen in den Vollzug der Sicherungsverwahrung aufgrund einer verbreiterten Prognosebasis zu vermeiden.23 Außerdem werden Zweifel geäußert, ob nicht die Gefahr besteht, dass „Gerichte anstatt der sofort gebotenen Sicherungsverwahrung zunächst nur einen Vorbehalt aussprechen, um die vermeintlich besseren Erkenntnismöglichkeiten nach der Teilvollstreckung der Strafe zu nutzen" und so am Ende weniger Sicherungsverwahrungen angeordnet werden könnten, als vor Schaffung des § 66a, was im Hinblick auf die intendierte Schutzfunktion kontraproduktiv sei. 24 Dies wäre sicherlich eine dem Verhältnis von § 66 zu § 66a und dem gesetzgeberischen Willen widersprechende Entwicklung die es zu vermeiden gilt. Steht die Gefährlichkeit zum Zeitpunkt der Aburteilung fest, so ist im Falle des § 66 Abs. 1 zwingend und im Falle der Absätze 2 und 3 fakultativ die Sicherungsverwahrung anzuordnen.25 Jedenfalls liegt dann die in § 66a tatbestandlich vorausgesetzte Unsicherheit nicht vor.
8
Schließlich wird die Erforderlichkeit einer solchen Regelung angezweifelt, weil auch 9 ohne die Vorschrift in der Vergangenheit die Zahl der Tötungs- und Sexualdelikte gesunken sei.26 Das ist freilich kein überzeugendes Argument, ist es doch ein legitimes Ziel, die Gefahr, Opfer solch schwerer Straftaten zu werden, noch weiter zu verringern. Das gilt erst recht, wenn es mit so vergleichsweise milden Mitteln, wie einem bloßen Vorbehalt einer Maßregel zu erreichen ist.
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BRDrucks. 8 7 6 / 0 5 (Gesetzesantrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern). Ollenbruch MK Rdn. 10 ff. Lackner/Kühl Rdn. 1. Schreiber/Rosenau S. 53, 101; Streng FS Lampe S. 611, 635; ähnliche Tendenz bei Jansing Nachträgliche Sicherungsverwahrung
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S. 4 6 7 („geringeres Übel"); vgl. auch: Laubenthal ZStW 116 (2004) 702, 7 3 9 f. BRDrucks. 5 0 7 / 0 2 S. 3. BGHSt 5 0 188, 193 f; BGHR § 66a vorbehaltene Sicherungsverwahrung 1. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 4 f.
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§ 66a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
IV. Verfassungsrechtliche und Aspekte der M R K 10
1 . Gesetzgebungskompetenz. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt, wie auch die für § 66 aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG („Strafrecht"). §66a ist zwar, ebenso wie § 66, im Kern gefahrenabwehrrechtlicher Natur. Der Vorbehalt steht aber im Sachzusammenhang mit der strafrechtlichen Aburteilung der Anlasstat und bedeutet lediglich ein Hinausschieben der Maßregelentscheidung des sachnahen Strafgerichts auf einen späteren Zeitpunkt. 2 7
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2. Materielles Verfassungsrecht und Menschenrechte. Zur materiellrechtlichen Seite vgl. zunächst die verfassungsrechtlichen Einwände zur Sicherungsverwahrung (§ 66 Rdn. 38 ff). Diese dürften bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ebenso wenig durchgreifen, wie bei der anfänglichen nach § 66. Es werden schließlich lediglich die Entscheidungen über die Strafe und die Maßregel zeitlich auseinander gezogen. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit werden allerdings im Hinblick auf das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 G G ) 2 8 und im Hinblick auf den Grundsatz „in dubio pro reo" 2 9 angemeldet.
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a) Gegen das Verbot der Doppelbestrafung verstoße die Regelung, weil sie mit dem Sinn und Zweck des Art. 103 Abs. 3 GG nicht vereinbar sei, der „dem Bürger die Gewissheit geben (solle), nicht dauernd unter dem Damoklesschwert einer erneuten Strafverhandlung und eventueller Bestrafung" zu stehen, wodurch der Bürger zum Objekt staatlicher Gewalt herabgewürdigt werde. 3 0
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Dem kann aber schon die Rechtsprechung des BVerfG entgegenhalten, dass die Verhängung einer Maßregel neben der Strafe nicht als Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung gewertet wird. 31 Aus dieser Sicht ändert dann auch der Umstand nichts, dass die Entscheidung über die Strafe sofort, die Entscheidung über die Maßregel aber vorbehalten und erst später gefällt wird. Die Verhängung einer Strafe nebst Vorbehalt nach § 66a ist demnach der Sache nach nichts anderes als ein „Teilurteil". 32
14
Auch eine Herabwürdigung zum Objekt durch das Damoklesschwert erneuter Bestrafung erscheint höchst zweifelhaft. Denn es geht gerade nicht um eine zweite „Bestrafung", der sich der Bürger, der einmal eine Straftat begangen hat und schon einmal hierfür bestraft wurde, nicht entziehen kann. Sondern der dem Vorbehalt unterliegende Täter hat es selbst in der Hand, die Voraussetzungen für eine spätere Maßregelanordnung während des Vollzugs herbeizuführen oder aber auch nicht. 3 3 Dieser Rechtsgedanke ist wie sich an den §§ 5 6 f und 59b zeigt - dem StGB nicht fremd. Der Fall ist nicht wesentlich anders gelagert, als der, in dem Verurteilte zwar weiß, dass er zu einer Maßregel
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Ullenbruch MK Rdn. 17; Jansing Nachträgliche Sicherungsverwahrung S. 4 7 1 ; Peglau J R 2 0 0 2 449, 451. Fischer Rdn. 2; Kinzig N J W 2 0 0 2 3204, 3206. Kinzig NJW 2 0 0 2 3204, 3 2 0 6 ; Rzepka R & P 2 0 0 3 191, 2 0 2 . Kinzig NJW 2 0 0 2 3 2 0 4 , 3206; Rzepka R & P 2 0 0 3 191, 197. BVerfGE 55 28, 30; NStZ-RR 1996 122.
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Ähnlich: Frister SK-StPO [Stand: Oktober 2 0 0 3 ] § 275a Rdn. 3; Gollwitzer L R 2 5 § 275a Nachtr. Rdn. 1 - jeweils zu § 275a StPO a.F. - ; Streng FS Lampe S. 611, 635, wo offenbar aufgrund eines Schreibversehens aber Art. 103 Abs. 2 GG zitiert wird. Vgl. Arloth Prävention durch nachträgliche oder vorbehaltene Sicherungsverwahrung S. 327, 331.
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Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
verurteilt wurde, aber der Ungewissheit unterliegt, ob deren Vollziehung nach der Strafverbüßung angeordnet wird oder nicht (§ 67c). 34 b) Mit Blick auf den Zweifelssatz wird an der Vorschrift kritisiert, dass bei bestehenden Zweifeln an der Gefährlichkeit nunmehr gegen den Angeklagten entschieden werde.35 Dieser Grundsatz ist aber in Wirklichkeit nicht tangiert. Es wird lediglich der Entscheidungszeitpunkt nach hinten verlagert.36
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c) Ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK liegt nicht vor. Die Ermächtigung für 1 6 die spätere Maßregelverhängung aufgrund des Vorbehalts ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 lit.a EMRK. 37 Die strafrechtliche Sanktionierung erfolgt lediglich in zwei (untechnisch ausgedrückt) „Teilurteilen". Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ist vergleichbar der Konstellation („mise à la disposition du gouvernment"), die dem Fall van Droogenbroek/ Belgien (EuGRZ 1984 6 f) zugrundelag und an der der EGMR keinen Anstoß im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 EMRK genommen hat. 38 Nach belgischem Recht konnte ein Straftäter zugleich mit der Strafe auch der o.g. „Maßregel" unterworfen werden. Diese räumte der Regierung ein weites Ermessen ein, wie mit dem Verurteilten nach Strafverbüßung umzugehen ist z.B. Haft, halboffene Anstalten, Bewährungsauflagen, Beaufsichtigungsmaßnahmen allgemeiner Art, und konnte dazu führen, dass diese Maßnahmen immer wieder wechselnd angeordnet wurden). d) Zu weiteren genannten verfassungsrechtlichen Bedenken (Bestimmtheitsgrundsatz, 1 7 Verhältnismäßigkeitsprinzip) die aber eher grundsätzlicher Natur sind (also auch § 66 betreffen) vgl. einerseits Pollähne/Böllinger NK 2 Rdn. 5; Kinzig NJW 2002 3204, 3205 f sowie Rzepka R&P 2003 191, 198 ff und andererseits (umfassend) Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 165 ff; Passek GA 2005 96, 100 ff. V. Anordnung des Vorbehalts (1. Stufe) 1. Allgemeines. Wie auch § 66 unterscheidet § 66a zwischen formellen und materiellen Voraussetzungen. An formellen Voraussetzungen müssen nach Absatz 1 für die 1. Stufe vorliegen: eine Verurteilung wegen einer der in § 66 Abs. 3 S. 1 genannten Straftaten. Es müssen ferner die formellen Voraussetzungen entweder des § 66 Abs. 3 S. 1 (bestimmte Mindeststrafe für die Anlasstat, bestimmte Zahl von Vorverurteilungen und Vorverbüßung i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 2) oder des § 66 Abs. 3 S. 2 (mehrere Anlasstaten, bestimmte Mindeststrafe für die Anlasstaten) vorliegen. Ein Vorbehalt nach § 66a kann also nicht ausgesprochen werden, wenn lediglich die formellen Voraussetzungen der
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Passek GA 2005 96, 102; wie hier auch: Jansing Nachträgliche Sicherungsverwahrung S. 469 f. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 5; Kinzig NJW 2002 3204, 3206; Rzepka R&P 2003 191, 202. Wie hier: Ullenbruch MK Rdn. 18; i.E. auch: Jansing Nachträgliche Sicherungsverwahrung S. 470 f; Landau/Greven ZRP 2002 324; Passek GA 2005 9 6 , 1 0 2 .
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Wie hier: Ullenbruch MK Rdn. 18; vgl. auch: Passek GA 2005 9 6 , 1 0 3 ; Pieroth J Z 2002 922, 927; aA: Kinzig NJW 2002 3204, 3207. Ebenso: Jansing Nachträgliche Sicherungsverwahrung S. 468; Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 205; vgl. auch Fischer § 66a Rdn. 2.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Absätze 1 und 2 von § 6 6 gegeben sind. 39 Zu diesen gelangt man auch nicht über den Verweis in § 6 6 Abs. 3 S. 3, denn § 66a Abs. 1 a.E. verlangt ausdrücklich das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3. 4 0 § 66 Abs. 3 S. 3 enthält hingegen keine Voraussetzung für die Maßregelanordnung, sondern stellt nur das Konkurrenzverhältnis der Absätze untereinander klar (so z.B., dass auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 3 eine zwingende Anordnung nach Abs. 1 zu erfolgen hat, wenn dessen Tatbestand erfüllt ist.). Durch die Anknüpfung an die Anlasstaten des S 66 Abs. 3 S. 1 kommen somit reine Vergehen gegen das Vermögen, wie z.B. §§ 263, 2 6 6 nicht in Betracht. 19
Materielle Voraussetzung für den Vorbehalt ist, dass nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, dass der Täter im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 gefährlich ist. Ist die Gefährlichkeit mit hinreichender Sicherheit feststellbar, so greift § 66 ein, nicht hingegen § 66a. Es ist also zunächst § 6 6 zu prüfen. 41 Liegen die Voraussetzungen des § 6 6 vor, so können zwangsläufig nicht die des § 66a vorliegen und umgekehrt, so dass sich beide Vorschriften gegenseitig ausschließen 42 (vgl. auch § 66 Rdn. 227). Es ist daher bedenklich (vermeintlich) zu Gunsten des Angeklagten nur nach $ 66a und nicht (obwohl die Voraussetzungen vorliegen) nach § 66 vorzugehen. 43 In bestimmten Fällen kann der Angeklagte durch die Anordnung des (bloßen) Vorbehalts gem. § 66a beschwert sein, auch wenn feststeht, dass er i.S. des § 66 Abs. 1 Nr. 3 gefährlich ist (so dass auch die Verhängung der anfänglichen Sicherungsverwahrung möglich gewesen wäre). Dies kann bei § 6 6 Abs. 2 und Abs. 3 der Fall sein. Hier wird dem Gericht ein Ermessen eingeräumt, ob es die Maßregel anordnet oder nicht. Durch die vorschnelle Anordnung des Vorbehalts nach § 66a kann der Angeklagte deshalb beschwert sein, weil das Gericht verkennt, dass es auch ganz von der Maßregelanordnung absehen kann. 44 Ob daneben ein „Hang" i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB feststehen sein muss oder ob auch dieser nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar sein muss, ist str. 2. Formelle Voraussetzungen
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a) Erste formelle Voraussetzung ist die (gleichzeitig mit der Anordnung des Vorbehalts erfolgende) Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen einer Katalogtat nach § 6 6 Abs. 3 S. 1. Es kommen damit sämtliche Taten, die auch für eine Maßregelanordnung nach § 66 Abs. 3 erforderlich sind, als Anlasstaten auch hier in Betracht, also Verbrechen und die in § 6 6 Abs. 3 S. 1 namentlich aufgeführten Straftaten. Geht man mit dem BVerfG davon aus, dass das Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG für Maßregeln nicht gilt und erkennt man auch kein schutzwürdiges Vertrauen des gefährlichen Straftäters darauf an, dass er nie wegen seiner Gefährlichkeit belangt wird, so ist unerheblich, ob die Anlasstaten vor oder nach In-Kraft-Treten des § 66a begangen wurden. 45
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In § 66 Abs. 3 ist lediglich eine „Freiheitsstrafe" (also auch die lebenslange Freiheitsstrafe), nicht mehr wie früher, eine „zeitige Freiheitsstrafe" gefordert, der Gesetzgeber
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Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 133 f; Schreiber/Rosenau S. 53, 100. Ullenbruch MK Rdn. 25. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 8; Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 195. BGHSt 5 0 188, 193. Das wird offenbar in BGH Urt. v. 10.1.2007 - 1 StR 5 3 0 / 0 6 verkannt.
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BGHSt 5 0 188, 193 ff; vgl. auch BGH Beschl. v. 6 . 1 2 . 2 0 0 5 - 1 StR 3 4 7 / 0 5 ; Rissingvan Saan FS Nehm S. 191, 195. So auch: Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 134.
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Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
hat in § 66a Abs. 2 auch ausdrücklich § 5 7 a StGB erwähnt. Dies wird als „widersinnig" 4 6 bzw. „grotesk" bei gleichzeitiger Forderung nach einer verfassungskonformen Beschränkung auf zeitige Freiheitsstrafe 4 7 kritisiert, weil § 57a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 5 7 Abs. 1 Nr. 2 ohnehin die Strafrestaussetzung zur Bewährung nur bei hinreichend positiver Kriminalprognose zulasse. In der Tat kann man, wie bei § 6 6 auch, daran zweifeln, ob die Anwendbarkeit der Maßregeln bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe notwendig war. Dies lässt sich aber deshalb rechtfertigen, weil möglicherweise ein M e h r an Schutz der Bevölkerung durch die Befassung des sachnäheren erstinstanzlichen Gerichts im Rahmen des § 66a Abs. 2 in seinem gegenüber dem Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer umfassenderen Verfahren nach § 2 7 5 a StPO erreicht werden kann. Eine zusätzliche Beschwer ergibt sich für den Verurteilten nicht. Ist er nicht mehr gefährlich, so werden Reststrafenaussetzung und Vorbehaltsentscheidung ebenso gleich laufen, wie im Falle der Gefährlichkeit. b) Wie bei § 6 6 Abs. 3 variieren auch bei § 66a die weiteren formellen Voraussetzungen: aa) Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen der Anlasstat, frühere Verurteilung wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, zu mindestens 3 Jahren, Vorverbüßung wegen einer mehrerer dieser Taten i.S.v. § 6 6 Abs. 1 Nr. 2 (§ 6 6 Abs. 3 S. 1).
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bb) Verurteilung wegen mindestens zwei Anlasstaten i.S.v. § 66 Abs. 3 S. 1, Verwirkung von mindestens zweijährigen Freiheitsstrafen für diese Taten und Verurteilung zu einer mindestens dreijährigen Freiheitsstrafe wegen einer oder mehrerer dieser Taten (§ 6 6 Abs. 3 S. 2).
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3. Materielle Voraussetzungen a) Es muss „nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar sein, ob der Täter für die Allgemeinheit i.S.v. § 6 6 Abs. 1 Nr. 3 gefährlich ist". Maßstab ist also die Gefährlichkeitsprognose nach § 6 6 Abs. 1 Nr. 3 (zu deren Auslegung vgl. § 6 6 Rdn. 2 0 1 ff). Das bedeutet, dass zunächst zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 6 6 (Abs. 3) vorliegen. Erst wenn eine Maßregelanordnung nach dieser Vorschrift scheitert, weil die Gefährlichkeit nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, kann § 6 6 a zur Anwendung kommen. § 66a und § 6 6 stehen in diesem Sinne in einem strikten Ausschließlichkeitsverhältnis. 48 Abzustellen ist - wie bei § 6 6 auch - auf den Zeitpunkt der Aburteilung. 4 9
24
Wann die Gefährlichkeit „nicht mit hinreichender Sicherheit" feststellbar ist, bedarf der näheren Konkretisierung. Hierbei sind restriktive Maßstäbe anzulegen, da der Gesetzgeber einen sog. „Net-Widening-Effekt" vermeiden wollte. 5 0 Der Wortlaut lässt eine Auslegung sowohl im Sinne „letzter Zweifel" an der Gefährlichkeit, 5 1 als auch im Sinne einer zum Zeitpunkt der Aburteilung fast ausschließbaren Gefährlichkeit zu. 5 2 In beiden Fällen wäre eine „hinreichende Sicherheit" zu verneinen. Dann wäre praktisch
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46 47 48 49
Fischer Rdn. 2a. Ullenbruch MK Rdn. 26 f. BGHSt 50 188, 193 ff. BGHSt 50 188, 193 ff.
50 51
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BTDrucks. 14/8586 S. 6. In diese Richtung: Schönke/Schröder/Stree Rdn. 3; Fischer Rdn. 7 f. Vgl. Fischer Rdn. 7 f.
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§ 66a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
immer eine Vorbehaltsanordnung möglich. Der Gesetzgeber hat den Begriff in den Materialien dahingehend präzisiert, dass man die Gefährlichkeit nicht sicher feststellen, aber auch nicht ausschließen können muss. 5 3 Lässt sich die Gefährlichkeit ausschließen, scheidet die Anordnung des Vorbehalts also aus. 5 4 26
Es müssen zumindest gewisse Anhaltspunkte für eine Gefährlichkeit vorliegen. Ob noch mehr für die Vorbehaltsanordnung erforderlich ist, ist aber fraglich. Die Materialien geben noch weitere Hinweise, die aber nicht eindeutig sind: Danach soll durch die Anlehnung der Vorschrift an § 27 J G G die „gefestigte (jugend-)gerichtliche Praxis" zur Auslegung fruchtbar gemacht werden. Nicht ganz zu Unrecht wird diesbezüglich darauf hingewiesen, dass eine solche gefestigte jugendgerichtliche Praxis nicht feststellbar ist. 5 5 So soll nach einer Reihe von Entscheidungen erforderlich sein, dass die schädlichen Neigungen als solche festgestellt sind und nur der Umfang nicht aufklärbar ist. 5 6 Nach anderer Ansicht kommt § 2 7 J G G auch dann zur Anwendung, wenn die schädlichen Neigungen selbst nicht sicher feststellbar sind. 57 Übertragen auf § 66a könnte das bedeuten: Die Gefährlichkeit, i.S. einer Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer Straftaten muss als solche feststehen und die Unsicherheit kann sich lediglich darauf beziehen, ob sie den Grad des § 6 6 Abs. 1 Nr. 3 erreicht, also dass erhebliche Straftaten durch die potentielle Opfer körperliche oder seelische schwer geschädigt werden (Konsequenz der erstgenannten Ansicht zu § 2 7 JGG). Der Vorbehalt käme dann in Betracht, wenn beim Täter eine Neigung zu Gewalttätigkeiten festgestellt ist, aber nicht sicher die Gefahrenprognose hinsichtlich einer Katalogtat gestellt werden kann. Ob man aber in der Praxis so differenzieren kann, erscheint eher fraglich. Vor dem Hintergrund des Schutzzieles ist auch zweifelhaft, ob nicht gerade solche Täter erkannt werden sollten, bei denen nicht hinreichend klar ist, ob es sich bei ihnen um gelegentliche Gewaltausbrüche handelt oder aber eine andauernde Gewaltneigung vorliegt. Konsequenz der zweitgenannten Ansicht zu § 27 J G G wäre bei § 66a, dass die Gefährlichkeit als solche nicht sicher festgestellt sein muss.
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Andere Stimmen versuchen die Problematik des „nicht mit hinreichend sicher feststellbar" über eine „verfassungskonforme" restriktive Auslegung im Bereich des Wahrscheinlichkeitsgrades zu lösen und verlangen eine erhebliche, nahe liegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Täter gefährlich ist und zum Entlassungszeitpunkt noch sein wird. 5 8 Eine nähere Begründung bleiben die Vertreter dieser Ansicht aber schuldig.
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Die in dem genannten Sinne nicht sicher feststellbare Gefährlichkeit muss sich auf drohende Straftaten beziehen, durch die potentielle Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden. 59 Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 66a Abs. 1, der ganz allgemein auf § 66 Abs. 1 Nr. 3 verweist, so dass man meinen könnte, die Gefahr jeglicher erheblicher Straftaten sei ausreichend. Mittelbar ergibt sich das aber aus § 66a Abs. 1 i.V.m. § 6 6 Abs. 3 S. 1 und aus § 66a Abs. 2 S. 2. Denn die spätere Anordnung kann nur zum Schutz der dort genannten Rechtsgüter erfolgen, nicht aber z.B. zur Abwehr schwerer wirtschaftlicher Schäden. Dann kann aber auch insoweit kein Vorbehalt erfolgen, weil dieser nicht in eine spätere Anordnung einmünden kann. 6 0
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BTDrucks. 14/8586 S. 6. Ullenbruch MK Rdn. 29. Müller-Metz StV 2 0 0 3 42, 50. BGHR JGG § 2 7 Maßnahmenverbindung 1; BayObLG GA 1971 181, 182. OLG Düsseldorf bei Böhm NStZ 1990 529; dem folgt in der Literatur offenbar nur eine
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Mindermeinung, vgl. Diemer/Schoreit/Sonnen JGG 4 § 2 7 Rdn. 5. Fischer Rdn. 8; Ullenbruch MK Rdn. 30; vgl. auch: Müller-Metz StV 2 0 0 3 42, 50. Ullenbruch MK Rdn. 30. Schönke/Schröder/Stree Rdn. 4.
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Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
Teilweise wird eine zusätzliche Voraussetzung derart aufgestellt, dass eine Klärung der Unsicherheit im Verlaufe des Vollzuges zu erwarten sein muss.61 Das ist aber nicht auf der Tatbestandsseite relevant, sondern soll nach dem Willen des Gesetzgebers auf der Rechtsfolgenebene im Rahmen der Ermessensausübung eine Rolle spielen. 62 Auch der Wortlaut gibt eine solche zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung nicht her.
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b) Fraglich ist, ob für die Anordnung des Vorbehalts die Feststellung eines „Hangs" i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 3 erforderlich ist oder nicht (für die spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgrund des Vorbehalts ist die Hangprüfung auf jeden Fall entbehrlich, vgl. dazu unten Rdn. 63). 6 3 Die Rechtsprechung und die h.M. in der Literatur 64 bejahen das, ein anderer Teil der Literatur 65 verneint die Frage.
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Wie die Gesetzesmaterialien ergeben, hat der Gesetzgeber eine Hangfeststellung 31 weder für den Vorbehalt noch für die spätere Maßregelanordnung aufgrund des Vorbehalts für erforderlich erachtet. In den Gesetzesmaterialien wird bei § 66a Abs. 2 ausdrücklich auf das Merkmal des Hangs verzichtet. Wenn schon das erkennende Gericht (also das, welches den Vorbehalt angeordnet hat) einen Hang nicht sicher habe feststellen können, so seien unter den künstlichen Bedingungen des Strafvollzugs keine weiteren entscheidenden Anhaltspunkte für die Hangfrage zu erwarten (BTDrucks. 14/8586 S. 7). Das wiederum lässt den Rückschluss zu, dass der Gesetzgeber auch bei Anordnung des Vorbehalts eine Hangfeststellung für verzichtbar hielt. 66 aa) Der BGH hat sich demgegenüber für das Erfordernis einer positiven Hangfest- 3 2 Stellung entschieden (ebenso weite Teile des Schrifttums).67 Eine etwaige abweichende Vorstellung des Gesetzgebers habe im Wortlaut der Vorschrift keinen Niederschlag gefunden. Die Notwendigkeit der Feststellung eines Hangs ergebe sich nach dem Gesetzeswortlaut jedenfalls aus dem Verweis auf „die übrigen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 ". 6 8 § 66 Abs. 3 StGB verweise aber seinerseits auf die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 3 und damit auf die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung, mithin auf das Erfordernis eines Hangs zu erheblichen Straftaten. Ginge man hingegen davon aus, dass neben der Gefährlichkeit auch der Hang nicht sicher festgestellt sein muss, so würde das nach Ansicht des BGH dazu führen, dass später die Sicherungsverwahrung
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Ullenbruch MK Rdn. 33; Renzikowski NStZ 2 0 0 6 280, 282. Vgl. BTDrucks. 14/8586 S. 6. Zur ähnlichen Diskussion bei § 66b vgl. dort Rdn. 145 ff. Zur Rspr. vgl. Rdn. 23; Fischer Rdn. 4 f; Lackner/Kühl Rdn. 2; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 9; Schönke/Schröder/Stree Rdn. 3 (allerdings krit.: „nicht gerade einleuchtend"); Ullenbruch MK Rdn. 36; Ziegler BeckOKStGB Rdn. 4; Milde S. 138 (allerdings krit. im Hinblick auf fehlende Trennbarkeit von Hang und Gefährlichkeit); Renzikowski NStZ 2 0 0 6 280, 281; Rissingvan Saan FS Nehm S. 191, 194. Jansing S. 460; Kalf S. 205, 2 0 6 ; Passek GA 2005 96, 104; Peglau JR 2 0 0 2 449, 452;
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Rzepka R&P 2 0 0 3 127, 139; Schreiber/ Rosenau S. 53, 100 (die allerdings eine Hangfeststellung bei der endgültigen Anordnung nach Absatz 2 verlangen. Vgl. Kinzig NStZ 2 0 0 4 655, 656; Peglau JR 2 0 0 2 449, 451 f; Schreiber/Rosenau S. 53, 100. BGHSt 50 188, 193 ff; zustimmend: Renzikowski NStZ 2 0 0 6 280, 281; Rissing-van Saan FS Nehm S. 147, 150. BGHSt 50 188, 193 ff; ebenso: Fischer Rdn. 4 f; Lackner/Kühl Rdn. 2; Pollähne/ Böllinger NK Rdn. 9; Schönke/Schröder/Stree Rdn. 3 (allerdings krit. „nicht gerade einleuchtend"); Ullenbruch MK Rdn. 36; Renzikowski NStZ 2 0 0 6 280, 281; Rissingvan Saan FS Nehm S. 191, 194.
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§ 66a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ohne jegliche Hangfeststellung angeordnet werden könnte, was aber nicht richtig sein könne. 6 9 33
Zudem stehe einem Verzicht auf den Hang § 67d Abs. 3 StGB entgegen. Diese Vorschrift, die die Erledigung der Maßregel der Sicherungsverwahrung betrifft, gehe ersichtlich davon aus, dass ein Hang festgestellt wurde (möglicherweise auch noch fortbestehe). 70 Der Verzicht auf den Hang als Voraussetzung des § 66a Abs. 1 StGB würde schließlich auch zu einem sachlich nicht begründbaren Auseinanderfallen der materiellen Voraussetzungen nach § 66 und § 66a StGB führen. 71 Denn dann wäre bei den Tätern, bei denen jedenfalls zum Zeitpunkt der Aburteilung die Gefährlichkeit noch nicht sicher feststellbar war, ein Weniger an Voraussetzungen zu prüfen als bei denjenigen, die bereits zu diesem Zeitpunkt mit der hinreichenden Sicherheit als gefährlich eingestuft werden konnten. 7 2
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Ein bisher soweit ersichtlich noch nicht vorgebrachtes Argument für eine Hangvoraussetzung könnte auch das systematische Argument sein, dass diese in § 106 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 J G G bei Heranwachsenden ausdrücklich festgeschrieben ist.
35
bb) Der Ansicht des BGH lässt sich zunächst entgegenhalten, dass seine Argumente nicht zwingend für eine Hangvoraussetzung sprechen.* (1) Der BGH will den Verweis auf S 66 Abs. 3, wegen des darin enthaltenen Weiterverweises (auch) auf § 66 Abs. 1 Nr. 3 nicht lediglich auf die formellen Voraussetzungen beziehen. Bezöge man ihn aber - streng mit dem Wortlautargument des BGH - auch auf die materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3, so müsste man konsequenterweise auch Verlangen, dass die Gefährlichkeit positiv festgestellt wird, denn auch diese ist in § 66 Abs. 1 Nr. 3 ebenfalls geregelt. Dann würde aber die eigenständige Regelung von § 66a Abs. 1 1. Hs. ihre Bedeutung verlöre. 73 Der Wortlaut ist also - was die Reichweite des Weiterverweises auf die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 angeht - schon nicht eindeutig und bedarf daher der Auslegung anhand der übrigen Auslegungsmethoden.74 Hier helfen insbesondere die systematische Auslegung und die historische Auslegung weiter. In systematischer Auslegung von § 66a Abs. 1 und § 66 Abs. 1 lässt sich klären, dass jedenfalls nicht die Erstellung der nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 erforderlichen positiven Gefährlichkeitsprognose vom Verweis umfasst ist, denn dann wäre § 66a Abs. 1 überhaupt überflüssig. In historischer Auslegung ergibt sich dann weiter, dass auch die Hangvoraussetzung vom Verweis nicht erfasst war (s.o. Rdn. 31).
36
Selbst wenn man mit dem BGH annimmt, dass der Wortlaut die Feststellung eines Hangs voraussetzt, wäre eine abweichende Auslegung unter Heranziehung der übrigen
AA: Schreiber/Rosenau S. 53, 100 (Hangfeststellung im Rahmen der Maßregelentscheidung nach § 66a Abs. 2) 7 0 Vgl. dazu auch: Renzikowski NStZ 2 0 0 6 280,281. 7 1 BGHSt 50 188, 193 ff. 72 Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 194; vgl. auch schon: Peglau JR 2 0 0 2 449, 452. * Die Verf. sind hinsichtlich der Hangfrage entgegengesetzter Auffassung. Die nachfolgende Darstellung Rdn. 35 bis Rdn. 41 gibt nur die Meinung des Mitverfassers Peglau wieder. 69
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73
74
Passek GA 2 0 0 5 96, 104; Schreiber/Rosenau S. 53, 100. Das zeigt sich auch in der Kommentierung von Fischer Rdn. 4 f. Danach verweist § 66a Abs. 1 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 auf § 66 Abs. 1 Nr. 3 „mit Ausnahme der Feststellung der Gefährlichkeit für die Allgemeinheit". Aus dem angeblich „eindeutigen Wortlaut" ergibt sich diese Ausnahme indes nicht, sondern sie ist - zutreffend — das Ergebnis einer systematischen Auslegung von § 66a Abs. 1 und § 66 Abs. 1 Nr. 3.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
Auslegungsmethoden unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Der mögliche Wortsinn ist bei präventiven Maßregeln nicht die äußerte Grenze der Auslegung. Das BVerfG hat die Garantien des Art. 103 Abs. 2 GG, aus der diese Grenze hergeleitet wird, ausdrücklich nicht auf die Maßregeln der Besserung und Sicherung bezogen (BVerfGE 109 133, 167). Das Argument aus § 67d Abs. 3 spricht ebenfalls nicht zwingend für ein Hangerfor- 3 7 dernis bei § 66a (oder auch bei § 66b - hier wird ähnlich argumentiert). Zwingend würde eine Hangvoraussetzung aus § 67d Abs. 3 aus Gründen einer systematischen Auslegung (um die es sich hier handelt) nur dann folgen, wenn bei den auf § 66a (oder § 66 b) beruhenden Sicherungsverwahrungen die Anwendung des § 67d Abs. 3 ohne einen bei der Maßregelanordnung festgestellten Hang nicht möglich wäre, diese Vorschrift gleichsam in diesen Fällen leer liefe. Dem ist nicht so. Die Vorschrift wäre durchaus sinnvoll sowohl auf Sicherungsverwahrungen, deren Anordnung einer Hangfeststellung bedurfte, wie auch auf solche ohne Hangfeststellung anwendbar. Sie enthält nämlich eine Negatiworaussetzung derart, dass wenn nach 10 Jahren vollzogener Sicherungsverwahrung keine hangbedingte Gefährlichkeit mehr vorliegt, die Maßregel erledigt ist. Diese Voraussetzung kann sowohl erfüllt sein, wenn die Ursprungsanordnung einen Hang voraussetzt, als auch dann, wenn dies nicht der Fall ist. Setzte die Ursprungsanordnung bereits keinen Hang voraus, so ist zum Prüfungszeitpunkt nach § 67d Abs. 3 auf jeden Fall die Erledigung auszusprechen, weil dann eben keine hangbedingte Gefährlichkeit vorliegt. Ob sich aus § 106 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 JGG etwas für das Hangerfordernis im Erwachsenenstrafrecht herleiten lässt, erscheint ebenfalls zweifelhaft, wollte der Gesetzgeber hier doch nur in besonderer Weise dem Ultima-ratio-Charakter des Vorbehalts gegenüber Heranwachsenden Rechnung tragen (BTDrucks. 15/1311 S. 26).
38
(2) Wichtigstes Argument gegen eine Hangfeststellung als Vorbehaltsvoraussetzung bei § 66a Abs. 1 ist - neben dem Willen des Gesetzgebers - aber, dass die Auslegung des BGH letztendlich zu einem weitgehenden Leerlaufen des § 66a führt. 75 Das beruht auf einem unglücklichen Zusammenspiel zweier (jeweils bei isolierter Betrachtung für sich zutreffenden) Aspekte: einmal des Postulats des Vorrangs von § 66; zum anderen der vollständigen (so Teile der Literatur) oder jedenfalls weitgehenden (so die Rechtsprechung) Untrennbarkeit von Hang und Gefährlichkeit.
39
Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur hängen Hang und Gefährlichkeit eng zusammen (vgl. dazu ausf. S 66 Rdn. 134 ff). Regelmäßig indiziert der Hang die Gefährlichkeit. Die eigenständige Bedeutung des Hangs als einschränkender materieller Voraussetzung wird in der Literatur z.T. vollständig in Zweifel gezogen.76 Auch der BGH hat bisher lediglich ein Beispiel benannt, in dem Hang und Gefährlichkeit auseinander fallen (dilettantische Begehungsweise),77 hinsichtlich dessen aber Zweifel bestehen, ob es als Beispiel für die Trennbarkeit von Hang und Gefährlichkeit wirklich einschlägig ist. 78 Es lassen sich sogar noch weitere theoretische Beispiele finden, in denen
40
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76
Vgl. Jansing Nachträgliche Sicherungsverwahrung S. 4 6 0 ; Ullenbruch NStZ 2 0 0 8 5 , 1 1 ; das erkennen im Ansatz auch Renzikowski NStZ 2 0 0 6 2 8 0 , 2 8 2 und in seiner Folge auch Ziegler BeckOKStGB Rdn. 5. Fischer § 66 Rdn. 2 6 f; Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand S. 577.
77 78
BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 4. Ist die Begehungsweise der zu erwartenden Straftaten (im konkreten Fall: Betrugstaten) nämlich so dilettantisch, dass sie nicht zum Erfolg führen können, so kann man auch schon an einem Hang zu erheblichen Straftaten Zweifel haben.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
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§ 66a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Hang und Gefährlichkeit einmal auseinanderfallen. So führen Tröndle/Fischer54 zutreffend aus: „Auf den inneren Hang zur Begehung von Banküberfällen kommt es nicht an, wenn der Täter dauerhaft bettlägrig erkrankt ist". 7 9 Man erkennt, dass diese theoretisch denkbaren Fällen eines ausnahmsweisen Auseinanderfallens von Gefährlichkeit und Hang kaum praxisrelevant sind. Verlangt man aber bei einer derartigen völligen oder jedenfalls regelmäßigen (so BGH) Untrennbarkeit von Hang und Gefährlichkeit die positive Hangfeststellung, so wird auch immer (Literatur) oder regelmäßig (Rspr.) die Gefährlichkeitsprognose positiv ausfallen, so dass man dann zur Anwendung des § 66 gelangt (Postulat des Vorrangs des § 66). Kann man den Hang hingegen nicht sicher feststellen, so scheitert dann nach der Rechtsprechung regelmäßig (nach Teilen der Literatur immer) auch der Vorbehalt nach § 66a. 8 0 Es erscheint fraglich, ob nicht gerade bei jüngeren Gesetzen dem gesetzgeberischen Willen ein größeres Gewicht bei der Auslegung zukommen sollte, wenn eine im wesentlichen am Wortlaut orientierte Auslegung zum gänzlichen oder regelmäßigen faktischen Leerlaufen der Vorschrift führt, zumal das BVerfG die Garantien des Art. 103 Abs. 2 GG - aus denen man einen Vorrang des Wortlauts eventuell herleiten könnte - gerade nicht auf präventive Maßregeln der Besserung Sicherung bezieht (BVerfGE 109 133, 167). 8 1 Es wäre jedenfalls Sache des Gesetzgebers, zu überlegen, ob die Vorschrift im Rahmen einer künftigen Rechtsbereinigung entweder ganz abzuschaffen oder aber im Wortlaut noch klarer zu fassen ist. 41
(3) Zu weiteren - eine Hangvoraussetzung bejahenden - Argumenten aus der Literatur ist anzumerken, dass nicht für die Notwendigkeit einer positiven Hangfeststellung sprechen dürfte, dass ohne jegliche Hangprüfung bei einer Anordnung der Maßregel aufgrund des Vorbehalts ein Verstoß gegen das Schuldprinzip vorliege und eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes fehle, weil dann eine reine gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme vorliegt (so aber in der Literatur vertreten). 82 Der Bezug zum Strafrecht wird nach dem Bundesverfassungsgericht über den Bezug zur Anlasstat, die kraft ihrer Indizwirkung Basis einer jeden Gefahrenprognose sei, und darüber hergestellt, dass eine Regelung nur auf Straftäter anwendbar ist (BVerfGE 109 190, 219). Die Entscheidung bezog sich zwar auf die „nachträgliche Sicherungsverwahrung" nach den Straftäterunterbringungsgesetzen der Länder. Wenn aber dort - trotz des viel loseren Zusammenhangs zwischen Anlasstat und Maßregelverhängung - noch eine Bundeskompetenz aufgrund der genannten Umstände bejaht wurde (die Hangfrage spielte dafür keine Rolle!), dann muss das erst Recht für die vorbehaltene Sicherungsverwahrung gelten.
42
cc) Angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es für die Praxis allerdings zwingend, einen Hang bei der Vorbehaltsprüfung festzustellen. I.d.R. wird das aber dann auch dazu führen, dass die Gefährlichkeit sicher festgestellt werden kann, so dass letztlich die Sicherungsverwahrung nach § 66 anzuordnen ist.
79 80
81
Tröndle/Fischer54 § 6 6 Rdn. 18b. Ansatzweise wird das Problem auch von Milde S. 138 ff bereits gesehen; er will es aber nicht im Wege der Auslegung lösen, sondern den Gesetzgeber in die Pflicht nehmen, der die Hangvoraussetzung (für sämtliche Formen der Sicherungsverwahrung) abschaffen soll.
82
rischen Willens bei der Gesetzesauslegung: B G H R StPO ξ 3 5 4 Abs. l a Verfahren 3; Heun A ö R 116 ( 1 9 9 1 ) S. 185, 1 9 7 f; Rüthers J Z 2 0 0 6 5 3 , 5 7 ; ders. J Z 2 0 0 6 9 5 8 , 9 5 9 ; Schlehofer JuS 1 9 9 2 5 7 2 , 5 7 5 So aber Fischer Rdn. 5 a ; Ullenbruch Rdn. 3 6 ; Pfister Jahresheft für forensische Psychiatrie 2 0 0 4 1 4 6 , 176.
Vgl. zur Frage der Bedeutung des gesetzgebe-
500
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
c) Wie bei § 66 müssen die Anlasstaten bzw. die relevanten Taten der Vorverurteilungen Symptomcharakter haben (vgl. dazu § 66 Rdn. 218).
43
d) Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit gilt nichts anderes als bei § 66 StGB. Steht 4 4 bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Vorbehalt fest, dass zum Entlassungszeitpunkt keine Gefährlichkeit mehr vorliegen wird, so erübrigt sich der Ausspruch des Vorbehalts.83 4. Rechtsfolge. Das Gericht kann einen Vorbehalt anordnen, wenn die Voraussetzun- 4 5 gen vorliegen. § 66a Abs. 1 ist also eine Ermessensvorschrift. Es gilt abzuwägen, welche Umstände für den Vorbehalt sprechen und welche dagegen. Bei seiner Ermessenentscheidung kann das Gericht z.B. berücksichtigen, ob im Strafvollzug neue Erkenntnisse zu erwarten sind (was nicht der Fall wäre, wenn die restliche Haftzeit, nach Anrechnung der U-Haft, sehr gering ist) oder ob die abgeurteilte Tat lange zurückliegt (also seit der Tat bereits eine längere „Bewährung" in Freiheit stattgefunden hat). Für das Ermessen kann auch eine Rolle spielen, inwieweit eine Gefährlichkeit zum Entlassungszeitpunkt, z.B. altersbedingt, nicht mehr zu erwarten ist, vgl. BTDrucks. 14/8586 S. 6. Hier kann nichts anderes gelten als bei der Ermessenausübung nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 (vgl. § 66 Rdn. 233). 5. Heranwachsende. Anders als die Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB kann der 4 6 Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nach § 106 Abs. 3 JGG gegen Heranwachsende ausgesprochen werden, wenn die besonderen weiteren Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen. Hier ist ausdrücklich geregelt, dass der Täter „infolge eines Hanges" gefährlich sein muss (§ 106 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 JGG). Diese Möglichkeit wurde nicht bereits durch das Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, sondern erst durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3007) eingeführt. In dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks. 15/350) war die Neuregelung noch nicht enthalten, vielmehr war generell die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Heranwachsende nicht vorgesehen. Sie fand Eingang in das Gesetzgebungsvorhaben nach der Beschlussempfehlung des BTRechtsausschusses (BTDrucks. 15/1311 S. 16). Die Möglichkeit der Vorbehaltsanordnung gegenüber Heranwachsenden wird als verfassungswidrig (unverhältnismäßig) kritisiert.84 Sie erscheint indes geeignet und in Ausnahmefällen auch erforderlich, den Schutz der Allgemeinheit vor hochgefährlichen Straftätern sicherzustellen. Aufgrund der erhöhten Anordnungsvoraussetzungen, mit denen der Gesetzgeber in besonderer Weise dem Ultimaratio-Charakter der Maßregel Rechnung tragen wollte (BTDrucks. 15/1311 S. 26) und wegen der gleichzeitig möglichen flankierenden Maßnahmen nach § 106 Abs. 4 JGG, die einem möglichst frühzeitig Abbau der Gefährlichkeit dienen sollen, ist sie auch angemessen. VI. Entscheidung über die Anordnung aufgrund des Vorbehalts (2. Stufe) 1. Allgemeines. Wurde in der Verurteilung wegen der Anlasstat ein Vorbehalt ausge- 4 7 sprochen, so entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges (früher: § 275a Abs. 1 StPO; jetzt § 74f GVG) spätestens sechs Monate vor dem sog. „Zwei-Drittel-Termin" (§ 57 83
BGH StV 2005 130.
84
Ullenbruch MK Rdn. 101 f.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
501
§ 66a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Abs. 1 Nr. 1), bei lebenslanger Freiheitsstrafe spätestens 6 Monate vor Ablauf von 15 Jahren (§ 57a Abs. 1 Nr. 1), ob die Sicherungsverwahrung anzuordnen ist. Voraussetzung hierfür ist eine positive Gefährlichkeitsprognose. 2. Formelle Voraussetzung 48
a) Formelle Voraussetzung ist zunächst das bestandskräftige Bestehen eines Vorbehalts. 85
49
b) Des weiteren muss sich der Verurteilte zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung über die Anordnung noch in Strafhaft befinden.
50
Fraglich ist, ob Voraussetzung der Sachentscheidung (also eine Voraussetzung des materiellen Strafrechts) ist, dass zum Entscheidungszeitpunkt (der ersten Instanz) noch mindestens sechs Monate bis zum „Zwei-Drittel-Termin" (oder dem entsprechenden Termin nach § 57a) zu verbüßen war. 86 Hier bestehen drei Interpretationsmöglichkeiten: Die Auslegung als materiellstrafrechtliche Anordnungsvoraussetzung, die Auslegung als strafprozessuale (zwingende) Norm und die Auslegung als strafprozessuale Ordnungsvorschrift.
51
aa) Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes folgert gerade aus der Regelung der Frist zusammen mit den übrigen materiellrechtlichen Voraussetzungen der Anordnung einer zunächst vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, dass es sich um eine materiellrechtliche Voraussetzung handelt (folgerichtig hat er die Frage der Fristeinhaltung dann auch im Rahmen der Sachrüge geprüft und tragend entschieden). 87 Dementsprechend muss die Frist (allerdings nur in Bezug auf das erste tatrichterliche Urteil im Nachverfahren nicht jedoch bei nachfolgenden Entscheidungen im Rahmen oder als Folge eines Rechtsmittelverfahrens) auch grundsätzlich zwingend eingehalten werden, um die vorbehaltene Maßregel im Nachverfahren noch anordnen zu können. Auf den Charakter als zwingende Vorschrift (und nicht als bloße Ordnungsvorschrift) lassen nach Ansicht des BGH der Wortlaut und die Materialien schließen. Dass das insbesondere bei kürzeren Freiheitsstrafen oder länger andauernden Rechtsmittelverfahren hinsichtlich der Anlassverurteilung den Anwendungsbereich des § 66a einschränken kann, sei hinzunehmen. 88
52
bb) Eine andere Interpretation wäre, die 6-Monats-Frist als Verfahrensvorschrift und nicht als materiellrechtliche Voraussetzung anzusehen. Das Verfahren wäre bei Fristüberschreitung dann nach § 275a Abs. 2 i.V.m. § 260 Abs. 3 StPO einzustellen (bei Wertung der Frist als materiellrechtliche Voraussetzung wäre hingegen in der Sache - ablehnend zu entscheiden). 89 In der prozessrechtlichen Literatur herrscht offenbar das Verständnis als Verfahrensvorschrift vor. 90 Darauf hinzuweisen ist, dass auch der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes von einer Verfahrensvorschrift ausgeht (und dementsprechend die Frage der Fristüberschreitung im Rahmen einer Verfahrensrüge - allerdings nicht
85 86 87
88 89
Gollwitzer L R 2 5 § 275a Nachtr. Rdn. 3. So: BGH NJW 2 0 0 7 1011 f. BGH NJW 2 0 0 7 1011 f; zustimmend: Ullenbruch NStZ 2 0 0 8 5, 6. BGH NJW 2 0 0 7 1011, 1012. Unklar hinsichtlich der Rechtsfolge: Ullenbruch MK Rdn. 4 0 ff.
502
90
Vgl. Gollwitzer L R 2 5 § 275a Nachtr. Rdn. 6; Frister SK-StPO [Stand: Oktober 2003] § 275a Rdn. 6 f; Voll KMR [Stand: Dezember 2 0 0 4 ] § 275a Rdn. 6.
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Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
tragend - abgehandelt hat), deren (jedenfalls geringfügige) Verletzung (Überschreitung der Frist nur um wenige Tage, Fristüberschreitung liegt nicht im Verantwortungsbereich der Justiz) unschädlich sei (offen gelassen für gravierendere Fristüberschreitungen).91 cc) Stellungnahme: Dass die Regelung des § 66a Abs. 2 S. 1 im StGB zu finden ist 5 3 und nicht in der StPO ist allenfalls ein schwaches Indiz für deren materiellrechtlichen Charakter, denn das StGB enthält auch an anderen Stellen Regelungen, die prozessualer Natur sind (vgl. § § 7 7 ff). Für die Literaturansicht und die Ansicht des 1. Strafsenats spricht, dass eine solche Frist als materiellstrafrechtliche Voraussetzung an sich systemfremd ist. Bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung ist eine ähnliche Fristenregelung (betreffend die Antragstellung durch die Staatsanwaltschaft) dementsprechend im Strafprozessrecht, in § 275a StPO, geregelt worden. Auch die Systematik innerhalb des § 66a Abs. 2 legt eher eine verfahrensrechtlichen Charakter der Vorschrift nahe, denn was Voraussetzung für die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ist, steht in Absatz 2 S. 2. Darin heißt es, dass das Gericht, die Maßregel zu einem bestimmten Zeitpunkt anordnet bzw. über die Anordnung entscheidet. Schließlich waren in § 275a StPO a.F. (i.d.F. des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung) nur rudimentäre Verfahrensregelungen vorgesehen, als deren Ergänzung § 66a Abs. 2 S. 1 angesehen werden kann. Auch Formulierungen in der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bzgl. der Neufassung des § 275a StPO deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber mit § 66a Abs. 2 S.l eine strafprozessuale Ordnungsvorschrift schaffen wollte. Die Möglichkeit, einen Unterbringungsbefehl nach § 275a Abs. 5 StPO zu erlassen, soll danach gemäß § 66a Abs. 2 S. 1 an eine fristgerechte Hauptsacheentscheidung gebunden sein, um nicht die Gerichte dazu zu verleiten, die Fristen wegen Arbeitsüberlastung etc. nicht einzuhalten (das impliziert aber gerade, dass auch nach Fristablauf noch eine entsprechende Anordnung ergehen kann, nur eben dann ohne Unterbringungsbefehl).92 Nach der Neufassung des § 275a StPO bei Einführung der nachträglichen Sicherungs- 5 4 Verwahrung erscheint es jetzt aber auch nicht völlig unvertretbar - vor allem im Hinblick auf die die systematische Auslegung - eine Einordnung der Fristenregelung als materiellstrafrechtliche Regelung vorzunehmen, wie dies der 3. Strafsenat getan hat. Gerade die Verortung der Vorlage- und Antragsfrist in § 275a Abs. 1 S. 3 StPO und damit im Strafprozessrecht und das Belassen der Fristenregelung bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung in § 66a Abs. 2, also im materiellen Strafrecht, kann darauf hindeuten, dass beide Regelungen offenbar eine unterschiedliche Bedeutung haben. Auch hier wäre deshalb - sofern man an der Vorschrift überhaupt festhalten will eine gesetzgeberische Überarbeitung der Vorschrift erforderlich, damit die Regelung nicht völlig ihres Zweckes beraubt wird. 3. Materielle Voraussetzung a) Einzige materielle Voraussetzung für die endgültige Anordnung der Sicherungsver- 5 5 Währung aufgrund des Vorbehalts ist die Gefährlichkeitsprognose. Diese muss aufgrund einer Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und seiner Entwicklung während
91
BGH StV 2 0 0 6 63; vgl. auch das nach der Entscheidung des 3. Strafsenats ergangene Urteil des LG Kiel vom 29.3.2007, II KLs 15/04 (BeckRS 2 0 0 7 10836).
92
BTDrucks. 15/2887 S. 16.
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§ 66a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
des Strafvollzuges erfolgen. Die Gesamtwürdigung muss ergeben, dass von dem Verurteilten erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden. Nicht erfasst sind also Vermögensdelikte. 93 Die Formulierung hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitsgrades ist - anders als bei § 66b - an die der Grundmaßregel angelehnt. Dementsprechend ist für die Anordnung der Maßregel aufgrund des Vorbehalts kein höherer Wahrscheinlichkeitsgrad als bei § 66 erforderlich. 94 Das erscheint auch konsequent, da hier lediglich der Entscheidungszeitpunkt für einen Teil der Rechtsfolgenentscheidung nach hinten verlagert wurde. 56
aa) Das Gericht muss eine Gesamtwürdigung vornehmen. Die hierbei zu berücksichtigende Tatsachenbasis ist um die Entwicklung während des Strafvollzuges und die dies einbeziehende, erneute Begutachtung durch einen Sachverständigen (§ 275a Abs. 4 StPO, zu den Anforderungen an die Begutachtung vgl. § 66 Rdn. 247) erweitert. Dabei geht es nicht allein darum, zu prüfen, ob gleichsam das fehlende Mosaiksteinchen, welches die anfängliche Anordnung der Maßregel verhinderte, nunmehr gefunden werden kann. Es ist vielmehr eine neue Gesamtwürdigung im Hinblick auf die Gefährlichkeit vorzunehmen (es können also frühere, für eine Gefährlichkeit sprechende Faktoren entfallen auch das ist zu berücksichtigen - und neue hinzugekommen sein). 95
57
Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass Umstände aus dem Vollzug häufig nur eingeschränkte Schlüsse auf die Gefährlichkeit zulassen, da sich der Verurteilte unter den „künstlichen Bedingungen" des Vollzugs anders verhält als in Freiheit und er möglicherweise weniger Chancen erhalten hat, sich im Rahmen von Vollzugslockerungen zu bewähren, als Verurteilte, die nicht unter einem Vorbehalt stehen. 96 Wichtige Anhaltspunkte, die bei der Begutachtung im Ursprungsverfahren noch nicht berücksichtigt werden konnten, können sich aber z.B. auch aus einer therapeutischen Behandlung während des Vollzuges ergeben. 97 O b die bloße Ablehnung bestimmter Resozialisierungsangebote im Vollzug ein hinreichender Anhaltspunkt für Gefährlichkeit sein kann, erscheint zweifelhaft, 9 8 wird aber nicht generell auszuschließen sein. 99 Es wird hier - im Rahmen der Gesamtwürdigung - auf die Beweggründe des Verurteilten ankommen. In Abgrenzung zu § 66b ist darauf hinzuweisen, dass es bei § 66a ausdrücklich um die Entwicklung während des Vollzugs geht. Das ist gerade bei jungen Erwachsenen ein nicht unerheblicher Gesichtspunkt. Werden während des Vollzugs erst ältere, vor der Verurteilung liegende Umstände bekannt, die die Gefährlichkeit begründen, dürften diese wohl bei einer Prognose nach § 66a Abs. 2 berücksichtigt werden, denn anders als bei § 66b verlangt der Gesetzeswortlaut kein nachträgliches Erkennbarwerden, sondern eine Gesamtwürdigung (ohne Einschränkungen).
58
bb) Nach den Gesetzesmaterialien soll die Berücksichtigung des Verhaltens im Vollzug vor allem die Entwicklung des Verurteilten in einer Behandlung als gewichtigen Prognosefaktor erfassen. Weitere prognoserelevante Gesichtspunkte können z.B. aggressive Handlungen gegen Strafvollzugsbedienstete oder Mitgefangene, Straftaten oder subkulturelle Aktivitäten im Vollzug, Drohungen oder andere Äußerungen sein, die auf eine
93
94 95 96
BGH StV 2006 63, 64; Ullenbruch NStZ 2008 5, 9. AA Pollähne/Böllinger NK Rdn. 10. Schreiber/Rosenau S. 53, 100. Vgl. Fischer Rdn. 9b; Adam StV 2003 51, 53; Callies ZfStrVo 2004 135, 137.
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97 98 99
Schreiber/Rosenau S. 53, 100. Callies ZfStrVO 2004 135, 137. BGHSt 50 121 ff (zu S 66b).
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Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
Rückkehr in kriminelle Subkulturen und eine Wiederaufnahme insbesondere von Gewalt- oder Sexualkriminalität hindeuten (BTDrucks. 14/8586 S. 7). Neue Straftaten sind nicht generell ungeeignet als Tatsachenbasis für die Gefährlichkeitsprognose, selbst wenn diese entweder so gewichtig sind, dass sie ihrerseits für eine Maßregelanordnung nach § 66 dienen oder aber weniger gewichtige Straftaten aus Verhältnismäßigkeitsgründen ausscheiden. 100 Anderenfalls würde verkannt, dass die Entwicklung im Vollzug nur ein Teil der für die Gesamtwürdigung relevanten Tatsachen darstellt und neue Straftaten (möglicherweise) wiederum nur einen Teil der Entwicklung im Vollzug ausmachen. Da es um die Erstellung einer (zukunftsgerichteten) Prognose geht, kommt es auf die konkrete Tatschwere im Vollzug für die Gesamtwürdigung jedenfalls bei § 66a nicht entscheidend an. Maßgeblich ist, ob aufgrund der Gesamtwürdigung, einschließlich etwaiger Straftaten im Vollzug, auf erhebliche neue Straftaten zu schließen ist und da können auch weniger schwere Taten (die z.B. aufgrund vollzugsbedingter Besonderheiten, wie einer schnelleren Eingriffsmöglichkeit von Vollzugsbediensteten etc., weniger schwer geblieben sind) eine Rolle spielen (bloßes „unfreundliches" oder gemeinschaftswidriges Verhalten oder andere ubiquitäre vollzugstypische Verhaltensweisen reichen nach Ansicht des BGH aber nicht). 101 Eine verweigerte oder gescheiterte Therapie ist ebenfalls nur ein Aspekt der GesamtWürdigung. Dieser Umstand kann eine Rolle spielen, 102 muss es aber nicht. Es ist jeweils konkret zu hinterfragen, ob das Vollzugsverhalten nunmehr im Rahmen der Gesamtwürdigung auf die erforderliche Gefährlichkeit schließen lässt. 103 Nicht jeder der eine Therapie verweigert, wird dadurch gefährlicher als zum Zeitpunkt seiner Aburteilung. Es ist nach den Hintergründen zu fragen. Lässt die Therapieverweigerung aber im Einzelfall Schlüsse auf die Gefährlichkeit zu, so ist kein Grund ersichtlich, den Umstand nicht in die Gesamtwürdigung einzustellen. Zu weiteren prognoserelevanten Faktoren vgl. auch die Darstellung der Rechtsprechung zu erheblichen neuen Tatsachen in der Kommentierung zu § 66b Rdn. 113 ff.
59
Es stellt sich auch die Frage, was in § 66a Abs. 2 S. 2 mit „Strafvollzug" gemeint ist. 6 0 Meint dieser Begriff nur die Inhaftierung aufgrund der mit dem Vorbehalt ausgesprochenen Strafe oder meint er jegliche bis zur Entscheidung über die spätere Maßregelanordnung verbüßte (strafrechtliche) Freiheitsentziehung? Es sind Fälle denkbar, in denen der Verurteilte in Unterbrechung der zusammen mit dem Vorbehalt ausgesprochen Strafe eine andere Strafe (z.B. einen nach Bewährungswiderruf zu vollstreckenden Strafrest aus einer anderen Verurteilung) verbüßt oder aber zunächst eine gleichzeitig mit dem Vorbehalt angeordnete Unterbringung nach § 64 vollstreckt wird (vgl. § § 7 2 Abs. 1 und 2; 67 Abs. 1). Es wäre misslich, wenn Erkenntnisse aus den Zeiträumen dieser Vollstreckungen nicht für die Gesamtwürdigung heranzuziehen wären. Die Materialien verhalten sich dazu nicht. Die Gesetzesformulierung „Strafvollzug" ist insoweit aber eindeutig. Erkenntnisse aus dem Maßregelvollzug dürfen zwar nicht zur Gefährlichkeitsprognose herangezogen werden, wohl aber - da es sich auch um Strafvollzug handelt und das Gesetz keine Einschränkung nur auf die Strafe aus der Anlasstat enthält (anders die Formulierung in § 66b!), dies auch zweckwidrig wäre - Erkenntnisse aus der zwischen Verurteilung und Anordnungsentscheidung liegenden Vollstreckung anderer Strafen. Warum
100 101 102
So aber: Ullenbruch MK Rdn. 54. BGH NStZ 2007 267, 268. BGHSt 50 121 ff (zu § 66b); BGH NJW
103
2006 384, 386 (zu § 66b); aA: Ullenbruch MK Rdn. 55. BGHSt 50 121 ff (zu § 66b).
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§ 66a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
letzteres (im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose) dem Schuldgrundsatz widersprechen sollte - wie teilweise behauptet wird - , 1 0 4 ist nicht ersichtlich. 61
Eine Einschränkung muss allerdings gemacht werden: Da nach § 66a Abs. 2 spätestens 6 Monate vor dem sog. „Zwei-Drittel-Termin" zu entscheiden ist, darf wohl, wenn die Entscheidung entgegen dieser Vorschrift erst später fällt (zum Rechtscharakter der Frist vgl. Rdn. 50 ff), Vollzugsverhalten aus der Zeit nach dem Stichtag nicht mehr zur Begründung der Gefährlichkeitsprognose herangezogen werden (dies spielt dann möglicherweise für eine Entscheidung nach § 66b eine Rolle).
62
cc) Die Gefahr muss bestehen, dass von dem Verurteilten erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Die Aufzählung ist hier - anders als bei § 66 Abs. 1 Nr. 3 - enumerativ. Es handelt sich nicht nur um Regelbeispiele für den Begriff „erheblich", denn es ist nicht wie in § 66 Abs. 1 Nr. 3 mit „namentlich" formuliert. Es müssen also körperliche oder seelische Schäden zu erwarten sein und diese müssen „schwer" sein (vgl. dazu § 66 Rdn. 157 ff). Andere Rechtsgutverletzungen, insbesondere ein schwerer wirtschaftlicher Schaden, genügen den gesetzlichen Anforderungen nicht. 1 0 5
63
b) Umstritten ist, ob zum Anordnungszeitpunkt (noch einmal) der „Hang" i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 zu prüfen ist. 1 0 6 Das Vorliegen eines Hangs ist für die spätere Anordnung nach § 66a Abs. 2 keine weitere materielle Voraussetzung. Der Gesetzgeber hat gemeint, dass ein solcher „unter den künstlichen, nämlich stark kontrollierenden und reglementierten Bedingungen des Strafvollzuges" kaum feststellbar sei (BTDrucks. 14/8586 S. 7). Im Wortlaut des Abs. 2 findet ein Hangerfordernis dementsprechend auch keinerlei Niederschlag. 107 Teilweise wird - wenig überzeugend - dennoch eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend verlangt, dass die Anordnung auch die Feststellung eines Hangs erfordert. 1 0 8
64 65
c) Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit gilt nichts anderes als bei § 66. 4. Rechtsfolge. Liegen die Voraussetzungen des § 66a Abs. 2 vor, so ist die Anordnung der Maßregel - anders als der Ausspruch des Vorbehalts - zwingend („ordnet an"). § 66a Abs. 2 gilt entsprechend, wenn die Vorbehaltsanordnung gegenüber einem Heranwachsenden getroffen wurde (§ 106 Abs. 3 S. 3 JGG).
VII. Berücksichtigung bei der Strafzumessung und Verhältnis zu anderen Maßregeln 66
Es ist bereits str., ob die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 überhaupt bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist (vgl. dazu § 66 Rdn. 236). Letztendlich kann hier nichts anderes gelten als bei § 66. Zumeist wird eine Berücksichtigung, so als ob die Maßregel sofort verhängt worden wäre, befürwortet. 1 0 9
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107
So - ohne Begründung - : Ullenbruch MK Rdn. 5 6 . Fischer Rdn. 9a; Ullenbruch MK Rdn. 4 6 ff. So: Ullenbruch MK Rdn. 45; Schreiberl Rosenau S. 53, 100. I.E. ebenso: BGHSt 50 188, 193 ff; vgl.
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auch: Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 155 f; ders. HRRS 2 0 0 6 380, 381. Schreiber/Rosenau S. 53, 101. Fischer Rdn. 8a; Ullenbruch MK Rdn. 65.
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Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
Hinsichtlich des Verhältnisses zu den § § 6 3 und 6 4 kann hier nichts anderes gelten als beim Verhältnis von § 66 zu den beiden anderen Unterbringungsvorschriften.
67
§ 6 6 und § 6 6 a können wegen ihrer unterschiedlichen Voraussetzungen nicht in Konkurrenz treten.
68
Ist ein Vorbehalt nach § 6 6 a Abs. 1 angeordnet worden und verhält sich der Verurteilte im Vollzug so, dass nunmehr die Voraussetzungen des § 6 6 a Abs. 2 gegeben sind, so ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach dieser Vorschrift auszusprechen auch wenn das Vollzugsverhalten als neu erkennbare Tatsache i.S.v. § 6 6 b gewertet werden kann. Durch § 6 6 b sollen lediglich Schutzlücken, die bei alleiniger Anwendbarkeit der §§ 66, 66a verbleiben würden, geschlossen, nicht aber § 6 6 a obsolet gemacht werden. 1 1 0 Andererseits dürfte die Anwendung des § 6 6 b nicht ausgeschlossen sein, obwohl ein Vorbehalt angeordnet wurde, wenn es um andere neu erkennbar gewordene Tatsachen (als das Vollzugsverhalten), die nicht vom Regelungsgehalt des § 66a erfasst werden, geht. Denn dann liegt eine Schutzlücke vor, die mit dem Instrumentarium des 66a nicht zu schließen ist.
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VIH. U b e r s i c h t über Zuständigkeit u n d Verfahren Die wichtigsten Zuständigkeits- und Verfahrensnormen sind seit den Änderungen des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 2 3 . 7 . 2 0 0 4 (BGBl. I S. 1838) in § 66a Abs. 2 S. 1, §§ 2 4 6 a , 2 6 8 d , 2 7 5 a StPO und §§ 74, 7 4 f G V G enthalten. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Verfahren zur Anordnung des Vorbehalts und dem Verfahren zur späteren Anordnung der Maßregel aufgrund des Vorbehalts.
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1. Verfahren zur Anordnung des Vorbehalts. Ebenso wie bei der vorbehaltslosen Sicherungsverwahrung ist nach § 2 4 6 a StPO ein Sachverständiger hinzuzuziehen. O b die Hinweispflicht nach § 2 6 5 Abs. 2 StPO zu beachten ist, erscheint angesichts des Wortlautes zweifelhaft, geht es doch hier gerade nicht um die Anordnung der Maßregel sondern nur um deren Vorbehalt. Wenn man die These vertritt, dass es sich bei § 6 6 a lediglich um ein zeitlich gestrecktes Verfahren zur (möglichen) Anordnung der Sicherungsverwahrung handelt, so wird man aber eine Hinweispflicht bejahen müssen. Der Hinweis auf § 6 6 dürfte hingegen den auf § 66a mit umfassen.
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Die prozessuale Begründungspflicht ergibt sich aus § 2 6 7 Abs. 6 StPO. Daneben kann eine materiellrechtliche Begründungspflicht hier ebenso bestehen, wie auch sonst, wenn sich eine Maßregelanordnung aufdrängt. 1 1 1
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Zuständig für den Ausspruch des Vorbehalts ist das Landgericht, da auch das Verfahren, in dem die Sicherungsverwahrung vorbehalten wird, ein solches ist, in dem die „Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu erwarten" ist (§ 74 Abs. 1 G V G , vgl. auch § 74f GVG).
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Nach § 2 6 8 d StPO ist der Verurteilte zu belehren. Eine unterbliebene Belehrung hindert die spätere Maßregelanordnung nicht, 1 1 2 denn es geht im Nachverfahren nicht darum, Sanktionen an einen schuldhaften Verstoß wie z.B. bei der Strafaussetzung zur
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Vgl. BTDrucks. 15/2887 S. 1, 10, 12. BGH N J W 1 9 9 9 2 6 0 6 .
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Ullenbruch MK Rdn. 63; Meyer-Goßner StPO § 2 6 8 d Rdn. 3.
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§ 66a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Bewährung zu knüpfen, sondern es geht um die endgültige Feststellung der Gefährlichkeit. 75
Gegen das Urteil mit dem der Vorbehalt angeordnet wird, ist die Revision statthaft (§ 333 StPO). Für die Frage, ob die (unterbliebene) Vorbehaltsanordnung isoliert anfechtbar ist, dürfte nichts anderes gelten als auch bei § 66. 1 1 3 Ein rechtskräftig ausgesprochener Vorbehalt wird nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 BZRG in das Zentralregister eingetragen. 2. Nachverfahren
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a) Zuständig für das Nachverfahren ist das Gericht des ersten Rechtszuges das den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung angeordnet hat (§ 74f Abs. 1 und Abs. 3 GVG, eingeführt durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung), d.h. die große Strafkammer (oder das Schwurgericht) beim Landgericht oder ein Strafsenat beim OLG. Die Zuständigkeitsregelung ist logische Konsequenz des Umstandes, dass es sich bei der späteren Anordnungsentscheidung nur um einen offen gelassenen Punkt des Ursprungsverfahrens, also um einen zweiten Teil des Erkenntnisverfahrens, 1 1 4 handelt. 1 1 5 Die Besetzung i.S.v. § 76 GVG muss dabei der der ersten Hauptverhandlung entsprechen.
77
Das Gericht hat das Nachverfahren von sich aus in Gang zu setzen. 116 Das ist zwar nicht ausdrücklich so geregelt, ergibt sich aber daraus, dass es - anders als bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 275 Abs. 1 S. 3 StPO) - eines Antrages der Staatsanwaltschaft (im Sinne einer Verfahrensvoraussetzung) nicht bedarf, 1 1 7 sondern in § 66a Abs. 2 lediglich geregelt ist, w a n n „das Gericht" entscheiden muss. Es folgt schließlich auch daraus, dass der Prozessgegenstand des Ursprungsverfahrens noch nicht erledigt ist, sondern ein Teil der Entscheidung nach hinten verlagert wurde. Die Regelung zur Aktenübersendung in § 275a Abs. 1 S. 4 StPO dürfte sich nur auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung beziehen, da von einer Aktenübersendung nebst Antrag die Rede ist und es eines Antrags der Staatsanwaltschaft zur Verfahrenseinleitung bei § 66a StGB gerade nicht bedarf. Das Gericht wird also gut daran tun, ein Aktenstück mit den wesentlichen für § 66a notwendigen Inhalten (z.B. Urteil) auf eine entsprechende Wiedervorlagefrist legen zu lassen, wenn die Akten zwecks Einleitung der Strafvollstreckung bei der Staatsanwaltschaft sind, und dann wenn das Nachverfahren ansteht, die Akten von der Staatsanwaltschaft anzufordern, sofern die Staatsanwaltschaft diese nicht aufgrund eigener Fristenkontrolle von sich aus an das Gericht übersendet.
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Sofern man nicht (s.o. Rdn. 50 ff) mit dem 3. Strafsenat des Bundesgerichtshof die Fristenregelung des § 66a Abs. 2 S. 1 als materiellrechtliche Anordnungsvoraussetzung ansieht, stellt sich n u n m e h r hier die Frage, welche Rechtsfolgen sich an eine nicht rechtzeitige Entscheidung nach § 66a Abs. 2 knüpfen. Vor den Änderungen im Rahmen der Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung waren keine entsprechenden Regelungen der Frage vorhanden und auch die Gesetzesmaterialien gaben darüber keinen Aufschluss, so dass man im Hinblick auf die gesetzgeberische Schutzintention annehmen
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Für eine isolierte Anfechtbarkeit: Fischer Rdn. 10; dagegen: Ullenbruch MK Rdn. 64 f. So: Schreiber/Rosenau S. 53, 101. Peglau JR 2002 449, 451; Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 200; Ullenbruch MK Rdn. 67.
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Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 200; aA: Ullenbruch MK Rdn. 70 f. Gollwitzer LR 25 § 275a Nachtr. Rdn. 12; anders offenbar: Pfeiffer StPO5 S 275a Rdn. 1.
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Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66a
konnte, dass die Frist des § 66a Abs. 2 keine Präklusionswirkung hatte, sondern es sich hierbei um eine Ordnungsvorschrift handelt. 118 Auch aus der Belehrungsvorschrift des § 268d StPO lässt sich nichts anderes herleiten, 119 da danach zwar über den Vorbehaltszeitraum zu belehren ist, aber keine Aussagen getroffen werden müssen, was im Fall der Fristüberschreitung geschieht. Das ist nach der Änderung des § 275a StPO im Zusammenhang mit der Einführung des § 66b nicht mehr so eindeutig. Nach § 275a Abs. 5 n.F. StPO darf das erstinstanzliche Gericht nur dann einen Unterbringungsbefehl (für die Dauer des Revisionsverfahrens) erlassen, wenn es seine Entscheidung bis zum dem genannten spätesten Zeitpunkt erlassen hat. Das könnte darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber auch nur eine Maßregelanordnung bis zu diesem Zeitpunkt zulassen wollte, nicht hingegen noch danach. Andererseits entstünden aufgrund einer nur aus formalen Gründen nicht ergehenden Maßregelanordnung Schutzlücken. Diese erscheinen besonders misslich, weil einerseits das Nachverfahren nicht unbegrenzt nach vorne verlagert werden kann, da ja gerade das Vollzugsverhalten berücksichtigt werden soll, der Verurteilte es aber andererseits durch verfahrensverzögernde Maßnahmen in der Hand hat, das Verfahren über die „rettende" Frist zu ziehen. 120 Diese Schutzlücken sind nicht über § 66b zu schließen, wenn die neuen Tatsachen i.S.v. § 66b bereits im nicht rechtzeitig abgeschlossenen Verfahren nach § 66a Abs. 2 erkennbar waren (vgl. § 66b Rdn. 91 ff). Deswegen dürfte mehr dafür sprechen, die Frist nicht als Verfahrensvoraussetzung mit Präklusionswirkung zu verstehen, sondern als Ordnungsvorschrift. 121 Deswegen wird in Literatur und Rechtsprechung darüber nachgedacht, eine Präklusionswirkung nur dann zuzubilligen, wenn Gericht oder Staatsanwaltschaft die Fristüberschreitung zu verantworten haben. 122
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b) Str. ist auch, ob es einen frühestmöglichen Zeitpunkt für die Entscheidung nach § 66a Abs. 2 gibt. Nach dem Wortlaut wäre eine Entscheidung über den Vorbehalt auch bereits kurz nach Haftantritt möglich. 123 Dies ist jedoch keine Frage der formellen Voraussetzungen der Vorschrift des § 66a, sondern eine Frage der Verhältnismäßigkeit. 124 Es ist wohl nicht erforderlich, die Sicherungsverwahrung aufgrund des Vorbehalts anzuordnen, wenn der Verurteilte noch eine lange Haftzeit vor sich hat. Denn so lange die Haft andauert, ist die Allgemeinheit ohnehin vor ihm geschützt und andererseits besteht die Möglichkeit, dass die Gefährlichkeit mit zunehmender Haftdauer oder fortschreitendem Alter geringer wird. 12S
80
c) Für die Vorbereitung der Hauptverhandlung wird in § 275a Abs. 2 StPO auf die §§ 213 ff StPO verwiesen; eines Zwischenverfahrens bedarf es konsequenterweise nicht. Nach § 275a Abs. 4 S. 1 StPO muss das Gericht vor der Entscheidung das Gutachten
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Schönke/Schröder/Stree Rdn. 6; Gollwitzer LR 2 5 § 275a Nachtr. Rdn. 37; Peglau J R 2 0 0 2 449, 451; aA mit verfassungsrechtlicher Argumentation: Ullenbruch MK Rdn. 42 sowie Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 148 ff. AA: Frister SK-StPO [Stand: Oktober 2 0 0 3 ] § 275a Rdn. 8 - zu § 275a StPO a.F. - . Gollwitzer LR 2 S § 275a Nachtr. Rdn. 37. I.E. ebenso: Voll KMR [Stand: Dezember 2004] § 275a Rdn. 6; Gollwitzer L R 2 5
§ 275a Nachtr. Rdn. 37 f; ähnlich wohl auch - aber offengelassen - BGH StV 2 0 0 6 63, 64 jedenfalls bei geringfügigen Fristüberschreitungen; aA Renzikowski NStZ
2006 280, 281. 122
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Frister SK StPO [Stand: Oktober 2 0 0 3 ] § 275a Rdn. 8; vgl. auch BGH StV 2 0 0 6 63, 64. Vgl. Ullenbruch MK Rdn. 43. Ullenbruch MK Rdn. 4 4 . Vgl. auch: Gollwitzer L R 2 5 § 2 7 5 a Nachtr. Rdn. 8.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
eines Sachverständigen einholen. Der Gutachter darf im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs einer Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein (§ 275a Abs. 4 S. 3 StPO). Im Übrigen gilt (über den Verweis) § 246a StPO, d.h. der Sachverständige ist in der Hauptverhandlung zu vernehmen, zu einer Untersuchung des Verurteilten soll ihm davor Gelegenheit gegeben werden. Wie das Gericht dem verfasssungsrechtlichen Beschleunigungsgebot, welches in § 66a Abs. 2 seinen Niederschlag gefunden hat, Rechnung tragen soll, regelt das Gesetz nicht. Für eine Pflicht des Sachverständigen zur Vorlage des Gutachtens bereits vor der Hauptverhandlung ergeben sich deswegen weder aus dem einfachen Recht noch aus dem Verfassungsrecht 1 2 6 zwingende Argumente, wenn auch ein schriftliches Gutachten vor der Hauptverhandlung i.d.R. sinnvoll ist. Warum es verfassungsrechtlich fraglich sein soll, dass das Gesetz nur einen Gutachter verlangt (so: Ullenbruch MK § 66a Rdn. 78), ist unklar. Im Zusammenhang mit der anfänglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 ist dies bisher verfassungsrechtlich nicht in Frage gestellt worden. Warum das anders sein soll, wenn ein Entscheidungsteil zeitlich nach hinten verlagert wird, ist nicht ersichtlich. Der Gutachter sollte vom Gericht dahingehend angeleitet werden, dass er sein besonderes Augenmerk auch auf das Vollzugsverhalten des Verurteilten zu richten hat. 1 2 7 Zu den Mindestanforderungen für Prognosegutachten vgl. Bötticher/u.a. NStZ 2006 537 ff. 82
d) Das Verfahren in der Hauptverhandlung ergibt sich aus § 275a Abs. 2 i.V.m. §§ 226 ff StPO sowie aus § 275 Abs. 3 StPO. Das Gericht hat nach § 66a Abs. 2 S. 1 spätestens sechs Monate vor dem sog. „Zweidritteltermin" (§ 57 Abs. 1 Nr. 1) bzw. dem Termin nach § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu entscheiden. Die Entscheidung erfolgt, da sie aufgrund einer Hauptverhandlung ergeht, durch Urteil (§ 260 StPO), welches mit dem Rechtsmittel der Revision angreifbar ist. Hinsichtlich der Begründungsanforderungen gilt nichts anderes als für „normale" erstinstanzliche Urteile. Das Gericht ist an die Feststellungen des ersten Urteils gebunden. Neuer Beweis ist nur noch über die „Entwicklung während des Strafvollzuges" zu erheben. 1 2 8 Nachträglich bekannt gewordene andere Tatsachen, insbesondere solche, die vor der ersten Verurteilung aufgetreten sind, dürfen nicht berücksichtigt werden (dies fällt in den Anwendungsbereich des § 66b). Nicht gebunden ist das Gericht freilich an die Gesamtwürdigung hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel. Diese ist insgesamt neu vorzunehmen.
83
e) § 66a lässt grundsätzlich die Möglichkeiten der Entscheidung über die Strafrestaussetzung zur Bewährung unberührt, d.h. es bleibt auch die Möglichkeit der Halbstrafenaussetzung (§ 57 Abs. 2). Zur Vermeidung divergierender Entscheidungen, 129 darf die Entscheidung über die Reststrafenaussetzung zur Bewährung nach § 66a Abs. 3 StGB erst nach Rechtskraft der Entscheidung im Nachverfahren ergehen, es sei denn, die Voraussetzungen nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 liegen offensichtlich nicht vor. Sollte eine Halbstrafenaussetzung ernsthaft in Betracht kommen, etwa aufgrund einer äußerst vorteilhaften Entwicklung des Verurteilten im Vollzug, so hat das Gericht des ersten Rechtszuges seine Entscheidung entsprechend frühzeitig zu treffen, 1 3 0 damit nicht die Halbstrafenaussetzung de facto vereitelt wird. 131 Der Gesetzeswortlaut steht einer früheren
126 127 128
So aber: Ullenbruch MK Rdn. 77. Ullenbruch MK Rdn. 80. Frister SK-StPO [Stand: Oktober 2003] § 275a Rdn. 18.
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129 130 131
BTDrucks. 14/8586 S. 7. BTDrucks. 14/8586 S. 7. Ullenbruch M K Rdn. 96.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
Entscheidung nicht entgegen, denn es ist danach „spätestens" sechs Monate vor dem Zweidritteltermin zu entscheiden, also möglicherweise auch früher. f) In § 275a Abs. 5 S. 3 StPO wurde durch das Gesetz zur Einführung der nachträgliehen Sicherungsverwahrung auch die Möglichkeit des Erlasses eines Unterbringungsbefehls für die Zeit zwischen erstinstanzlicher Entscheidung und Rechtskraft geschaffen, nachdem zuvor das Fehlen eines derartigen Instrumentariums zur Verfahrenssicherung und zum Bevölkerungsschutz kritisiert worden war. 132
84
g) Die Entscheidung im Nachverfahren ist ebenfalls mit dem Rechtsmittel der Revision anfechtbar. 133
85
3. Vollstreckung. Es gelten hier die allgemeinen Regeln, wie bei § 66 auch (vgl. dort Rdn. 238 ff).
86
§ 66b Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (1) Werden nach einer Verurteilung wegen eines Verbrechens gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder eines Verbrechens nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit den §§ 252, 255, oder wegen eines der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Vergehen vor Ende des Vollzugs dieser Freiheitsstrafe Tatsachen erkennbar, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, und wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung die übrigen Voraussetzungen des § 66 erfüllt sind. War die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Zeitpunkt der Verurteilung aus rechtlichen Gründen nicht möglich, so berücksichtigt das Gericht als Tatsachen im Sinne des Satzes 1 auch solche, die im Zeitpunkt der Verurteilung bereits erkennbar waren. (2) Werden Tatsachen der in Absatz 1 Satz 1 genannten Art nach einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, erkennbar, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
132
Vgl. Peglau J R 2002 449, 451; aA bereits seinerzeit: Frister SK-StPO [Stand Oktober 2003] § 275a Rdn. 15; Gollwitzer L R 2 5 § 275a Nachtr. Rdn. 34; vgl. auch: Voll
133
K M R [Stand Dezember 2004] § 275a Rdn. 4. Vgl. dazu näher: Gollwitzer L R 2 5 § 275a Nachtr. Rdn. 39 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
(3) Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn 1. die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 6 6 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und 2 . die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Vollzugs der Maßregel ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Schrifttum Adams Zur nachträglichen Sicherungsverwahrung nach Landesrecht StV 2003 51 ; Baier Grenzenlose Sicherheit? Die Unterbringung gefährlicher Straftäter zwischen Bundes- und Landesrecht Jura 2004 552; Baltzer Die Sicherung des gefährlichen Straftäters (2005); ders. Gefährliche Straftäter im Strafvollzug in: Egg (Hrsg.) „Gefährliche Straftäter" - Eine Problemgruppe der Kriminalpolitik (2005) S. 59; Boetticher Aktuelle Entwicklungen im Maßregelvollzug und bei der Sicherungsverwahrung NStZ 2005 417; ders. Sicherungsverwahrung und Prognosegutachten aus revisionsrechtlicher Sicht in: Barton (Hrsg. „... weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!" (2006) S. 87 ff; Blau Anmerkungen eines Zeitzeugen zur nachträglichen Sicherungsverwahrung Festschrift Schwind (2006) S. 525; Böhm Opferschutz und Strafvollzug: Neue Wege zum Schutz vor gefährlichen Gewalt- und Sexualstraftätern ZRP 2007 41; Braum Nachträgliche Sicherungsverwahrung: In dubio pro securitate? - Wegsperren ohne tragfähige Legitimation ZRP 2004 105; Callies Die „Entwicklung des Verurteilten im Strafvollzug und die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ohne Vorbehalt ZfStrVO 2004 135; Caspari Vor- und Nachteile der nachfolgenden Sicherungsverwahrung DRiZ 2006 72; von Denkowski Mehrmonatiger Sicherungsgewahrsam: Staatsschutz im Geiste des Grundgesetzes oder präventiver Schutz neuer Art durch Feindmaßnahmen Kriminalistik 2006 11; Dessecker Kriminalrechtliche Maßregeln, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, in: Egg (Hrsg.) „Gefährliche Straftäter" - Eine Problemgruppe der Kriminalpolitik (2005) S. 37; Diehm Die Menschenrecht der EMRK und ihr Einfluss auf das deutsche Strafgesetzbuch (2006); Dünkel/ van Zyl Smit Nachträgliche Sicherungsverwahrung KrimPäd 2004 47; Folkers Die nachträgliche Sicherungsverwahrung in der Rechtsanwendung - Eine Zwischenbilanz - NStZ 2006 426; Frommel Lebenslange Verwahrung angeblich nicht therapierbarer und extrem gefährlicher Sexualstraftäter seit 1998 in Deutschland und der Schweiz NKrimP 2004 86; Gärditz Freiheitsentziehung durch das Bundesverfassungsgericht NVwZ 2004 693; Gazeas Nachträgliche Sicherungsverwahrung - Ein Irrweg der Gesetzgebung StraFo 2005 9; Goerdeler Die Sicherungsverwahrung wird ausgeweitet ZJJ 2004 191; Goll/Wulf Schutz vor besonders rückfallgefährdeten Straftätern: Das baden-württembergische Modell NStZ 2001 284; Hanack Nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung, Festschrift Rieß (2002) 709; Harrendorf Die nachträgliche Sicherungsverwahrung und die Schweigepflicht des Therapeuten im Strafvollzug JR 2007 18; Hörnte Verteidigung und Sicherungsverwahrung StV 2006 383; Jansing Nachträgliche Sicherungsverwahrung, Diss. Tübingen 2004; Keller/Maser Der Fall Christian H. - Können polizeiliche Maßnahmen eine fehlende (nachträgliche) Sicherungsverwahrung ausgleichen) Kriminalistik 2005 114; Kinzig Neues von der Sicherungsverwahrung StV 2002 500; ders. An den Grenzen des Strafrechts - Die Sicherungsverwahrung nach den Urteilen des BVerfG NJW 2004 911; ders. Umfassender Schutz vor dem gefährlichen Straftäter? - Das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung NStZ 2004 655; Koller Die Erledigung der Unterbringung nach § 63 StGB in Duncker/Koller/Foerster (Hrsg.) Festschrift Venzlaff (2006) S. 229; ders. Erledigung der Unterbringung und nachträgliche Sicherungs-
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
Verwahrung R&P 2007 57; Kreuzer Nachträgliche Sicherungsverwahrung - rote Karte für gefährliche Gefangene oder für den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz ZIS 2006 145; Krüger Nachträgliche Sicherungsverwahrung - Nachruf und Ausblick NJ 2004 295; Kurtz „Gefährliche" Rechtsbrecher und ihre Sanktionierung Festschrift Eser (2005) 1375; Laubenthal Die Renaissance der Sicherungsverwahrung ZStW 116 (2004) 702; J. Leygraf Erste Erfahrungen mit der Rechtsprechung zur nachträglichen Sicherungsverwahrung ForensPsychiatrPsycholKriminol. 2007 121; Liiderssen Die ewige Versuchung des Täterstrafrechts - Das Verhalten im Strafvollzug als Voraussetzung für vorbehaltene oder nachträgliche Sicherungsverwahrung KJ 2006 361; Maaß Der Verbringungsgewahrsam nach dem geltenden Polizeirecht NVwZ 1985 151; Markwardt „Neue Tatsachen" und nachträgliche Sicherungsverwahrung, Festschrift zu Ehren des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (2006) S. 223; Milde Zwischen Klarheit und Verwirrung - Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur nachträglichen Sicherungsverwahrung HRRS 2006 380; Möller Die Entwicklung und Lebensverhältnisse von 135 Gewohnheitsverbrechern, gegen die während der Jahre 1934 bis 1936 im Bezirke des Landgerichts Hamburg auf Grund des nachträglichen Sicherungsverfahrens die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde Diss. Hamburg 1939; Müller-Metz Die Sicherungsverwahrung StV 2003 42; ders. Nachträgliche Sicherungsverwahrung - ein Irrweg der Kriminalpolitik NJW 2003 3173; Ostendorf/Bochmann Nachträgliche Sicherungsverwahrung bei jungen Menschen auf dem internationalen und verfassungsrechtlichen Prüfstand ZRP 2007 146; Passek Sicherungsverwahrung im Wandel Neuregelung der §§ 66, 66a und 66b StGB GA 2005 96; Peglau „Nachträgliche Sicherungsverwahrung" - eine mögliche (strafrechtliche) Sanktion in Deutschland? ZRP 2000 147; ders. Das baden-württembergische Straftäterunterbringungsgesetz - tatsächlich als Landesrecht unzulässig? NJW 2001 2436; ders. Haftbefehlserlass im Unterbringungsverfahren nach dem Straftäterunterbringungsgesetz NJW 2002 3679; ders. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung, das Rechtsmittelverfahren und das Verschlechterungsverbot NJW 2004 3599; ders. Mehrfache Verfahren zur nachträglichen Verhängung der Sicherungsverwahrung - ein prozessuales Problem der strafrechtlichen Gefahrenabwehr JR 2006 14; ders. Das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung NJW 2007 1558; Pestalozza Die wider Willen sperrende Bundeslücke bei der Sicherungsverwahrung JZ 2004 605; Pieroth Gesetzgebungskompetenz- und Grundrechtsfragen der nachträglichen Sicherungsverwahrung J Z 2002 922; Pollähne Trendwende im Strafrecht? - Aktuelle Entwicklungen im Maßregelrecht unter besonderer Berücksichtigung der Sicherungsverwahrung SchlHA 2005 135; Poseck Das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung NJW 2004 2559; Richter Nachträgliche Sicherungsverwahrung und kein Ende ZfStrVO 2003 201; Rissing-van Saan Vorbehaltene und nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung als Bewährungsproben des Rechtsstaates, Festschrift Nehm (2006) S. 191; Römer Verwahrung gegen die nachträgliche Sicherungsverwahrung JR 2006 5; Rosenau Die Nachträgliche Sicherungsverwahrung - Feindstrafrecht oder Bewährungsprobe für den Rechtsstaat, Festschrift Venzlaff (2006) S. 286; ders./Peters Zur Verfassungsmäßigkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung JZ 2007 584; Rzepka Sicherheit statt Rechtsstaat - Überblick und Anmerkungen zu bundes- und landesrechtlichen Konzepten einer nachträglichen Sicherungsverwahrung Teil 1 R&P 2003 127; dies. Sicherheit statt Rechtsstaat - Überblick und Anmerkungen zu bundes- und landesrechtlichen Konzepten einer nachträglichen Sicherungsverwahrung Teil 2 R&P 2003 191; Sachs Besprechung von BVerfG, Urt. v. 10.2.2004 - 2 BvR 834/02 und 1588/02 JuS 2004 531; Schneider H. Die Kriminalprognose bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung StV 2006 99; Schneider U. Nachträgliche Sicherungsverwahrung: Ein kriminalpolitischer Sündenfall? Festschrift Schwind (2006) S. 413; Schreiber/Rosenau Rechtliche Grundlagen der psychiatrischen Begutachtung, in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 2004 S. 53; Streng Das Legitimations-Dilemma sichernden Freiheitsentzuges - Überlegungen zur neueren Rechtsentwicklung, Festschrift Lampe (2003) 611; ders. „Erkennbar gewordene Tatsachen" und rechtsstaatliche Anforderungen an nachträgliche Sicherungsverwahrung StV 2006 92; Trechsel Nachträgliche Sicherungsverwahrung, in: Grafl/Medigovic (Hrsg.) Festschrift für Manfred Burgstaller zum 65. Geburtstag (2004) S. 201; Ullenbruch Nachträgliche „Sicherungsverwahrung" durch die „Polizei": Das StrUBGBW - (k)ein Modell für Deutschland NStZ 2001 292; ders. Nachträgliche Sicherungsverwahrung - Fragen über Fragen NStZ 2002 466; ders. Nachträgliche Sicherungsverwahrung - heikle Materie in den Händen des BGH NJW 2006 1377; ders. Nachträgliche Sicherungsverwahrung - ein legislativer „Spuk" im judkativen „Fegefeuer"? NStZ 2007 62;
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
513
§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Urbaniok Validität von Risikokalkulationen bei Straftätern, in: Egg (Hrsg.) „Gefährliche Straftäter" Eine Problemgruppe der Kriminalpolitik? ( 2 0 0 5 ) S. 85; Veh Nachträgliche Sicherungsverwahrung und nachträgliche Tatsachenerkennbarkeit N S t Z 2 0 0 5 3 0 7 ; Wagener Die nachträgliche Sicherungsverwahrung - Problem und Lösung RuP 2 0 0 2 93; Waterkamp Anmerkung zu BVerfG, Urt. v. 1 0 . 2 . 2 0 0 4 - 2 BvR 8 3 4 / 0 2 und 1 5 8 8 / 0 2 StV 2 0 0 4 2 6 7 ; Würtenberger/Sydow Die nachträgliche A n o r d n u n g der Sicherungsverwahrung N V w Z 2 0 0 1 1201; Zschieschack/Rau Probleme der nachträglichen Sicherungsverwahrung unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes JR 2 0 0 6 8; dies. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung in der aktuellen Rechtsprechung des B G H JZ 2 0 0 6 895; dies. Examensrelevante Probleme der nachträglichen Sicherungsverwahrung JA 2 0 0 6 7 9 7 ; Zielinski Die Möglichkeit der A n o r d n u n g der nachträglichen Sicherungsverwahrung beim leugnenden bzw. schweigenden Straftäter BlStrafVollzK 2 0 0 6 H e f t 6 S. 1. Vgl. auch die N a c h w e i s e zu § 6 6 und zu § 6 6 a .
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde erstmalig durch das Gesetze zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23.7.2004 (BGBl. I S. 1838) eingeführt und trat am 29.7.2004 in Kraft. Durch Art. 1 Nr. 5a des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht vom 13.4.2007 (BGBl. I S. 513) - in Kraft getreten am 18.4.2007 - wurde S 66b Abs. 1 S. 2 neu eingefügt. In Absatz 1 wurde klargestellt, dass die übrigen Voraussetzungen des § 66 zum Anordnungszeitpunkt der nachträglichen Sicherungsverwahrung vorliegen müssen. In Absatz 2 wurde der Verweis auf Absatz 1 Satz 1 begrenzt.
Übersicht I. Normstruktur und Normzweck 1. Übersicht 2. Zweck der Vorschrift
. . . .
Π. Entwicklung
6
ΠΙ. Kritik an der nachträglichen Sicherungsverwahrung 1. Verkappte Wiederaufnahme 2. Fehlender Handlungsbedarf 3. Ungewissheit und fehlende Lockerungen IV. Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht und der EMRK 1. Gesetzgebungskompetenz a) Argumente für eine Länderkompetenz b) Ansicht des BVerfG/Bundeskompetenz 2. Materielles Verfassungsrecht . . . . a) Rückwirkungsverbot b) Ne bis in idem c) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . d) Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) e) Nemo-tenetur-Grundsatz 3. Vereinbarkeit mit Art. 5 EMRK . . . a) Allgemeines b) Zu den einzelnen Gestattungstatbeständen nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK
514
Rdn. 1 1 4
18 20 21 23 24 25 25 27 31 32 39 41 45 46 47 47
49
aa) Art. 5 bb) Art. 5 cc) Art. 5 dd) Art. 5 c) Ergebnis
Abs. Abs. Abs. Abs.
1 S. 1 S. 1 S. 1 S.
2 2 2 2
lit. lit. lit. lit.
c EMRK a EMRK b EMRK e EMRK
V. Formelle Voraussetzungen nach Abs. 1 und Abs. 2 1. Allgemeines 2. Formelle Voraussetzungen nach Absatz 1 a) Anlassverurteilung aa) Der Anlasstatenkatalog ... bb) Die „Verurteilung" i.S.v. § 66b Abs. 1 cc) Zeitpunkt der Anlassverurteilung dd) Zahl der abgeurteilten Taten . b) Übrige Voraussetzungen des § 66 . c) Inhaftierung des Verurteilten . . . 3. Formelle Voraussetzungen nach Abs. 2 a) Anlassverurteilung b) Inhaftierung des Verurteilten . . . c) Sonstiges VI. Materielle Voraussetzungen nach Abs. 1 und Abs. 2 1. Allgemeines 2. Erkennbarwerden von (für die Gefährlichkeit indiziellen) Tatsachen . .
R u t h R i s s i n g - v a n Saan/Jens P e g l a u
Rdn. 50 57 62 63 64 65 65 68 68 69 71 72 76 77 79 80 80 84 85 86 86 87
Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
Rdn. a) Tatsachen b) Erkennbarwerden der Tatsachen . aa) Für das Gericht erkennbar werden bb) Beispielfälle aus der Rechtsprechung cc) Äußerungen oder schriftliche Aufzeichnungen des Verurteilten dd) Rekonstruktion des früheren Verfahrens c) Maßgeblicher Zeitraum für das Erkennbarwerden d) Qualität der Tatsachen e) Verzicht auf neue Tatsachen in Altfällen (§ 66b Abs. 1 S. 2) . . . aa) Hintergrund der Regelung . . bb) Frühere Literaturansicht zu den „Altfällen" cc) Ansicht des BGH zu den „Altfällen" dd) Absicht des Gesetzgebers und Kritik an Abs. 1 S. 2 3. Gefährlichkeitsprognose a) Gesamtwürdigung b) Hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung erheblicher Straftaten . c) Symptomatischer Zusammenhang 4. Hang? a) H.M.: Hang erforderlich aa) Wortlaut des § 66b Abs. 1 . . bb) § 66b Abs. 2 b) Gegenansicht: Hang nicht erforderlich c) Notwendigkeit der Hangprüfung in der Praxis 5. Verhältnismäßigkeit
88 91 92 97
104 105 106 113 123 124 128 129 130 132 133 136 144 145 146 147 148 150 155 156
Rdn. VII. Voraussetzungen des § 66b Abs. 3 1. Allgemeines 2. Formelle Voraussetzungen a) Anordnung einer Unterbringung nach § 63 b) Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 c) Anlasstaten bei „Erstverurteilten" d) „Vorverurteiltenregelung" . . . . 3. Materielle Voraussetzungen V m . Anwendung auf Heranwachsende 1. Allgemeines 2. Formelle Voraussetzungen nach § 106 Abs. 5 JGG 3. Formelle Voraussetzungen nach § 106 Abs. 6 J G G 4. Materielle Voraussetzungen IX. Verhältnis von S 6 6 b zu § 66 X. Rechtsfolge XI. Verfahren 1. Ingangsetzung des Verfahrens a) Antragserfordernis b) Bundeseinheitliche Hinweise . . . c) Verfahrensvoraussetzung d) Zeitpunkt der Antragstellung . . . 2. Gerichtliches Verfahren a) Zuständigkeit b) Besetzung c) Verfahrensgang d) Urteil e) Rechtsmittel 3. Strafende als Verfahrenshindernis? . ΧΠ. Vollstreckung ΧΠΙ. Übergangsregelungen
157
160 161 163 164 166 168 171 172 173 174 177 180 181 183 184 185 188 189 190 192 194 195 196 197
I. Normstruktur und Normzweck 1. Ubersicht. Die drei Absätze des § 66b betreffen ganz unterschiedliche Fallgestal- 1 tungen der nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (hier kurz: nachträgliche Sicherungsverwahrung). Allen Varianten gemeinsam ist als materielle Voraussetzung die gegenüber §§ 66, 66a in den Anforderungen verschärfte Gefährlichkeitsprognose, der zufolge „die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzuges" ergeben muss, dass der Verurteilte „mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden". In den Absätzen 1 (Satz 1) und 2 muss die Prognose (auch) auf neu erkennbar gewordenen Tatsachen beruhen. Die Absätze 1 und 2 setzen in formeller Hinsicht die Verurteilung wegen bestimmter 2 Delikte voraus. Hinsichtlich weiterer formeller Voraussetzungen verweist Absatz 1 auf § 66, dessen verschiedene Varianten also in diesem Rahmen zu prüfen sind. Str. ist, ob sich der Verweis auch auf die materielle Hangvoraussetzung erstreckt (vgl. dazu unten Rdn. 151 ff). Absatz 2 hat hingegen eine eigenständige weitere formelle Voraussetzung in
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Form einer Mindestverurteilung (da hier eine einzige Verurteilung ausreicht). Absatz 1 bezieht sich dementsprechend auf Täter mit Vorverurteilungen, Absatz 2 auf solche ohne. 1 3
Absatz 3 stellt hingegen formelle Voraussetzungen für den besonderen, früher im Gesetz nicht vorgesehenen Fall auf, dass eine zunächst angeordnete Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt erklärt wird.
4
2. Zweck der Vorschrift. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers gebietet das überragende Interesse der Allgemeinheit an einem effektiven Schutz vor (bestimmten) hochgefährlichen Straftätern in Einzelfällen, dessen Inhaftierung über das Ende der Strafhaft hinaus, selbst wenn diese - durch Verhängung der Sicherungsverwahrung nach § 66 — noch nicht bei Aburteilung der Anlasstat vom Gericht angeordnet worden war. Es sollen Fälle erfasst werden, in denen sich die Gefährlichkeit des Täters erst nach deren Aburteilung gezeigt hat. Durch § 66b soll eine durch §§ 66, 66a StGB, 106 Abs. 3 J G G nicht erfasste Schutzlücke geschlossen werden. Ebenso soll eine Schutzlücke geschlossen werden die durch die Erledigungserklärung einer Maßregel nach § 63 auftreten kann, weil die Unterbringungsvoraussetzungen zwar nicht mehr vorliegen, der Täter aber nach wie vor gefährlich ist. 2
5
Insbesondere hinsichtlich des 1. Aspekts war ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers erforderlich, nachdem das BVerfG die Straftäterunterbringungsgesetze einiger Bundesländer aus kompetenzrechtlichen Gründen für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfGE 109 190 ff).
Π. Entwicklung 6
Wenn in einer Kommentierung zu § 66b der Satz zu finden ist: „Die Wurzeln des § 66b reichen in die nationalsozialistische Rechtsordnung' zurück", 3 und ergänzend ausgeführt wird, dass die Vorschrift schon zur damaligen Zeit als „rechtsstaatlich bedenklich" eingestuft worden sei, 4 soll damit offenbar von vornherein ein negatives Verdikt über sie gefällt werden. Einen solchen Vergleich haben weder der Gesetzgeber des Jahres 2 0 0 4 noch die Vorschrift selbst verdient.
7
Ein Vergleich der seinerzeitigen Übergangsvorschrift mit § 66b offenbart nur wenig Gemeinsamkeiten. Die einschlägigen Übergangsvorschrift des Art. 5 Abs. 2 des Gewohnheitsverbrechergesetzes vom 24.11.1933 5 lautete: „Verbüßt jemand, der schon zweimal rechtskräftig verurteilt worden ist, nach dem 1. Januar 1934 auf Grund eines weiteren vor diesem Zeitpunkt ergangenen Urteils eine Freiheitsstrafe und ergibt die Gesamtwürdigung seiner Taten, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist, so kann das Gericht die Sicherungsverwahrung des Verurteilten nachträglich anordnen, wenn die
1 2
3
4
nachvollziehbar, hat dieser doch in dem Beitrag in Z S t W 5 3 ( 1 9 3 4 ) 6 2 9 ff den M u t des Gesetzgebers gelobt und es als „durchschlagendes Argument" bezeichnet, dass das Individualinteresse der in Betracht kommenden Delinquenten leichter wiege, als das dringende Interesse der Gesamtheit (S. 6 4 3 ) .
Poseck N J W 2 0 0 4 2 5 5 9 , 2 5 6 2 . BTDrucks. 1 5 / 2 8 8 7 S. 1 , 1 1 ; Lackner/Kühl Rdn. 1; Ullenbruch M K Rdn. 3 f, der allerdings zwischen offiziellen und informellen Impulsen differenziert. Ullenbruch M K Rdn. 9 ; vgl. auch die ähnliche Tendenz bei Lüderssen KJ 2 0 0 6 361, 367. Ähnlich auch: Waterkamp StV 2 0 0 4 2 6 7 , 2 6 8 . Die Bezugnahme auf Exner
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5
RGBl. 1 9 3 3 S. 9 9 5 .
ist nicht ganz
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
öffentliche Sicherheit es erfordert. Ote Anordnung setzt voraus, daß die drei Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens ergangen sind und in jeder von ihnen auf Todesstrafe Zuchthaus oder Gefängnis von mindestens sechs Monaten erkannt worden ist. 5 20a Abs. 3, 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend".
Davon abgesehen, dass die Anordnungsvoraussetzungen des § 66b deutlich höher sind und § 66b nur auf wenige Delikte Anwendung findet (was man als nur quantitativen Unterschied abtun mag), sind die Vorschriften auch in qualitativer Hinsicht unterschiedlich. Art. 5 Abs. 2 des Gewohnheitsverbrechergesetzes war eine reine Ermächtigungsgrundlage zur Korrektur bereits rechtskräftiger Urteile, in denen - weil es die Vorschriften noch gar nicht gab - keine Sicherungsverwahrung angeordnet worden war. 6 Demgegenüber verlangt § 66b vielmehr nach der Verurteilung neu erkennbar gewordene Tatsachen als notwendige Voraussetzung und Bestandteil der späteren Gefährlichkeitsprognose und dient - jedenfalls in der Auslegung, die die Vorschrift inzwischen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefunden hat - gerade nicht dazu, bei unveränderter Sachlage die Maßregelanordnung, die seinerzeit bereits möglich war, nachzuholen. Ab dem Jahre 1997 gab es über den Bundesrat eine Reihe von Gesetzgebungsinitiativen der Länder 7 zur Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung in das Strafgesetzbuch. Diese scheiterten jedoch (zumeist schon im Bundesrat). 8 Der Bund vertrat seinerseits die Ansicht, dass es sich bei der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung um eine reine gefahrenabwehrrechtliche Regelung handele, nicht um Strafrecht, so dass er eine Gesetzgebungskompetenz hierfür nicht besitze. 9 Die Initiative der Länder bezog sich auf die Schaffung der „Nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung" in einem § 66a, der lauten sollte:
8
„Ergibt sich während des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe, daß der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von 5 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB gefährlich ist, so kann das Gericht nachträglich die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung gem. § 66 StGB gegeben sind"10.
Damit sollte erreicht werden, dass in den Fällen, in denen eine Maßregelanordnung bei Aburteilung der Anlasstat unterblieben ist, weil die Wahrscheinlichkeit für eine Rückfälligkeit nicht festgestellt werden konnte, die Maßregel noch angeordnet werden kann, wenn sich die Gefährlichkeit erst im Strafvollzug zeigt. 11 Da (aufgrund der mehrfach geäußerten ablehnenden Haltung des Bundesjustizministeriums) mit einer bundesgesetzlichen Regelung auf absehbare Zeit nicht zu rechnen war, schufen die Länder Baden-Württemberg 12 , Bayern 1 3 , Niedersachsen 1 4 , SachsenAnhalt 1 5 und Thüringen 1 6 die nachträgliche Sicherungsverwahrung als Landesgesetze
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7
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9
Vgl. Laubenthal ZStW 116 (2004) 702, 712: Der Unterschied zur anfänglich ausgesprochenen Maßregel bestand allein im Anordnungszeitpunkt, nicht in den Anordnungsvoraussetzungen. BRDrucks. 6 9 9 / 9 7 ; BRDrucks. 144/00; BRDrucks. 159/00; BRDrucks. 176/01; BRDrucks. 4 8 / 0 2 ; BRDrucks. 3 0 4 / 0 2 ; BRDrucks. 850/02; BTDrucks. 14/6709. Vgl. Peglau ZRP 2 0 0 0 1 4 7 , 1 4 8 ; Rzepka R&P 2 0 0 3 127 ff. Vgl. BR-Plenarprot. 749. Sitzung (17.3.2000) S. 131; 758. Sitzung (21.12.2000) S. 6 4 7 ; Kin-
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15 16
Gesetzesantrag des Freistaates Bayern, BRDrucks. 6 9 9 / 9 7 Anlage S. 1. Gesetzesantrag des Freistaates Bayern, BRDrucks. 6 9 9 / 9 7 Anlage S. 4. Gesetz vom 14.3.2001, GVB1.BW 2001 S. 188. Gesetz vom 2 4 . 1 2 . 2 0 0 1 , BayGVBl. 2001 S. 978. Gesetz vom 2 0 . 1 0 . 2 0 0 3 , Nieders.GVBl. 2 0 0 3 S. 368. Gesetz vom 6 . 3 . 2 0 0 2 , GVB1.SA 2 0 0 2 S. 80. Gesetz vom 17.3.2003, Thür.GVBl. 2 0 0 3 S. 195.
zig StV 2 0 0 2 5 0 0 ; Poseck N J W 2 0 0 4 2559.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat (Straftäterunterbringungsgesetze - StrUBG), welche unmittelbare Vorläufer (nicht unbedingt Vorbild) des § 6 6 b sind. 1 7 10
Das StrUBG des Landes Baden-Württemberg stand Modell für die späteren Unterbringungsgesetze. § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes lautete: „Gegen einen Strafgefangenen, der in einer Justizvollzugsanstalt des Landes unter den Voraussetzungen von 5 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 bis 4 des Strafgesetzbuches eine zeitige Freiheitsstrafe verbüßt, kann das Gericht die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt anordnen, wenn auf Grund von Tatsachen die nach der Verurteilung eingetreten sind davon auszugehen ist, dass von dem Betroffenen eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben die körperliche Unversehrtheit die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer ausgeht, insbesondere weil er im Vollzug beharrlich die Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels (§ 2 des Strafvollzugsgesetzes) verweigert namentlich eine rückfallvermeidende Psycho- oder Sozialtherapie ablehnt oder abbricht. "
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Zuständig für die Entscheidungen waren die Strafvollstreckungskammern (§ 3 Abs. 1 StrUBG), die auf Antrag der Justizvollzugsanstalt tätig werden mussten (§ 4 StrUBG). Hinsichtlich des Verfahrens wurde auf die StPO verwiesen (§ 3 Abs. 2 StrUBG), sofern keine abweichenden Regelungen im StrUBG Ähnlich wie in § 67e gab es bestimmte Überprüfungsintervalle und die Möglichkeit der Aussetzung zur Bewährung (§ 5 StrUBG). 1 8
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Die Regelungen der StrUBGe der Länder Bayern und Sachsen-Anhalt wurden in Verfassungsbeschwerden zur Überprüfung durch das BVerfG gestellt. Dieses erklärte mit Urteil vom 1 0 . 2 . 2 0 0 4 die Gesetze für verfassungswidrig, weil es sich um strafrechtliche Normen handele, die der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 72 G G unterlägen (BVerfGE 109 190 ff; dazu unten näher Rdn. 2 5 f). Gleichzeitig verfügte es die Weitergeltung der Straftäterunterbringungsgesetze bis zum 3 0 . 9 . 2 0 0 4 nach Maßgabe der Entscheidungsgründe, um so dem Bundesgesetzgeber die Möglichkeit zu geben, eine strafrechtliche Regelung zu erlassen, bevor nach Landesrecht untergebrachte gefährliche Straftäter entlassen werden. Es entschied dazu, dass das „überragende Interesse der Allgemeinheit an effektivem Schutz vor bestimmten hochgefährlichen Straftaten" in Ausnahmefällen das Freiheitsinteresse der von der Fortgeltung der verfassungswidrigen Regelung Betroffenen überwiege. 19 Hinsichtlich dieser Fortgeltungsanordnung wurde die Entscheidung in einem Minderheitenvotum 2 0 sowie in der Literatur heftig kritisiert. 21
13
Der Bundesgesetzgeber hat die ihm vom BVerfG gesetzte Frist wahrgenommen und § 6 6 b geschaffen. Im Gesetzgebungsverfahren konkurrierten zwei Modelle: Das der Bundesregierung 2 2 und das der CDU/CSU-Fraktion 2 3 . Hinsichtlich des in Frage kommenden
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Insoweit irrt Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 226, der den „entscheiden Anstoß" im Würtenberger-Gutachten sieht, welches allerdings zeitlich erst deutlich nach der Veröffentlichung der Rechtsauffassung des Bundesjustizministeriums sowie auch Fachpublikationen erstattet wurde. Vgl. Hanack FS Rieß S. 709, 710 f und vor allem Rzepka R&P 2003 127 ff im Einzelnen zur Entwicklung und zu den landesrechtlichen Vorschriften.
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20 21
22 23
BVerfGE 109 190, 238; vgl. auch: Poseck NJW 2004 2559 f; Sachs JuS 2004 531 ff. BVerfGE 109 244 ff. Vgl. nur: Gärditz NVwZ 2004 693 ff; Kinzig NJW 2004 911, 913; Laubenthal ZStW 116 (2004) 702, 743; Pestalozza J Z 2004 605, 609; vgl. auch: Sachs JuS 2004 531, 534 f. BTDrucks. 15/2887. BTDrucks. 15/2576; vgl. auch den Entwurf des Freistaates Bayern, BRDrucks. 177/04; dazu: Krüger NJ 2004 295, 296.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
Zeitraumes, in dem die relevanten neuen Gefährlichkeitstatsachen aufgetreten sein müssen, war der Entwurf der Bundesregierung entsprechend dem Schutzzweck konsequent weiter als der der damaligen Opposition, die nur sich im Vollzug ergebende Umstände berücksichtigen wollte (Entwurf der Bundesregierung: „nach einer Verurteilung ... vor Ende des Vollzuges"; er umfasst also auch die Zeit zwischen Verurteilung und Strafantritt). Im Übrigen waren die Anordnungsvoraussetzungen im Regierungsentwurf höher („hohe Wahrscheinlichkeit", nur schwere seelische und körperliche Schäden relevant, in Absatz 2 Verurteilung zu fünf Jahren und nicht bloß zu vier Jahren erforderlich etc.). Der Entwurf der CDU/CSU-Fraktion sah die Streichung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 66a vor. Der Regierungsentwurf enthielt bereits den Regelungsvorschlag für die Fälle der Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wollte der Gegenentwurf der Opposition eine StVK-Lösung mit Beschlussentscheidung, während der Regierungsentwurf das Hauptverhandlungsmodell vorsah. 24 In Art. l a EGStGB ist jetzt die Begleitregelung für solche Straftäter enthalten, die nach den landesrechtlichen StrUBG untergebracht waren (dazu unten Rdn. 204).
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Die Vorschrift des § 66b ist in mehrfacher Hinsicht unvollständig (gemessen am vom Gesetzgeber verfolgten Schutzzweck): Es ist nicht möglich, nachträglich die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder nachträglich die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen. Insoweit lehnt die Rechtsprechung des BGH es auch ab, gleichzeitig mit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung eine Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel analog § 67a vorzunehmen (vgl. dazu Rdn. 185). § 66b Abs. 3 erfasst schließlich auch nur den Fall der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Lagen oder liegen die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht vor (vgl. § 67d Abs. 5), ist der Täter aber dennoch gefährlich, so besteht bei isolierter Maßregelanordnung keine nachträgliche Reaktionsmöglichkeit (bei gleichzeitig verhängter Freiheitsstrafe verbleibt die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung gem. § 66b Abs. 1 oder 2). Vereinzelt wird generell die Abkehr vom bisher herrschenden Prinzip der Maßregelanordnung im Erkenntnisverfahren, zu Gunsten einer Ausweitung der vorbehaltenen und nachträglichen Sicherungsverwahrung (u.a. durch Verzicht auf Vorverurteilungen) gefordert. 25
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Die gesetzgeberische Entwicklung ist noch nicht am Ende angelangt. Als Reaktion auf höchstrichterliche Rechtsprechung (wonach § 66b ausscheidet, wenn das frühere Tatgericht zwar die Gefährlichkeit erkannte, aber rechtlich daran gehindert war - z.B. weil es § 66 Abs. 3 noch nicht gab - , die Maßregel zu verhängen, vgl. Rdn. 129 ff) gab es Bestrebungen, die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen das Gericht die Gefährlichkeit des Täters zwar erkannt hat, aber mangels seinerzeit bestehender gesetzlicher Regelung (z.B. vor Schaffung des § 66 Abs. 3) aus Rechtsgründen daran gehindert war, die Maßregel zu verhängen (vgl. den Bundesratsentwurf „Stärkung der Sicherungsverwahrung", BTDrucks. 16/1992). 26 Diese Bestrebungen sind inzwischen im Rahmen des „Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung" (jedenfalls für Absatz 1) umgesetzt worden. Eine Formulierungshilfe des
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Zu den Entwürfen vgl.: Krüger NJ 2 0 0 4 295, 2 9 6 ff; zur Vorgeschichte vgl. auch: Schneider FS Schwind S. 413, 415 ff. Vgl. näher Kalf S. 205, 216.
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Der Gesetzentwurf geht zurück auf einen Gesetzesantrag Bayerns, BRDrucks. 1 3 9 / 0 6 , krit. dazu Zschieschack/Rau JR 2 0 0 6 477, 479.
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
BMJ wurde (im wesentlichen) in die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses aufgenommen und vom Parlament in 2. und 3. Lesung verabschiedet (vgl. dazu näher unten Rdn. 129). 27 Andere Gesetzgebungsvorhaben betreffen die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Maßregel im Jugendbereich (vgl. dazu unten Rdn. 177). 28 In der Literatur werden Stimmen laut, die fordern, das System der Sicherungsverwahrung insgesamt auf eine Entscheidung am Ende der Strafhaft („nachfolgende Sicherungsverwahrung") umzustellen und so die zahlreichen unterschiedlichen Anordnungsvoraussetzungen (formeller wie materieller Art) zu vereinheitlichen.29 Sicherlich wäre eine Vereinheitlichung der formellen und materiellen Voraussetzungen der §§ 66, 66a und 66b sinnvoll. Eine gewisse Vereinheitlichung strebt der Gesetzesantrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern (BRDrs. 876/05) durch Erweiterung des Anwendungsbereichs der § § 6 6 und 66a durch eine dem § 66b Abs. 2 vergleichbare Ersttäterregelung an. 17
Zu erwähnen bleibt, dass sich in der Rechtswirklichkeit die von den Kritikern der Regelung behaupteten „Horrorzahlen" (wie z.B., dass 10 % aller Strafgefangenen unter dem Damoklesschwert des § 66b stünden)30 bisher in der Praxis nicht bestätigt haben.31 Soweit ersichtlich hat der BGH bisher erst in fünf Fällen die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bestätigt.32 Eine dieser Entscheidungen wurde inzwischen vom BVerfG aufgehoben.33 Da wohl davon auszugehen ist, dass die Verurteilten regelmäßig in den Fällen, in denen in erster Instanz die Maßregel nachträglich angeordnet wurde, Revision eingelegt haben, dürfte es sich demnach nur um drei Fälle erfolgreicher Anordnung handeln (nach einer „Privatumfrage" von Ullenbruch soll es insgesamt bisher sechs rechtskräftige nachträgliche Anordnungen gegeben haben, von denen eine vom BVerfG wieder aufgehoben wurde).34 Insgesamt sind bisher kaum mehr als 30 Fälle des § 66b (Anordnungen wie Nichtanordnungen) überhaupt zum BGH gelangt.
ΠΙ. Kritik an der nachträglichen Sicherungsverwahrung 18
Die Kritiker der nachträglichen Sicherungsverwahrung führen gegen die Maßregel neben verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu unten Rdn. 31 ff) sowie den Bedenken gegen die Sicherungsverwahrung insgesamt35 (dazu § 66 Rdn. 21 ff) weitere Argumente an. Diese sind in einigen Fällen dogmatischer, meist aber rechtspolitischer Natur.36 Teilweise ist die Argumentation auch nicht ganz frei von Widersprüchen, wenn z.B. einerseits eine zum weitgehenden faktischen Leerlauf der Vorschrift führende Interpretation in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert bzw. begrüßt, andererseits aber dann die Abschaffung der Norm mit der Begründung, sie könne ihren Sicherungszweck nicht
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BTDrucks. 1 6 / 4 7 4 0 S. 13; BT-Plenarprot. vom 2 2 . 3 . 2 0 0 7 S. 8903 ff; der erwähnte Bundesratsentwurf BTDrucks. 16/1992 dürfte damit - jedenfalls bzgl. § 66b obsolet geworden sein. Vgl. zu der Neuregelung Feglau NJW 2 0 0 7 1558 ff. BRDrucks. 181/06 (Gesetzesantrag des Freistaates Bayern). Caspari DRiZ 2 0 0 6 72 ff; vgl. auch Zschieschack/Rau JR 2 0 0 6 477, 479. Ullenbruch NStZ 2 0 0 7 62, 70 f.
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Ebenso auch: Schneider FS Schwind S. 413, 4 2 3 f. BGHSt 50 275; BGH NStZ 2 0 0 7 30; NJW 2 0 0 7 1148; BGH Beschl. v. 8.12.2005 - 1 StR 4 8 2 / 0 5 ; BGH Beschl. v. 2 4 . 3 . 2 0 0 6 - 1 StR 2 7 / 0 6 . BVerfG NJW 2 0 0 6 3483. Ullenbruch NStZ 2 0 0 7 62, 63. Vgl. insoweit auch: Braum ZRP 2 0 0 4 105, 108; Ullenbruch MK Rdn. 28 ff. Fischer Rdn. 6.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
erfüllen, gefordert wird. 37 Immerhin kommt Ullenbruch auf 40 (!) von der Rechtsprechung aufgestellte Hürden, die vor einer Anordnung nach § 66b stehen (umgelegt auf die Zahl der zu § 66b ergangenen Entscheidungen bedeutet das, dass bisher in jeder Entscheidung mindestens eine Hürde aufgestellt wurde).38 Freilich trägt auch hier - wie bei § 66a - der Gesetzgeber für diese Entwicklung eine nicht unerhebliche Mitverantwortung, da der Wortlaut der Vorschrift Interpretationsmöglichkeiten offen lässt und damit Angriffsflächen bietet. Nur selten wird die Regelung positiv bewertet, z.B. weil hierdurch größere Anreize geschaffen würden, die Strafe nicht bloß „abzusitzen", sondern wegen der Gefahr der nachträglichen Maßregelanordnung Therapieangebote wahrzunehmen.39 Nach der üblicherweise mit gesetzesverschärfenden Neuerungen verbundenen - Aufgeregtheit der Anfangszeit kommen inzwischen (nachdem bereits die höchstrichterliche Rechtsprechung keine verfassungs- und menschenrechtlichen Bedenken erhoben hat) auch in der Literatur Stimmen auf, die die Bedenken zurückweisen (vgl. dazu im Einzelnen nachfolgend).
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1. Verkappte „Wiederaufnahme". Müller-Metz und Hanack meinen, die nachträgliehe Sicherungsverwahrung habe tatsächlich den Charakter einer Wiederaufnahme des Verfahrens zu Ungunsten des Verurteilten 40 , so dass - wenn überhaupt - eine Verortung in § 362 StPO angezeigt gewesen wäre. Den Vorteil einer derartigen Regelungstechnik sehen sie in den höheren verfahrensrechtlichen Hürden des Wiederaufnahmeverfahrens, zweifeln aber, ob die verfassungsrechtliche Anforderungen für die Durchbrechung der Rechtskraft (Art. 103 Abs. 3 GG) in dem Sinne, dass ein Festhalten an ihr zu unerträglichen Ergebnissen führen würde, angesichts der im Gesetzgebungsverfahren immer wieder zur Sprache gekommenen geringen Zahl in Frage kommender Verurteilter, dadurch eingehalten würden.41 Sicherlich wären über den vorgeschlagenen Weg solche Fälle zu lösen, in denen die Gefährlichkeit schon zum Zeitpunkt der Aburteilung bestand und das Gericht sie lediglich nicht erkannt hat. Das würde in die Systematik des § 362 StPO passen. Verfassungsrechtliche Bedenken dürften nicht durchgreifend sein (vgl. dazu unten Rdn. 31 ff). Die Fälle, in denen sich die erforderliche Gefährlichkeit des Verurteilten erst in der Haft entwickelt hat, wird man aber nicht darunter fassen können. 42 Deshalb ist der Weg über § 362 StPO nicht gleich geeignet wie der über § 66b, um den vom Gesetzgeber für notwendig gehaltenen Schutz der Allgemeinheit sicherzustellen.
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2. Fehlender Handlungsbedarf. Von den Gegnern dieser nachträglichen Maßregel- 21 anordnung wird immer wieder vorgebracht, dass ein Bedürfnis für eine derartige Regelung nicht bestehe, weil eine Sicherheitslücke nicht existiere. 43 Zur Begründung werden die geringen Fallzahlen bei der Anwendung der Länderregelungen bzw. die geringe Zahl potentieller Probanden angeführt44, der Umstand, dass einige nach Landesrecht Unter-
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Illustrierend: Der Aufsatz von Ullenbruch NStZ 2 0 0 7 62 ff. Ullenbruch NStZ 2 0 0 7 62 ff. So: Folkers NStZ 2 0 0 6 4 2 6 , 432. Ebenso: Eisenberg StV 2 0 0 5 3 4 5 ; Römer JR 2 0 0 6 5. Müller Metz NJW 2 0 0 3 3173, 3174; vgl. auch Hanack FS Rieß S. 709, 719 f. Vgl. zu einem solchen Fall: OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.2004 - 3 Ws 1280/04; hier
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war ein die Gefährlichkeit (zwar nicht deutlich) erhöhendes hirnorganisches Psychosyndrom erst gegen Ende der Strafhaft festgestellt worden. Birkhoff ZRP 2 0 0 2 3 2 4 ; Boetticher NStZ 2 0 0 5 417; Gazeas StraFo 2 0 0 5 9, 11; Kinzig NStZ 2 0 0 4 655; Merk KritV 2 0 0 4 50, 51; Müller-Metz NJW 2 0 0 3 3173, 3175. Birkhoff ZRP 2 0 0 2 324; Müller-Metz N J W 2 0 0 3 3173, 3175.
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
gebrachte, die inzwischen entlassen wurden (noch) keine neuen (bekannten) Straftaten begangen haben 4 5 sowie, dass die Häufigkeitszahl für Sexualstraftaten und Sexualmorde 1975 höher lag als 2 0 0 3 . 4 6 Wie bereits erörtert, dürfte all dies kein hinreichender Grund sein, am gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu zweifeln. Da menschliches Leben nicht quantifizierbar ist und das höchste Rechtsgut darstellt, wird man Regelungen, die gestatten, als hochgefährlich erkannten Straftätern die Freiheit zum Schutze eines höherrangigen Rechtsgutes zu entziehen, nicht als unnötig bezeichnen können, selbst wenn damit das Leben (aber auch die Gesundheit etc.) nur einiger weniger potentieller Opfer gerettet wird. Zudem sind genaue Zahlen nicht bekannt. 47 Immerhin waren allein in Bayern vier Personen nach dem StrUBG untergebracht, in den Materialien zu § 66b ist von acht nach Landesrecht Untergebrachten Straftätern die Rede. 4 8 Nach der Untersuchung von Baltzer sind sogar 18 % aller untersuchten verurteilten Gewalttäter mit einem deutlich erhöhten Rückfallrisiko belastet und kommen damit für eine Maßregelanordnung in Betracht. 49 Durchaus anerkennenswert ist es auch, wenn der Gesetzgeber bestrebt ist, die Häufigkeitszahl bei schwersten Straftaten (weiter) zu senken. Warum sollte hier ein anderes Ziel verfolgt werden als hinsichtlich der Opfer im Straßenverkehr oder von Umweltschäden? Jedenfalls - und das ist das Entscheidende - ist die Anwendung von Freiheitsbeschränkung zum Schutz höchster Rechtsgüter grundsätzlich legitim 50 und die Verfolgung des genannten Schutzzweckes wird man wohl kaum als außerhalb des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums ansehen können. 51 22
Im Übrigen kann man auch die Prämisse der Gegner, nämlich dass die Zahl der schweren Straftaten rückläufig sei, anzweifeln. Das mag für Tötungsdelikte zutreffen (die seit 1990 jedenfalls nicht angestiegen sind). Seit 1990 sind hingegen die Zahlen bei Raub und räuberischer Erpressung sowie bei Vergewaltigungen erheblich gestiegen. 52
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3. Ungewissheit und fehlende Lockerungen. Schließlich wird an der Neuregelung kritisiert, dass über dem Strafgefangenen jahrelang das Damoklesschwert des § 66b schwebe und hierdurch eine Anhebung der Hürden für Vollzugslockerungen zu gewärtigen sei. 53 Dazu ist nur noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass es sich bei den in Frage kommenden Straftaten nach den Anordnungsvoraussetzungen des § 66b um hochgefährliche Personen handeln muss. Bei diesen erscheint ein zurückhaltender Umgang mit Vollzugslockerungen durchaus vertretbar. Andererseits ist es nicht besonders naheliegend, dass dieser nur deswegen praktiziert werden wird, weil ein Straftäter die formellen Voraussetzungen (in Form bestimmter Vorverurteilungen) für eine nachträgliche Anordnung erfüllt, wenn keine Gefährlichkeitsanzeichen vorliegen.
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Gazeas StraFo 2 0 0 5 9 12; Kinzig NStZ 2 0 0 4 655. Gazeas StraFo 2 0 0 5 9 12; Kinzig NStZ 2 0 0 4 655; vgl. auch Kreuzer ZIS 2 0 0 6 145, 146. Zutreffend: Ullenbruch MK § 66b Rdn. 2 5 f. Arloth in Schöch/Jehle S. 327, 335; BTDrucks. 15/3346 S. 15. Baltzer S. 217. BVerfGE 109 190, 236; in diese Richtung
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auch: Kalf S. 205, 211; Schneider FS Schwind S. 413, 418. Blau FS Schwind S. 525, 528. Vgl. dazu näher: Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 35 ff. Böllinger/Pollähne N K 2 Rdn. 4; Ullenbruch MK Rdn. 32 ff; vgl. auch: Pollähne SchlHA 2 0 0 5 135, 140.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
IV. Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht und der EMRK Bis zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Ländergesetze vom 10.2.2004 (BVerfGE 109 190 ff), drehte sich die Diskussion sowohl um die Frage der Gesetzgebungskompetenz der Länder als auch um die materiell-verfassungsrechtliche Seite sowie um die Vereinbarkeit mit der EMRK. Nach der Klärung der Kompetenzfrage zugunsten des Bundesgesetzgebers stehen nunmehr die beiden letztgenannten Punkte im Vordergrund. Der Bundesgerichtshof hat in ersten Entscheidungen zu § 66b keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben und ist auf die Verfassungsmäßigkeit nur sehr kurz eingegangen. 54
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1. Gesetzgebungskompetenz a) Die Bundesregierung 55 und ein Teil des Schrifttums 56 vertraten (jedenfalls) bis zur Entscheidung des BVerfG vom 10.2.2004 (BVerfGE 109 190 ff) die Auffassung, dass es sich bei der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung um eine reine Maßnahme der Gefahrenabwehr handele, die der Regelungsbefugnis des Bundes über Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG („Strafrecht") entzogen sei und in der der jeweiligen Länder liege. Ein Teil der Lehre 5 7 und auch das BVerfG vertreten demgegenüber die Ansicht, dass die Materie der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfällt. Die Frage der Gesetzgebungskompetenz ist damit geklärt - auch wenn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in mehrfacher, methodischer Hinsicht heftig kritisiert wurde 5 8 so dass hier nur eine kurze Übersicht über den Streit erfolgen soll:
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Ausgangspunkt der Befürworter der Gesetzgebungskompetenz der Länder war, dass die Sicherungsverwahrung als solche bereits ihrer Rechtsnatur nach ein Gefahrenabwehrinstrument ist (vgl. Rdn. 2 ff zu § 66). Eine Regelung im Strafgesetzbuch lässt sich dogmatisch bei der anfänglichen (gleiches gilt für die vorbehaltene) Sicherungsverwahrung dadurch rechtfertigen, dass hier das Gericht, das über die Anlasstat entscheidet, als das Gericht, das ohnehin mit der Person des Straftäters befasst und sozusagen eingearbeitet ist, über die Maßregel gleich mitentscheiden kann. Entsprechend war anerkannt, dass unter den Kompetenztitel „Strafrecht" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 G G das gesamte materielle Strafrecht einschließlich der Maßregeln der Besserung und Sicherung fällt, so wie es der Verfassungsgeber aus der Weimarer Zeit vorgefunden hat. 5 9 Dazu zählte die Sicherungsverwahrung, nicht aber die nachträgliche Sicherungsverwahrung. Die Übergangsregelungen zum Gewohnheitsverbrechergesetz haben - wie bereits gezeigt - wenig mit der
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BGHSt 5 0 180, 185; BGHSt 5 0 121, 130 ff; krit. dazu: Kinzig J Z 2 0 0 5 1066, 1068 und Ullenbruch NStZ 2 0 0 5 5 6 3 f. Vgl. nur: BR-Plenarprot., 749. Sitzung (17.3.2000) S. 131; 758. Sitzung (21.12.2000), S. 647. Goll/Wulf ZRP 2 0 0 1 2 8 4 ; Peglau ZRP 2 0 0 0 147 148 f; Peglau NJW 2 0 0 1 2 4 3 6 , 2 4 3 7 ; Richter ZfStrVo 2 0 0 3 201 f; Würtenberger/ Sydow NVwZ 2 0 0 1 1201, 1202; vgl. jetzt auch: Böllinger/Pollähne NK 2 Rdn. 4. Dünkel/van Zyl Smit KrimPäd 2 0 0 4 47, 53; Hanack FS Rieß S. 709, 715; Kinzig NJW
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2 0 0 1 1455; Passek GA 2 0 0 5 9 6 , 1 0 8 ; Pieroth J Z 2 0 0 2 922, 923; Rzepka R & P 2 0 0 3 191, 192 ff; Ullenbruch NStZ 2 0 0 1 2 9 2 , 2 9 4 f; Ullenbruch NStZ 2 0 0 2 4 6 6 , 467. Vgl. nur: Braum ZRP 2 0 0 4 105 ff; Gärditz NVwZ 2 0 0 4 6 9 3 ff, diese beiden vornehmlich wegen der Weitergeltungsanordnung; Pestalozza J Z 2 0 0 4 6 0 5 ff in methodischer Hinsicht zur Begründung des Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Peglau ZRP 2 0 0 0 147, 148; Peglau NJW 2 0 0 1 2 4 3 6 , 2437.
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
nachträglichen Sicherungsverwahrung im heutigen Sinne zu tun, sie dürften sich auch bis zur Schaffung des Grundgesetzes bereits erledigt haben. Ihr Charakter als Übergangsregelung verbietet ohnehin, hierin die Schaffung eines eigenen Rechtsinstituts zu sehen. 60 Ein sonstiger, die Einordnung als strafrechtliche Materie gebietenden Zusammenhang wurde von den Vertretern dieser Ansicht ebenfalls verneint. Grundsätzlich sei es denkbar, zur Gefahrenabwehr Länderregelungen zu schaffen, so dass sämtliche als gefährlich erkannten Personen (ohne vorherige Begehung einer Straftat) in sichernden Gewahrsam genommen werden können. 61 Eine solche Vorschrift würde womöglich an materiellverfassungsrechtlichen Grenzen, nicht aber an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz scheitern. Dann könne aber die Beschränkung des Personenkreises auf inhaftierte Straftäter keine Änderung der Zuständigkeit bewirken. Hierbei handele es sich lediglich um eine den potentiellen Adressatenkreis einschränkende Regelung. 62 Wie auch in anderen Bereichen (z.B. § 63 StGB - PsychKG der Länder) könne es ein Nebeneinander von strafrechtlicher Maßregel und Gefahrenabwehrrecht der Länder geben. 27
b) Dem ist das BVerfG in seiner Entscheidung vom 10.2.2004 (BVerfGE 109 190 ff) nicht gefolgt. Es hat das Rechtsinstitut der nachträglichen Sicherungsverwahrung der Materie des Strafrechts und damit der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zugeordnet. Der Sprachgebrauch „Strafrecht" erfasse auch die Maßregeln der Besserung und Sicherung. 63 Der Verfassungsgeber habe, da es zum Gewohnheitsverbrechergesetz die Übergangsregelung des Art. 5 Nr. 2 gegeben habe, auch die nachträgliche Sicherungsverwahrung im Strafrecht bereits gekannt und habe unter den Kompetenztitel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG alles fassen wollen, was aus vorangegangener Zeit als Strafrecht galt. 64 Es bestehe auch ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Anlasstat und nachträglicher Maßregelanordnung, da die Anlasstat kraft ihrer Indizwirkung grundsätzlich Basis der Rückfallprognose bleibe. 65 Weiter argumentiert es mit den verfahrensrechtlichen Parallelen der Länderunterbringungsgesetze zu den Regelungen der StPO 6 6 (insoweit haben es die Länder mit ihrer verfehlten Anlehnung des Verfahrens an die StPO - anstelle einer Anlehnung des Verfahrens an die eigentlichen Parallelvorschriften der Länderunterbringungsgesetze für psychisch Kranke - der Argumentation des BVerfG sehr einfach gemacht). Nach der so erfolgten Zuordnung zum „Strafrecht" hat das BVerfG festgestellt, dass der Bund in diesem Sachbereich eine abschließende Regelung getroffen hat und damit die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für die Länder eingetreten ist. 6 7 Dem stehe die von der Bundesregierung zuvor immer wieder geäußerte Ansicht, dass der Bund keine Gesetzgebungskompetenz besitze (vgl. oben Rdn. 25), nicht entgegen, da die Bundesregierung oder einzelne ihrer Mitglieder nicht für den Bundesgesetzgeber sprechen könne und ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages aus dem Jahre 2001 darauf hindeute, dass in das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten aus dem Jahre 1998 (mit dem u.a. § 66 Abs. 3 eingeführt
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Pestalozza J Z 2 0 0 4 605, 607. Peglau ZRP 2 0 0 0 147, 148; Richter ZfStrVo 2 0 0 3 2 0 1 ; Würtenberger/Sydow NVwZ 2001 1201, 1202 f. Peglau ZRP 2 0 0 0 147, 148; Wagener RuP 2 0 0 2 93, 96. BVerfGE 109 190, 212. BVerfGE 109 190, 214 f; vgl. auch: Rzepka R & P 2 0 0 3 1 9 1 , 1 9 4 ; kritisch dazu: Pestalozza J Z 2 0 0 4 605, 607.
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BVerfGE 109 190, 219, 2 2 5 ; vgl. auch: Baier Jura 2 0 0 4 552, 5 5 5 ; Pieroth J Z 2 0 0 2 922, 924. BVerfGE 109 190, 2 2 5 ff; vgl. auch: Baier Jura 2 0 0 4 5 5 2 555. BVerfGE 109 190, 2 3 0 ff; vgl. auch: Ullenbrucb NStZ 2 0 0 2 4 6 6 , 467.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
wurde, vgl. Rdn. 12 f zu § 66) die nachträgliche Sicherungsverwahrung bewusst nicht in das StGB aufgenommen worden sei. 6 8 Gerade die jüngere Diskussion um den Sicherungsgewahrsam (nicht nur kurzfristige Ingewahrsamnahme von Personen, von denen die Begehung terroristischer Anschläge droht) zeigt allerdings erneut, dass diese kompetenzrechtliche Zuordnung der Regelung eher zweifelhaft ist. Von dem diskutierten Sicherungsgewahrsam 6 9 unterscheidet sich die „nachträgliche Sicherungsverwahrung" lediglich graduell, nämlich danach, dass sie nicht gegenüber jedem Störer angeordnet werden kann, sondern nur gegenüber verurteilten Straftätern, andererseits keine „konkreten Anhaltspunkte" für eine bestimmte Schädigung vorhanden sein müssen. Wegen der engen Auslegung von § 6 6 b in der Rechtsprechung wird vereinzelt auch noch ein Bedürfnis für gefahrenabwehrrechtliche Landesgesetze gesehen. 7 0 Diese Ansicht dürfte aber mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Gesetzgebungskompetenz nicht vereinbar sein.
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Welche Probleme die Verankerung eines eigentlich gefahrenabwehrrechtlichen Instrumentariums im Strafrecht mit sich bringt, zeigt sich auch bei der inzwischen zahlreichen Rechtsprechung zu den „neuen Tatsachen" (vgl. dazu unten Rdn. 87 ff, 111). Die Frage, ob man eine Gefahr bereits früher durch eine jetzt angeordnete Maßnahme hätte abwenden können, spielt im Gefahrenabwehrrecht für die Zulässigkeit ihrer jetzigen Anordnung keine Rolle. Bei § 6 6 b wird hingegen - damit die Vorschrift nicht zu einer Korrekturnorm für frühere Fehlentscheidungen wird (dafür gibt es die in der StPO vorgesehenen Rechtsmittel) - nur dann eine neue Tatsache bejaht, wenn diese zum Zeitpunkt der Aburteilung nicht erkannt wurde und auch nicht erkennbar war. Potentielle Opfer des gefährlichen Straftäters bleiben in solchen Fällen, in denen der Verurteilte bei Aburteilung der Anlasstat bewusst oder unbewusst von der bereits früher möglichen Maßregelanordnung verschont wurde, auch jetzt zwangsläufig schutzlos.
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Die durch das BVerfG vorgenommene Zuordnung zum Strafrecht hat zumindest den Vorteil, dass § 6 6 b im Hinblick auf Art. 5 E G M R weniger angreifbar ist, als es eine landesrechtliche, rein gefahrenabwehrrechtliche Regelung wäre. Denn es kommt nun als möglicher Legitimationsgrund neben Art. 5 Abs. 1 lit. c E M R K noch Art. 5 Abs. 1 lit. a E M R K in Betracht (str., vgl. dazu unten Rdn. 4 9 ff).
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2 . Materielles Verfassungsrecht. In materiell-verfassungsrechtlicher Hinsicht werden vornehmlich die Vereinbarkeit mit dem Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 G G bzw. Art. 2 0 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG), die Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 3 G G (ne bis in idem), die Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die hinreichende Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) sowie die Vereinbarkeit mit dem Nemotenetur-Grundsatz diskutiert. Das BVerfG hat zu diesen Fragen bisher in einer Kammerentscheidung Stellung genommen. Nachdem es bereits im Rahmen der Begründung der Weitergeltungsanordnung der für verfassungswidrig erklärten Ländergesetze (BVerfGE 1 0 9 190, 2 3 6 ) angedeutet hatte, dass es grundsätzlich die Notwendigkeit für eine nachträgliche Maßregelanordnung anerkennt und auch eine nicht gegen das Grundgesetz
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BVerfGE 109 190, 233 f; kritisch dazu: Pestalozziι JZ 2004 605, 609; zu weiteren Argumenten der Befürworter einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingehend: Rzepka R&P 2003 191, 192 ff.
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Vgl. dazu v. Denkowski Kriminalistik 2006 11, 15. Zschieschack/Rau JZ 2006 895, 897.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
verstoßende Ausgestaltung für möglich hält,71 hat es in der Kammerentscheidung die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 66b Abs. 2 festgestellt.72 32
a) Rückwirkungsverbot: Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zu § 67d StGB vom 5.2.2004 klargestellt, dass das Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG nicht für die Maßregeln der Besserung und Sicherung gilt, sondern nur für solche staatlichen Maßnahmen, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten darstellen und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängen, das dem Schuldausgleich dient.73 § 66b ist daher am allgemeinen Rückwirkungsverbot/rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot aus Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 / 2 GG zu messen. Das in diesem Zusammenhang vereinzelt gesondert postulierte Recht des Inhaftierten auf Gewissheit74 dürfte der Sache nach im Vertrauensschutz, dessen Ausprägung u.a. das Rückwirkungsverbot ist, aufgehen. Hier wird zwischen der sog. echten Rückwirkung (Rück be Wirkung von Rechtsfolgen) und der unechten Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) unterschieden.
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Eine Rechtsnorm entfaltet dann Rückwirkung (sog. „echte Rückwirkung", „Rückbewirkung von Rechtsfolgen"), wenn der Beginn ihrer zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist. In diesem Fall soll die Rechtsfolge für einen vor der Verkündung liegenden Zeitraum eintreten.75 Eine Regelung für die Vergangenheit tauscht die früher maßgebliche Regelung nachträglich aus und unterschiebt der Vergangenheit fiktiv eine seinerzeit nicht geltende und damals nicht zu beachtende Regelung.76 Eine seinerzeitige richtige Rechtsanwendung wird gleichsam im Nachhinein falsch und umgekehrt. Eine solche Rückbewirkung von Rechtsfolgen liegt nicht vor. Eine nachträgliche Maßregelanordnung nach § 66b StGB ist erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung möglich. Es ist also z.B. nicht möglich, die Maßregel noch nachträglich rückdatierend anzuordnen (z.B. um einer früheren rechtswidrigen Freiheitsentziehung nachträglich eine Legitimation zu liefern), wenn die Tatbestandsvoraussetzungen zwar vor Inkrafttreten einmal vorgelegen haben, aber - jedenfalls teilweise - bei Inkrafttreten nicht mehr gegeben waren, sei es, weil der Verurteilte vor Inkrafttreten seine Haftstrafe voll verbüßt hat, sei es, weil er bei Inkrafttreten nicht mehr gefährlich war.
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Die Gegenansicht tendiert hingegen zu einer echten Rückwirkung der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung. Der mit der Anlasstat gesetzte Sachverhalt sei mit Verbüßung von Strafe und einer etwaigen (anfänglich) angeordneten Maßregel abgeschlossen und könne nur noch unter den engen Grenzen der Wiederaufnahme des Ver-
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Vgl. dazu auch: Laubenthal ZStW 116 (2004) 702, 744 ff; Veh NStZ 2 0 0 5 307, 308. BVerfG NJW 2 0 0 6 3483 ff m. Anra. Zschieschack/Rau JR 2 0 0 6 477, 479, Milde HRRS 2 0 0 6 380 und Rosenau/Peters J Z 2 0 0 7 584. BVerfGE 109 130, 167; BVerfG NJW 2 0 0 6 3483, 3484; vgl. auch: Peglau NJW 2001 2436, 2437; Hagener RuP 2 0 0 2 93, 96; aA Kinzig NJW 2001 1455, 1457; Kinzig NJW
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2 0 0 4 911, 913; Kreuzer ZIS 2 0 0 6 145, 147; Pieroth J Z 2 0 0 2 922, 926; Hörnle StV 2 0 0 6 383, 386; Streng StV 2 0 0 6 92, 96; Rosenau FS Venzlaff S. 286, 295 ff; Rzepka R&P 2003 191, 195 f. Vgl. z.B. Waterkamp StV 2 0 0 4 267, 269. BVerfGE 109 133, 181; 105 17, 36 f; 97 67, 78 f; 72 200, 240 f. Isensee/Kirchhof Handbuch des Staatsrechts Bd. V [2000] S. 997.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
fahrens zuungunsten des Angeklagten (ξ 362 StPO) nochmals Gegenstand des Verfahrens werden. 77 Es wird vorgetragen, dass die im Strafurteil vorgenommene Begrenzung der Freiheitsentziehung „für den verurteilten Straftäter die verbindliche Verheißung (enthalte), nach Strafverbüßung (...) wieder ein Leben in Freiheit führen zu können". 7 8 Das ist zweifelsohne richtig - unter der Prämisse, dass sich die Verhältnisse nicht ändern. Das ist aber gerade Voraussetzung für die Anordnung nach § 66b. Ohne das Erkennbarwerden neuer Tatsachen ist diese nicht möglich. Bei diesen Überlegungen handelt es sich nicht um „juristische Akrobatik". 7 9 Es käme ja auch wohl kaum jemand auf die Idee, jemandem nur deswegen nicht nach § 3 StVG die Fahrerlaubnis zu entziehen (obwohl neue, die Ungeeignetheit begründende Tatsachen vorliegen), weil eine frühere Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB bei Aburteilung einer Anlasstat nicht vorgenommen wurde. Die Argumente der Gegenansicht sind daher kaum überzeugend. Vielmehr wird durch § 66b (jedenfalls soweit nicht Absatz 1 S. 2 betroffen ist, dazu unten Rdn. 38) lediglich eine tatbestandliche Rückanknüpfung („unechte Rückwirkung") vorgenommen. 80 Die nachträgliche Maßregelanordnung ist zwar eine Sanktion mit Bezug zur Anlasstat, Sanktionsgrund ist aber die (nachträglich erkannte) Gefährlichkeit. Die Rechtsfolgen können erst nach Verkündung der Vorschrift eintreten, der Tatbestand erfasst aber (möglicherweise auch) Sachverhalte, die bereits vor der Verkündung ins Werk gesetzt worden sind.81 Solche Sachverhalte können die frühere Anlassverurteilung oder der Beginn des Vollzuges sein. Zu § 66b existiert keine Übergangsvorschrift die besagt, dass § 66b nur Anwendung findet, wenn sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen erst nach ihrem Inkrafttreten erfüllt wurden (vgl. Art. l a EGStGB). Die für § 66b relevanten Sachverhalte begannen zwar vor der Anlassverurteilung, keinesfalls wurden sie aber vor dieser abgeschlossen, denn es müssen noch die nach der Verurteilung neu erkennbar gewordenen Tatsachen als unverzichtbare Voraussetzungen hinzukommen. 82 Der Freiheitsentzug aufgrund der Aburteilung der Anlasstat darf bei Verfahrenseinleitung außerdem noch nicht beendet sein. 83 In den Fällen der unechten Rückwirkung genießt der Vertrauensschutz keinen generellen Vorrang vor dem jeweils verfolgten gesetzgeberischen Anliegen. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab sind vielmehr die jeweils betroffenen Grundrechte unter besonderer Berücksichtigung von Vertrauensschutzbelangen.84
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Im Rahmen der betroffenen Freiheitsrechte (insbesondere Art. 2 Abs. 2 S. 2; Art. 104 GG; Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sind das Vertrauen des i.S.v. § 66b StGB gefährlichen Verurteilten, d.h. eines solchen Verurteilten, der aufgrund nachträglich erkennbar gewordener Tatsachen (regelmäßig) gefährlicher erscheint als zum Zeitpunkt seiner Aburteilung, sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit poten-
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Abweichende Meinung der Richter Broß Osterloh und Gerhardt zum Urteil des Zweiten Senats vom 10.2.2004, BVerfGE 109 2 4 4 , 2 5 4 (in Bezug auf die Weitergeltungsanordnung); dem folgend für § 66b generell: Ullenbruch MK Rdn. 39; Dünkel van Zyl Smit KrimPäd 2 0 0 4 47, 55; Gateas StraFo 2 0 0 5 9, 13; Passek GA 2 0 0 5 96, 112; vgl. auch Böllinger/Pollähne N K 2 Rdn. 4; Braum ZRP 2 0 0 4 1 0 5 , 1 0 8 . Gazeas StraFo 2 0 0 5 9, 13; ähnlich auch: Waterkamp StV 2 0 0 4 267, 268.
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Gazeas StraFo 2 0 0 5 9, 13. Ebenso: OLG Brandenburg NStZ 2 0 0 5 2 7 2 , 274; Richter ZfStrVo 2 0 0 3 201, 2 0 2 ; Rosenau FS Venzlaff S. 2 8 6 , 2 9 9 ff; vgl. auch: Arloth in Schöch/Jehle S. 327, 330. Vgl. BVerfGE 109 133, 181; 9 7 67, 79; BVerfG NJW 2 0 0 6 3 4 8 3 , 3 4 8 4 f. Vgl. auch: Peglau NJW 2 0 0 1 2 4 3 6 , 2437. Baier /ura 2 0 0 4 5 5 2 , 555. BVerfGE 109 133, 182.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
tieller Opfer gegeneinander abzuwägen. Liegen die Voraussetzungen des § 66b StGB vor, nämlich eine „hohe Wahrscheinlichkeit" für die Begehung der genannten neuen erheblichen Straftaten, also damit verbunden eine hohe Gefährdung potentieller Opfer, so wird man dem Vertrauen des Verurteilten, der in der Vergangenheit schon wenigstens eine schwere Straftat begangen hat, gegenüber den genannten Rechtsgütern potentieller Opfer und der staatlichen Schutzpflicht diesen gegenüber keinen Vorrang einräumen müssen. 85 Die gesetzliche Wertung liegt jedenfalls im Rahmen des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums. 86 37
Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für Verurteilte, die sich zum Zeitpunkt der Anordnung noch in Strafhaft befinden, wie für solche, die bereits in die Freiheit entlassen worden sind, das Anordnungsverfahren aber mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft noch während der Strafhaft begonnen hat. 8 7 Bei einem Verurteilten, der nach Einleitung des Unterbringungsverfahrens in die Freiheit entlassen wurde, konnte sich wegen des eingeleiteten Verfahrens, schon kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, die Freiheit nicht wieder entzogen zu bekommen, bilden. 88 Auch die Auswertung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Straftäterunterbringungsgesetzen einiger Bundesländer vom 10.2.2004 (BVerfGE 109 190) und die darin vorgenommene kompetenzrechtliche Zuordnung der Materie lässt keinen anderen Schluss als auf eine bloße unechte Rückwirkung zu. Die Zuordnung zum bundesgesetzlichen Strafrecht hat das Gericht deshalb vorgenommen, weil zu ihm „die Regelung aller, auch nachträglicher, repressiver oder präventiver staatlicher Reaktionen auf Straftaten gehört, die an die Straftat anknüpfen, ausschließlich für Straftäter gelten und ihre sachliche Rechtfertigung auch aus der Anlasstat beziehen". 8 9 Danach bleibt letztere „kraft ihrer Indizwirkung auch dann inhaltlich Basis der Rückfallprognose, wenn sich Gerichte und Sachverständige nicht erneut mit ihr auseinandersetzen". 90 Das Bundesverfassungsgericht hat die Zuordnung der Materie zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes also deswegen vorgenommen, weil die nachträgliche Maßregelanordnung eine Sanktion unmittelbar für die Anlasstat wäre, sondern deswegen, weil sie an diese i.S. einer „Indizwirkung" anknüpft und weil die Notwendigkeit ihrer Aburteilung eine „limitierende Funktion" hinsichtlich des Kreises möglicher Adressaten hat. 9 1
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Zur Frage, ob ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot in den Fällen vorliegt, in denen die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung auf § 66b Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 3 gestützt wird, die Tat, die der Anlassverurteilung zu Grunde liegt, aber vor Inkrafttreten des § 6 6 Abs. 3 (also vor dem 1.2.1998) oder vor Ausdehnung der Geltung des § 66 auf die neuen Bundesländer begangen wurde, 9 2 vgl. unten Rdn. 129. Für § 66b Abs. 2 (wo sich dieses Problem nicht in vergleichbarerer Weise stellt) hat der BGH die Anwendbarkeit unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der Maßregel zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung bereits bejaht, da Absatz 2 gerade nicht auf das Vorliegen
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OLG Brandenburg NStZ 2 0 0 5 272, 2 7 4 ; vgl. auch Rosenau FS Venzlaff S. 2 8 6 , 3 0 2 f. BVerfG N J W 2 0 0 6 3 4 8 3 , 3 4 8 4 f; vgl. auch Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 2 9 3 ; Würtenberger/Sydow NVwZ 2 0 0 1 1201,1205. Einschränkend: Arloth in Schöch/Jehle S. 327, 3 3 0 ; differenzierend (allerdings im
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Rahmen der Erörterung einer echten Rückwirkung) auch: Waterkamp StV 2 0 0 4 267,
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Vgl. auch OLG Brandenburg NStZ 2 0 0 5 2 7 2 , 274; Blau FS Schwind S. 525, 530. BVerfGE 109 190, 212. BVerfGE 109 190, 225. BVerfGE 109 190, 2 2 0 . So: Ullenbruch NStZ 2 0 0 5 5 6 3 f.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
der übrigen Voraussetzungen des § 66 abstellt. 93 Die Frage des Rückwirkungsverbotes bei Altfällen hat durch die Einfügung des Absatzes 1 Satz 2 neue Brisanz gewonnen. Hier ist die Unterordnung des Vertrauensschutzes des Verurteilten unter die Sicherheitsinteressen potentieller Opfer nicht in allen Fällen eindeutig. Zwei Konstellationen sind hier zu trennen: In der einen kannte das frühere Tatgericht positiv alle gefahrenrelevanten Umstände und konnte die Sicherungsverwahrung - obwohl deren Voraussetzungen aus heutiger Sicht vorlagen - mangels Rechtsgrundlage nicht anordnen. In der anderen lagen zwar bereits bei Aburteilung der Anlasstat alle gefahrenrelevanten Tatsachen vor; das Gericht, das mangels Rechtsgrundlage aber keine Sicherungsverwahrung verhängen konnte und deshalb auch keinen Anlass hatte, diese Umstände aufzuklären, kannte sie nicht und hat sie mangels Anordnungsmöglichkeit auch - nicht vorwerfbar - weiter aufgeklärt. In der letztgenannten Fallgestaltung dürfte es bei der Nachrangigkeit des Vertrauensschutzes des Verurteilten bleiben, da er sich nicht darauf verlassen kann, dass an später bekanntwerdende Umstände nicht doch noch nachteilige Rechtsfolgen geknüpft werden. In der ersten Fallgestaltung ist das Vertrauen des Verurteilten nicht eindeutig nachrangig. Hier lagen alle gefährlichkeitsrelevanten Umstände bereits früher vor, waren allen Verfahrensbeteiligten seinerzeit bekannt und wurden - auf der Grundlage der damaligen Rechtslage - abschließend justiziell abgehandelt. Der Sache nach wird hier der bereits früher abschließend behandelte Sachverhalt einer erneuten Beurteilung aufgrund der heutigen Rechtslage unterzogen, was sehr für eine (grundsätzlich unzulässige) echte Rückwirkung spricht. Aber selbst wenn man nur eine unechte Rückwirkung annehmen wollte, weil die wegen der bis in die Gegenwart fortwirkenden Gefährlichkeit des Verurteilten, die aufgrund einer aktuellen, nach wie vor notwendigen Gesamtwürdigung festgestellt wird, 94 noch kein in der Vergangenheit völlig abgeschlossener Sachverhalt vorliegt, wäre sein Vertrauensschutz in diesen Fällen sicherlich höher zu bewerten, als in den Fällen, in denen die gefährlichkeitsrelevanten Tatsachen erst nachträglich bekannt geworden oder gar erst entstanden sind. 95 Wegen Bedenken im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot aus Art. 7 EMRK vgl. Renzikowski NStZ 2 0 0 6 280, 284. b) Ne bis in idem: Ein Verstoß wird deshalb angenommen, weil gegen den Straftäter mit der nachträglichen Anordnung zum zweiten mal eine Freiheitsentziehung verfügt wird, deren maßgeblicher Anknüpfungspunkt die Ausgangsstraftat ist. 96
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Diese Auffassung trifft die gesetzliche Regelung aber nur unzureichend. Die Ausgangsverurteilung ist zwar unerlässliche Voraussetzung für die nachträgliche Maßregelanordnung. Ihr Vorliegen schafft auch den Zusammenhang der nachträglichen Sicherungsverwahrung mit dem materiellen Strafrecht. Maßgebliche Voraussetzung für die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist aber u.a. die auf neuen Tatsachen beruhende, umfassende Gefährlichkeitsprognose. Für diese ist eine Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und seines Verhaltens im Vollzug erforderlich. Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kommt es auf die Ausgangstat aber nicht zwingend wesentlich an. So
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BGH NJW 2 0 0 6 1446, 1447; BGH Urt. v. 11.7.2006 - 5 StR 1 2 5 / 0 6 (= BGH NStZ-RR 2 0 0 6 303 LS). BR-Plenarpr. 832 v. 3 0 . 3 . 2 0 0 7 S. I l l C. Rückwirkungsbedenken wurden auch von im Rechtsausschuss angehörten Experten geäußert (vgl. u.a. die Stellungnahmen von
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Kinzig und Renzikowski abrufbar über die Internetseite des Bundestages). Kinzig NStZ 2 0 0 4 655, 660; Römer JR 2 0 0 6 5; Rzepka R & P 2 0 0 3 191, 197; Streng StV 2 0 0 6 92, 96; vgl. auch Böllinger/Pollähne NK 2 Rdn. 4; Fischer Rdn. 5.
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
wäre es denkbar, dass die Gesamtwürdigung positiv i.S. des § 66b StGB ausfällt, trotz entgegenstehender Anhaltspunkte aus der Ausgangstat. 97 Im Übrigen wird der Täter nicht wegen seiner Anlasstat ein zweites Mal bestraft, sondern es wird gegen ihn wegen seiner Gefährlichkeit, die (auch) auf nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen beruhen muss, eine Sicherungsmaßregel verhängt. 98 41
c) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Die Gegner des § 66b tragen vor, es sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar, wenn an die Anordnung der sekundären (eingriffsintensiveren) Sicherungsverwahrung geringere Anforderungen gestellt würden, als an die primäre Sicherungsverwahrung. 99 Demnach sei ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jedenfalls bei einem Verzicht auf die Voraussetzung eines Hanges gegeben.
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§ 66b hat aber keine geringeren, sondern schärfere Voraussetzungen für eine (nachträgliche) Maßregelanordnung als § 66 für die primäre, da er gegenüber $ 66 z.B. einen gesteigerten Gefährlichkeitsgrad verlangt und den Deliktskatalog verschärft hat. Auch im Übrigen ergibt die Prüfung der Verhältnismäßigkeit anhand verfassungsrechtlicher Vorgaben, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung keinen durchgreifenden Bedenken begegnet. Angesichts des ins Auge gefassten Täterkreises dürften auch andere - nicht freiheitsentziehende Maßnahmen wie Führungsaufsicht oder polizeirechtliche Maßnahmen - nicht gleich geeignet sein, den Schutzzweck zu erfüllen. 100 So werden gut ein Drittel aller Führungsaufsichtsprobanden erneut rückfällig. 101 Sozialtherapie und ambulante Nachsorge vermögen das Rückfallrisiko zu vermindern. Sie stoßen aber insbesondere bei dissozialen- oder persönlichkeitsgestörten Sexual- und Gewalttätern an ihre Grenzen. 102
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In diesem Zusammenhang spielt auch die Frage der Prognosesicherheit eine Rolle (d.h. bei hoher Prognoseunsicherheit könnte es unverhältnismäßig sein, jemand - auch im Hinblick auf die in Frage stehenden Rechtsgüter - langjährig wegzusperren 103 ). Das ist aber kein spezifisches Problem der nachträglichen Sicherungsverwahrung, sondern der von Prognoseentscheidungen allgemein, vor allem im Strafvollzug bzw. bei der Frage bedingter Entlassung aus der Strafhaft (vgl. § 66 Rdn. 201 ff). 1 0 4 Das BVerfG hat daran jedenfalls keinen grundsätzlichen Anstoß genommen, sondern lediglich eine möglichst breite Tatsachenbasis für die Prognoseentscheidung gefordert, im Übrigen aber auch die nachträgliche Maßregelanordnung offenbar für geeignet sowie in extremen Einzelfällen auch für erforderlich und angemessen erachtet, den Schutz der Bevölkerung vor schwe-
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Vgl. auch die Darstellung zur Rechtsprechung des BVerfG oben Rdn. 27. OLG Brandenburg NStZ 2 0 0 5 272, 274; Peglau ZRP 2 0 0 0 147, 150; Richter ZfStrVo 2 0 0 3 201, 2 0 2 ; Veh NStZ 2 0 0 5 307, 308; vgl. auch Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 2 8 4 f. Ullenbruch MK Rdn. 4 8 ; vgl. auch Böllinger/Pollähne NK 2 Rdn. 4. AA: Abweichende Meinung der Richter Broß Osterloh und Gerhardt zum Urteil des Zweiten Senats vom 10.2.2004, BVerfGE
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109 2 4 4 , 248, die aber möglicherweise die praktische Effektivität dieser Alternativen überschätzen. Baltzer Die Sicherung des gefährlichen Straftäters S. 2 4 4 . Vgl. Baltzer Die Sicherung des gefährlichen Straftäters S. 2 5 6 f. Vgl. Kinzig NJW 2 0 0 0 1455, 1457; Richter ZfStrVo 2 0 0 3 201, 2 0 2 ff; Streng StV 2 0 0 6 92, 97. Vgl. Boetticher NStZ 2 0 0 5 417, 419; MüllerMetz StV 2 0 0 3 4 2 , 4 4 f; Peglau ZRP 2 0 0 0 1 4 7 , 1 4 9 f.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
ren Straftaten sicherzustellen. 105 Im Bereich der Kriminalprognose wurden in den letzten Jahren auch erhebliche Fortschritte gemacht, so dass strukturelle Defizite hier wohl nicht mehr vorliegen. 106 Auch liegen bei einigen Probanden derart viele Risikofaktoren vor, dass die zukünftige Gefährdung relativ sicher festgestellt werden kann. 1 0 7 Im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsgebot wäre es allerdings wünschenswert, wenn § 66b nicht nur die Möglichkeit einer Anordnung der Sicherungsverwahrung oder ihrer Nichtanordnung böte, sondern auch - als milderer Mittel - die Alternativen nach § 63 und § 64 zu diesem Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stünden. Eine gewisse Tendenz in diese Richtung zeigen Reformbestrebungen des Gesetzgebers bei Änderungen des § 67a (vgl. BTDrucks. 15/3652 S. 7). Auch sind bei der Entscheidung unbedingt alternative ambulante Maßnahmen nach der Haftentlassung als mildere Mittel in Erwägung zu ziehen. 108
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d) Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG): Als weiterer Kritikpunkt wird ins Feld geführt, mit Einführung des § 66b sei die Vorhersehbarkeit staatlichen Sanktionierens bei Tatbegehung nicht mehr gegeben. 109 Art. 103 Abs. 2 GG ist aber auf Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht anwendbar. Das BVerfG hat dazu entschieden, dass „der Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 2 GG [ist] auf staatliche Maßnahmen beschränkt (ist), die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten darstellen und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängen, das dem Schuldausgleich dient" (BVerfGE 109 133, 167). Zwar ist die Entscheidung selbst zum strafrechtlichen Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG ergangen, jedoch hat das BVerfG, wie das Zitat zeigt, nicht zwischen den verschiedenen Garantien der Vorschrift differenziert. Dafür ist auch kein Grund erkennbar.
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e) Nemo-tenetur-Grundsatz: Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz wird darin gesehen, dass zur Überwachung des Verurteilten eine Datensammlung zu den Voraussetzungen des § 66b StGB eingerichtet wird. Insbesondere laufe der therapiewillige Verurteilte Gefahr, durch seine Angaben, neue Tatsachen für eine nachträgliche Maßregelanordnung zu offenbaren oder aber - tut er dies nicht - als Therapieverweigerer zu gelten. 110 Bei dieser Argumentation wird allerdings verkannt, dass der Verurteilte nicht nur diese beiden Möglichkeiten hat, was dann in der Tat einen Zwang zur Selbstbelastung bedeuten könnte. Er kann auch an einer Therapie teilnehmen, ohne z.B. andere von ihm begangene, bisher nicht bekannte Straftaten oder Sexual- und Gewaltphantasien zu offenbaren. 111 Ob eine solche Therapie Sinn macht, kann für die verfassungsrechtliche Bewertung dahinstehen. Auch schon vor Schaffung des § 66b musste der Verurteilte, der gefahrenträchtige Offenbarungen machte, wegen der Offenbarungspflicht in § 182 Abs. 2 StVollzG mit nachteiligen Konsequenzen rechnen. 112 Letztendlich wird jeder Verurteilte selbst entscheiden müssen, ob er ein Therapieangebot ernsthaft wahrnimmt und damit einerseits Gefahr läuft, Tatsachen i.S.v. § 66b StGB nachträglich erkennbar zu machen, andererseits aber
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BVerfGE 109 190, 236; vgl. auch BVerfGE 109 133, 158 f; Peglau ZRP 2 0 0 0 147 149 f; Würtenberger/Sydow NVwZ 2001 1201, 1206. 106 Yg] d a z u näher Schneider FS Schwind S. 413, 421 f. 107 Kalf S. 205, 215; zu den Mindestanforderungen für Prognosegutachten vgl. Boetticher/u.a. NStZ 2 0 0 6 5 3 7 ff. 105
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BVerfG NJW 2 0 0 6 3 4 8 3 , 3485. Passek GA 2 0 0 5 96, 111; Rzepka R & P 2 0 0 3 191, 198. Rzepka R & P 2 0 0 3 191, 2 0 4 f. Zu Verschwiegenheits- bzw. Offenbarungspflichten des Therapeuten nach § 182 StVollzG vgl. Harrendorf J R 2 0 0 7 18 ff. Harrendorf J R 2 0 0 7 18, 19 f.
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
auch die Chance hat, seine Gefährlichkeit therapiebedingt bis zum Entscheidungszeitpunkt für eine nachträgliche Anordnung zu verringern oder gar zu beseitigen. 3. Vereinbarkeit mit Art. 5 EMRK 47
a) Allgemeines: Die Vereinbarkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK wird vielfach angezweifelt. 113 Art. 5 Abs. 1 EMRK verbietet die Entziehung der Freiheit, es sei denn, sie erfolgt aufgrund eines der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK abschließend aufgezählten Ausnahmetatbestände. 1 1 4 Es ist also zu prüfen, ob § 66b unter eine dieser Ausnahmeregelungen fällt. Kommt man zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist, so führt das allerdings nicht zur Unwirksamkeit des § 66b. Die EMRK steht nach Transformation in deutsches Recht in der innerstaatlichen Rechtsordnung im Range eines (einfachen) Bundesgesetzes und steht damit gleichrangig neben dem StGB. Die Rangzuweisung führt deshalb dazu, dass deutsche Gerichte die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben. 1 1 5 Bei der Auslegung der EMRK sind die Entscheide des EGMR „im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung" 116 zu beachten. Sofern also festzustellen wäre, dass § 66b StGB und Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK unvereinbar miteinander sind, müssten im Rahmen systematischer Auslegung ggf. über die einschränkende Auslegung der einen oder anderen Vorschrift nachgedacht werden.
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In den Entscheidungen des BGH sind bisher keine durchgreifenden konventionsrechtlichen Bedenken erhoben worden (vgl. u.a. BGHSt 50 373, 377 f).
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b) Zu den einzelnen Gestattungstatbeständen nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK: Die Freiheit darf nur in den Fällen der in der Vorschrift aufgeführten Ausnahmetatbestände (lit. a - f ) entzogen werden und nur in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise. In Betracht kommen folgende Alternativen:
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aa) Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. c EMRK: Der Focus richtete sich in der bisherigen Diskussion zu den Landesgesetzen darauf, ob bei einer nachträglichen Sicherungsverwahrung der Gestattungstatbestand des Art. 5 Abs. 1 lit. c EMRK vorliegt („sie an der Begehung einer Straftat zu hindern").
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Die Gegner der nachträglichen Sicherungsverwahrung berufen sich für ihre These, dass Präventivhaft wie die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht unter Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. c EMRK fällt, auf die EGMR-Entscheidung Lecius./.Litauen (Application No. 34578/97).117 Der EGMR hat darin ausgeführt: „The Court observes that a person may be deprived of his liberty only for the purposes specified in Article S § 1. A person may be detained within the meaning of Article 5 § 1 (c) only in the context of criminal proceedings for the purpose of bringing him before the competent legal
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Vgl. nur Kinzig NJW 2001 1455, 1458 f noch zu den Landesgesetzen (die Argumentation wäre aber wenigstens z.T. auf § 66b StGB übertragbar); Renzikowski JR 2004 271, 275; Richter ZfStrVo 2003 201, 204); ferner (ohne nähere Begründung): Böllinger/ Pollähne NK 2 Rdn. 4. Meyer-Goßner § 5 MRK Rdn. 1; MeyerLadewig EMRK (2003) Art. 5 Rdn. 4 f.
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115 116 117
BVerfG NJW 2004 3407, 3408. BVerfG NJW 2004 3407, 3410. Vgl. Hanack FS Rieß S. 709, 717; Kinzig NJW 2001 1455, 1458; Pieroth JZ 2002 922, 927; Renzikowski JR 2004 271 273; Rzepka R&P 2003 191, 210; vgl. auch: Ullenbruch NStZ 2001 202, 206; ders. NStZ 2006 1377,1378.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
authority on suspicion of his having committed an offence (see mutatis mutandis the Lawless v. Ireland judgment of 1 July 1961, Series A no. 3, pp. 51-52, 5 14, and the Ciulla v. Italy judgment of 22 February 1989, Series A no. 148, pp. 16-18, §§ 38-41)".
Die vom E G M R in Bezug genommene Ciulla./.Italien Entscheidung (9/1987/132/183) führt in einer Passage aus, dass die Freiheitsentziehung nach lit. c) in Zusammenhang mit einem Strafprozess stehen müsse (Nr. 38), was sich aus der Zusammenschau mit Art. 5 Abs. 3 E M R K ergebe (ebenso Lawless./.Ireland, Y B E C H R Bd. 4 S. 454, 456). In der Tat bezieht sich Art. 5 Abs. 3 E M R K auf die klassische U-Haft-Situation und nicht auf eine endgültige präventive Inhaftierung. Es ist daher unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des E G M R zweifelhaft, ob Art. 5 Abs. 1 lit. c E M R K eine Gestattungsgrundlage bieten könnte. 118 Ob man dieser Rechtsprechung folgen kann, hängt davon ab, welches Verständnis von Art. 5 Abs. 1 lit. c E M R K zugrundelegt. Der E G M R (s.o.) und mit ihm ein Teil der Lehre 1 1 9 gehen davon aus, dass Buchstabe c) nur einen einheitlichen Gestattungstatbestand enthält, der - das wird aus der Einleitung („zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde") und aus Abs. 3 gefolgert - in strafprozessualem Zusammenhang zu sehen ist. Danach würde Buchstabe c) nur zulässige Untersuchungshaftgründe enthalten.
52
Eine andere Ansicht versteht Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. c E M R K hingegen dahin, dass die Vorschrift zwei unterschiedliche Gestattungstatbestände enthält. In ihrem ersten Teil soll sie tatsächlich die (strafprozessuale) U-Haft-Situation betreffen, während der zweite Teil (ab „oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, . . . " ) die (gefahrenabwehrrechtlich orientierte) Präventivhaft erfasst. 120
53
Der deutsche Wortlaut der E M R K ist für beide Alternativen offen. Die Argumentation mit Art. 5 Abs. 3 E M R K (s.o. Rdn. 52) verfängt nicht, denn sie ist zirkelschlüssig. Das Argument setzt gerade voraus, dass Buchstabe c insgesamt nur einen einheitlichen (strafprozessualen) Gestattungstatbestand enthält. Man kann nämlich den Verweis in Art. 5 Abs. 3 E M R K auch nur auf die „Festnahme oder Freiheitsentziehung" i.S. des ersten Halbsatzes von Abs. 1 lit. c beziehen. Systematisch lässt sich allerdings anführen, dass die Regelung zweier so unterschiedlicher Gestattungstatbestände innerhalb eines von mehreren Gliederungspunkten befremdlich anmutet und eine Präventivhaft eher in den Zusammenhang des Buchstaben e) gepasst hätte. 121 Dagegen kann wiederum eingewendet werden, dass die Prävention i.S.d. Buchstabens e) nicht (zwingend) mit der Begehung von Straftaten verbunden ist. Insoweit passt die Präventivhaft dann doch in den strafprozessualen Zusammenhang des Buchstabens c). Insoweit liegt gleichsam eine Parallele zur Auffassung des BVerfG hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes über den Kompetenztitel „Strafrecht" (Art. 74 Abs. 1 GG) für diese Art von Präventivhaft vor (dazu oben Rdn. 27). Gegen die Ansicht, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. c E M R K insgesamt in einem der U-Haft-Situation vergleichbaren Zusammenhang steht, spricht
54
118
119
120
Vgl. dazu Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 2 9 6 . Vgl. Meyer-Goßner Art. 5 MRK Rdn. 4; Renzikowski IntKommEMRK Art. 5 Rdn. 179 ff; Ullenbruch MK Rdn. 53; Baier Jura 2 0 0 4 5 5 2 , 5 5 7 ; Pieroth J Z 2 0 0 2 922, 927; Renzikowski J R 2 0 0 4 271, 273; Rzepka R & P 2 0 0 3 191, 209. Vgl. Peglau NJW 2 0 0 1 2 4 3 6 , 2 4 3 8 ; Würten-
121
berger/Sydow N V w Z 2 0 0 1 1 2 0 1 , 1 2 0 4 , die zu Recht darauf hinweisen, dass anderenfalls alle polizeirechtlichen Freiheitsentziehungen konventionswidrig wären; s. auch: Gollwitzer LR Art. 5 MRK Rdn. 7 0 f; Frowein/Peukert EMRK 2 Art. 5 Rdn. 81; Maaß NVwZ 1985 151, 155; MeyerLadewig EMRK (2003) Art. 5 Rdn. 12 ff; Wagener RuP 2 0 0 2 93, 96. Richter ZfStrVo 2 0 0 3 201, 2 0 4 .
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
auch, dass dann (das ergibt sich aus dem aufzählenden Charakter), der bloße Umstand des Verdachts der Begehung einer Straftat ein Haftgrund wäre, was kaum als verhältnismäßig bezeichnet werden kann. Jedenfalls entspricht ein solches Verständnis nicht dem deutschen Rechtsverständnis und wäre wohl kaum noch „methodisch vertretbare Gesetzesauslegung" (des deutschen Rechts). 55
Begibt man sich hingegen auf die Ebene der Konventionsauslegung, so wird man auch dort aus der Systematik und dem Wortlaut nicht viel anderes herleiten können. Die entsprechenden o.g. Argumente gelten wohl auch hier. Teilweise wird zwar versucht, aus dem (verbindlichen) französischen Text die Interpretation im Sinne der ersten Ansicht herzuleiten. 122 Ob das aber letztendlich durchgreift, erscheint zweifelhaft, wenn sich diese Interpretation aus dem ebenfalls verbindlichen englischen Text nicht in derselben Form ergibt.
56
Nach der hier vertretenen Ansicht ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung bereits aufgrund Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. c 2. Alt. E M R K gestattet. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des E G M R erscheint allerdings eher zweifelhaft, ob dieser § 66b unter diesen Gestattungstatbestand subsumieren wird - auch wenn vor Überinterpretationen der recht knapp gehaltenen Begründungen bisheriger Entscheidungen zu warnen ist. 1 2 3 Hier besteht also ein gewisses Unsicherheitspotential.
57
bb) Art. 5 Abs. 1 lit. a EMRK: In der bisherigen Diskussion wurde das Eingreifen eines Gestattungstatbestandes nach Art. 5 Abs. 1 lit. a E M R K meist recht kurz abgelehnt; dies allerdings regelmäßig in Bezug auf die Straftäterunterbringungsgesetze der Länder. Hinsichtlich dieser greift die Vorschrift auch tatsächlich nicht ein. Da die Originaltexte mit „conviction" bzw. „condamnation" formuliert sind, beziehe sich lit. a) nur auf strafrechtliche Verurteilungen, die in Zusammenhang mit einem Schuldspruch stehen, nicht aber auf polizeirechtliche Maßnahmen. 1 2 4
58
Ob die Ansicht, die seinerzeit noch gegen die landesrechtlichen Unterbringungsgesetze vorgetragen wurde, für diese zutraf, kann dahinstehen. Die Beurteilung des bundesrechtlichen § 66b StGB ist insoweit komplizierter. Es ist nämlich grundsätzlich anerkannt, dass Art. 5 Abs. 1 lit. a E M R K als Rechtsfolge nicht nur Strafen, sondern auch die Sicherungsverwahrung gestattet. Die Formulierung „conviction" oder „condamnation" zwingt nicht dazu, nur Freiheitsstrafen als rechtmäßige Freiheitsentziehung als Folge eines Schuldspruchs anzusehen. Auch Maßregeln, wie die Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB werden erfasst. 125 Der E G M R fordert insoweit nur, dass die Haft aus dem Schuldspruch resultiert (van Droogenbroeck ./. Belgien, EuGRZ 1984 6, 7; ähnlich auch Guzzardi./. Italien, EuGRZ 1983 633, 639).
59
Erfolgt die (nicht schuldgebundende) Freiheitsentziehung erst in erheblichem zeitlichen Abstand und aufgrund einer weiteren (Verwaltungs-) Entscheidung, so ist ein „enges
Band zwischen der gerichtlichen Entscheidung [über den Schuldspruch] und der jeweiligen Freiheitsentziehung"
122
123
124
erforderlich
(van Droogenbroeck./.Belgien, EuGRZ 1984 6, 7;
Richter ZfStrVo 2 0 0 3 201, 2 0 4 f; vgl. auch Rosenau/Peters J Z 2 0 0 7 5 8 6 . Vgl. Peglau NJW 2 0 0 1 236, 238; Rosenau FS Venzlaff S. 2 8 6 , 3 0 7 f; skeptisch im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR auch: Baltzer Die Sicherung des gefährlichen Straftäters S. 2 0 7 f. Vgl. EGMR EuGRZ 1983 633, 639; Peglau
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125
NJW 2001 2 4 3 6 , 2 4 3 8 ; Rzepka R&P 2 0 0 3 191, 2 0 8 ; Kinzig NJW 2 0 0 1 1 4 5 5 , 1 4 5 8 . Allgem. Meinung, vgl. Frowein/Peukert EMRK 2 Art. 5 Rdn. 57; Meyer-Ladewig HK-EMRK [2003] Art. 5 Rdn. 6; Kinzig NJW 2001 1456, 1458; Trechsel FS Burgstaller S. 201, 212, jeweils m.w.N.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§
66b
in diesem Falle wurde das belgische Institut der „mise à la disposition du gouvernement" vom EGMR unbeanstandet gelassen. Nach belgischem Recht konnte ein Straftäter zugleich mit der Strafe auch der o.g. Maßregel unterworfen werden. Diese räumte der Regierung ein weites Ermessen ein, wie mit dem Verurteilten nach Strafverbüßung umzugehen ist z.B. Haft, halboffene Anstalten, Bewährungsauflagen, Beaufsichtigungsmaßnahmen allgemeiner Art, und konnte dazu führen, dass diese Maßnahmen immer wieder wechselnd angeordnet wurden). Im Fall Eriksen./.Norwegen (102/1995/608/696) 1 2 6 wurde eine befristete Sicherungsanordnung nach norwegischem Recht (die der Vollzugsbehörde einen weiten Spielraum gewährte, wie der Verurteilte unterzubringen ist, einräumt, von Polizeiaufsicht bis Sicherungsverwahrung), zuletzt sogar erst drei Monate nach Ablauf der letzten Verlängerung nicht beanstandet. Der EGMR hat hier noch eine hinreichende kausale Verbindung der letzten Verlängerungsanordnung zur ursprünglichen Verurteilung gesehen, weil die Verlängerungsanordnung sich im Rahmen der Zielsetzung der ursprünglichen Verurteilung hielt (Abs. 84 der Entscheidung). Renzikowski (JR 2004 271, 272 f) 1 2 7 meint, dass der erforderliche Zusammenhang mit dem Schuldspruch im Sinne einer kausalen Verbindung bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung gerade fehle. Zwingend ist ein solcher Schluss nicht. Immerhin ist die Aburteilung der Anlasstat (der erfolgte Schuldspruch) conditio sine qua non für die nachträgliche Maßregelanordnung (ohne eine entsprechende Mindestanforderungen erfüllende Anlassverurteilung ist eine nachträgliche Maßregelanordnung gar nicht möglich, sie eröffnet also überhaupt erst den Weg für das spätere Verfahren). Die Anlasstat ist nach dem BVerfG kraft ihrer Indizwirkung auch Grundlage jeder Rückfallprognose, so dass regelmäßig auch bei den materiellen Voraussetzungen eine Verbindung vorhanden ist. Hinzu kommt die Ausgestaltung des Verfahrens als einer Art Nachverfahren zu dem Verfahren über den Schuldspruch. Das enge Band zwischen Schuldspruch und nachträglicher Sicherungsverwahrung wird zeitlich dadurch gewahrt, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft vor Haftende gestellt werden muss und das erstinstanzliche Gericht über die Anordnung entscheidet.128 Insoweit liegt die Konstellation des § 66b StGB völlig anders als die der Guzzardi./.Italien - Entscheidung. Dort hatte der EGMR entschieden, dass die Verbannung einer Person, die in keinem direkten Zusammenhang mit einem Strafverfahren stand und die allein aufgrund der gegebenen Voraussetzung, dass eine Person ihren Lebensunterhalt aus verbrecherischen Tätigkeiten zieht auf Indizienbasis angeordnet war, nicht durch lit. a) gestattet ist (EuGRZ 1983 633, 639). Im Falle der nachträglichen Sicherungsverwahrung gibt es indes eine Verurteilung für eine konkrete Anlasstat, die als „conviction" im Sinne der Konvention ausreichen dürfte. 129
60
Jedenfalls in den Fällen, in denen die Verurteilung wegen der Anlasstat nach Ein- 61 führung des § 66b StGB erfolgte, dürfte die Sachlage ohnehin der bei der Entscheidung Eriksen./.Norwegen vergleichbar sein. Mit Erfüllung der letzten formellen Voraussetzung in der Anlasstat steht die Verurteilung kraft Gesetzes unter dem Verlängerungsvorbehalt des § 66b StGB. Es kann keinen Unterschied machen, ob es - angesichts des Fehlens entsprechend hoher formeller Voraussetzungen - einer gerichtlichen Grundanordnung bei
126
Soweit nicht anders angegeben, können die Entscheidungen über die Internetseite des E G M R www.echr.coe.int abgerufen werden.
128
Ebenso: Milde Die Entwicklung der N o r m e n zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 2 9 6 ff.
127
Im Ergebnis (ohne nähere Begründung) auch: Baier Jura 2 0 0 4 5 5 2 , 5 5 7 ; vgl. auch Frommel NKrimP 2 0 0 4 8 6 , 8 7 ; vgl. zum Ganzen auch: Trechsel FS Burgstaller S. 2 0 1 , 2 1 2 ff.
129
Hörnle StV 2 0 0 6 3 8 3 , 3 8 7 ; aA S. 5 0 5 .
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Diehm
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
der Anlassverurteilung bedarf (vgl. Abs. 53 der Entscheidung zum norwegischen Recht), die dann ggf. immer wieder verlängert werden kann, oder ob der Vorbehalt zur Verlängerung der Freiheitsentziehung durch Anwendung des § 66b StGB gleichsam kraft Gesetzes an die Erfüllung formeller Voraussetzungen durch die Anlassverurteilung geknüpft wird. 62
cc) Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. b EMRK: Würtenberger/Sydow wollen diese Vorschrift als Gestattungsnorm für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung heranziehen.130 Sie sehen ihre Voraussetzung als gegeben an, wenn konkrete Verstöße gegen bestimmte (d.h. vom Deliktsbereich her näher eingrenzbare) StGB-Vorschriften zu erwarten sind. Das erscheint eher zweifelhaft. Die Regelung dient nicht der Durchsetzung einer allgemeinen Pflicht zur Beachtung der Gesetze, sondern nur zur Durchsetzung bestimmter gesetzlicher Pflichten.131 Der Vergleich mit der ersten Alternative von lit. b) („Erzwingungshaft") deutet darauf hin, dass die zu erzwingende gesetzliche Verpflichtung konkreter sein muss, als das Bestehen einer hohen Wahrscheinlichkeit für die Begehung erheblicher Straftaten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.132
63
dd) Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK: Umstritten ist schließlich, ob in bestimmten, wenig relevanten Ausnahmefällen, eine nachträgliche Sicherungsverwahrung auf Art. 5 Abs. 1 lit. e EMRK gestützt werden kann, z.B. wenn die konkrete Gefährlichkeit gerade in einer ansteckenden Krankheit liegt, mit der der Verurteilte im Falle seiner Entlassung andere Personen anstecken will (solche Fälle hatten die Landesgesetze u.a. im Blick).133 Hier zum Mittel der Freiheitsentziehung zu greifen, ist nach dem EGMR auch nur dann zulässig, wenn dies die letzte Möglichkeit ist, die Verbreitung zu verhindern, weil weniger einschneidende Maßnahmen zwar erwogen wurden aber nicht Erfolg versprechend waren.134 Das hilft aber für die meisten Anwendungsfälle der Maßregel nicht weiter.135 Außerdem verlangt der EGMR inzwischen bei den Freiheitsentziehungen nach lit. e, dass die Unterbringung nicht nur zur Gefahrenabwehr erforderlich sein darf, sondern sie auch im eigenen Interesse des Untergebrachten erforderlich sein „kann". 136
64
c) Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung jedenfalls durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK, möglicherweise auch durch lit c) und in - kaum relevanten - Teilbereichen auch durch lit. e) gestattet ist. V. Formelle Voraussetzungen nach Abs. 1 und Abs. 2
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1. Allgemeines. Die formellen Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 sind nur zum Teil deckungsgleich. Beide setzen die Verurteilung wegen bestimmter Delikte voraus (Anlassverurteilung), wobei der Katalog der in Frage kommenden Tatbestände bei Absatz 2 enger ist als für Absatz 1. Diese Voraussetzung einer bestimmen Anlassverurteilung stellt gerade die Verbindung zum Strafrecht her (vgl. oben Rdn. 27). Gänzlich unterschiedlich 130
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Würtenberger/Sydow NVwZ 2001 2101, 2104 Fn. 35. Meyer-Ladewig HK-EKMR [2003] Art. 5 Rdn. 11; aA: Maaß NVwZ 1985 151, 155. Ebenso: Renzikowski JR 2 0 0 4 271, 274; Richter ZfStrVo 2 0 0 3 201, 2 0 4 ; Rzepka 2 0 0 3 191, 2 0 8 . Vgl. Landtag BW Drucks. 12/5911 S. 7;
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Peglau NJW 2 0 0 1 2437, 2 4 3 8 ; Rzepka R & P 2 0 0 3 1 9 1 , 2 0 9 ; dagegen: Diehm S. 515. EGMR NJW 2 0 0 6 2313, 2315 (Enhorn/ Schweden). Vgl. Pieroth J Z 2 0 0 2 9 2 2 , 927. EGMR NJW 2 0 0 6 2313; 2315 (Enhorn/ Schweden).
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
sind die weiteren Voraussetzungen, wegen derer Absatz 1 auf § 66 verweist, Absatz 2 hingegen eigene formuliert. Nicht zu den formellen Anordnungsvoraussetzungen gehört, dass sich der Verurteilte zum Zeitpunkt der Anordnung (oder gar der Rechtskraft) noch in Strafhaft befindet (dazu unten Rdn. 79). Die - vom BGH in diesem Zusammenhang nachdrücklich betonten 137 - Vorstellung des Gesetzgebers, dass § 66b nur eine geringe Zahl von Ausnahmefällen betreffen solle (BTDrucks. 15/2887 S. 10, 12, 13), ist dem Gesetzeswortlaut zwar nicht direkt entnehmbar,138 diesem aber immanent. Seine Vorstellung hat der Gesetzgeber unter anderem dadurch verwirklicht, dass die formellen Voraussetzungen (Deliktskatalog) in § 66b gegenüber der anfänglichen Sicherungsverwahrung, die ohnehin nur in weniger als einem Promille aller strafrechtlichen Verurteilungen angeordnet wird (vgl. § 66 Rdn. 15), noch einmal verschärft wurden. Zusätzlich hat er auch im Bereich der materiellen Voraussetzungen den erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad für neue Straftaten gegenüber § 66 angehoben und § 66b lediglich als Ermessensvorschrift ausgestaltet. Darüber hinausgehende Ansätze für eine einschränkende Auslegung lassen sich, da bereit schon die anfängliche Sicherungsverwahrung (§ 66) - gemessen an der Zahl aller mit Freiheitsentzug belegten Straftäter - nur in wenigen Ausnahmefällen angeordnet wird, daraus nicht ableiten. 139 Dennoch hat die Vorschrift eine, derart restriktive Auslegung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfahren, dass inzwischen vereinzelt schon von einem Leerlaufen der Vorschrift bzw. von Wertungswidersprüchen und erheblichen Schutzlücken gesprochen wird. 140
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2. Formelle Voraussetzungen nach Absatz 1 a) Anlassverurteilung: Die Anlassverurteilung muss wegen „eines Verbrechens gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder eines Verbrechens nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit den §§ 252, 255, oder wegen eines der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Vergehen" erfolgt sein. Für Anlassverurteilung sind nur die in den in § 66b Abs. 1 aufgeführten Abschnitten des Strafgesetzbuches enthaltenen bzw. die ausdrücklich benannten oder in Bezug genommenen Straftatbestände tauglich.141 Der Katalog ist also (hinsichtlich der Verbrechen) noch enger gefasst, als der des § 66 Abs. 3, der immerhin noch sämtliche Verbrechen erfasst, während hier nur Verbrechen aus bestimmten Straftatenbereichen als Anlasstaten geeignet sind. 142 Sofern ein Verbrechen Katalogtat ist, kommt es darauf an, ob das Delikt bereits als Verbrechen abgeurteilt wurde. Es reicht nicht aus, dass ein Straftatbestand verwirklicht wurde, der seinerzeit noch Vergehen war, inzwischen aber aufgrund von Gesetzesänderungen zum Verbrechen hochgestuft wurde. Das ergibt sich aus der Formulierung „Verurteilung wegen eines Verbrechens". Ferner werden von § 66b Abs. 1 auch die in § 66 Abs. 3 S. 1 genannten Vergehen erfasst. Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 66 Abs. 3 verwiesen werden. Eine Beschränkung bei dem in § 66 Abs. 3 genannten § 323a auf Verbrechen als Rauschtaten (so Böllinger/Pollähne NK 2 Rdn. 7) dürfte sich nicht begründen lassen.
137 138
135
Vgl. nur BGHSt 5 0 373, 3 7 7 (m.w.N.). Fischer Rdn. 8; Rissing-van Saatt FS Nehm S. 191, 193. Zu entsprechenden Zahlenspielen vgl. Ullenbruch NStZ 2 0 0 5 564, 565.
140
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Markwardt FS Strafrechtsausschuss der BRAK S. 223, 2 2 6 ; Zschieschack/Rau J R 2 0 0 6 477, 479. Vgl. Lackner/Kühl Rdn. 3 Fischer Rdn. 10.
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aa) Der Anlasstatenkatalog: Der Regierungsentwurf hatte noch insgesamt auf den Deliktskatalog des § 66 Abs. 3 verwiesen.143 Auf Empfehlung des Rechtsausschusses wurde er wie geschehen eingeschränkt, weil man meinte, den „Vorgaben", die das BVerfG in seiner Entscheidung zu den Straftäterunterbringungsgesetzen der Länder formuliert hat, besser Rechnung zu tragen. 144 Das BVerfG hatte in seiner Entscheidung ausgeführt, dass der Schutz vor solchen Verurteilten, von denen auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen schwere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer drohen, ein überragendes Gemeinwohlinteresse darstellt, das grundsätzlich auch durch Maßregeln wie die nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung geschützt werden kann (BVerfGE 109 190, 236). Daraus wird vereinzelt geschlossen, dass die Anforderungen an die zu erwartenden Delikte höher sein müssen als nach dem Katalog des § 66 Abs. 3. 1 4 5 Offenbar wird gleichsam im Umkehrschluss gefolgert, dass der Schutz vor allen anderen Straftaten kein überragendes Gemeinwohlinteresse darstellt. Es ist bereits zweifelhaft, ob man eine solche Einschränkung aus der Entscheidung des BVerfG herauslesen kann. 146 Das BVerfG hatte nämlich keinen Anlass, Erwägungen auch über die Gefährdung anderer Rechtsgüter abzustellen, denn in den StrUBG der Länder ging es nur um Gefahren für oben genannten Rechtsgüter (vgl. § 1 Abs. 1 StrUBG BW und Art. 1 Abs. 1 BayStrUBG). Selbst wenn man den Schluss aber, so wie im Rechtsausschuss geschehen, ziehen will, so wird verkannt, dass das BVerfG allenfalls die Art der Rechtsgüter umschrieben hat, die eine nachträgliche Sicherungsverwahrung rechtfertigen können, nicht aber die zulässigen Anlassdelikte enumerativ benannt hat.
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Die jetzige Gesetzesfassung ist eindeutig an den gesetzlichen Abschnittsüberschriften orientiert (z.B. „Straftaten gegen das Leben", „Straftaten gegen die persönliche Freiheit" etc.). Sie lässt also hinsichtlich der in Frage kommenden Anlassdelikte keine erweiternde Auslegung i.S. eines Abstellens auf die geschützten Rechtsgüter zu. Tauglich für eine Anlassverurteilung sind also nur die in den jeweils angesprochenen Abschnitten des Strafgesetzbuches enthaltenen Delikte. 147 Wollte man den Anlasstatenkatalog nicht formal an den Abschnittsüberschriften des StGB orientiert verstehen, würde z.B. die gesonderte Nennung einiger Raubdelikte, da Raub wegen seiner Nötigungskomponente immer auch ein Delikt gegen die persönliche Freiheit ist, keinen Sinn ergeben.148 Indes gibt es nicht wenige Delikte, die nicht in die von § 66b Abs. 1 genannten Abschnitte des Strafgesetzbuches fallen, deren Begehung aber dennoch erhebliche Indizwirkung für die Gefährdung der vom BVerfG auf jeden Fall für schützenswert erklärten Rechtsgüter enthält. Man denke insoweit nur an die Brandstiftungsdelikte, welche nach jetziger Gesetzesfassung für eine Anlassverurteilung nicht geeignet sind. Der Anlasstatenkatalog des § 66b Abs. 1 erweist sich damit als zu eng. 149 So ist z.B. § 306a Abs. 2 kein Verbrechen, das sich gegen die körperliche Unversehrtheit i.S.v. § 66b Abs. 1 richtet. 150 Einer vermeintlichen Vorgabe des BVerfG ist bereits durch den Prognosebezugspunkt (schwere körperliche oder seelische Schäden) hinreichend genüge getan. Im Übrigen wäre sowohl aus Praktikabilitätserwägungen wie auch aus Gründen des Schutzes der Allgemeinheit
143 144
145 146 147
BTDrucks. 1 5 / 2 8 8 7 S. 7. BTDrucks. 1 5 / 3 3 4 6 S. 17; vgl. Ullenbruch MK Rdn. 60. Braum ZRP 2 0 0 4 105, 106. Vgl. auch: Kinzig NStZ 2 0 0 4 655, 656. BGH NJW 2 0 0 6 1745 f; Kinzig NStZ 2 0 0 4 655, 656 f.
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BGH NJW 2 0 0 6 1745 f. Ebenso: Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 2 4 0 ff. BGH NJW 2 0 0 6 1745 f.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
ein Gleichlauf der Kriterien (wenigstens mit § 66 Abs. 3) sinnvoll. Die Vielfalt der Kriterien ist für den Rechtsanwender verwirrend und macht die Regelung fehleranfällig. Die Allgemeinheit erscheint auch nicht deswegen weniger schützenswert, weil die Gefährlichkeit eines Verurteilten erst nachträglich erkannt wurde. 151 bb) Die „Verurteilung" i.S.v. § 66b Abs. 1 muss die Voraussetzungen der jeweiligen Anlassverurteilungen nach § 66 Abs. 1 bis Abs. 3 (einschließlich der entsprechenden Voraussetzungen hinsichtlich der Rückfallverjährung 152 ) erfüllen. Es reicht nicht aus, wenn die „Verurteilung" i.S.v. S 66b zwar wegen einer Katalogtat erfolgte, aber z.B. nur zu einer einjährigen Freiheitsstrafe und die übrigen Voraussetzungen des § 66 lediglich bei früheren Verurteilungen einmal vorgelegen haben (deren Strafen aber bereits verbüßt sind). Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien: Darin heißt es, dass durch (in der Ursprungsfassung noch vorhandenen eingeschränkten) Verweis auf die übrigen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 die Voraussetzungen für die Ausgangsverurteilung zusätzlich angehoben werden sollten. 153 Das erreicht man aber nur, wenn man das Gesetz so auslegt, dass der eingeschränkte Deliktskatalog des § 66b mit den Anforderungen an die Anlassverurteilung aus § 66 kombiniert wird. Etwas anderes dürfte aber für die Gesetz gewordene Fassung (die - statt nur auf § 66 Abs. 3 - insgesamt auf die übrigen Voraussetzungen des § 6 6 verweist) auch nicht gelten. 154
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cc) Zeitpunkt der Anlassverurteilung: Hinsichtlich des Zeitpunkts der Anlassverurteilung enthielt schon die alte Fassung des § 66b Abs. 1 (also ohne den im Rahmen des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht eingefügten Absatz 1 Satz 2) keine einschränkende Übergangsregelung, so dass der Zeitpunkt der Anlassverurteilung für die Anwendbarkeit des § 66b unerheblich ist; die Verurteilung kann auch vor Inkrafttreten des § 66b erfolgt sein. Dafür, dass der Gesetzgeber auch Anlassverurteilungen vor Inkrafttreten des § 66b erfassen wollte, spricht auch Art. l a EGStGB, der die Möglichkeit bietet, § 66b auf nach den StrUBG einsitzende Straftäter anzuwenden, deren Anlassverurteilung zwangsläufig vor Inkrafttreten des § 66b erfolgt sein muss. 155
72
Dies wird teilweise, jedenfalls für den Fall, in dem bei Aburteilung der Anlasstat noch gar keine (anfängliche) Sicherungsverwahrung hätte angeordnet werden dürfen (z.B. weil es seinerzeit § 66 Abs. 3 noch nicht gab oder weil sie vor Geltung des § 66 auf dem Gebiet der ehemaligen D D R erfolgte), als problematisch angesehen. 156 Auch hier liegt aber - bei Beachtung der von der Rechtsprechung bisher aufgestellten Kriterien für die Anerkennung einer neuen Tatsache - nur eine unechte Rückwirkung vor, denn es wird an die nachträglich erkennbar gewordene (und gegenwärtig noch bestehende) Gefährlichkeit angeknüpft, so dass auf die obigen Ausführungen (Rdn. 32 ff) verwiesen werden kann. 1 5 7 Der BGH hat bisher kein Anwendungsverbot des § 66b Abs. 1 für derartige Altfälle ausgesprochen sondern die Frage offen gelassen, allerdings Zweifel geäußert, weil der Verweis auf die übrigen Voraussetzungen des § 66 auch die „vom Gesetzgeber in Art. l a EGStGB geregelte zeitliche Anwendbarkeit des § 66 Abs. 3 " erfasse (BGHSt 5 0 284, 294 f; BGH NStZ 2 0 0 6 276, 277). Für Anlasstaten, die in den neuen Bundesländern begangen wurden und bei denen seinerzeit noch keine Verhängung der Siche-
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Vgl. Poseck NJW 2 0 0 4 2559, 2 5 6 2 ; ferner auch: Kinzig NStZ 2 0 0 4 655, 657. BGH NStZ 2 0 0 6 276, 277. BTDrucks. 1 5 / 2 8 8 7 S. 11 f. So ist auch das Verständnis bei Lackner/
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Kühl Rdn. 3 und Ullenbruch MK Rdn. 59 f, 74. Ebenso auch Schneider FS Schwind S. 413. Kinzig NJW 2 0 0 4 655, 657. Zweifelnd: Fischer Rdn. I I a .
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
rungsverwahrung möglich war (vgl. dazu § 66 Rdn. 2 5 3 ; Art. l a EGStGB i.d.F. des Einigungsvertrages vom 31.8.1990), hat der BGH inzwischen (zu Absatz 2) entschieden, dass eine zeitliche Einschränkung nach Abschaffung des Art. l a Abs. 1 EGStGB a.F für § 66b nicht existiert. 1 5 8 Auch § 66b Abs. 1 war aber auf Altfälle (schon in seiner alten Fassung, d.h. vor der Einfügung des Absatzes 1 S. 2 durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht pp.) anwendbar. 1 5 9 Es geht in allen Absätzen des S 66b um eine zukunftsgerichtete Gefahrenabwehr, deren Voraussetzungen lediglich aus Limitierungsgründen 160 (es soll nicht jeder gefährliche Mensch, sondern nur der gefährliche Straftäter betroffen sein) an eine (Absatz 2) oder mehrere Vorverurteilungen bzw. Vortaten und Vorverbüßungen (Absatz 1) anknüpfen. Die Argumentation im Hinblick auf Art. l a EGStGB verfängt nicht, da die darin früher enthaltene zeitliche Beschränkung hinsichtlich des Anwendungsbereichs von Art. l a EGStGB mit Einführung des § 66b gerade gestrichen wurde (vgl. Art. l a EGStGB n.F. und BTDrucks. 15/2887 S. 20) und der Gesetzeswortlaut in der Gegenwartsform („erfüllt sind") und nicht in Vergangenheitsform („erfüllt waren") formuliert ist. 74
Jetzt ist durch Absatz 1 S. 2 i.d.F. des „Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung" vom 13.4.2007 klargestellt, dass Absatz 1 auch Altfälle erfasst. Der Gesetzgeber meinte, es habe bei den Altfällen durch die Rechtsprechung ungewollte Schutzlücken gegeben. 161 Er hat deswegen Absatz 1 Satz 2 eingefügt. Diese Änderung war - wie die obigen Ausführungen zeigen - unnötig, denn auch die genannten Altfälle sind von der Rechtsprechung weder ausdrücklich noch über die Auslegung des Merkmals der „neuen Tatsachen" de facto (vgl. dazu unten Rdn. 135) aus dem Anwendungsbereich des § 66b Abs. 1 herausgenommen worden. 1 6 2 Ein weiterer (älterer) Gesetzesvorstoß zur Verbesserung der Effektivität des § 66b (vgl. BR-Drs. 139/06 S. 3 ff - der Gesetzentwurf Bayerns aus Februar 2 0 0 6 ; mit Änderungen vom Bundesrat eingebracht als BTDrucks. 16/1992 S. 6) mit gleicher Zielrichtigung hat sich insoweit bezüglich des Absatzes 1 erledigt, hingegen verfolgt der Bundesrat eine ausdrückliche Altfallregelung für Absatz 2 weiter. 163
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Bereits hier sei darauf hingewiesen, dass sich die Problematik der vor 1998 bzw. 1995 begangenen Anlasstaten noch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt stellt, nämlich dem der nachträglich erkennbar gewordenen Tatsache. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine Rückwirkungsproblematik, sondern um eine Frage der Auslegung des Tatsachenbegriffs und des Begriffs des Erkennbarwerdens. In vielen Fällen waren nämlich zum Zeitpunkt der Aburteilung der Anlasstaten die Tatsachen, die die Gefährlichkeit des Verurteilten begründen, bereits bekannt oder erkennbar und das Tatgericht war nur aus Rechtsgründen daran gehindert, eine Sicherungsverwahrung nach § 6 6 anzuordnen (vgl. zu dieser Problematik unten Rdn. 129 ff). Hier bleibt festzuhalten: Dass die Anlasstaten zu einem Zeitpunkt begangen wurden, als ihretwegen noch keine Sicherungsverwahrung nach § 66 hätte verhängt werden können, ist für die Rückwirkungsfrage unerheblich. Ob jetzt die Maßregel nachträglich verhängt werden kann, hängt nur davon ab, ob die
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BGHSt 5 0 373, 376. Vgl. Peglau N J W 2 0 0 7 1 5 5 8 , 1 5 6 2 . BVerfGE 109 190, 2 2 0 ; Peglau ZRP 2 0 0 0 147, 149. BTDrucks. 16/4740 S. 6, 4 7 ; Die Bundesjustizministerin sprach im Bundestag hingegen nur von „Klarstellungsbedarf", vgl. BT-Plenarprot. vom 2 2 . 3 . 2 0 0 7 S. 8904.
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Darauf hat auch Altvater in seiner Stellungnahme für den Rechtsausschuss des Bundestages hingewiesen (S. 2 der Stellungnahme, abrufbar über die Internetseite des Bundestages); Peglau NJW 2 0 0 7 1558, 162. 163 vgl. Entschließungsantrag BRDrucks. 192/1/07. 162
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§
66b
gefährlichkeitsbegründenden Tatsachen dem Tatgericht tatsächlich nicht bekannt oder für dieses nicht erkennbar waren bzw. davon, ob auch eine geänderte Rechtslage eine neue Tatsache darstellt oder nicht. dd) Zahl der abgeurteilten Taten: Die Formulierung des § 6 6 b Abs. 1 („wegen eines . . . " ) , könnte zu der Annahme verleiten, die Anlassverurteilung müsse sich auf nur eine einzige Tat beziehen (Gesamtstrafen also ausscheiden), weil Absatz 2 ausdrücklich formuliert: „wegen eines oder mehrerer". Indes können nach § 6 6 b Abs. 1 auch Gesamtstrafen als Anlassverurteilung herangezogen werden, da sonst der Verweis auf die übrigen Voraussetzungen des § 6 6 (also z.B. auch auf die des § 6 6 Abs. 2) keinen Sinn ergeben würde. Wichtig ist nur, dass insoweit dann auch tatsächlich die übrigen Voraussetzungen des § 6 6 erfüllt sind.
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b) Übrige Voraussetzungen des § 66: Hinsichtlich der weiteren formellen VorausSetzungen verweist § 6 6 b Abs. 1 a.E. auf die übrigen Voraussetzungen des § 6 6 . 1 6 4 Das bedeutet, das Gericht muss prüfen, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1, 2 oder 3 dieser Vorschrift (also die entsprechenden Vorverurteilungen und Vorverbüßungen und die entsprechend hohe Strafe der Anlassverurteilung nach Absatz 1, die entsprechende Zahl von Taten und Höhe der Anlassverurteilung nach Abs. 2 , die entsprechende Art und Zahl von Vorverurteilungen sowie Vorverbüßungen und entsprechende Strafe der Anlassverurteilung i.S.v. Abs. 3 S. 1 oder die entsprechende Art und Zahl von Taten und die erforderliche Strafe der Anlassverurteilung) vorliegen. 1 6 5
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Die nach § 6 6 Abs. 1 bis 3 ggf. erforderlichen früheren Verurteilungen müssen nur die Voraussetzungen des S 66 erfüllen und müssen nicht wegen einer Katalogtat nach § 6 6 b Abs. 1 erfolgt sein. Dass gilt auch für die Kombinationsvariante mit § 6 6 Abs. 2 . 1 6 6 Auch hier reicht, dass (wenn nicht ohnehin eine gleichzeitige Aburteilung mehrerer Taten ansteht) die zur Anlassverurteilung führende Tat eine Katalogtat ist. Bei mehreren Taten reicht es, wenn eine davon eine Katalogtat ist. Das ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut „nach einer Verurteilung". Zu dieser müssen dann „die übrigen Voraussetzungen des § 6 6 " (hier des Abs. 2) treten. Liegt bei mehreren Taten nur eine Katalogtat bei der Vorverurteilung vor und richteten sich die anderen abgeurteilten Taten nicht gegen die von § 6 6 b Abs. 1 geschützte Güter, so ist dies im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose entsprechend zu würdigen. Die übrigen Voraussetzungen des § 6 6 müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung vorliegen.
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c) Inhaftierung des Verurteilten: Dass der Verurteilte sich zum Zeitpunkt der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung (oder gar bis zu deren Rechtskraft) noch in Strafhaft befindet, ist keine formelle Anordnungsvoraussetzung des materiellen Strafrechts. 1 6 7 Die vereinzelt zu den landesrechtlichen Regelungen der Straftäterunterbringungsgesetze ergangene obergerichtliche Rechtsprechung, wonach vor der Entlas-
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Fischer Rdn. 11.
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Vgl. Kinzig N S t Z 2 0 0 4 6 5 5 , 6 5 7 ; Ullenbrucb M K Rdn. 7 3 ff; Es kann insoweit auf die Kommentierung zu § 6 6 verwiesen werden (unklar insoweit die Checkliste zur bundeseinheitlichen Richtlinie - vgl. dazu unten Rdn. 1 9 0 - in der es z.B. heißt, dass
bezogen auf die Voraussetzungen des § 6 6 Abs. 1 eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren ausreiche, vgl. aber § 6 6 R d n . 5 2 , 7 4 ) . 166
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Anders offenbar für § 6 6 Abs. 2 : Ullenbruch M K Rdn. 1 0 2 . A A wohl Böllinger/Polläktie N K 2 Rdn. 16.
R u t h Rissing-van Saan/Jens Peglau
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
sung aus der Strafhaft rechtskräftig über die nachträgliche Unterbringungsanordnung entschieden sein muss, 1 6 8 lässt sich allein schon aufgrund der völlig anderen Fassung der landesrechtlichen Anordnungsvoraussetzungen auf § 6 6 b StGB nicht übertragen. Die Landesgesetze sahen nämlich u.a. als Voraussetzung vor, dass es sich bei dem Betroffenen um einen „Strafgefangenen, der in einer Justizvollzugsanstalt des Landes (...) eine zeitige Freiheitsstrafe verbüßt" handelte (vgl. § 1 StrUBGBW, GVB1. 2 0 0 1 S. 188; ähnlich Art. 1 BayStrUBG, BayGVBl. 2 0 0 1 S. 978). Eine derartige Formulierung fehlt im Bundesrecht. Das Inhaftiertsein ist darüber hinaus aber auch keine prozessrechtliche Verfahrensvoraussetzung (vgl. dazu unten Rdn. 2 0 2 ) . 3. Formelle Voraussetzungen nach Abs. 2 80
a) Anlassverurteilung: Die Anlassverurteilung muss „wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder nach den §§ 2 5 0 , 251, auch in Verbindung mit § 2 5 2 oder § 2 5 2 " erfolgt sein. Der Katalog der in Frage kommenden Anlasstaten ist damit noch einmal enger gefasst als bei § 6 6 b Abs. 1. Auch hier kommen nur die Straftatbestände in Betracht, die ausdrücklich aufgeführt oder die in den erwähnten Abschnitten des Strafgesetzbuches enthalten sind, Vergehen reichen in keinem Fall mehr aus. 1 6 9 Die zum Straftatenkatalog ausgeführte Kritik (vgl. Rdn. 69) lässt sich auch auf Absatz 2 übertragen. Der Katalog wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses enger gefasst als im Regierungsentwurf. 1 7 0 Auch hier kommt es darauf an, dass eine Tat bereits seinerzeit als Verbrechen abgeurteilt wurde. Es reicht nicht, dass eine als Vergehen abgeurteilte Tat heute ein Verbrechen wäre (vgl. oben Rdn. 68). Das ist z.B. bei Taten i.S. des heutigen § 176a StGB zu beachten. Gleichzeitig wird an diesem Beispiel die Unzulänglichkeit des Katalogs deutlich. Für die Gefährlichkeit des Täters und das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit kann es keinen Unterschied machen, ob der Beischlaf mit einem Kind lediglich als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall (so in § 176 Abs. 3 i.d.F. v. 10.3.1987) oder aber als Verbrechen (so in der jetzigen Fassung des § 176a Abs. 2) gesetzlich verankert war bzw. ist.
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Die Anlassverurteilung muss mindestens zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren geführt haben. Der Regierungsentwurf sah noch eine Mindestgrenze von vier Jahren vor, die auf Empfehlung des Rechtsausschusses auf das jetzige M a ß angehoben wurde. 1 7 1 Da die Freiheitsstrafe wegen einer oder mehrerer der Katalogtaten verhängt sein muss, kommt auch eine Gesamtstrafe als taugliche Verurteilung in Frage. Bestimmte Mindestanforderungen hinsichtlich der Strafhöhe der Einzelstrafen gibt es nicht. Sie müssen nur zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren geführt haben. 1 7 2
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Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn in eine frühere Gesamtstrafe sowohl Katalogais auch Nichtkatalogtaten eingeflossen sind. Insoweit wird man entsprechend der Vorstellung des Gesetzgebers (BTDrucks. 15/2887 S. 13) - auf die zu § 6 6 Abs. 2 und 3 entwickelten Grundsätze zurückgreifen können. 1 7 3 Der Wortlaut verbietet nicht, dass der
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Vgl. OLG Karlsruhe NStZ 2002 503; OLG Nürnberg NJW 2003 601; aA OLG Bamberg NStZ 2002 502; OLG Naumburg NJW 2002 2573; vgl. dazu auch: Peglau NJW 2002 3679, 3680. Fischer Rdn. 12. BTDrucks. 15/3346 S. 7. BT-Drs. 15/28 87 S.7; BTDrucks. 15/3346 S. 7.
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Böllinger/Pollähne NK 2 Rdn. 8; Fischer Rdn. 13; Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 264 f. Ebenso: Fischer Rdn. 13; Ullenbruch MK Rdn. 184.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
Verurteilung zur Gesamtstrafe auch andere Delikte zugrundeliegen (er enthält kein einschränkendes „nur"). Der Gesetzeszweck würde es widersprechen, wenn bereits ein geringfügiges in eine Gesamtstrafe einbezogenes Delikt, das nicht Katalogtat ist, zur Untauglichkeit als Vorverurteilung führte. Auch hier erscheint - wie bei § 6 6 Abs. 3 eine Prüfung, ob die erforderliche Mindeststrafe auch ohne die Verurteilung wegen der Nichtkatalogtat erreicht worden wäre, am ehesten geeignet, das Problem zu handhaben. Ergibt diese (unter Ausschluss der Nichtkatalogtaten) immer noch eine Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren, so reicht dies aus. 1 7 4 Den gesetzlichen Anforderungen genügt es jedenfalls nicht, wenn einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren nur eine Katalogtat mit einer niedrigeren Einzelstrafe und im Übrigen Nichtkatalogtaten zugrundeliegen, denn dann wird der Täter nicht „wegen einer oder mehrer" Katalogtaten zur erforderlichen Mindestfreiheitsstrafe verurteilt (vgl. zu § 66 Abs. 3: BGH StV 2 0 0 4 4 8 2 , 483), oder wenn die Summe der Einzelstrafen für Katalogtaten die Fünfjahresgrenze nicht erreicht. 175 Bei tateinheitlicher Verurteilung von Katalog- und Nichtkatalogtaten soll eine Verurteilung i.S.v. § 66b Abs. 2 nach Ansicht des BGH nur vorliegen, wenn die mindestens fünf Jahre erreichende Strafhöhe wesentlich von der Katalogtat geprägt ist (BGH Urt. v. 6.11.2007 - 1 StR 290/07). Vgl. dazu auch § 66 Rdn. 62 und 65. Eine frühere Verurteilung zu einer Jugendstrafe kann keine Anlassverurteilung i.S.v. § 66b Abs. 2 sein, weil § 66b Abs. 2 nur von „Freiheitsstrafe" spricht und die §§ 275a Abs. 1 S. 1 StPO, 106 Abs. 3, 5 und 6 J G G die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Heranwachsende nur zulassen, wenn diese nach Erwachsenenstrafrecht abgeurteilt wurden. 1 7 6 Derzeit wird die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auch für zu Jugendstrafe verurteilte Straftäter diskutiert (BTDrucks. 16/ 6562).
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b) Inhaftierung des Verurteilten: Es gilt hier das Gleiche wie bei Abs. 1 (vgl. oben Rdn. 79).
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c) Sonstiges: Einen Verweis auf die übrigen Voraussetzungen des § 66 enthält § 6 6 b Abs. 2 naturgemäß nicht, da es sich um eine Vorschrift handelt, die auch auf erstmals wegen einer einzigen Tat Verurteilte anwendbar ist. Die formellen Voraussetzungen, die durch diesen Verweis in Abs. 1 übernommen werden, gelten für Abs. 2 nicht. An ihre Stelle tritt die Mindestverurteilung wegen einer Katalogtat.
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VI. Materielle Voraussetzungen n a c h Abs. 1 und Abs. 2 1. Allgemeines. § 66b Abs. 1 S. 1 und 2 haben identische materielle Voraussetzungen. Zum einen müssen nach einer Anlassverurteilung konkrete, für die Gefährlichkeit indizielle Tatsachen erkennbar geworden sein. Zum anderen muss die Gesamtwürdigung zu einer Gefährlichkeitsprognose führen. Umstritten ist, ob ein „Hang" i.S.v. § 6 6 Abs. 1 Nr. 3 Anordnungsvoraussetzung ist. Die Rechtsprechung hat die materiellen Anforderungen inzwischen sehr hochgeschraubt. Insbesondere aus dem Zusammenspiel des Vorrangs einer Maßregelanordnung nach § 66 StGB wegen neuer erheblicher Straftaten mit
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Wie hier i.E.: Sch/Schröder/Stree § 66 Rdn. 61; aA: Fischer § 66 Rdn. 16 mit einem eigenen, eher restriktiven Lösungsvorschlag; Ullenbruch MK § 66 Rdn. 227.
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Fischer Rdn. 13. LG Hamburg StraFo 2 0 0 4 393.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
den qualitativen Anforderungen an die „neuen" Tatsachen wird in der Literatur sogar gefolgert, dass außerhalb der Therapieverweigerungs- bzw. Therapieabbruchfälle kaum ein Anwendungsbereich für § 66b verbleibt. 177 § 66b Abs. 1 S. 2 verzichtet für bestimmte Altfälle auf das nachträgliche Erkennbarwerden von gefährlichkeitsrelevanten Tatsachen. 87
2. Erkennbarwerden von (für die Gefährlichkeit indiziellen) Tatsachen. § 66b Abs. 1 (Abs. 2 verweist hierauf) verlangt, dass „vor Ende des Vollzugs (...) Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen". Diese Tatsachen haben (formell/verfahrensrechtlich und materiellrechtlich) eine Doppelfunktion.178 Erst wenn sie vorliegen, kann überhaupt das Unterbringungsverfahren eingeleitet werden. Ohne „neue" Tatsachen besteht dazu kein Anlass, da der dann vorliegende „alte" Stand der Tatsachen durch die Anlassverurteilung verbraucht wurde (formelle/verfahrensrechtliche Bedeutung: ,,Türöffner"-Funktion). 179 Die im Rahmen einer Gesamtwürdigung dann festzustellende Gefährlichkeit muss sich (auch) auf die nachträglich erkennbar gewordenen Tatsachen stützen. 180 Das ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetzeswortlaut, wohl aber aus den Materialien, weil es sich insoweit um Tatsachen handelt, „die die weitere Prüfung und ggf. die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung veranlassen" (BTDrucks. 15/2887 S. 12). Dies folgt auch daraus, dass ohne nachträglich erkennbar gewordene Tatsachen lediglich eine neue Gefährlichkeitsbewertung aufgrund der schon bei der Anlassverurteilung gegebenen Tatsachenbasis vorläge; dies würde dann tatsächlich einen Eingriff in einen bereits abgeschlossenen Lebenssachverhalt und damit einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot darstellen (vgl. oben Rdn. 31 ff). Andererseits darf sich die Gefährlichkeitsprognose nicht allein auf die neuen Tatsachen stützen. 181
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a) Tatsachen: Der Gesetzgeber hat den Begriff „Tatsachen" nicht näher definiert, so dass davon ausgegangen werden kann, dass er an den allgemeinen juristischen Sprachgebrauch anknüpfen wollte. Hier kann man die gängige Tatsachendefinition des StGB-BT (wie sie z.B. bei den §§ 186 f und bei § 263 Anwendung findet) heranziehen. Danach sind Tatsachen äußere Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart (äußere Tatsachen) und psychische Gegebenheiten und Abläufe (innere Tatsachen). Den Gegensatz zum Begriff „Tatsache" bildet das Werturteil oder die Meinungsäußerung. 182 Die Materialien enthalten eine Reihe von Beispielen, welche Tatsachen für § 66b von Bedeutung sind. So werden „wiederholt verbal-aggressive Angriffe auf Bedienstete der Justizvollzugsanstalt", „Drohung des Verurteilten, nach der Entlassung weitere Straftaten zu begehen", „die Begehung einer erneuten Straftat während des Vollzuges der Freiheitsstrafe" und „Kontakte zu einem gewaltbereiten Milieu aus der Haft heraus" 1 8 3 genannt. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass auch diese Umstände als Tatsachen in Betracht
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Ζschieschack/Rau JR 2006 213, 214 (mit durchaus zustimmender Tendenz). Fischer Rdn. 16. BGHSt 50 275, 278; Ullenbruch NStZ 2005 563, 564. BGHSt 50 121, 123 ff; Peglau JR 2006 14, 16; Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 197 ff; Zschieschack/Rau JR 2006 9, 11; dies. JR 2006 213, 214.
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Vgl. auch: Dessecker Kriminalrechtliche Maßregeln, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 37, 52; Streng StV 2006 92, 93. Vgl. zum Tatsachenbegriff: BGH NStZ-RR 2007 370, 371 sowie allgemein: Lackner/ Kühl § 263 Rdn. 4 f; Ttedemann LK11 § 263 Rdn. 9 f. BTDrucks. 15/2887 S. 12; krit. dazu Rötner JR 2006 5, 6 f.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
kommen, aber nicht jeder Therapieabbruch und nicht jede Therapieverweigerung automatisch auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten hindeuten. 184 Zu weitgehend dürfte auch sein, wenn man die Nichterfüllung einer bei Aburteilung der Anlasstat gehegten Resozialisierungserwartung (z.B. erfolgreiche Beendigung einer Maßregel nach § 64) als „neue Tatsache" i.S.d. § 66b wertet. 185 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Tatgerichte oft nicht berücksichtigen, dass die Maßregel des § 64 dem vom Sicherungszweck der Maßregel des § 66 verfolgten Zweck nicht hinreichend genügt und § 72 missverstehen. 186 „Neue Tatsachen i.S.v. § 66b liegen nicht vor, wenn auf bekannter Tatsachengrundläge eine bloße Umbewertung der Gefährlichkeit des Verurteilten vorgenommen wird, selbst wenn ein neuer Sachverständiger nunmehr den Verurteilten für gefährlich hält. 1 8 7 Ob ein Angeklagter bzw. Verurteilter gefährlich ist, ist eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage, keine Tatsache (vgl. § 66 Rdn. 201 ff). Wenn z.B. ein neuer Sachverständiger bei - gegenüber der Anlassverurteilung - gleichbleibenden Anknüpfungs- oder Befundtatsachen nunmehr zum Ergebnis der Gefährlichkeit kommt, ist dies unbeachtlich. 188 Gründet sich hingegen die Einschätzung des Sachverständigen auf neue Anknüpfungs- oder Befundtatsachen (z.B., wenn bei dem Verurteilten früher nicht festgestellte Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert werden), so ist zwar nicht die Bewertung des Sachverständigen eine neue Tatsache, wohl aber die neu festgestellten Umstände, die ihr zu Grunde liegen. 189 So wurde von der Rechtsprechung der Umstand, dass ein Sachverständiger auf der Grundlage der gegenüber den Aburteilungszeitpunkt gleichgebliebenen Anknüpfungstatsachen nunmehr eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, nicht als „neue Tatsache" i.S.d. § 66b eingeordnet, weil es sich nur um eine (Um-)bewertung handele. 190 Der neue Befund muss sich auch auf neue Anknüpfungstatsachen stützen. 191 Dass in einer solchen Situation keine neue Tatsache i.S.d. § 66b vorliegt, trifft im Ergebnis zu, da die für die Diagnose maßgeblichen Kriterien bereits bei der Anlassverurteilung vorlagen. Deshalb war die Tatsache der Persönlichkeitsstörung - angesichts des Vorliegens der Anknüpfungstatsachen - bereits für das Tatgericht erkennbar, so dass es an einem nachträglichen Erkennbarwerden fehlt.
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Ein Teil der Literatur vertritt die Ansicht, dass auch ein Sachverständigengutachten eine „neue Tatsache" ist, wenn der Gutachter im Vergleich zu früheren Gutachten überlegene Forschungsmethoden angewendet hat. 1 9 2
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b) Erkennbarwerden der Tatsachen: Die Tatsachen müssen nachträglich erkennbar geworden sein (zum maßgeblichen Zeitraum vgl. unten Rdn. 112). D.h., zunächst kommt es darauf an, wann die Tatsache selbst erkennbar geworden ist. Nicht maßgeb-
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BGHSt 5 0 121, 130 ff. So aber OLG München NStZ 2 0 0 5 573. Schneider FS Schwind S. 413, 4 2 6 . Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 198. Vgl. BGH NJW 2 0 0 6 1446, 1447; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 5 106, 107; OLG Frankfurt Beschl. vom 15.11.2004 - 3 Ws 1303/04; OLG Frankfurt Beschl. vom 6.1.2005 - 3 Ws 1 2 8 0 / 0 4 ; OLG Koblenz NStZ 2 0 0 5 97, 99 OLG Saarbrücken
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Beschl. v. 4 . 7 . 2 0 0 7 - 1 Ws 1 3 7 / 0 7 (BeckRS 2007, 13017); Fischer Rdn. 22; Böhm StraFo 2 0 0 5 304; Eisenberg StV 2 0 0 5 345. BGH NStZ 2 0 0 6 276, 2 7 7 ; BGH Urt. v. 1 9 . 1 . 2 0 0 6 - 4 StR 3 9 3 / 0 5 . BGH NJW 2 0 0 6 1446, 1447; vgl. auch BGHSt 5 0 373, 383. BGH Beschl. v. 2 4 . 3 . 2 0 0 6 - 1 StR 2 7 / 0 6 . Zschieschack/Rau JR 2 0 0 6 9, 12.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
lieh ist, wann die aus der Tatsache folgende Gefährlichkeit erkannt wurde, wann also die zutreffenden Folgerungen aus der erkannten Tatsache gezogen wurden. 1 9 3 92
aa) Aus der Formulierung „erkennbar werden" lässt sich als Voraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Maßregel ableiten, dass die Tatsachen vorher, also bis zur Anlassverurteilung, nicht erkannt werden konnten. Auch lässt sich daraus folgern, dass es nicht darauf ankommt, ob sie bis zur Aburteilung der Anlasstat tatsächlich erkannt wurden. Die Vorschrift dient nicht der Korrektur früherer Versäumnisse der Strafverfolgungsbehörden. 194
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So einfach dies zunächst klingt, ergeben sich hier nicht unerhebliche Abgrenzungsprobleme. Mit dem Gesetzgeber wird man darauf abstellen müssen, ob die Tatsachen für das Gericht erkennbar waren (vgl. BTDrucks. 15/2887 S. 12). 1 9 5 Ob also Staatsanwaltschaft, Sachverständige etc. die Gefährlichkeitstatsachen seinerzeit erkannt haben oder erkennen konnten, ist unerheblich. Da es nicht darauf ankommt, dass das frühere Tatgericht die Gefährlichkeitstatsachen tatsächlich erkannt hat, ist es nicht allein ausreichend, zu fragen, ob die Tatsachen Gegenstand der Verfahrensakten oder der Hauptverhandlung waren. 1 9 6 Man wird vielmehr in Anlehnung an § 2 4 4 Abs. 2 StPO fragen müssen, ob es Anhaltspunkte aus den Akten oder Hauptverhandlung gab, nach denen es sich für das Gericht aufdrängte, die Gefährlichkeitstatsachen aufzuklären. War dies der Fall, waren die entsprechenden Tatsachen bereits früher erkennbar und sind nicht erst nachträglich erkennbar geworden. 1 9 7 Das führt zwar zu einem nicht unerheblichen Rekonstruktionsbedarf hinsichtlich des früheren Verfahrens, ist aber wohl angesichts der Gesetzesfassung unvermeidlich. 198
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Auch andere (scheinbar klarere) denkbare Abgrenzungskriterien (z.B., dass man nur das als früher erkennbar bewertet, was das Tatgericht auch tatsächlich im Urteil geschildert hat) werfen Probleme auf. So wäre hier das nachträgliche Erkennbarwerden von der Qualität des früheren Urteils abhängig. Je oberflächlicher es war, um so eher wäre eine Tatsache erst nachträglich erkennbar. Auch sind Fälle des zulässigerweise nach § 2 6 7 Abs. 4 S. 1 StPO abgekürzten Urteils nicht auszuschließen.
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Der BGH geht inzwischen so weit, dass eine Tatsache bereits dann bei der Anlassverurteilung erkennbar war, wenn sie zwar erst nach ihr aufgetreten sind, durch die sich aber ein im Ausgangsverfahren bekannter Zustand lediglich bestätigt hat, was insbesondere bei Persönlichkeits- oder krankheitsbedingten Auffälligkeiten gelte. 1 9 9
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Auch wenn die Anlasstat durch das Amtsgericht abgeurteilt wurde, das nicht zur Anordnung der Sicherungsverwahrung berechtigt ist (§ 2 4 Abs. 1 Nr. 2 GVG), kommt es
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BGHSt SO 275, 2 7 8 ; BGHSt 50 373, 3 7 9 f; BGH NStZ-RR 2 0 0 6 3 0 2 ; vgl. zum Ganzen: Leygra/ForensPsychiatrPsycholKriminol 2 0 0 7 1 2 1 , 1 2 5 ff. BVerfG NJW 2 0 0 6 3 4 8 3 , 3 4 8 5 m.w.N. Vgl. auch: Streng StV 2 0 0 6 92, 93. Vgl. BGH NStZ 2 0 0 6 276, I I I . BGH NJW 2 0 0 7 1148; NJW 2 0 0 7 1074, 1075; NJW 2 0 0 6 384, 385; NStZ 2 0 0 6 276, 2 7 7 ; vgl. auch BGHSt 5 0 373, 378 ff; BGH Urt. v. 11.7.2006 - 5 StR 125/06 (= BGH NStZ-RR 2 0 0 6 303 LS); Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 196 f; Rosenau VS Venzlaff
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S. 2 8 6 , 310 f; zustimmend auch: Kreuzer ZIS 2 0 0 6 1 4 5 , 1 4 9 ; aA im Hinblick auf die gesetzgeberische Schutzintention: Baltzer Gefährliche Straftäter im Strafvollzug S. 59, 6 9 f. Vgl. auch: BGHSt 5 0 121, 130 ff m. Anm. Böhm StraFo 2 0 0 5 3 0 4 und Anm. Ullenbruch NStZ 2 0 0 5 5 6 3 ; BGH NJW 2 0 0 7 1148 f. BGH StV 2 0 0 7 29, 30; BGH Urt. v. 11.7.2006 - 5 StR 125/06 (BGH NStZ-RR 2 0 0 6 3 0 3 LS).
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
auf den o.g. Erkennbarkeitsmaßstab an. Das Amtsgerichtgericht muss dann in diesen Fällen die Sache an das Landgericht verweisen. Tut es das nicht, obwohl Umstände vorliegen, die die Prüfung einer Maßregel nach § 66 aufdrängen, so kommen diese Umstände nicht als neue Tatsachen in Betracht. 2 0 0 bb) Beispielsfälle aus der Rechtsprechung: Nicht neu, sondern bereits im Ausgangsverfahren „erkennbar" ist eine Vorverurteilung, die zwar nicht im BZR-Auszug, welcher dem Gericht der Anlassverurteilung vorlag, eingetragen war, von deren Existenz dieses aber anderweitig Kenntnis hatte. Umstände, die in dieser Vorverurteilung festgestellt sind, hätte bereits das Gericht der Anlassverurteilung erkennen können, auch wenn es sich die Akten nicht beschafft hat oder nicht beschaffen konnte. 2 0 1 Eine Kernpädophilie, die während der Haftzeit festgestellt wird, ist dann wegen bereits früherer Erkennbarkeit i.d.R. keine neue Tatsache, wenn für das Gericht der Anlasstat bereits Grund bestand, in diese Richtung nähere Aufklärung zu betreiben (z.B. weil der Verurteilte bereits mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern bestraft worden war). Neue Tatsachen lägen nur dann vor, wenn ein Sachverständiger bei Aburteilung der Anlasstat noch keine Kernpädophilie hätte feststellen können. 2 0 2 Eine bloß „zwischenzeitlich verfestigte dissoziale Persönlichkeitsstörung" ist keine neue Tatsache, wenn bereits bei Aburteilung der Anlasstat Anhaltspunkte für das Vorliegen einer dissozialen Persönlichkeitsstörung vorhanden waren. Hingegen ist ein während der H a f t (erstmals) festgestellter „frontal betonter Hirnsubstanzdefekt" eine neue Tatsache, wenn der Sachverständige im Ausgangsverfahren einen Hirnschaden als Ursache seelischer Störungen ausdrücklich ausgeschlossen hatte. 2 0 3 Das Fortschreiten eines Persönlichkeitsabbaus aufgrund eines bereits zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung bekannten Hirnsubstanzdefektes ist nicht ohne Weiteres geeignet, als neue Tatsache die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu rechtfertigen. 2 0 4 Während der Haftzeit festgestellte paranoide Schizophrenie, die sich auf erstmals während der Haftzeit aufgetretene Anknüpfungstatsachen, wie Wahnvorstellungen etc. gründet, kann eine neue Tatsache darstellen, 205 aber nur dann wenn sich diese in prognoserelevanter Weise nach außen hin manifestiert haben (z.B. durch aggressive Verhaltensweisen etc.). 206 Keine neuen Tatsachen sind psychische Auffälligkeiten, die ein Gesamtbild ergeben, welches auch schon zum Zeitpunkt der Aburteilung bestand. 2 0 7
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Bei in der Haftzeit aufgetretenen psychischen Erkrankungen stellt sich in diesem Zusammenhang die interessante Frage, ob insoweit nicht aus kompetenzrechtlichen Gründen eine nachträgliche Maßregelanordnung nach ξ 66b ausscheidet, denn der Gesetzgeber hat (man mag das bedauern) eine nachträgliche Anordnungsmöglichkeit für die Maßregel des § 63 nicht geschaffen, so dass man - wenn es um psychische Defekte geht - insoweit durchaus von einer Länderzuständigkeit (Polizeirecht/PsychKG) ausgehen könnte. 2 0 8
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200 201 202
203 204
BGH Beschl. v. 3.2.2006 - 2 StR 598/05. BGH NStZ-RR 2006 204, 205. BGH NStZ-RR 2006 303; BGH Beschl. v. 10.10.2007 - 5 StR 376/07; ThürOLG StV 2006 640, 641. BGH NJW 2006 378, 385. BGH Urt. v. 23.3.2006 - 1 StR 476/05 S. 12 Rdn. 23.
205 206 207
208
BGH Beschl. v. 24.3.2006 - 1 StR 27/06. BGH BGH NJW 2007 1074, 1075. BGH StV 2007 29, 30; NStZ-RR 2006 302; 2006 303. Vgl. BGH NJW 2007 1074, 1077; OLG Koblenz Beschl. v. 3.1.2006 - 1 Ws 891/05.
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Keine neue Tatsache liegt auch dann vor, wenn sich lediglich die Bewertung des Persönlichkeitsbildes des Verurteilten geändert hat, die vom Sachverständigen zu Grunde gelegten Anknüpfungstatsachen aber gleich geblieben sind und bereits dem Tatgericht bekannt oder erkennbar w a r e n . 2 0 9 Alkohol- und Drogenkonsum während der Haft eines bereits bei der Aburteilung der Anlasstat süchtigen Straftäters stellen keine neuen Tatsachen dar, 2 1 0 ebenso wenig eine enttäuschte Erwartung des erkennenden Gerichts in die erfolgreiche Behandlung der Suchterkrankung (z.B. im statt einer möglichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordneten Maßregel nach § 6 4 ) . 2 1 1 Möglicherweise ist die Beurteilung bei einem bei Aburteilung nicht konsumierenden Verurteilten allerdings anders. Die Anerkennung der Verweigerung von Drogentests hängt wohl ebenfalls davon ab, ob zum Zeitpunkt der Aburteilung bereits eine Suchtproblematik vorhanden war oder nicht. 2 1 2 Aggressive Handlungen gegen JVA-Personal oder Mitgefangene 2 1 3 und neue, im Vollzug begangene Straftaten sind neue Tatsachen, ferner Umstände, die auf eine Rückkehr in kriminelle Strukturen hindeuten. 2 1 4 Als neue Tatsache kann auch der Umstand gelten, dass sich erst nach der Verurteilung zeigt, dass die Gefahr neuer sexueller Ubergriffe auch außenstehende Personen betrifft und nicht - wie in der Verurteilung angenommen - nur auf Personen des Familienbereichts bezieht. 2 1 5 Neue Tatsachen können auch innere Tatsachen sein, also Umstände und Veränderungen in der Persönlichkeit, der psychischen Stabilität, der Lebensplanung oder Motivation des Verurteilten. 2 1 6
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Bloße Veränderungen im sozialen Umfeld des Verurteilten (bzw. in seinem sozialen Empfangsraum) sind regelmäßig keine relevanten Tatsachen. 2 1 7
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Therapieabbruch bzw. Therapieverweigerung sind - nach den Maßstäben des B G H nur dann als neue Tatsachen anzuerkennen, wenn das die Anlasstat aburteilende Gericht davon ausging, dass bei dem Verurteilten Therapiebereitschaft und -fähigkeit besteht, 2 1 8 wenn also der Therapieabbruch bzw. die Therapieverweigerung Ausdruck einer grundsätzlichen Haltungsänderung i s t 2 1 9 oder gar eine Suchterkrankung erst während der Haft auftritt ist. 2 2 0 Diese Umstände vermögen allerdings i.d.R. nicht bereits für sich allein die Gefährlichkeit zu begründen. 2 2 1 Das gilt sowohl für Therapien für Suchtkranke, 2 2 2 als auch Sozial- oder Psychotherapien. 2 2 3
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BGH Beschl. v. 24.3.2006 - 1 StR 27/06; BGH NJW 2006 3154, 3155. BGHSt 50 284, 298; BGH Urt. v. 11.7.2006 - 5 StR 125/06 (= BGH-NStZ-RR 2006 303 LS; hier allerdings am Merkmal der Erheblichkeit gescheitert); aA Volkers NStZ 2006 426, 429; vgl. auch: Fischer Rdn. 22. BGH NStZ 2007 328. AA (neue Tatsache bejaht, allerdings ohne Begründung) Folkers NStZ 2006 426, 429. OLG Koblenz Beschl. v. 03.01.2006 - 1 Ws 891/05. BGH Beschl. v. 25.10.2005 - 1 StR 324/05. BGHNStZ 2007 30. BGH StraFo 2007 120, 121; LG Hannover Beschl. v. 14.12.2006 - 58a 5/06 (BeckRS 2007, 10654); zur Gefahr bei Äußerungen des Verurteilten gegenüber Therapeuten und Psychologen vgl. Zieilinski BIStrVollzK 2006 Heft 6 S. 1, 2 ff.
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BGH NJW 2006 3154, 3155. BGHSt 50 121,130; BGH Beschl. v. 8.12.2005 - 1 StR 482/05; BGH Urt. v. 19.1.2006 - 4 StR 393/05; BGH Urt. v. 23.3.2006 - 1 StR 476/05; BGH NJW 2006 3154, 3155; vgl. auch ThürOLG StV 2006 71, 72; Zschieschack/Rau JR 2006 9, 13; kritisch: Brettel StV 2006 64, 65; Hörnle StV 2006 188, 189; Schneider StV 2006 99, 103. BGH NStZ-RR 2006 302; Zschieschack/ Rau JR 2006 213, 214. BVerfG NJW 2006 3483, 3485 f. BGHSt 50 373, 383. BGH NJW 2006 384, 386; BGHSt 50 284, 298; BGH Beschl. v. 8.12.2005 - 1 StR 482/05; BGH Urt. v. 19.1.2006 - 4 StR 393/05. BGHSt 50 121 ff; BGH Beschl. v. 24.3. 2006 - 1 StR 27/06; BGH Beschl. v. 10.10. 2007 - 5 StR 376/07.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
Die Maßstäbe des BVerfG sind noch etwas strenger. Es erkennt zwar an, dass die „psychologische Tatsache des Wegfalls der Motivation" grundsätzlich eine neue Tatsache darstellen kann. Jedoch liege eine solche nicht vor, „wenn die Gefährlichkeit sich ausschließlich als Folge der - zum Zeitpunkt der Verurteilung bereits bekannten - unbewältigten Suchtproblematik darstellt". Hier hätte das erkennende Gericht bereits durch eine Anordnung einer Maßregel nach § 64 reagieren können. 2 2 4 Wie hier genau die Grenzlinie gezogen werden soll, bleibt aber unklar. Zu dieser Einschränkung wird im Schrifttum angemerkt, dass sie eine „Existenzgefährdung" für § 66b darstelle. 2 2 5 Zutreffend wird auch kritisiert, dass in den Fällen, in denen das Gericht rechtsfehlerfrei die Unterbringung nach § 6 4 angeordnet hat, weil es zu Recht von einer echten Therapiemotivation ausgegangen war - also gerade gar keine andere Entscheidungsmöglichkeit hatte - , nicht einsehbar ist, dass bei Wegfall der Therapiemotivation keine neue Tatsache vorliegen soll. 2 2 6
102
Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Therapie auch aus Gründen nicht durchgeführt worden sein kann, die nicht vom Verurteilten zu vertreten sein müssen. Nicht notwendig stehen die Gründe des Verurteilten für eine Therapieverweigerung und einen Therapieabbruch im Zusammenhang mit seiner Gefährlichkeit. 2 2 7 Dem in der Hauptverhandlung sich therapiewillig zeigenden Angeklagten erwächst dann kein Nachteil.
103
cc) In der Literatur werden zudem Äußerungen oder schriftliche Aufzeichnungen des Verurteilten, die Aufschluss über seine Einstellung zur Tat geben, neue Erkenntnisse aus aktuellen Prognosegutachten, die im Vollzug eingeholt wurden etc. als „neue Tatsachen" diskutiert. 228
104
dd) Dem Gericht, das über die nachträgliche Anordnung zu entscheiden hat, fällt die schwierige Aufgabe zu, festzustellen, was früher erkennbar war und was erst nachträglich erkennbar geworden ist. Es muss dies auch im Urteil darlegen, um eine revisionsgerichtliche Überprüfung zu ermöglichen. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher aufgestellten Kriterien sind dabei nur bedingt hilfreich. Sie sind sehr einzelfallbezogen; aus ihnen lässt sich nicht durchweg eine einheitliche Linie erkennen (Therapieabbruch möglicherweise dann eine neue Tatsache, wenn Ausdruck grundsätzlicher Haltungsänderung; wider Erwarten fehlgeschlagene Therapie keine neue Tatsache - warum hier nicht, wenn dem Fehlschlag ebenfalls eine grundsätzliche Haltungsänderung zu Grunde liegt?).
105
c) Maßgeblicher Zeitraum für das Erkennbarwerden: Tatsachen im Sinne von § 66b Abs. 1 S. 1 StGB sind nur solche, die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzuges der damals verhängten Freiheitsstrafe erkennbar geworden sind; 2 2 9 ohne Bedeutung ist der Zeitpunkt, zu dem sie aufgetreten sind. 2 3 0
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BVerfG N J W 2 0 0 6 3483, 3 4 8 5 f m. zust. Anm. Zschieschack/Rau J R 2 0 0 6 477, 4 7 9 ; ebenso auch: Zschieschack/Rau J Z 2 0 0 6 895, 899. Ullenbrucb NStZ 2 0 0 7 62, 65; kritisch auch: Rosenau/Peters J Z 2 0 0 7 5 8 4 , 5 8 6 f. Foth NStZ 2 0 0 7 89, 90. Vgl. BGH NStZ-RR 2 0 0 6 3 0 2 ; Hörnle StV 2 0 0 6 188, 190.
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Folkers NStZ 2 0 0 6 4 2 6 , 4 2 9 ; vgl. auch Fischer Rdn. 17 ff. BGH NStZ 2 0 0 6 276, 2 7 7 ; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 5 106, 107; OLG Frankfurt Beschl. vom 15. 11.2004 - 3 Ws 1303/04. BGHSt 5 0 180, 187 f; BGH NJW 2 0 0 6 384, 385; OLG Rostock StV 2 0 0 5 279, 281 f.
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Dass die Tatsachen in dem relevanten Zeitraum nicht neu entstanden zu sein brauchen, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes sowie auch aus dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BTDrucks. 15/2887 S. 12). 231 Es reicht aus, wenn sie in diesem Zeitraum erstmals bekannt werden. 107
Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht erforderlich, dass die neuen Tatsachen gerade „während" des Vollzugs der Freiheitsstrafe aus der Anlassverurteilung erkennbar werden. Das bedeutet, dass Tatsachen solange berücksichtigt werden können, solange die verhängte Freiheitsstrafe noch nicht vollständig vollstreckt ist. Daraus folgt, dass auch Tatsachen berücksichtigt werden können, die während einer Vollstreckungsunterbrechung (z.B. §§ 455a, 456a StPO), der Unterbrechung zum Zwecke des Vollzugs einer anderen Freiheitsstrafe etc. erkennbar wurden. Dies stellen auch die Materialien (in Teilbereichen) klar. Darin wird deutlich gemacht, dass es auf das absolute Ende des Vollzuges ankommt, also z.B. Tatsachen, die in einer Zeit erkennbar wurden, in der der Verurteilte sich aufgrund einer Reststrafenaussetzung in Freiheit befand, berücksichtigt werden können, wenn die Strafaussetzung später widerrufen und die Strafe weiter verbüßt wurde. 2 3 2 Dadurch soll vermieden werden, dass die Anwendbarkeit der Maßregel von Zufälligkeiten der Vollstreckungsreihenfolge abhängt. 2 3 3 Ganz lässt sich das freilich nicht vermeiden: Der berücksichtigungsfähige Zeitraum ist länger, wenn die Strafvollstreckung aus der Anlassverurteilung unterbrochen wird - z.B. zur Vollstreckung anderer Freiheitsstrafen.
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Tatsachen, die erst nach Vollzugsende (also vollständiger Vollstreckung der Freiheitsstrafe) erkennbar werden, können nicht mehr in ihrer Funktion als „neue Tatsachen", wohl aber noch als Indiz im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose berücksichtigt werden. 2 3 4 Das ist z.B. der Fall, wenn der Verurteilte während der - nach Ende der Strafhaft durchgeführten - Exploration durch den Sachverständigen bisher nicht entdeckte Straftaten einräumt (räumt er sie früher ein, kommen sie als neue Tatsachen in Betracht). 235 Wird ein psychiatrisches Gutachten erst nach Ende der Strafhaft vorgelegt, so ist zu differenzieren: Ist eine darin festgestellte Befundtatsache (z.B. „frontal betonter Hirnsubstanzdefekt", s.o. Rdn. 103) vor Haftende nicht erkennbar gewesen und nicht erkannt worden, so ist sie als neue Tatsache untauglich. 2 3 6 Stützt sich eine psychiatrische Bewertung indes auf Anknüpfungstatsachen, die im maßgeblichen Zeitraum erkennbar geworden sind, so ist es unschädlich, wenn das Gutachten selbst erst nach Haftende vorgelegt wird. 2 3 7
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Wann das „Ende des Vollzugs" eingetreten ist, wenn der Verurteilte aufgrund einer Anrechnung einer Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt (§ 43 Abs. 9 StVollzG) vorzeitig entlassen wird (es besteht hier die Möglichkeit, dass eine neue Tatsache gerade zwischen Entlassung und berechnetem Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe erkennbar wird), ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Im Sinne der Schutzintention des § 66b spricht aber einiges dafür, zwischen „Ende des Vollzugs" (berechnetem Strafende) und vorzeitiger Entlassung (welche allein Anstaltssache ist) zu differenzieren. So wird in der Rechtsprechung auch in anderen Bereichen eine vorzeitige Entlassung nach § 43
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Ebenso OLG Frankfurt Beschl. vom 15.11.2004 - 3 Ws 1303/04; Ullenbruch MK Rdn. 72. BTDrucks. 15/2887 S. 12; BTDrucks. 15/3446 S. 17; BGH NStZ 2007 30. Vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 106, 108.
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BGHSt 50 284, 298; Fischer Rdn. 24. BGHSt 50 284, 298. BGH NStZ-RR 2006 303. Mißverständlich: Zschieschack/Rau JZ 2006 895, 897.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
StVollzG als vollstreckungsrechtlich unbedeutsam angesehen. 2 3 8 Der tatsächliche Entlassungszeitpunkt dürfte für § 6 6 b daher unerheblich sein. Den Beginn des Zeitraums umschreibt das Gesetz mit „nach einer Verurteilung". Abzustellen ist insoweit auf den Zeitpunkt der letzten Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Gemeint ist dabei die Tatsacheninstanz des Ausgangsverfahrens. Bis zu diesem Zeitpunkt auftretende Umstände können noch in dem Ausgangsverfahren berücksichtigt werden. Sie sind daher nicht i.S.v. § 6 6 b nach einer Verurteilung erkennbar geworden. 2 3 9
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Bei mehreren Verurteilungen ist nach Ansicht des B G H nicht stets die letzte Tatsachenentscheidung bei der Anlassverurteilung entscheidend, sondern die letzte Tatsachenentscheidung, in der die primäre Anordnung von Sicherungsverwahrung hätte erfolgen können. 2 4 0 Gemeint ist der (insbesondere bei § 6 6 b Abs. 2 relevant werdende) Fall, dass nach der Verurteilung, die für § 6 6 b herangezogen werden soll, weitere Verurteilungen erfolgt sind, bei denen die Voraussetzungen für die Maßregelanordnung nach § 66 vorgelegen haben, die Sicherungsverwahrung aber nicht verhängt wurde. Das ist zutreffend, wenn es sich jeweils um Katalogtaten i.S.v. § 6 6 b Abs. 1 handelt. Außen vor bleiben müssen hingegen solche Aburteilungen, bei denen lediglich wegen der Gefahr schwerer wirtschaftlicher Schäden eine Maßregelanordnung in Betracht gekommen wäre, weil diese für § 6 6 b keine Rolle spielen (vgl. Rdn. 142).
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Die neue Tatsache muss nicht erst nach Rechtskraft der letzten Entscheidung in der Tatsacheninstanz erkennbar geworden sein: 2 4 1 Ein Abstellen auf die Rechtskraft kommt deshalb nicht in Betracht, weil neue Tatsachen die zwischen Urteilserlass und Rechtskraft des Urteils entstanden sind, sonst nicht fassbar wären. Das würde dem vom Gesetz verfolgten umfassenden Schutzzweck zuwiderlaufen. 2 4 2
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d) Qualität der Tatsachen: Für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung reichen nicht irgendwelche Tatsachen aus, sondern diese müssen eine bestimmte Qualität aufweisen. Sie müssen nämlich auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen. 2 4 3 Wann die erforderliche Qualität erreicht ist, bedarf der Auslegung. Insoweit dürfte noch Einigkeit bestehen: Die neue Tatsache muss nicht für sich allein genommen bereits die hohe Wahrscheinlichkeit begründen, dass der Verurteilte neue Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Es ist erforderlich aber auch ausreichend - das ergibt sich aus der Differenzierung im Gesetzeswortlaut - , wenn die neue Tatsache auf eine „erhebliche Gefährlichkeit" des Verurteilten hindeutet, wobei aber die neue Tatsache „schon für sich Gewicht h a b e n " muss. 2 4 4 Die „hohe Wahrscheinlichkeit" im oben genannten Sinne muss sich dann erst in einem zweiten Schritt (der Gefährlichkeitsprognose) aus einer Gesamtwürdigung der neuen Tatsache(n), der Person des Verurteilten, seinen Taten und seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergeben. Der Gesetzgeber wollte „monokausale Erklärungsmuster" vermeiden (BTDrucks. 15/2887 S. 12).
113
238 239 240
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242
Vgl. KG NStZ 2004 228. Frommel NKrimP 2004 86; 88. BGHSt 50 373, 379; ebenso OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 106, 107; aA (offenbar) OLG Brandenburg NStZ 2005 272, 275. OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 106, 107; aA OLG Koblenz NStZ 2005 97, 98. BTDrucks. 15/2887 S. 12.
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Die vom Gesetzgeber in den Materialien angeführten Beispielsfälle (dazu oben Rdn. 88) sind nicht automatisch erheblich, er wollte sie lediglich nicht von vornherein als unerheblich ausschließen, vgl.: BTDrucks. 15/2887 S. 12. BGH Urt. v. 23.3.2006 - 1 StR 476/05; BGH Beschl. v. 24.3.2006 - 1 StR 27/06.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Das BVerfG verlangt einen „empirisch belastbareren Zusammenhang zwischen den im Vollzug erkennbar gewordenen Tatsachen und einer durch sie zu Tage getretenen erheblichen Gefährlichkeit". 2 4 5
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Im Übrigen ist str., wann die erforderliche Qualität der Tatsache i.S.v. § 66b Abs. 1 vorliegt. Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der die „erhebliche Gefährlichkeit" begründenden neuen Tatsache(n) lediglich die Überschreitung einer „gewissen Erheblichkeitsschwelle" für erforderlich erachtet (BTDrucks. 15/2887 S. 12; Lackner/Kühl Rdn. 4) eine Formulierung, die wenig hilfsreich ist.
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Der B G H legt den Begriff „im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips" aus. Danach müssen die neuen Tatsachen im Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen der durch § 66b geschützten Rechtsgüter Gewicht haben. Er verlangt, dass die neue Tatsache auf eine Bereitschaft des Verurteilten zur Begehung schwerer Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer hindeuten muss. 2 4 6
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Einzelfälle: In folgenden Fällen hat der BGH die Erheblichkeit verneint: Vollzugsübliches, unbedeutendes Fehlverhalten oder Ungehorsam (z.B. Verweigerung eines Alkoholtests in emotional aufgeladener Situation) oder Begehung neuer Straftaten, die lediglich mit einer Geldstrafe geahndet wurden 2 4 7 : Es zeigt sich die Tendenz, an das Vollzugsverhalten als neue Tatsachen strenge Anforderungen hinsichtlich ihrer Erheblichkeit zu stellen. So soll es einer „nicht völlig unverständliche Reaktion" bzw. eine Auffälligkeit, die ihre Ursache überwiegend in den besonderen Bedingungen des Vollzugs hat, eher an der erforderlichen Erheblichkeit mangeln. 2 4 8 Ferner ist bei im Vollzug geäußerten Drohungen seitens des Gerichts darzulegen, inwieweit eine Realisierungsgefahr besteht. Zweifel am Realisierungswillen können darin begründet sein, dass der Verurteilte Chancen zur Verwirklichung seiner Drohung während des Vollzuges nicht genutzt hat. 2 4 9 Droht der Verurteilte während des Vollzuges immer wieder neue Gewalttaten an, so ist vor diesem Hintergrund eingehend zu würdigen, warum es nicht bereits zu einer Umsetzung dieser Drohungen während der Strafhaft gekommen ist. 2 5 0 Verbalaggressive Angriffe während des Vollzuges sind vor allem auch vor dem Hintergrund der Anlasstat zu würdigen. 2 5 1 Die zweimalige Begehung einer Betäubungsmittelstraftat, die zu einer Verurteilung zu kurzzeitigen Freiheitsstrafen geführt haben, wenn diese Verstöße keine Gewalt- oder Sexualtaten gefördert haben, ist kein erheblicher Umstand; 2 5 2 Zertrümmern eines Toilettendeckels sowie eigener Gegenstände und heftiges Schlagen mit den Händen gegen eine Wand oder Toilettentüre aus Wut. 2 5 3 einvernehmliche homosexuelle Handlungen; 2 5 4 fehlende Offenheit bzgl. der kriminellen Karriere gegenüber der Verlobten ebenfalls nicht. 2 5 5
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In folgenden Fällen wurde die Erheblichkeit bejaht: Bei einem Hirnsubstanzdefekt, der zu weiterer Herabsetzung der Impulskontrolle geführt hat und die Gefahr impuls-
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BVerfG NJW 2006 3483, 3485 f. BGHSt SO 284, 296 f; BGH StV 2007 29 f; NStZ-RR 2006 170, 172. BGHSt SO 284, 298; BGH NJW 2006 384, 385. BGHSt 50 284, 297 f; BGHSt 50 373, 383. Vgl. BGH NStZ-RR 2007 370, 371; BGH Urt. v. 19.1.2006 - 4 StR 393/05; BGH Beschl. v. 3.2.2006 - 2 StR 598/05.
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250 251 252
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BGH StraFo 2007 120, 121 f. BGH NStZ-RR 2006 170,172. BGH Urt. v. 11.7.2006 - 5 StR 125/06 (= BGH-NStZ-RR 2006 303 LS); vgl. auch BGH StV 2007 29. BGH StV 2006 63. BGH StV 2007 29. BGH StV 2007 29.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
hafter Aggressionshandlungen birgt; 256 Ausbruch einer Psychose mit paranoiden Wahnideen, welche in bestimmten Situationen zu affektiven Entgleisungen und Fremdaggression führt; 257 Therapieunwilligkeit (sofern tatsächlich neue Tatsache, s.o. Rdn. 107), wenn die Suchtmittelabhängigkeit mitursächlich für die Begehung der Anlasstaten war.258 Im Übrigen können Körperverletzungshandlungen gegen Mitgefangene oder JVA-Bedienstete (selbstverständlich dann auch noch schwerere Delikte) die erforderliche Erheblichkeit ebenso aufweisen,259 wie die Ankündigung (realisierbarer) schwerer Straftaten i.S.v. § 66b. 2 6 0 Hinsichtlich der Anforderungen an die Erheblichkeit neuer Tatsachen ist dem BGH grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings sollte das Gewicht stärker auf die Frage gelegt werden, ob ein bestimmtes Verhalten auf die Bereitschaft zur Begehung schwerster Straftaten hindeutet, und weniger abstellen auf die Frage, welcher Schweregrad der fraglichen Tatsache selbst zukommt (also diese deswegen geringer gewichtet, weil es sich um eine nur mit Geldstrafe geahndete neue Tat handelt). Schließlich geht es bei § 66b um die Frage, ob die weitere Freiheitsentziehung zur Abwendung zukünftiger Gefahren erforderlich ist und nicht darum, wie ein begangener Verstoß sanktioniert wird. Denn das aktuelle Gewicht kann durchaus gering sein (z.B. weil es bei einer Körperverletzung aufgrund glücklicher Umstände nur bei leichten Verletzungen oder gar nur beim Versuch geblieben ist; bloße verbal-aggressive Angriffe; Gewalt gegen Sachen, weil gerade keine Person Mithäftling oder JVA-Bediensteter - zum Abreagieren in der Nähe war); der neue Umstand kann aber trotzdem auf eine erhebliche Gefährlichkeit hindeuten.261 Da vom Gesetz noch nicht einmal die Begehung einer Straftat vorausgesetzt wird, sondern nur das Vorliegen von „neuen Tatsachen" (vgl. den Gesetzeswortlaut), kann man auch nicht zwingend nur bei schweren Straftaten die Erheblichkeitsschwelle als überschritten ansehen.262 Eine andere Auslegung hätte in Verbindung mit der Rechtsprechung, dass grundsätzlich bei neuen Straftaten die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 einer nachträglichen Anordnung nach § 66b vorgeht, wenn die neue Tatsache in einer Straftat i.S.v. § 66 besteht (vgl. dazu Rdn. 181), ein weitgehendes Leerlaufen des § 66b zur Folge. Denn entweder würde die nachträgliche Anordnung an der fehlende Schwere der neuen Straftat oder aber - bei neuen Strafteten mit gewisser Schwere - am Vorrang des § 66 scheitern. Auch der Gesetzgeber hat durchaus weniger gewichtige Begebenheiten als „Tatsache" ausreichen lassen wollen. Er nennt als Beispiele auch die bloße Ankündigung neuer Straftaten bzw. den Kontakt zu einem gewaltbereiten Milieu verstand (s. o. Rdn. 88). Maßgeblich ist also, ob die neue Tatsache deswegen die Erheblichkeitsschwelle überschreitet, weil die Gefährlichkeit auf die sie hindeutet, die Erheblichkeitsschwelle überschreiten kann (auch wenn die Gefährlichkeit nicht allein aufgrund der neuen Tatsache beruhen muss). 263
119
Dementsprechend sind auch andere Umstände, wie z.B. ein Drogenkonsum während der Haftzeit nicht per se erheblich oder unerheblich. Handelte es sich um ein singuläres
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261
BGHSt 5 0 275, 2 7 7 ; vgl. auch BGH Urt. v. 23.3.2006 - 1 StR 4 7 6 / 0 5 . BGH Beschl. v. 2 4 . 3 . 2 0 0 6 - 1 StR 2 7 / 0 6 . BGHSt 5 0 275, 2 8 0 . BGHSt 5 0 2 8 4 , 2 9 7 f; BGH StV 2 0 0 6 689, 690. OLG Brandenburg NStZ 2 0 0 5 561; OLG Jena StV 2 0 0 6 71. BGH NJW 2 0 0 6 1 4 4 6 , 1 4 4 8 ; ebenso wohl auch Folkers NStZ 2 0 0 6 4 2 6 , 4 2 9 , die aller-
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dings an anderer Stelle (S. 4 3 0 ) wiederum pauschal bestimmte Verhaltensweisen (Sachbeschädigungen etc.) als nicht erheblich ansieht. Demgegenüber fordert Ullenbruch (NJW 2 0 0 6 1377, 1381) - offenbar de lege lata(!) den völligen Ausschluss von Straftaten im Vollzug von der Tauglichkeit als neue Tatsache. Vgl. Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 198.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Ereignis, so wird man hieraus kaum ein Indiz für eine erhebliche Gefährlichkeit ableiten können. War der Konsum Ausfluss einer Drogensucht, ist dies möglicherweise anders zu bewerten (Gefahr schwerer Straftaten zur Finanzierung der Drogensucht?). 121
Von einigen OLG wird weitergehend gefordert, dass die neuen Tatsachen das Rückfallrisiko in neuem Licht erscheinen lassen müssen. 2 6 4 Das sei dann der Fall, wenn sich die Gefährlichkeit des Täters infolge der neuen Tatsachen deutlich erhöht habe. 2 6 5 Man wird aber wohl eine Erhöhung der Gefährlichkeit aufgrund der nachträglich erkennbar gewordenen Tatsache (im Vergleich zur Gefährlichkeit bei der Anlassverurteilung) nicht verlangen können. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es nicht auf einen Vergleich der Gefährlichkeit bei Anlassverurteilung und nachträglicher Anordnung an. Es wird lediglich eine „hohe Wahrscheinlichkeit" erheblicher Straftaten ohne einen solchen relativen Bezugspunkt vorausgesetzt. Auch aus den Materialien ergibt sich für diese Forderung nichts, sondern es wird (in absoluten Maßstäben) nur von der Überschreitung einer gewissen Erheblichkeitsschwelle gesprochen (vgl. oben). Eine derartige Einschränkung ist auch im Hinblick auf den vom Gesetzgeber verfolgten Schutzzweck nicht angezeigt. So sind Fälle denkbar, in denen die hohe Wahrscheinlichkeit für neue erhebliche Straftaten bereits bei Anlassverurteilung vorhanden war, dort möglicherweise gar fehlerhaft eine Maßregel nach § 66 StGB nicht angeordnet wurde. Dennoch kann - ohne dass sich dies als nachträgliche Korrektur der Anlassverurteilung darstellt - eine nachträgliche Maßregelanordnung notwendig sein, wenn sich bei gleich hoher Wahrscheinlichkeit die Grundlagen der Gefährlichkeitsprognose verschoben haben. Es würde dem Zweck des Gesetzes zuwiderlaufen, wollte man in diesen Fällen eine nachträgliche Anordnung nicht zulassen (OLG Brandenburg NStZ 2 0 0 5 2 7 2 , 275). Schließlich dürfte es im Einzelfall (insbesondere bei einem Bündel von rückfallauslösenden Faktoren) schwierig sein festzustellen, inwieweit eine Tatsache tatsächlich das Rückfallrisiko erhöht. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht lässt sich auch aus der Entscheidung des BVerfG NJW 2 0 0 6 3483, 3 4 8 4 nicht die Voraussetzung einer „im Vergleich zum Zeitpunkt der Ausgangsverurteilung gesteigerten Gefährlichkeit", welche die neue Tatsache indizieren soll, herauslesen. 266 Das BVerfG formuliert vielmehr: „Dies setzt zwar nicht eine gegenüber dem Zeitpunkt der Verurteilung objektiv gesteigerte Gefährlichkeit voraus (...), jedoch eine nach Überzeugung des über die Anordnung befindenden Gerichts gesteigerte Gefährlichkeit". Das lässt sich nur so verstehen, dass der Täter nicht relativ gefährlicher sein muss als bei der Anlassverurteilung, sondern bei der Entscheidung nach § 66b lediglich ein gesteigerter Gefährlichkeitsgrad (zu unterscheiden von dem normalen Gefährlichkeitsgrad, der z.B. für § 66 erforderlich ist) vorliegen muss. 2 6 7 Ansonsten käme man zu dem nicht nachvollziehbaren Ergebnis, dass gerade die Täter, die bereits bei Aburteilung der Anlasstat höchstgefährlich waren, von S 66b nicht erfasst würden. 2 6 8
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Die Rechtsprechung verlangt zudem, dass die neuen Tatsachen (nicht nur die Gefährlichkeitsprognose, welche zweifelsohne einen symptomatischen Zusammenhang mit den Anlasstaten aufweisen muss, s. unten Rdn. 150) in einem „prognoserelevanten sympto-
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OLG Frankfurt Beschl. vom 10.1.2005 3 Ws 1303/04; OLG München NStZ 2 0 0 5 573. OLG Koblenz NStZ-RR 2 0 0 5 97, 99; OLG Rostock StV 2 0 0 5 1279, 281; ThürOLG StV 2 0 0 6 71, 72; möglicherweise auch: BGH NJW 2 0 0 6 384, 385 („erhöht damit die bereits bei der Anlasstat hervorgetretene
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Gefahr"); vgl. auch Brettel StV 2 0 0 6 64, 65; Streng StV 2 0 0 6 92, 94. So aber Ullenbruch NStZ 2 0 0 7 62, 65. Ebenso in der Interpretation des BVerfG: Rosenau/Peters J Z 2 0 0 7 584, 585, die das allerdings kritisch kommentieren. Das sieht auch Ullenbruch NStZ 2 0 0 7 62, 65; i.E. ebenso Ziegler BeckOKStGB Rdn. 9.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
matischen Zusammenhang mit der Anlassverurteilung" stehen müssen, weil die nachträgliche Maßregelanordnung ihre sachliche Rechtfertigung aus der Anlasstat beziehe. 269 Diese zusätzliche Voraussetzung schließt eine nachträgliche Maßregelanordnung in den Fällen aus, in denen zwar neue Tatsachen vorliegen, diese aber eine Gefährlichkeit des Täters aus anderen Gründen, als bei der Anlasstat hervorgetreten, belegen. Hier steht eine genauere Abgrenzung noch aus. Soll diese zusätzliche Voraussetzung etwa bedeuten, dass die nachträgliche Maßregelanordnung ausscheidet, wenn sich die Anlassverurteilung auf ein Sexualdelikt bezieht, sich der Verurteilte während des Vollzuges aber lediglich in sonstigen Bereichen als höchst gewalttätig veranlagt erweist? Wäre eine nachträgliche Maßregelanordnung möglich, wenn zwar Grundlage der Anlassverurteilung die Vergewaltigung einer Erwachsenen war, jetzt aber Tatsachen, die eine Pädophilie belegen, erkennbar geworden sind? Bei der weiteren Entwicklung ist darauf zu achten, dass durch die Aufstellung dieser Voraussetzung § 66b nicht noch weiter ausgehöhlt wird. Denn wenn nur eine symptomatische Gefährlichkeit relevant ist, so werden Tatsachen, die aus der Zeit vor der Verurteilung stammen, häufig i.S.d. § 2 4 4 Abs. 2 StPO erkennbar gewesen und deshalb nicht für die nachträgliche Maßregelanordnung herangezogen werden können, während nicht symptomatische Tatsachen ohnehin von vorneherein ausscheiden. Es blieben dann (entgegen der Vorstellung des Gesetzgebers) nur symptomatische Tatsachen, die tatsächlich erst nach der Anlassverurteilung entstanden sind. e) Verzicht auf neue Tatsachen in Altfällen (§ 66b Abs. 1 S. 2): Für bestimmte Altfälle verzichtet Absatz 1 S. 2 (eingefügt durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht pp. vom 13.4.2007) auf nachträglich erkennbar gewordene Tatsachen. Genauer gesagt: Es wird nicht auf das Vorliegen gefährlichkeitsindizierender Tatsachen verzichtet, sondern nur auf deren nachträgliches Erkennbarwerden.
123
aa) Die Regelung hat folgenden Hintergrund: Vor Schaffung von Absatz 1 Satz 2 gab es eine Diskussion, ob auch (ausschließlich) eine geänderte Rechtslage als „neue Tatsache" ausreicht. 270 Die Formulierung von der geänderten Rechtslage als neuer Tatsache ist missverständlich, weil sie das Problem verkürzt. Es geht letztendlich nicht darum, eine geänderte Rechtslage für sich genommen als gefährlichkeitsrelevante Tatsache im Sinne des § 66b zu werten, sondern darum, ob dann, wenn in bestimmten Altfällen nach Aburteilung der (letzten) Anlasstat keine neuen gefährlichkeitsindizierenden Tatsachen mehr bekannt geworden sind, auch solche Umstände ausreichen, die bereits zu diesem früheren Zeitpunkt bekannt oder erkennbar waren. In bestimmten Altfällen hätte nämlich das Tatgericht, selbst wenn es gewollt hätte, keine Sicherungsverwahrung (nach § 66) anordnen können, weil die Rechtsgrundlage damals (anders als heute) hierfür fehlte.
124
Folgende Altfälle sind relevant: 271
125
- Beitrittsgebiet bis zum 31.7.1995: Der Einigungsvertrag sah eine weitgehende Nichtgeltung der Vorschriften über die Sicherungsverwahrung im Beitrittsgebiet vor.
269
BGH NJW 2007 1074,1075 f; BGH NStZ
2006 276, 277. 270
Vgl. Veh NStZ 2005 307, 310 mit bejahender Tendenz; ihm folgend auch: Markwardt FS Strafrechtsausschuss der BRAK S. 223, 226 f; Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 254 ff.
271
Vgl. BTDrucks. 16/4740 S. 49 f; Kinzig Stellungnahme für die Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages am 19.3.2007 (abrufbar über die Internetseite des Bundestages).
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Sicherungsverwahrung konnte hier nur gegen Täter verhängt werden, die die Verurteilung auslösende Tat in den alten Ländern begangen haben oder dort ihre Lebensgrundlage hatten (Art. l a EGStGB i.d.F. des Gesetzes vom 23.9.1990, BGBl. II S. 885, 954). - Beitrittsgebiet ab dem 1.8.1995 bis zum 29.7.2004 (Art. l a EGStGB i.d.F. des Gesetzes vom 16.6.1995, BGBl. I S. 160 und späteren Fassungen): § 6 6 wurde auf das Beitrittsgebiet erstreckt, allerdings musste wenigstens eine der dort begangenen Anlasstaten nach dem 1.8.1995 verübt worden sein. - § 66 Abs. 3 - Fälle vom 31.8.1998 bis zum 29.7.2004 (Art. l a Abs. 2 EGStGB i.d.F. des Gesetzes vom 26.1.1998, BGBl. I S. 160): Die Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 konnte in dem angegebenen Zeitraum nur dann angeordnet werden, wenn wenigstens eine Anlasstat nach dem 31.1.1998 begangen wurde. 126
Eine Parallelregelung für Heranwachsende hat der Gesetzgeber in S 106 Abs. 5 J G G für die Fälle geschaffen, in denen gegen Heranwachsende die Sicherungsverwahrung nicht vorbehalten werden konnte, weil alle Anlasstaten vor dem 1.4.2004 begangen worden sind. 2 7 2
127
In diesen Fällen konnte es passieren, dass der Täter zwar an sich sämtliche Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erfüllt hatte, diese aber wegen der Regelungen in Art. l a EGStGB nicht gegen ihn angeordnet werden konnte (sei es, dass er die Taten sämtlich im Beitrittsgebiet begangen hat und dort auch seinen Lebensschwerpunkt hatte, sei es, dass er sämtliche Anlasstaten nach § 66 Abs. 3 vor dessen Inkrafttreten begangen hatte.
128
bb) In der Literatur wurde eine Anwendung des § 66b Abs. 1 auf solche Altfälle auch vor der Schaffung von Absatz 1 S. 2 vereinzelt bejaht. Zur Begründung beruft diese Meinung sich u.a. auf einen Abschnitt der Gesetzesbegründung, wonach § 66b für die Fälle geschaffen worden sei, in denen „zum Urteilszeitpunkt aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen Sicherungsverwahrung nicht angeordnet oder ihre Anordnung nicht vorbehalten wurde" (BTDrucks. 15/2887 S. 10, vgl. auch S. 2 ) . 2 7 3 Den Wortlaut interpretiert sie so, dass es darauf ankomme, ob eine Tatsache bereits damals in ihrer Relevanz für die Gefährlichkeitsprognose erkennbar war oder nicht, wenn bei Aburteilung der Anlasstat mangels Vorliegen einer entsprechenden Rechtsgrundlage Gefährlichkeitstatsachen gar nicht näher geprüft wurden. 2 7 4
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cc) Waren alle für die Maßregelanordnung relevanten Tatsachen bereits seinerzeit bekannt und sind seitdem keine neuen mehr aufgetreten, so hatte es der B G H hingegen abgelehnt, in solchen Fällen eine nachträgliche Anordnung nach § 66b Abs. 1 vorzunehmen. § 66b diene nicht dazu, frühere (rechtsfehlerhafte) Entscheidungen über die Nichtanordnung der Maßregel zu korrigieren. Dann könne erst Recht keine seinerzeitige rechtmäßige Nichtanordnung über § 66b korrigiert werden. 2 7 5 In diesen Fällen schied nach dem o.g. Maßstab für die „neuen Tatsachen" die nachträgliche Maßregelanordnung mangels nachträglichem Erkenn bar werden von Gefährlichkeitstatsachen aus. Der BGH nahm dies als aus dem Tatsachenbegriff abzuleitende Konsequenz und als Folge seiner Rechtsprechung, dass § 66b nicht der Korrektur früherer Entscheidungen diene, hin. 2 7 6 Zwingend war das allerdings nur in den Fällen, in denen das frühere Tatgericht
272
273
Art. l a Abs. 3 EGStGB i.d.F. des Gesetzes vom 27.12.2003, BGBl. I S. 3 0 0 7 ; BTDrucks. 16/4740 S. 58. Veh NStZ 2 0 0 5 307, 309.
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Veh NStZ 2 0 0 5 307, 309. BGH StV 2 0 0 7 2 9 f; BGH NJW 2 0 0 6 3154. BGH StV 2 0 0 7 29, 30.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§
66b
die Tatsachen positiv gekannt hat. Hat es sie nicht gekannt, so wird man im Hinblick auf den vom BGH aufgestellten Maßstab des Erkennenkönnens (§ 2 4 4 Abs. 2 StPO) sagen können, dass für das Gericht solche Tatsachen, die es - wenn auch aus Rechtsgründen nicht nach § 2 4 4 Abs. 2 StPO aufklären musste, eben auch nicht erkennbar waren. Folgerichtig betrafen die entsprechenden BGH-Entscheidungen 2 7 7 nur Fälle, in denen dem Tatgericht die Gefährlichkeitstatsachen bereits positiv bekannt waren, nicht aber solche, in denen es diese lediglich hätte erkennen können. dd) Durch Absatz 1 S. 2 wollte der Gesetzgeber jetzt „klarstellen", dass „bei der EntScheidung über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung als ,neu' auch solche Tatsachen berücksichtigt werden können, die das Tatgericht aus rechtlichen Gründen bei seiner Entscheidung nicht verwerten durfte". 2 7 8 Nur dann, wenn bereits früher die Sicherungsverwahrung hätte angeordnet werden können, darf § 66b nach wie vor nicht zu einer Korrektur früherer Entscheidungen führen. 2 7 9 Das stellt in den „echten" Altfällen einen völligen Verzicht auf nachträglich erkennbar gewordene Tatsachen dar. Es geht - jedenfalls in den Fällen der bereits früheren Kenntnis des Tatgerichts von allen maßregelrelevanten Umständen - nicht mehr darum, eine Sanktion an bestimmte Anlasstaten und nachträglich bekannt gewordene, gefährlichkeitsrelevante Umstände zu knüpfen, sondern allein darum, früher bereits bekannte und abschließend bewertete Umstände nach der jetzigen Rechtslage neu zu bewerten und daran die Sanktion zu knüpfen. Das ist im Hinblick auf das allgemeine Rückwirkungsverbot bedenklich (s.o. Rdn. 32 f f ) 2 8 0 und könnte sich für das verfolgte Schutzziel letztendlich sogar kontraproduktiv auswirken. Die Neuregelung wirf zudem neue Auslegungsprobleme auf: Gleichzeitig mit Schaffung von Absatz 1 S. 2 wurde in Absatz 2 der Verweis auf „Tatsachen der in Absatz 1 Satz 1 genannten Art" eingeführt. Man könnt daher jetzt meinen, dass § 66b Abs. 2, der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedenfalls auf Altfälle anwendbar war (vgl. oben Rdn. 73), nun nicht mehr auf Altfälle anwendbar ist (denn die nach Vorstellung des Gesetzgebers hierfür relevanten Tatsachen des Absatz 1 S. 2 sind von dem Verweis gerade nicht umfasst). 2 8 1 Das dürfte vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein, so dass man wohl sagen muss, dass § 66b Abs. 2 auch zukünftig in dem Umfang, der bisher von der Rechtsprechung anerkannt ist, auf Altfälle anwendbar bleibt (also dann nicht, wenn alle gefährlichkeitsrelevanten Tatsachen bereits früher vorlagen und dem Tatgericht bekannt waren, aber wohl in dem Fall, in dem die Tatsachen dem Tatgericht nicht bekannt waren und dieses sie auch unter Anwendung des Maßstabes des S 2 4 4 Abs. 2 StPO nicht aufklären musste).
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Der Wortlaut des Absatz 1 S. 2 erfasst zudem nicht nur die dargestellten Altfälle. Unter ihn lassen sich auch andere Fälle, in denen das Gericht aus rechtlichen Gründen gehindert war, die Sicherungsverwahrung nach § 66 bereits anfänglich anzuordnen, subsumieren. Man könnte nämlich durchaus fragen, ob vom Wortlaut nicht auch die frühere Ablehnung normativer Voraussetzungen, wie Hang oder Gefährlichkeitsprognose, als
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277
278 279 280
Vgl. BGHSt 5 0 2 8 4 ff; B G H StV 2 0 0 7 2 9 ff; N J W 2 0 0 6 3 1 5 4 ; wohl auch B G H N S t Z 2006 276. BTDrucks. 1 6 / 4 7 4 0 S. 5 0 . BTDrucks. 1 6 / 4 7 4 0 S. 5 0 . Peglau N J W 2 0 0 7 1 5 5 8 , 1 6 6 2 ; a A Veh Stellungnahme für die Anhörung des
Rechtsausschusses des Bundestages a m 1 9 . 3 . 2 0 0 7 S. 2 (abrufbar über die Internetseite des Bundestages). 281
Auf diese Friktion hat Veh in der Stellungnahme für die Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages am 1 9 . 3 . 2 0 0 7 S. 6 zu Recht hingewiesen.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
„rechtlicher Grund" erfasst wird, 282 oder ob nicht auch dann, wenn die Gefährlichkeitsfeststellung seinerzeit an einem Beweisverbot scheiterte, solche rechtlichen Hinderungsgründe vorliegen. 283 Im Rechtsausschuss wurden sogar Alternativvorschläge zur Erfassung der Altfälle in Art. l a EGStGB bzw. zu einer enumerati ven Aufzählung der gemeinten Altfälle in § 66b Abs. 1 StGB eingebracht, um zu verhindern, dass über die Altfälle hinaus nun auf neue Tatsachen verzichtet wird. 284 Dass dem nicht gefolgt wurde, könnte ebenfalls darauf hindeuten, dass eine breiter angelegte Regelung beabsichtigt war. Dagegen spricht aber, dass von der Mehrheit im Rechtsausschuss offenbar andere „rechtliche Gründe" als die für die Altfälle relevanten nur als „akademisch" und nicht praxisrelevant angesehen wurden. 285 Ein Anwendungsbereich über die Altfälle hinaus würde eindeutig über das vom Gesetzgeber Gewollte (s.o.) hinausgehen. Absatz 1 S. 2 wird man deshalb allein auf die Altfallproblematik beziehen dürfen und nicht auch sonstige Rechtsgründe, die eine frühere Anordnung der Sicherungsverwahrung unmöglich machten, heranziehen können. 286 132
3. Gefährlichkeitsprognose. Die „Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Vollzuges" muss ergeben, „dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
133
a) Gesamtwürdigung: Es kann hinsichtlich der Art und Weise der Vornahme der Gesamtwürdigung zunächst auf die entsprechende Kommentierung zu § 66 Abs. 1 Nr. 3 (vgl. § 66 Rdn. 213 ff) verwiesen werden. Das gilt auch für Gegenstände der Würdigung in persönlicher („Täter" bei § 66 Abs. 1 Nr. 3; „Verurteilter" bei § 66b Abs. 1) wie sachlicher („Taten") Hinsicht.
134
Im Rahmen der Gesamtwürdigung sind demnach auch die Umstände, die bereits bei der Anlassverurteilung festgestellt wurden, zu berücksichtigen, aber auch solche Umstände, die erst nachträglich erkennbar geworden sind. Anders als § 66 Abs. 1 Nr. 3 verlangen § 66b Abs. 1 und Abs. 2 ausdrücklich die ergänzende Berücksichtigung der Entwicklung des Verurteilten im Strafvollzug. Außerdem ist die Einbeziehung der nachträglich erkennbar gewordenen Tatsachen in die Gesamtwürdigung erforderlich. Das folgt schon daraus, dass diese Tatsachen überhaupt erst den Weg zu einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung ermöglichen. Eine Einbeziehung dieser Tatsachen ist auch deswegen erforderlich, weil die nachträgliche Maßregelanordnung nur dann ein geeignetes Mittel zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern ist, wenn deren Gefährlichkeit mit größtmöglicher Sicherheit vorausgesagt werden kann, was eine breite Prognosebasis erfordert. 287 Dies ist eine verfassungsrechtliche Vorgabe. 288 Nicht erforderlich ist hingegen, dass die nachträglich erkennbar gewordenen Tatsachen allein die Gefährlichkeitsprognose begründen (vgl. oben Rdn. 119). Wie bei § 66 Abs. 1 Nr. 3 sind auch hier „monokausale Erklärungsmuster" fehl am Platze. 289
282 Ygj Kinzig Stellungnahme für die Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages am 1 9 . 3 . 2 0 0 7 S. 3. 283 vgl. Renzikowski Stellungnahme für die Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages am 1 9 . 3 . 2 0 0 7 S. 2 - auch zu weiteren denkbaren Konstellationen (abrufbar über die Internetseite des Bundestages).
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Peglau NJW 2007 1558, 1562. Vgl. BTDrucks. 15/2887 S. 12 f; Ullenbruch M K Rdn. 89. Vgl. BVerfGE 1 0 9 190, 2 4 0 .
BGHSt 50 121, 125 f; Poseck NJW 2004 2559, 2560.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
Die ggf. eingeschränkte Aussagekraft von Vollzugsverhalten (dazu § 66a Rdn. 57) ist zu berücksichtigen. Das Gesetz selbst will dem keine überzogene Bedeutung beimessen, so dass es lediglich „ergänzend" zu berücksichtigen ist. 2 9 0 Ob - das spielt vornehmlich bei § 66b Abs. 2 eine Rolle, der bei einer Erstverurteilung zur Anwendung kommen kann - die Prognosebasis hinreichend breit ist (insbesondere wenn nur wenige oder gar keine Vorverurteilungen vorliegen), ist eine Frage des Einzelfalls. Hier muss die Prognosesicherheit eingehend hinterfragt werden. 291 Da aber eine Gesamtschau aller Faktoren erforderlich ist, wird man nicht generell ausschließen können, dass aufgrund des Zusammentreffens der Anlasstat mit weiteren Faktoren aus dem Lebenslauf des Verurteilten sowie seinem Vollzugsverhalten die Prognosebasis hinreichend breit ist. 2 9 2 Insbesondere darf nicht verkannt werden, dass § 66b Abs. 2 nur eine Erstverurteiltenregelung enthält, nicht aber eine Regelung für Straftäter, die nur eine einzige Straftat begangen haben. Einer mindestens fünfjährigen Gesamtfreiheitsstrafe können aber durchaus aussagekräftige Tatserien zugrundeliegen. 293
135
b) Hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung erheblicher Straftaten: Anders als bei § 66 Abs. 1 Nr. 3 reicht bei § 66b Abs. 1 die Gefahr schwerer wirtschaftlicher Schäden nicht aus. Der Gesetzeswortlaut beschränkt sich ausdrücklich und ausschließlich auf schwere seelische und körperliche Schäden. Es handelt sich hier, anders als bei § 66 Abs. 1 Nr. 3 auch nicht um eine bloße Aufzählung von Regelbeispielen zur Konkretisierung des Merkmals „erhebliche Straftaten", denn es fehlt die Formulierung „namentlich". Das bedeutet, dass die zu erwartenden Straftaten erheblich sein müssen, gerade weil durch sie die Opfer seelisch und körperlich schwer geschädigt werden. Hinsichtlich der Frage, wann schwere seelische und körperliche Schäden anzunehmen sind, kann auf die Kommentierung zu § 66 (dort Rdn. 185 ff) verwiesen werden. Für eine Einschränkung auf lebensgefährliche physische und sehr lang anhaltende psychische Störungen traumatischer Art gibt es keinen Anlass. 294
136
Anders als bei § 66 Abs. 1 Nr. 3 reicht auch nicht die (einfache) Gefährlichkeit für die Allgemeinheit aus. Im Rahmen des § 66 wird darunter verstanden, dass entsprechende Straftaten zu erwarten sind (dazu § 66 Rdn. 203). Ebenso verhält es sich bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgrund eines Vorbehalts nach § 66a Abs. 2. Hier ist hingegen die hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung entsprechender Straftaten gefordert. 295 Keinesfalls reicht bereits das Fehlen einer „positiven Prognose". 2 9 6
137
Die Formulierung hebt sich deutlich von derjenigen in §§ 66 und 66a ab. Was allerdings genau darunter zu verstehen ist, wird auch in den Gesetzgebungsmaterialien offen gelassen. Es wird lediglich auf einen gegenüber § 66a noch einmal gesteigerten Wahrscheinlichkeitsgrad verwiesen sowie darauf, dass „Wahrscheinlichkeit" nicht im empirischen Sinne zu verstehen sei, sonders das Ergebnis einer wertenden Abwägung. 297 Nach der Entscheidung des BVerfG zu den StrUBG der Länder sind Unsicherheiten, die sich naturgemäß bei einer Prognoseentscheidung immer ergeben, hinzunehmen. 298 Dement-
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290
291 292
BTDrucks. 15/2887 S. 13; Sch/Schröderi Stree Rdn. 1; zur Kritik an der prognostischen Relevanz von Vollzugsverhalten und Therapieverweigerung vgl. Fischer Rdn. 30 ff; Streng StV 2 0 0 6 92, 93. Vgl. Hörnle StV 2 0 0 6 383, 387. Zweifelnd: Kinzig NStZ 2 0 0 4 655, 659; Ullenbruch MK Rdn. 123.
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294 295 296 297 298
Das verkennt offenbar Kinzig NStZ 2 0 0 4 655, 659. AA Böllinger/Pollähne N K 2 Rdn. 13. Krit.: Fischer Rdn. 37. BGH StV 2 0 0 6 689, 690. BTDrucks. 15/2887 S. 13. BVerfGE 109 190, 2 4 0 .
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
sprechend wird man eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nicht verlangen können. Damit ist aber der Bereich in Frage kommender Wahrscheinlichkeitsgrade nur sehr grob abgesteckt (mehr als bloßes „Erwarten", weniger als eine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit"). 2 9 9 139
Anleihen an das Polizeirecht scheinen kaum möglich, da dort andere Begrifflichkeiten vorherrschend sind. Sie beinhalten, wie z.B. die Merkmale „dringende Gefahr" oder „gegenwärtige Gefahr", neben einer erhöhten Wahrscheinlichkeit auch eine zeitliche Komponente. 3 0 0 Gerade letztere kann aber bei § 66b wegen der z.T. noch länger zu vollstreckenden Strafhaft kaum eine Rolle spielen.
140
Man wird wohl die Formulierung dahingehend verstehen müssen, dass ein Rückfall deutlich wahrscheinlicher sein muss als eine Legalbewährung (dass also weitaus mehr oder weitaus gewichtigere Umstände dafür sprechen, dass der Verurteilte auch in Zukunft schwerste Straftaten begehen wird, als dafür, dass er dies nicht tun wird). 3 0 1 Der BGH hat jedenfalls ein generelles deliktstypspezifisches, über 50 % liegendes Rückfallrisiko für sich allein nicht ausreichen lassen. 3 0 2 Ob es angesichts des erhöhten Wahrscheinlichkeitsmaßstabes ausreicht, dass die konkrete Rückfallgefahr lediglich wahrscheinlicher ist, als der Nichtrückfall (also mehr als 50 % Rückfallgefahr), erscheint ebenfalls zweifelhaft.
141
Das BVerfG verlangt eine gegenwärtige erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit. Das bloße Überwiegen der Umstände, die auf eine künftige Delinquenz hindeuten, reicht nicht. 3 0 3 Im Hinblick darauf ist zu berücksichtigen, dass eine bereits länger zurückliegende „neue Tatsache" in ihrem Indizcharakter für die Gefährlichkeit abnehmen kann, wenn seitdem über mehrere Jahre kein erhebliches prognoserelevantes Fehlverhalten mehr bei dem Verurteilten beobachtet wurde. Hier bedarf es einer besonderen Darlegung, warum das Gericht trotz des langen Zurückliegens prognoserelevanten Fehlverhaltens immer noch eine „gegenwärtige erhebliche Gefährlichkeit" bejaht. 3 0 4
142
Die Gefährlichkeit muss für die Allgemeinheit bestehen. Insoweit gilt nichts anderes als bei S 66 (vgl. dort Rdn. 210).
143
Maßgeblicher Prognosezeitpunkt ist der der Urteilsfällung im Verfahren nach § 275a StPO. 3 0 5 Das versteht sich von selbst, denn auf einen späteren Zeitpunkt wird es wegen der nur noch geringen Zeiten von zu verbüßender Strafhaft ohnehin nicht ankommen können (anders als bei § 66, wo theoretisch auch der Entlassungszeitpunkt als Prognosebezugspunkt in Betracht kommt). Außerdem wird vor Antritt der Sicherungsverwahrung die Erforderlichkeit ihrer Vollstreckung ohnehin noch einmal nach § 67c geprüft.
144
c) Symptomatischer Zusammenhang: Wie bei § 66 und bei S 66a StGB muss auch hier ein symptomatischer Zusammenhang zwischen den Anlasstaten und relevanten Vorverurteilungen und der Gefährlichkeitsprognose bestehen (dies ist eine andere Frage, als die oben behandelte, ob ein symptomatischer Zusammenhang zwischen Anlasstat und neuer Tatsache bestehen muss). 3 0 6 Auf die Ausführungen zu diesem Zusammenhang
AA Böllinger/Poltähne N K 2 Rdn. 14 (an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit). 300 v g l . Denninger in: Lisken/Denninger Handbuch des Polizeirechts3 S. 2 2 0 f; Schenke Polizei- und Ordnungsrecht 2 S. 38. 3 0 1 OLG Brandenburg NStZ 2 0 0 5 272, 275. 3 0 2 BGHSt 50 121, 131.
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BVerfG N J W 2 0 0 6 3483, 3485; krit. dazu Fischer Rdn. 39; vgl. jetzt auch: BGH Urt. v. 1 1 . 1 0 . 2 0 0 7 - 4 StR 246/07. Vgl. BGH StV 2 0 0 6 689, 690. Ebenso: Ullenbruch MK Rdn. 82. Vgl. BGH N J W 2 0 0 6 384, 385; ebenso: Ullenbruch MK Rdn. 97.
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Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
bzw. den zwischen Anlasstaten bzw. Vorverurteilungen und dem Hang im Rahmen des § 66 (dort Rdn. 75, 218) kann hier verwiesen werden. 4. Hang? Umstritten ist, ob es zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 der Feststellung eines Hangs i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 3 bedarf. Die Frage hat hier, anders als im Rahmen des § 66a (vgl. dort Rdn. 39) eher theoretische Bedeutung, da auch die Befürworter eines Hangerfordernisses einräumen, dass es regelmäßig - wenn auch nicht immer - die gleichen Umstände sind, die ein Gericht den Hang bzw. die Gefährlichkeit bejahen lassen (vgl. § 66 Rdn. 136). Andere meinen sogar, dass der Hang „nahezu zirkelschlüssig - nicht mehr bedeutet, als eine vor allem aus der bisherigen kriminellen Karriere des Täters hergeleiten Prognose weiterer krimineller Auffälligkeit", so dass die für die Sicherungsverwahrung erforderlich hohe Rückfallgefahr lediglich doppelt angesprochen werde (Streng StV 2 0 0 6 92, 96). Das Meinungsspektrum reicht von einer generellen Verneinung der Hangvoraussetzung für § 66b, 3 0 7 über die vermittelnde Ansicht des BVerfG 3 0 8 (Abs. 1 Hang erforderlich; Abs. 2 kein Hang erforderlich) bis hin zur ganz h.M. (und jedenfalls vom 1. und 5. Strafsenat des BGH vertretenen) Ansicht, 309 dass § 66b Abs. 1 und Abs. 2 einen Hang voraussetzen.
145
a) Hang erforderlich: Diejenigen, die die Erforderlichkeit eines Hangs für S 66b insgesamt bejahen, meinen, dass ein Entfallen dieser Voraussetzung zum Wegfall des Zusammenhangs mit dem materiellen Strafrecht führen, gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen 310 und zu einer Lösung vom Schuldprinzip (man beachte, dass man sich hier im Maßregelrecht befindet!) lösen führen würde. 311 Auch unter Rückwirkungsgesichtspunkten könne es nicht zweierlei Arten von Sicherungsverwahrung geben. 312 Ferner sei eine Hangvoraussetzung auch durch die Vorgaben des BVerfG in seiner Entscheidung zu den StrUBG bedingt. 313
146
aa) Wichtigstes Argument der Befürworter ist jedoch der Wortlaut des § 66b Abs. 1 a.E. Dort wird ganz allgemein auf die „übrigen Voraussetzungen des § 6 6 " verwiesen, also auch auf die Hangvoraussetzung in § 66 Abs. 1 Nr. 3. 3 1 4 Weiter wird argumentiert, dass kein sachlicher Grund ersichtlich sei, warum die Anforderungen an § 66b StGB niedriger sein sollten als bei § 66 oder 66a StGB. 315 Teilweise wird gesehen, dass der Gesetzgeber klar keine Hangvoraussetzung wollte; man hält diese aber aufgrund der o.g. Aspekte für unvermeidlich und sieht insoweit einen gesetzgeberischen Klarstellungsbedarf. 316 Die Rechtsprechung hält hier gegen den Willen des Gesetzgebers (dazu unten)
147
Lackner/Kühl Rdn. 8; Passek GA 2 0 0 5 96, 112. 3 0 8 BVerfG NJW 2 0 0 6 3 4 8 3 , 3485. 309 v g i. dazu näher die Nachweise bei Rdn. 153 f. 3 1 0 OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 5 106, 108; Ullenbruch MK Rdn. 95 311 Zschieschack/Rau JR 2 0 0 6 9, 13. 312 Rosenau FS Venzlaff S. 2 8 6 , 305. 313 Milde Die Entwicklung der Normen zur Sicherungsverwahrung S. 2 6 2 . 3 1 4 BGHSt 5 0 121, 132 (obiter dictum: „grundsätzlich nicht entbehrlich"); OLG 307
315
316
Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 5 106, 108; Schönke/Schröder/Stree Rdn. 1; Ullenbruch MK Rdn. 95; Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 199; Römer JR 2 0 0 6 5, 6; Rosenau FS Venzlaff S. 2 8 6 , 315; Streng StV 2 0 0 6 92, 95; Zschieschack/Rau J R 2 0 0 6 9, 13. Renzikowski NStZ 2 0 0 6 2 8 0 , 2 8 2 ; Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 199; Zschieschack/Rau J R 2 0 0 6 9, 13; dies. JA 2 0 0 6 798, 7 9 9 f. Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 263.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
unter Berufung auf den Wortlaut als Hauptargument zunächst für § 66b Abs. 1 die Feststellung eines Hangs für erforderlich. 317 148
bb) Bei § 66b Abs. 2 hat sich der BGH die Voraussetzung eines Hanges mühsamer erarbeitet. In einer Entscheidung des 4. Strafsenats wurden zunächst - wenn auch verhalten - Zweifel am Hangerfordernis geäußert, da es hier keine Verweisung auf § 66 gibt (das bei § 66b Abs. 1 nach BGH-Ansicht wesentliche Wortlautargument hier also gar nicht greift). 318 Der 5. Strafsenat hat sich dann auch hinsichtlich des Absatzes 2 zum Hangerfordernis bekannt, weil es nicht plausibel sei, wenn Absatz 1 und 2 sich in diesem Punkt unterschieden und weil der Verzicht auf den Hang als Voraussetzung des § 66b StGB im Hinblick auf § 67d Abs. 3 StGB systemwidrig sei. 3 1 9 In § 67d Abs. 3 ist geregelt, dass das Gericht die Maßregel für erledigt erklärt, wenn „nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, . . . " , was eine Hangprüfung im Vollstreckungsverfahren voraussetzt. Der 5. Strafsenat hält es allerdings für erwägenswert, bei Absatz 2 auf das Kriterium eines „eingeschliffenen Verhaltensmusters" zu verzichten, 320 was allerdings die Aufgabe eines wesentlichen Bestandteils der Hangdefinition bedeuten würde (dazu § 66 Rdn. 118 ff) und die Frage aufwirft, was dann noch vom Hang übrig bleibt. Demgegenüber verlangt der 1. Strafsenat dezidiert das Vorliegen eines Hangs auch bei § 66b Abs. 2, hier u.a. da das für § 66b Abs. 1 hauptsächlich streitende Wortlautargument nicht greift - bemerkenswerter Weise unter Hinweis auf die Materialien (die aber ja gerade generell zu § 66b deutlich machen, dass der Hang keine Anordnungsvoraussetzung sein sollte BTDrucks. 15/2887 S. 13), wonach „die unterschiedliche Anknüpfung sich in erster Linie auf die formellen Eingangvoraussetzungen der Maßregel beziehen soll". Außerdem bedürfe es des Hangs, um eine Abgrenzung zu einer ansonsten de facto möglichen, im Gesetz aber nicht vorgesehenen nachträglichen Unterbringung nach § 63 zu finden, da nachträglich aufgetretene psychische Erkrankungen an sich erst einmal durchaus unter den Wortlaut § 66b fallen können, die Vorschrift aber in erster Linie dem Schutz vor nicht-kranken Rechtsbrechern diene. 321
149
Das BVerfG ist hingegen (bei einfachrechtlicher Auslegung im Hinblick auf Wortlaut des § 66b Abs. 2 und Willen des Gesetzgebers) der Ansicht, dass für § 66b Abs. 2 kein Hang erforderlich ist und hält dies unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten grundsätzlich für nicht zu beanstanden. Lediglich im Einzelfall könne die Feststellung eines Hanges unter diesen Gesichtspunkt geboten sein, wenn andere Basistatsachen nicht die erforderliche Sicherheit für die Gefährlichkeitsprognose zulassen. 322
317
318 319
BVerfG NJW 2 0 0 6 3483, 3 4 8 5 ; BGHSt 50 121, 132; incident auch: BGH NJW 2 0 0 6 1446,1447. BGH N J W 2 0 0 6 1446, 1447. BGHSt 5 0 373, 381 f (mit der Einschränkung, dass zu erwägen wäre, bei Ersttätern auf das Merkmal eines „eingeschliffenen Verhaltensmusters" zu verzichten); vgl. schon: BGHSt 5 0 188, 193 f; (zu § 66a); Vllenbruch MK Rdn. 115; Braum ZRP 2 0 0 4 105, 106; Schreiber/Rosenau in: Ventzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung S. 53, 100; Streng StV 2 0 0 6 92, 96;
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320
321 322
Zschieschack/Rau JR 2 0 0 6 9, 13; Vllenbruch NJW 2 0 0 6 1377, 1383. BGHSt 50 373, 3 8 0 ; krit. dazu Ullenbruch NJW 2 0 0 6 1377, 1383. BGH NJW 2 0 0 7 1074, 1077. BVerfG NJW 2 0 0 6 3 4 8 3 , 3 4 8 5 mit insoweit abl. Anm. Zschieschack/Rau J R 2 0 0 6 478, 4 7 9 und insoweit zustimmender Anm. Milde HRRS 2 0 0 6 380, 381; diese Auslegung ist für die Fachgerichte allerdings, wie BGH NJW 2 0 0 7 1074, 1076 zutreffend anmerkt, nicht bindend, wenn diese selbst dem Freiheitsgrundrecht des gefährlichen
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§
66b
b) Hang nicht erforderlich:* Während bei § 66b Abs. 1 der Wortlaut bei rein formaier Betrachtungsweise auch auf § 6 6 Abs. 1 Nr. 3, und damit auf die Hangvoraussetzung, verweist, fehlt bei Absatz 2 ein solcher Verweis, so dass der Wortlaut - da auch sonst im Gesetzestext nicht von einem „Hang" die Rede ist - gegen eine Hangvoraussetzung jedenfalls bei Absatz 2 spricht. 323 Der Verweis in Absatz 1 auf die „übrigen Voraussetzungen des § 6 6 " ist auch keineswegs so klar (oder gar „schlagend" 3 2 4 ), wie dies von den Befürwortern der Hangvoraussetzung behauptet wird. Der Verweis ist überdies bei rein formaler Betrachtungsweise nicht eindeutig (z.B.: Müssen die „übrigen Voraussetzungen des § 6 6 " etwa kumulativ vorliegen?).
150
Die Gesetzesmaterialien geben ein anderes Bild (also weder bei Absatz 1 noch bei Absatz 2 ein Hang erforderlich): Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist die Feststellung eines Hanges entbehrlich, weil dieser unter den künstlichen, da stark kontrollierenden und reglementierenden Bedingungen des Strafvollzuges ohnehin kaum richtig feststellbar sei (BTDrucks. 15/2887 S. 13). 3 2 5 Insoweit kann für § 66b nichts anderes als für § 66a gelten, der (nach der hier vertretenen Auffassung) aus den gleichen Gründen darauf verzichtet, dass - jedenfalls bei der nachträglichen Anordnung nach § 66a Abs. 2 - noch neben der Rückfallgefahr ein Hang zu prüfen ist (vgl. BTDrucks. 14/8586 S. 7). 3 2 6 Betrachtet man die Gesetzesmaterialien, auf die der 1. Strafsenat zur vermeintlichen Begründung der Hangvoraussetzung bei § 66b Abs. 2 verweist (s.o.), vollständig, wird man seinem Schluss bezüglich der historischen Auslegung nicht folgen können. Denn im Absatz vor dem vom 1. Strafsenat angeführten Zitat aus den Gesetzesmaterialien (die unterschiedliche Anknüpfung in Absatz 2 beziehe sich in erster Linie auf die formellen Voraussetzungen), wird ausgeführt, dass nach der gesetzgeberischen Intention bei § 66b Abs. 1 auf das Hangerfordernis gerade verzichtet werden soll. Wenn dann weiter ausgeführt ist, dass Absatz 2 sich von Absatz 1 in erster Linie in den formellen Voraussetzungen unterscheide (also im Übrigen - d.h. hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen - gleich ist), so kann auch die historische Interpretation nur ergeben, dass für Absatz 2 kein Hang erforderlich ist.
151
Auch die Systematik spricht eher gegen eine Hangvoraussetzung. Der Vergleich von § 66b Abs. 2 mit § 66b Abs. 1 zeigt, dass die gesonderte Prüfung eines Hanges nicht vorausgesetzt wird. § 66b Abs. 2 setzt die gleiche Gefahrenprognose voraus, wie § 66b Abs. 1 StGB. Hinzukommen muss die formelle Voraussetzung einer mindestens fünfjährigen Freiheitsstrafe. Diese formelle Voraussetzung enthält Abs. 1 nicht. An ihre Stelle tritt vielmehr der Verweis auf § 66, der deswegen - und vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Vorstellungen - im Sinne eines Verweises (bloß) auf die formellen Voraussetzungen zu verstehen ist. Also kann man den Verweis auf S 66 in § 66b Abs. 1 auch bloß als Verweis bezüglich der formellen Voraussetzungen des § 66 ansehen.
152
Anders als z.T. behauptet, 327 werden die Anforderungen an die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung durch einen Verzicht auf das Hangerfordernis nicht
153
*
323
Straftäter durch das Aufstellen eines Hangerfordernisses einen noch größeren Schutz einräumen, als das BVerfG selbst.
324
Rosenau
325
Die Verfasser sind in der Hangfrage entgegengesetzter Auffassung. Die Ausführungen Rdn. 1 5 7 bis Rdn. 161 geben nur die Ansicht des Mitautors Peglau wieder.
326
Ebenso Lackner/Kühl Rdn. 8; Kinzig N S t Z 2 0 0 4 6 5 5 , 657. Ebenso: Passek GA 2 0 0 5 9 6 , 1 0 2 u. 1 0 4 .
Lackner/Kühl Rdn. 10; BeckOKStGB Rdn. 2 0 .
Ziegler
327
FS Venzlaff S. 2 8 6 , 315.
Ullenbruch M K Rdn. 115, der deswegen in „verfassungskonformer Auslegung" die Hangprüfung sowohl bei § 6 6 b Abs. 1, als auch nach Abs. 2 verlangt.
R u t h Rissing-van S a a n / J e n s Peglau
563
§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
niedriger als an die anfängliche Anordnung. Das beruht auf der weitgehenden Kongruenz der Kriterien, die zur Ermittlung von Hang und Gefährlichkeit herangezogen werden (vgl. § 66 Rdn. 135 ff) und darauf, dass bei § 66b schon ein viel höherer Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt und die schutzwürdigen Rechtsgüter stark eingeschränkt sind im Vergleich zu § 66. 154
Da letztendlich nur die Wortlautauslegung für die Hangvoraussetzung spricht - und das auch nur bei § 66b Abs. 1 - , dürfte entscheidend sein, inwieweit bei präventiven Maßregeln der mögliche Wortsinn die äußerste Grenze der Auslegung (BVerfGE 71 108, 114) markiert. Das BVerfG hat die Garantien des Art. 103 Abs. 2 GG, aus der die o.g. Grenze hergeleitet wird, aber ausdrücklich nicht auf die Maßregeln der Besserung und Sicherung bezogen (BVerfGE 109 133, 167), so dass eine vorrangig an den Gesetzesmaterialien orientierte Interpretation der Vorschrift, abweichend vom Gesetzeswortlaut aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig erscheint.
155
c) Der Praxis ist freilich, mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtssprechung nicht zu empfehlen, auf eine Hangprüfung zu verzichten. Das gilt auch, wenn das BVerfG meint, eine Hangfeststellung sei bei § 66b Abs. 2 nicht erforderlich, da die Maßstäbe jedenfalls des 5. Strafsenats des BGH insoweit (verfassungsrechtlich naturgemäß nicht zu beanstanden) strenger sind. Schädlich ist das Verlangen nach einer Hangprüfung (anders als im Zusammenhang des § 66a, vgl. dort Rdn. 39) ohnehin nicht und der zusätzliche Mehraufwand hält sich, da Hang und Gefährlichkeitsprüfung immer oder nach der Rechtsprechung regelmäßig gleichlaufend sind, in Grenzen.
156
5. Verhältnismäßigkeit. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ebenso wie bei § 66 zu beachten. Es kann auf die Ausführungen dort (Rdn. 223) verwiesen werden. Zur Frage, inwieweit polizeiliche Maßnahmen eine fehlende nachträgliche Sicherungsverwahrung ausgleichen können vgl. Keller/Maser Kriminalistik 2005 114.
VII. Voraussetzungen des § 66b Abs. 3 157
1. Allgemeines. Anders als bei den Absätzen 1 und 2 geht es in Abs. 3 um Straftäter, gegen die die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden war, die Maßregel aber für erledigt erklärt worden ist (Abs. 3 gilt hingegen nicht für die Maßregel nach § 64). 3 2 8 Das heißt allerdings nicht, dass die Absätze 1 und 2 bei dieser Personengruppe unanwendbar wären. Ist die Maßregel nach § 63 für erledigt erklärt worden, aber die Vollstreckung einer daneben angeordneten Freiheitsstrafe noch nicht beendet (vgl. § 67), so ist auch denkbar, dass die Voraussetzungen der ersten beiden Absätze erfüllt sind. § 66b Abs. 3 hat dann keine Ausschlusswirkung (BTDrucks. 15/2887 S. 14). Der Gesetzgeber hatte für § 66b Abs. 3 in erster Linie die Fälle im Auge, in denen hochgefährliche Straftäter aufgrund einer Erledigungserklärung ansonsten in Freiheit entlassen werden müssten (BTDrucks. 15/2887 S. 13). Hier wird erstmals von dem Grundsatz des § 67a, nach dem von einer anderen Maßregel nicht in die Sicherungsverwahrung überwiesen werden kann, abgewichen. 329 Der Regelung wird ein nur geringer Anwendungsbereich vorausgesagt, da es nur wenige Erledigungserklärungen beim
328
Ullenbruch
329
Dessecker
564
M K Rdn. 126.
Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit
Kriminalrechtliche Maßregeln,
S. 37, 4 9 ; Kinzig N S t Z 2 0 0 4 6 5 5 , 659.
R u t h Rissing-van Saan/Jens Peglau
Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gebe und diese zumeist aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit erfolgten. 3 3 0 Auch bei § 66b Abs. 3 sind formelle und materielle Voraussetzungen zu unterscheiden. Bei den formellen Voraussetzungen ist zwischen einer Regelung für „Erstverurteilte" (§ 66b Abs. 3 Nr. 1 1. Alt.) und der für „Vorverurteilte" zu differenzieren. „Neue Tatsachen" sind hier - anders als bei den ersten beiden Absätzen des § 66b nicht erforderlich. 3 3 1
158
Nicht zu Unrecht wird darauf hin gewiesen, dass § 67d Abs. 6 und § 66b Abs. 3 noch nicht ganz aufeinander abgestimmt sind. So ist eine Unterbringung nach § 67d Abs. 2 die Vollstreckung einer Maßregel lediglich zur Bewährung auszusetzen (und nicht nach § 67d Abs. 6 für erledigt zu erklären), wenn sich der Zustand des Verurteilten i.S.d. §§ 20, 21 lediglich graduell - möglicherweise soweit, dass die Schwelle dieser Vorschriften nicht mehr erreicht wird - verbessert hat (hier könnte § 66b Abs. 3 mangels Erledigungserklärung nicht angewendet werden). Ist der Zustand hingegen völlig entfallen, so wäre die Erledigung nach § 67d Abs. 6 auszusprechen - mit der Folge einer möglichen Anwendung des § 66b Abs. 3 . 3 3 2
159
2. Formelle Voraussetzungen a) Anordnung einer Unterbringung nach § 63: Ein früheres Tatgericht muss die Unterbringung nach § 63 angeordnet haben. Der Wortlaut differenziert nicht danach, ob allein die Unterbringung angeordnet wurde (bei § 20) oder aber die Unterbringung neben einer Freiheitsstrafe verhängt wurde (bei § 21). Der Gesetzgeber dachte zwar primär an die erste Variante, hielt aber auch Fälle der zweiten Variante für möglich, nämlich insbesondere dann, wenn aufgrund einer Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge (§ 67 Abs. 1 und 2) der Untergebrachte nach der Erledigungserklärung aus der Maßregel in Freiheit zu entlassen wäre (BTDrucks. 15/2887 S. 14).
160
b) Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6: Die Maßregel nach § 63 muss nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden sein. Es dürfte wohl erforderlich sein, dass die Erledigungserklärung unanfechtbar ist. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass bei der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung später die Voraussetzung der Erledigung im Beschwerdeverfahren (vgl. §§ 4 7 3 Abs. 5; 4 6 2 Abs. 3 StPO) wieder entfällt.
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Als Grund für die Erledigungserklärung kommt für § 66b Abs. 3 nur in Betracht, dass der die Schuldfähigkeit ausschließende oder erheblich vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht mehr bestand. 3 3 3 Andere nach § 67d Abs. 6 mögliche Erledigungsgründe (Unverhältnismäßigkeit) sind hier irrelevant. 334 Auf die materiellrechtliche Richtigkeit der Erledigungserklärung kommt es nicht an. 3 3 5 Nach dem Wortlaut ist allein entscheidend, dass die Maßregel für erledigt erklärt wurde, nicht aber was der Grund hierfür war (anfängliches Nichtbestehen der Unterbringungsvoraussetzungen, nachträglicher Wegfall, Fehleinweisung? vgl. § 67d Rdn. 4 9 ff). Fraglich ist allerdings, ob das Gericht, welches über § 66b Abs. 3 entscheidet, einen Zustand i.S.v. § 2 0 bejahen und von der Maßregelanordnung absehen kann, wenn die StVK gerade die Erledigungserklärung im Hinblick auf das
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330
331
Dessecker Kriminalrechtliche Maßregeln, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 37, 49. Zschieschack/Rau JA 2 0 0 6 797, 798.
332 333 334 335
Koller R & P 2 0 0 7 57, 67. Ullenbruch MK Rdn. 127. Koller FS Venzlaff S. 229, 261. Fischer Rdn. 14.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
565
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Fehlen dieses Zustandes ausgesprochen hat. 3 3 6 Dafür könnte sprechen, dass ansonsten der Verurteilte in der falschen Maßregel (nämlich Sicherungsverwahrung statt psychiatrischem Krankenhaus) untergebracht würde. Dem Wortlaut ist das freilich nicht zu entnehmen (dieser verlangt nur, dass die Erledigungserklärung wegen des Fehlen dieses Zustandes erfolgt ist) und es würde wohl auch dem Schutzweck der Norm widersprechen, weil dann der Verurteilte, der jedenfalls gefährlich ist (entweder i.S.v. § 63 oder i.S.v. § 66b Abs. 3 Nr. 2) in Freiheit gelangen würde. Der Unterbringung in der „falschen Maßregel" kann durch eine (ggf. nachträgliche) Entscheidung nach § 67a entgegengetreten werden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es auch für die Anwendbarkeit von Absatz 3 nicht darauf an, ob der Verurteilte nach der Erledigungserklärung noch eine Restfreiheitsstrafe zu verbüßen hat. In den Materialien heißt es allerdings zu diesen Fällen, dass „zunächst kein Bedürfnis" für eine Anordnung nach Absatz 3 bestünde, weil ggf. vor Ende des Vollzugs der (Rest-)Freiheitsstrafe nach S 66b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB entschieden werden könne (BTDrucks. 15/2887 S. 14; vgl. auch BTDrucks. 15/2945 S. 3) unter Berufung auf die Materialien lehnt der BGH daher die Anwendung des § 66b Abs. 3 wegen des Vorrangs der Absätze 2 und 3 ab (BGH Urt. v. 28.8.2007 - 1 StR 268/07). 163
c) Anlasstaten bei „Erstverurteilten": Die Taten wegen derer die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden war, müssen solche des Kataloges aus § 66 Abs. 3 S. 1 (vgl. dazu § 66 Rdn. 95) sein. Es muss sich um mehrere Taten handeln. Eine einzelne reicht nicht. Auf eine bestimmte Strafhöhe kann es naturgemäß hier nicht ankommen, da im Falle des § 20 überhaupt keine Strafe, sondern nur die Unterbringung ausgesprochen wird (BTDrucks. 15/2887 S. 14).
164
d) „Vorverurteiltenregelung": Bei § 66b Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. ist erforderlich, dass der Verurteilte vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat mindestens eine frühere Tat nach § 66 Abs. 3 S. 1 („solcher Taten", vgl. dazu § 66 Rdn. 95) begangen hat, wegen der er entweder (aa) zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder (bb) in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war. Hinsichtlich der Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe kann auf die Ausführungen zu S 66b Abs. 2 (oben Rdn. 81) verwiesen werden. 337 Der Gesetzeswortlaut knüpft hingegen keine besonderen Voraussetzungen an die Tat, wegen der die für erledigt erklärte Unterbringung angeordnet wurde.
165
Fraglich ist, ob die Freiheitsstrafe aus der Vorverurteilung und die Unterbringung bzw. die allein angeordnete Unterbringung auch (ganz oder teilweise) vor der Verurteilung wegen der Anlasstat vollzogen worden sein müssen. Ullenbruch (MK § 66b Rdn. 131) meint, dass die bloße Anordnung der Unterbringung in Verbindung mit Strafvollzug ausreichend (aber offenbar auch erforderlich) sei. Das ist zweifelhaft. Hinsichtlich der früheren Freiheitsstrafe ist der Wortlaut eindeutig. Es genügt, wenn eine entsprechende Verurteilung vorlag, von Vollzug der Freiheitsstrafe ist im Gesetz nichts ausgesagt. Auch die Materialien geben dafür nichts her. Hinsichtlich einer früheren Unterbringung ist der Wortlaut hingegen wohl dahin zu verstehen, dass eine Unterbringung stattgefunden haben muss („untergebracht worden war"). 3 3 8 Die Dauer der früheren Unterbringung ist unerheblich.
336 337
338
So Fischer Rdn. 14. Vgl. auch: OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 5 140. AA Kinzig NStZ 2 0 0 4 655, 6 5 9 (Vorvollzug
566
nicht erforderlich); wie hier (offenbar): Poseck NJW 2 0 0 4 2 5 5 9 , 2 5 6 0 („verurteilt oder untergebracht wurde").
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§
66b
3. Materielle Voraussetzungen. Hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen kann auf die Ausführungen zu § 66b Abs. 1 und 2 (vgl. oben Rdn. 86 ff) verwiesen werden. Sie sind im wesentlichen deckungsgleich.339 Nur kommt es hier im Rahmen der Gesamtwürdigung auf die ergänzende Berücksichtigung der Entwicklung des Verurteilten während des Vollzuges der Maßregel an. Außerdem ist das Vorliegen von „neue Tatsachen" im Sinne von Absatz 1 oder 2 keine Anordnungsvoraussetzung. Sie wird durch die Erledigung der Maßregel nach § 63 ersetzt.340
166
Da allerdings - anders als bei voll schuldfähigen Tätern - die formellen Voraussetzungen mangels durchgehender Anbindung an bestimmte Strafhöhen nur eine eingeschränkte Filterwirkung haben, verlangt der Gesetzgeber, dass die Gesamtwürdigung „prognoserelevante Umstände von insgesamt einem derartigen Gewicht ergeben (muss), wie es den Anforderungen an Taten und Strafmaße entspricht, die das Gesetz an die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen voll schuldfähige Verurteilte stellt" (BTDrucks. 15/2887 S. 14). Es ist also ein Vergleich insofern anzustellen, ob bei einem voll schuldfähiger Täter die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung vorlagen.
167
Vili. Anwendung auf Heranwachsende 1. Allgemeines. Für Heranwachsende, die nach allgemeinem Strafrecht abgeurteilt worden sind, enthält § 106 Abs. 5 JGG gegenüber § 66b Abs. 2 eine Spezialregelung. § 105 Abs. 6 JGG ist die Spezialregelung, die dem § 66b Abs. 3 entspricht. § 105 Abs. 5 und 6 JGG enthalten eine abschließende Sonderregelung für Heranwachsende, die nach allgemeinem Strafrecht abgeurteilt wurden. Ein Rückgriff auf § 66b (insbesondere dessen Abs. 1) ist nicht möglich (vgl.: BTDrucks. 15/2887 S. 19).
168
Die Regelung wird kritisiert, weil es bei Heranwachsenden - allein aufgrund des kürzeren bisherigen Lebenswegs - noch größere Prognoseschwierigkeiten gibt, als bei älteren Straftätern.341 Sie wird teilweise wegen UnVerhältnismäßigkeit für verfassungswidrig erachtet. 342 Andererseits gibt es auch unter den jüngeren Straftätern solche, die hochgefährlich sind. Die Einbeziehung auch dieser in den Adressatenkreis der nachträglichen Sicherungsverwahrung ist daher konsequent (vgl.: BTDrucks. 15/2887 S. 18 f). Ob eine Gefährlichkeitsprognose mit der erforderlichen Sicherheit gestellt werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls.
169
Inzwischen gibt es weitergehende Bestrebungen zur Neufassung des Gesetzes. Danach soll die Maßregel auch bei Heranwachsenden, die nach Jugendstrafrecht abgeurteilt worden sind, und bei Jugendlichen in Betracht kommen (BRDrucks. 276/05 i.V.m. BRDrucks. 50/06; BRDrucks. 181/06; Gesetzentwurf der BReg BTDrucks. 16/6562; vgl. hierzu Ostendorf/Bockmann ZRP 2007 146).
170
2. Formelle Voraussetzungen nach § 106 Abs. 5 JGG. Der Verurteilte muss als Her- 171 anwachsender nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden sein. Die Verurteilung muss wegen einer Straftat i.S.d. § 106 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 JGG, der seinerseits auf den Katalog
339
Bisher kaum diskutiert ist, ob die Anordnung nach Absatz 3 einen Hang voraussetzt. Dies fordert bisher - soweit ersichtlich nur Koller R & P 2 0 0 7 57, 6 6 ; verneinend hingegen Fischer Rdn. 4 0 ; Ziegler BeckOKStGB Rdn. 2 4 .
340 341 342
Koller FS Venzlaff S. 2 2 9 , 2 6 2 . Vgl. Kinzig N S t Z 2 0 0 4 6 5 5 , 6 5 8 . Ullenbruch M K Rdn. 175.
R u t h Rissing-van Saan/Jens Peglau
567
§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
des § 66 Abs. 3 S. 1 StGB verweist, erfolgt sein. Die Verurteilung muss mindestens auf fünf Jahre Freiheitsstrafe gelautet haben. Wegen der übrigen formellen Voraussetzungen kann auf die Ausführungen zu § 66b Abs. 2 verwiesen werden (oben Rdn. 80 ff). 172
3. Formelle Voraussetzungen nach § 106 Abs. 6 JGG. Auch hier muss die Anlassverurteilung wegen einer Tat aus dem Katalog nach § 106 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 J G G i.V.m. S 66 Abs. 3 S. 1 StGB erfolgt sein. Im Übrigen entsprechen die formellen Voraussetzungen denen des S 66b Abs. 3 StGB (BTDrucks. 15/2887 S. 19; vgl. oben Rdn. 167).
173
4. Materielle Voraussetzungen. Die im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorzunehmende Gefährlichkeitsprognose entspricht im wesentlichen der des § 66b. Allerdings reicht nicht allein, dass die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Verurteilte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden, sondern es muss sich bei den zu erwartenden Straftaten auch gerade um solche aus dem Katalog des § 106 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 J G G i.V.m. § 6 6 Abs. 3 S. 1 StGB handeln.
I X . Verhältnis von § 6 6 b zu § 6 6 174
Ist die neue Tatsache eine Straftat, die ihrerseits geeignet wäre, eine Maßregelanordnung nach § 6 6 nach sich zu ziehen, so stellt sich die Frage, in welchem Konkurrenzverhältnis § 66 und § 66b stehen. Der BGH hat sich für eine subsidiäre Geltung des § 66b entschieden. Begründet wird dies mit dem Ausnahmecharakter der Vorschrift, die nur in den Fällen, in denen eine Berücksichtigung der neuen Tatsache für eine Maßregelanordnung im Erkenntnisverfahren nicht möglich war, eingreifen soll. 3 4 3
175
Von anderer Seite wird dem entgegengehalten, dass es einen Wertungswiderspruch darstellen würde, könnten schwere Straftaten als neue Tatsachen nur deswegen nicht berücksichtigt werden, weil diesbezüglich im Erkenntnisverfahren eine Maßregelanordnung nicht erfolgte, geringer gewichtige Straftaten (die die formellen Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllen) aber schon. Ein Vorrang des § 6 6 vor § 66b - mit der Konsequenz, dass die Nichtanordnung der Maßregel nach § 66 (trotz bestehender Möglichkeit) für eine neue Tat gleichzeitig auch die nachträgliche Maßregelanordnung hindert sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. 344
176
Der BGH vertritt demgegenüber die Ansicht, dass bei Vorliegen schwerer Straftaten in der Regel dann ohnehin die Sicherungsverwahrung angeordnet worden sein dürfte, so dass es des § 66b in diesen Fällen nicht bedürfe. 345 Angesichts des Legalitätsprinzips sind die Strafverfolgungsbehörden ohnehin gezwungen, derartig schwere neue Straftaten zu verfolgen. 346 Im Hinblick auf den mit § 66b verfolgten Schutzzweck wäre es auch nicht einsichtig, in diesen Fällen auf § 66b, auszuweichen, da er gegenüber § 6 6 die strengeren Voraussetzungen (höherer Gefährlichkeitsgrad, engerer Katalog) hat. Der Schutz potentieller Opfer kann in diesen Fällen eher über § 66 als über § 66b erreicht werden.
343
344
BGHSt 5 0 373, 380; BGH Urt. v. 23.3.2006 - 1 StR 4 7 6 / 0 5 . OLG Brandenburg NStZ 2 0 0 5 272, 275; OLG Brandenburg Beschl. v. 11.7.2007 - 1 Ws 1 2 7 / 0 7 ; i.E. auch: OLG München StraFo
568
345 346
2 0 0 5 168 f; vgl. auch Fischer Rdn. 32 (und dezidierter noch in der 53. Auflage). BGHSt 5 0 373, 380. Fischer Rdn. 32.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
X.
§
66b
Rechtsfolge
In allen Fällen ist die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung in das Ermessen des Gerichtes gestellt. Zur Art und Weise der Ermessensausübung wird auf die entsprechende Kommentierung zu § 66 Abs. 2 bzw. Abs. 3 verwiesen (vgl. § 66 Rdn. 232).
177
Str. ist, ob das Gericht schon gleichzeitig mit der nachträglichen Verhängung der Sicherungsverwahrung analog § 67a Abs. 2 die Überweisung in den Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, wenn dadurch die Resozialisierung des Verurteilten besser gefördert werden kann (zur analogen Anwendung des § 67a durch das erkennende Gericht vgl. § 67a Rdn. 7 ff). Eine solche Überweisung ist nach dem Wortlaut des § 67a Abs. 2 an sich nur nachträglich (durch das Vollstreckungsgericht) möglich. 3 4 7 Allerdings wird von einigen Oberlandesgerichten im „normalen" Erkenntnisverfahren (also wenn es nicht um die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung geht) eine Überweisung in den Vollzug einer anderen als der angeordneten Maßregel bereits durch das Tatgericht analog § 67a bejaht (vgl. § 67a Rdn. 7 ff). Der B G H hat Bedenken im Hinblick auf den gesetzlichen Richter geäußert und befürchtet eine Umgehung der gesetzlichen Anforderungen bei den verschiedenen Maßregeln, weil der Gesetzgeber eine nachträgliche Anordnung nach § 63 gerade nicht vorgesehen hat (vgl. näher auch die Kommentierung zu § 67a Rdn. 7 ff). 3 4 8 Selbst wenn der Tatrichter nicht selbst die Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel analog § 67a vorgenommen hat, sondern sich in den Urteilsgründen lediglich die Anregung findet, den Verurteilten alsbald nach Rechtskraft in den Vollzug einer anderen Maßregel zu überweisen, hält der BGH dies für rechtsfehlerhaft. Das deute darauf hin, dass es in Wahrheit eher um die nachträgliche Unterbringung nach § 63 gehe, die aber im Gesetz nicht vorgesehen sei. 3 4 9 Von derartigen „Empfehlungen" im Strafurteil ist daher dringend abzuraten. Die Frage, ob eine - auch bei einer nach § 66b angeordneten Maßregel - grundsätzlich zulässige Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel stattfinden soll, ist allein dem Vollstreckungsgericht zu überlassen (auch wenn dadurch zunächst ein gewisser Leerlauf in der Behandlung entsteht). Es ist dann ggf. Sache der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung, durch eine entsprechende Antragstellung darauf zu drängen, dass der Verurteilte schnellst möglich in den Vollzug der Maßregel gelangt, in der seine Resozialisierung am besten gefördert wird.
178
Die Gegenansicht meint demgegenüber, dass durch die sofortige Überweisung in den Vollzug der Maßregel, in der die Resozialisierung besser gefördert werden kann, der Forderung aus der Rechtsprechung des BVerfG nach möglichst weitgehender Schonung des Freiheitsgrundrechts Rechnung getragen würde, zumal dem erkennenden Gericht gemeinhin die besseren Erkenntnismöglichkeiten zugesprochen werden als der StVK. 3 5 0 Es erscheint auch nicht ausschließbar, dass auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 66b - genauso wie bei einer im Erkenntnisverfahren angeordneten Maßregel - die Not-
179
347
Nachträglich ist die Vorschrift auf jeden Fall - selbst nach Ansicht des B G H - ihrem Wortlaut gemäß auch auf die nach § 6 6 b angeordnete Sicherungsverwahrung anwendbar, vgl. B G H Urt. v. 2 3 . 3 . 2 0 0 6 1 StR 4 7 6 / 0 5 ; das gilt jedenfalls dann, wenn nicht gerade die psychische Erkrankung in erster Linie den Zustand begründet, der nur
eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen könnte (vgl. B G H N J W 2 0 0 7 1 0 7 4 , 1 0 7 6 f). 348
349 350
BGH N J W 2 0 0 7 1074, 1077; BGH NStZ-RR 2 0 0 6 303. B G H StraFo 2 0 0 7 1 2 0 , 1 2 2 . LG Hildesheim R 8 i P 2 0 0 6 4 5 , 4 6 m. zust. Anm. Pollähne.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
569
§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
wendigkeit einer vorherigen Behandlung im Vollzug einer anderen Maßregel angezeigt erscheint. Damit würden die Gründe, die in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung teilweise zur Anerkennung einer Analogie zu § 67a geführt haben, auch hier Geltung beanspruchen können. Allerdings müssen auch wirklich die Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b und des § 67a Abs. 2 (bessere Förderung der Resozialisierung) vorliegen. Unzulässig wäre es - wenn die Voraussetzungen des § 63 zwar vorliegen, nicht aber die des § 66b - zu versuchen, über die Kombination von § 66b und § 67a Abs. 2 analog, eine gesetzlich nicht vorgesehene nachträgliche Anordnung einer Maßregel nach § 63 zu konstruieren.
X I . Verfahren 180
Die Verfahrensregelung des S 275a StPO ist nur unzureichend auf die materiellrechtliche Regelung des § 66b abgestimmt. Hier ergeben sich zahlreiche Fragen und Lücken, deren Abhandlung hier allerdings zu weit führen würde. 351 1. Ingangsetzung des Verfahrens
181
a) Antragserfordernis: Das Verfahren zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung wird in den Fällen des § 66b Abs. 1 und Abs. 2 sowie des § 105 Abs. 5 J G G nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Gang gesetzt (§ 275a Abs. 1 S. 3 StPO). Das folgt bereits aus der Natur der Sache, da das Verfahren (anders als bei § 66a) für das erkennende Gericht mit Aburteilung der Anlasstat beendet ist und es mit der Vollstreckung der Strafe nichts mehr zu tun hat - anders als die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde (§ 451 Abs. 1 StPO). Unklar ist, ob auch in den Fällen des § 66b Abs. 3 bzw. § 106 Abs. 6 J G G ein Antrag der Staatsanwaltschaft erforderlich ist. In § 275a Abs. 1 S. 3 StPO, der das Antragserfordernis enthält, sind diese Vorschriften nicht erwähnt. Indes geht der Gesetzgeber generell von einem erforderlichen Antrag der Staatsanwaltschaft aus (BTDrucks. 15/2887 S. 16). § 275a Abs. 1 S. 3 StPO ist deshalb in erster Linie als Vorschrift, die den Zeitpunkt der Antragstellung regelt, zu lesen. Einer solchen zeitlichen Regelung bedurfte es für § 66b Abs. 3 und § 106 Abs. 6 J G G nicht, da sich dieser aus dem Regelungszusammenhang, nämlich Stellung im Zusammenhang mit dem Verfahren über die Erledigungserklärung bzgl. der Maßregel nach § 63 ergibt.
182
Es empfiehlt sich für die Staatsanwaltschaft, bei Antragstellung an das zuständige Gericht die zuständige Strafvollstreckungskammer ebenfalls zu benachrichtigen, um divergierende Entscheidungen zu vermeiden. Sie muss gleichzeitig etwaige Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer überwachen, um ggf. rechtzeitig einen Antrag auf Erlass eines Unterbringungsbefehls stellen zu können. Bei neu einzuleitenden Vollstreckungsverfahren sollte sofort bei Einleitung durch die Staatsanwaltschaft geprüft werden, ob die formellen Voraussetzungen für eine nachträgliche Anordnung vorliegen, damit während des Vollzugs regelmäßig überprüft werden kann, ob neue Gefährlichkeitstatsachen bekannt geworden sind. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Vorprüfung, die noch nicht nach § 275a Abs. 1 S. 2 StPO dem Verurteilten mitzuteilen ist. 3 5 2
351
Vgl. die Kritik bei Peglau N J W 2 0 0 4 3 5 9 9 ff; ders. J R 2 0 0 6 14 ff; Römer J R 2 0 0 6 5 ff.
570
352
Vgl. zu staatsanwaltschaftlichen Vorgehen mit einem Bsp. für eine Antragsschrift: Folkers N S t Z 2 0 0 6 4 2 6 , 4 3 0 ff.
R u t h Rissing-van S a a n / J e n s Peglau
Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
b) Bundeseinheitliche Hinweise: Für den Staatsanwalt, den Jugendrichter als Vollstreckungsleiter und die Bediensteten des Strafvollzugs gibt es den unter Federführung Sachsen-Anhalts erarbeiteten Entwurf für bundeseinheitliche „Hinweise zu nachträglichen Sicherungsverwahrung", welche in den Ländern in Kraft gesetzt wurden oder werden sollen. Hingegen gibt es derzeit keine bundeseinheitlichen Richtlinien nach Art der RiStBV. 3 5 3
183
c) Verfahrensvoraussetzung: Der Antrag der Staatsanwaltschaft ist eine VerfahrensVoraussetzung. Ein fehlender Antrag dürfte ein Verfahrenshindernis darstellen Vgl. näher (insbesondere zur Form): B G H N J W 2 0 0 6 531, 5 3 3 und N J W 2 0 0 6 8 5 2 , 8 5 4 .
184
d) Zeitpunkt der Antragstellung: Der Antrag soll spätestens sechs M o n a t e vor dem Zeitpunkt gestellt werden, zu dem der Vollzug der Freiheitsstrafe oder der freiheitsentziehenden Maßregel endet. Wie die Formulierung „soll" zeigt, handelt es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift. 3 5 4 Ein späterer Antrag ist solange unschädlich bis die Strafe vollständig verbüßt ist. Ist der Antrag verspätet, liegt ein Verfahrenshindernis vor. Das ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetz. Aus den Materialien ergibt sich aber, dass dem Gesetzgeber die Vorstellung als selbstverständlich zu Grunde lag, dass ein Verfahren auf nachträgliche Anordnung der Maßregel nicht mehr eingeleitet werden kann, wenn die Strafvollstreckung aus dem Ausgangsverfahren vollständig erledigt ist (vgl.: BTDrucks. 15/2887 S. 12). Die von Ullenbruch ( N J W 2 0 0 6 1377, 1 3 7 9 ) vertretene Ansicht, der Antrag müsse bis drei Monate vor Vollstreckungsende gestellt sein, entbehrt demgegenüber einer gesetzlichen Grundlage.
185
Eine mehrfache Antragstellung, z.B. wenn ein früher gestellter Antrag abgelehnt wurde, inzwischen aber vor Vollzugsende weitere „neue" Tatsachen bekannt geworden sind, ist grundsätzlich möglich. 3 5 5 Da der Verfahrensgegenstand im wesentlichen durch die neue Tatsache bestimmt ist, 3 5 6 ist ein „Nachschieben" von neuen Tatsachen durch die Staatsanwaltschaft auch nur so lange möglich, wie ein entsprechender hierauf gestützter Antrag gestellt werden könnte. 3 5 7
186
Ein Antrag der Staatsanwaltschaft kann bis zur Entscheidung des Gerichts zurückgenommen werden (möglicherweise in der Hauptverhandlung aber nur mit Zustimmung des Verurteilten), 358 denn Einschränkungen diesbezüglich enthält das Gesetz nicht. 3 5 9 Dies ist insbesondere dann eine sinnvolle Möglichkeit der Verfahrensbeendigung, wenn festgestellt wird, dass es offensichtlich bereits an formellen Voraussetzungen für eine nachträgliche Anordnung fehlt. 3 6 0 Da dann eine Verfahrensvoraussetzung nicht gegeben ist, ist das Verfahren einzustellen.
187
353 354
355
Vgl. dazu: Kreuzer ZIS 2006 145, 151. Hörnle StV 2006 188; offen gelassen in BGHSt 50 373, 376; aA offenbar (grds. Ausschlussfrist): Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 272. Vgl. Peglau JR 2006 14,15; Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 271; Ullenbruch
356 357 358 359
360
NJW 2006 1377, 1380; ders. NStZ 2007 62, 69. Peglau JR 2006 14, 15. Ullenbruch NJW 2006 1377,1380. Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 202. Deswegen geht die Forderung von Polkers NStZ 2006 426, 432 nach einer gesetzlichen Regelung der Rücknahmemöglichkeit fehl. BGH NJW 2006 852, 853.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
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§ 66b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
2. Gerichtliches Verfahren 188
a) Zuständigkeit: Zuständig für die Entscheidung ist das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 74f Abs. 1 GVG). War dies ein Amtsgericht, so ist eine Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts zuständig (§ 74f Abs. 2 GVG). Wegen weiterer Fragen vgl. § 67f Abs. 3 GVG.
189
b) Besetzung: Die Besetzung für die Hauptverhandlung im Verfahren über die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ist nicht eindeutig geregelt. Aus der Formulierung „Gericht des ersten Rechtszuges" könnte man schließen, dass auch in der seinzeitigen Besetzung, also ggf. auch in einer Besetzung nur mit 2 Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden entschieden werden soll. Dafür würde auch die mit der Hauptverhandlungslösung vom Gesetzgeber bezweckten Sachnähe (BTDrucks. 15/2887 S. 15) sprechen. Dann würde aber § 74f Abs. 3 2. Halbs. GVG nur in den Fällen relevant werden, in denen im ersten Rechtszug das Amtsgericht entschieden hat. Das wäre aber zweifelhaft, da § 275a Abs. 2 StPO nicht auf die Vorschriften über das Zwischenverfahren verweist, könnte „bei Eröffnung des Hauptverfahrens" (§ 76 Abs. 2 GVG) ohnehin nicht über eine Besetzungsreduzierung entschieden werden. Der Gesetzgeber ist wohl davon ausgegangen, dass immer in nicht reduzierter Besetzung zu entscheiden ist (BTDrucks. 15/2887 S. 18; ebenso: BGH NJW 2006 1745, 1746).
190
c) Hinsichtlich des Verfahrensgangs kann auf die entsprechenden Ausführungen zu § 66a verwiesen werden (vgl. dort Rdn. 81 f). Es bedarf allerdings hier der Einholung von Gutachten zweier Sachverständiger, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen (vgl. § 275a Abs. 4 StPO). Es muss sich bei den Sachverständigen aber nicht um zwei Psychiater handeln. Zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen kann es durchaus angezeigt sein, Sachverständige unterschiedlicher Fachrichtungen, z.B. einen Psychiater und einen Psychologen, zu beauftragen. 361
191
Die Nebenklage ist im Verfahren zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht statthaft. 362
192
d) Urteil: Es ist durch Urteil zu entscheiden (vgl.: § 275a Abs. 2 i.V.m. § 260 Abs. 1 StPO, § 275a Abs. 5 StPO) und zwar sowohl im Falle der Ablehnung als auch im Falle der Anordnung der Maßregel. Eine Ablehnung im Beschlusswege, nach Art eines Nichteröffnungsbeschlusses, z.B. weil offensichtlich die formellen Voraussetzungen nicht gegeben sind, ist nicht möglich. 363 Das Gericht ist an die rechtliche Bewertung der Antragstellung nicht gebunden. Es hat auch die Möglichkeit einer nachträglichen Maßregelanordnung unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten als denen der Antragsschrift zu prüfen. 364
193
Die prozessrechtlichen Anforderungen ergeben sich aus § 267 Abs. 6 StPO. Wichtig ist aus materiellrechtlicher Sicht insbesondere eine eingehende Darstellung der nachträglich erkennbar gewordenen Tatsachen. Dazu ist der Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Aburteilung der Anlasstat zu schildern, ggf. warum eine bestehende Tatsache für das Gericht nicht erkennbar war, und wann die Tatsache erkennbar geworden ist. 365 Wie auch bei der Sicherungsverwahrung nach § 66 ist die Gesamtwürdigung umfassend zu
361
362 363
BGHSt 50 1 2 1 , 1 2 9 ; BGH NStZ 2 0 0 6 178, 179. BGH Beschl. v. 2 4 . 3 . 2 0 0 6 - 1 StR 27/06. BGHSt 5 0 180, 186; Zschieschack/Rau J R 2 0 0 6 9, 10; aA Römer J R 2 0 0 6 5, 7; krit.
572
364 365
dazu: Leygraf ForensPsychiatrPsycholKriminol. 2 0 0 7 1 2 1 , 1 2 3 . BGH NStZ 2 0 0 6 178, 179. BGH N J W 2 0 0 7 1148, 1149.
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Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
§ 66b
begründen. Das Gericht muss auch erkennen lassen, dass es sein Ermessen erkannt und ausgeübt hat (vgl. näher BGHSt 50 121,131 f). e) Rechtsmittel: Es ist das Rechtsmittel der Revision statthaft und zwar auch dann, wenn das Gericht statt durch Urteil durch Beschluss entschieden hat. 366
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3. Strafende als Verfahrenshindernis? Wie bereits oben erwähnt (Rdn. 84) ist es keine materiellrechtliche Anordnungsvoraussetzung, dass der Verurteilte sich zum Zeitpunkt der Anordnung noch im Vollzug der Strafe aus der Anlassverurteilung befindet. Der Umstand, dass der Verurteilte die Strafe voll verbüßt hat und sich ggf. (sofern kein Unterbringungsbefehl nach § 275a Abs. 5 StPO erlassen wurde) wieder in Freiheit befindet, ist auch kein Verfahrenshindernis (sofern der Antrag rechtzeitig gestellt wurde, vgl. oben Rdn. 84). 367
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Weder der Wortlaut des § 66b noch der des § 275a StPO geben für die Annahme eines solchen Verfahrenshindernisses etwas her. 368 ΧΠ. Vollstreckung Die Maßregeln nach § 66 und § 66b unterscheiden sich aus vollstreckungsrechtlicher Sicht nur hinsichtlich des Zeitpunkts ihrer Anordnung. Hinsichtlich der Vollstreckung kann daher auf die Ausführungen zu § 66 (dort Rdn. 242) verwiesen werden. Etwaige Reste der Strafe aus der Anlass Verurteilung sind (das entspricht der generellen Regel zur Vollstreckungsreihenfolge von Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung) vor der Sicherungsverwahrung zu vollziehen.
196
ΧΙΠ. Übergangsregelungen Art. la EGStGB enthält lediglich Übergangsregelungen hinsichtlich der Personen, gegen die nach den StrUBG der Länder die Unterbringung angeordnet worden ist. Diese dürfte sich inzwischen durch Zeitablauf weitgehend erledigt haben. Als nachträglich erkennbar gewordene Tatsache muss eine Tatsache vorliegen, die noch während des Vollzugs der Freiheitsstrafe erkennbar geworden ist. Insoweit genügt ein Umstand, der erst während des Vollzugs der Unterbringung nach Landesrecht erkennbar wurde nicht (BGH Urt. v. 23.3.2006 - 1 StR 476/05). Solche Umstände sollen allerdings nach dem Willen des Gesetzgebers in die Gesamtabwägung mit einfließen können (BTDrucks. 15/2887 S. 20). Die Antragsfrist nach § 275a Abs. 1 S. 3 StPO kann naturgemäß nicht beachtet werden (Art. la S. 3 EGStGB). Der Antrag muss aber vor Außerkrafttreten der Ländergesetze und der damit verbundenen Entlassung des Verurteilten gestellt worden sein. Hier kann sich für die nach Landesrecht Untergebrachten der maßgebliche Zeitpunkt für die Antragstellung entsprechend um die Zeit der landesrechtlichen Unterbringung nach hinten verschoben haben. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber es hier - anders als bei den normalen Fällen des § 66b zulassen wollte - dass nach Abschluss von Strafvollstreckung und (hier) Vollstreckung der landesrechtlichen Unterbringung sowie Wiedererlangung der Freiheit eine Einleitung des Verfahrens ermöglichen wollte.
366 367
BGHSt 50 180, 186. Rissing-van Saan FS Nehm S. 191, 200; aA offenbar: Ullenbruch MK Rdn. 63; ders.
368
NJW 2006 1377, 1379; kritisch auch: Renzikowski NStZ 2006 280, 284. BGHSt 50 180, 186.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
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§67
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat §67
Reihenfolge der Vollstreckung (1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den § § 6 3 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, dass die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Abs. 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollstrecken ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird. (3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Abs. 2 Satz 1 oder 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Abs. 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Abs. 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist. (4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. (5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Schrifttum Athen Möglichkeiten und Grenzen der Behandlung von Alkoholkranken im Maßregelvollzug, MschrKrim. 1 9 8 9 63; Bartmeier Die Zulässigkeit der sog. „Organisationshaft", NStZ 2 0 0 6 544; Böhm Vollstreckungsreihenfolge und Anrechnung bei Unterbringung und Freiheitsstrafe aus verschiedenen Urteilen, NStZ 1996 5 8 3 ; Bötticher Zu den Schwierigkeiten der Handhabung der Vorschriften über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, StV 1991 75; Fischer Vorwegvollzug der Strafe ($ 6 7 II StGB) mit unbestimmter Dauer? NStZ 1991 324; Hanack Sozialtherapie und Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus, JR 1975 441; Hanack Probleme des Vikariierens und der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, J R 1978 3 9 9 ; Heinhold Maßregelvollzug und Ausländerrecht, R & P 2 0 0 6 187; Kaiser Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? (1990); Marquardt Dogmatische und kriminologische Probleme des Vikariierens von Strafe und Maßregel (1972); Maul/Lauven Die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel gemäß § 6 7 II StGB, NStZ 1986 3 9 7 ; Meier Strafrechtliche Sanktionen 2 (2006); Morgenstern Die Anrechnung von „Organisationshaft" bei Unterbringung nach § 64 und gleichzeitig verhängter Freiheitsstrafe, StV 2 0 0 7 441; Müller-Dietz Die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafen und Maßregeln aus verschiedenen Urteilen, N J W 1980 2 7 8 9 ; ders. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und Verfassung, J R 1995 353; Ostermann Haft ohne Rechtsgrundlage. Zum Übergang von der Unter-
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Reihenfolge der Vollstreckung
§67
suchungshaft in den Maßregelvollzug, StV 1993 53; Pohlmann/Jabel/Wolf Strafvollstreckungsordnung 8 (2001); Rasch/Konrad Forensische Psychiatrie3 (2004); Schalast Therapiemotivation im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB: Patientenmerkmale, Rahmenbedingungen, Behandlungsverläufe (2000); Schöch Juristische Aspekte des Maßregelvollzugs, in: Foerster (Hrsg.) Psychiatrische Begutachtung 4 (2004) 385; Schüler-Springorum Rechtliche Konsequenzen bei gefährlichen Tätern? Überlegungen zu einer Maßregelreform R & P 1998 25; Seebode Zwischenhaft, ein vom Gesetz nicht vorgesehener Freiheitsentzug, StV 1988 119; Stree Probleme der Unterbrinung in einer Entziehungsanstalt; Festschrift Geerds (1995) 581; Streng Vikariierens-Prinzip und Leidensdruck, StV 1987 41; ders. Strafrechtliche Sanktionen2 (2002); Trennhaus Der Volllzug von „Organisationshaft", StV 1999 511; Volckart Die Höchstfrist der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 6 7 IV 1 n.F., S 67d I 3 StGB), NStZ 1987 215; ders. Verteidigung in der Strafvollstreckung und im Vollzug3 (2001); ders. Darf das Maßregelkrankenhaus eine Aufnahme wegen Überfüllung ablehnen? R & P 2 0 0 4 179; Volckart/Grünebaum6 (2003). S. im Übrigen die Schrifttumsangaben Vor § 61 ff.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist durch das 2. StrRG (mit redaktionellen Änderungen gemäß Art. 18 II Nr. 23 EGStGB) eingefügt worden. Sie wurde bei den Beratungen zur Strafrechtsreform nach dem Zweiten Weltkrieg erarbeitet (Rdn. 1, 3). Ihre zunächst vorgesehene Erstreckung auf die Maßregel der sozialtherapeutischen Anstalt (§ 65 a.F.) ist mit der Aufhebung des § 65 (Schöch LK § 61 Rdn. 12) in Wegfall gekommen. Durch Art. 1 Nr. 15 des 23. StrÄndG wurde § 6 7 in bedeutsamer Weise geändert: in Abs. 2 durch die Möglichkeit, auch einen teilweisen Vorwegvollzug der Strafe anzuordnen (Rdn. 65); in Abs. 4 durch die Beschränkung der Anrechung des Maßregelvollzugs auf zwei Drittel der Strafe und die Einfügung des inzwischen gestrichenen Satzes 2 (Rdn. 21 ff); in Abs. 5 Satz 1 durch die Klärung der bis dahin streitigen Frage, dass die Aussetzung des Strafrests erst zulässig ist, wenn die Hälfte der Strafe durch Anrechnung erledigt ist (Rdn. 45). Abs. 4 Satz 2 a.F., der die Anrechnung ausschloss, wenn das Gericht gemäß § 67d Abs. 5 Satz 1 a.F. bestimmte, dass Unterbringung in einer Entziehungsanstalt - nach mindestens einjähriger Dauer - wegen Zweckverfehlung nicht weiter zu vollziehen war, ist durch Entscheidung des BVerfG vom 1 6 . 3 . 1 9 9 4 für nichtig erklärt worden. 1 Die entsprechende Korrektur des Gesetzestextes ist erst im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 (UnterbrSichG) erfolgt (BGBl. I, 1327). In diesem Gesetz wurde auch die Vollstreckungsreihenfolge im Falle der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 6 7 Abs. 2 flexibler gestaltet: Nach den neu angefügten Sätzen 2 und 3 soll das Gericht im Falle der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, um nach Ablauf der Unterbringung in der Regel eine Bewährungsentscheidung zu ermöglichen. Nach Satz 4 soll bei Ausländern ein Vorwegvollzug der Strafe angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet durch aufenthaltsrechtliche Maßnahmen während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
1
BVerfG, Beschl. v. 16.3.1994 - 2 BvL 3/90, 4/91, und 2 BvR 1 5 3 7 / 8 8 , 4 0 0 / 9 0 , 349/91,
387/92 - BVerfG 91 1 = NJW 1995 1077 = NStZ 1994 578.
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§67
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
I. Allgemeines 1. Bedeutung und Entwicklung 2. Vikariierendes System 3. Grundgedanken und Ziele des § 67 4. Problematik Π. Anwendungsbereich: Entscheidung in demselben Urteil 1. Allgemeines 2. Analoge Anwendung? 3. Die StVollstrO m . Der grundsätzliche Vorwegvollzug der Maßregel und seine Folgen (Abs. 1 , 4 , 5) 1. Grundsatz 2. Ausnahme für die Sicherungsverwahrung 3. Angeordnete Unterbringung 4. Anrechnung des Maßregelvollzugs auf die Strafe (Abs. 4 ) a) Allgemeines b) Anrechnung bei Erledigung wegen ursprünglich fehlender oder nachträglich weggefallener Voraussetzungen der Unterbringung . . . c) Anrechnung vorausgegangener Untersuchungshaft d) Organisationshaft e) Organisationsunterbringung . . . 5. Behandlung eines überschießenden Strafrests (Abs. 5) f) Die Aussetzung des Strafrests (Abs. 5 Satz 1) g) Fortsetzung des Maßregelvollzugs (Abs. 5 Satz 2, Halbs. 1) h) Anordnung des Strafvollzugs (Abs. 5 Satz 2, Halbs. 2)
Rdn. 1 1 5 6 8 12 12 13 15 17 17 19 20 21 21
29 30 33 39 41 42 52 56
Rdn. IV. Der ausnahmsweise Vorwegvollzug der Strafe (Abs. 2) 1. Allgemeines 2. Der teilweise Vorwegvollzug 3. Mögliche Anwendungsfälle für S 67 Abs. 2 Satz 1 a) Allgemeines b) Ausnutzung des „Leidensdrucks" . c) Gefährdung des Maßregelerfolgs . d) Fehlende Kapazitäten im Maßregelvollzug e) Überlegenheit sozialtherapeutischer Behandlung im Strafvollzug . . . . f) Zurückstellung nach §§ 35, 36 BtMG 4. Soll-Vorschrift für die Entziehungsanstalt (Abs. 2 Satz 2, 3) 5. Soll-Vorschrift für ausreisepflichtige Ausländer (Abs. 2 Satz 4) V. Nachträgliche Entscheidungen (Abs. 3) 1. Allgemeines 2. Umstände in der Person 3. Grenzen 4. Wegen aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen bei Ausländern
.
VI. Verfahrensrechtliches 1. Entscheidungen des erkennenden Gerichts über den Vorwegvollzug . . 2. Entscheidungen über Aussetzung bzw. weiteren Vollzug gemäß Abs. 5 . . . . 3. Nachträgliche Entscheidungen gemäß Abs. 3
59 59 65 68 68 70 78 88 91 67 94 100 104 104 106 107 111 113 113 116 117
VII. Übergangsvorschriften
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VID. Reform
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I. Allgemeines 1. Bedeutung und Entwicklung. § 67 regelt das sog. Vikariierungsprinzip (von vicarius = Stellvertreter), nach dem bei gleichzeitiger Verhängung von Freiheitsstrafe und den beiden therapeutischen freiheitsentziehenden Maßregeln gemäß §§ 63, 64 StGB die Maßregel vor der Strafe vollzogen und die Zeit des Maßregelvollzugs auf die Strafverbüßung angerechnet wird (§ 67 Abs. 1, 4). Dieser durch das 2. StrRG mit Wirkung seit 1.1.1975 geschaffene Grundsatz mildert die Härten der Zweispurigkeit der Sanktionsentscheidung durch weitgehende Einspurigkeit auf der Ebene des Vollzugs mit einem Vorrang des Therapiegedankens (nicht bei der Sicherungsverwahrung). Es soll die früher übliche doppelte Übelszufügung durch Strafe und Maßregel vermeiden und dazu beitragen, Art und Dauer des Freiheitsentzugs im Rahmen gewisser Strafgrenzen den therapeutischen Bedürfnissen anzupassen. Die Vorschrift hat einen Vorläufer in § 456b Satz 2 a.F. StPO, der (seit dem GewVerbrG vom 24.11.1933) die Vollstreckungsbehörde ermächtigte, die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt (jetzt: § 63) sowie in einer Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt (jetzt: § 64) ganz oder teilweise vor der Freiheitsstrafe zu vollziehen. Jene
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Reihenfolge der Vollstreckung
§67
Regelung hatte jedoch nur geringe praktische Bedeutung erlangt (Marquardt S. 148 fand unter 156 möglichen Anwendungsfällen drei), was wohl nicht zuletzt damit zusammenhing, dass die Bestimmung als Ausnahmevorschrift zu interpretieren war (näher Schäfer in Löwe-Rosenberg22 § 456b Anm. 2) und nach § 44 StVollstrO „insbesondere" bei Haftunfähigkeit bzw. bei „dringenden ärztlichen Gründen" Anwendung finden sollte. § 67 macht demgegenüber den Vorwegvollzug der Maßregel zur Regel (Rdn. 17) und schreibt überdies vor, dass der vorweggenommene Maßregelvollzug in erheblichem Umfang auf die Dauer der Freiheitsstrafe anzurechnen ist (Abs. 4), so dass also insoweit die Strafe in Form der Maßregel verbüßt wird. Die Regelung wurde, wenn auch recht zögernd, bei den Beratungen zur Strafrechtsreform nach dem Zweiten Weltkrieg in eingehenden Auseinandersetzungen erarbeitet. Während der E 1962 den Vorwegvollzug der Maßregel - aufgrund besonderer richterlicher Anordnung - nur vorsehen wollte, wenn „der Zustand des Täters es erfordert" oder „dadurch der Zweck der Maßregel leichter erreicht wird" (§ 87 m.w. Einschränkungen), machte der Sonderausschuss in Anlehnung an § 77 AE-AT den Vorwegvollzug zur Regel. Er beseitigte auch die in § 87 E 1962 und in § 77 AE-AT vorgesehenen Bindungen bei der Aussetzung eines überschießenden Strafrests an die zeitlichen Grenzen des (heutigen) § 57, die vom 23. StRÄndG dann allerdings doch eingeführt wurden. Zum Ganzen näher 2. Bericht S. 30 ff; Protokolle IV, 338, 922 ff; V, 331 ff, 357 ff, 379, 2025, 2318 ff, 2445, 3247 ff. Zu den Vorschlägen des E 1962 s. zusammenfassend dessen Begründung S. 216 ff. Zum 23. StRÄndG s. BTDrucks. 10/2720 und 10/3491 sowie Rdn. 21 ff.
3
§ 67 enthält im Streit der Meinungen um die Berechtigung der Zweispurigkeit (Schöch LK Vor § 61 Rdn. 1 ff) einen gewissen Kompromiss. Er ist als solcher vom Schrifttum, jedenfalls im Grundsatz, überwiegend begrüßt worden. 2
4
Allerdings wurden - schon während der Beratungen zur Strafrechtsreform - selbst gegen die zurückhaltendere Regelung des § 87 E 1962 (Rdn. 3) auch Einwendungen erhoben. Sie betreffen die innere Logik der Regelung im System der strafrechtlichen Rechtsfolgen, insbesondere aber die Frage ihres Gerechtigkeitsgehalts (näher Rdn. 8 ff). Daneben wird der Kompromisscharakter des § 67 kritisiert, insbesondere die durch das 23. StRÄndG eingeführte Begrenzung der Anrechnung der Maßregel auf zwei Drittel der Strafe (Boetticher StV 1991 76; dazu Rdn. 22 ff). 2. Vikariierendes System. § 67 ist der Hauptanwendungsfall des sog. Vikariierens, d.h. des stellvertretenden Austausche strafrechtlicher Sanktionen.
5
Einen weiteren Anwendungsfall dieses Prinzips enthält § 67a, der den stellvertretenden Austausch der freiheitsentziehenden Maßregeln im Vollzug zulässt (dazu näher Ris-
sing-van Saan/Peglau LK, Erl. zu § 67a).
3. Grundgedanken und Ziele des § 67. Die Vorschrift beruht insbesondere auf zwei miteinander zusammenhängenden kriminalpolitischen Überlegungen. Zum einen: Der kumulative Vollzug von Freiheitsstrafe und freiheitsentziehender Maßregel bedeutet in der Sache eine doppelte Übelszufügung, die namentlich vom Betroffenen, aber selbst von der Öffentlichkeit, regelmäßig auch als solche empfunden wird. Diese doppelte Übelszufügung kann jedoch ebenso ungerecht wie unnötig sein, wenn und soweit schon der Vollzug der Maßregel für das Reaktionsbedürfnis der Gesell-
2
Vgl. Marquardt S. 36 m. zahlr. Nachw.; weiter z.B. Jescheck/Weigend AT § 9 1 2 ; Hanack
Krim. Gegenwartsfragen, S. 77; AE-AT S. 127; Kaiser S. 2 5 ; Meier S. 301.
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§67
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
schaft gegenüber dem Täter ausreicht, die Maßregel also in der Realität Funktionen der Strafe mit zu erfassen vermag. § 67 ist also Ausdruck eines spezialpräventiven Strafrechts, das primär an der Erforderlichkeit der Einwirkung für die Resozialisierung des Täters orientiert ist. 7
Zum anderen ist für die Regelung die Erwägung maßgebend, dass ein Maßregelvollzug vor oder anstelle des Strafvollzugs jedenfalls für die Resozialisierung der hier in Frage stehenden gestörten Täter grundsätzlich mehr leistet, weil dabei auf ihre individuellen Gegebenheiten besser eingegangen werden kann. § 67 beruht insoweit - wie bei den Gesetzesberatungen auch immer wieder zum Ausdruck kam - auf dem Gedanken, dass der Maßregelvollzug für die Resozialisierung besser geeignet ist als der Strafvollzug. Er sollte daher nach den gesetzgeberischen Vorstellungen im Interesse des Täters wie der Gesellschaft mit einem möglichst hohen Maß an Effektivität ausgestattet werden. Diese Effektivität aber verlangt auch, dass negative Auswirkungen des Strafvollzugs auf den Maßregelvollzug möglichst ausgeschaltet werden, und zwar sowohl hinsichtlich der negativen Wirkungen eines vorausgehenden Strafvollzugs (Verstreichen lassen „therapeutisch fruchtbarer Jahre", s. Rdn. 17; Boetticher StV 1991 75 f) als auch hinsichtlich eines nachfolgenden Strafvollzugs (Gefährdung des erreichten Maßregelzwecks, s. Rdn. 44, 52).
8
4. Problematik. Bei den kriminalpolitischen Auseinandersetzungen um die Strafrechtsreform war das vikariierende System des heutigen § 67 nicht unumstritten (eingehend dazu Marquardt S. 36 ff m.w.N.). Eingewendet worden ist u.a., das Vikariieren bedeute einen Bruch im System der Zweispurigkeit.3 Im Zusammenhang damit wurde auch eine Verletzung des Schuldprinzips behauptet.4 Richtig ist daran nur, dass die Trennung zwischen Strafe (Reaktion auf Schuld) und Maßregel (Reaktion auf Gefährlichkeit) durch § 67 in gewissem Sinne verwischt wird.
9
Dies betrifft aber nur den Vollzug der Maßregel und der Strafe und nicht deren Anordnung. Es liegt daher kein Systembruch und auch kein Verstoß gegen das Schuldprinzip vor: Die Verwischung ist gerade Ausdruck des gesetzgeberischen Bemühens, die kritisch gewordene oder gebliebene Antithese von Schuld und Gefährlichkeit wenigstens in den Folgen der strafrechtlichen Reaktion aufzuheben oder doch abzumildern; sie stellt sich insoweit als bewusste Abkehr von einer „allzu doktrinären Beurteilung des Verhältnisses von Maßregel und Strafe zugunsten praktischer Überlegungen" dar (so Horstkotte als Vertreter des BMJ, Prot. IV, 922). In diesem Sinne bedeutet die Vorschrift einen weiteren Schritt auf der ohnedies zu beobachtenden Hinwendung des Strafrechts zu einem Sanktionensystem, das entscheidend auf die kriminalpolitisch sachgerechte Einwirkung abhebt (Hanack Krim. Gegenwartsfragen, S. 70) und bei dem auch die Strafe nicht mehr um ihrer selbst willen, als „Vergeltung", angewendet wird. Nach modernem Verständnis liegt in dieser Entwicklung und damit auch in ihrer hier in Frage stehenden Ausprägung keine Verletzung des Schuldprinzips (eingehend Marquardt S. 38 ff).
10
Der weitere Einwand, dass mit dem Vikariieren eine unzulässige Übertragung von Straffunktionen auf das Maßregelrecht stattfinde,5 ist unberechtigt. Denn die Voraussetzungen für die Anordnung der einen und der anderen Sanktion bleiben ja als solche unberührt und nebeneinander bestehen. Der Vollzug der Maßregel aber hat im Ganzen 3
So z.B. Bruns ZStW 71 (1959) 2 2 2 ; LangHinrichsen Grundfragen der Strafrechtsreform, S. 127; Maurach Vhdlgn. d. 43. DJT, S. 17.
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So z.B. Maurach aaO S. 15 f; K. Peters Grundfragen der Strafrechtsreform, S. 43. Lang-Hinrichsen Grundfragen aaO S. 123; vgl. auch Maurach aaO S. 16.
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Reihenfolge der Vollstreckung
§67
keine andere Funktion als der Vollzug der Freiheitsstrafe, wie er etwa in § 2 StVollzG umschrieben ist. Wenn hier Widersprüche bestehen, so liegen sie in der Diskrepanz, dass die Verhängung der Freiheitsstrafe an die Schuld anknüpft (§ 46 Abs. 1), während deren Durchführung vornehmlich an der Resozialisierung ausgerichtet ist (§ 2 Satz 1 StVollzG); dass infolge dieser Ausrichtung dann auch Strafe und Maßregel in weitem Umfang „austauschbar" sind, ist eine nahe liegende, ja fast logische Konsequenz. Ernster wiegen Einwendungen, die um eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes 11 (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auch des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) kreisen. Die Besorgnis, dass Täter, die zugleich mit einer Maßregel belastet werden, durch das vikariierende System im Ergebnis besser gestellt werden könnten als diejenigen, die „lediglich" eine Freiheitsstrafe erhalten, hat schon bei den Beratungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform eine große Rolle gespielt.6 Tatsächlich besteht hier eine Antinomie insbesondere zwischen dem Gesichtspunkt der Resozialisierung (erfolgreicher Maßregelvollzug) und dem überkommenen Prinzip der Schuldstrafe, der sich „ohne Rest" nicht auflösen lässt. Das spiegelt sich im Kompromisscharakter der Vorschrift und in der auffallenden „Kurskorrektur" der Absätze 4 und 5 des § 67 durch das 23. StRÄndG wider. Bei den meisten Untergebrachten ist die Dauer des Maßregelvollzugs länger als die verhängte Strafe (Pollähne S. 181 f). Angesichts der Realität des Maßregelvollzugs wird teilweise eine Besserstellung der Maßregelvollzugspatienten bezweifelt, weshalb an die Stelle der Zweispurigkeit die „Zwiespältigkeit" getreten sei (Pollähne/Böllinger NK Rdn. 6; Rasch/Konrad S. 122;. Π. Anwendungsbereich: Entscheidung in demselben Urteil 1. Allgemeines. § 67 gilt nach herrschender Meinung unmittelbar nur für Fälle, in 12 denen die Unterbringung neben einer Freiheitsstrafe in demselben Urteil angeordnet worden ist.7 Das ergibt sich, entgegen K. Böhm (NJW 1982 139), schon aus dem Wortlaut des Abs. 1 („neben"). Es folgt aber auch aus dem erkennbaren Bezug der Gesamtregelung des § 67 auf eine einheitliche Verurteilung. Auch der Gesetzgeber des 23. StRÄndG ist von dieser Rechtslage ausgegangen, die auch der Regelung in der StVollstrO (§ 44b, s. Rdn. 13) zugrunde liegt. Mithin ist die Reihenfolge der Vollstreckung beim Zusammentreffen von Freiheitsstrafe und Unterbringungsanordnung durch verschiedene Urteile wegen verschiedener Taten gesetzlich nicht geregelt. Das bedeutet eine schwerwiegende Lücke im System. Ein gesetzgeberischer Regelungsversuch im Rahmen des 23. StRÄndG (BTDrucks. 10/2720 S. 5, 13, 24), der die Anrechnung des Maßregelvollzugs auf die in einem anderen Verfahren verhängte Freiheitsstrafe vorsah (§ 67 Abs. 6 des RegE), ist im Bundesrat gescheitert (vgl. Volckart Verteidigung Rdn. 367, der von einem „krassen Versagen" des Gesetzgebers spricht).
6
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Z.B. Protokolle V, 362, 2323 ff; s. auch LangHinrichsen aaO S. 122; Schröder ZStW 66 (1954) 189. OLG Celle NStZ 1983 188; OLG Düsseldorf MDR 1991 1193; OLG Düsseldorf NStZ 1983 383; OLG München NJW 1980 1910 und NStZ 1988 93, 94; OLG Hamm NStZ
1999 535; aus dem Schrifttum z.B. Fischer Rdn. 2; Horn SK Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 1; Sch/Schröder/Stree Rdn. 1; Maier MK Rdn. 3, 10; Müller-Dietz NJW 1980 2789; aA K. Böhm NJW 1982 139; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 15.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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2. Analoge Anwendung? Teilweise wird die Auffassung vertreten, § 67 Abs. 1 bis 3 (nicht: Abs. 4 und 5) müssten beim Vollzug von Strafe und Maßregel aus verschiedenen Erkenntnissen analog angewendet werden.8 Daran ist richtig und unbestritten, dass auch in diesen Fällen die Resozialisierung des Täters möglichst zu fördern ist, also die entsprechenden Grundgedanken des § 67 zu beachten sind. Aber eine Analogie ist schon aus methodischen Gründen wegen des eindeutigen Wortlauts und des Scheiterns entsprechender Reformbemühungen zweifelhaft. Im Übrigen würde eine analoge Anwendung je nach Lage des Einzelfalles schon materiell-rechtlich zu erheblichen Schwierigkeiten oder sogar Ungerechtigkeiten führen, und zwar insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Konsequenzen, die sich je nach der Reihenfolge des Vollzugs dann im Einzelnen ergeben, weil die Anrechnungs- und Aussetzungsvorschriften der Absätze 4 und 5 des § 67 für den Vollzug von Strafen und Maßregeln aus verschiedenen Erkenntnissen nicht passen bzw. anwendbar sind. Auch die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit ist bei einer analogen Anwendung nicht überzeugend zu klären, würde vielmehr zu weiteren Friktionen führen. Die herrschende Meinung lehnt aus diesen Gründen eine entsprechende Anwendung des § 67 Abs. 1 bis Abs. 3 wohl zu Recht ab 9 und akzeptiert, dass der Komplex als Aufgabe der Vollstreckungsbehörde in der StVollstrO geregelt, für seine Beurteilung also nicht „das Gericht" i.S. des § 67 zuständig ist (vgl. im folg. Text).
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Im Schrifttum wird dabei wiederholt darauf hingewiesen, dass sich die aus dieser unbefriedigenden Rechtslage ergebenden Spannungen bei Unbilligkeiten nur im Gnadenwege ausgleichen lassen.10 Um eine Entlassung aus dem Maßregelvollzug zu ermöglichen, sind verständige Gnadenbehörden bereit, insbesondere bei nicht anrechenbaren Maßregelzeiten die Anschlussstrafe aus einem anderen Urteil im Gnadenweg zur Bewährung auszusetzen ( Volckart Verteidigung Rdn. 369).
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3. Die StVollstrO regelt den Komplex in § 44b, und zwar in Anlehnung an § 67: Danach ist die Maßregel vor der in dem anderen Verfahren erkannten Freiheitsstrafe zu vollziehen (Regel), es sei denn, dass der Zweck der Maßregel durch den - völligen oder teilweisen - Vorwegvollzug der Strafe leichter erreicht wird („Ausnahme"); es gelten also dieselben Grundsätze wie für den Vorwegvollzug nach § 67 Abs. 2 (vgl. OLG Nürnberg NStZ 1990 152). Zuständig für die Bestimmung der Reihenfolge ist die Vollstreckungsbehörde, die dabei zu berücksichtigen hat, dass der Vollzug der Maßregel auf die Strafe nicht angerechnet wird. Um den Problemen zu begegnen, die sich gerade aus der fehlenden Anrechnung ergeben, kann es nach Lage des Einzelfalls angezeigt sein,11 zunächst die Strafe zu vollstrecken, um dem Verurteilten den Maßregelvollzug gegebenenfalls ganz (§ 67c Abs. 1) oder zumindest teilweise (§ 67d Abs. 2) zu ersparen. In Betracht kommt aber auch eine Aussetzung der Maßregel gemäß § 67b Abs. 1 (dazu näher Rissing-van Saan/Peglau LK § 67b Rdn. 11 ff), falls der Täter nicht eine weitere, zugleich mit der Maßregel verhängte
8
9
So früher OLG Karlsruhe Justiz 1977 4 6 4 ; OLG Köln MDR 1980 511; OLG München NJW 1980 1910; Brandstätter MDR 1978 4 5 3 ; vgl. auch Müller-Dietz NJW 1980 2 7 8 9 ; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 15. So OLG Stuttgart MDR 1980 511; OLG München NStZ 1988 93 m. zahlr. Nachw.; OLG Karlsruhe MDR 1991 892; OLG Hamm NStZ 1999 535; OLG Nürnberg
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MDR 1978 72; aus dem Schrifttum z.B. Fischer Rdn. 2; Horn SK Rdn. 3. So z.B. Horn SK Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 1; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 18; Volckart Maßregelvollzug S. 2 9 und Verteidigung Rdn. 369; vgl. i. üb. den Fall bei Böhm NStZ 1996 583. Weitergehend Horn SK Rdn. 3: es „empfiehlt" sich.
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Reihenfolge der Vollstreckung
§67
Freiheitsstrafe gesondert zu verbüßen hat. Ist diese Konstellation gegeben, so sollte die Staatsanwaltschaft von sich aus oder auf Anregung der Maßregeleinrichtung auf die Vollstreckung der zweiten Maßregel übergehen, sobald die Freiheitsstrafe kraft Anrechnung aus dem ersten Urteil zur Hälfte (vgl. § 67 Abs. 5 Satz 1), spätestens wenn sie zu zwei Dritteln (§ 67 Abs. 4) verbüßt ist, um die Chancen einer rechtzeitigen Aussetzung beider Maßregeln und beider Strafreste zur Bewährung zu erhalten. 12 Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde unterliegt nach herrschender Meinung nur der gerichtlichen Kontrolle gemäß § 2 3 Abs. 1 EGGVG (i.V.m. § 21 StVollstrO). 13 Da der Gesetzgeber im Rahmen des 23. StRÄndG die wesentlichen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde, die bisher als Justizverwaltungsakte lediglich nach § 2 3 EGGVG anfechtbar waren, in das Rechtsbehelfssystem der StPO und damit in die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts einbezogen hat (§ 4 5 8 Abs. 2 StPO), sprächen gute Gründe dafür, dem Vollstreckungsgericht gemäß §§ 462a, 4 6 3 StPO jetzt die Überprüfung aller Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde über die Reihenfolge der Vollstreckung von freiheitsentziehenden Strafen und Maßregeln, also auch in den hier erörterten Fällen, zu übertragen; 14 dies setzt aber eine ausdrückliche gesetzliche Regelung voraus.
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ΠΙ. Der grundsätzliche Vorwegvollzug der Maßregel und seine Folgen (Abs. 1, 4 , 5 ) 1. Grundsatz. Das Gesetz bringt schon durch die Anordnung der Absätze 1 und 2 klar zum Ausdruck, dass der Vorwegvollzug der Maßregel der Grundsatz, der Erstvollzug der Freiheitsstrafe hingegen die Ausnahme ist. Dies entspricht auch der allgemeinen Meinung 15 und erklärt sich aus der Vorstellung und dem Bemühen des Gesetzgebers, in erster Linie die als intensiver gedachten Einwirkungen des Maßregelvollzugs auszunutzen und ein Verstreichenlassen der „therapeutisch fruchtbaren Jahre" durch Hintanstellung des Maßregelvollzugs zu vermeiden (2. Bericht S. 30 f). Möglichst umgehend soll also mit der Behandlung des süchtigen oder kranken Täters begonnen werden, weil dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht. 16 Dies gilt selbst dann, wenn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe angeordnet
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Vgl. Volckart Verteidigung Rdn. 369; zur „Verrechnung" von Vollstreckungszeiten, die durch einen Vollstreckungsfehler entgegen § 454b StPO nicht zur frühestmöglichen Aussetzungsreife führen, s. eingehend OLG Celle NStZ 1990 2 5 2 (in Anlehnung an BVerfG NStZ 1988 474) und Müller-Dietz Anm. in J R 1991 78. OLG Hamm NStZ 1988 4 3 0 ; OLG München NStZ 1988 93, 94; OLG Nürnberg NStZ 1990 152; Horn SK Rdn. 3; MüllerDietz NJW 1980 2791; Pohlmann/Jabel/Wolf § 4 4 Rdn. 7; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 52. Chlosta (Anm. zu OLG München NStZ 1988, 93 ff) vertritt dies bereits de lege lata; nach Pohlmann/Jabel/Wolf § 4 4 Rdn. 7 kommt dies nur in Betracht bei Fehlern in der Strafzeitberechnung oder wenn eine
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Strafvollstreckungskammer fehlerhaft ihre Zuständigkeit angenommen hat. Z.B. BGH, Beschl. v. 14.12.1993 - 4 StR 711/93, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 12; BGH Beschl. v. 1.3.2001 - 4 StR 36/01, NStZ-RR 2 0 0 1 2 9 5 ; BGH, Beschl. v. 2 5 . 4 . 2 0 0 2 - 3 StR 111/02; BGHSt 33 285; BGH NStZ 1986 524; 1990 102; BGH NJW 1983 2 4 0 ; BGH MDR 1985 1040 und 1041; BayObLG NJW 1981 1522; OLG Karlsruhe NJW 1975 1517; LG Dortmund NStZ 1989 340, 341; Fischer Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 1; Maier MK Rdn. 8; Maul/Lauven NStZ 1986 3 9 7 ; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 15. Vgl. etwa BGH NStZ-RR 2 0 0 1 295; BGH NStZ-RR 1999 11.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
wird, weil es hier d a r u m geht, „den Angeklagten schon frühzeitig von seinem H a n g zu befreien, damit er in der Strafanstalt an der Verwirklichung des Vollzugsziels der Strafe arbeiten k a n n " (BGHSt 37 160,161 f; zust. Schüler-Springorum StV 1991 561 f). 1 7 18
§ 67 Abs. 2 Satz 2 n.F. hat erhebliche Einschränkungen dieses Grundsatzes bei Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in den Fällen bewirkt, in denen diese neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren angeordnet wird (Rdn. 94 ff). Das damit verbundene Ziel, nach erfolgreicher Therapie durch Strafrestaussetzung eine unmittelbare Entlassung in die Freiheit zu ermöglichen, wurde also vom Gesetzgeber in diesen Fällen höher bewertet als der sofortige Therapiebeginn. Z u den seltenen Ausnahmen, die nach der Begründung des Regierungsentwurfs möglich bleiben sollen, um im Einzelfall auch eine aktuelle dringende Therapiebedürftigkeit bei Suchtkranken zu berücksichtigen (RegE BTDrucks. 16/1110 S. 14), können aber weiterhin Verurteilte gehören, die wegen des hohen Schuldgehaltes der von ihnen begangenen Straftaten sehr lange Freiheitsstrafen verbüßen müssen, die aber nicht gefährlich sind und deshalb im (teilweise gelockerten) Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB behandelt werden könnten. Wegen der Begrenzung des § 6 7 Abs. 2 Satz 2 auf zeitige Freiheitsstrafen bleibt die frühere Rechtsprechung zur Geltung des Grundsatzes bei lebenslanger Freiheitsstrafe (Rdn. 17) ohnehin unberührt.
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2. Ausnahme für die Sicherungsverwahrung. Das Vikariieren gilt nicht für die Sicherungsverwahrung (§ 66), die in § 67 Abs. 1 nicht aufgeführt ist. Hier bleibt es darum, wie sich mindestens im Wege des Umkehrschlusses ergibt, bei der Regelung des früheren Rechts, dass die Strafe vor der Maßregel vollzogen wird. Der Gesetzgeber hat, im Ergebnis übereinstimmend mit § 87 Abs. 1 E 1962 und § 77 Abs. 1 AE, die Nichteinbeziehung der Sicherungsverwahrung in das vikariierende System insbesondere damit begründet, dass die Sicherungsverwahrung als ultima ratio der Kriminalpolitik keinen „gezielten Behandlungszweck" verfolge und dass es ungerecht sei, die „schwersten Verbrecher" von vornherein „dem wesentlich milderen" Maßregelvollzug statt des „strengeren Strafvollzugs" zu unterwerfen; auch findet sich das - einigermaßen überraschende - Argument, dass die angestrebte stärkere Differenzierung zwischen Strafvollzug und Sicherungsverwahrung durch Einführung des Vikariierens gefährdet werden könne (2. Bericht aaO; vgl. auch Prot. V, 331 ff). Die gesetzgeberische Entscheidung war allerdings im Sonderausschuss umstritten (dazu Hanack LK 11 § 66 Rdn. 18).
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3. Angeordnete Unterbringung. Der Grundsatz des Abs. 1 gilt für jede Form einer „angeordneten" Maßregelunterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt. „Angeordnet" i.S. des § 6 7 Abs. 1 ist dabei nicht nur die vom erkennenden Gericht im Urteil angeordnete Unterbringung, sondern auch diejenige Unterbringung, zu der es erst durch Widerruf einer Aussetzung gemäß S 67g gekommen ist. 18 Hingegen gilt Abs. 1 nicht, wenn es lediglich zum Widerruf der Strafaussetzung, nicht aber auch zum Widerruf einer Unterbringungsaussetzung k o m m t , z.B. weil der Täter allein gegen Auflagen im Rahmen der Strafaussetzung (§ 56f Abs. 1 Nr. 3) verstoßen hat. Hier fehlt es an einer „Anordnung" der Unterbringung 1 9 und damit an dem charakteristischen Konflikt des Nebeneinanders von zwei verschiedenen vollziehbaren Freiheitsentziehungen, den § 67 lösen will.
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Vgl. auch BGH NStZ-RR 1999 11; BGH NStZ 1999 44; BGHSt 37 160,162; st. Rspr. zusammenfassend Detter NStZ 2002 415, 419.
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Horn SK Rdn. 2. Horn aaO.
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4. Anrechnung des Maßregelvollzugs auf die Strafe (Abs. 4) a) Allgemeines. Bis zum 23. StRÄndG war der vorweggenommene Maßregelvollzug 2 1 nach Abs. 4 a.F. auf die Freiheitsstrafe voll anzurechnen. 20 Mit der Beschränkung der Anrechnung auf zwei Drittel der Strafe soll - in Anglei- 2 2 chung an § 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG - die „Bereitschaft, an der eigenen Rehabilitation mitzuwirken, ... durch den Druck einer jedenfalls noch nicht vollständig erledigten Freiheitsstrafe gefördert werden" (BTDrucks. 10/2720 S. 13). Das bedeutet, jedenfalls in dieser allgemeinen Form, nicht nur eine bedenkliche Konzession an den ohnedies fragwürdigen Gedanken von der Ausnutzung des „Leidensdrucks" (unten Rdn. 70 ff). Es führt auch dazu, dass eine wesentliche Errungenschaft des vikariierenden Systems verwässert oder gar verfälscht wird. Der obligatorische Ausschluss der vollen Anrechnung ist z.B. wenig sinnvoll bei einem vermindert Schuldfähigen, der nach einer Verurteilung zu drei Jahren Freiheitsstrafe bis zur bedingten Entlassung (§ 67d Abs. 2) zunächst vier Jahre nach § 63 untergebracht war. Entgegen der vom OLG Celle (NStZ 1990 453) in einem Vorlagebeschluss vertrete- 2 3 nen Rechtsauffassung ist diese Regelung jedoch nicht verfassungswidrig. Nach dem Beschluss des 2. Senats des BVerfG vom 16. März 1994 (BVerfGE 91 1 ff) hält sich die Begrenzung der Anrechnung auf zwei Drittel der Dauer der Strafe „im verfassungsrechtlichen Rahmen einer gleichermaßen um die Verwirklichung der Strafzwecke wie auch um den Erfolg der Suchtbehandlung bemühten gesetzgeberischen Gestaltung" 2 1 . „Bei dieser Lösung wird der Täter nicht dadurch, dass er im Maßregelvollzug an seiner Therapie mitwirkt, schon gänzlich von einer strafenden Reaktion auf seine Tatschuld freigestellt. Andererseits ist die gesetzgeberische Entscheidung über das Maß der Anrechnung darauf angelegt, bei dem Verurteilten unter dem Druck eines noch nicht erledigten Teils der Strafe die Bereitschaft zu stärken, am Erfolg der Behandlung mitzuwirken, damit das letzte Drittel der Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann (vgl. BTDrucks. 10/2720 S. 13). Nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug sollen Teilanrechnung und Strafaussetzung zur Bewährung den Betroffenen zu einer Lebensführung veranlassen, die den Erfolg seiner Behandlung nicht gefährdet. Bei dem in § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB von der Anrechnung ausgenommenen Strafrest handelt es sich um jenes Drittel, mit dessen Aussetzung zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB der Verurteilte bei guter Sozialprognose rechnen k a n n . " 2 2 Vom Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist also eine volle Anrechnung der Zeit des Maßregelvollzugs auf die Freiheitsstrafe nicht geboten. „Allerdings müssen die gesetzlichen Regelungen darauf Bedacht nehmen, dass bei der jeweils vorgesehenen Art der Kumulierung die Freiheitsentziehung insgesamt nicht übermäßig wird und Anrechnungsausschlüsse nicht ohne Bezug zu Grund und Ziel der Unterbringungsmaßregel erfolgen" (BVerfGE 91 1). Die Anrechnungsvorschrift des § 67 Abs. 4 beruht dabei auf allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten und nicht auf dem Gesichtspunkt der Schuldkompensation (BVerfG NStZ 2004 739, 747). Sie sichert dem Betroffenen eine materiell-rechtliche Rechtsstellung in Bezug auf unverhältnismäßige Eingriffe in sein Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (BVerfG NJW 1995 2405).
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Zu den Gründen für die Änderung BT-Drs. 10/2720 S. 13. BVerfGE 91 1, 35 bestätigt durch BVerfG NJW 1995 2405, 2406 und BVerfG NJW 2004 739, 747.
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BVerfGE 91 1, 35, 36; BVerfG N J W 1995 2404 ff.
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Die Rechtsfolge des § 67 Abs. 4 tritt - auch in den Fällen des Abs. 3 - automatisch ein. Die Strafvollstreckungsbehörde hat sie als gesetzliche Rechtsfolge bei der Strafzeitberechnung zu berücksichtigen, so dass keine Strafe mehr zu vollstrecken ist, soweit angerechnet wurde. Die Anrechnung ist unabhängig davon, ob der mit der Maßregel erstrebte Behandlungserfolg erreicht wird oder ausbleibt. Voraussetzung ist nur, dass Maßregel und Strafe ihre Grundlage in demselben rechtskräftigen Strafurteil haben. 23
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Der frühere Ausschluss der Anrechnung des Maßregelvollzugs bei abgebrochener Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß Abs. 4 Satz 2 a.F. wurde durch Beschluss des 2. Senats des BVerfG vom 16. März 1994 (BVerfGE 91 1 ff) für verfassungswidrig erklärt, da er wegen der pauschalen Bezugnahme auf gerichtliche Anordnungen nach § 67d Abs. 5 Satz 1 a.F. mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG unvereinbar war 2 4 und im UnterbrSichG vom 16.7.2007 endgültig gestrichen.
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Durch die Verweisung auf § 67d Abs. 5 Satz 1 a.F. hatte der Gesetzgeber den Ausschluss jeglicher Anrechnung von Zeiten der Unterbringung in der Entziehungsanstalt beabsichtigt, wenn der Zweck der Maßregel aus Gründen „in der Person des Untergebrachten" verfehlt wurde. Dadurch sollte dem Untergebrachten der Anreiz genommen werden, sich der Mitarbeit in der Behandlung zu entziehen und mit seiner negativen Haltung einen möglichen Behandlungserfolg zu vereiteln. Von diesem Ausschluss waren aber auch Verurteilte betroffen, die einer Therapie nicht zugänglich waren sowie solche, die für die Weigerung achtenswerte Gründe hatten (etwa Vorbehalte gegenüber der angewandten Therapiemethode). In diesen Fällen aber „vermag der Ausschluss der Anrechnung den vom Gesetzgeber damit verfolgten Zweck nicht zu erreichen und lässt sich demgemäß vor dem Freiheitsgrundrecht nicht rechtfertigen" (BVerfGE 91 1, 36). Ein völliger Ausschluss der Anrechnung sei verfassungsrechtlich nur dann gerechtfertigt, wenn sich das Scheitern der Behandlung eindeutig und nachweislich auf eine Therapieunwilligkeit der betroffenen Person ohne achtbare Gründe zurückführen lasse. Der deshalb zu weit gefasste Anwendungsbereich des § 67 Abs. 4 Satz 2 a.F. führe zur Nichtigkeit der Vorschrift insgesamt (BVerfGE 91 1, 36 f). Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, diejenigen Fallgestaltungen festzulegen und sachgerecht abzugrenzen, in denen ein völliger Ausschluss gerechtfertigt sein könne. Seiner Prüfung und Einschätzung unterliege es dabei, ob zwischen Therapieunfähigkeit und einer den Ausschluss der Anrechnung rechtfertigenden Therapieunwilligkeit in der Praxis hinreichend deutlich unterschieden werden könne (BVerfGE 91 1, 37).
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Im Gesetzgebungsverfahren zum UnterbrSichG vom 16.7.2007 schloss sich die Bundesregierung der Auffassung der vom Bundesverfassungsgericht befragten 12 Kliniken an, in denen Maßregeln nach § 64 vollzogen werden, dass die rechtliche Unterscheidung zwischen Therapieunwilligkeit und -Unfähigkeit keine reale Entsprechung in der psychiatrischen Diagnose habe (BVerfGE 91 1, 22). Mangels ausreichend feststellbarer Abgrenzung sei deshalb § 67 Abs. 4 Satz 2 ersatzlos zu streichen (BTDrucks. 16/1110, S. 16).
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b) Anrechnung bei Erledigung wegen ursprünglich fehlender oder nachträglich weggefallener Voraussetzungen der Unterbringung. Von Verfassungs wegen ist die Anrechnungsregelung des § 67 Abs. 4 auch dann anzuwenden, wenn der Maßregelvollzug - in
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BVerfG N S t Z 1 9 9 5 1 7 4 f; Fischer Rdn. 2 1 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3.
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Z u r Problematik der Verfassungsmäßigkeit
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wird auf die Ausführungen in der Vorauflage verwiesen.
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entsprechender Anwendung von 67c Abs. 2 Satz 5 2 5 oder (seit 2 0 0 4 ) gemäß § 67d Abs. 6 - für erledigt erklärt wird, weil sich herausstellt, dass die Voraussetzungen der Anordnung nicht oder nicht mehr vorliegen (BVerfG NStZ 1995 174 f). 2 6 Insoweit hebt das BVerfG hervor, dass es Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gebiete, „auf den Vollzug der Strafe insoweit zu verzichten, als dem Täter mit der Freiheitsentziehung als notwendiger Bedingung des Maßregelvollzuges aus Anlass seiner Tat ein Übel zugefügt wird, das zugleich auch dem Schuldausgleich dienen k a n n . " 2 7 Dem hat der Gesetzgeber mit der Anrechnungsregelung von § 67 Abs. 4 Satz 1 Genüge getan. 28 c) Anrechnung vorausgegangener Untersuchungshaft. Streitig ist, ob erlittene Untersuchungshaft ( § 5 1 ) vor der Maßregel auf die zu verbüßende Freiheitsstrafe (und damit auf die ersten beiden Drittel) 2 9 anzurechnen ist oder erst nach der Maßregelanrechnung auf das verbleibende Drittel der Reststrafe. 30 Die erste Auffassung ist für den Verurteilten ungünstiger, weil für die Anrechnung des Maßregelvollzugs nur noch der durch die frühere Untersuchungshaft verkürzte Rest von zwei Dritteln der erkannten Freiheitsstrafe zur Verfügung steht, während bei der zweiten Auffassung auch das letzte Drittel ganz oder teilweise durch die anzurechnende Untersuchungshaft als verbüßt gilt. 31 Unstreitig ist die Anrechung erlittener Untersuchungshaft auf einen gemäß § 67 Abs. 2 vorweggenommenen Teil der Strafe. 32
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Für die Anrechnung auf das letzte Drittel wird geltend gemacht, dass § 51 Abs. 1 Satz 1 die Anrechnung der Untersuchungshaft nur auf die Freiheitsstrafe und nicht auf die freiheitsentziehende Maßregel vorsehe. Außerdem sei die vor Vollstreckungsbeginn verbüßte Haftzeit nicht Folge einer Entscheidung des die Maßregel anordnenden Gerichts. Auch § 39 Abs. 4 StVollstrO gehe vom Prinzip der Rückrechnung aus. Bei Kumulierung von Freiheitsstrafe und Maßregelvollzug sei das Übermaßverbot zu beachten, weshalb zwei nebeneinander stehende Anrechnungsregelungen (wie hier § 51 Abs. 1 Satz 1 und § 67 Abs. 4) so anzuwenden seien, dass die eine Anrechnung der anderen nicht im Wege stehe und im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG vermeidbare Freiheitsentziehung auch ausgeschlossen werde. Damit könnten einige Härten, die sich aus der schematischen Nichtanrechnung des letzten Drittels der Freiheitsstrafe gemäß § 67 Abs. 4 ergeben, ausgeglichen werden, allerdings einseitig nur für die Fälle vorausgegangener Untersuchungshaft. Nicht selten dauert auch in anderen Fällen der Freiheitsentzug im Rahmen der Maßregelvollstreckung länger als zwei Drittel der Freiheitsstrafe; eine Privi-
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OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 59; 2 0 0 3 222; Rissing-van Saan/Peglau LK § 67c Rdn. 112 Zust. Mater MK Rdn. 18 f; aA noch OLG Frankfurt NStZ 1993 2 5 2 m. krit. Anm. Loos NStZ 1993 2 5 4 f. BVerfG NStZ 1995 174 f; BVerfG StV 1994 594, 5 9 6 f. BVerfG NStZ 1995 174 f; BVerfG StV 1994 594, 597. So die überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung: OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 380; OLG Düsseldorf (2. Strafsenat) NStZ-RR 1997 25; OLG Hamm NStZ-RR 1996 382; OLG Köln StV 1996 47, StraFo
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2 0 0 6 120; OLG Zweibrücken StV 1997 4 7 8 ; OLG Stuttgart Justiz 2 0 0 2 63; OLG Jena Beschluss vom 17.10.2006 - 1 WS 3 3 2 / 0 6 . OLG Schleswig StV 1990 4 5 8 mit zust. Anm. Volckart, der u.a. auf § 3 9 Abs. 4 VollstrO hinweist; OLG Celle StV 1997 4 7 7 ; OLG Düsseldorf (4. Strafsenat) StV 1 9 9 6 4 7 und NStZ-RR 2 0 0 6 251; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3. Hierzu und zu den folgenden Argumenten Ullenbruch NStZ 2 0 0 0 287, 291 f m.w.N. So BGH NJW 1991 2 4 3 1 ; BGH NStZ 1992 2 0 5 ; BGH NStZ-RR 2 0 0 0 7; Fischer NStZ 1991 325 m.w.N.; Fischer Rdn. 2 3 ; Maier MK Rdn. 23.
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legierung bei vorausgegangener anzurechnender Untersuchungshaft lässt sich aber aus § 51 Abs. 1 nicht ableiten. 32 Letztlich sprechen also Gesetzeswortlaut, Systematik und Zweck der Anrechnungsregelung für die Anrechnung auf die ersten beiden Drittel der Freiheitsstrafe. Auch das Bundesverfassungsgericht hat diese - anders als bei der Organisationshaft - akzeptiert, wenngleich gute Gründe auch für die andere Auffassung sprächen (BVerfG NStZ 1998 77 m. Anm. Lemke). Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 gilt die Untersuchungshaft mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils als verbüßt; ein sich zeitlich anschließender Vollzug der Maßregel kann dies nicht mehr beseitigen (OLG Hamm NStZ-RR 1996 382). Nach Wortlaut und Zweck des § 67 Abs. 4 muss stets das letzte Drittel der Strafe ungeschmälert als motivationsfördernder Faktor übrig bleiben, der die erteilten Weisungen und die Betreuung durch einen Bewährungshelfer stützt. Diese gesetzlich gewollte Lösung lässt sich nicht unter Berufung auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot überspielen.33 Der Motivationsdruck würde sich verringern, wenn das aussetzungsfähige Restdrittel durch Anrechnung von Untersuchungshaft auf eine unbedeutende Zeitspanne zusammenschrumpfen oder gar im Einzelfall durch Anrechnung vollständig aufgezehrt werden könne.34 Es müsste sogar damit gerechnet werden, dass therapieunwillige Täter eine möglichst lange Untersuchungshaft provozieren, um die auszusetzende Reststrafe zu reduzieren oder gar ganz zu vermeiden (OLG Köln StraFo 2006 120 f). 33
d) Organisationshaft. Unter „Organisationshaft" ist die Freiheitsentziehung in einer Justizvollzugsanstalt zu verstehen, die gegen einen rechtskräftig Verurteilten bis zum Zeitpunkt seiner Überstellung in die zuständige Maßregeleinrichtung (psychiatrisches Krankenhaus oder Entziehungsanstalt) vorübergehend vollzogen wird (BVerfG NJW 2006 427 ff). Systematisch betrachtet, handelt es sich bei der „Organisationshaft", die man auch als „Zwischenhaft" bzw. „Wartezeit" bezeichnet,35 um einen „regelwidrigen" (vgl. BVerfG NStZ 1998 77) Vollstreckungsaufschub aus Gründen der Vollzugsorganisation, 36 für den es bislang keine gesetzliche Grundlage gibt. 37 Eine allgemeine Statistik gibt es hierfür nicht; in Nordrhein-Westfalen befanden sich in den Jahren 2000 bis 2003 im Jahresdurchschnitt 43 % der Verurteilten mit Maßregelanordnung in Organisationshaft, wobei die durchschnittliche Dauer bei 77 Tagen lag; in jedem 4. Unterbringungsfall dauerte die Organisationshaft länger als 3 Monate (Bartmeier NStZ 2006 546).
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Die Rechtsauffassung, die Organisationshaft finde ihre Rechtfertigung aus Gründen der Gefahrenabwehr in einem übergesetzlichen Notstand, der auf einer eingehenden Abwägung insb. zwischen der Gefährlichkeit des Täters sowie den Belangen des Schutzes der Allgemeinheit einerseits und dem Freiheitsrecht des Verurteilten andererseits beruhe, ist abzulehnen; für eine übergesetzliche Eingriffsbefugnis ist kein Raum, da die Vollstreckung von Freiheitsentziehung nur aufgrund richterlicher Entscheidung und formeller
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Lackner/Kühl Rdn. 7 gegen OLG Celle StV 1997 4 7 7 ; OLG Düsseldorf (4. Strafsenat) StV 1996 4 7 und NStZ-RR 2 0 0 6 251; unklar insoweit Fischer Rdn. 23, wo das Übermaßverbot i.S. eines Korrektivs zur zweiten Ansicht erwähnt wird. OLG Jena, Beschluss vom 17.10.2006 - 1 WS 332/06. Vgl. Volckart Maßregelvollzug 32 ff;
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Volckart Verteidigung 125 f; zur Terminologie vgl. i.Ü. Ostermann StV 1993 52 sowie Trennhaus StV 1999 511 ff). Volckart Verteidigung Rdn. 291. Vgl. BVerfG NStZ 1998 77: „Dass der Verurteilte ... die Zwischenhaft in sog. Organisationshaft verbringt, ist gesetzlich nicht vorgesehen."
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Reihenfolge der Vollstreckung
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gesetzlicher Ermächtigung erfolgen darf (OLG Brandenburg NStZ 2 0 0 0 500, 501 f gegen die Auffassung der Staatsanwaltschaft im zugrunde liegenden Verfahren). Eine gesetzwidrige und dem zu vollstreckenden Urteil widersprechende Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge liegt bei der Organisationshaft dann vor, wenn die Vollstreckungsbehörde in Umsetzung des gerichtlichen Rechtsfolgenausspruchs nicht unverzüglich die Überstellung des Verurteilten in den Maßregelvollzug einleitet und herbeiführt. 38 Organisationshaft ist damit nicht per se rechts- bzw. verfassungswidrig. Vielmehr ist in der Strafprozessordnung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen eine zeitliche Verzögerung der Vollstreckung eines Strafurteils angelegt. 39 Trotz prinzipieller Verpflichtung der Länder zur Bereithaltung geeigneter Behandlungsplätze kann wegen des nicht exakt vorhersehbaren Bedarfs nicht verlangt werden, dass für den jeweiligen Verurteilten ein geeigneter Platz in einer Maßregeleinrichtung vorgehalten wird. Die von Verfassungs wegen noch vertretbare Organisationsfrist ist daher anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles unter Berücksichtigung der Bemühungen der Strafvollstreckungsbehörde um eine beschleunigte Unterbringung des Verurteilten im Maßregelvollzug zu bestimmen. 40 Bei Beachtung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben dürfte auch kein Verstoß gegen Art. 5 E M R K 4 1 vorliegen.
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Der Verurteilte darf mithin so lange in der JVA festgehalten werden, wie die Vollstreckungsbehörde bei angemessener Organisation benötigt, um im Einzelfall mit der auch in Haftsachen erforderlichen Beschleunigung 42 einen - auch außerhalb des jeweiligen Bundeslandes - vorhandenen Haftplatz unverzüglich zu lokalisieren und die Überführung dorthin zu organisieren. 43
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Eine starre Bemessung der Organisationsfrist ist nicht möglich. 44 Der in der Rspr. früher für noch erträglich erachtete Zeitraum von 3 Monaten 4 5 ist nach o.a. Erwägungen nicht oder nur in seltensten Ausnahmefällen hinnehmbar. 46 Die Organisationshaft ist von dem Zeitpunkt an unzulässig, bis zu dem Gericht und StA bei angemessener Organisation und Beeilung geklärt haben könnten, dass für den Verurteilten ein Platz im Maßregelvollzug nicht zur Verfügung steht (OLG Brandenburg NStZ 2 0 0 0 504). Nach Ablauf dieser Zeit ist der Verurteilte zu entlassen, da der weitere Vollzug der „Organisationshaft" gegen Art. 104 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG verstößt, wonach die Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Geset-
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BVerfG NJW 2 0 0 6 427, 4 2 8 f; mit Verweis auf OLG Brandenburg StV 2 0 0 1 23, 25. BVerfG NJW 2 0 0 6 427, 429. BVerfG NJW 2 0 0 6 427, 4 2 9 ; zust. Bartmeier NStZ 2 0 0 6 5 4 7 ff. Dazu Trennhaus StV 1999 511. Zur zunehmenden Tendenz der Betonung des Beschleunigungsgebots in der obergerichtlichen Rspr. vgl. etwa OLG Dresden NStZ 1993 511; OLG Brandenburg StV 2 0 0 1 23 ff; OLG Celle StV 2 0 0 3 32 f; OLG Celle NStZ-RR 2 0 0 3 316; OLG Hamm NStZ-RR 2 0 0 4 381 ff. Vgl. OLG Brandenburg StV 2 0 0 1 2 3 , 2 5 ; NStZ 2 0 0 0 5 0 0 m. krit. Anm. Rautenberg NStZ 2 0 0 0 5 0 2 f, der eine gesetzliche Grundlage und Klärung fordert; aA Pollähne/Böllinger NK Vor § 67 Rdn. 17: Der
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Betroffene sei entweder sofort in den Maßregelvollzug zu verlegen oder auf freien Fuß zu setzen. OLG Brandenburg StV 2001 23, 25. Erstmals OLG Hamm JMB1. N W 1980 213 ff = M D R 1980 952; vgl. ferner OLG Celle NJW 1997 2 9 6 4 ; OLG Celle NStZ-RR 2 0 0 2 350; OLG Düsseldorf NStZ 1981 366; OLG Hamm NStZ 1989 5 4 9 sowie die weiteren Nachw. bei Volckart/Grünebaum S. 33. AA Lemke, Anm. zu BVerfG NStZ 1998 77, der „in besonders gelagerten Situationen" sogar eine Überschreitung dieses Zeitraums um weitere zwei bis drei Monate für zulässig hält und einen an eine Organisationshaft von „genau 3 Monaten anknüpfenden Entlassungsautomatismus" ablehnt.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
zes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden darf. Außerdem kann über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter entscheiden.47 Eine gesetzliche Bestimmung, die es der Vollstreckungsbehörde erlaubt, eine andere Freiheitsentziehung zu vollstrecken als die, die in der zu vollstreckenden gerichtlichen Entscheidung bestimmt wird, existiert nicht,48 insbesondere sind die Arten des Freiheitsentzuges gesetzlich abschließend geregelt.49 Die Verzögerung der Überstellung des Verurteilten in die Maßregelvollzugsanstalt läuft dem Gesetzesbefehl des § 137 StVollzG zuwider, stellt eine bloße Verwahrung des Verurteilten zum Schutz der Allgemeinheit dar 50 und beeinträchtigt den Anspruch des Verurteilten auf eine zeitnahe Unterbringung in einer Anstalt nach § 63 oder § 64. Einem eindeutigen Gesetzesbefehl darf aber die Gefolgschaft nicht deshalb versagt werden, weil die Exekutive nicht die zu seiner Durchführung erforderlichen Mittel bereit hält.51 Eine Strafbarkeit der mit der Vollstreckung unzulässiger „Organisationshaft" befassten Personen wegen Vollstreckung gegen Unschuldige (§ 345) ist allerdings zu verneinen.52 38
Von der Zulässigkeit und den zeitlichen Grenzen der Organisationshaft zu unterscheiden ist die Frage der Anrechnung der Organisationshaft bei der Strafzeitberechnung. Kann der Regelverstoß gegen § 67 zu einer Verlängerung des effektiven Freiheitsentzuges führen, gebieten es Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG der Vollstreckungsbehörde von Verfassungs wegen, den Folgen dieser Regelwidrigkeit im Rahmen der Strafzeitberechnung in geeigneter Weise entgegenzuwirken (BVerfG NStZ 1998 77 m. Anm. Lemke). Deshalb ist Organisationshaft auf den Teil der Freiheitsstrafe anzurechnen, dessen Vollzug sich nicht durch Anrechnung der Unterbringung erledigt, also auf das letzte Drittel.53 Diese Anrechnung durch eine Art „Naturalrestitution" 5 4 erfolgt ab dem Zeitpunkt, zu dem von Gesetzes wegen der Vollzug der Maßregel hätte einsetzen dürfen, also ab Rechtskraft des Urteils. Übersteigt die verbüßte Organisationshaft allerdings das Restdrittel der Strafe, so ist wegen des Übermaßverbots der überschießende Betrag von der Höchstfrist der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abzuziehen (OLG Celle StV 2007 428; Fischer Rdn. 23a; aA Morgenstern StV 2007 441, 442 f).
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e) Organisationsunterbringung. Darunter versteht man die Zeit, die der Verurteilte nach Rechtskraft eines Beschlusses wegen Zweckverfehlung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 67d Abs. 5 nicht sofort in den Strafvollzug verlegt wird, sondern weiterhin in der Entziehungsanstalt verbleibt, bis er in eine Justizvollzugsanstalt verbracht wird (Ollenbruch NStZ 2000 293 f; Maier MK Rdn. 37). In der Regel wird es sich hier nur um wenige Tage handeln, jedoch sind auch Einzelfälle bekannt geworden, in denen diese Zeit mehrere Wochen in Anspruch nahm (Ullenbruch NStZ 2000 290).
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Vgl. OLG Brandenburg StV 2 0 0 1 23, 25; OLG Celle NStZ-RR 2 0 0 2 349, 350: „eine allgemein verbindliche noch zulässige Zeitspanne für die Organisation eines Maßregelvollzuges - z.B. von drei Monaten - kann nicht festgelegt werden". OLG Brandenburg StV 2 0 0 1 23. Volckart Maßregelvollzug S. 33; auch eine vom Ergebnis her noch am ehesten sinnvolle - analoge Anwendung der vorläufigen Unterbringung gem. § 126a StPO kommt entgegen Ostermann StV 1993 52, 54 - nicht in Betracht, da die Unterbringung nicht
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mehr zu erwarten, sondern bereits angeordnet ist. Vgl. OLG Celle NStZ 1995 255. BVerfG NJW 2 0 0 6 427, 4 2 9 ; BGHSt 2 8 327, 329. So zutreffend Rautenberg NStZ 2 0 0 0 502, 5 0 3 sowie Volckart/Grünebaum, S. 33. BVerfG NStZ 1998 77; LG Stade R & P 1995 95; OLG Celle StV 2 0 0 6 422; 2 0 0 7 4 2 8 OLG Düsseldorf StV 2 0 0 6 4 2 3 ; Lackner/ Kühl Rdn. 7; Fischer Rdn. 23a. Ullenbruch NStZ 2 0 0 0 289; Volckart StV 1997 480; Volckart/Grünebaum S. 34.
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Reihenfolge der Vollstreckung
§67
Auch hier erfolgt die Freiheitsentziehung unzulässig am falschen Ort und kann deshalb nicht unmittelbar auf die Freiheitsstrafe angerechnet werden. Deshalb gelten auch hierfür die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zur Organisationshaft (BVerfG NJW 2 0 0 6 427 ff; Rdn. 33 ff); die Wartezeit ist auf denjenigen Teil der Freiheitsstrafe anzurechnen, der nicht durch Anrechnung der Unterbringung erledigt ist, auch wenn diese Bestandteil des letzten Drittels ist (OLG Celle NStZ 2 0 0 7 407; Ullenbruch NStZ 2 0 0 0 293 f). Anders ist es in den Fällen der Erledigungserklärung bis zur Rechtskraft eines Beschlusses der Strafvollstreckungskammer gemäß § 67d Abs. 5 Satz 1, nachdem der Verurteilte oder die Staatsanwaltschaft - in der Regel aufgrund einer Anregung der Entziehungsanstalt - die Feststellung der Zweckverfehlung beantragt hat. Zwar findet in diesen Fällen keine weitere Therapie mehr statt und der Verurteilte befindet sich meist mehrere Wochen in einer geschlossenen Abteilung. 55 Gleichwohl muss es in diesen Fällen bei einer Begrenzung der Anrechnung auf zwei Drittel der Strafe bleiben (OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 6 387). Eine der Organisationshaft (Rdn. 33 ff) vergleichbare Fallgestaltung liegt nicht vor (aA OLG Celle StV 2 0 0 6 422), da es sich hier nicht um eine regelwidrige Vollstreckung handelt, sondern um eine regelgerechte Durchführung der Maßregel, die im Einklang mit der rechtskräftigen Verurteilung bis zur Rechtskraft der neuen Entscheidung vollzogen wird (OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 6 387).
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5. Behandlung eines überschießenden Strafrests (Abs. 5). Ist der vorweggenommene 4 1 Maßregelvollzug kürzer als die Dauer der verhängten Freiheitsstrafe, entsteht die kritische Frage, wie der überschießende, durch die Anrechnungsregeln des Abs. 4 noch nicht verbrauchte Strafrest zu behandeln ist. Das Gesetz stellt in Abs. 5 dafür drei Möglichkeiten zur Verfügung: Aussetzung unter den Voraussetzungen des Abs. 5 Satz 1 (Rdn. 42 ff); Fortsetzung des Maßregelvollzugs (Rdn. 52 ff); Überweisung in den Strafvollzug (Rdn. 56 ff). a) Die Aussetzung des Strafrests (Abs. 5 Satz 1). Sie kommt vor allem in Betracht, wenn die weitere Vollstreckung der Maßregel nach § 67d Abs. 2 zur Bewährung ausgesetzt wird. Dass § 67 Abs. 5 Satz 1 auch und gerade für diesen Fall gilt, ergibt sich aus den Grundgedanken der Regelung.
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Bei der Unterbringung in der Entziehungsanstalt kann die Aussetzung aber auch mit Ablauf der Höchstfrist für die Dauer des Vollzugs dieser Maßregel (§ 67d Abs. 1) erfolgen (für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gibt es eine solche Frist nicht). Bei korrekter Handhabung des Gesetzes müsste dieser Fall an sich zwar selten sein, weil der Täter aus dem Maßregelvollzug zu entlassen ist, „wenn zu erwarten ist dass der Verurteilte außerhalb dieses Maßregelvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird" (§ 67d Abs. 2), und diese Situation ja wohl kaum genau gerade am Tag des Ablaufs der Höchstfrist eintritt. Insbesondere durch die Möglichkeit, Fristen für die Prüfung der Maßregel-Aussetzung festzulegen (§ 67e), kann es jedoch auch durchaus zum Zusammenfallen der beiden Termine kommen.
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Ollenbruch NStZ 2 0 0 0 2 9 2 f (bis zu drei Monate) will deshalb und im Hinblick auf die faktische Strafwirkung dieses Verbleibs auch in diesen Fällen die Grundsätze der Organisationshaft anwenden und die von der Antragstellung bis zur Rechtskraft des
Beschlusses verbrachte Zeit gegebenenfalls auch auf das letzte Drittel der Strafe anrechnen; dagegen LG Freiburg NStZ 2 0 0 0 2 9 2 f, das die Anrechnung auf die ersten beiden Drittel der Strafe begrenzt.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Voraussetzung der Aussetzung ist aufgrund der Verweisung auf § 57 Abs. 1, dass das Gericht eine günstige Prognose i.S. des § 57 Abs. 1 Nr. 2 bejaht und dass der Verurteilte einwilligt (§ 57 Abs. 1 Nr. 3). Auf die weitere Voraussetzung des § 57 Abs. 1 (Nr. 1), dass der Verurteilte mindestens zwei Drittel der verhängten Freiheitsstrafe verbüßt hat, kommt es hingegen nach der Formulierung des § 67 Abs. 5 Satz 1 nicht an. Dieser Privilegierung der Untergebrachten gegenüber den Strafgefangenen liegt die Ansicht des Sonderausschusses zugrunde, dass „nicht einzusehen" sei, „warum der Verurteilte, obwohl der Maßregelzweck erreicht ist, anschließend noch stets im Vollzug zurückgehalten werden soll, bis ... zwei Drittel der Strafe verbüßt sind" (2. Bericht S. 32). Das Gesetz wollte damit, wie auch die Entstehungsgeschichte deutlich macht,56 insoweit also Gesichtspunkten der Spezialprävention den Vorrang vor den zeitlichen Begrenzungen des § 57 Abs. 1 geben, insbesondere einen schon erreichten Maßregelzweck nicht wieder gefährden.
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Seit dem 23. StRÄndG ist die Aussetzung nach der ausdrücklichen Formulierung des Gesetzes jedoch nur zulässig, wenn durch die Anrechnung (mindestens) die Hälfte der Strafe erledigt ist. Die Frage war bis dahin umstritten.57 Die Anrechnungsbegrenzung durch das 23. StRÄndG, die der schon früher h.M. entspricht, enthält eine Angleichung an § 36 BtMG; sie beruht insbesondere auf der Erwägung, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz eine noch weitergehendere Privilegierung verbiete und dass die Funktion der Strafe nicht zu sehr zugunsten des Rehabilitationsgedankens aufgegeben werde dürfe (BTDrucks. 10/2720 S. 3). Sie steht im Widerspruch zur Ansicht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, der die auch von ihm zunächst vorgesehene Bindung an die Fristen des § 57 (vgl. noch Prot. V, 2323 ff) schließlich ausdrücklich verworfen (Prot. V, 3248 f) und selbst eine Zwischenlösung des AE (AE-AT § 77 Abs. 2, 3) bewusst nicht übernommen hat.
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Nach pflichtgemäßem Ermessen („kann") hat das Gericht - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - über die Aussetzung des Strafrests zu entscheiden. Dieses Ermessen verdichtet sich in der Regel zu einer Verpflichtung zur Aussetzung, wenn der Täter (mindestens) zwei Drittel der Strafe verbüßt hat und die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.58 Denn es besteht grundsätzlich keinerlei Anlass, bei dem auch zu einer Unterbringung verurteilten Täter hinsichtlich der Erprobungsklausel des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 spezialpräventiv strengere Maßstäbe anzulegen als bei demjenigen, der lediglich zu Strafe verurteilt worden ist. Etwas anderes gilt allenfalls (so Horstkotte LK 10 , § 67d Rdn. 80), wenn der nach § 64 untergebrachte Täter zu einer Gesamtstrafe verurteilt worden ist, die auch suchtunabhängige Taten einschließt; es erscheint (selten) denkbar, dass dann trotz der Aussetzungsreife der Maßregel hinsichtlich der nicht suchtbedingten Taten die Aussetzung nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 unter Berücksichtigung des Sicherungsinteresses der Allgemeinheit (noch) nicht verantwortet werden kann.
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Einen sachlichen Regelungsinhalt hat die spezifische Ermessensentscheidung des § 67 Abs. 5 Satz 1 mithin in der Regel nur für die Zeitspanne zwischen der Halbzeit- und der
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Prot. V, 23 ff, 2 4 4 5 f, 3248 f; vgl. auch Horstkotte J Z 1970 123. Vgl. z.B. - je m.w.N. - OLG Celle J R 1978 421; OLG Stuttgart NStZ 1984 77; Hanack JR 1978 3 9 9 und LK 1 0 Rdn. 19. Ebenso Horn SK Rdn. 7 (der von einer „unmittelbaren Geltung" des § 5 7 Abs. 1
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spricht); OLG Frankfurt NJW 1980 2535, 2 5 3 6 ; Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 80 m.w.N.; nach LG Bayreuth StV 1995 2 0 5 ist eine Aussetzung des Strafrestes auch bei Therapieunfähigen nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
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Reihenfolge der Vollstreckung
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Zwei-Drittel-Verbüßung. Marquardt (S. 165) hat - wenn auch vor der Neufassung des § 67 Abs. 5 Satz 1 durch das 23. StRÄndG - die Ansicht vertreten, für die Entscheidung dürften ausschließlich spezialpräventive Gesichtspunkte maßgebend sein: Beim Zweck der Vorschrift, der „möglichst kompromisslosen Durchsetzung der spezialpräventiven Erfordernisse des Einzelfalles", hätte der Gesetzgeber, wenn er auch Gesichtspunkte der Schuld (Strafe) bei der Entscheidung über die Aussetzung berücksichtigt wissen wollte, dies „durch eine entsprechende Formulierung zum Ausdruck bringen müssen". Da er das nicht getan habe, dürfe bei der Entscheidung die Schwere der begangenen Straftat und das Ausmaß der Schuld keinerlei Rolle spielen. Dem ist - auch für den heute noch relevanten Bereich von der Halbzeitverbüßung an - nicht zu folgen 5 9 : Die Kann-Vorschrift hätte in ihrer alten und neuen Fassung keinerlei Sinn, wenn das Gericht - wie bei § 57 Abs. 1 - nur die spezialpräventiven Gesichtspunkte zu berücksichtigen hätte, also zur Aussetzung stets verpflichtet wäre, wenn die günstige Prognose gegeben ist. Zu einer anderen Betrachtung berechtigt auch nicht die „merkwürdige Konsequenz" (Lenckner S. 232), dass dann der bei Nichtaussetzung des Strafrests grundsätzlich fortdauernde Maßregelvollzug „in Wahrheit generalpräventive Aufgaben zu erfüllen hat", denn diese Konsequenz beruht auf einer in sich sinnvollen Überlegung (Rdn. 52) und deutet damit mittelbar ebenfalls darauf hin, dass das Gesetz Fälle voraussetzt, in denen es nicht zu einer Aussetzung kommt, obwohl das unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention möglich wäre. Im Übrigen ging der Gesetzgeber selbst - wie auch Marquardt nicht übersieht (aaO Fn. 102) - erkennbar davon aus, dass bei der Entscheidung über die Aussetzung auch Tatschwere und Schuldgröße eine Rolle spielen (vgl. Prot. V, 2348; unklar freilich 2. Bericht S. 32).
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Tatsächlich enthält das Gesetz hier einen nicht ausgetragenen Konflikt zwischen der Spezialprävention und dem Schuldprinzip, den der Richter im Rahmen seines Ermessens tunlich auszugleichen hat. Es handelt sich um einen Konflikt, dem der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform klar ausgewichen ist. Er wird durch die spätere Entscheidung des Gesetzgebers im 23. StRÄndG, die Aussetzung erst nach Erledigung der Hälfte der Strafe zuzulassen, zwar im Umfang gemildert, aber nicht wirklich bereinigt. Schwer wiegt er insbesondere in Fällen, in denen es (zwischen Halbzeitverbüßung und ZweiDrittel-Erledigung) um ein größeres Strafquantum geht.
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Eine Aussetzung des Strafrests ohne Rücksicht auf Schuldgesichtspunkte entspricht dem pflichtgemäßen Ermessen dann, wenn sonst der schon erreichte Maßregelzweck ernsthaft gefährdet würde. Denn dass der erreichte Zweck nicht wieder zerstört werden soll, liegt im Prinzip des vikariierenden Systems notwendig eingeschlossen. Insoweit besteht also zwingend ein Vorrang der Spezialprävention. Das ist erkennbar auch die Vorstellung des Gesetzgebers gewesen, der hier die - vom Gedanken der Schuld her ungerechte - Besserstellung des Täters in Kauf genommen hat.
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Aber auch im Übrigen ist bei Abwägung der Gerechtigkeits- und Gleichheitsprobleme 5 1 eine zu enge oder schematische Anlehnung an die Zweidrittelgrenze des § 5 7 Abs. 1 nicht ohne weiteres sachgemäß. Zu bedenken ist vielmehr einmal, dass der Maßregelvollzug vielfach härtere Anforderungen an den Betroffenen stellt als der Strafvollzug, dass aber vor allem die erfolgreiche Mitwirkung an den Bemühungen dieses Vollzugs häufig eine Leistung darstellt, die - in gewissem Sinne als positives Nachtatverhalten (vgl. § 46
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Ablehnend im Ergebnis auch Lenckner S. 231 f; Horn SK Rdn. 7; wie hier Maier MK Rdn. 41.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Abs. 2) - Beachtung verdient. Zu bedenken ist zum anderen, dass eine Straftat, die mit auf Störungen der in den § § 6 3 und 64 vorausgesetzten Art beruht, vielfach unter Schuldgesichtspunkten eine mildere Betrachtung verdient. Diese mildere Betrachtung wird zwar regelmäßig schon bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden. Ihre nochmalige Berücksichtigung bei der Entscheidung über die Aussetzung erscheint aber jedenfalls dann zulässig und angemessen, wenn sie von erfolgreichen Anstrengungen des Täters zur Beseitigung der Störung begleitet wird (vgl. auch Funck Anm. in NStZ 1990 509: „kriminalitätsrelevante Krankheit" wird „sozusagen den besonderen Umständen des § 57 II Nr. 2 StGB gleichgestellt"). 52
b) Fortsetzung des Maßregelvollzugs (Abs. 5 Satz 2, Halbs. 1). Lehnt das Gericht eine Aussetzung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 ab, ist die gesetzliche Normalfolge, dass der Maßregelvollzug fortgesetzt wird. Das Gesetz will auf diese Weise insbesondere vermeiden, dass die durch den Maßregelvollzug schon erzielten Erfolge wieder in Frage gestellt werden, und „zugleich das allgemeine Vollzugsprinzip" berücksichtigen, dass die Anstalten möglichst wenig gewechselt werden (2. Bericht S. 32).
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Die Fortsetzung der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus kann, weil § 63 an eine gesetzliche Höchstfrist nicht gebunden ist, bis zum Eintritt der Voraussetzungen des § 67d Abs. 2 erfolgen, also bis zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. 54 Zweifelhaft ist hingegen, wie lange die Unterbringung in der Entziehungsanstalt fortgesetzt werden darf. Denn für § 64 gilt nach § 67d Abs. 1 Satz 1 eine „Grund-Höchstfrist", die sich in den Fällen des § 67d Abs. 1 Satz 3 verlängert, wobei für diese Verlängerung heute die Anrechnungsklausel des § 67 Abs. 4 Satz 1 wesentlich ist. Die Berechnung der Fristverlängerung ist umstritten (eingehend Volckart NStZ 1987 216; Rissing-van Saan/Peglau LK, Erl. zu § 67d), ergibt aber nach allen vertretenen Meinungen eine absolute Höchstfrist, so dass die missliche Frage entsteht, wie sich diese Höchstfrist zur Fortsetzung des Maßregelvollzugs gemäß § 67 Abs. 5 Satz 2 verhält. Da § 67 Abs. 5 Satz 2 eine Spezialregelung über die Art des Vollzugs darstellt, wenn eine Aussetzung des Strafrests nach Abs. 5 Satz 1 (noch) nicht möglich ist, wird man annehmen müssen, dass § 67 Abs. 5 Satz 2 die Fortsetzung des Maßregelvollzugs auch über die Höchstfrist des § 67d hinaus gestattet. 60 Dafür spricht insbesondere der Zweck der Vorschrift, deren elastische Regelung gerade verhindern soll, dass der erfolgreich behandelte Täter in jedem Fall in den Strafvollzug zu überführen ist, z.B. selbst dann, wenn es nur um einen kurzfristigen Vollzug ginge, durch ihn aber das in der Maßregelunterbringung Erreichte gefährdet würde; denn der umgekehrten Gefahr, dass der Täter durch zu lange Verweildauer in der Entziehungsanstalt „verharscht", beugt § 67 Abs. 5 Satz 2, Halbs. 2 vor (dazu Rdn. 58). Dem Verurteilten entsteht durch die befürwortete Sicht vom Vorrang des § 67 Abs. 5 Satz 2 auch kein Nachteil. Denn sie legitimiert nur den weiteren Vollzug der Maßregel, bedeutet aber nicht, dass sich auch im Übrigen die Höchstfrist des § 67d Abs. 2 verlängert, so dass bei späterer Aussetzung des Strafrests wegen der zwischenzeitlichen Erledigung der Maßregel die Führungsaufsicht des § 67d Abs. 2 Satz 2 nicht eintritt und ein Widerruf gemäß § 67g nicht zulässig ist.61
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Ebenso OLG Karlsuhe Justiz 2005 285, 286; Rissing-van Saan/Peglau LK § 67d; Lackner/ Kühl Rdn. 10; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Volckart NStZ 1987 216; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 27; aA Streng Rdn. 366 Fn. 364.
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Näher Horstkotte LK10 § 67d Rdn. 15; zustimmend Volckart NStZ 1987 217.
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Die Möglichkeit, trotz der Fortsetzung des Maßregelvollzugs auch später noch eine Aussetzung nach Abs. 5 Satz 1 zu verfügen, bleibt unberührt; es gilt also auch dann die vorverlegte Zeitgrenze des Satzes l . 6 2
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c) Anordnung des Strafvollzugs (Abs. 5 Satz 2, Halbs. 2). In Abweichung von der Regel, dass nach abgelehnter Aussetzung der Maßregelvollzug fortgesetzt wird, gestattet das Gesetz dem Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen („kann"), den Vollzug der Freiheitsstrafe anzuordnen, „wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen".
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Die Formulierung „Umstände in der Person" schließt „Gründe der allgemeinen Abschreckung" aus (2. Bericht S. 32), aber auch die Berücksichtigung fiskalischer Belange und sonstiger Umstände, die allein in der Sphäre des Staates liegen. Der Gesetzgeber dachte an Fälle, in denen die Fortsetzung des Maßregelvollzugs „unzweckmäßig" ist, so etwa weil der zur Unterbringung in der Entziehungsanstalt Verurteilte noch eine mehrjährige Freiheitsstrafe zu verbüßen hat und seine Überweisung in einen gelockerten Strafvollzug (§§ 11, 141 Abs. 2 StVollzG) in Betracht kommt (2. Bericht aaO). „Angezeigt" ist die Anordnung jedoch nur, wenn sie spezialpräventive Belange nicht verletzt. Dies ergibt sich aus dem Ausnahmecharakter der Bestimmung im Gefüge des § 67, dem es entscheidend auf die sachgerechte Einwirkung im Interesse der Resozialisierung des einzelnen Täters ankommt. Zu beachten ist daher insbesondere, ob der weitere Maßregelvollzug - und zwar gegebenenfalls unter Ausnutzung auch der Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel gemäß § 67a - noch einen Erfolg verspricht, ob er zur Erhaltung schon eingetretener Behandlungserfolge erforderlich ist und ob die Anordnung mit den sonstigen Zwecken zu vereinbaren ist, derentwegen das Gesetz vom Grundsatz des weiteren Maßregelvollzugs ausgeht (s. Rdn. 58). Diese Gesichtspunkte umschreiben zugleich die wesentlichen Kriterien, nach denen das pflichtgemäße Ermessen hier zu handhaben ist.
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Im Übrigen liegen die Probleme, entsprechend den unterschiedlichen Behandlungszielen und -methoden, bei den beiden von § 67 erfassten Anstaltstypen etwas verschieden. Bei der Unterbringung in der Entziehungsanstalt ist wesentlich, dass sie schon gemäß § 67d Abs. 5 Satz 1 abgebrochen werden kann, wenn sich ihre Aussichtslosigkeit herausstellt. Auch im Übrigen dürfte es beim spezifischen Charakter dieser Anstalt im Allgemeinen ganz untunlich sein, einen Täter über viele Jahre in einer solchen Anstalt zu halten (vgl. auch Schöch LK § 64 Rdn. 167, 169 ff). So wird, falls nicht die Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel gemäß § 67a angezeigt ist, die Verlegung in den Strafvollzug bei noch länger dauernder Strafhaft meist zweckmäßig sein. 63 Doch kommt es auch dabei auf die (in der Person liegenden) Umstände des Einzelfalles an. Aus der Sicht der Verteidigung dürften die Lebensverhältnisse in der Entziehungsanstalt meistens vorzugswürdig sein, „wenigstens im Hinblick auf die Gewährung von Vollzugslockerungen zur Befestigung und Bewährung des bisherigen Therapieerfolgs, bei einigen Einrichtungen auch wegen der besseren Wohnverhältnisse" (Volckart Verteidigung Rdn. 432).
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Bei der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus wird sich schon wegen der Art des Täterkreises die Überweisung in den Strafvollzug seltener empfehlen, zumal zur Aufgabe dieser Anstalten bei nicht behobener Gefährlichkeit des Verurteilten ja speziell
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Marquardt S. 166; zust. Sch/Schröder/Stree Rdn. 5. OLG Celle NStZ 1983 3 8 4 LS; OLG Hamm
NStZ 1983 4 8 0 LS und MDR 1977 3 3 4 ; OLG Karlsruhe MDR 1981 867.
Heinz Schöch
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
seine „Aufsicht, Betreuung und Pflege" gehört (§ 136 Satz 2 StVollzG) und sie auch nach dem Abklingen der akuten Gefährlichkeit auf eine dem Verurteilten förderliche Betreuung in der Regel besser eingerichtet sind als Justizvollzugsanstalten (vgl. aber auch Rdn. 91 ff).
IV. Der ausnahmsweise Vorwegvollzug der Strafe (Abs. 2) 59
1. Allgemeines. § 67 Abs. 2 enthält eine Ausnahme vom Grundsatz des Vikariierens, die schon deswegen schwer wiegt oder wiegen kann, weil eine Anrechnung des vorweggenommenen Strafvollzugs auf die Höchstdauer des Maßregelvollzugs nicht stattfindet (mag die Anordnung des Vorwegvollzugs auch bei der Strafzumessung beachtlich sein, s. Schöch LK § 63 Rdn. 156). Dass Abs. 2 zurückhaltend anzuwenden ist, ergibt sich aus seinem Ausnahmecharakter (BGH StraFo 2 0 0 6 299). Der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform ging davon aus, dass er „keine sehr große Bedeutung" haben und allenfalls bei einem „kleinen Prozentsatz" von Tätern zur Anwendung kommen werde (Prot. V, 338 f, 340, 2318). Der Vorwegvollzug der Strafe ist nur zulässig, wenn dadurch der Maßregelzweck leichter erreicht wird (Lackner/Kühl Rdn. 3). Auch bei hohen Freiheitsstrafen (BGHSt 37 160, 162) geht es nach der gesetzlichen Konzeption primär darum, den Täter frühzeitig zu heilen (§ 63) oder von seinem Hang (§ 64) zu befreien (Tröndle/ Fischer Rdn. 5). Bleibt die Prognose offen, ob durch den Vorwegvollzug der Strafe bessere Therapiechancen eröffnet werden, so ist dessen Anordnung unzulässig (BGH NStZ 1993 437 f). Das Fehlen eines geeigneten Therapieplatzes, das in der Praxis - insbesondere bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt - häufig geltend gemacht wird, ist kein Grund, von der gesetzlichen Vollstreckungsreihenfolge abzuweichen, da es nicht Sache der Gerichte sein kann, einem eindeutigen Gesetzesanliegen die Gefolgschaft deshalb zu versagen, weil die Exekutive oder die Länderhaushalte nicht die zu seiner Durchführung erforderlichen Mittel bereithalten (BGH NStZ 1981 492 mit krit. Anm. Scholz; Rdn. 88 ff). 64
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Im UnterbrSichG vom 16.7.2007 wird dem Belegungsdruck in den Entziehungsanstalten - neben der Umgestaltung des § 64 in eine Soll-Vorschrift (dazu Schöch LK § 64 Rdn. 155 ff) - mittelbar auch durch die neu hinzu gefügten Sätze 2 und 3 des § 67 Abs. 2 Rechnung getragen, die bei gleichzeitig verhängter Freiheitsstrafe von über drei Jahren durch angepassten, die Gesamtdauer des Freiheitsentzugs nicht verlängernden Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe ermöglichen, dass nach Ablauf der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in der Regel das letzte Drittel der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Nach dem neuen Satz 4 soll das Gericht - ebenfalls begrenzt auf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt - den Vorwegvollzug der Strafe anordnen, wenn zu erwarten ist, dass der Aufenthalt eines ausreisepflichtigen Verurteilten mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Bundesgebiet durch aufenthaltsrechtliche Maßnahmen während oder unmittelbar nach Vollzug der Strafe beendet wird.
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§ 67 Abs. 2 Satz 1 beruht auf der gesetzgeberischen Überlegung, dass es Fälle geben kann, bei denen seine ideale Vorstellung von der größeren Wirksamkeit des Maßregelvollzugs (Rdn. 7) im Einzelfall nicht zutrifft, sondern der „Zweck der Maßregel", d.h. die Beseitigung der Gefährlichkeit des Täters, ausnahmsweise durch einen Vorwegvollzug
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Im Erg. ebenso BGH NStZ 1990 103; BayObLG NJW 1981 1522; OLG Dresden
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NStZ 1993 511; LG Zweibrücken StV 2 0 0 4 608.
Heinz Schöch
Reihenfolge der Vollstreckung
§67
von Strafe leichter erreicht wird. Die Vorschrift verfolgt also rein spezialpräventive Zwecke. Es geht, wie schon ihr Wortlaut deutlich macht, allein um die Frage, ob die Resozialisierung des Täters „durch" einen vorweggenommenen Strafvollzug leichter erreicht wird; mit Gesichtspunkten der Generalprävention oder gar mit Schuldgesichtspunkten hat Abs. 2 nichts zu tun. Die Anwendungsfälle, an die der Gesetzgeber bei Einführung der Vorschrift dachte, sind die mögliche Ausnutzung des „Leidensdrucks" (Rdn. 7 0 ff) und die Gefährdung des Maßregelvollzugs durch einen anschließenden Vollzug von Freiheitsstrafe (Rdn. 7 8 ff). Aber diese Beispiele sind wenig überzeugend oder sogar widersprüchlich; sie erfassen zudem nicht alle denkbaren kritischen Fälle. So hat die Regelung in der Praxis erhebliche Probleme und Unsicherheiten ausgelöst.
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Der Vorwegvollzug nach Abs. 2 kann nur im Urteil des erkennenden Gerichts angeordnet werden. Das ergibt sich zwar nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut des Gesetzes, wohl aber aus der Notwendigkeit, Abs. 2 von den nachträglichen Entscheidungen gemäß Abs. 3 (Entscheidungen nach Rechtskraft, Rdn. 104) abzugrenzen. Die Begründung muss sich an den Umständen des Einzelfalls orientieren 6 5 und nicht nur auf den Vorwegvollzug an sich, sondern auch auf die Dauer des Vorwegvollzugs eingehen (Maier M K Rdn. 49, 51 f).
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Das Gericht ist zur Anordnung des Vorwegvollzugs verpflichtet, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 1 gegeben sind. Insoweit handelt es sich also um eine Muss-Vorschrift. 66 Der Sonderausschuss hat das damit begründet, dass es „sinnwidrig wäre, den Vorwegvollzug der Strafe trotz der Erkenntnis, dass hierdurch der Zweck der Maßregel leichter erreicht wird, noch in das Ermessen des Gerichts zu stellen" (2. Bericht S. 31). Die Verpflichtung besteht danach heute auch, wenn das Gericht nur einen teilweisen Vorwegvollzug für erforderlich hält (dazu B G H N S t Z 1991 2 5 2 , 2 5 3 ; vgl. auch Rdn. 65). Bei den Erweiterungen gemäß Abs. 2 Satz 2 und 4 bezüglich der Entziehungsanstalt durch das UnterbrSichG vom 16.7.2007 handelt es sich um Soll-Vorschriften.
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2 . Der teilweise Vorwegvollzug. Die gesetzliche Möglichkeit, „einen Teil" der Strafe vor der Maßregel zu vollstrecken, ist erst durch das 2 3 . StRÄndG im Jahr 1 9 8 6 eingeführt worden. Bei den Beratungen zur Großen Strafrechtsreform war eine solche M ö g lichkeit noch ausdrücklich abgelehnt worden, weil das erkennende Gericht im Voraus regelmäßig kaum übersehen könne, durch welchen Teil-Vorwegvollzug der Strafe sich der Maßregelzweck gegebenenfalls leichter erreichen lasse (2. Bericht S. 31; Prot. V, 2 3 1 9 ff); der Sonderausschuss hielt es im Hinblick auf diese Prognoseschwierigkeiten für richtiger, wenn darüber, ob nach einer gewissen Dauer der Strafvollstreckung der Maßregelvollzug eingeschaltet werden soll, das Vollstreckungsgericht gemäß Abs. 3 entscheidet (vgl. dazu auch BGHSt 3 3 2 8 5 , 2 8 7 f). Die Neuregelung will demgegenüber „einem Anliegen der Praxis Rechnung" tragen und „nachträgliche Entscheidungen nach § 6 7 Abs. 3 StGB dort entbehrlich machen, wo ein Vorwegvollzug eines Teils der Strafe im Rehabilitationsinteresse des Verurteilten liegt" (BTDrucks. 10/2720 S. 13; skeptisch, aber nicht grundsätzlich ablehnend Kaiser S. 2 5 ff). Gedacht war dabei „vor allem" an Fälle, in denen der Rest einer sehr langen Freiheitsstrafe nach erfolgreichem Maßregelvollzug noch nicht nach § 6 7 Abs. 5 Satz 1 ausgesetzt werden kann (dazu Rdn. 78 ff sowie die im UnterbrSichG vom 16.7.2007 geschaffene Sonderregelung in § 6 7 Abs. 2 Satz 2, 3, Rdn. 9 4 ff),
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BGHSt 33 285, 287; BGHR S 67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 2, 4, 5, 6, 7, 9.
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Horn SK Rdn. 10; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; Maier MK Rdn. 47.
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aber auch an Fälle, in denen der teilweise Vorwegvollzug den Täter motivieren soll, sich einer Therapie nicht zu widersetzen (Rdn. 70 ff). 66
Hat das Gericht Zweifel bezüglich der erforderlichen Dauer des Vorwegvollzugs, so darf es nicht den Vorwegvollzug der ganzen Freiheitsstrafe anordnen; erforderlich ist dann vielmehr nur die voraussichtliche Mindestfrist für den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe (Fischer NStZ 1991 324 f). Dem Zweck des § 67 entsprechend, die bestmögliche Rehabilitation des Betroffenen zu fördern, schließt die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzugs nachträgliche Entscheidungen gemäß Abs. 3 aber nicht aus (so mittelbar auch BGH NStZ 1991 252, 253). Angesichts der vielfältigen Schwierigkeiten, die Wirkungen des Strafvollzugs auf den Betroffenen und sein Verhalten prognostisch zu bestimmen, ist diese Flexibilität bei der Anwendung der Absätze 2 und 3 geboten. Die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzugs bedeutet insoweit also keine Sperre, sondern nur die Bestimmung eines besonderen Prüfungszeitpunkts.67
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Ordnet das Gericht einen Vorwegvollzug der Strafe an, muss es nicht nur stets prüfen, ob ein Teilvorwegvollzug ausreicht (BGH NJW 1988 216 m. Anm. Hanack JR 1988 379; BGHR § 67 Vorwegvollzug, teilweiser 3). Vielmehr muss es gegebenenfalls die von ihm für erforderlich gehaltene Dauer des Teilvorwegvollzugs auch konkret festlegen.68 Bei dieser im Einzelfall oft schwierigen - nach Anhörung eines Sachverständigen zu treffenden (S 246a StPO) - Entscheidung muss sich das Gericht der Zusatzbelastung bewusst sein, die ein Vorwegvollzug der Strafe für den Verurteilten grundsätzlich darstellt.69 Die Festlegung nur eines unbestimmten Rahmens („mindestens - höchstens") ist dabei regelmäßig unzulässig, schon weil sie mit Abs. 3 nicht harmoniert. 70 Das Gericht sollte sich bei der Bemessung des Vorwegvollzugs der Strafe daran orientieren, dass ihre Dauer zusammen mit der - vom Sachverständigen zu prognostizierenden - voraussichtlichen Dauer des Maßregelvollzugs 2/3 der Strafe ausmacht.71 3. Mögliche Anwendungsfälle für § 67 Abs. 2 Satz 1
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a) Allgemeines. Ob ein Vorwegvollzug der Strafe ausnahmsweise in Betracht kommt, hängt, wie bemerkt (Rdn. 61), allein davon ab, ob er im Rehabilitationsinteresse des Täters erforderlich ist; 72 das gilt auch für die Möglichkeit und Dauer eines teilweisen Vorwegvollzugs.73 Die Rechtsprechung beurteilt die Frage „nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Persönlichkeit des Täters, der Länge der Freiheits-
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Eingehend Maul/Lauven NStZ 1986 4 0 0 ; im Ergebnis ebenso Horn SK Rdn. 10a; Hanack JR 1988 379, 380; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; kritisch zur Kennzeichnung als besonderer Prüfungszeitpunkt Fischer NStZ 1991 325. Dazu näher BGH NStZ 1991 2 5 2 , 2 5 3 ; BGH NStZ 1992 2 0 5 ; Fischer NStZ 1991 325 m.w.N. Vgl. BGH NStZ 1985 92; BGH NStZ 1999 613; BGH NStZ-RR 1 9 9 9 4 4 ; BGH NStZ-RR 2 0 0 3 2 9 5 ; Fischer Rdn. 9. BGH NStZ-RR 2 0 0 0 7; Maier MK Rdn. 75; Lackner/Kühl Rdn. 5; Hanack JR 1988 3 9 7 f. Fn. 3; Fischer NStZ 1991 325. BGH NStZ-RR 2 0 0 3 2 9 5 ; Fischer Rdn. 9; bei längerem Vorwegvollzug muss das
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Gericht erkennen lassen, dass es sich der besonderen Belastung für den Angeklagten bewusst ist und dass die lange Dauer unerlässlich ist, um bei dem Angeklagten einen genügenden Druck zur Schaffung der Therapiebereitschaft auszuüben (BGHR § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 7). So z.B. BGHSt 33 285; BGH NStZ-RR 2 0 0 2 26; BGH NStZ-RR 1999 4 4 ; BGH NStZ-RR 2 0 0 1 93; BGHR § 6 7 II Vorwegvollzug, teilweiser 11; st. Rspr. und allg. Lehre. So z.B. BGH NStZ-RR 1999 4 4 ; BGH NJW 1988 216; BGH StV 1986 4 8 9 ; 1987 150; 1990 2 6 1 ; BGH NStZ 1990 357; BT-Drs. 10/2720 S. 13.
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strafe und der Art der notwendigen Behandlung" (so BGHSt 33 285 m.w.N.). Das Abstellen auf den Einzelfall ist gewiss sachgemäß, verstärkt aber in der Praxis die Schwierigkeiten, die mit der Regelung im Hinblick auf ihren Gerechtigkeitsgehalt und die tatsächlichen Rehabilitationsbedürfnisse des Betroffenen verbunden sind. Auch die meist recht strengen Anforderungen der Revisionsgerichte an die Begründungspflicht des Tatrichters (Rdn. 114) fangen die Probleme nur bedingt ab, zumal sich insoweit auch bei der revisionsgerichtlichen Kontrolle Unsicherheiten zeigen. 74 Der Verdacht, dass die Regelung des Abs. 2 nicht ganz selten benutzt wird, um aus Schuldgesichtspunkten die gesetzlichen „Vergünstigungen" des Vorwegvollzugs der Maßregel (§ 67 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5) zu unterlaufen, ist wohl nicht von der Hand zu weisen. Auffallend ist jedenfalls eine starke Tendenz der Untergerichte zur Anwendung des § 67 Abs. 2, die der BGH häufig beanstanden muss (vgl. z.B. die Entscheidungen in BGHR zu § 67 Abs. 2). Dabei könnte auch eine zu einseitige Tendenz der gemäß § 246a StPO herangezogenen Sachverständigen eine fragwürdige Rolle spielen. 75 Nach den Untersuchungen von Leygraf (S. 74) war 1983 bei 27,4 % der Untergebrachten ein Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung nach § 63 angeordnet worden (überwiegend allerdings bei den sog. Altfällen [vgl. Schöch LK § 63 Rdn. 202] des Art. 314 Abs. 5 EGStGB).
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b) Ausnutzung des „Leidensdrucks". Unter dem Eindruck insbesondere von Ausführungen des Psychiaters Mauch (Prot. V, 2291, 2294; vgl. aber auch Rdn. 74) sah der Sonderausschuss einen möglichen Anwendungsfall des Abs. 2 darin, dass ein Vorwegvollzug der Strafe, der „dem Täter zunächst einmal die Schwere seiner T a t . . . vor Augen" hält, „eine Art Leidensdruck" erzeugen kann, der sich im anschließenden Maßregelvollzug „als nützlich erweisen" könne (2. Bericht S. 31; 7 6 ebenso, wenn nicht noch schärfer, die Begründung zum RegE des 23. StRÄndG, BTDrucks. 10/2720 S. 13).
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Der Gedanke wird von Rechtsprechung und Literatur zum Teil skeptisch betrachtet oder abgelehnt, 77 zum Teil weiterhin aber als denkbarer Anwendungsfall des Abs. 2 bejaht, wenn auch mit Vorsicht 78 und nur nach gründlicher sachverständiger Beratung. 79 Bezogen wird er als „Vorstufe der Behandlung" auf Täter, denen durch den Vorwegvollzug „deutlicher gemacht werden (soll), dass sie sich strafbar gemacht haben und dass es mit der Bestrafung auch ernst gemeint ist". Das soll bei den Tätern dann „zu dem Wunsch führen, die eigene Lage durch Mitarbeit bei einer Therapie im psychiatrischen
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Vgl. z.B. Anm. Hanack zu BGH N J W 1988 218 in JR 1988 379, 381 f. Dazu Streng StV 1987 4 2 ; Hanack J R 1988 379, 380; vgl. auch Schöch LK § 63 Rdn. 191 ff. Beschränkt freilich auf die Behandlung in der sozialtherapeutischen Anstalt gemäß § 65 a.F.; vgl. auch Prot. V, 332, 3 3 7 f, 3 3 9 f, 361 ff, 397, 2291 ff, 2318 ff. BGH NStZ 1984 4 2 8 ; 1985 91, 92; 1986 427, 4 2 8 m.w.N.; BGH NStZ-RR 1999 10; BGH bei Detter NStZ 1998 5 0 5 ; ablehnend: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 7, 43; Streng Rdn. 351; einschränkend Fischer Rdn. 4, 7; skeptisch auch Meier2 S. 3 0 4 f und Kaiser S. 2 7 ff.
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So insbesondere BGHSt 3 3 285, 2 8 7 ; BGH NJW 1983 2 4 0 ; 1984 1693; 1986 142; BGH NStZ 1985 92; 1986 4 2 7 und 5 2 4 ; 1987 574; 1 9 9 0 52; BGH StV 1986 2 5 8 und 3 8 2 ; BGH bei Holtz MDR 1 9 8 6 443, 489, 975; OLG Düsseldorf M D R 1 9 8 9 1012, 1013. Ebenso Horn SK Rdn. 10; Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; Maul/Lauven NStZ 1986 398. Maier MK Rdn. 6 9 befürchtet bei einem „generellen Verzicht" auf die Heranziehung der Ausnutzung des Leidensdrucks eine unangemessen starke Einschränkung des Anwendungsbereichs des $ 6 7 Abs. 2. BGH StraFo 2 0 0 6 2 9 9 ; Lackner/Kühl Rdn. 5.
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Krankenhaus oder in der Entziehungsanstalt zu verbessern" (so BGHSt 33 285, 287). Dies setze im Einzelfall „eingehende, die Persönlichkeit des jeweiligen Angeklagten berücksichtigende Überlegungen voraus", die sich auch im Urteil niederschlagen müssten; erforderlich sei, „dass im konkreten Fall der Vorwegvollzug ... geeignet erscheint, die Therapiebereitschaft des Verurteilten ... zu fördern, und dass dieses Ziel im Maßregelvollzug nicht mit der gleichen Aussicht auf Erfolg erreicht werden kann" (BGH 33 285, 287). Abgestellt wird dabei durchweg darauf, dass der Vorwegvollzug „notwendig" oder „erforderlich", nicht lediglich zweckmäßig sein müsse. 80 72
Der Gedanke von der Ausnutzung des Leidensdrucks zur Verbesserung der Therapiemotivation ist so fragwürdig und systemfremd, dass die Rechtsprechung auf seine Heranziehung verzichten sollte. 81 Gegen ihn spricht schon der eigentümliche Widerspruch zu den Aufgaben und Zielen des modernen Strafvollzugs (vgl. auch § 3 StVollzG). Gegen ihn spricht weiter, dass ja regelmäßig auch der Maßregelvollzug den Betroffenen belastet, also insoweit einen ganz ähnlichen oder sogar identischen, vielleicht sogar noch stärkeren „Leidensdruck" mit sich bringt und daher für die Vollstreckungsreihenfolge schon deswegen grundsätzlich kein taugliches Kriterium darstellt (vgl. BGH NStZ 1985 91, 92). Gegen ihn spricht ferner und vor allem, dass gerade die gestörten Täter (§ 63) und die süchtigen Täter (§ 64) im Zweifel zunächst einmal der speziellen Behandlung bedürfen, zu der es gegebenenfalls selbstverständlich auch gehört, in fachkundiger Weise die Therapiebereitschaft zu wecken, zu vertiefen und - nicht zuletzt oder gar insbesondere - zu erhalten. 82
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So hat es sich z.B. bei der Unterbringung von Alkoholtätern in der Entziehungsanstalt bewährt, die Motivierung zur Therapie speziell mit der am Anfang jeder Behandlung stehenden „Entgiftung" (vgl. Schöch LK § 64 Rdn. 132) zu koppeln, weil der Kranke gerade unter dem Einfluss der Entzugserscheinungen bei therapeutischer Leitung „viel eher bereit ist, Krankheitsgefühl, Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft zu entwickeln" (Athen MschrKrim. 1989 63, 65). Das Vertrauen auf die Hoffnung, eine solche Bereitschaft durch vorweggenommenen Strafvollzug zu fördern oder besser zu fördern, bleibt gegenüber diesen Bedürfnissen und Möglichkeiten notwendigerweise vage, wenn nicht willkürlich. Darauf deuten auch die (freilich oft abgekürzt) veröffentlichten Entscheidungen hin, die eine derartige Hoffnung anerkennen; sie beruhen durchweg auf sehr allgemeinen Vermutungen oder nennen besondere Umstände in der Person oder der Strafbarkeit des Täters, die wenig aussagen (etwa BGH NStZ 1991 252, 253: Selbstüberschätzung eines Drogensüchtigen oder BGH NStZ-RR 2001 93: „gewisses Maß an Labilität"), insbesondere aber den eigentlichen Kern des Problems (dazu im folg. Text) nicht treffen.
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So z.B. BGHSt 33 285, 2 8 6 ; BGH NStZ-RR 2 0 0 1 93; BGH NJW 1988 216; 1983 240; BGH NStZ 1981 132; BGH MDR 1978 803; BayObLG NJW 1981 1522 (besonders deutlich); OLG Düsseldorf MDR 1989 1012, 1013; LG Dortmund NStZ 1989 340. Kritisch oder ablehnend auch Frisch Prognoseentscheidungen, S. 4 2 f; Hanack J R 1975 4 4 4 und Anm. J R 1988 340; MüllerDietz NStZ 1983 150; Schüler-Springorum Anm. StV 1986 4 7 9 ; ders. R & P 1998 25,
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28 f; Streng StV 1987 4 2 ; schon früher Marquardt S. 161 f; Lenckner S. 233, 234; vgl. auch Jescheck/Weigend AT § 77 VI 2a mit Fn. 67; Volckart Maßregelvollzug, S. 211 f mit Verweis auf Schalast; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 7, 43; Streng Rdn. 351; einschränkend Fischer Rdn. 4, 7; skeptisch auch Meier S. 3 0 4 f und Kaiser S. 2 7 ff. BGHR StGB § 67 II Zweckerreichung, leichtere 14; BGH NStZ-RR 2 0 0 2 26; ebenso Fischer Rdn. 7.
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Diese Unsicherheiten sind kein Zufall. Denn die These von der förderlichen Wirkung des „Leidensdrucks" durch vorausgehenden Strafvollzug ist empirisch fragwürdig, mindestens aber nicht wirklich abgesichert.83 Sie blieb schon unter den Mitgliedern des Sonderausschusses und den von ihm gehörten Sachverständigen kontrovers. 84 Der Sachverständige Mauch, auf den sich der Sonderausschuss vor allem stützte, hat seine Meinung später praktisch revidiert.85 Marquardt (S. 162) bemerkt zu Recht, dass bei den damaligen Beratungen „wissenschaftliche und dadurch überzeugende Gründe" nicht genannt wurden. Solche Gründe finden sich auch nicht in den neueren Erkenntnissen der Behandlungswissenschaften, insbesondere im Bereich der Sozialtherapie86 (aA insbesondere Maul/Lauven NStZ 1986 398, die sich vor allem auf die nicht ausschließbare Möglichkeit der Therapiemotivation durch vorweggenommenen Strafvollzug im Einzelfall berufen).
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Nach diesen Erkenntnissen ist schon unsicher und zweifelhaft, ob der (innere) Zustand des „Leidens" als Therapiemotivation durch (äußeren) „Druck" oder speziell durch den „Druck" des Strafvollzugs überhaupt hervorgerufen oder, was besonders kritisch sein dürfte, anhaltend gestärkt werden kann. 87 Jedenfalls kommt es gar nicht so sehr auf die Herstellung eines solchen äußeren „Drucks" an, sondern auf die therapeutische Einwirkung, bei der dann gerade die oft versteckten Indizien eines schon versteckt vorhandenen Leidens an sich selbst oder an der eigenen Situation Bedeutung haben. Es spricht daher „alles dagegen" (Streng StV 1987 42), dass die Therapiebereitschaft im Strafvollzug besser gefördert werden könnte als im Vollzug der Maßregel. In den gegenteilig argumentierenden Entscheidungen wird zudem regelmäßig nicht bedacht, dass ein „Leidensdruck" durch Strafvollzug auch zum Aufbau einer Abwehrhaltung gegenüber jedweder Therapie beitragen kann. Leidensdruck zu erzeugen oder zu stärken, ist ein besonders sensibler Teil der spezifisch therapeutischen Behandlung, aber auch als „Vorstufe der Behandlung" keine Frage der Art (und Gestaltung) des äußeren Vollzugs oder gar der vordergründigen Einsicht, „dass es mit der Strafe auch ernst gemeint ist" (BGHSt 33 285, 287 unter Berufung auf die Sachverständigen Mauch und Erhardt im Sonderausschuss zur Strafrechtsreform in der 5. Wahlperiode).
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Diese Einwendungen dürften entgegen dem Bericht des BT-Rechtsausschusses in BTDrucks. 10/4391 S. 18 (vorsichtig zust. aber Lackner/Kühl Rdn. 5) grundsätzlich auch für Drogensüchtige gelten. Insoweit sollten schon die offenbar negativen Erfahrungen der staatlich anerkannten Therapieeinrichtungen (§§ 35 ff BtMG) mit Probanden nachdenklich stimmen, die bereits längere Haftstrafen hinter sich haben. 88
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Vgl. etwa die empirische Untersuchung von Schalast. Ablehnend, jedenfalls für Trinker, damals der Sachverständige Beyer, Prot. IV, 813. Mauch/Mauch Sozialtherapie, S. 17 ff, insbes. S. 2 0 ; dazu Streng StV 1987 41. Dazu im einzelnen und näher insbesondere: Steller „Leidensdruck" als Indikation für Sozialtherapie?, 1974, S. 137 ff, 161 f; Mechler/Wilde MschrKrim. 1976 191 ff; Rasch/ Kühl in Rasch Forensische Sozialtherapie, 1977, S. 218 ff; Rehm MschrKrim. 1977 52; Böllinger Psychoanalyse und die Behandlung von Delinquenten, 1979, S. 2 2 6 ; Schorsch/ Galedary u.a., Perversion als Straftat, 1985,
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S. 104 ff (vgl. aber auch S. 1600; Rasch/Konrad Forensische Psychiatrie, S. 97 f m.w.N. Zusammenfassend (außer Maul/Lauven) Müller-Dietz NStZ 1983 150; Streng StV 1987 4 2 . So auch Pollähne/Böllinger NK Rdn. 4 3 , der die Annahme der Erzeugung einer Therapiemotivation als aus „empirischer und therapeutischer Sicht verfehlt" bezeichnet. Dazu Kurze Suchtgefahren, S. 203, 2 0 5 ; vgl. auch Egg/Kurze Drogentherapie in staatlich anerkannten Einrichtungen, 1989, S. 91 ff und insgesamt zur Problematik der Freiwilligkeit bei § 35 BtMG (die mit der bei § 6 7 nicht identisch ist) Körner § 35 Rdn. 1.
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Die genannten Einwendungen gelten allerdings nicht für die Grundsatzentscheidung BGHSt 33 285 (Rdn. 71), die in Wahrheit ein ganz anderes Problem betraf: nämlich den besonderen Fall eines jugendlichen Mehrfach-Mörders, bei dem der BGH den (teilweisen) Vorwegvollzug der Strafe wohl mit Recht für zulässig hielt, weil bei dem Täter im Urteilszeitpunkt aufgrund seiner unfertigen Persönlichkeit die Auswahl einer Erfolg versprechenden Therapie im Rahmen des § 63 noch nicht möglich war, sondern von seiner weiteren Entwicklung abhing.
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c) Gefährdung des Maßregelerfolgs. Der Gesetzgeber dachte bei Abs. 2 weiter an Fälle, in denen der Vollzug einer längeren Freiheitsstrafe im Anschluss insbesondere an die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt („nachgängiger Strafvollzug" 89 ) das Ziel des Maßregelvollzugs wieder gefährdet oder in denen doch ein Interesse daran besteht, den Verurteilten unmittelbar aus dem Maßregelvollzug in die Freiheit zu entlassen. 90 Eine Abweichung von der regelmäßigen Vollstreckungsreihenfolge ist daher unter diesem Aspekt nur erforderlich, wenn nach Abs. 4, 5 Satz 1 noch keine Möglichkeit besteht, den Angeklagten aus der Therapie in die Freiheit zu entlassen. 91
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Der Gedanke ist im Schrifttum ebenfalls nicht unbestritten. 92 In der Rechtsprechung wird er grundsätzlich anerkannt 93 und seine Anwendung bei allen Tätergruppen des § 67 für möglich gehalten, auch bei der Unterbringung nach § 63 von Tätern mit schwerer anderer seelischer Abartigkeit. 94 Anerkannt ist er jedoch wiederum unter recht strengen Kautelen. So verlangt der BGH in der Regel, 95 dass der Tatrichter anhand konkreter, nachvollziehbarer Anhaltspunkte eingehend darlegt, worin die Gefährdung des Maßregelerfolgs im Einzelfall besteht und wie sie sich beim Verurteilten auswirken könnte (Rdn. 82). 9 6 Des Weiteren sind die Folgen zu werten, die ein Vorwegvollzug im Hinblick auf die fehlende Anrechnung (Rdn. 59) und den Zeitpunkt einer möglichen Aussetzung des Strafrests für den Betroffenen mit sich bringt, 97 was nicht zuletzt auch die sorgfältige Prüfung verlangt, ob nicht ein bloß teilweiser Vorwegvollzug reicht. 98
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Vgl. etwa Pollähne/Böllinger NK Rdn. 36. Prot. V, 331 ff, 379, 2319 ff, 2. Bericht S. 31, wo dieser Gedanke sogar als erstes Beispiel für einen Vorwegvollzug genannt wird; BT-Drs. 10/2720, S. 13. BGHR StGB § 6 7 II Vorwegvollz. 4; GA 1992 178; Fischer Rdn. 7. Grundsätzlich zustimmend Fischer Rdn. 7 f; Lackner/Kühl Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; Jescheck/Weigend AT § 7 7 VI 2a; Körner § 35 Rdn. 95; Maul/Lauven NStZ 1986 397. Kritisch oder ablehnend Marquardt S. 161; Lenckner S. 2 3 3 ; Schiiler-Springorum StV 1986 478, 4 7 9 (Anm.); Hanack J R 1988 381 (Anm.) und JR 1978 4 0 2 ; Follähne/ Böllinger NK Rdn. 36, die die Erwägung der Gefährdung des Maßregelvollzugs als „psychologisch und systematisch unschlüssig" bezeichnen. Z.B.: BGH NStZ-RR 1998 2 9 6 ; BGH NStZRR 2 0 0 3 2 9 5 ; BGH NJW 1983 2 4 0 ; BGH N J W 1986 141 und 142 = BGH MDR 1985,
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1041 = NStZ 1986 140 mit Anm. Wendisch; BGH NJW 1988 216 = J R 1988 3 7 9 mit Anm. Hanack; BGH NStZ 1986 4 2 8 ; 1987 574; 1990 52 und 2 0 4 ; BGH bei Holtz MDR 1 9 8 9 1051; BayObLG DAR 1984 2 3 9 LS; OLG CelleJR 1987 421; BGHR StGB § 67 II Vorwegvollzug, teilweiser 3; Beschl. v. 3.12. 1985 - 1 StR 568-85. BGHSt 34 22, 28; BGH N J W 1990 1124 m. Anm. Funck NStZ 1990 5 0 9 ; BGH NStZ 1 9 9 9 613; BGH NStZ-RR 1999 4 4 . Bedenkliche Ausnahme z.B. BGH NJW 1988 216; s. Hanack Anm. J R 1988 379, 382. Vgl. etwa BGH NStZ 1 9 9 9 613; BGH NStZ-RR 1999 11; BGH NStZ-RR 1998 2 7 2 ; BGH NStZ-RR 1998 2 9 6 ; BGH NStZ 1986 428. So insbes. BGH NJW 1988 216 = JR 1988 3 7 9 mit Anm. Hanack; BGH NStZ 1985 91, 92; 1986 4 2 8 ; BGH NStZ-RR 2 0 0 3 295. Vgl. dazu auch BGH NStZ 1990 52 und 357; BGH bei Holtz MDR 1 9 8 9 1051.
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Trotz dieser Kautelen erscheint bislang merkwürdig unklar und mindestens zweifeihaft, ob oder wieweit der ganze Gedanke wirklich tragfähig ist. Denn ein Vorwegvollzug der Strafe setzt ja voraus, dass die Rehabilitation des Verurteilten dadurch besser gefördert wird (Rdn. 59). Dabei entstehen hier zahlreiche schwierige Fragen, die bis heute (auch in den Einzelfallentscheidungen der veröffentlichten Rechtsprechung) nicht überzeugend beantwortet sind.
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Vorstellbar erscheint, dass es bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Kran- 81 kenhaus einzelne Fälle geben mag, in denen aufgrund der Eigentümlichkeiten eines spezifisch psychiatrischen Krankheitsbildes ein späterer Strafvollzug auf den Betroffenen so „destruktiv" wirkt, dass er eine erfolgreiche Behandlung im Maßregelvollzug gefährdet oder doch beeinträchtigt {Hanack J R 1978 4 0 2 Fn. 30). Anerkannt sind auch die Fälle, in denen der (teilweise) Vorwegvollzug der Strafe als sinnvolle Vorstufe einer Maßregelbehandlung für deren Zwecke erforderlich ist, wie zum Beispiel in dem bereits erwähnten Fall eines jugendlichen Mehrfach-Mörders, bei dem im Urteilszeitpunkt aufgrund seiner unfertigen Persönlichkeit die Auswahl einer Erfolg versprechenden Therapie im Rahmen des § 63 noch nicht möglich war, sondern von seiner weiteren Entwicklung abhing (33 285; s. Rdn. 77). Ansonsten jedoch sind Fälle, in denen der Behandlungserfolg einer Maßregelunterbringung durch nachfolgenden Strafvollzug so gefährdet sein könnte, dass sie die Anwendung des Abs. 2 verlangen, sehr selten und jedenfalls prognostisch schwer zu bestimmen. Die Rechtsprechung verlangt nachprüfbare, auf den Einzelfall bezogene Erwägungen, die dem Ausnahmecharakter dieser Regelung Rechnung tragen (BGHSt 33 285, 287 f; BGHR § 67 Vorwegvollzug, teilweiser 4). Dabei sind insbesondere die Persönlichkeit des Täters, die Länge der Freiheitsstrafe sowie die Art der notwendigen Behandlung zu berücksichtigen." Ein solcher Sonderfall liegt z.B. vor, wenn ein schwer Persönlichkeitsgestörter nach einer lang dauernden psychotherapeutischen Behandlung, die notwendig im offenen Maßregelvollzug erprobt wurde, wieder in den geschlossenen Vollzug eingewiesen werden müsste (BGH NStZ 1990 2 0 4 m. krit. Anm. Funck NStZ 1990 509; 1999 613 f).
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Oft finden sich in tatrichterlichen Urteilen Begründungsfehler für den Vorwegvollzug der Strafe, z.B. wenn darauf abgestellt wird, dass ein besonders gefährlicher Täter im Strafvollzug besser bewacht und beschäftigt werden könne als in einem psychiatrischen Krankenhaus (BGH NStZ-RR 1999 44), dass im Strafvollzug ein strengerer Rahmen gegeben sei (BGH NStZ 1986 332), dass in einem psychiatrischen Krankenhaus kein geeigneter Platz zur Verfügung stehe (OLG Dresden NStZ 1993 511) oder dass der ausländische Verurteilte im Strafvollzug seine Deutschkenntnisse verbessern könne (BGH StV 2 0 0 0 355). Es reicht auch nicht die allgemeine Feststellung, dass der Entlassung in die Freiheit die Behandlung unmittelbar vorausgehen solle, weil ein sich anschließender Strafvollzug die positiven Auswirkungen des Maßregelvollzugs wieder gefährden würde (BGH 1 StR 325/01).
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In der Praxis geht es bisher meist darum, die Erfolge einer Suchttherapie in einer EntZiehungsanstalt (§ 64) nicht durch anschließenden Strafvollzug zu gefährden. Diese Fallgruppe wird auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung 100 und in der Literatur 101
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BGHSt 33 285; BGH NStZ-RR 1998 296; BGH NStZ 1987 574; BGH NJW 1988 216 = JR 1988 379 mit Anm. Hanack. BGH NJW 1986 143; 1990 1124; 1990 3281; StV 2 0 0 2 481.
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Müller-Dietz NJW 1980 2789; Maul/Lauven NStZ 1986 397; Schock S. 396; Lackner/Kühl Rdn. 5; Maier MK Rdn. 65; teilweise kritisch Pollähne/Böllmger NK Rdn. 38; ablehnend Hanack L K " § 67 Rdn. 58 f.
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überwiegend anerkannt. Auch hier genügt allerdings nicht die allgemeine Behauptung einer Gefährdung des Therapieerfolgs durch nachfolgenden Strafvollzug, vielmehr müssen in den Urteilsgründen konkrete Anhaltspunkte dargelegt werden, worin die Gefährdung des Maßregelerfolgs durch den anschließenden Strafvollzug besteht und wie sie sich beim Verurteilten auswirken könnte. 1 0 2 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Therapiebereitschaft auch in der Entziehungsanstalt gefördert werden kann, da es zu den wesentlichen Aufgaben des Maßregelvollzugs gehört, den Verurteilten zur Einsicht in die Erfordernisse seiner Behandlung zu bringen. 103 Auch hinsichtlich der für die Zeit nach der Entlassung erforderlichen Resozialisierungsmaßnahmen ist der Maßregelvollzug dem Strafvollzug nicht grundsätzlich überlegen (BGH NStZ-RR 2 0 0 2 26). 85
Eine Anordnung des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe kann daher keineswegs allein auf die Erwägung gestützt werden, dass der Verurteilte im Falle einer an den Maßregelvollzug anschließenden Strafhaft mit Blick auf die im Justizvollzug zugänglichen Betäubungsmittel einer erheblichen Gefährdung des Rückfalls in die Sucht ausgesetzt wäre. 1 0 4 Das soziale Training, das mit dem Maßregelvollzug verbunden ist (oder sein sollte), ist für den Verurteilten auch im Rahmen des Strafvollzugs mindestens nützlich 105 und - insbesondere im gelockerten Vollzug - auch in gewissem Umfang erprobbar. Es ist außerdem zu bedenken, dass der vorweggenommene Strafvollzug seinerseits Verkrustungen und Fehlentwicklungen begünstigen kann, die eine spätere Behandlung im Maßregelvollzug erschweren.
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Wird die Dauer der vorweg zu vollziehenden Freiheitsstrafe so lange bemessen, dass die Maßregel erst vollzogen werden soll, nachdem der Angeklagte zwei Drittel der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe verbüßt hat, so muss erörtert werden, ob dies noch mit dem Rehabilitationsinteresse des Verurteilten vereinbar ist oder ob es nicht ausreicht, soviel Freiheitsstrafe vorweg zu vollziehen, dass ihre Dauer mit der - vom Sachverständigen einzuschätzenden - voraussichtlichen Dauer des Maßregelvollzugs zwei Drittel der Strafe ausmacht (BGH NStZ-RR 2 0 0 3 295). Bei nicht besonders langen Freiheitsstrafen, insbesondere bei solchen bis zu drei Jahren, ist es in aller Regel günstiger, die Maßregel vorab zu vollziehen und - bei frühem Erfolg (z.B. nach neun Monaten) - den Maßregelvollzug entsprechend Wortlaut und Zweck des Gesetzes gemäß § 67 Abs. 5 Satz 2 bis zur Aussetzungsfähigkeit der Freiheitsstrafe fortzusetzen (Rdn. 52).
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Im Hinblick auf die Belegung kostenintensiver Therapieplätze im Falle des Weitervollzugs der Maßregel sowie die Schwierigkeiten bei der einzelfallbezogenen Begründung der Änderung der Vollstreckungsreihenfolge hat der Gesetzgeber für diese Fallgruppe im UnterbrSicherG vom 16.7.2007 die neue Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 geschaffen, die bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen
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BGH NStZ 1986 4 2 8 ; 2 0 0 0 5 2 9 ; NStZ-RR 1998 2 7 2 ; 1998 2 9 6 ; 2 0 0 1 93; 2 0 0 3 2 0 4 ; 2 0 0 3 295; StV 2 0 0 2 BGHR, § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 4, 9, 11,12 und Zweckerreichung, leichtere 10; Maier MK Rdn. 65. BGHR, § 6 7 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 14; BGH NStZ-RR 2 0 0 2 26. NStZ-RR 2 0 0 1 93; BGH, Beschluss vom 2. Juni 1999 - 5 StR 218/99 und 5 StR 2 6 2 / 9 9 ; BGHR, § 6 7 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 16; Tröndle/Fischer54 Rdn. 7 m.w.N.; Pollähne/Böllinger N K 2 Rdn. 38.
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Vgl. BGHSt 37 160, 162, wo der BGH im Fall einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe und Unterbringung nach § 64 selbst davon spricht, dass es im Hinblick auf die voraussichtliche Dauer des Strafvollzugs bei der hier vorab zu vollziehenden Unterbringung „darum gehen (muss), den Angeklagten schon frühzeitig von seinem Hang zu befreien, damit er in der Strafanstalt an der Verwirklichung des Vollzugsziels arbeiten kann".
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Reihenfolge der Vollstreckung
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Freiheitsstrafe von über drei Jahren einen grundsätzlichen Vorwegvollzug eines Teils der Strafe ermöglicht. Dieser Teil der Freiheitsstrafe ist nach § 67 Abs. 2 Satz 3 so zu berechnen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Abs. 5 Satz 1 möglich ist (Einzelheiten Rdn. 94 ff). d) Fehlende Kapazitäten im Maßregelvollzug. Fehlende Kapazitäten im MaßregelVollzug, also Belegungs- oder Therapieschwierigkeiten, sind nach herrschender Meinung kein Grund, Abs. 2 anzuwenden. 106 Das ergibt sich in der Tat aus dem Wortlaut des Gesetzes, insbesondere aber aus seinem Zweck (Rdn. 6 f, 61), mit dem es nicht vereinbar wäre, das gesetzgeberische Anliegen aus solchen Gründen zu missachten. Die zuständigen Behörden müssen dafür Sorge tragen, dass die Verurteilten aufgenommen werden, da Einrichtungen des Maßregelvollzugs eine Aufnahmepflicht haben. 1 0 7 Der Richter braucht daher beim Einwand von Engpässen der Frage nicht nachzugehen, ob oder welche Möglichkeiten bestehen, die Vollstreckung durch Verwaltungsvereinbarungen außerhalb des Unterbringungsbezirks oder des Bereichs eines Landes sicherzustellen. 108
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Ebenso wenig können demgemäß unzureichende Sicherungsmöglichkeiten in einer Maßregelvollzugseinrichtung, oder bessere Überwachungsmöglichkeiten in der JVA maßgeblich sein. 109 Letzteres soll nach BGH N S t Z - R R 1999 4 4 uneingeschränkt auch im Hinblick auf „für die Allgemeinheit in besonderem Maße gefährliche Täter" gelten. Auch vermeintliche Fluchtgefahr rechtfertigt keinen Vorwegvollzug. 110 Nicht zu verkennen ist allerdings, dass es nach den bei Rdn. 88 zitierten Entscheidungen bisweilen zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten auch dadurch kommt, dass wegen eines akuten Mangels an Plätzen der Behörde die sofortige Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht möglich ist. Man wird, soll nicht aus Wohltat Plage werden, entgegen insbesondere BGH NStZ 1981 492, in solchen Fällen und unter strengen Kautelen eine befristete Einweisung im psychiatrischen Krankenhaus (wo solcher Platzmangel nicht ernstlich praktisch werden dürfte) in analoger Anwendung des § 67a befürworten müssen, wenn der Verurteilte besonders gefährlich oder akut behandlungsbedürftig ist. 111 Eine partielle Milderung des Problems stellt die in engen Grenzen zulässige Organisationshaft dar, die sich aus rechtlich und faktisch unvermeidbaren zeitlichen Verzögerungen bei der Vollstreckung eines Strafurteils ergibt (BVerfG N J W 2 0 0 6 427, 4 2 9 ; Rdn. 33 ff).
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BGH NStZ 1982 4 9 2 mit krit. Anm. Scholz; BGH NStZ 1982 132; BayObLG NJW 1981 1522; OLG Düsseldorf MDR 1989 1012, 1013; OLG Dresden NStZ 1993 511; OLG Hamburg MDR 1988 516; OLG Hamm MDR 1978 864; 1980 952; LG Bonn StV 1988 215; LG Dortmund NJW 1975 2251 und NStZ 1989 340, 341; LG Hamburg MDR 1981 778; LG Zweibrücken StV 2 0 0 4 608, 609; vgl. auch BGH bei Holtz MDR 1978 803; ebenso Fischer Rdn. 7; Lackneri Kühl Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 41; teilweise aA Horn SK Rdn. 11.
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Pollähne/Böllinger N K 2 Rdn. 41; näher dazu Volckart R & P 2 0 0 4 179 ff. BGH NStZ 1981 4 9 2 mit krit. Anm. Scholz. OLG Oldenburg StV 2 0 0 1 2 5 ; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 7; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 41; Fischer Rdn. 7. OLG München StV 2 0 0 2 4 9 4 ; LG Zweibrücken StV 2 0 0 4 608; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 41. OLG Hamm MDR 1978 952; 1981 7 0 LS; Horstkotte LK 1 0 , Erl. zu § 67a; ebenso Horn SK § 67a Rdn. 4.
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Eine andere Frage ist im Übrigen, ob der Richter eine Unterbringung in der Entziehungsanstalt überhaupt anordnet, wenn von vornherein feststeht, dass nach den Gegebenheiten der zuständigen Anstalt eine sachgemäße Behandlung dort nicht erfolgen kann. Schon die bisher für § 64 erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Behandlung (BVerfGE 91 1) bietet weit reichende Möglichkeiten, absolut ungeeignete Täter fernzuhalten. Die Umgestaltung des § 64 in eine Soll-Vorschrift durch das UnterbrSichG vom 16.7.2007 dürfte das Problem künftig ganz beseitigen (s. dazu Schöch LK § 64 Rdn. 155 ff).
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e) Überlegenheit sozialtherapeutischer Behandlung im Strafvollzug. § 67 beruht auf der Prämisse, dass der Maßregelvollzug zur Einwirkung auf den gestörten Täter grundsätzlich geeigneter ist als der Strafvollzug. In der Praxis sind nun aber - und zwar ersichtlich nicht nur vereinzelt - Fälle denkbar, in denen die tatsächlichen Möglichkeiten des Maßregelvollzugs hinter denen des Strafvollzugs zurückbleiben, der Verurteilte also im Vollzug der Freiheitsstrafe besser aufgehoben ist, 112 insbesondere in sozialtherapeutischen Anstalten gemäß § 9 StVollzG. Bei Tätern, die nach der Konzeption des 2. StrRG für die Maßregel der sozialtherapeutischer Anstalt gemäß § 65 a.F. (s. „Entstehungsgeschichte") vorgesehen waren, sind die an deren Stelle getretenen sozialtherapeutischen Anstalten des Strafvollzugs zur Resozialisierung des Täters unter Umständen geeigneter als die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Rechtsprechung und Literatur haben deshalb einmütig anerkannt, dass in solchen Fällen die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 zu bejahen sind, weil damit auch der Zweck der Maßregel leichter erreicht wird. 113 Damit wird auch eine Lücke in der gesetzlichen Konzeption des 2. StrRG geschlossen, weil es nach Wegfall des § 65 nicht zulässig ist, die Unterbringung nach § 63 in analoger Anwendung des § 67a in einer sozialtherapeutischen Anstalt des Strafvollzugs (S 9 StVollzG) zu vollziehen (OLG Hamm NStZ 1987 44).
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Allerdings muss der Richter auch bei dieser anerkannten Fallgruppe im Einzelfall aufgrund sachverständiger Beratung - sorgfältig prüfen, ob ein Vorwegvollzug der Strafe wegen besserer Einwirkungsmöglichkeiten der sozialtherapeutischen Anstalt wirklich nötig oder angezeigt ist. Er wird dabei vor allem abzuwägen haben, ob er die Entscheidung für eine vorrangige Behandlung im Strafvollzug im Hinblick auf die Nachteile vertreten kann, die mit einer Anwendung des Abs. 2 verbunden sind oder sein können (s. Rdn. 59 ff). Zu verneinen ist die Umkehrung bei bloßen „Störern". In Betracht kommt sie für Täter, bei denen nach der Art ihrer Persönlichkeitsstörung durch die für sie geeigneteren Verhältnisse im Strafvollzug bezüglich Arbeit, Freizeitgestaltung und Unterricht, 114 vor allem aber durch die sozialtherapeutische Behandlung bessere (oder 112
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Schon zu Beginn der Schaffung sozialtherapeutischer Modellanstalten im Justizvollzug Hanack JR 1975 4 4 5 ff; OLG Karlsruhe N J W 1975 1571. BGHSt 3 3 285, 2 8 6 ; BGH bei Holtz MDR 1986 4 4 2 ; BGH NStZ 1986 5 2 4 ; BGH NJW 1990 1124 (ergangen nach Aufhebung des § 65); vgl. auch BGHR § 6 7 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 7. Schon früher: BGH NStZ 1985 92; BGH NStZ 1982 132; BGH StV 1981 66; BGH bei Holtz MDR 1978 803; OLG Hamm N J W 1979 2 3 5 9 ; OLG Karlsruhe NJW 1975 1572; ebenso Fischer Rdn. 6; Horn SK Rdn. 10; Lackner/
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Kühl Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 39; Hanack JR 1975 4 4 2 ; Müller-Dietz NStZ 1983 150. Die Begründung, durch den Vorwegvollzug könne der Verurteilte seine Deutschkenntnisse und damit die Erfolgsaussichten der psychotherapeutischen Behandlung verbessern, ist hingegen nicht tragfähig, da sie außer acht lässt, dass es auch für fremdsprachige Verurteilte Therapieangebote im Maßregelvollzug gibt - vgl. BGH, Beschl. v. 11.3.1998 - 1 StR 77/98, BGHR § 67 Abs. 2, Zweckerreichung, leichtere 14.
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Reihenfolge der Vollstreckung
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sogar: weniger schädliche) Ergebnisse zu erwarten sind als im psychiatrischen Krankenhaus, dessen spezielle Therapieformen für diese Täter oft wenig passen. Voraussetzung des Vorwegvollzugs ist dabei selbstverständlich immer, dass es sich um Täter handelt, die nicht im eigentlich psychiatrischen Sinne heil- oder pflegebedürftig sind, und sei es auch nur im Sinne einer Stärkung ihres Persönlichkeitsgefüges. f) Zurückstellung nach §§ 35, 3 6 BtMG. Die erst 1982 in Kraft getretene Regelung lässt unter bestimmten Voraussetzungen zur Förderung einer freiwilligen Therapie die Zurückstellung vom Strafvollzug und vom Vollzug einer Unterbringung nach § 64 durch die Vollstreckungsbehörde zu. Sie gilt auch bei dem nach § 67 Abs. 1 als Regelfall vorgesehenen Vorwegvollzug der Maßregel. Die mögliche oder beabsichtigte Zurückstellung ergibt daher für das Gericht als solche keinen Anlass zur Anwendung des Abs. 2, da sie unabhängig von der Reihenfolge der Vollstreckung möglich ist. 1 1 5
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Etwas anderes soll nach Meinung des BGH jedoch gelten, wenn die Therapie in einer Therapieanstalt i.S. des § 35 BtMG für die Heilung des Verurteilten bessere Aussichten bietet und wenn diese freiwillige Therapie durch einen - völlig oder teilweise - vorweggenommenen Strafvollzug zusätzlich gefördert würde, nämlich durch einen dadurch erzeugten oder verstärkten Motivationsdruck. 116 Aber gegen diese Ausnutzung des „Leidensdrucks" sprechen schon die einzelnen bei Rdn. 70 ff dargelegten Bedenken. Sie dürften hier besonderes Gewicht haben, weil die Zurückstellung nach § 35 BtMG gerade auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruht und der Verurteilte ohnedies dem Druck der bewusst eingesetzten - Widerrufsmöglichkeiten der Vollstreckungsbehörde unterliegt (S 35 Abs. 5, 6 BtMG). 4. Soll-Vorschrift für die Entziehungsanstalt (Abs. 2 Sätze 2 und 3). Die durch das UnterbrSichG vom 16.7.2007 geschaffene Möglichkeit, im Falle der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt die Vollstreckungsreihenfolge bei gleichzeitig verhängter Freiheitsstrafe von über drei Jahren durch teilweisen Vorwegvollzug der Haft dergestalt zu ändern, dass nach Ablauf der Unterbringung in der Regel eine Strafrestaussetzung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 möglich ist, macht eine schon bisher verbreitete und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebilligte Praxis zur Regel (Rdn. 79). Im Interesse einer Entlastung der Suchtkliniken und der Sicherung des Therapieerfolgs soll die neue Regelung den Zeitraum der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf die erforderliche Therapiedauer begrenzen und zugleich ermöglichen, dass Untergebrachte nach Abschluss der Therapie in Freiheit entlassen werden können (RegE BTDrucks. 16/1110 S. 11).
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Die Soll-Vorschrift bedeutet, dass die bisher erforderlichen einzelfallbezogenen Begründungen für eine Abweichung vom Vikariierungsprinzip entbehrlich sind. Nunmehr ist das Gericht besonders begründungspflichtig, wenn es bei einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren keinen Vorwegvollzug eines Teils der Strafe nach den Sätzen 2 und 3 angeordnet hat.
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BGH NStZ 1984 5 7 3 = JR 1985 119 mit Anm. Müller-Dietz; einschränkend (dazu im folg.) BGH NStZ 1985 571; 1990 102; Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; Maul/Lauven NStZ 1986 3 9 9 ; H. W. Schmidt MDR 1985 969, 971.
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BGH NStZ 1985 571; 1990 102; ebenso Maul/Lauven NStZ 1986 3 9 9 ; H. W. Schmidt aaO m.w.N.; Körner § 35 BtMG Rdn. 336.
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Die Zielsetzung dieser neuen Regelung, bei längeren Freiheitsstrafen zweckwidrigen Strafvollzug nach erfolgreicher Therapie oder unnötige Verlängerung der Unterbringung über zwei Jahre hinaus gemäß § 67d Abs. 1 Satz 3 zu vermeiden, wurde von den Sachverständigen bei der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags am 28.2.2007 begrüßt (Leygraf und Schöch in den schriftlichen Stellungnahmen zur Anhörung des BT-Rechtsausschusses am 28.2.2007, S. 6, 28 f; Prot, der 47. Sitzung des BTRechtsausschusses). Auf diese Weise soll die Blockierung kostenintensiver Therapieplätze durch unnötige weitere Behandlung und die Gefährdung der Behandlungsmotivation der Betroffenen durch vorhersehbare Strafverbüßung nach der Suchtbehandlung vermieden werden (RegE BTDrucks. 16/1110 S. 11). 97
Der vorweg zu vollziehende Teil der Strafe ist nach Satz 3 so zu berechnen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 möglich ist. Die vom Gericht zu Grunde zu legende Dauer der Unterbringung hat sich dabei an der voraussichtlichen Dauer der Therapie bis zur Erzielung eines Behandlungserfolgs zu orientieren. Der Gesetzgeber ging dabei nach bisherigen Erfahrungen der Praxis von einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von etwa einem Jahr aus (RegE BTDrucks. 16/1110 S. 14). In den Beratungen des Rechtsausschusses wurde zwar meist von der Regelaussetzung nach zwei Dritteln der verhängten Freiheitsstrafe (§ 57 Abs. 1) ausgegangen (Anhörung am 28.2.2007, s. Prot, der 47. Sitzung des BT-Rechtsausschusses), jedoch hat dieses Modell im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Zutreffend weist der BGH darauf hin, dass nach § 67 Abs. 2 Satz 3 der vorweg zu vollziehende Teil der Freiheitsstrafe so zu bemessen sei, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 möglich ist. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Für den Vorwegvollzug ist deshalb vom Haftstrafenzeitpunkt auszugehen. 117 Diese Auslegung ist zutreffend, da bei Zugrundelegung des Zwei-Drittel-Zeitpunktes die Strafvollstreckungskammer das ihr nach § 67 Abs. 5 zustehende Ermessen nicht mehr uneingeschränkt ausüben könnte. Damit wird für den Verurteilten eine zusätzliche Therapiemotivation geschaffen, da er nach erfolgreicher Therapie in der Regel schon nach der Hälfte der Strafzeit entlassen wird. Bei einer Freiheitsstrafe von vier Jahren soll das Gericht also einen Vorwegvollzug von einem Jahr anordnen, damit dann nach erfolgreicher ca. einjähriger Therapie in der Entziehungsanstalt gemäß § 67 Abs. 5 i.V.m. § 57 Abs. 1 und 2 die Hälfte der Strafe von 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
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In der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags am 28.2.2007 äußerten einige Sachverständige Bedenken, dass die Untergrenze für die Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge mit drei Jahren zu gering sei, da diese zur Verlängerung der Freiheitsentziehung und damit zum Verlust der Behandlungsbereitschaft des Untergebrachten führen könne. Ein zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren Verurteilter rechne mit einer Entlassung nach zwei Jahren. Würde er nach einem Jahr Haft in den Maßregelvollzug wechseln, müsste er eine Unterbringung nach § 64 von weiteren zwei Jahren befürchten, was eine Entlassung nach drei Jahren Freiheitsentzug bedeuten könnte.
117
BGH Beschl. v. 2 4 . 7 . 2 0 0 7 - 3 StR 231/07; Beschl. v. 9.8.2007 - 4 StR 2 8 3 / 0 7 ; Beschl. v. 2 9 . 8 . 2 0 0 7 - 1 StR 3 7 8 / 0 7 ; Beschl. v. 18.12.2007 - 3 StR 516/07; Beschl. v.
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30.1.2008 - 2 StR 4/08; demgegenüber will Fischer § 6 7 Rdn. 11 dem Gericht die Wahl zwischen Halb- und Zwei-Drittel-Restaussetzung lassen.
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Reihenfolge der Vollstreckung
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Ein Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe sei daher erst ab einer Strafdauer von vier oder fünf Jahren sinnvoll ( H o f f m a n n , Müller-lsberner, Nedopil in den schriftlichen Stellungnahmen zur Anhörung des BT-Rechtsausschusses am 28.2.2007, S. 2 , 1 3 , 23). Der Gesetzgeber ist letztlich mit Recht bei der Untergrenze von drei Jahren geblieben. Im Bericht des Rechtsausschusses wird die Erwartung geäußert, dass sich die gesamte Dauer der Freiheitsentziehung durch die Neuregelung nicht verlängern dürfe (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 25.4.2007, BTDrucks. 16/5137). Da es sich nur um eine Soll-Vorschrift handelt, ist der Richter nicht daran gehindert, auf den Vorwegvollzug der Strafe zu verzichten, wenn andernfalls die Behandlungsdauer bis zum Zwei-Dritttel-Zeitpunkt nicht ausreichen würde. Das gilt auch in den Fällen, in denen längere Untersuchungshaft auf die ersten beiden Drittel der Freiheitsstrafe angerechnet wird (s.o. Rdn 30). Soweit es sich um Täter handelt, deren Behandlungsprobleme weit über ihren Substanzmissbrauch hinausreichen (Leygraf aaO S. 6), kann das - sachverständig beratene - Gericht von vornherein eine längere Behandlungsdauer als ein oder zwei Jahre in die Berechnung einbeziehen. Schließlich kann ein Täter, der nicht bereit ist, an der Behandlung seiner Suchtproblematik mitzuwirken, keineswegs mit einer Entlassungsautomatik nach der Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe rechnen, da diese eine günstige Prognose nach § 57 Abs. Satz 1 Nr. 3 voraussetzt. Deshalb wird er sich im Zweifel auch auf die Behandlung in der Entziehungsanstalt einlassen, selbst wenn damit das Risiko verbunden ist, dass diese etwas länger dauert als bis zum Zwei-DrittelZeitpunkt. Der Ermessensspielraum, den die Soll-Vorschrift lässt, sollte genutzt werden, um in Fällen dringender sofortiger Therapiebedürftigkeit vom Vorwegvollzug der Strafe abzusehen und zur Regel des § 67 Abs. 1 zurückzukehren (Fischer Rdn. 12).
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5. Soll-Vorschrift für ausreisepflichtige Ausländer (Abs. 2 Satz 4). Probleme bereiten in der Praxis immer wieder Fälle, in denen Ausländer in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind und deren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen in naher Zukunft beendet wird. Nicht selten sind dies durchreisende Rauschgiftkuriere, die selbst betäubungsmittelabhängig sind und die nach § 64 untergebracht werden mussten, wenn dessen Voraussetzungen vorlagen. Zweifelhaft konnte in diesen Fällen schon sein, wie viel Zeit für eine Therapie zur Verfügung stand. Hinzu kamen kulturelle und sprachliche Probleme sowie unklare Zukunftsperspektiven in Deutschland und im Heimatland. Meist kamen auch Lockerungserprobungen wegen der erhöhten Fluchtgefahr nicht in Betracht, weshalb die Therapieaussichten von vornherein eingeschränkt waren (hierzu und zum Folgenden RegE zum UnterbrSichG, BTDrucks. 16/1110 S. 11, 14 f).
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Zur Lösung dieser Problematik räumt Satz 4 dem Gericht die Möglichkeit ein, bei der Unterbringung gemäß § 63 oder § 64 anzuordnen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet (§ 58 Abs. 2 AufenthaltsG) und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird (kritisch Heinhold R&P 2006 187 ff). Erfasst werden damit neben den Fällen einer bestandskräftigen Ausweisung auch diejenigen der unerlaubten Einreise des Verurteilten (§ 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthaltsG). Wenn die Vollstreckungsbehörde in diesen Fällen gemäß § 456a Abs. 1 StPO von der weiteren Vollstreckung absieht, so kann der Aufenthalt der verurteilten Person in der Bundesrepublik Deutschland noch während oder am Ende des Vollzugs der Strafe beendet werden.
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Ist im Einzelfall eine Abschiebung nicht zu erwarten, so hat das Gericht im Rahmen der Soll-Vorschrift die Möglichkeit, es beim Grundsatz der Maßregelvollstreckung vor
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
der Strafverbüßung zu belassen. 118 Im Rahmen seiner Ermessensausübung soll das Gericht auch darauf achten, ob etwa der Zustand der betroffenen Person ihre therapeutische Betreuung in einer Entziehungsanstalt zur Abwehr unmittelbarer gesundheitlicher Gefahren notwendig erscheinen lässt (RegE BTDrucks. 16/1110 S. 11, 14 f). 103
Die ursprünglich geplante Erweiterung des Vorwegvollzugs der Strafe auf Fälle, in denen nur zu erwarten ist, dass die Voraussetzungen des § 6 7 Abs. 2 Satz 4 eintreten werden, wurden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgegeben. Der Unsicherheit, die mit einer solchen Erwartung trotz Bestehens einer Ausreisepflicht vielfach verbunden ist, trägt die in § 6 7 Abs. 3 vorgesehene Möglichkeit einer Aufhebung der Anordnung einer Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge hinreichend Rechnung (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 25.4.2007, BTDrucks. 16/5137 S. 26).
V. Nachträgliche Entscheidungen (Abs. 3) 104
1. Allgemeines. Da sich die Lage, von der das erkennende Gericht bei seiner Entscheidung nach Abs. 1 oder 2 ausgeht, während des Vollzugs ändern kann, gestattet das Gesetz in Abs. 3 nachträgliche Entscheidungen in der Reihenfolge des Vollzugs. Zuständig dafür ist meist das Vollstreckungsgericht (Rdn. 117). Die nachträgliche Änderung kann in einer Anordnung gemäß § 67 Abs. 2 bestehen. Sie kann aber auch die Aufhebung oder Abänderung einer schon getroffenen Anordnung nach Abs. 2 betreffen; insoweit ist sie auch dann zulässig, wenn die Anordnung nach Abs. 2 für eine konkret bestimmte Zeitspanne den teilweisen Vorwegvollzug der Strafe vorsah (Rdn. 67).
105
Die nachträgliche Entscheidung darf sich nur auf Umstände stützen, die erst nach Rechtskraft der Unterbringungsanordnung (typischerweise: während des Vollzugs) in Erscheinung getreten sind (und in der Person des Verurteilten liegen). Das können neue Umstände im engeren Sinne sein (z.B. eine eingetretene Erkrankung), aber auch solche, die sich nachträglich besser beurteilen lassen, die also durch eine veränderte Beweislage 1 1 9 klarer zutage getreten sind; verwehrt ist es dem nachträglich entscheidenden Gericht jedoch, bei gleicher tatsächlicher Beurteilungsgrundlage die Urteilsfeststellungen des erkennenden Gerichts nach Art eines Rechtsmittelgerichts zu „berichtigen". 1 2 0
106
2. Umstände in der Person. Die nachträgliche Entscheidung darf sich weiter nur auf „Umstände in der Person des Verurteilten" stützen, also nicht auf sonstige Umstände, etwa auf Aspekte der Generalprävention, auf Platzmangel (dazu Rdn. 88 ff) oder gar auf fiskalische Erwägungen. Aus der Verbindung mit Abs. 2 ergibt sich ferner, dass eine nachträgliche Entscheidung nach Abs. 3 nur dann zulässig ist, wenn „der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird", also im spezialpräventiven Interesse liegt. 121
118
119 120
Dies kann vor allem bei EU-Bürgern relevant werden, da diese gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 FreiziigG/EU erst dann vollziehbar ausreisepflichtig sind, wenn die Ausländerbehörde unanfechtbar festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht, vgl. Heinhold R & P 2 0 0 6 191. Horn JR 1 9 7 9 78. KG J R 1979 7 7 mit Anm. Horn; OLG Düsseldorf MDR 1989 1012,1013, ebenso Tröndle/Fischer Rdn. 9; Lackner/Kühl Rdn. 9; Sek/
608
121
Schröder/Stree Rdn. 10; E 1962 S. 217; vgl. aber auch Horstkotte LK 1 0 § 67c Rdn. 7, 4 7 ; Maier MK Rdn. 114; aA LG Paderborn StV 1991 74; zum ganzen Boetticher StV 1991 75. OLG Frankfurt aM NStZ-RR 2 0 0 2 2 7 ; OLG Hamburg StV 1994 92 = MDR 1993 1100 m.w.N.; OLG Schleswig MDR 1980 1038; LG Zweibrücken StV 2 0 0 4 608 f; Tröndle/Fischer Rdn. 9; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 4 7 ; Maier MK Rdn. 116; aA Sch/Schröder/Stree, Rdn. 10.
Heinz Schöch
Reihenfolge der Vollstreckung
§67
Im Rahmen einer Abänderungsentscheidung ist daher - logisch vorrangig - zu prüfen, ob eine Fehleinweisung vorliegt, weil der Verurteilte zum Tatzeitpunkt nicht an einer Störung nach §§ 2 0 , 21 litt oder eine solche mittlerweile weggefallen ist. In diesem Falle ist die Maßregel für erledigt zu erklären (§ 67d Abs. 6 Satz l ) . 1 2 2 Erscheint die Behandlung im Maßregelvollzug hingegen nur gegenwärtig oder vorübergehend aussichtslos, so kann - bei hinreichend konkreter Erfolgsaussicht einer späteren Behandlung - die Vollstreckungsreihenfolge aber durchaus nach § 6 7 Abs. 3 geändert werden. 1 2 3 3. Grenzen. Abs. 3 ist kein Instrument, um die grundsätzliche Regelung des Gesetzes zu umgehen, dass im Zweifel dem Maßregelvollzug der Vorrang gebührt. 1 2 4 Fehlende Sicherungsmöglichkeiten der Maßregelvollzugseinrichtung (OLG Oldenburg StV 2 0 0 1 25) oder die Einschätzung der Entziehungsanstalt, dass bei dem Verurteilten wegen bestehender Fluchtgefahr erforderliche Lockerungen auf absehbare Zeit nicht möglich sind (OLG München StV 2 0 0 2 494), sind keine neu hervorgetretenen Umstände, die eine nachträgliche Änderung der Vollstreckungsreihenfolge ermöglichen.
107
Der Umstand, dass der Verurteilte im Maßregelvollzug Schwierigkeiten macht, rechtfertigt für sich allein noch nicht die Überweisung in den Strafvollzug. 125 Dies gilt, entsprechend der Grundentscheidung des Gesetzgebers vom Vorrang der Maßregel (Rdn. 7), im Grundsatz sogar dann, wenn sich der Täter der für ihn im Maßregelvollzug erforderlichen Behandlung widersetzt, 126 zumal es eine spezifische Aufgabe dieses Vollzugs ist, eine entsprechende Behandlungsbereitschaft zu wecken (Rdn. 71). Folgt man allerdings der hier abgelehnten Auffassung, dass durch einen Vorwegvollzug von Strafe die Behandlungsbereitschaft des Täters und damit der Maßregelzweck u.U. leichter erreicht werden könne (Rdn. 7 0 ff), muss man konsequenterweise annehmen, dass diese leichtere Erreichbarkeit unter den sonstigen Voraussetzungen des Abs. 3 auch Grund für eine - vollständige oder zeitweilige (befristete) - nachträgliche Überweisung in den Strafvollzug sein kann, 1 2 7 und zwar unbeschadet der Entscheidung des erkennenden Gerichts über einen teilweisen Vorwegvollzug der Strafe gemäß § 67 Abs. 2 (Rdn. 65). Der Gefahr, dass der „schwierige" Verurteilte zu sehr „hin und her geschoben wird", steuert dann nur noch das „allgemeine Vollzugsprinzip" entgegen, dass die Anstalten möglichst wenig gewechselt werden sollten, also die Einsicht, dass es unsinnig wäre, auf Krisen des Verurteilten im Unterbringungsvollzug vorschnell oder gar wiederholt durch Überweisung in den Strafvollzug zu reagieren.
108
Selbst bei festgestellter Aussichtslosigkeit des Maßregelvollzugs kommt eine nachträgliehe Überweisung in den Strafvollzug nicht ohne weiteres in Betracht: In den Fällen des § 63 ist für sie nur Raum, wenn der Täter trotz der dort vorgesehenen Behandlung
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125
OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 2 6 ; Maier MK Rdn. 117. OLG Celle J R 1982 4 6 8 f mit zust. Anm. Stree; Maier MK Rdn. 119. OLG Schleswig MDR 1980 1038; OLG Stuttgart Die Justiz 1986 368. Vgl. BT-Drs. V/4095 S. 31; OLG Schleswig MDR 1980 1038; Horn SK Rdn. 12; Lackner/Kühl Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree
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Rdn. 10; Polläbne/Böllinger NK Rdn. 2; eingehend Marquardt S. 163 f. OLG Schleswig MDR 1980 1038; Marquardt S. 164. So in der Tat Stree Anm. J R 1980 509, 510 und Sch /Schröder/Stree Rdn. 10; vgl. auch OLG Stuttgart Die Justiz 1986 3 6 8 ; Horn SK Rdn. 12, 14.
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§67
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
(§ 136 StVollzG) im Strafvollzug besser betreut werden kann. 1 2 8 Und in den Fällen des S 64 kommt eine Verlegung in den Strafvollzug erst in Betracht, wenn nach der vorrangigen Norm des S 67d Abs. 5 Satz 1 das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt hat, weil die Voraussetzungen des § 64 Abs. 2 nicht mehr vorliegen. 110
Die Aufhebung eines ausnahmsweise angeordneten Vorwegvollzugs der Strafe (Abs. 2) ist hingegen schon zulässig bzw. sogar geboten, wenn festgestellt ist, dass der Vorwegvollzug keine günstigeren Wirkungen zeitigt, weil das Gesetz den Maßregelzweck grundsätzlich als leichter erreichbar ansieht, wenn die Maßregel vorab vollzogen wird. 129 Der Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kann nicht erneut angeordnet werden, wenn diese zuvor bestandskräftig gem. § 67d Abs. 5 für erledigt erklärt worden ist. 130
111
4. Wegen aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen bei Ausländern (§ 67 Abs. 3 Sätze 2 und 3). Die Änderung der Vollstreckungsreihenfolge bei ausreisepflichtigen Ausländern soll nach dem UnterbrSichG vom 16.7.2007 nicht nur durch das erkennende Gericht nach § 67 Abs. 2 angeordnet werden (s.o. Rdn. 100 ff). Nach Abs. 3 Satz 2 kann dies auch nachträglich durch die Strafvollstreckungskammer geschehen, wenn die Voraussetzungen für die Ausreisepflicht erst nach der Verurteilung eintreten.
112
Abs. 3 Satz 4 zwingt das Gericht aber auch zur Korrektur einer entsprechenden Anordnung, wenn ihre Voraussetzungen entfallen, es also zu der ursprünglich erwarteten Überstellung, Auslieferung, Ausweisung oder Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nicht kommt (RegE BTDrucks. 16/1110 S. 15). Dasselbe gilt, wenn aus anderen Gründen (z.B. wegen zwischenzeitlicher Aufenthaltsgewährung in Härtefällen gemäß § 23a AufenthaltsG) eine alsbaldige Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zu erwarten ist.
VI. Verfahrensrechtliches 113
1. Entscheidungen des erkennenden Gerichts über den Vorwegvollzug. Will das erkennende Gericht es bei dem Grundsatz des Abs. 1 belassen, dass die Maßregel vor der Strafe zu vollziehen ist, bedarf seine Entscheidung regelmäßig keiner Begründung. Etwas anderes gilt nur, wenn sich im Einzelfall denkbare Gründe für einen Vorwegvollzug der Strafe (Rdn. 59 ff) aufdrängen. Die Anrechnung des vorab vollzogenen Maßregelvollzugs tritt kraft Gesetzes ein, bedarf also keiner richterlichen Anordnung (Rdn. 25).
114
Ordnet das Gericht den vollständigen oder teilweisen Vorwegvollzug nach Abs. 2 Satz 1 an, erfordert das grundsätzlich eine genaue und nachvollziehbare Begründung, wie aus-
128
129
Dazu oben Rdn. 63 ff; vgl. auch OLG Hamm NJW 1979 2 3 5 9 LS: nachträgliche Überweisung in den Strafvollzug „bei besonderer Sachgestaltung", um den Betroffenen dort der für ihn geeigneteren Behandlung nach § 9 StVollzG zuzuführen. Horn SK Rdn. 13; vgl. auch OLG Hamm MDR 1980 952.
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130
OLG Celle NStZ-RR 1997 240, 241; OLG Hamm NStZ 2 0 0 0 168 mit krit. Anm. Radtke/Bechtoldt NStZ 2001 2 2 2 ; OLG Frankfurt aM NStZ-RR 2 0 0 3 41; Maier MK Rdn. 120.
Heinz Schöch
Reihenfolge der Vollstreckung
§67
zusprechen der BGH immer wieder Veranlassung hat. 131 Seit dem 23. StRÄndG muss sich die Begründung auch auf die vielfach besonders kritische Frage eines teilweisen Vorwegvollzugs beziehen.132 Bei Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge nach der neuen Soll-Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 muss das Gericht seine Ermessensentscheidung begründen, wobei der Begründungsaufwand für das Befolgen der neuen Regel geringer ist als für die Abweichung hiervon. Die Anordnung eines Vorwegvollzugs gemäß Abs. 2 beschwert den Betroffenen (s. Rdn. 59 ff), kann also im Rechtsmittelverfahren (auch) von ihm grundsätzlich angefochten werden. Eine Beschränkung des Rechtsmittels nur auf die Anordnung nach Abs. 2 ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung (s. Schöch LK Vor § 61 Rdn. 130) zulässig, wenn sie sich isolieren lässt, also nicht von der Entscheidung über die Maßregelanordnung oder die Strafe im Übrigen abhängig ist, was in vielen Fällen der Fall sein wird.
115
2. Entscheidungen über Aussetzung bzw. weiteren Vollzug gemäß Abs. 5. Zuständig ist hier bei Erwachsenen die Strafvollstreckungskammer (§§ 463 Abs. 1, 5, 462a Abs. 1 StPO; §§ 78a, b GVG). Für ihr Verfahren gilt § 454 (Aussetzung des Strafrests) bzw. § 462 StPO (Entscheidung über die Art des weiteren Vollzugs). Wird die Entscheidung im Rahmen einer Aussetzung des Maßregelvollzugs nach § 67d Abs. 2 getroffen, erfolgt sie in der Regel mit dieser zusammen in einem einheitlichen Beschluss (näher Rissing-van Saan/Peglau LK, Erl. zu § 67d).
116
Bei Jugendlichen und Heranwachsenden ist der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter für alle Aufgaben zuständig, welche die StPO der Strafvollstreckungskammer zuweist (§ 82 Abs. 1 JGG), auch wenn die Jugendstrafe gemäß § 92 Abs. 2 JGG im Erwachsenenvollzug verbüßt wird (Maier MK Rdn. 124). 3. Nachträgliche Entscheidungen nach Abs. 3. Zuständig für nachträgliche Entscheidüngen ist nach Vollstreckungsbeginn bei Erwachsenen regelmäßig die Strafvollstreckungskammer (§ 463 Abs. 1 i.V.m. § 462a Abs. 1 StPO), bei Jugendlichen und Heranwachsenden der Jugendrichter (§ 82 Abs. 1 JGG). Anordnungen nach Abs. 3 sind erst nach Rechtskraft der Unterbringungsanordnung zulässig (Lackner/Kühl Rdn. IIa). Vor Beginn des Vollzugs besteht - nach Rechtskraft - eine Zuständigkeit des erkennenden Gerichts (§ 463 Abs. 1 i.V.m. § 462a Abs. 2 StPO), das sich mit solchen Anordnungen jedoch zweckmäßigerweise zurückhalten wird, weil mit Vollstreckungsbeginn die Zuständigkeit auf die Strafvollstreckungskammer übergeht (Lackner/Kühl Rdn. IIa). Für das Verfahren bei Anwendung des Abs. 3 gilt § 462 i.V.m. § 463 Abs. 5 StPO.
117
VII. Übergangsvorschriften Für Vollstreckungen, die vor dem 1.1.1975 begonnen worden sind, siehe Art. 302, 314 EGStGB.
131
132
Vgl. (z.B.) BGHSt 33 285, 287; BGH NStZ-RR 1998 70; BGH NStZ 1986 140, 428 und 524; weitere Entscheidungen bei BGHR § 67 Abs. 2. Dazu z.B. BGH NStZ 1990 357; BGH NJW
1988 216 = JR 1988 379 mit Anm. Hanack; BGH StV 1987 150 LS; BGHR § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser; vgl. auch Fischer Rdn. 10; Maul/Lauven NStZ 1986 400.
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§ 67a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Für die durch das 23. StRÄndG veränderte Regelung des § 67 Abs. 4 siehe Art. 316 EGStGB. Einzelheiten bei Hanack LK 11 Rdn. 79 f.
VIU. Reform 119
Die wichtigsten Reformvorhaben zu § 67 wurden durch das UnterbrSichG vom 16.7. 2 0 0 7 realisiert. Die von vielen Psychiatern gewünschte größere Durchlässigkeit zwischen Straf- und Maßregelvollzug wurde nicht umgesetzt.
§ 67a Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel (1) Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, so kann das Gericht die untergebrachte Person nachträglich in den Vollzug der anderen Maßregel überweisen, wenn ihre Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann. (2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann das Gericht nachträglich auch eine Person, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, in den Vollzug einer der in Absatz 1 genannten Maßregeln überweisen. Dies gilt bereits dann, wenn sich die Person noch im Vollzug der Freiheitsstrafe befindet und bei ihr ein Zustand nach § 2 0 oder § 21 vorliegt. (3) Das Gericht kann eine Entscheidung nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass die Resozialisierung der untergebrachten Person dadurch besser gefördert werden kann. Eine Entscheidung nach Absatz 2 kann das Gericht ferner aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass mit dem Vollzug der in Absatz 1 genannten Maßregeln kein Erfolg erzielt werden kann. (4) Die Fristen für die Dauer der Unterbringung und die Uberprüfung richten sich nach den Vorschriften, die für die im Urteil angeordnete Unterbringung gelten. Im Falle des Absatzes 2 hat das Gericht erstmals nach Ablauf von einem Jahr, sodann im Falle des Satzes 2 bis zum Beginn der Vollstreckung der Unterbringung jeweils spätestens vor Ablauf von weiteren zwei Jahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Absatz 3 Satz 2 vorliegen.
Schrifttum Bischof Oie Auswirkungen des neuen Strafrechts auf die Unterbringungsmodalitäten im psychiatrischen Krankenhaus, in: Laux/Reimer (Hrsg.), Klinische Psychiatrie (1982), S. 306; Braasch Untherapierbare Straftäter im Maßregelvollzug (2006); V. Bubnoff Anmerkung zu BGH Urt. v. 28.10. 1975 - 1 StR 501/75 JR 1976 423; Eisenberg Die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB und so genannte „Nicht-Therapiegeeignetheit" NStZ 2 0 0 4 240; ders. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt GA 2007 348; von der Haar Therapie im Maßregelvollzug - Konzepte und Erfahrungen, in: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V./Gaßmann Suchtprobleme hinter Mauern (2002) S. 145; Hanack Das juristische Konzept der sozialtherapeutischen Anstalt und der sonstigen Maßregeln im neuen Strafrecht der Bundesrepublik.
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Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
S 67a
Kriminologische Gegenwartsfragen 10 (1972) S. 68; Henze Anm. zu OLG Celle NStZ 1981 196; Köhtie Sicherungsverwahrung und Resozialisierung StraFo 2 0 0 3 2 3 0 ; Leygraf/Schalast Wodurch wird ein Maßregelpatient „schwer entlassbar"? in: Rode/Kammeier/Leipert Neue Lust auf Strafen (2005) S. 85; Pollähne Trendwende im Strafrecht? Aktuelle Entwicklungen im Maßregelrecht unter besonderer Berücksichtigung der Sicherungsverwahrung SchlHA 2 0 0 5 135; Schleusener Rechtliche Fragen, in: Sozialtherapeutische Anstalten, Bericht des Fachausschusses V des Bundeszusammenschlusses für Straffälligenhilfe2 (1977), S. 69; Schmälzer/Skirl Quo vadis - Sicherungsverwahrung? ZfStrVO 2 0 0 4 323; Schneider, U. Beendigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei „ Zweckerreichung" - Eine kriminalpolitische Herausforderung NStZ 2 0 0 4 6 4 9 ; dies. Die Reform des Maßregelrechts NStZ 2 0 0 8 68; Stetter Therapie und Prognose der Alkoholintoxikation und -abhängigkeit, in: Schneider/Frister Alkohol und Schuldfähigkeit (2002) S. 10; Volckart Vorschläge der Leiter der öffentlichen psychiatrischen Krankenhäuser zur Reform des Maßregelrechts R & P 1996 79; Wendisch Anm. zu OLG Celle NStZ 1981 318. Im Übrigen s. die Literaturangaben bei den Vorb. vor § 61 und bei § 67b.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist durch das 2. StrRG neu geschaffen und noch vor ihrem Inkrafttreten durch das EGStGB 1974 geändert worden. Vor dem Inkrafttreten der Vorschrift gab es keine vergleichbare Bestimmung. Wegen der Einzelheiten zur Entstehungsgeschichte und hinsichtlich einer Übersicht der relevanten Materialien kann auf die Ausführungen von Horstkotte in LK 1 0 verwiesen werden. Eine dem § 67a Abs. 3 entsprechende Vorschrift enthielt das 2. StrRG nicht. Sie wurde erst durch Artikel 18 II Nr. 24c EGStGB 1974 eingefügt (vgl. dazu den Bericht des Sonderausschusses zum EGStGB 1974 - BTDrucks. 7/1261 - S. 7, aus den Beratungen des Sonderausschusses ferner Prot. VII, 1069 f). Der Absatz beruht auf einem in die Beratungen des Sonderausschusses eingeführten Vorschlag des BMJ (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform VII S. 1069 f, 1229); im Regierungsentwurf des EGStGB 1974 war er noch nicht vorgesehen. Anlass für den Vorschlag des BMJ waren die Beratungen zum Strafvollzugsgesetz: Die in § 9 StVollzG vorgesehene Verlegung aus dem Strafvollzug in eine sozialtherapeutische Anstalt kann rückgängig gemacht werden, wenn mit den Mitteln und Hilfen dieser Anstalt kein Resozialisierungserfolg erreicht werden kann (§ 9 Abs. 1 Satz 2 StVollzG). Eine solche Rückverlegung wegen Misserfolges war nach § 67a i.d.F. des 2. StrRG nicht möglich. Innerer Grund für die Einfügung des Abs. 3 waren die deutlicher gewordenen Kapazitätsprobleme der Anstalten und die durch die Arbeiten an der Psychiatrie-Enquete (BTDrucks. 7/4200) geförderte - Erkenntnis, dass ein therapeutisch nicht gerechtfertigter Aufenthalt im psychiatrischen Krankenhaus nicht nur für die Anstalt, sondern auch für den Betroffenen eine unzumutbare Belastung darstellen kann (vgl. Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform VII S. 1070). Die ursprünglich vorgesehene Einbeziehung der Unterbringung in eine sozialtherapeutische Anstalt in den Anwendungsbereich der Vorschrift ist nie in Kraft getreten (vgl.: Art. 2 Strafvollzugsänderungsgesetz vom 20.12.1984 BGBl. I S. 1654). Durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 (BGBl. I S. 1327) - in Kraft seit dem 20.7.2007 wurden Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 2 neu eingeführt und die Vorschrift im Übrigen geschlechtsneutral gefasst.
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67a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Übersicht
I. Zweck der Vorschrift 1. Allgemeines 2. Resozialisierung durch Flexibilisierung 3. Reformbestrebungen
Rdn. 1
II. Anwendungsbereich 1. Materiellrechtliche Vorfragen 2. Zeitpunkt der Überweisungsentscheidung HI. Formelle Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 1. Angeordnete Maßregel 2. Vollstreckbarkeit der angeordneten Maßregel 3. Vollzug der angeordneten Maßregel IV. Materielle Voraussetzungen der Überweisung nach Absatz 1 oder 2 1. Resozialisierung 2. Bessere Förderung a) Förderung b) besser aa) Allgemeines bb) Abstrakter oder tatsächlicher Maßstab? cc) Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verhältnisse c) Bezug zum ursprünglichen Grund der Maßregelanordnung d) Besondere Problemgruppen . . . . 3. Vorliegen eines Zustands nach § 2 oder § 21 (Absatz 2 Satz 2) 4. Anordnung nach § 67 Abs. 2, 3 als Alternative
11 11 12 14 17 18 21 21 22 23 26 28 29 32 35
V. Rechtsfolgen nach § 67a Abs. 1 und 2 1. Allgemeines 2. Kriterien für die Ermessensausübung VI. Rücküberweisung, Weiterüberweisung (§ 67a Abs. 3) 1. Allgemeines 2. Entscheidung nach § 67a Abs. 3 S. 1 a) Anwendungsbereiche b) Bessere Förderung der Resozialisierung 3. Entscheidung nach § 67a Abs. 3 S. 2 a) Sicherungsverwahrte b) Erfolglosigkeit des Vollzuges der anderen Maßregel 4. Rechtsfolgen 5. Analoge Anwendung von § 67a Abs. 3 S. 2 VII. Rechtsnatur der Überweisung und Folgen 1. Höchstdauer und Überprüfungsfristen (§ 67a Abs. 4) 2. Folgeentscheidungen 3. Vollstreckungs- und Vollzugsrecht . .
Rdn. 37 37 38 44 44 45 45 46 49 49 50 55 58 59 60 64 65
VIH. Verhältnis zu anderen Vorschriften . 1. Mehrere angeordnete Maßregeln 2. Parallelvorschriften
67 67 70
IX. Besonderheiten im Jugendstrafrecht
74
X. Verfahren 1. Zuständigkeiten 2. Sonstiges
75 75 77
36
I. Zweck der Vorschrift 1
1. Allgemeines. § 67a soll dazu beitragen, dass die Zeit, in der der Verurteilte aufgrund des Maßregelausspruchs in Unfreiheit gehalten werden muss, so gut wie möglich für die Resozialisierung (zu diesem Begriff Rdn. 18) genutzt wird. 1 Diesem Zweck dienen die Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 unmittelbar; Absatz 3 Satz 2, der eine Rücküberweisung aus anderen Gründen als dem der Resozialisierung zulässt, soll die Funktionsfähigkeit der Resozialisierungseinrichtungen sichern und zugleich den Betroffenen vor Belastungen schützen, die sich aus dem Vollzug einer ungeeigneten Maßregel für ihn ergeben können. Nach Absatz 4 richten sich die Unterbringungsdauer und die Überprüfungsfristen (§ 67d Abs. 1, § 67e) trotz der Überweisung grundsätzlich weiterhin nach den Regeln, die für die im Urteil angeordnete Maßregel gelten: § 67a betrifft also nur den Vollzug der Maßregel, nicht den Rechtsgrund des Freiheitsentzuges und die Kontrolle seiner Grenzen.
1
Horn SK Rdn. 1; Lackner/Kühl Rdn. 1; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 2; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 1; Veh MK Rdn. 1.
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Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
§ 67a
Durch eine Entscheidung nach § 67a wird keine andere Maßregel angeordnet, sondern nur, dass die ursprünglich angeordnete Maßregel im Vollzug einer anderen Maßregel vollstreckt wird. 2 Diese „reine Vollzugsregelung" (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2330) hätte auch im StVollzG getroffen werden können. Dass sie sich im StGB findet, hängt mit der Gesetzgebungsgeschichte zusammen: Beim Erlass des 2. StrRG lag das StVollzG noch nicht vor. Die in den Beratungen des Sonderausschusses für den Standpunkt der Regelung im StGB vorgebrachten Gründe (Zusammenhang mit dem materiellrechtlichen Charakter der Maßregeln, vgl. Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2332; Ausräumung von Zweifeln, die sich aus der spezifischen Fassung des Maßregelausspruchs im Urteil ergeben, Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2330) nötigten nicht zu unterschiedlichem Standort des § 67a StGB und des § 9 StVollzG. 2. Resozialisierung durch Flexibilisierung. Die Vorschrift ist neben § 67 eine weitere Konkretisierung des Vikariierungsprinzips.3 In § 67a kommt die Grundkonzeption des Maßregelrechts nach dem 2. StrRG zum Ausdruck: Bei jedem Verurteilten, gegen den eine freiheitsentziehende Maßregel angeordnet worden ist, soll, soweit dazu die Möglichkeit besteht, der Versuch der Resozialisierung gemacht werden; insofern steht bei den Maßregeln der Gesichtspunkt der Besserung an erster Stelle. Andererseits rechtfertigt das Besserungsziel den Freiheitsentzug nicht für sich allein; die Legitimation dafür, dass die Resozialisierung unter Freiheitsentzug versucht wird, liegt bei allen freiheitsentziehenden Maßregeln allein in der Gefahr, dass der Verurteilte ohne den Maßregelvollzug weitere Straftaten begehen würde. 4 Diese gleichartige Rechtfertigung aller freiheitsentziehenden Maßregeln relativiert das Eigengewicht der Vollzugsformen der verschiedenen Maßregeln. Deswegen kann, ohne dass Bedenken wegen der Rechtskraft des die Maßregel anordnenden Urteiles entgegenstehen, im Rahmen der zeitlichen Begrenzung der ursprünglich angeordneten Maßregel (§ 67a Abs. 4) der Maßregelvollzug flexibel gehandhabt werden.
2
3. Reformbestrebungen. In der 15. Legislaturperiode gab es mehrere Ansätze zur Anderung des Maßregelrechts. Zu nennen sind hier der Bundesratsentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt" (BTDrucks. 15/3652), der u.a. eine Änderung des § 67a Abs. 4 vorsieht. Danach soll bei einer Überweisung aus einer Maßregel des § 64 in den Vollzug nach § 63 auch die Geltung der Dauer und Überprüfungsfristen der letztgenannten Maßregel angeordnet werden können. Der Entwurf wurde in der 15. Legislaturperiode nicht zu Ende beraten und in der 16. Legislaturperiode erneut eingebracht (BTDrucks. 16/1344 vom 26.4.2006). 5 Die BReg hat im Mai 2 0 0 5 einen eigenen Entwurf vorgelegt (BRDrucks. 400/05; vgl. dazu kritisch: Pollähne/Bölltnger N K 2 Rdn. 7). Der Entwurf wurde ebenfalls nicht zu Ende beraten und in der 16. Legislaturperiode (BTDrucks. 16/1110 vom 31.3.2006) erneut eingebracht. Der Bundesratsentwurf konnte sich nicht durchsetzen, während der Regierungsentwurf (mit Änderungen des Rechtsausschusses, BTDrucks. 16/5137) schließlich verabschiedet wurde. 6
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Scb/Schröder/Stree Rdn. 2 ; Schneider 2 0 0 4 649, 651. Vgl. Pollähne/Bölllinger NK Rdn. 2; LK § 6 7 Rdn. 1 ff. BGHSt 2 8 327, 332; BGH bei Holtz 1978 110; KG Beschl. v. 2 6 . 2 . 2 0 0 2 -
NStZ Schock MDR 1 AR
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6
2 2 0 / 0 2 - 5 WS 118/02; OLG Hamm MDR 1978 950. Krit. zu diesem Entwurf: Eisenberg GA 2 0 0 7 348, 354. BTPlenarprot. v. 2 7 . 4 . 2 0 0 7 S. 9 7 4 5 ; vgl. näher Schneider NStZ 2 0 0 8 68 f.
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§ 67a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Π. Anwendungsbereich 4
1. Materiellrechtliche Vorfragen. Die Vorschrift eröffnet die Überweisungs- und Riicküberweisungsmöglichkeiten lediglich innerhalb des Maßregelvollzuges. Sie findet keine Anwendung im Verhältnis von Strafe und Maßregel. 7 Ebenfalls ist sie unanwendbar bezüglich einer Überweisung in eine oder einer Rücküberweisung aus einer sozialtherapeutischen Anstalt (§ 9 StVollzG). Letzteres ist nur aus bzw. in den Strafvollzug möglich. 8
5
Eine analoge Anwendung auf die Uberweisung von einer Maßregel in eine sozialtherapeutische Anstalt oder umgekehrt 9 scheidet bereits deswegen aus, weil keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Der Gesetzgeber hat sich mit dem Strafvollzugsänderungsgesetz vom 20.12.1984 (BGBl. I, 1654) für die Aufgabe des § 65 StGB i.d.F. des 2. StrRG, der die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt als Maßregel beinhaltete, und für die sog. „Vollzugslösung" (Verlegung eine sozialtherapeutische Anstalt als rein strafvollzugsinterne Angelegenheit) entschieden. 10 Eine (rein strafvollzugsrechtliche) Verlegung eines Sicherungsverwahrten in eine sozialtherapeutische Anstalt ist aber möglich (§§ 130, 9 StVollzG) und in vielen Fällen angezeigt. 11 Im Gesetz sind für das Vikariieren zwischen Strafe und Maßregel in § 67 abschließende Regelungen getroffen worden.
6
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 67a Abs. 2 ist nur eine Überweisung aus der Sicherungsverwahrung heraus in den Vollzug einer anderen Maßregel, nicht aber umgekehrt möglich. 12 Auch insoweit ist keine Analogie möglich 13 obwohl eine derartige Möglichkeit (zur Vermeidung der Überlastung von forensischen Anstalten mit nicht therapierbaren Verurteilten) möglicherweise wünschenswert wäre. 1 4 Indes hat der Gesetzgeber bewusst von einer solchen Möglichkeit abgesehen, weil die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ultima ratio sein sollte und sie sich schwerlich jemals als überlegene Behandlungsmethode gegenüber anderen Maßregeln erweisen wird. 15 Im Übrigen ist inzwischen für derartige Fälle § 66b Abs. 3 StGB geschaffen worden. 1 6
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2. Zeitpunkt der Uberweisungsentscheidung. Das Gesetz spricht in § 67a von einer „nachträglichen" Überweisung, sieht also eine Überweisung im Zusammenhang mit dem Urteil (durch das erkennende Gericht) nicht vor. 17
8
Einige Oberlandesgerichte und Teile der Literatur bejahen indes eine entsprechende Anwendung des § 67a durch das erkennende Gericht, wenn es eine Maßregel nach den §§ 63, 64 anordnet und dabei der Ansicht ist, dass zunächst vorübergehend eine andere dieser Maßregeln vollzogen werden sollte. 18 Die Frage stellt sich freilich überhaupt nur 7
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OLG Karlsruhe NStZ 2 0 0 0 279, 2 8 0 ; Die Justiz 1998 532; 1997 3 4 2 ; NStZ 1991 302. OLG Hamm NStZ 1987 4 4 ; Fischer Rdn. 2. Dafür: AG Ludwigsburg NStZ 1986 237. OLG Hamm NStZ 1987 44; Fischer Rdn. 2; Veh MK Rdn. 3. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 28; Schmälzger/ Skirl ZfStrVO 2 0 0 4 323, 325. Missverständlich: OLG Hamm Beschl. v. 14.4.2005, 4 Ws 101/05. Vgl. BGH NStZ 2 0 0 0 587, 5 8 9 ; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 90 m. Anm. Radke JR 1998 4 3 3 ; Pollähne SchlHA 2 0 0 5 135, 139.
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Vgl. Volckart R & P 1996 79 (der dies bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags des Verurteilten befürwortet). Vgl. ausführlich: BVerfG NJW 1995 7 7 2 , 7 7 3 f. Schneider NStZ 2 0 0 4 649, 654. Anders offenbar Veh MK Rdn. 5, der in diesen Fällen die Vorschrift nicht bloß analog anwenden will. Horn SK Rdn. 4; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 22; Veh SK Rdn. 5.
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Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
S 67a
dann, wenn das Gericht keinen Vorwegvollzug der Strafe nach § 67 Abs. 2 anordnet oder wenn allein auf eine Maßregel (ohne Freiheitsstrafe) erkannt wurde. 19 Es wäre ein Leerlauf, wollte das Gericht, dem bei Anordnung der Maßregel nach § 64 eine anfängliche Aufnahme in das psychiatrische Krankenhaus erforderlich erscheint, die Überweisung aus der Entziehungsanstalt in das psychiatrische Krankenhaus dem Beschlussverfahren überlassen. Die mögliche Anordnung beider Maßregeln (§ 72 Abs. 2) würde den Betroffenen in diesem Fall unnötig belasten, insbesondere wegen des Fehlens einer Höchstfrist für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus. 2 0 Von der Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des § 67a ist bisher in Fällen Gebrauch gemacht worden, in denen die Vollstreckung der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zunächst aus Kapazitätsgründen gehindert war, während im psychiatrischen Krankenhaus Behandlungsmöglichkeiten für Suchtkranke vorhanden waren. Zweifelhaft ist allerdings, ob bloße Kapazitätserwägungen eine solche Entscheidung zu rechtfertigen vermögen. 21 Die mögliche Alternative wäre die Anordnung des Vorwegvollzugs (eines Teils) der Strafe 2 2 oder aber auch eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung (§ 67b). Entsprechende Alternativen sind zu prüfen. Wenn diese aber ausscheiden oder sich demgegenüber im Einzelfall eine Entscheidung analog § 67a als die mildere Maßnahme erweist und in einem psychiatrischen Krankenhaus der Behandlungsbedürftigkeit eines Suchtkranken Rechnung getragen werden kann 2 3 , erscheint ein solches Vorgehen vertretbar. 24 Ist als Maßregel die Sicherungsverwahrung angeordnet, so scheidet eine analoge Anwendung des § 67a Abs. 2 aus, denn bei dieser ist weder ein Vorwegvollzug noch eine isolierte Anordnung möglich, sondern es wird immer zunächst die Strafe vollstreckt (vgl. § 67). Das erkennende Gericht kann deswegen auch noch nicht beurteilen, ob zum zukünftigen Zeitpunkt des Beginns der Maßregelvollstreckung zunächst ein Vollzug in einer Anstalt einer anderen Maßregel für die Resozialisierung besser förderlich ist. Möglicherweise kommt es auch wegen § 67c gar nicht zur Maßregelvollstreckung. 25 Im Falle der nachträglich angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird eine analoge Anwendung des S 67a teilweise bejaht, weil nur durch eine frühzeitige Überweisung in den Vollzug der Maßregel, in der die Resozialisierung am besten gefördert werden kann, dem Gebot des BVerfG zur weitgehenden Schonung des Freiheitsgrundrechts Rechnung getragen werden könne. 2 6 Es sei auch kein sachlicher Grund ersichtlich, warum eine Vollstreckungsentscheidung nach § 67c Abs. 1 bei anfänglich angeordneter Sicherungsverwahrung mit einer Entscheidung nach § 67a verbunden werden kann, das aber nicht möglich ist, wenn die Maßregel erst nachträglich angeordnet wird. 27
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Der BGH lehnt eine solche Analogie - jedenfalls für den Fall einer nachträglich nach § 66b angeordneten Sicherungsverwahrung - ab (vgl. hierzu auch § 66b Rdn. 178). Würde man eine Überweisung nach § 67a in den Vollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus gleichzeitig mit der nachträglichen Maßregelanordnung zulassen, würde gleichsam durch die Hintertür eine - gesetzlich nicht vorgesehene - nachträgliche Anordnung
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Horn SK Rdn. 4. OLG Hamm JMBl. N W 1 9 8 0 226; MDR 1978 950; vgl. auch: Horn SK Rdn. 4; Horstkotte LK 1 0 Rdn. 12. Vgl. Veh MK Rdn. 5. OLG Hamm JMB1NW 1980 2 2 6 , 227. Zu dieser Voraussetzung vgl.: OLG Celle NStZ 1995 255.
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Vgl. Horn SK Rdn. 4. Vgl. OLG Karlsruhe Die Justiz 1998 532, 533; Die Justiz 1997 3 4 2 , 343; Veh MK Rdn. 6. LG Hildesheim R & P 2 0 0 6 4 5 m. zust. Anm. Pollähne. Pollähne R & P 2 0 0 6 4 6 , 47.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ermöglicht.28 Er meint, dass es angesichts des Gewichts des Eingriffs einer nachträglichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in das Freiheitsgrundrecht einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedürfe.29 Außerdem erhebt Bedenken gegen die Analogie im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (gesetzlicher Richter), da für die gesetzlich geregelte nachträgliche Entscheidung nach § 67a die StVK und nicht das erkennende Gericht zuständig ist. 30 Zumindest die Bedenken im Hinblick auf den gesetzlichen Richter müssten auch bei einer Überweisung durch das Tatgericht im Falle einer nach § 66 anfänglich angeordneten Sicherungsverwahrung gelten. Die StVK kann hingegen nachträglich in direkter Anwendung des § 67a auch bei einer nach § 66a Abs. 2 oder § 66b angeordneten Sicherungsverwahrung eine Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel anordnen, denn der Zeitpunkt, zu dem diese Maßregel angeordnet wurde, spielt in § 67a keine Rolle. 31
LH. Formelle Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 11
1. Angeordnete Maßregel. Voraussetzung für die Anordnung nach § 67a Abs. 1 ist, dass die Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet ist; in den Fällen des Absatzes 2 wird die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorausgesetzt. Gemeint ist die rechtskräftige Anordnung im Urteil.
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2. Vollstreckbarkeit der angeordneten Maßregel. Voraussetzung für die Anwendung des § 67a ist, dass die Unterbringung (in welcher Anstalt auch immer) zu dem Zeitpunkt, in dem die Überweisung wirksam werden soll, überhaupt noch vollstreckt werden muss, also nicht nach §§ 67c oder 67d zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden kann. Gleiches gilt im Falle der soeben erwähnten analogen anfänglichen Anwendung im Hinblick auf § 67b. Deswegen wird eine Entscheidung nach § 67a regelmäßig nur gleichzeitig mit oder zeitlich nach einer Entscheidung nach §§ 67c oder 67d erfolgen, da erst dann hinreichend Klarheit besteht, ob es ihrer überhaupt noch bedarf.32 Eine Ausnahme besteht in dem Fall, in dem das Gericht eine Anordnung der Vorwegvollziehung der Strafe nach § 67 Abs. 3 rückgängig macht und die Vollstreckungsreihenfolge des § 67 Abs. 1 wieder herstellt (dazu unten Rdn. 56).
13
Ist bei einem nach § 63 untergebrachten Verurteilten der Grund für die Unterbringung entfallen (vgl. § 67d Abs. 6), so ist, selbst wenn er auch stark alkoholgefährdet ist, eine Überweisung in die Unterbringung nach § 64 nicht mehr möglich. 33 Hier würde nämlich der zur ursprünglichen Unterbringung führende Umstand 34 nicht lediglich mit Mitteln der anderen Maßregel behandelt, sondern es würde eine neue Maßregel (aus anderen Gründen) an die Stelle der alten treten. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64) wegen fehlender hinreichender Aussicht, ihr Behandlungsziel zu erreichen, gem. § 67d Abs. 5 für erledigt zu erklären ist. In Beurteilung der
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BGH Beseht, v. 9.1.2007 - 1 StR 605/06; ebenso auch: Fischer Rdn. 6. BGH Urt. v. 2 3 . 3 . 2 0 0 6 - 1 StR 476/05. BGH Beschl. v. 15.2.2006 - 2 StR 4/06; BGH Urt. v. 2 3 . 3 . 2 0 0 6 - 1 StR 476/05. AA Ziegler BeckOKStGB Rdn. 2 („analoge Anwendung" - ohne nähere Begründung).
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Vgl. Polläbne SchlHA 2 0 0 5 135,139. OLG Hamburg MDR 1986 1044; Veh MK Rdn. 11. Dazu: Horn SK Rdn. 8.
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Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
§ 67a
Erfolgsaussichten ist allerdings einzubeziehen, wie eine etwaige Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel sich auswirken würde (vgl. unten Rdn. 3 4 ) . 3 5 Berücksichtigt werden kann also, dass eine an sich aussichtslose Entziehungskur erst nach einer zwischenzeitlichen Behandlung einer psychischen Erkrankung Erfolg zeitigen kann. 3 6 Ist hingegen auch unter Berücksichtigung einer Überweisung eine Unterbringung aussichtslos, so kann eine Überweisung auch dann nicht stattfinden, wenn ein anderer Defekt (der nicht der Maßregelanordnung zugrunde lag) in der Unterbringung nach § 63 (besser) behandelt werden könnte. § 6 7 d Abs. 5 bleibt, da es sich nicht um eine Änderung der Maßregel handelt, sondern die Maßregel des § 6 4 lediglich in der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vollzogen wird, uneingeschränkt anwendbar. 3 7 3. Vollzug der angeordneten Maßregel? Das Gesetz setzt nicht voraus, dass sich der Betroffene zur Zeit der Überweisungsanordnung im Vollzug der im Urteil angeordneten Maßregel befindet. Die Entscheidung kann also auch dann getroffen werden, wenn sich der Verurteilte noch im Vollzug der kraft Gesetzes (bei der Sicherungsverwahrung) oder kraft richterlicher Anordnung (§ 6 7 Abs. 2) vorweg zu vollziehenden Freiheitsstrafe befindet. 38 Die Entscheidung nach § 67a ist allerdings erst sinnvoll, wenn feststeht, dass er nach Ende des Strafvollzugs nicht gemäß § 6 7 c Abs. 1 Satz 2 entlassen wird; über die Überweisung ist hier frühestens gleichzeitig mit dem Beschluss nach § 6 7 c Abs. 1 zu entscheiden. Sie ist auch dann sinnvoll, wenn das Gericht zuvor oder gleichzeitig nach § 6 7 Abs. 3 bestimmt, dass die Reihenfolge der Vollstreckung nach § 6 7 Abs. 1 wiederherzustellen ist. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn während des Strafvollzuges eine psychische Krankheit aufgetreten ist, die im Vollzug der anderen Maßregel behandelt werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass die psychische Krankheit mit der Gefährlichkeit des Täters zusammenhängt, deren resozialisierende Behandlung Maßregelzweck ist (ergänzend Rdn. 2 9 ) . 3 9 In § 4 5 Abs. 4 StrVollstrO ist ausdrücklich vorgeschrieben, dass die Vollstreckungsbehörde in solchen Fällen eine entsprechende gerichtliche Entscheidung herbeizuführen hat.
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Ist Sicherungsverwahrung angeordnet gewesen, so kann aufgrund des durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 (BGBl. I S. 1 3 2 7 ) 4 0 neu eingeführten Absatz 2 Satz 2 nunmehr auch eine Überweisung in den Vollzug einer Maßregel nach § 6 3 oder § 6 4 erfolgen, wenn - was bei der Sicherungsverwahrung wegen des zwingenden Vorwegvollzugs der Strafe der Fall ist - noch überhaupt keine Maßregel sondern nur die Strafe vollstreckt wird. Das war nach alter Rechtslage nicht möglich. Mit dem Vollzug der anderen Maßregel konnte frühestens zu dem Zeitpunkt begonnen werden, zu dem sonst der Vollzug der Sicherungsverwahrung angefangen hätte, also nach Verbüßung der Freiheitsstrafe. 41 Grund für die Neuregelung ist, dass es als unbefriedigend angesehen wurde, dass insbesondere bei psychischen Störungen nach alter Rechtslage während des Vollzugs der Strafe nur die teilweise unzureichenden Möglichkeiten nach § 65 StVollzG (z.B. Verlegung in ein Anstaltskrankenhaus) blieben und mit der eigentlichen Behandlung
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Veh MK Rdn. 12; vgl. auch: OLG Karlsruhe Die Justiz 1997 342, 343. Veh MK Rdn. 14. Sch/Schröder/Stree Rdn. 2. Fischer Rdn. 3; Veh MK Rdn. 5. Pohlmann/Jabel/Wolf StrVollstrO8 § 45 Rdn. 23.
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Vgl. dazu: Pollähne SchlHA 2005 135, 139. Fischer Rdn. 4; Veh MK Rdn. 5; aA für die alte Rechtslage LG Marburg R&P 1991 81, 82 m. Anm. Volckart.
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aufgrund einer Überweisungsentscheidung erst später, gleichzeitig mit der Maßregelvollstreckung begonnen werden konnte.42 16 Die Überweisung kann auch zusammen mit dem Widerruf einer Maßregelaussetzung (§ 67g) angeordnet werden; der Überweisung braucht auch hier nicht die (erneute) Vollstreckung der vom erkennenden Gericht angeordneten Maßregel voranzugehen. IV. Materielle Voraussetzungen der Uberweisung nach Absatz 1 oder 2 17
Weitere Voraussetzung für die Überweisung nach § 67a Abs. 1, 2 ist, dass die Resozialisierung durch die Überweisung, d.h. durch den auf sie folgenden Vollzug der anderen Maßregel, besser gefördert werden kann. Geht es um die Überweisung bei angeordneter Sicherungsverwahrung in den Vollzug einer Maßregel nach § 63 oder § 64, so muss nach Absatz 2 Satz 2 auch ein Zustand nach § 20 oder § 21 vorliegen (dazu Rdn. 35).
18
1. Resozialisierung. Den Begriff der Resozialisierung43 verwendet das StGB nur in § 67a; im StVollzG findet er sich in § 9 Abs. 2 (betrifft andere Gefangene, als die in Abs. 1 genannten Sexualtäter). § 9 Abs. 1 StVollzG verweist hingegen auf § 6 Abs. 2 S. 2 StVollzG, der seinerseits an S. 1 anknüpft, wo von „Eingliederung" nach der Entlassung die Rede ist. Das deutet darauf hin, dass hier etwas ähnliches gemeint ist, denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die Voraussetzungen für die verschiedenen Tätergruppen insoweit unterschiedlich gestaltet sein sollten. Unter „Resozialisierung" kann man daher jede Einwirkung auf den Untergebrachten, die unmittelbar oder mittelbar dazu beiträgt, dass er künftig ein Leben ohne Straftaten führen kann (vgl. §§ 2, 123, 136 StVollzG), verstehen.44 Ein dahingehendes Verständnis entspricht auch dem u.a. in § 56 zum Ausdruck kommenden Ziel strafrechtlicher Eingriffe überhaupt.
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Zu Bedenken wäre, ob man den Resozialisierungsbegriff im Rahmen des Maßregelrechts etwas weiter fasst. So wie die Maßregeln der §§ 63, 64 und 66 nur bei drohenden erheblichen Straftaten angeordnet werden dürfen (noch strenger: § 66b), könnte man es umgekehrt für eine Resozialisierung ausreichen lassen, dass der Verurteilte zwar nicht ohne Straftaten, so aber doch ohne erhebliche Straftaten durch sein weiteres Leben geht.45 Wollte man ein strafloses Leben hier als Ziel nehmen, so würde, wenn lediglich die Abschwächung der Kriminalität von erheblicher auf eine geringere Stufe durch die Überweisung in eine andere Maßregel erreicht werden kann, eine Überweisung ausscheiden, da dann die Resozialisierung nicht gefördert wird.
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Eine Behandlung, die nur in der Anstaltspflege besteht, aber nicht darauf zielt, ein Leben des Betroffenen in Freiheit vorzubereiten, richtet sich, streng genommen, nicht auf die Resozialisierung: Sollte eine psychische Krankheit eintreten, die nicht nur unheilbar ist, sondern den Betroffenen auch auf unabsehbare Zeit gefährlich und deshalb entlassungsunfähig macht, so ist für eine Überweisung nach § 67a nach dem Gesetzeswortlaut kein Platz; hier sind die zu Rdn. 70 ff genannten Alternativen zu prüfen. Ein solcher Fall wird indessen nicht oft praktisch werden. In der Regel wird heute auch bei Schizophrenen nach mehr oder weniger langer Zeit mit der Möglichkeit einer Entlassung (unter
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BTDrucks. 16/1110 S. 17; Schneider NStZ 2 0 0 8 68, 71 f. Zum rechtshistorischen Hintergrund vgl. die Nachweise bei Horstkotte LK 1 0 § 67a Rdn. 14.
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Veh MK Rdn. 9. Vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2 0 0 5 251 (zu § 67).
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Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
§ 67a
Fortsetzung ambulanter Behandlung) gerechnet werden können; hier ist die vorangehende ärztliche Behandlung einschließlich der Einstellung auf die notwendigen Medikamente (Psychopharmaka) als Förderung der Resozialisierung im Sinne des § 67a zu verstehen. 2. Bessere Förderung a) Eine Förderung der Resozialisierung liegt in allem, was der Erreichung des Zieles dienlich ist. Dazu gehört (nachdem § 65 gestrichen wurde) hinsichtlich der Maßregeln der SS 63 und 64 vornehmlich die Behandlung psychischer Krankheiten (hier dann Überweisung in die Maßregel des S 63) und von Sucht- und Entziehungszuständen (hier dann Überweisung in die Maßregel des S 64). In diesem Rahmen kann u.a. auch die Einübung des Zusammenlebens in kleineren Gruppen wie in der Gesellschaft, der Erwerb von Fähigkeiten, die die berufliche Eingliederung erleichtern, die Einleitung von Maßnahmen der beruflichen Wiedereingliederung, die Überwindung eigener Schwierigkeiten, die zu strafrechtlich erheblichen Konflikten geführt haben zweckdienlich sein. 46 Dasselbe gilt, wenn eine die Entlassung ermöglichende Behandlung mit Hormonpräparaten bei Sexualstraftätern vor der Entlassung in einer dafür besonders geeigneten Klinik vorbereitet werden soll. Die Resozialisierung wird im Sinne des § 67a auch dann gefördert, wenn die Behandlung nur vorübergehender Natur ist, also von vornherein beabsichtigt wird, den Betroffenen später in die ursprünglich angeordnete Unterbringung zurückzuüberweisen,
21
die dann gemäß S 67a Abs. 3 Satz 1 geeigneter erscheinen wird. Die Überweisung ist demnach nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Betroffene aus der anderen Maßregel in die Freiheit entlassen werden soll. b) Die Überweisung nach Absatz 1, 2 und 3 Satz 1 setzt voraus, dass die Resozialisierung im Vollzug der anderen Maßregel besser gefördert werden kann. Hiervon muss der Richter überzeugt sein. Insofern gelten die gleichen Anforderungen wie nach S 67 Abs. 2 („leichter erreicht"). 4 7 Die Überzeugung des Richters braucht nur zum Gegenstand zu haben, dass die Resozialisierung besser gefördert werden kann; S 67a setzt nicht etwa die Überzeugung voraus, dass die Resozialisierung im Vollzug der anderen Maßregel tatsächlich erreicht wird. Nach Lage der Dinge kann es sich nur um einen Versuch handeln, ist doch die Prognose selbst im Zeitpunkt der Entlassung (S 67d Abs. 2) noch immer unsicher. Besser geeignet sein kann der Vollzug in der Einrichtung der anderen Maßregel z.B. deswegen, weil dort andere, geeignetere Behandlungskonzepte, Ausstattung oder Kapazitäten bestehen. 48
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aa) Dass der Zweck in der neuen Anstalt gleich gut oder gleich schlecht wie in der alten erreicht werden kann, genügt nicht 4 9 , auch dann nicht, wenn andere Umstände, zumal Belegungsgesichtspunkte oder Schwierigkeiten, die der Verurteilte in der bisherigen Anstalt gemacht hat, für eine Überweisung sprechen. Auf die Gründe für die Erwartung, dass die Resozialisierung in der anderen Anstalt besser gefördert werden kann, kommt es nicht an. S 67a betrifft sowohl Fälle, in denen sich der Zustand des Untergebrachten nach der Verurteilung geändert hat (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2 2 3 0 ) 5 0 , als auch solche, in denen eine im Urteil getroffene Fehlentscheidung korrigiert werden muss. Im letzteren Fall steht die Rechtskraft der ur-
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Vgl. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 14. Vgl. dazu Schöch LK § 6 7 Rdn. 68 ff. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 14 f.
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sprünglichen Anordnung der Überweisung nicht entgegen, da die Rechtsnatur der Unterbringung sich nicht ändert (§ 67a Abs. 4). Auch ist § 67a Abs. 1 noch weiter formuliert als Abs. 3 (ein nachträgliches Sich-Ergeben ist hier nicht gefordert), wobei selbst für diesen nach der hier vertretenen Auffassung keine nachträglichen Tatsachen erforderlich sind, sondern eine nachträgliche andere Bewertung ausreicht (vgl. unten Rdn. 47). § 67a ist auch anwendbar, wenn sich eine Behandlungsmöglichkeit, die zur Zeit des Urteils noch nicht bestanden hat, nachträglich ergibt, etwa, wenn eine neuartige Therapie entwickelt worden ist. Die Überweisung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Untergebrachte - im Hinblick auf die Höchstfrist der im Urteil angeordneten Maßregel oder auf die bevorstehende Entlassung nach § 67d Abs. 2 - nur noch kurze Zeit festzuhalten ist: Für die Überweisung kann hier sprechen, dass die Entlassung in der anderen Anstalt besser vorbereitet werden kann. Doch kann der Entlassungszeitpunkt auch ein Grund gegen die Überweisung sein: Wenn die mit dem Anstaltswechsel verbundenen Nachteile durch die Vorteile der neuen Unterbringungsart nicht aufgewogen werden, wird die Resozialisierung durch die Überweisung im Ergebnis nicht „besser gefördert". 24
Die Überweisung kann auch im Zusammenhang mit dem Widerruf einer nach § 67b, § 67c Abs. 1 oder § 67d Abs. 2 gewährten Aussetzung der Maßregel sinnvoll sein, wenn sich während der Aussetzung ergeben hat, dass der Täter der Behandlung im Vollzug einer anderen Maßregel bedarf. Auch eine befristete Überweisung ist zulässig. 25 Die Voraussetzung, dass die Resozialisierung im Vollzug der anderen Maßregel „besser" gefördert werden kann als in der ursprünglich angeordneten, ist relativ zu verstehen: Droht sich der Zustand des Untergebrachten infolge des bisherigen Maßregelvollzugs erheblich zu verschlechtern (Beispiel: Unterbringung eines nach § 21 Verurteilten in einer psychiatrischen Krankenanstalt ohne angemessene Behandlungsmöglichkeit), so kann eine Überweisung, die dieser Entwicklung entgegenwirkt, schon die „bessere" Alternative sein. Ist der Verurteilte gar nicht mehr besserbar, so scheidet auch eine Überweisung/ Rücküberweisung nach Absatz 1 oder 2 aus 51 , wenn auch eine Verschlechterung im Vollzug der bisherigen Maßregel nicht droht. 26
bb) Str. ist, ob die Beurteilung der besseren Resozialisierungserwartung sich nach abstrakten oder tatsächlichen Kriterien richtet. Horstkotte meinte, dass es bei der Entscheidung nach § 67a auf die Möglichkeiten ankommt, die im Hinblick auf die Resozialisierung des Untergebrachten tatsächlich bestehen. Der Richter müsse sich deshalb vor seiner Entscheidung regelmäßig darüber unterrichten, in welche Anstalt der Betroffene gelangen wird und welche konkreten Verhältnisse ihn dort erwarten. Er dürfe sich nicht an den idealen Behandlungsmöglichkeiten, die der Gesetzgeber von den verschiedenen Unterbringungsarten erwartet hat, orientieren. 52 27 Die Gegenansicht hält hingegen die abstrakte Beurteilung der mit der Überweisung intendierten anderen Behandlungsart entsprechend der vom Gesetzgeber vorausgesetzten Einrichtungen für maßgebend. 53 Dies erscheint nahe liegend, da das Gericht auf die Auswahl der konkreten Einrichtung keinen Einfluss hat. Es kann nur die Art der Einrichtung bestimmen, nicht aber diese selbst. In diese Richtung deutet auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der Aussichtslosigkeit einer Entziehungskur nach § 64: Der BGH hat entschieden, dass der Richter „das Gesetz anzuwenden und es der Verwaltung
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Vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2005 251 (zu § 67). Horstkotte LK 10 § 67a Rdn. 18; ähnlich.
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Pollähne/Böllinger NK Rdn. 13; Scholz NStZ 1981 493 (zu § 67). Veh MK Rdn. 10.
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Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
§ 67a
zu überlassen [habe], die für Vollstreckung seines Urteilsspruchs erforderlichen Einrichtungen bereitzustellen".54 Die Entscheidung, in welcher Anstalt die Unterbringung vollzogen wird, sei grundsätzlich Sache der Vollstreckungsbehörde.55 Kann das Gericht aber die konkrete Anstalt, in die es überweisen will, nicht bestimmen, so macht es auch keinen Sinn, dass es auf diese bei seiner Prognoseentscheidung abstellt. Vielmehr ist dann abstrakt auf die Anstaltsart abzustellen. Das ist insbesondere auch bei der Befragung von hinzugezogenen Sachverständigen zu berücksichtigen. Auf der Rechtsfolgenseite, im Rahmen der Ermessensausübung wird man allerdings berücksichtigen können, ob es zur Zeit überhaupt freie Plätze in den konkret geeigneten, bzw. in Frage kommenden Einrichtungen gibt etc. (vgl. unten Rdn. 38). cc) Die tatsächlichen Verhältnisse sind hingegen insofern maßgeblich, als es nicht 2 8 darauf ankommt, ob der Betroffene die gesetzlichen Voraussetzungen, die die Anordnung der anderen Maßregel rechtfertigen würden, zur Zeit seiner Aburteilung erfüllt hat (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2330) oder im Zeitpunkt der Entscheidung nach § 67a erfüllt.56 Das ergibt sich schon daraus, dass die Überweisung lediglich in den Vollzug der anderen Maßregel erfolgt, diese aber nicht selbst angeordnet wird. Wer in einem psychiatrischen Krankenhaus besser gefördert werden kann, darf auch dann dorthin überwiesen werden, wenn bei ihm die Voraussetzungen der §§ 20, 21 nicht vorliegen und auch zur Tatzeit nicht vorgelegen haben. 57 Die Überweisung in die Entziehungsanstalt hängt nicht davon ab, dass die behandlungsbedürftige Sucht Ursache für eine abgeurteilte Straftat war. Die prognostischen Merkmale des § 64 werden allerdings gegeben sein müssen, wenn die Resozialisierung durch die Anstaltsbehandlung besser gefördert werden soll. c) Bezug zum ursprünglichen Grund der Maßregelanordnung: Fraglich ist, wie weit 2 9 die bessere Förderung der Resozialisierung einen Bezug zur Grund für die ursprüngliche Maßregelanordnung haben muss. Ist der Grund für die ursprüngliche Maßregelanordnung (z.B. durch Heilung der zu den Straftaten führenden Geisteskrankheit) entfallen, so ist eine Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel nicht möglich, selbst wenn insoweit Behandlungsbedarf ergibt. Das ergibt sich klar aus den Materialien58 und entsprechend ist auch die Rechtsprechung.59 In diesen Fällen ist § 67d Abs. 2 bzw. Abs. 6 einschlägig.60 Außerdem berechtigt § 67a nur zur Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel (bzw. die Rücküberweisung hieraus). Auf seiner Grundlage kann aber keine andere Maßregel angeordnet werden.61 Ist also jemand von seiner Trunksucht geheilt, so kann er nicht in den Vollzug in 3 0 einem psychiatrischen Krankenhaus überwiesen werden, selbst wenn er in Geisteskrankheit verfällt und deswegen gefährlich ist und umgekehrt. Ein Bezug zum Grund für die
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BGHSt 2 8 327, 329 f. BGHSt 2 8 327, 330; BGH NStZ 1981 4 9 2 m. Anm. Scholz; BGH bei Dallinger MDR 1972 196. Horn SK Rdn. 5; missverständlich Veh MK Rdn. 12, wonach eine Überweisung in die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus zur besseren Behandlung einer die in § 2 0 genannten Störungen in Betracht komme. Horn SK Rdn. 5.
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Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2 3 3 0 . OLG Hamburg MDR 1986 1044, 1045. Einschränkend Pollähne/Böllinger NK Rdn. 17 (Überweisung im Einzelfall statt Erledigung zur Vermeidung einer Entscheidung nach § 66b Abs. 3). Vgl. auch: Volckart/Griinebaum Maßregelvollzug6 S. 31.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ursprüngliche Maßregelanordnung ergibt sich aber dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass ein geistiger Defekt zur Trunksucht (wegen der eine Maßregel nach § 64 angeordnet wurde) geführt hat und dieser in einem psychiatrischen Krankenhaus behandelt werden kann. 6 2 Ähnliches gilt, wenn sich herausstellt, dass der Hang, der zur Anordnung der Sicherungsverwahrung geführt hat, auf einer geistigen Erkrankung beruht. 31
Bei nachträglichen Veränderungen im Zustand des Verurteilten ist hingegen aus den o.g. Gründen Vorsicht geboten. Hier ist ein Bezug zur Ursprungsmaßregel am ehesten noch gegeben, wenn durch eine vorübergehende Überweisung in den Vollzug der anderen Maßregel der veränderte Zustand behoben werden und danach dann die Ursprungsmaßregel um so effektiver vollstreckt werden kann. 63 Ansonsten ist zu prüfen, ob nicht eine Entscheidung z.B. nach § 67d Abs. 5 zu treffen ist 6 4 oder eine Aussetzung zur Bewährung in Betracht kommt. 65
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d) Besondere Problemgruppen bei der Überweisung nach den Absätzen 1, 2 (zu der entsprechenden Problematik bei Absatz 3 vgl. Rdn. 44 ff): Der Umstand, dass der Untergebrachte im Vollzug der primär angeordneten Maßregel die Sicherheit innerhalb oder außerhalb der Anstalt gefährdet, reicht für sich allein nicht aus, um die Überweisung nach § 67a zu rechtfertigen. Denn die sicherere Unterbringung in einer anderen Anstalt (etwa in einem besonders gesicherten Gebäude eines psychiatrischen Krankenhauses) fördert als solche nicht die Resozialisierung. 66 Der Richter kann allerdings insofern Sicherheitsfragen berücksichtigen, als er im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens von einer Überweisung absieht, die zwar aus Behandlungsgründen angezeigt ist, aber die Sicherheit der anderen Anstalt gefährdet.
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Sicherheitsprobleme werden hauptsächlich in den Entziehungsanstalten auftreten und häufig mit Rauschgifthandel der Untergebrachten zusammenhängen. In solchen Fällen wird weniger an eine Anordnung nach § 67a als vielmehr an eine Überstellung in den Strafvollzug (§ 67 Abs. 2, 3) zu denken sein, wenn sie der Vorbereitung späterer erneuter Anstaltstherapie dient 67 , was zu belegen ist. 68 Entsprechendes gilt für Fälle, in denen der Täter die Behandlung verweigert oder in grober Weise das Zusammenleben in der Anstalt stört. Bloße disziplinarische Auffälligkeiten 69 reichen keinesfalls für eine Überweisung nach § 67a aus.
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Stellt sich bei einem nach § 64 Untergebrachten heraus, dass eine Behandlung seiner Sucht dort aussichtslos ist, so wird in der Regel auch der Vollzug im psychiatrischen Krankenhaus keine besseren therapeutischen Mittel zur Verfügung stellen können. Eine Überweisung in das psychiatrische Krankenhaus kommt daher nur ausnahmsweise in Betracht: Es müssen dort konkrete Möglichkeiten für eine aussichtsreiche Behandlung der Rauschmittelabhängigkeit oder der ihr zugrunde liegenden psychischen Störung vorhanden sein (noch enger OLG Celle NStZ 1981 318: nur wenn die Taten überwiegend
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Unklar OLG Celle NStZ 1981 318 (Überweisung von der Maßregel des § 64 in den Vollzug der des § 63, wenn die Straftaten überwiegend andere psychische Ursachen haben als die Sucht). Vgl. zu einem solchen Fall: OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 299, 3 0 0 . Vgl. OLG Hamm M D R 1989 664; Reimers StV 1981 186, 187. Vgl. OLG Düsseldorf J R 1980 508, 509 m.
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Anm. Stree; OLG Hamburg MDR 1986 1044, 1045. Horn SK Rdn. 6; Veh MK Rdn. 15 will derartige Umstände allerdings im Rahmen des Ermessens berücksichtigen. Vgl. BGH bei Holtz MDR 1978 803; MDR 1981 98. BGH NJW 1983 2 4 0 . Vgl. OLG Celle NStZ 1981 196 (zu § 9 StVollzG).
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Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
§ 67a
andere psychische Ursachen hatten als die Sucht 70 ). Sind die Voraussetzungen für eine Überweisung aus der Entziehungsanstalt in das psychiatrische Krankenhaus erfüllt, so hat die Überweisung Vorrang vor der Entscheidung zum Absehen von der weiteren Vollstreckung nach § 67d Abs. 5. 71 3. Vorliegen eines Zustands nach § 20 oder § 21 (Absatz 2 Satz 2). Ist Sicherungsverwahrung angeordnet und soll eine Überweisung in den Vollzug einer Maßregel nach § 63 oder § 64 bereits zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem noch die Strafe und noch nicht die Sicherungsverwahrung vollstreckt wird, so muss neben den o.g. Voraussetzungen bei dem Verurteilten auch ein Zustand nach § 2 0 oder § 21 vorliegen. Gemeint sind krankhafte seelische Störungen, tiefgreifende Bewusstseinsstörungen, Schwachsinn oder andere schwere seelische Abartigkeiten. Dabei kommt es freilich nicht darauf an, dass dieser Zustand zum Tatzeitpunkt vorlag (vgl. Fischer Rdn. 5), denn dann hätte ggf. sogleich eine andere Maßregel als die Sicherungsverwahrung angeordnet werden müssen. Im Hinblick auf eine Überweisung in eine Entziehungsanstalt ist auch nicht das einmalige oder kurzfristige Vorliegen eines Zustands i.S.v. §§ 20, 21 gemeint, sondern ein entsprechender Hang i.S.v. § 64 StGB muss vorliegen, da nur bei Vorliegen eines solchen (und nicht schon bei einer einmaligen Alkohol- oder Drogenintoxikation) die Resozialisierung in einer Entziehungsanstalt besser gefördert werden kann. Dass hypothetische Erwägungen, ob eine neue rechtswidrige Tat des Verurteilten im Zustand nach §§ 20, 21 begangen würde (so: Fischer Rdn. 5) verlangen hingegen weder der Gesetzeswortlaut, noch die Materialien.
35
Diese zusätzliche Voraussetzung gilt nur für den Fall, dass die Überweisung bereits während des Vollzugs der Strafe stattfindet. Das folgt sowohl daraus, dass sich diese Zusatzregelung nur in Absatz 2 Satz 2 findet, während Absatz 2 Satz 1 unverändert geblieben ist, als auch aus den Gesetzesmaterialien, in denen das ausdrücklich ausgeführt ist (vgl. BTDrucks. 16/5137 zu Art. 1 Nr. 3 des Gesetzentwurfes). Die Zusatzvoraussetzung des Vorliegens eines Zustands nach § 2 0 oder § 21 wurde auf Beschlussempfehlung des BT-Rechtsausschusses in das Gesetz aufgenommen, um die Mehrbelastung des Maßregelvollzuges durch die erweiterte Überweisungsmöglichkeit in Grenzen zu halten. 72 Die Änderungsvorschläge - jedenfalls die im Bereich des § 67a - wurden im Rahmen einer Expertenanhörung am 28.2.2007 durch den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eher kritisch bewertet. Neben der Befürchtung einer weiteren Überlastung der psychiatrischen Krankenhäuser wird auch die Sinnhaftigkeit der so frühzeitigen Überweisung eines Verurteilten, der noch eine sehr lange Verbüßungsdauer vor sich hat, angezweifelt.73 4. Anordnung nach § 67 Abs. 2, 3 als Alternative. Vielfach wird der Richter eine Anordnung nach § 67 Abs. 2, 3 als Alternative zur Überweisung nach 67a auffassen
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Das OLG Düsseldorf hat in einem Fall aussichtsloser Entziehungsbehandlung die Frage einer Überweisung in das psychiatrische Krankenhaus trotz vorhandener Geisteskrankheit überhaupt nicht geprüft: OLG Düsseldorf ZfStrVo 1978 69. OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 299, 300; Anm.: § 67d ist teilweise - bzgl. der Mindestverbüßungsdauer - verfassungswidrig (vgl. BVerfGE 91 1).
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BTDrucks. 16/5137 zu Art. 1 Nr. 3 des Gesetzentwurfs. Vgl. u.a. die Stellungnahmen von Hannich, Schöch und Hoffmann vor dem Rechtsausschuss. Sämtliche Stellungnahmen sind über das Internet abrufbar: http://www.bundestag. de/ausschuesse/a06/anhoerungen/ 12_Massregelvollzug/04_Stellungnahmen/ index.html.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
können. Die sachlichen Voraussetzungen beider Entscheidungen stimmen im Wesentlichen überein. So kann die Anordnung nach § 6 7 Abs. 2, 3 auf eine bessere Förderung der Resozialisierung abzielen, wenn im Strafvollzug ein sozialtherapeutisches Behandlungsprogramm erprobt wird, das im Maßregelvollzug nicht zur Verfügung steht. 7 4
V. Rechtsfolgen nach § 67a Abs. 1 und 2 37
1. Allgemeines. Die Entscheidung nach Absatz 1 oder Absatz 2 ist bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen fakultativ. Der Richter kann beim Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen die Überweisung anordnen. Er darf auch nach pflichtgemäßem Ermessen 7 5 von der Überweisung (auch von der Rücküberweisung nach Abs. 3) absehen.
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2. Kriterien für die Ermessensausübung. Während es für die Tatbestandsvoraussetzung der besseren Förderung lediglich auf den Vergleich der gesetzlichen Leitbilder der unterschiedlichen Maßregelvollzugsarten ankommt, kann im Rahmen des Ermessens auch ein konkreter Maßstab angelegt werden. D.h. hier kann berücksichtigt werden, ob eine nach dem Vollzugsplan zuständige Maßregelvollzugseinrichtung tatsächlich besser geeignet ist, die Resozialisierung zu fördern. 7 6 Dabei kann auch eine Rolle spielen, dass in einer Anstalt ohne Platzmangel Behandlungen möglich sind, die in der gegenwärtigen Anstalt wegen Platzmangels ausscheiden. Umgekehrt kann wegen Platzmangels in der anvisierten Anstalt und der damit verbundenen fehlenden Behandlungsmöglichkeiten von einer Überweisung abgesehen werden. 7 7 O b die Überweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus dazu dienen darf, die Zeit bis zum Freiwerden eines Platzes in der Entziehungsanstalt zu überbrücken ist streitig. 78 Insoweit wird teilweise die analoge Anwendung des § 6 7 a als milderem Mittel gegenüber einem Vorwegvollzug der Strafe vertreten (vgl. oben Rdn. 9 ) . 7 9
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Der Gedanke, dass die Aufnahme in ein psychiatrisches Krankenhaus den Betroffenen so sehr stigmatisiert oder in seinem Selbstwertgefühl beeinträchtigt, dass dieser Nachteil den Vorteil besserer Behandlungsmöglichkeiten aufwiegt 8 0 ist schon bei der Prüfung, ob die Resozialisierung im psychiatrischen Krankenhaus besser gefördert werden kann, zu berücksichtigen; denn mit „Resozialisierung" ist die Gesamtwirkung des Maßregelvollzugs für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft und nicht der therapeutische Erfolg bestimmter Behandlungsmaßnahmen gemeint. Ebenso stellen nachteilige Folgen eines häufigen Anstaltswechsels die Resozialisierungsmöglichkeit in Frage.
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OLG Hamm NJW 1979 2359; vgl. auch Schöch LK § 67 Rdn. 59 ff. Horn Die strafrechtlichen Sanktionen (1975) S. 103,105. Vgl. OLG Hamm JMB1NW 1980 226, 227 (die Entscheidung bezieht sich allerdings auf einen Fall der analogen (anfänglichen) Anwendung des § 67a. Sch/Schröder/Stree Rdn. 1. Dagegen: Sch/Schröder/Stree Rdn. 1 OLG Hamm JMB1NW 1980 226, 227; zu
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unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten vgl.: Leygraf/Schalast S. 85 ff und Nedopil Forensische Psychiatrie2 S. 249 ff (für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) sowie Schalast S. 83 ff, Stetter S. 10 ff und von der Haar S. 145, 153 ff (für Unterbringung in einer Entziehungsanstalt). In diesem Sinne die Bedenken des Abg. Schlee Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V S. 2332.
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Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
§ 67a
Der im Gesetzgebungsverfahren erwähnten Gefahr, dass der Untergebrachte das 4 0 Gericht und die verschiedenen Anstalten gegeneinander ausspielt und sich solange hinund herschieben lässt, bis er den angenehmsten Aufenthalt gefunden hat 81 , muss durch genügend kritische Prüfung der Frage, ob die Resozialisierung durch eine Überweisung besser gefördert werden kann, begegnet werden. Der Ermessensspielraum, den der Richter bei der Anwendung des § 67a hat, erlaubt 41 es ihm unter Umständen, auf Sicherheitsgesichtspunkte Rücksicht zu nehmen (vgl. § 2 Satz 2 StVollzG), etwa, wenn zu entscheiden ist, ob ein chronischer Gewalttäter in die Entziehungsanstalt überwiesen werden soll, in der keine ausreichenden Vorkehrungen gegen ein Entweichen oder gegen Angriffe auf andere Patienten getroffen werden können. Die Überweisung nach § 67a darf nicht dazu benutzt werden, um lästige oder schwie- 4 2 rige Untergebrachte in andere Anstalten „abzuschieben". 82 Dies ergibt sich in den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 schon aus dem Gesetzestext; er verlangt die positive Überzeugung der Vollstreckungskammer, dass die Resozialisierung in der anderen Anstalt besser gefördert werden kann. Auch in den Fällen des Absatzes 3 Satz 2 darf die Rücküberweisung nach dem Gesetzeszweck nicht in vorschnellem therapeutischem Pessimismus angeordnet werden. Die Rücküberweisung ist mit derselben Gründlichkeit zu prüfen wie die Überweisung (Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform VII S. 1070); doch ist es hier, anders als in den sonstigen Fällen, legitim, auf die Überlastung der Aufenthaltsanstalt Rücksicht zu nehmen. Es ist darauf zu achten, dass die psychiatrischen Krankenhäuser nicht durch Überwei- 4 3 sungen nach § 67a mit Personen, für die sie nicht geeignet sind, zusätzlich belastet werden. 83 § 67a dient nicht dazu, Plätze in Entziehungsanstalten freizumachen. Wer in der Entziehungsanstalt nicht gefördert werden kann, darf nur dann ins psychiatrische Krankenhaus überwiesen werden, wenn dort im Hinblick auf seine Sucht bessere Behandlungsmöglichkeiten bestehen. Ob es sich so verhält, hängt von der Organisation und der spezifischen therapeutischen Leistungsfähigkeit des Krankenhauses ab.
VI. Rücküberweisung, Weiterüberweisung (§ 67a Abs. 3) 1. Allgemeines. Durch Absatz 3 wird die ständige Anpassung an die Entwicklung des 4 4 Verurteilten im Vollzug ermöglicht. 84 In diesem Absatz sind einmal die Rück- bzw. Weiterüberweisung zur besseren Förderung der Resozialisierung (Satz 1), zum anderen die Rücküberweisung wegen Erfolglosigkeit (Satz 2 geregelt). 2. Entscheidung nach § 67a Abs. 3 S. 1 a) Mit Absatz 3 Satz 1 sollen „optimale Resozialisierungsbedingungen" erreicht wer- 4 5 den. 85 Wer schon nach § 67a Abs. 1, 2 in den Vollzug einer anderen Maßregel überwiesen worden ist, kann nach dieser Vorschrift erneut überwiesen werden in den Vollzug
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Abg. Dr. Eyrich Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform VII S. 1070. Horn SK Rdn. 5. Vgl. zur Überlastungssituation: Leygraf/ Schalast S. 85, 87 f; darauf verweist auch
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noch einmal der Rechtsausschuss des BT für die Neuregelung des Absatzes 2 Satz 2 (BTDrucks. 16/5137 zu Art. 1 Nr. 3). Lackner/Kühl Rdn. 3. Horn SK Rdn. 7.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
einer anderen freiheitsentziehenden Maßregel außer der Sicherungsverwahrung (Weiterüberweisung) oder in den Vollzug der im Urteil angeordneten Maßregel (Rücküberweisung). 86 Da es neben der Sicherungsverwahrung nur zwei weitere freiheitsentziehende Maßregeln gibt, kommt Satz 1 in Form der Weiterüberweisung nur zur Anwendung, wenn die ursprünglich im Urteil angeordnete Maßregel die Sicherungsverwahrung war. Denn § 67a Abs. 3 nimmt auf Absatz 1 Bezug und erweitert nicht dessen „Überweisungsrepertoire", so dass eine Weiterüberweisung in die Sicherungsverwahrung aus einer ursprünglichen Maßregel nach § 63 oder § 64 StGB nicht möglich ist. 87 Eine Rücküberweisung in den Vollzug der ursprünglichen Maßregel der Sicherungsverwahrung ist hingegen möglich. 46
b) Voraussetzung ist hier wie nach Absatz 1 bzw. 2, dass die Resozialisierung durch die Überweisung besser gefördert werden kann. 8 8 Die Weiter- oder Rücküberweisung nach Absatz 3 Satz 1 ist demnach nur ein Unterfall der in Absatz 1 und Absatz 2 bezeichneten Überweisung. Eine Überweisung, die nicht auf verbesserte Resozialisierungsbedingungen abzielt, ist durch Absatz 3 Satz 1 nicht gedeckt; sie ist daher, soweit das Urteil auf eine Unterbringung nach den §§ 63, 64 gelautet hat, überhaupt nicht möglich.
47
Dass die Resozialisierung besser gefördert werden kann, muss sich nachträglich ergeben. Hierfür wird teilweise gefordert, dass eine neue Entwicklung erforderlich ist und eine bloß geänderte richterliche Sichtweise nicht ausreicht. 89 Dem ist zuzugeben, dass eine von den subjektiven Einschätzungen z.T. rasch wechselnder richterlicher Dezernenten abhängende häufige Überweisungsänderung eher schädlich sein dürfte. Andererseits stellt sich die Frage, warum ein Verurteilter nicht in den Genuss einer besseren Resozialisierung kommen soll, wenn die Maßregel, in der er sich zur Zeit noch befindet, aufgrund einer unzutreffenden richterlichen Einschätzung beruht, die nunmehr einer besseren Einsicht gewichen ist. Der Wortlaut verlangt eine solche Auslegung nicht, denn in § 67a wird nicht wie § 66b verlangt, dass „Tatsachen erkennbar" werden müssen. 90
48
Str. ist auch, ob eine Rücküberweisung in den Vollzug der Sicherungsverwahrung nach Absatz 3 Satz 1 zur besseren Förderung der Resozialisierung möglich ist. Dies wird von einigen völlig ausgeschlossen. 91 Andere meinen, dass im Hinblick auf den auch bei Sicherungsverwahrten anwendbaren § 9 StVollzG - dieser regelt die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt aus dem Strafvollzug heraus - durchaus eine solche Möglichkeit bestehe. 92 Eine Rücküberweisung in die Sicherungsverwahrung nach Absatz 3 Satz 1 dürfte indes zwar nicht prinzipiell, wohl aber praktisch ausscheiden, weil von der Sicherungsverwahrung trotz § 129 S. 2 StVollzG regelmäßig nicht angenommen werden kann, dass ihr Vollzug die Resozialisierung besser fördert als der Vollzug einer der anderen freiheitsentziehenden Maßregeln 93 ; etwas anderes gilt allerdings, wenn von einer Fortsetzung des Aufenthaltes in dem psychiatrischen Krankenhaus eine Schädigung des Sicherungsverwahrten zu befürchten ist.
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Vgl. Veh MK Rdn. 16. Vgl. Veh aaO. Fischer Rdn. 7. Veh MK Rdn. 16; ähnlich: Bechtholdt Die Erledigungserklärung im Maßregelvollzug des S 63 StGB [2002] S. 2 6 8 .
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90
91 92 93
Im Ergebnis wie hier: Volckart/Grünebaum Maßregelvollzug 6 S. 31; Fischer Rdn. 8 („als Irrtum herausstellt"). Horn SK Rdn. 8. Veh MK Rdn. 17. Vgl. BVerfG NJW 1995 772, 775.
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Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
§ 67a
3. Entscheidung nach § 67a Abs. 3 S. 2 a) Eine weitergehende Rücküberweisungsmöglichkeit gibt es nur bei denjenigen, gegen die im Urteil die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist (Absatz 3 Satz 2). Die Vorschrift des Absatzes 3 Satz 2, die erst nachträglich in den § 67a eingefügt worden ist (vgl. oben zur Entstehungsgeschichte), betrifft die RückÜberweisung aus dem Vollzug einer Maßregel nach den §§ 63, 64 in die Sicherungsverwahrung. Sie dient der Funktionsfähigkeit der betroffenen Einrichtungen. Die von ihrem Profil auf Suchtbehandlung und Behandlung geistig-seelischer Störungen angelegten Einrichtungen sollen von der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung entbunden werden können, wenn die Überweisung keinen Erfolg (mehr) verspricht. 94
49
b) Voraussetzung des Absatzes 3 Satz 2 für die Rücküberweisung in den Vollzug der Sicherungsverwahrung ist, dass mit dem Vollzug der anderen Maßregel kein Erfolg erzielt werden kann. Dass mit dem Vollzug der in Abs. 1 genannten Maßregeln „kein Erfolg" erzielt werden kann, ist anzunehmen, wenn die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten in der Unterbringung nach § § 6 3 oder 64 sämtlich für den Untergebrachten ungeeignet sind (Entziehungskur ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg, Irrtum über psychische Erkrankung). 95
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Da § 67a Abs. 3 S. 2 auf beide in Absatz 1 genannten Maßregeln Bezug nimmt, muss für die Rücküberweisung wegen Erfolglosigkeit geprüft werden, ob keine der dort genannten Maßregeln Erfolg versprechend ist. Ist das hingegen der Fall, so greift die Vorschrift schon von ihren Voraussetzungen her nicht ein. Es ist dann ggf. eine Entscheidung nach Absatz 3 S. 1 zu erwägen. 96
51
Worauf die Erfolglosigkeit beruht, ist gleichgültig. Auch hier kommt es nicht darauf an, ob nachträglich eingetretene Tatsachen oder eine veränderte richterliche Einschätzung sie begründen. So kann es sich z.B. verhalten, wenn der Zustand des Verurteilten bei der vorangegangenen Überweisung falsch beurteilt worden ist: Wer psychisch gesund ist, kann nicht mit den Mitteln des psychiatrischen Krankenhauses behandelt werden. 97 Sind die Behandlungsmethoden des psychiatrischen Krankenhauses für den zu Sicherungsverwahrung Verurteilten ungeeignet, so wird es auch in seinem eigenen Interesse liegen, in die Justizvollzugsanstalt zurückzukehren. 98
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Dass jemand als Störer aufgefallen ist, begründet die Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 für sich allein nicht. Doch kann ein mit Obstruktion einhergehendes störendes Verhalten dazu führen, dass mit der Maßregel (§§ 63, 64) kein Erfolg erzielt werden kann. In diesen Grenzen dient die Rücküberweisung nach Absatz 3 Satz 2 auch dazu, die Anstalt von Untergebrachten zu entlasten, die die Behandlung anderer Patienten behindern und die Kapazität unnötig in Anspruch nehmen. Dagegen genügt das organisatorische Interesse der Aufenthaltsanstalt, die Zahl der dort Untergebrachten zu verringern und Plätze für Neuaufnahmen zu schaffen, für sich allein nicht für eine Rücküberweisung nach Abs. 3 Satz 2. Doch wird in vielen Fällen, in denen die Kapazität der Aufnahmeanstalt falsch genutzt ist, ein Rücküberweisungsgrund nach Absatz 3 Satz 1 oder 2 vor-
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BTDrucks. 7 / 1 2 6 1 S. 7; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Veh MK Rdn. 18. Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Veh MK Rdn. 18. Veh MK Rdn. 18. Prot, des Sonderausschusses für die Straf-
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rechtsreform VII S. 1070; ähnlich Fischer Rdn. 8; vgl. auch zur Resozialisierung im Rahmen der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung: Köhne StraFo 2 0 0 3 230, BTDrucks. 7 / 1 2 6 1 S. 7.
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liegen. Insofern hat der Gesetzgeber bei der Einführung des Absatzes 3 Satz 2 auch an die Kapazitätsfrage g e d a c h t . " 54
Die Voraussetzungen für die Entscheidung nach Absatz 3 Satz 2 sind auch dann erfüllt, wenn die die therapeutische Behandlung in der Anstalt, in die der Sicherungsverwahrte überwiesen worden ist, erfolgreich abgeschlossen ist und deshalb keinen weiteren Erfolg verspricht, die Gefährlichkeit aber fortdauert. 1 0 0 Hier ist aber besonders sorgfältig zu prüfen, ob die Behandlung die Gefahr weiterer erheblicher Taten nicht so weit gemindert hat, dass eine Aussetzung der Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 2 verantwortet werden kann; demnach ist der Verurteilte nur bei Fortbestehen einer Gefahr i.S. des § 66 Abs. 1 Nr. 3 in die Sicherungsverwahrung zurück zu überweisen.
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4. Rechtsfolgen. Die Entscheidungen nach § 67a Abs. 3 stehen im Ermessen des Gerichts. 101 Ob der Richter in diesen Fällen eine Rücküberweisung vornimmt oder statt dessen den zu Sicherungsverwahrung Verurteilten nach Absatz 3 Satz 1 in den Vollzug einer dritten Maßregel überweist, steht in seinem pflichtmäßigen Ermessen; wegen des vorrangigen Resozialisierungszwecks des § 67a wird er regelmäßig die Weiterüberweisung, soweit sie möglich ist, der Rücküberweisung in die Sicherungsverwahrung vorziehen. 1 0 2
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Die Weiter- und Rücküberweisung nach Absatz 3 Satz 1, 2 darf wiederholt angeordnet werden (Beispiel: Im Urteil Anordnung der Sicherungsverwahrung, später Überweisung in das psychiatrische Krankenhaus, sodann Weiterüberweisung in die Entziehungsanstalt und schließlich Rücküberweisung in die Sicherungsverwahrung), sofern nicht der häufige Aufenthaltswechsel dem Resozialisierungszweck des Absatzes 3 Satz 1 entgegensteht. Der Sache nach handelt es sich auch dann um eine Weiterüberweisung, wenn der Verurteilte vor der Überweisung nach § 67 Abs. 2, 3 zeitweilig im Strafvollzug gewesen ist: Die Anwendung des § 67a Abs. 1, 3 Satz 1 ist hier ebenso wenig ausgeschlossen wie in dem Fall, dass der Überweisung eine Aussetzung der Maßregel (§§ 67b, c, d Abs. 2) und ein Widerruf der Aussetzung vorangegangen sind.
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Sicherheitsbedenken und disziplinarische Probleme sind keine vom Gesetz vorgesehenen Gründe für die Rücküberweisung nach Absatz 3. 1 0 3 Doch können sie im Einzelfall, auch wegen ihrer Rückwirkung auf den Anstaltsbetrieb, die Behandlung unmöglich machen. Dann ist die Zurückverlegung in die Sicherungsverwahrung nach Absatz 3 Satz 2 ohne weiteres möglich; in den übrigen Fällen ist zu prüfen, ob angesichts der Unmöglichkeit sinnvoller Behandlung die Rückkehr in die ursprünglich angeordnete Unterbringung relativ größere Förderungschancen verspricht. Die Einschränkungen, die § 67a Abs. 3 für die Rücküberweisung bestimmt, gelten nicht, wenn die Überweisung nach Absatz 1, 2 von vornherein befristet, also die Rückkehr in die primär angeordnete Unterbringung vorgesehen wird. Diese Auslegung ist nicht unzweifelhaft, entspricht aber praktischen Bedürfnissen; sie kann auch Bedenken der Anstalt, in die überwiesen werden soll, ausräumen. Ein solches Arrangement schließt nicht aus, dass der Täter aus dem Vollzug der anderen Anstalt nach § 67d Abs. 2 entlassen wird.
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Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform VII S. 1070. Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; zweifelnd: Veh MK Rdn. 19.
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Horn Die strafrechtlichen Sanktionen (1975) S. 105. Veh MK Rdn. 18. Lackner/Kühl Rdn. 3.
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§ 67a
5. Analoge Anwendung von § 67a Abs. 3 S. 2. Eine entsprechende Anwendung des 5 8 Absatzes 3 Satz 2 auf Fälle, in denen im Urteil eine Unterbringung nach den §§ 63, 64 angeordnet worden ist, ist ausgeschlossen. Hier kann eine Korrektur nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1 stattfinden. Danach ist die Erfolglosigkeit der Behandlung für sich allein kein Grund für die Rücküberweisung. Für den Fall, dass ursprünglich eine Maßregel nach § 64 StGB angeordnet worden war, aus der dann die Überweisung in den Vollzug nach § 63 erfolgt ist, besteht schon keine planwidrige Regelungslücke. Für diese Konstellation greift bei Erfolglosigkeit der weiterhin - ohne die für verfassungswidrig erklärte Mindestverbüßungsdauer - anwendbare § 67d Abs. 5 ein. 104 Streitig ist, ob eine Analogie in der umgekehrten Konstellation in Betracht kommt. Denn bei dieser würde, wenn die Behandlung in der Entziehungsanstalt erfolglos ist, eine Rücküberweisung in das psychiatrische Krankenhaus die Resozialisierung aber nicht besser fördern würde (dann greift Satz 1 ein), die Unterbringung in der Entziehungsanstalt lediglich sichernde Funktion haben, sie würde damit zweckentfremdet. Der Gesetzgeber scheint dies nicht gesehen zu haben. 105 Daher kann man hier tatsächlich über eine analoge Anwendung jedenfalls in den Fällen des § 64 nachdenken. 106
VU. Rechtsnatur der Überweisung Die Überweisung ändert nichts an der rechtlichen Natur der im Urteil angeordneten Unterbringung (vgl. Rdn. 1). Das gilt auch in den Fällen des § 67a Abs. 3. 107
59
1. Höchstdauer und Überprüfungsfristen (§ 67a Abs. 4). Die Höchstdauer der Unter- 6 0 bringung (§ 67d Abs. 1) und die Überprüfungsfristen (§ 67e Abs. 2) richten sich nach den Vorschriften, die für die im Urteil angeordnete Maßregel gelten, § 67a Abs. 4. Theoretisch könnte jemand, gegen den im Urteil eine Anordnung nach § 63 ergangen ist, unbegrenzt in der Entziehungsanstalt bleiben; doch wird in aller Regel spätestens nach Ablauf der für die Entziehungsanstalt vorgesehenen Höchstfrist eine Rücküberweisung nach Abs. 3 Satz 1, 2 nahe liegen. War die ursprüngliche Maßregel eine solche nach § 63 so ist auch bei Weiterüberweiung § 67d Abs. 6 zu beachten. Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, so gilt 61 grundsätzlich keine Höchstfrist (mehr). Es ist aber zu beachten, dass - auch wenn sich der Verurteilte im Vollzug einer anderen Maßregel befindet - die Maßregel nach § 67d Abs. 3 unter den dort genannten Voraussetzungen für erledigt zu erklären ist. 108 Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet gewesen, so ist - auch 6 2 wenn sich der Verurteilte im Vollzug einer anderen Maßregel befindet, unter den Voraussetzungen des § 67d Abs. 5 - mit Ausnahme der für verfassungswidrig erklärten Mindestverbüßungsdauer - die Maßregel für erledigt zu erklären. Erfolglosigkeit liegt aber freilich nur dann vor, wenn eine Rücküberweisung ebenfalls nicht mehr Erfolg versprechend ist. Bei einer Überweisung in das psychiatrische Krankenhaus ist die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 für die ursprünglich angeordneten Maßregel nach § 64 zu beachten.
104 105 106
Veh MK Rdn. 20. BTDrucks. 7/1261 S. 7. Veh MK Rdn. 20; aA noch Horstkotte LK10 § 67a Rdn. 26, allerdings bzgl. § 64 vor einem anderen rechtlichen Hintergrund.
107 108
Sch/Schröder/Stree Rdn. 2; Veh MK Rdn. 22. Veh MK § 67d Rdn. 23.
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§ 67a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
63
Für die Überprüfungsfristen sind diejenigen, die für die Ursprungsmaßregel gelten (s. § 67e) maßgeblich. Eine Sonderregelung enthält § 67a Abs. 4 S. 2 - eingeführt durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 - für die Überweisung in den Vollzug einer Maßregel nach § 63 oder § 64 nach Absatz 2 Satz 2. Bei ihnen würde - da der Maßregelvollzug selbst ja noch nicht begonnen hat, die Überprüfungsintervalle des § 67e nicht greifen, so dass es einer ergänzenden Regelung bedurfte. Durch sie sollen langandauernde Fehlplatzierungen von Verurteilten, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, vermieden werden (BTDrucks. 16/5137 zu Art. 1 Nr. 3).
64
2. Folgeentscheidungen. Für Folgeentscheidungen (Maßregelaussetzung zur Bewährung, Erledigungserklärung, Führungsaufsicht) ist der für Ursprungsmaßregel geltende Maßstab einschlägig.109 Das ergibt sich aber aus der Rechtsnatur der Überweisungsmöglichkeiten als bloßer vollstreckungsrechtlicher Regelungen.110 Das Wahlrecht knüpft an die Voraussetzungen des §§ 63, 20 StGB an sowie an den tatsächlichen Aufenthaltsort in einem psychiatrischen Krankenhaus. Dementsprechend begründet die Überweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus nicht den Verlust des Wahlrechts, andererseits hebt die Überweisung vom Vollzug des § 63 in den Vollzug des § 64 den Ausschluss vom Wahlrecht auf. 111
65
3. Vollstreckungs- und Vollzugsrecht. Bei der Anwendung von Vorschriften des Vollstreckungsrechts, die auf bestimmte Unterbringungsarten abstellen (§ 463 Abs. 4 StPO, §§ 44, 44a, 44b, 45 Abs. 4, 53, 54 StVollstrO), bleibt die Überweisung ebenfalls außer Betracht; es gelten die Vorschriften, die sich auf die im Urteil angeordnete Maßregel beziehen.
66
Anders verhält es sich bei den Bestimmungen des Vollzugsrechts (§§ 136-138 StVollzG). Hier sind die Vorschriften über die Maßregel anzuwenden, in deren Vollzug der Betroffene (zuletzt) überwiesen worden ist. 112 Das gilt insbesondere auch für die landesrechtlichen Bestimmungen über den Vollzug der Maßregeln nach den §§ 63, 64 StGB. 113 Eine andere rechtliche Beurteilung könnte möglicherweise dazu führen, den Behandlungserfolg gefährden, denn die Maßregelvollzugsvorschriften sind gerade auf die notwendigen Besonderheiten einer Behandlung zugeschnitten (vgl. z.B. § 18 MaßregelvollzugsGNW). VIH. Verhältnis zu anderen Vorschriften
67
1. Mehrere angeordnete Maßregeln. § 72: § 67a ergänzt diese Regelung insofern, als die im Urteil vorgesehene Reihenfolge durch die Überweisung nachträglich abgeändert werden kann. Dass die Möglichkeit einer Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel indessen nach § 67a auch dann besteht, wenn nur eine Maßregel angeordnet worden ist, sollte schon bei der Entscheidung, ob mehrere Maßregeln nebeneinander anzuordnen sind (§ 72 Abs. 2), berücksichtigt werden: Im Blick auf die Möglichkeit der
109 110
111 112
LG Marburg NStZ-RR 2 0 0 7 28, 29. Sch/Schröder/Stree Rdn. 2; Veh MK § 67d Rdn. 23. Veh MK Rdn. 2 4 m.w.N. Veh MK Rdn. 2 5 ; aA Volckart/Grünebaum
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113
Maßregelvollzug 6 S. 31; einschränkend auch: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 35. Diese sind abgedruckt bei Kammeier (Hrsg.) Maßregelrecht 2 S. 381 ff.
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Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
§ 67a
Überweisung nach ξ 67a genügt es oft, dass von mehreren Maßregeln, deren gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind, nur eine angeordnet wird (§ 7 2 Abs. 1 Satz 1). Dabei ist § 72 Abs. 1 Satz 2 (Vorzug der am wenigsten beschwerenden Maßregel) zu beachten. Andererseits reicht trotz der Möglichkeit einer Überweisung in das psychiatrische Krankenhaus die Anordnung nach § 64 nicht aus, wenn der Verurteilte die Voraussetzungen des § 63 erfüllt und nach seinem Zustand über die in § 67d Abs. 1 bezeichnete Zweijahresfrist hinaus gefährlich zu bleiben droht. 1 1 4 Die Entscheidung, mit der das erkennende Gericht nach § 72 Abs. 3 bestimmt, in welcher Reihenfolge mehrere, nebeneinander angeordnete freiheitsentziehende Maßregeln vollstreckt werden sollen, ist als solche nicht abänderbar. Trotzdem kann die Strafvollstreckungskammer auf dem Wege über § 67a ihre von der Entscheidung nach § 72 Abs. 3 Satz 1 abweichenden Vorstellungen über die wünschenswerte Art des Maßregelvollzuges verwirklichen. § 72 Abs. 3 steht also einer späteren Vorgehensweise nach § 67a nicht entgegen. 115 Ist z.B. im Urteil nebeneinander die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt worden, dass zunächst die Unterbringung in der Entziehungsanstalt zu vollziehen sei, so muss zwar nach Ablauf der Höchstfrist für diese Maßregel eine Entscheidung nach § 72 Abs. 3 Satz 2 auch dann getroffen werden, wenn der Verurteilte schon vorher nach § 67a in ein psychiatrisches Krankenhaus überwiesen worden ist; wenn hier die Maßregel nicht ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden kann (§ 67c Abs. 2 Satz 4, 5 i.V.m. § 72 Abs. 3 Satz 2), bewirkt die nach § 72 Abs. 3 Satz 2 zu treffende Anordnung nur, dass der Vollzug im psychiatrischen Krankenhaus fortgesetzt wird, und zwar nunmehr unter durchgehender Geltung der Vorschriften über das psychiatrische Krankenhaus, so dass § 67a Abs. 4 gegenstandslos wird.
68
Sind mehrere freiheitsentziehende Maßregeln in unterschiedlichen Erkenntnissen verhängt worden, so greift § 54 Abs. 2 StrVollzO ein. Danach kann die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckungsreihenfolge der Maßregeln ändern (Satz 4) oder aber die Vollstreckung einer Maßregel zugunsten einer anderen unterbrechen (Satz 6). Die bessere Förderung der Resozialisierung kann die Vollstreckungsbehörde also mit eigenen Mitteln erreichen. Dadurch ist in diesen Fällen § 67a zwar nicht unanwendbar, aber wohl de facto überflüssig. 116
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2. Parallelvorschriften. Alternativen zur Überweisung nach § 67a sind bei angeordneter Sicherungsverwahrung die Verlegung in ein vollzugseigenes Krankenhaus ( § § 6 5 Abs. 1, 130 StVollzG). Des weiteren kommt die Verbringung in ein Krankenhaus außerhalb des Justizvollzugs (§§ 65 Abs. 2, 130 StVollzG) in Betracht. Zu denken ist auch an eine Unterbrechung der Vollstreckung nach §§ 4 5 5 Abs. 4, 4 6 3 StPO, wobei aber hier regelmäßig Sicherheitsgründe (§ 4 5 5 Abs. 4 S. 2 StPO) entgegenstehen dürften. 117 Anderes dürfte wohl nur dann gelten, wenn die Unterbrechung erfolgt, um eine Unterbringung nach einem landesrechtlichen Unterbringungsgesetz für psychisch Kranke zu ermöglichen. 118
70
Vgl. auch: Fischer § 72 Rdn. 2b; BGH StV 1998 72; NStZ 2 0 0 0 587, 5 8 9 (für die Kombination von § 66 und § 64). Pollähne/Böllinger NK Rdn. 29; Sch/Schröder/Stree § 72 Rdn. 6; Veh MK Rdn. 26. AA Veh Rdn. 2 6 mit einem Beispiel für einen denkbaren Anwendungsfall.
117 118
Vgl. Veh MK Rdn. 28. Vgl. OLG Frankfurt NJW 1970 1431; vgl. auch § 4 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 3 Abs. 2 StVollstrO.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
71
Bei angeordneter Unterbringung nach § 64 kommt bei einer seelischen Erkrankung alternativ ebenfalls eine Unterbrechung nach §§ 455 Abs. 4, 463 StPO in Betracht, damit sich der Verurteilte außerhalb des Vollzugs behandeln lassen kann (bzw. nach Landesrecht untergebracht werden kann). Das ist insbesondere dann zu erwägen, wenn die Behandlung nur kurzzeitig nötig ist. Diese Verfahrensweisen dürfte auch dann praktisch relevant sein, wenn eine Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel nach § 67a daran scheitert, dass der neu eingetretene Umstand keinerlei Bezug zu dem für die Anordnung der Maßregel relevanten Hang steht (vgl. dazu oben Rdn. 29 ff). 119 Hier ist allerdings zunächst zu prüfen, ob die Krankheit den Unterbringungsgrund nicht derart überlagert, dass die Maßregel nach § 67c Abs. 1 oder § 67d Abs. 2 ausgesetzt werden kann oder erledigt ist, weil der für die Unterbringung maßgebende Zustand weggefallen oder eine Suchtbehandlung aussichtslos geworden ist (vgl. § 67c Rdn. 69 ff, § 67d Rdn. 25 ff und 42 ff).
72
Bei einer angeordneten Maßregel nach § 63 ist ein nachträglicher Verfall in Geisteskrankheit indes kein Grund, die Unterbringung in der Maßregel aufzuschieben oder auszusetzen.120 Ist eine Unterbringung nach § 63 für erledigt zu erklären, weil der schuldausschließende oder -vermindernde Zustand nicht bestanden hat (vgl. § 67d Abs. 6), so kommt zwar keine Überweisung des so Untergebrachten in den Vollzug der Sicherungsverwahrung, wohl aber deren nachträgliche Anordnung nach § 66b Abs. 3 (vgl. dazu S 66b Rdn. 157).
73
Nach § 45 Abs. 4 StVollstrO soll die Anordnung nach § 67 Abs. 3, die Voraussetzung einer Überweisung (§ 67a) ist, nur herbeigeführt werden, wenn der Verurteilte durch seine Erkrankung „überhaupt oder doch auf absehbare Zeit" vollzugsuntauglich erscheint. Daran ist richtig, dass nicht jede vorübergehende Störung der psychischen Gesundheit eine Anordnung nach den § § 6 7 Abs. 3, 67a nahe legt, zumal wenn dadurch langfristige Behandlungsprogramme unterbrochen werden würden. Gleichwohl ist die Fassung der StVollstrO zu eng: Entscheidend sind die Behandlungsmöglichkeiten. Sie können auch bei einer Krankheit von absehbarer Dauer für die Überweisung (§ 67a) und damit für die Anordnung nach § 67 Abs. 3 sprechen.
I X . Besonderheiten im Jugendstrafrecht 74
Für die Überweisung in den Vollzug des psychiatrischen Krankenhauses gelten für Jugendliche keine rechtlichen Besonderheiten; doch wird hier besonders sorgfältig zu erwägen sein, ob ein solcher Anstaltsaufenthalt nicht eher schaden als nützen kann. Soll jemand, auf den Jugendstrafrecht anzuwenden ist, in den Vollzug einer Entziehungsanstalt überwiesen werden, so ist bei der Ermessensentscheidung darauf zu achten, dass in der Anstalt die Voraussetzungen des § 93a JGG (besondere Behandlungsmöglichkeiten für junge Suchtkranke) erfüllt sind. Zuständig ist der Vollstreckungsleiter gem. §§ 82, 110 JGG, sofern es sich um Jugendliche handelt oder um Heranwachsende, auf die Jugendstrafrecht angewandt wurde.
119 120
AA Veh MK Rdn. 28. Wendisch L R 2 5 § 4 6 3 Rdn. 10; Pohlmann/ Jabel/Wolf8 § 5 3 Rdn. 10.
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Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel
§ 67a
X . Verfahren 1. Zuständigkeiten. Soweit nicht Jugendstrafrecht angewandt wird, ist für die ÜberWeisung grundsätzlich die Strafvollstreckungskammer zuständig (§ 462a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 463 Abs. 1, 5 und § 4 6 2 StPO). Das erkennende Gericht ist zuständig, wenn es ausnahmsweise zugleich mit der Unterbringungsanordnung eine Entscheidung nach § 67a trifft (vgl. oben Rdn. 9), ebenso, wenn es eine zunächst ausgesetzte Maßregel widerruft und gleichzeitig nach § 67a in den Vollzug einer anderen Maßregel überweist (vgl. §§ 462a Abs. 2, 463 Abs. 5 StPO). 121 Örtlich zuständig ist die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk der Maßregelvollzug stattfindet, aus dem der Betroffene in den Vollzug einer anderen Maßregel überwiesen werden soll. Findet die Überweisung zu einer Zeit statt, zu der sich der Verurteilte noch im Strafvollzug befindet, so entscheidet die für die Strafanstalt örtlich zuständige Strafvollstreckungskammer.
75
Für die späteren Entscheidungen, auch für die Weiter- oder Rücküberweisung nach § 67a Abs. 3, ist die Strafvollstreckungskammer örtlich zuständig, in deren Bezirk die Unterbringung aufgrund der Überweisung vollzogen wird. Der Anstaltswechsel zieht hier wie auch sonst (vgl. bereits BTDrucks. 7/550 S. 313) eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit nach sich, wenn über eine Frage zu entscheiden ist, die während des vorangegangenen Anstaltsaufenthaltes noch nicht anhängig war. 122 Allerdings tritt nach allgemeinen Regeln kein Zuständigkeitswechsel ein, wenn es sich nur um eine kurzzeitige Verschubung handelt. 123 Bei der Überweisung nach § 67a handelt es sich jedoch um einen auf längere Frist angelegten Anstaltswechsel. Durch § 67a Abs. 4 wird also nicht etwa die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, die für die im Urteil bezeichnete Unterbringungsart zuständig war, festgeschrieben; es kommt nach § 462a Abs. 1 i.V.m. § 463 Abs. 1 StPO stets auf den Bezirk der konkreten Anstalt an, und zwar selbst dann, wenn der Betroffene aufgrund der Überweisung in die Anstalt eines anderen Landes gelangt. Wird jemand aus der Anstalt, in die er nach § 67a überwiesen worden ist, gemäß § 67d Abs. 2 entlassen, so bleibt es bei der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, die für die letzte Unterbringungsanstalt zuständig war (§ 462a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 463 Abs. 1 StPO); auch hier bleibt § 67a Abs. 4 ohne Einfluss.
76
2. Sonstige. Die Entscheidung nach § 67a ergeht auf Antrag des Untergebrachten oder der Vollstreckungsbehörde oder auch von Amts wegen. Zu einer Prüfung von Amts wegen hat die Strafvollstreckungskammer Anlass, wenn sich aus den Berichten der Anstalt, etwa anlässlich der Überprüfung nach § 67e, ergibt, dass dort die Resozialisierung nicht genügend gefördert werden kann.
77
Vor der Entscheidung nach § 67a sollte sich die Strafvollstreckungskammer regelmäßig sachverständig beraten lassen. 124 Es wird angebracht sein, sowohl die Anstalt, in der sich der Untergebrachte bisher befunden hat, als auch die Anstalt, die ihn bei einer Überweisung aufnehmen würde, zu hören.
78
121 122 123 124
Veh MK Rdn. 29. BGHSt 26 165,166. BGHSt 26 278, 279. OLG Hamm NStZ 1987 93; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 7 221; Fischer Rdn. 3; Veh
MK Rdn. 29; vgl. auch zur beabsichtigten Einschränkung von Begutachtungserfordernissen im Bereich der Maßregeln: BRDrucks. 4 0 0 / 0 5 S. 32.
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§ 67b 79
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Der Betroffene ist vor der Überweisung (nicht notwendig mündlich) zu hören, desgleichen die Staatsanwaltschaft. Der Überweisungsbeschluss ist mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar (S 4 6 2 i.V.m. § 4 6 3 Abs. 5 StPO).
§ 67b Aussetzung zugleich m i t der A n o r d n u n g (1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. (2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Schrifttum Adams/Gerhardt Die Berücksichtigung der Behandlungsbedürftigkeit von Drogenabhängigen im Rahmen des Ermittlungs-, Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahrens, NStZ 1981 241; Bauer/Herrmann/Swoboda Übergangserleichterungen durch Wohnheime, in: Trojan/Waller (Hrsg.), Sozialpsychiatrische Praxis (1980) S. 349; Bauer Sektorisierte Psychiatrie (1977); Baumann Unterbringungsrecht (1966); Bergener Gegenwärtige Situation und zukünftige Perspektive der Behandlung und Rehabilitation psychisch kranker Rechtsbrecher, in: Bergener (Hrsg.), Psychiatrie und Rechtsstaat (1981) S. 172. Bericht der Sachverständigenkommission über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland, BTDrucks. 7/4200, 4201; dazu Zwischenbericht BTDrucks. 7/1124 und Stellungnahme der Bundesregierung BTDrucks. 8/2565; Bienwald Anmerkung zu BGH Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 379/01 FamRZ 2002 1556; Binswanger Probleme der Durchführbarkeit ambulanter Maßnahmen nach StGB Art. 43, 44 aus psychiatrischer Sicht, SchwZStr. 95 (1978) 366; Böker/Häfner Gewalttaten Geistesgestörter (1973); Brandstätter Vikariierendes System bei Strafen und Maßregeln aus verschiedenen Erkenntnissen? MDR 1978 453; Bruns Richterliche Überzeugung bei „Prognose-Entscheidungen" über Sicherungsmaßregeln, J Z 1958 647; Dessecker Hat die strafrechtliche Unterbringung in der Entziehungsanstalt eine Zukunft? NStZ 1995 318; ders. Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit (2004); Dömer/Plog Irren ist menschlich, oder Lehrbuch der Psychiatrie/Psychotherapie (1978); Ehrhardt Zur Reform von Maßregelrecht und Maßregelvollzug, Fortschritte der Neurologie-Psychiatrie 37 (1969) 660; Eisenberg Die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB und so genannte „Nicht-Therapiegeeignetheit" NStZ 2004 240; Finten Die Tagesklinik (1977); Frisch Dogmatische Grundfragen der bedingten Entlassung und der Lockerung des Vollzugs von Strafen und Maßregeln ZStW 102 (1990) 707; Frauenfelder Die ambulante Behandlung geistig Abnormer und Süchtiger als strafrechtliche Maßnahme nach Art. 43 und 44 [schweiz] StGB (1978); Frisch Prognoseentscheidungen im Strafrecht (1983); Gebauer Entwicklung und Struktur der strafrechtlichen Unterbringungspraxis in: Gebauer/ Jehle Die strafrechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (1993) S. 27; Glatzel Angewandte Psychiatrie (1977); Gribbohm Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei den mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung, JuS 1967 349; Haddenbrock Psychiatrisches Krankheitsparadigma und strafrechtliche Schuldfähigkeit, Festschrift Sarstedt (1981) S. 35; Hammerschlag/Schwarz Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten NStZ 1998 321; Jehle Strafrechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus BewHi 2005 3; H.-J. Koch Wann ist die Unterbringung eines Geisteskranken „erforderlich"? MDR 1961 561; Last Zur Anwendung des § 42b StGB, NJW 1969 1558; Lauter Psychiatrische Überlegungen zum gegenwärtigen Maßregelvollzug, in: Lauter/Schreiber (Hrsg.),
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Aussetzung zugleich mit der Anordnung
§ 67b
Rechtsprobleme in der Psychiatrie (1978) S. 71; Mrozynski Strafrechtliche Maßregeln und private Vormundschaft im Gesamtzusammenhang des Unterbringungsrechts, in: Crefeld (Hrsg.), Recht und Psychiatrie (1983) S. 58; Bernd Müller Anordnung und Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung (1981); Christian Müller Psychiatrische Institutionen (1981); MüllerDietz Die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafen und Maßregeln aus verschiedenen Urteilen, NJW 1980 2789; ders. Rechtsfragen der Unterbringung nach § 63 StGB NStZ 1983 145; MüllerIsberner Therapie im psychiatrischen Maßregelvollzug in: Venzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung 4. Aufl. (2004); Nedopil Forensische Psychiatrie 2. Aufl. (2000); Nowakowski Zur Rechtsstaatlichkeit der vorbeugenden Maßnahmen, v.-Weber-Festschr. (1963) S. 98; ders. Die Maßnahmenkomponente im StGB, Festschrift Broda (1977) S. 26; Pätzold Die Eingriffsvoraussetzungen bei freiheitsentziehenden Maßregeln unter besonderer Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit, Diss. jur. Tübingen 1975; Pörksen Kommunale Psychiatrie (1974); Porath Maßregelentscheidungen aus Sicht des Tatrichters in: Gebauer/Jehle Die strafrechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (1993) S. 65; Reimer Krankenhauspsychiatrie (1977); SchmidtFutterer Erübrigt die außerstrafrechtliche Anstaltsunterbringung von Geisteskranken eine Anordnung nach § 42b StGB? MDR 1967 357; Schröder Die Erforderlichkeit von Sicherungsmaßregeln, JZ 1970 92; Stiels-Glenn Ist die Bewährungshilfe auf psychisch kranke Probanden gut vorbereitet? eine kritische Bestandsaufnahme BewHi 2005 41; Stree In dubio pro reo (1972); Terhorst Bewährungsprognose und der Grundsatz „in dubio pro reo", MDR 1978 973; Venzlaffl. StrRG und Krankenhauspsychiatrie, Festschrift Schaffstein (1975) S. 293; ders. Der psychisch Kranke im Spannungsfeld zwischen Behandlungsauftrag und Rechtsnorm, in: Lauter/Schreiber (Hrsg.), Rechtsprobleme in der Psychiatrie (1978), S. 12; Venzlaff/Schreiber Der Maßregelvollzug - Ein Stiefkind der Strafrechtsreform? in: Bergener (Hrsg.), Psychiatrie und Rechtsstaat (1981) S. 189; Warda Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens im Strafrecht (1962); Wenz Das Verhältnis der strafrechtlichen Unterbringung geistesgestörter Täter zu außerstrafrechtlichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr, Diss. jur. Mainz 1970; Wiehe Familienrechtliche Unterbringung - eine Alternative zu den Psychisch-Kranken-Gesetzen, in: Bergener (Hrsg.), Psychiatrie und Rechtsstaat (1981), S. 116. Vgl. auch das Schrifttum zu § § 63, 64.
Entstehungsgeschichte § 67b ist durch das 2 . StrRG neu eingeführt worden; das vor dem 1.1.1975 geltende Recht enthielt keine entsprechende Vorschrift. Das EGStGB 1974 (Art. 18 II Nr. 2 5 ) hat die Fassung des 2 . StrRG redaktionell geändert: Zur Verdeutlichung (BTDrucks. 7 / 5 5 0 S. 214) wurde die im 2. StrRG vorgesehene Überschrift „Aussetzung durch das erkennende Gericht" durch die jetzige Überschrift ersetzt. Soweit die Vorschrift des § 6 7 b ursprünglich auf die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt nach § 65 verwies, ist sie nie in Kraft getreten (vgl.: Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 StrVollzÄndG vom 2 0 . 1 2 . 1 9 8 4 [BGBl. I S. 1654]; Art. 2 Abs. 2 des 2. StrRG i.d.F. der Gesetze vom 3 0 . 7 . 1 9 7 3 [BGBl. I S. 9 0 9 ] und vom 2 2 . 1 2 . 1 9 7 7 [BGBl. I S. 3104]).
Übersicht Rdn. I. Zweck der Vorschrift und Verfassungsmäßigkeit Π. Anwendungsbereich ΠΙ. Entwicklung
1 4
. . .
7
IV. Voraussetzungen 1. Formelle Voraussetzungen der Aussetzung a) Anordnung der Unterbringung . .
11 11 11
Rdn. b) Keine gleichzeitig verhängte vollstreckbare Freiheitsstrafe . . . aa) Grund für die Regelung . . bb) Drei Bedingungen (1) Freiheitsstrafe (2) Gleichzeitige Verhängung (3) Zu verbüßende Freiheitsstrafe 2. Materielle Voraussetzung . . . .
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12
.
13 14 15 17 19 25
637
§ 67b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Rdn.
a) Allgemeines b) Maßgebender Zeitpunkt der Prognose c) Fallgruppen „besonderer Umstände" aa) Tatbezogene Umstände . . . . bb) Täterbezogene Umstände . . . cc) Vom Gericht bewirkte Umstände d) Erwartung der Zweckerreichung der Maßregel V. Rechtsfolgen
25 27 28 30 31 40 41 47
VI. Verhältnis von Strafe, Strafaussetzung zur Bewährung und Maßregelaussetzung
Rdn. 1. Entscheidungsdivergenzen a) Regelmäßiger Gleichlauf b) Fehlender Gleichlauf 2 . Strafzumessung V n . Verfahren 1. Gerichtsverfahren a) Grundsatz b) Unterbringung zur Begutachtung . c) Urteilsformel d) Begleitende Beschlüsse e) Verhältnis der Bewährungsentscheidungen bei Strafe und Maßregel . f) Jugendschöffengericht 2. Rechtsmittel
49 49 51 52 53 53 53 55 56 57 58 59 62
49
I. Zweck der Vorschrift und Verfassungsmäßigkeit 1
Die Vorschrift dient dazu, auch im Maßregelrecht Freiheitsentzug zu vermeiden, soweit er nicht im Hinblick auf den Maßregelzweck unbedingt erforderlich ist. 1 Unter dem verfassungsrechtlich bedeutsamen Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit von Anlass und Sanktion soll es zur Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Behandlungsmaßregel (§§ 63, 64) nur dann kommen, wenn mildere Mittel nicht gleich geeignet erscheinen, den Maßregelzweck zu erreichen. Einer derartigen Regelung bedurfte es vor allem deshalb, weil § 63 und § 64 selbst keine Prüfung der Erforderlichkeit vorsehen, sondern die Maßregelanordnung grundsätzlich auch dann vorschreiben, wenn mildere Mittel zur Heilung und Sicherung zur Verfügung stehen. 2
2
Die Aussetzung der therapeutischen Maßregeln entspricht der Entwicklung in den Behandlungswissenschaften, zumal in der Psychiatrie. Die ambulante Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher gewinnt (auch international) zunehmend Gewicht. Diese hat drei Vorteile, nämlich Herbeiführung einer früheren Entlassung und bessere Sicherung gegen Rückfall durch eine spezialisierte ambulante Therapie, kürzere Behandlungszeiten und damit geringere Belastung der Maßregelvollzugseinrichtungen und Senkung der Kosten für die Allgemeinheit (diese betragen je nach Bundesland zwischen knapp 4 3 . 0 0 0 , - und rund 8 8 . 0 0 0 , - Euro pro Jahr). 3 Forensisch- psychiatrische Ambulanzen sollen zu einem signifikanten Rückgang der Rückfälle beigetragen haben. Es werden weniger häufig kurzfristige Kriseninterventionen durchgeführt. Voraussetzungen sind allerdings eine konsequente Festsetzung und Kontrolle der Bewährungsauflagen, intensive nachgehende Betreuung, aktive Risikovermeidung, Aufbau eines sozialen Netzwerks, Kontinuität der Therapeuten und Möglichkeiten der Krisenintervention. 4 Allerdings sollte bei einer Ent-
1
2
3 4
Scb/Schröder/Stree Rdn. 1; Veh MK Rdn. 1; vgl. auch E 1962 BTDrucks. IV/650 S. 235. BGH NStZ-RR 2 0 0 0 3 0 0 m.w.N.; Lackneri Kühl Rdn. 1; Sch/Schröder/Stree Rdn. 1; Fischer Rdn. 2. Stiels-Glenn BewHi 2 0 0 5 41. Vgl. zum Ganzen: Nedopil Forensische Psychiatrie 3 S. 3 0 2 ff; Rasch Forensische Psychia-
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trie 2. Aufl. (1999) S. 381 ff; ferner auch: Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland (BTDrucks. 7/4200, 4201 [Anhang]) sowie den Zwischenbericht der Sachverständigenkommission, BTDrucks. 7/1124; zur Situation der Bewährungshilfe: Stiels-Glenn BewHi 2 0 0 5 41 ff.
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Aussetzung zugleich mit der Anordnung
§ 67b
Scheidung nach § 67b auch die Tatsache im Auge behalten werden, dass ca. 28 % der Täter das zur Unterbringung nach § 63 führende Delikt begehen, obgleich sie sich bereits in psychiatrischer Behandlung befinden. 5 Auch mag die nicht geringfügige Widerrufsquote (vgl. dazu unten Rdn. 9) am Erfolg ambulanter Maßnahmen zweifeln lassen. In verfassungsrechtlicher Hinsicht erscheint die Vorschrift unbedenklich. Der Gesetz- 3 geber geht davon aus, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 63 ein Freiheitsentzug zur Erreichung der Ziele der Maßregel erforderlich ist. Diese Einschätzung ist grundsätzlich vertretbar. Der Gesetzgeber hat bei Gefahrenprognosen und hinsichtlich der Mittel zur Gefahrenabwehr einen Beurteilungsspielraum. 6 Diesen wird man bei dem Regelungssystem der §§ 63, 64 i.V.m. § 67b nicht als überschritten ansehen können. Um dem Einzelfall und damit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gerecht werden zu können wenn das generell zur Gefahrenabwehr vom Gesetzgeber für erforderlich erachtete Instrumentarium der § § 63, 64 einmal nicht erforderlich sein sollte - greift die Vorschrift des § 67b, die dazu führt, dass bei fehlender Erforderlichkeit der Freiheitsentzug entfällt, andererseits aber (durch die Widerrufsmöglichkeit) eine schnelle und effektive Reaktion im Falle einer sich später als falsch erweisenden Erforderlichkeitseinschätzung ermöglicht. Kein Problem des § 67b ist die Frage, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Subsidiaritätsprinzip) es gebietet, schon von der Anordnung der Maßregel selbst abzusehen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Gefährlichkeit hindern. Die Rechtsprechung ist hier eher zurückhaltend. 7
Π. Anwendungsbereich Eine Aussetzung zugleich mit der Anordnung der Maßregel kommt nur bei solchen nach § 63 und § 64, nicht hingegen bei der Sicherungsverwahrung in Betracht. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. Eine analoge Anwendung auf die Sicherungsverwahrung scheidet aus. Es fehlt sowohl an der Analogievoraussetzung einer planwidrigen Regelungslücke, als auch an der Vergleichbarkeit der Interessenlage. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers reicht bei der Sicherungsverwahrung die Aussetzungsmöglichkeit nach $ 67c aus. 8 Er hat bei ihr bewusst von einer anfänglichen Maßregelaussetzung abgesehen. 9
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Bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und in einem psychiatrischen 5 Krankenhaus steht der Besserungsaspekt im Vordergrund (Sicherung durch Heilung oder Besserung des Zustandes, vgl. §§ 136 f StVollzG), welcher möglicherweise im Einzelfall auch durch mildere, gleich geeignete Maßnahmen im Rahmen einer Aussetzung zur Bewährung erreicht werden kann. Bei der Sicherungsverwahrung steht der Sicherungsaspekt im Vordergrund und dieser ist durch mildere gleich geeignete Maßnahmen nicht zu erreichen. Außerdem kommt die Maßregelaussetzung nach § 67b Abs. 1 S. 2 nur dann in Betracht, wenn nicht gleichzeitig eine vollstreckbare Freiheitsstrafe verhängt wird einer Konstellation also, die bei der Sicherungsverwahrung praktisch nie relevant wird. 1 0
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Müller-Isberner S. 417, 423. Vgl. BVerfGE 109 133, 187; 90 145, 172 ff; Veh MK Rdn. 19. Vgl. BGHSt 15 279, 281 f; BGH NStZ-RR 1998 359; BayObLG NStZ-RR 1996 29 f; kritisch dazu: Porath S. 65, 68; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 1, 3.
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Vgl. Sch/Schröder/Stree Rdn. 3. Vgl. E 1962 BTDrucks. IV/650 S. 235; Horstkotte LK 10 § 67b Entstehungsgeschichte. Vgl. Horstkotte LK10 § 67b Rdn. 33.
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S 67b 6
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Die Umstände, die eine Maßregelaussetzung zur Bewährung begründen könnten, können im Ausnahmefall auch bereits eine Maßregelverhängung hindern. So kann z.B. eine Unterbringung nach Betreuungsrecht bzw. eine Betreuerbestellung für die Bereiche Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung die Gefährlichkeit wegen des engmaschigen Überwachungsnetzes und einer flexiblen Reaktionsmöglichkeit auf akute Schübe bereits die Gefährlichkeit ausschließen oder aber eine Anordnung als Verbot gegen das Übermaßverbot erscheinen lassen. Der Umstand kann aber auch - wenn man die Voraussetzungen für eine Maßregelanordnung dennoch bejaht - für § 67b von Bedeutung sein.11 ΙΠ. Entwicklung
7
Das Ziel, freiheitsentziehende Maßregeln mit therapeutischer Tendenz von vornherein versuchsweise durch Sanktionen ohne Freiheitsentzug zu ersetzen, haben schon die Entwürfe der Weimarer Zeit verfolgt: Nach den Entwürfen von 1919 ( S S 88, 99), 1922 (SS 43, 44) und 1925 (SS 43, 44) sollte statt der Unterbringung in der Heil- oder Pflegeanstalt und der Entziehungsanstalt „Schutzaufsicht" angeordnet werden, wenn diese genügte. Nach den Entwürfen von 1927 und 1930 (S 61) sollte der Richter ermächtigt sein, die Unterbringung für die Dauer von höchstens zwei Jahren auszusetzen, wobei nach Ablauf dieser Frist der Widerruf der Aussetzung ausgeschlossen sein sollte.12 Die jetzige Fassung ist an S 105 E 1962 angelehnt, aber demgegenüber einfacher und klarer gefasst.13
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In der Gesetzesfassung vor dem 2. StrRG gab es keine dem § 67b entsprechende Vorschrift. Nach S 42b a.F. durfte aber (anders als beim jetzigen S 63) die Unterbringung auch nur dann angeordnet werden, „wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert". Das Erforderlichkeitskriterium ist bei S 63 weggefallen. Stattdessen gibt es die Möglichkeit der Maßregelaussetzung nach S 67b. Str. ist, ob mit der Neuregelung der Maßregelvorschriften der S S 63, 67b durch das 2. StrRG eine Abkehr vom bis dahin geltenden Prinzip der Subsidiarität bei der Anordnung der Maßregel selbst verbunden ist (vgl. dazu Horstkotte LK 10 S 67b Rdn. 5 ff). Nach der Rechtsprechung und eines Teils der Literatur soll die Maßregel des S 63 bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend zu verhängen sein. Der eine Erforderlichkeitsprüfung umfassende Subsidiaritätsgrundsatz sei nicht schon bei der Anordnung der Maßregel, sondern erst im Zusammenhang mit ihrer Aussetzung zur Bewährung zu prüfen14. Die Rechtsprechung ist allerdings nicht ganz einheitlich und weist z.T. auch eine Erforderlichkeitsprüfung schon auf der Anordnungsebene a u f j e d e n f a l l s wenn der Verurteilte bereits (anderweitig) untergebracht war und in diesem Rahmen die Anlasstaten beging. Insoweit handelt es sich allerdings um eine Rechtsfrage des S 63.
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14
BGH NStZ-RR 1998 359, 360; vgl. aber auch: BGH NStZ-RR 2 0 0 0 3 0 0 f. Vgl. Horstkotte L K 1 0 § 67b Entstehungsgeschichte. Vgl. Zweiter schriftlicher Bericht des Sonderauschusses für die Strafrechtsreform, BTDrucks. V/4095 S. 32; Fischer Rdn. 1. Vgl. BGHSt 34 313, 316 f; BGH NStZ-RR 2 0 0 0 300, 301; BayObLG NStZ-RR 1996
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15
29; Horn SK § 61 Rdn. 16; Lackner/Kühl § 63 Rdn. 11; Sch/Schröder/Stree S 63 Rdn. 19; aA: Horstkotte L K 1 0 § 67b Rdn. 5 ff; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 1; Müller-Dietz NStZ 1983 1 4 5 , 1 4 9 . Vgl. BGH NStZ 2 0 0 2 5 9 0 , 5 9 2 ; NStZ-RR 2 0 0 2 331; 2 0 0 0 138; 1998 359, 360; 1997 291; BayObLG NStZ-RR 2 0 0 4 2 9 5 , 2 9 6 f.
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Aussetzung zugleich mit der Anordnung
§ 67b
Die Zahl der in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Personen ist nach einem Rückgang in den 80er und frühen 90er Jahren bis 2 0 0 2 wieder auf den Stand von 1965 angestiegen (1965: 4413; 2 0 0 2 : 4366) und hat 2 0 0 3 einen historischen Höchststand erreicht. 16 Die Zahl der in einer Entziehungsanstalt untergebrachten Personen ist von 281 Personen im Jahre 1965 auf 2 0 5 8 im Jahre 2 0 0 2 kontinuierlich angestiegen. 17 Während sich die Zahl der Anordnung der Maßregel nach § 64 in etwa proportional hierzu verhält (1965: 236; 2 0 0 3 : 1643) hat sich die Anordnungszahl bei § 63 mehr als verdoppelt (1965: 419; 2 0 0 3 : 876). 1 8 Über den Grund, warum trotz steigender Anordnungszahlen die Zahl der nach § 63 Untergebrachten von 1965 bis 2 0 0 2 nicht auch gestiegen ist, kann nur spekuliert werden. Dies mag mit einer vermehrten Anwendung des § 67b zusammenhängen. Eine stichprobenartige Untersuchung von Verfahren, in denen im Jahre 1986 eine Maßregel nach § 64 verhängt worden war, hat ergeben, dass eine isolierte Maßregelanordnung (wegen Schuldunfähigkeit) in 8 % der Fälle erfolgte. In der Hälfte dieser Fälle wurde die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt. 19 Bei der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus liegt die Aussetzungsquote bei etwa 2 5 - 3 0 % (Zahlen aus den 1980er Jahren). 2 0 In knapp 3 0 % der Fälle einer anfänglichen Aussetzung wurde diese später widerrufen (zum Vergleich: In den Fällen einer erst späteren Aussetzung der Vollstreckung der Maßregel, also nach Maßregelvollzug, betrug die Widerrufsquote nur rund 15 % ) . 2 1
9
Ob auch kürzere Verweildauern im Maßregelvollzug zu der langfristigen Konstanz der Untergebrachtenzahlen beitragen, erscheint zweifelhaft. Einzeldaten deuten eher auf einen Anstieg der Verweildauer hin. 2 2
10
IV. Voraussetzungen 1. Formelle Voraussetzungen der Aussetzung a) Anordnung der Unterbringung: Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt muss gleichzeitig angeordnet werden. Das heißt, dass auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel vollständig erfüllt sein müssen. § 67b gilt nicht für früher oder in einem anderen Verfahren verhängte Maßregeln. 2 3
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b) Keine gleichzeitig verhängte vollstreckbare Freiheitsstrafe: Nach § 67b Abs. 1 S. 2 kann eine Aussetzung nur erfolgen, wenn eine gleichzeitig verhängte Freiheitsstrafe ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wird. Diese Voraussetzung spielt also nur eine Rolle, wenn die Maßregel neben einer Freiheitsstrafe angeordnet wird. Wird neben der Maßregel eine Freiheitsstrafe verhängt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird (zur Frage der Strafrestaussetzung zur Bewährung mit der Verurteilung im Falle der Anrechnung von Untersuchungshaft vgl. unten Rdn. 19), so ist § 67b Abs. 1 S. 1 unanwendbar. Statt-
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Jehle BewHi 2 0 0 5 3, 6. Vgl. Schöch in Venzlaff/Foerster S. 385, 393. Vgl. Übersicht über die Maßregeln bei: Dünkel/van Zyl-Smit KrimPäd 2 0 0 4 47, 49. Dessecker NStZ 1995 318, 319. Eisenberg Kriminologie 6 S. 4 4 0 ; Gebauer S. 27, 40; vgl. auch Pollähne/Böllinger NK Rdn. 3.
21 22
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Gebauer S. 27, 4 0 . Vgl. Eisenberg Kriminologie 6 S. 4 4 4 f; Nedopil Forensische Psychiatrie S. 2 5 0 ; Eisenberg NStZ 2 0 0 4 2 4 0 ; Jehle BewHi 2 0 0 5 3, 13; Stiels-Glenn BewHi 2 0 0 5 41. Veh MK Rdn. 4.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
dessen ist nach § 67c Abs. 1 vor dem Ende des Strafvollzugs zu prüfen, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Falls nicht, erfolgt dann die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung. 13
aa) Grund für diese Regelung ist, dass die Aussetzungsmöglichkeit der Behandlung des Täters in Freiheit dient. Dieser Zweck wird verfehlt, wenn der Täter zugleich mit der ausgesetzten Maßregel eine Freiheitsstrafe verhängt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Der Strafvollzug, der alsbald anzutreten wäre, würde außerstrafrechtliche Bemühungen, die mit der Maßregelaussetzung gefördert werden sollen, behindern. 24 Die Alternative - nämlich in den Fällen, in denen eine Aussetzung nach § 67b möglich erscheint - auch eine Strafaussetzung - unabhängig von den formellen Grenzen nach § 56 zu ermöglichen, würde den Straftäter, gegen den auch eine Maßregel angeordnet wurde, gegenüber dem, der nur zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, unangemessen bevorzugen. 25
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bb) Nach § 67b Abs. 1 S. 2 müssen drei Bedingungen erfüllt sein, damit eine Maßregelaussetzung ausscheidet:
15
(1) Die gleichzeitig mit der Maßregel verhängte Strafe muss eine Freiheitsstrafe sein. Hier werden sich regelmäßig keine Probleme stellen, da ein Zusammentreffen der Maßregel nach § 63 mit einer Geldstrafe praktisch kaum vorkommen dürfte. Auch eine Jugendstrafe stellt eine Freiheitsstrafe in diesem Sinne dar (auch ihre Vollstreckung würde den Zweck der Aussetzung gefährden; auch bei anderen Maßregeln, so z.B. hinsichtlich der formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung, steht die Jugendstrafe einer Freiheitsstrafe gleich, vgl. § 66 Rdn. 54).
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Gleichgültig ist, ob in eine Gesamtfreiheitsstrafe auch Einzelfreiheitsstrafen einbezogen wurden, die mit der Anlasstat für die Maßregelanordnung nichts zu tun haben. Entscheidend ist allein, ob die gleichzeitig mit der Maßregel verhängte Freiheitsstrafe zu vollziehen ist. Dem Wortlaut nach hindert § 67b Abs. 1 S. 2 auch dann die Maßregelaussetzung, wenn in dem Urteil, mit dem die Maßregel verhängt wurde, zwei Gesamtfreiheitsstrafen verhängt wurden, von denen mindestens eine (möglicherweise auch die, die mit der Maßregelanordnung nichts zu tun hat) nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. 26 Dieses Ergebnis entspricht dem oben geschilderten Grund für die Regelung.
17
(2) Die Freiheitsstrafe muss gleichzeitig mit der Maßregel angeordnet werden. Wurde eine (vollstreckbare) Freiheitsstrafe (die noch nicht verbüßt ist) in einem anderen Verfahren angeordnet, so hindert sie die Aussetzung der Maßregel nicht. 27 Das ist zwar im Hinblick auf den dargestellten Grund für die Regelung inkonsequent, ergibt sich aber aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Man muss dann allerdings bei der Prognose berücksichtigen, ob der Zweck der Maßregel auch nach der Verbüßung der Strafhaft in anderer Sache noch durch die Aussetzung erreicht werden kann. Dies spielt insbesondere eine Rolle, wenn bereits angelaufene Behandlungsbemühungen durch die Strafhaft in anderer Sache unterbrochen werden. 28 Dies spielt für die Prognose sicherlich eine Rolle.
24
25
Zweiter schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BTDrucks. V / 4 0 9 5 S. 33; Veh MK Rdn. 5. Begr. zu § 74 AE; Horstkotte LK 1 0 § 67b Rdn. 77.
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Horstkotte LK 1 0 § 67b Rdn. 87. Veh MK Rdn. 6. Horstkotte LK 1 0 § 67b Rdn. 89.
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Aussetzung zugleich mit der Anordnung
§ 67b
Es ist aber kein Grund, generell in solchen Fällen von einer Aussetzung abzusehen, wie dies z.T. empfohlen wird. 2 9 Da die Prognose das für die Aussetzung maßgebliche Kriterium ist, kann umgekehrt auch der Umstand, dass die Aussetzung die „einfachere Lösung" ist, welche manches vollstreckungsrechtliche Problem zu umgehen hilft, nicht für sie streiten. 30 Gleiches gilt, wenn in einem anderen Verfahren schon eine freiheitsentziehende Maßregel angeordnet worden ist. 31
18
(3) Die Freiheitsstrafe muss zu verbüßen und darf nicht zur Bewährung ausgesetzt sein. „Zu verbüßen" und „nicht zur Bewährung ausgesetzt" wird i.d.R. dasselbe bedeuten, ist aber nicht immer deckungsgleich. So ist eine Maßregelaussetzung auch bei der Verhängung einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe möglich, wenn die Freiheitsstrafe aufgrund von Untersuchungshaftanrechnung bzw. Anrechnung anderer Freiheitsentziehung ( § 5 1 ) bereits vollständig verbüßt wurde. 3 2 Ebenso ist eine Aussetzung der Maßregel möglich, wenn - aufgrund von Anrechnung nach § 51 - der Zeitpunkt für eine Strafrestaussetzung nach § 57 bereits bei Urteilsfällung vorliegt und das insoweit zuständige Gericht des ersten Rechtszuges 33 die Vollstreckung des Strafrestes zu diesem Zeitpunkt zur Bewährung aussetzt. 34
19
Bei Gesamtstrafen kommt es hinsichtlich der Aussetzung auf diese an. Wird also eine 2 0 zunächst zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe nachträglich in eine nicht mehr ausgesetzte neue Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen, so hindert § 67 Abs. 1 S. 2 auch die Aussetzung der Maßregel. Das gilt auch im Falle einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung im Beschlusswege, etwa wenn aufgrund einer nachträglichen Bildung der Gesamtstrafe zuvor gewährte Strafaussetzungen zur Bewährung entfallen und eine vollstreckbare Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird. 35 Rechtlich unzulässig ist es, die Freiheitsstrafe nur deswegen - unabhängig von Un- 21 recht und Schuld - auf eine geringere Höhe zu bemessen, um deren Aussetzungsfähigkeit (z.B. § 56 StGB) zu gewährleisten und damit die Sperre des § 67b Abs. 1 S. 2 zu umgehen. Strafzumessung und Maßregelausspruch bzw. - Aussetzung haben ganz verschiedene Bezugspunkte. Allenfalls in bestimmten Grenzfällen kann es daher - wie allgemein bei der Bewährungsfrage 36 besonderer Erörterung bedürfen, warum das Gericht sich gehindert gesehen hat, eine noch aussetzungsfähige Strafe zu verhängen. In diesen Fällen bietet es sich ggf. an, dazu Stellung zu nehmen, dass auch bei einem aussetzungsfähigen Strafmaß eine Aussetzung nicht in Betracht gekommen wäre. Fraglich ist, ob auch die Möglichkeit einer Zurückstellung einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe nach § 35 BtMG den Weg für eine Maßregelaussetzung eröffnet. Das erscheint zweifelhaft. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gericht (gleichzeitig mit der Maßregelentscheidung) liegt eine zu verbüßende Freiheitsstrafe vor. Es ist nicht das Gericht, welches die Zurückstellung verfügt, sondern die Staatsanwaltschaft als Voll-
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30 31 32
Horstkotte LK 10 § 67b Rdn. 89; aA („empfiehlt sich Aussetzung der Maßregel idR nicht") Fischer § 67b Rdn. 4 unter Berufung auf Horstkotte LK 10 , der dies in Rdn. 92f so „empfiehlt". AA: Horstkotte LK 10 § 67b Rdn. 90 ff. Horstkotte LK 10 § 67b Rdn. 95. BGH StV 1994 260; Horn SK Rdn. 6; Fischer Rdn. 4; Veh MK Rdn. 8.
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Vgl. BGHSt 6 391, 393 f; BGH StV 1982 61; OLG Düsseldorf StV 1989 216 (LS); Fischer KK 5 § 462 Rdn. 30. Horstkotte LK 10 § 67b Rdn. 83. OLG Hamm Beschluss vom 16.6.1979 4 Ws 305/79; Horn SK Rdn. 6; Horstkotte LK 10 § 67b Rdn. 87. Vgl. BGH StV 2002 191.
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§ 67b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
streckungsbehörde. Das Gericht erteilt lediglich seine Zustimmung hierzu. Die Staatsanwaltschaft kann aber ihre Zurückstellungsentscheidung erst treffen, wenn das Gericht ein Urteil gesprochen und eine Rechtsfolgenentscheidung getroffen hat. Ihre Entscheidung erfolgt also zeitlich später und begründet damit nicht die Aufhebung der Verbüßungspflicht zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Zwar könnte der Sitzungsvertreter dem Gericht zusagen, sich für eine Zurückstellung einzusetzen, mehr aber auch nicht. Ob sie aber tatsächlich erfolgt, ist nicht sicher. Deshalb dürfte bereits nach dem Wortlaut des § 67b Abs. 1 S. 2 die Möglichkeit des § 35 BtMG für die Aussetzungsentscheidung irrelevant sein. 3 7 Hinzu kommt, dass die Strafvollstreckung nur zurückgestellt ist und die Zurückstellung nach § 35 Abs. 5 B t M G widerrufen werden kann (während die Maßregelaussetzung zur Bewährung nur unter den Voraussetzungen des § 67g widerrufbar ist), so dass es zu dem Gesetzeszweck widersprechenden Aussetzungsdivergenz zwischen Strafe und Maßregel kommen könnte. 23
Aus den gleichen Gründen ist auch eine Maßregelaussetzung nach § 67b bei einer gleichzeitig verhängten vollstreckbaren Freiheitsstrafe nicht möglich, nur weil etwa eine Strafaussetzung zur Bewährung im Gnadenwege zu erwarten oder ein Strafaufschub nach den SS 4 5 5 f StPO möglich ist. 38
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Wird neben der Anordnung der Maßregel die Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt (S 2 7 J G G ) , so liegt bereits keine gleichzeitig zu verbüßende Freiheitsstrafe vor, welche die Aussetzung der Maßregel hindern könnte. Fraglich ist indes, ob auch das Absehen von der Verhängung einer Jugendstrafe nach S 5 Abs. 3 J G G die Aussetzung der verhängten Maßregel ermöglicht. Dies wird zum Teil befürwortet mit dem Argument, dass „Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt" dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend auch die mit einer Aussetzung nach S 67b verbundene Maßregel meine. 39 Gegen diese Auslegung könnte sprechen, dass nach S 5 Abs. 3 J G G nur die „Unterbringung" eine Ahndung entbehrlich macht, nicht aber bereits die „Anordnung der Unterbringung". Dafür könnte sprechen, dass nach S 5 Abs. 3 J G G von der Verhängung von Zuchtmitteln oder Jugendstrafe - ungeachtet der Frage, ob letztere zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht - abgesehen werden kann. Wenn aber auch von der Verhängung einer ohnehin zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe abgesehen werden kann, dann ist kein Grund ersichtlich, warum dies nur im Hinblick auf eine vollstreckbare Unterbringung der Fall sein sollte. Denn die Voraussetzungen für die Aussetzung der Maßregel sind eher strenger, als die für die Aussetzung der Jugendstrafe (vgl. S 21 JGG), so dass auch i.V.m. S 5 Abs. 3 J G G § 67b Anwendung finden kann. 2. Materielle Voraussetzung
25
a) Vorausgesetzte Prognose: Besondere Umstände müssen die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch durch die Aussetzung zur Bewährung erreicht werden kann. Zweck der hier überhaupt in Betracht kommenden Maßregeln ist der Schutz der Bevölkerung vor erheblichen Straftaten durch Heilung oder wenigstens Pflege des Straftäters. 4 0 Es kommen also in erster Linie Fälle in Betracht, in denen dem Täter
37 38 39 40
AA Horstkotte LK 1 0 § 67b Rdn. 85. Vgl. Horstkotte L K 1 0 § 67b Rdn. 84, 86. Horstkotte L K 1 0 § 67b Rdn. 100. Vgl. E 1962 BTDrucks. IV/650 S. 235;
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Schach L K 1 2 Vor § 61 Rdn. 2 9 ff; Lackner/ Kühl § 64 Rdn. 1; Fischer § 63 Rdn. 2 und S 64 Rdn. 2.
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Aussetzung zugleich mit der Anordnung
durch eine nicht zwangsweise strafrechtliche stationäre Unterbringung in gleicher Weise geholfen werden kann, keine erheblichen Straftaten mehr zu begehen und auf diese Weise die Verhütung erheblicher Straftaten zu bewirken. Zwischen Strafe, Maßregelanordnung und Maßregelaussetzung ergeben sich schein- 2 6 bare Widersprüche. So kann nach § 56 StGB eine Strafe nur bei günstiger Prognose zur Bewährung ausgesetzt werden. Die gleichzeitige Maßregelanordnung erfordert indes die Erwartung der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten, die Aussetzung nach § 67b schließlich, dass der Zweck der Maßregel, nämlich die Verhinderung solcher Taten auch ohne Maßregelvollstreckung erreicht werden kann. Die unterschiedlichen Prognosen sind indes miteinander vereinbar. So bezieht sich die Prognose nach §§ 63 f allein auf die Gefährlichkeit, nicht aber darauf, ob eine vollstreckbare Unterbringung zur Gefahrenabwehr erforderlich ist. Dementsprechend kann es durchaus miteinander vereinbar sein, einen Täter als gefährlich im Sinne der §§ 63, 64 einzustufen, gleichzeitig aber die Erwartung zu haben, dass der Gefahr durch eine ausgesetzte Maßregel (und z.B. damit verbunden der Führungsaufsicht - § 67b Abs. 2 - oder etwaigen Bewährungsauflagen, dem Bewährungsdruck etc.) hinreichend begegnet werden kann. Dieser Umstand findet dann auch bei der Prognose nach § 56 Berücksichtigung und kann die Erwartung rechtfertigen, dass der Verurteilte auch ohne Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird. 41 b) Maßgebender Zeitpunkt der Prognose ist der des letzten tatrichterlichen Urteils. 42 2 7 Die Frage, ob eine vollstreckbare Maßregelanordnung noch verhältnismäßig ist - insbesondere in Bezug zum Gewicht der Anlasstaten - , spielt bei der Gewährung einer Maßregelaussetzung zur Bewährung ebenfalls eine Rolle. 43 c) Fallgruppen „besonderer Umstände": Die Voraussetzung besonderer Umstände 2 8 unterstreicht den Ausnahmecharakter der Vorschrift 44 und die Vorstellung des Gesetzgebers, dass bei Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen der §§ 63, 64 der Täter grundsätzlich einer Vollziehung der Unterbringung bedarf. 45 Die besonderen Umstände können tat- oder täterbezogen sein. Sie können auch in der 2 9 Einwirkungsmöglichkeit der Führungsaufsicht bzw. in im Rahmen der Führungsaufsicht oder der Bewährungsaussetzung auferlegten Weisungen (vgl.: §§ 56c, 68b), dem Widerrufsdruck oder bereits anderweitig eingeleiteten Hilfsmaßnahmen begründet sein. 46 aa) Tatbezogene Umstände: Solche sind eher selten denkbar. Das gelegentlich ange- 3 0 führte Beispiel, dass der Täter als Angriffsziel immer wieder dieselbe Person wählt und dem eventuell durch ein Kontaktverbot und Bewährungsüberwachung beigekommen werden kann 47 , fällt eher in die Kategorie der vom Gericht herbeigeführten besonderen Umstände. Einen tatbezogenen Umstand könnte man insoweit wohl er dann annehmen, wenn das immer wieder heimgesuchte Angriffsziel des Täters inzwischen für den Täter kaum mehr erreichbar ist (unbekannt verzogen oder Täter ist voraussichtlich körperlich
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BGH NJW 1978 599; Horstkotte LK 10 § 67b Rdn. 42. BGH bei Holtz MDR 1977 459; BayObLG NStZ-RR 1996 20. BGH Beschl. v. 12.12.2005 - 5 StR 507/05; BGH Beschl. v. 28.11.2005 - 5 StR 480/05; BGH Beschl. v. 23.8.2006 - 5 StR 328/06.
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Lackner/Kühl Rdn. 1. Vgl. BTDrucks. V/650 S. 235. Veh MK Rdn. 14. Vgl. den Verweis bei Veh MK Rdn. 14 auf BGH StV 1988 104.
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§ 67b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
nicht mehr in der Lage von seinem derzeitigen Wohnort den seines Opfers aufzusuchen). 48 31
bb) Täterbezogene Umstände: Als solche werden hier Umstände verstanden, die ohne Zutun des die Maßregel verhängenden Gerichts gegeben sind. Hier kommt zunächst die therapeutische (ärztliche, psychotherapeutische, psychologische, sozialpädagogische) Behandlung in Betracht, in die sich der Angeklagte freiwillig bereits begeben hat oder sicher begeben wird. 4 9 Sie kann mit räumlichen Vorkehrungen (freiwillige stationäre Aufnahme in ein psychiatrisches Krankenhaus oder in teilstationäre Einrichtungen) verbunden sein oder ambulant erfolgen. 50 Weiter ist zu denken an die Aufnahme in Heime, therapeutische Wohngruppen, betreutes Wohnen 5 1 , Suchttherapie etc. Denkbar als besonderer Umstand ist auch die Teilnahme an Selbsthilfegruppen, wie zum Beispiel den Anonymen Alkoholikern etc. 52 ; ferner kann auch eine Ruhigstellung durch Medikamente oder eine Überwachung durch die Familie eine Rolle spielen. 53 Immer ist hierbei die Verlässlichkeit privater Alternativmaßnahmen vom Gericht zu überprüfen. So kann ein freiwilliger stationärer Aufenthalt oder eine freiwillige ambulante Behandlung jederzeit abgebrochen werden. So wurde in der älteren Rechtsprechung die bloße Zusage eines psychisch Kranken, ein Krankenhaus nicht zu verlassen, nicht als ausreichend angesehen. 54 Nicht überzeugend sind Überlegungen, bei der Anerkennung privater Alternativmaßnahmen deswegen Zurückhaltung zu üben, damit nicht ärmere Bevölkerungsschichten gegenüber den Wohlhabenderen, die sich eher private Alternativen leisten können, benachteiligt werden. 5 5 Eine derartige sozialpolitische Wertung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. In den Materialien werden sie auch als mögliche besondere Umstände erwähnt. 5 6 Es kommt vielmehr allein darauf an, ob ein „besonderer Umstand" die Maßregelvollstreckung ersetzen kann. Dass solche besonderen Umstände auf verschiedene Bevölkerungsschichten ungleich „verteilt" sind, ist eine bedauerliche Tatsache, die aber nicht dazu führen kann, in Einzelfällen diesen die Relevanz für § 67b zu versagen.
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Fehlende Krankheitseinsicht wird, wenn eine Maßregel nach § 63 angeordnet worden ist, regelmäßig eine Aussetzung nach § 67b Abs. 1 S. 1 hindern. 5 7 33 Ob Pflege durch Familienangehörige, eine Arbeitsstelle oder Eheschließung (letztere beiden bei bisher haltlosen Tätern) generell als besondere Umstände berücksichtigt werden können, erscheint zweifelhaft. Hierbei handelt sich um „weiche" Kriterien, die der Manipulation den Weg bereiten. So mag ein Straftäter in der Hauptverhandlung einen „Gefälligkeitsarbeitsvertrag" vorlegen oder sich von ihm wohlgesonnenen Familienmitgliedern bestätigen lassen, dass sie die Pflege übernommen haben oder übernehmen werden. Immerhin gehen aber die Gesetzesmaterialien selbst davon aus, dass der Erhalt einer
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BGHR StGB § 67b Abs. 1 Besondere Umstände 4. BGH NStZ-RR 2005 142; StV 1988 104; BGH bei Dallinger MDR 1975 724; vgl. auch BGH Urt. v. 27.3.2007 - 1 StR 48/07. Vgl. BGH Beschl. v. 28.6.2000 - 1 StR 96/00; BGH Urt. v. 12.6.2001 - 1 StR 574/00. BGH NStZ-RR 2008 8, 9; NStZ 2000 470, 471; NStZ-RR 1997 291; BGH Beschl. v. 28.11.2005 - 5 StR 480/05.
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Pollähne/Böllinger NK Rdn. 18. BGHR StGB § 67b besondere Umstände 4; BGH NStZ 1988 309 f; BGH bei Dallinger MDR 1975 724. BGH Urt. vom 26.2.1981 - 4 StR 30/81. Vgl. dazu: Horstkotte LK10 § 67b Rdn. 74. Vgl. Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform BTDrucks. V/4095 S. 33. BGH Beschl. v. 10.1.2006 - 1 StR 533/05.
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Aussetzung zugleich mit der Anordnung
§ 67b
festen Arbeitsstelle oder die Eheschließung, von der eine innere Festigung zu erwarten ist, als besondere Umstände in Betracht kommen. 5 8 Die Rechtsprechung spricht derartigen Umständen auch nicht generell die Eignung a b . 5 9 Insbesondere soweit entsprechende Maßnahmen noch nicht begonnen wurden, ist vom Gericht eingehend zu prüfen oder ggf. durch entsprechende Weisungserteilung (dazu unten Rdn. 4 0 ) sicherzustellen 60 , ob bzw. dass es sich nicht nur um „leere Versprechungen" des Angeklagten zur Erreichung eines günstigen Verfahrensausgangs handelt: „Der bloße - wenn auch ernsthafte - Wille zur Umkehr vermag die vom Beschuldigten ausgehende Gefahr nicht wesentlich herabzumindern. Hinzukommen müssen Umstände, die eine Gewähr für die Dauerhaftigkeit und Realisierbarkeit dieses Willens bieten" ( B G H N S t Z 1983 167). 6 1
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Besondere täterbezogene Umstände können auch weniger freiwillige Maßnahmen wie eine landesrechtliche Unterbringung 6 2 , eine zivilrechtliche Unterbringung gem. § 1 9 0 6 B G B auf Grund der Anordnung des Betreuers oder aber auch überhaupt das Vorhandensein eines Betreuers mit den entsprechenden Aufgabenkreisen sein. 6 3 Dies setzt aber ein vom Gericht näher darzulegendes Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Betreuers sowie dessen rechtliche und faktische Möglichkeiten ebenso wie in den Fortbestand der betreuungsrechtlichen Lage voraus. 6 4 Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Grenze der betreuungsrechtlichen Unterbringung, wie letztendlich aller betreuungsrechtlicher M a ß nahmen im Wohl des Betreuten liegt (vgl.: §§ 1 9 0 6 , 1896 BGB), die Betreuung also nicht auf den Schutz fremder Rechtsgüter angelegt ist. 6 5 Eine bestehende Betreuung mag sich positiv auf die Lebensgestaltung des Betreuten auswirken. Dies ist aber bestenfalls eine willkommene Begleiterscheinung, nicht aber ihr Zweck und Ziel, so dass hierauf nur unter größter Vorsicht eine Prognose gestützt werden kann. 6 6 Der Umstand einer bestehenden Betreuung allein reicht regelmäßig wohl selbst dann für die Annahme „besonderer Umstände" nicht aus, wenn sie für die einschlägigen Bereiche (z.B. Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung) eingerichtet wurde. Zusätzlich wird man eine Umsorgung des Täters durch seinen Betreuer und einen Kontakt über das für eine rechtliche Betreuung erforderliche M a ß bzw. vom Betreuer eingeleitete Maßnahmen, die sich auch gefahrmindernd auswirken, verlangen müssen.
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E 1962 BTDrucks. IV/650 S. 235; Horstkotte LK 10 § 67b Rdn. 73. So hat das Reichsgericht die Pflege in der eigenen Familie oder in einer Pflegefamilie gar als Umstand angesehen, der den Maßregelvollzug (nach alter Rechtslage, vgl. oben Rdn. 7 ff) erübrigte (vgl. RGSt 69 12; RG JW 1938 166). Ähnlich hat der BGH im Hinblick auf § 67b bei jüngeren Tätern entschieden (BGH JR 1959 305; BGH Urt. v. 23.3.1977 - 3 StR 67/77). Andere Entscheidungen sind zurückhaltender und verlangen eine umfassende Darlegung der Pflegebereitschaft und -fähigkeit der Familie und stellen an die Verlässlichkeit der Prognose erhebliche Anforderungen (BGH Urt. v. 13.10. 1976 - 3 StR 316/76). BGH StV 1991 514, 515; 1988 104; BGH
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Beschl. v. 28.6.2000 - 1 StR 96/00; BGH Beschl. v. 25.4.2001 - 1 StR 68/01; BGH Urt. v. 12.6.2001 - 1 StR 574/00. Vgl. auch: BGH Beschl. v. 25.4.2001 - 1 StR 68/01; BGH NStZ 1998 405. BGHSt 34 313, 317; BGHR StGB § 67b Abs. 1 Besondere Umstände 5; BGH NStZ 2002 590 f; 2000 470, 471. BGH NStZ-RR 2005 72, 73; NStZ 2002 367 mit Anm. Bienwald FamRZ 2002 1557; 2000 470, 471; NStZ-RR 2000 300, 301; 1998 359, 360; 1997 291; Vgl. Veh MK Rdn. 16. Veh MK Rdn. 16; vgl. auch: BGHSt 15 279, 284; BGH NStZ 1998 405. Bienwald FamRZ 2002 1556, 1557; Oessecker S. 349. Vgl. Bienwald FamRZ 2002 1556, 1557.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Bei landesrechtlichen Unterbringungen, die auch zur Abwehr von Drittgefahren angeordnet werden können) muss das Gericht deren grundsätzliche Befristung (§ 70 Abs. 1 Nr. 3 FGG) im Auge haben. 67 Im übrigen (d.h. was das Behandlungsangebot und die Sicherung des Aufenthalts etc. angeht) dürfte sie häufig zur Erreichung des Sicherungszwecks gleich geeignet sein, wie eine Unterbringung nach § 63. 68 Die ältere Rechtsprechung, wonach dies nicht der Fall sein soll, dürfte überholt sein. 69 Dort wurde z.T. unter Hinweis auf die erleichterten Beurlaubungsmöglichkeiten im Rahmen einer landesrechtlichen Unterbringung bzw. der notwendigen Entlassung bei Fristablauf ohne Vorliegen eines Verlängerungsbeschlusses der Unterbringung nach Landesrecht ein geringerer Sicherungseffekt zugemessen. 70 Die neuere Rechtsprechung stellt demgegenüber mehr darauf ab, ob sich die landesrechtliche Unterbringung im Einzelfall für die Heilung und Pflege des Täters sogar als günstiger erweist. Dann kommt eine Aussetzung im Hinblick auf diesen besonderen Umstand in Betracht (BGHSt 34 313, 316 f; BGHR StGB § 67b besondere Umstände 4 und 5; vgl. auch bereits Horstkotte LK10 Aufl. § 67b Rdn. 62 ff). Im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut dürfte es aber nicht darauf ankommen, ob die landesrechtliche Unterbringung günstiger ist. Entscheidend wird sein, ob sie zur Erreichung des Sicherungszwecks gleich geeignet ist, wie eine Unterbringung nach § 63. Dann kann der Maßregelzweck eben auch - bei Aussetzung der Maßregel - durch die landesrechtliche Unterbringung erreicht werden. Auch hier wird es aber regelmäßig nicht ausreichen, dass eine landesrechtliche Unterbringung beabsichtigt ist, um die Maßregel zur Bewährung auszusetzen. Der Strafrichter darf sich nicht ohne weiteres darauf verlassen, dass eine andere Behörde oder ein anderes Gericht in Zukunft die notwendigen Maßnahmen treffen werde (BGHSt 17 123, 127 f). 71 Ob eine bereits ergangene Unterbringungsanordnung rechtskräftig sein muss (vgl. §§ 70g Abs. 3, 70m FGG) oder ob eine noch anfechtbare Entscheidung als besonderer Umstand ausreicht 72 , ist eine Frage des Einzelfalls. Regelmäßig wird man wohl eine bestandskräftige Entscheidung verlangen müssen, da nur sie eine hinreichende Gewähr für das tatsächliche Eintreten des besonderen Umstandes einer anderweitigen Unterbringung bietet. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Unterbringungsentscheidung bereits angefochten wurde. Im Einzelfall mag aber auch eine nicht bestandskräftige Entscheidung ausreichen (z.B. wenn bisher keine Anfechtung vorliegt und Gründe, die für eine Aufhebung der Unterbringungsentscheidung sprechen könnten, nicht ersichtlich sind).
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Denkbare täterbezogene Umstände können auch z.B. die Ortsveränderung sein (wenn der Täter von bestimmten Konfliktherden durch Umzug räumlich getrennt ist).73 Auch hier wird sich aber das Gericht eingehend die Frage stellen müssen, ob der Zweck der Maßregel wirklich hinreichend dadurch erreicht wird, wenn der Täter jederzeit zurückkehren kann oder gerade aufgrund seiner Persönlichkeit selbst immer wieder die Konfliktherde aufzusuchen geneigt ist.
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Schließlich fallen hierunter auch Umstände wie der Berufswechsel oder die Berufsaufgabe (wenn es im Zusammenhang mit dem bisherigen Beruf zu den Straftaten kam), geänderte familiäre Verhältnisse (wenn z.B. durch eine Scheidung die bisherige Ehe als Konfliktherd und Wurzel der begangenen Straftaten ausscheidet), ein geänderter ausländerrechtlicher Status (wenn die begangenen bzw. zu erwartenden Straftaten in einem
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BGH NStZ 2000 470, 471. Dessecker S. 350. Vgl. auch: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 23. BGHSt 19 348, 349 und BGHSt 24 9 8 , 1 0 2 f.
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Vgl. zur Problematik auch BGH Beschl. v. 9 . 1 . 2 0 0 7 - 1 StR 605/06. So: Horstkotte LK10 § 67b Rdn. 67. Horstkotte LK 10 § 67b Rdn. 49.
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Aussetzung zugleich mit der Anordnung
§ 67b
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unsicheren Aufenthaltsstatus wurzeln) , der Wegfall einer Fahrerlaubnis, Alter oder sonstige gesundheitliche Hinfälligkeit. 75 Theoretisch könnten auch in den (zu erwartenden) Einwirkungen eines in anderer Sache verhängten Strafvollzuges besondere Umstände liegen. Bei den täterbezogenen Merkmalen kann es sich freilich auch um solche handeln, die 3 9 dem Täter die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit (§63) oder die Gefahr der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten nehmen (wenn z.B. der Täter von Sexualdelikten bis zur Hauptverhandlung bereits eine Kastration hat vornehmen lassen 76 oder die körperliche Hinfälligkeit derart fortgeschritten ist, dass eine Ausführung zukünftiger erheblicher Straftaten bereits zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung physisch unmöglich geworden ist) ohne ihn im eigentlichen Sinne zu heilen. Eine bereits durchgeführte Kastration, deren Auswirkung auf den (abnormen) Geschlechtstrieb noch nicht verifiziert ist (die Triebhemmung tritt nicht automatisch ein), kann deshalb ein besonderer Umstand sein. 77 Immerhin wurde er bereits ins Werk gesetzt und seine Wirksamkeit lässt sich im Rahmen der Führungsaufsicht hinreichend überwachen. Ähnliches gilt für eine begonnene medikamentöse Behandlung nach § 4 KastG. Insoweit erscheint die Erteilung einer entsprechenden Weisung nach §§ 68b Abs. 2, 56c Abs. 3 zur Sichererstellung der Weiterführung sinnvoll und auch (angesichts der Reversibilität der Maßnahme) zulässig.78 cc) Vom Gericht bewirkte Umstände: Weitere besondere Umstände können vom Ge- 4 0 rieht, das die Maßregel verhängt, auch selbst herbeigeführt werden. So kann es ein besonderer Umstand sein, wenn dem Täter gleichzeitig die Fahrerlaubnis entzogen (§ 69) oder gegen ihn ein Berufsverbot (§ 70) verhängt wird. 79 Die Aufsicht des im Rahmen der Führungsaufsicht (§ 68a) oder der Bewährung (§ 56d) bestellten Bewährungshelfers können für sich genommen regelmäßig keine besonderen Umstände darstellen. Das versteht sich von selbst, denn dann würden die Kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht (§ 67b Abs. 2) und der nach § 68a Abs. 1 zu bestellende Bewährungshelfer immer zur Aussetzung der Maßregel führen (ein Zirkelschluss). Allerdings sind die damit verbundenen Kontroll- und Hilfsmöglichkeiten bei der Entscheidung zu berücksichtigen, insbesondere wenn hiervon ersichtlich ein den Verurteilten beeinflussender Druck und eine effektive Überwachungsmöglichkeit ausgeht. 80 Weiter fallen hierunter Weisungen die im Rahmen der Führungsaufsicht (§ 68b) oder der Bewährung (§ 56c) erteilt werden, um dem Täter Tatanreize durch den Kontakt mit bestimmten anderen Personen, Örtlichkeiten, Tätigkeiten etc. zu nehmen, oder aber, um den Täter durch eine Behandlung von den Ursachen für seine Kriminalität zu befreien oder diese wenigstens abzumildern (vgl. § 56c Abs. 3). Insbesondere bei Alkohol- und Drogenabhängigen kommen hier entsprechende Therapieweisungen in Betracht (verbunden mit der Anweisung, dass der Verurteilte sich in regelmäßigen Abständen einem Drogenscreening zu stellen hat). 81 In diesem Zusammenhang ist auch der Druck eines drohenden Widerrufs der Aussetzung zur Bewährung bzw. der Druck der Führungsaufsicht (vgl. § 145a) zu berücksichtigen.
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BGH NStZ-RR 1997 290. Vgl. Veh MK Rdn. 19. OLG Düsseldorf NJW 1959 830. BGH Beschl. v. 3.8.1971 - 1 StR 307/71; vgl. aber auch Veh MK Rdn. 19. Vgl. Horstkotte LK 10 § 67b Rdn. 75. Vgl. Horn SK Rdn. 4.
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BGH NStZ-RR 2007 303, 304; NStZ-RR 2008 8, 9; R&P 2002 192 m. Anm. Pollähne; NStZ-RR 2000 300 f; NStZ 1992 538, 539; 1988 309, 310. Adams/Gerhardt NStZ 1981 241, 244 (auch zur Frage der Kostentragung für ein Drogenscreening).
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d) Erwartung der Zweckerreichung der Maßregel: Das bloße Vorliegen der o.g. Umstände reicht nicht, um die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung auszusetzen. Nach der Rechtsprechung müssen die besonderen Umstände erwarten lassen, dass die vom Täter ausgehende Gefahr weiterer Straftaten abgewendet oder so abgeschwächt wird, dass zunächst ein Verzicht auf den Vollzug der Maßregel gewagt werden kann. 8 2 Sie müssen die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass weitere rechtswidrige Taten mit großer Wahrscheinlichkeit vermieden werden. 8 3 Zu Recht weist Veh darauf hin, dass diese Formulierung noch nicht viel weiterhilft und, um einen rechtlichen Maßstab zu gewinnen, der Zweck der Maßregel in den Blick genommen werden muss. 8 4 Die Erwartung der Zweckerreichung kann daher dann gegeben sein, wenn das für §§ 63, 64 erforderliche Wahrscheinlichkeitsurteil für die Begehung erheblicher Straftaten durch die besonderen Umstände ausgeräumt wird oder sich die Erwartung (anders als bei der Prognose nach § 56) nicht mehr auf die Begehung erheblicher rechtswidriger Taten bezieht (also zwar die Erwartung weiterer Straftatenbegehung gegeben ist, die zu erwartenden Taten aber nur unerheblich sind). 85
42
Erforderlich ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Zweck der Maßregel auch durch die Aussetzung erreicht wird. Der Begriff der „Erwartung" ist hier nicht anders zu verstehen als bei § 56 oder bei § 63. 8 6 Es ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen. 8 7 In deren Rahmen sind auch Art und Ausmaß der vom Täter drohenden Gefahr sowie die Qualität der besonderen Umstände zu berücksichtigen. 88 So wird bereits ins Werk gesetzten besonderen Umständen (z.B.: es besteht inzwischen eine anderweitige Unterbringung, eine medikamentöse Behandlung wurde begonnen und verläuft bisher erfolgreich etc.) ein höheres Gewicht zukommen als solchen, die auf einer - wenn auch glaubhaften - Absichtserklärung (die für sich genommen ohnehin regelmäßig keinen besonderen Umstand darstellt, vgl. oben Rn. 34) oder vom Gericht erteilten Weisungen beruhen. 8 9 An die besonderen Umständen müssen bei zu erwartenden schweren Straftaten (insbesondere gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit) höhere Anforderungen gestellt werden, als in den Fällen, in denen es nur um reine Vermögens- oder Eigentumsdelikte etc. geht. 9 0
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Die bloße Möglichkeit eines zukünftigen Therapieabbruchs reicht nicht aus, um einer solchen Maßnahme den Charakter eines besonderen Umstands zu nehmen. Dazu müssen dann schon konkrete Anhaltspunkte vorhanden sein. 91 Die Erwartung i.S.d. § 67b kann bereits durch einen einzelnen besonderen Umstand gerechtfertigt sein, aber auch durch das Zusammentreffen mehrerer.
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Ebenso wie bei § 5 6 9 2 gehen „Zweifel" des Gerichts zu Lasten des Täters. 9 3 Auch hier ist, da es um eine Prognose geht, die Rede vom Zweifelssatz eher fehl am Platze:
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BGH StV 1991 514, 515; BGH bei Dallinger MDR 1975 724. BGH Urt. v. 26.2.1981 - 4 StR 30/81. Veh MK Rdn. 11. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 13. Vgl. Lackner/Kühl Rdn. 4; Veh MK Rdn. 12; Hammerschlag/Schwarz NStZ 1998 321, 323. BGH Beschl. v. 7.9.1999 - 4 StR 416/99; Veh MK Rdn. 14. Vgl. BGH Urt. v. 26.2.1981 - 4 StR 30/81; BGH JR 1971 424 mit Anm. Koffka.
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Veh MK Rdn. 14; vgl. auch BGH NStZ 1983 167. Sch/Schröder/Stree Rdn. 6. BGHR StGB § 67b Abs. 1 Gesamtwürdigung 1. Vgl. insoweit: Fischer § 56 Rdn. 4a. Lackner/Kühl Rdn. 4, 61 Rdn. 5; Veh MK Rdn. 12; vgl. auch: OLG Köln NJW 1955 682 f; differenzierend: Frisch ZStW 102 707, 773 ff; aA: Horn SK Rdn. 2.
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Aussetzung zugleich mit der Anordnung
§ 67b
Entweder man kann die Prognose stellen oder nicht. Gemeint sind hier allerdings nur solche Zweifel in der Bewertung, ob eine Unterbringung erforderlich ist oder ihr Zweck auch durch eine Aussetzung erreicht werden kann, nicht hingegen solche, die die zugrundeliegenden Tatsachen betreffen. Für letztere gilt der Zweifelssatz ohne Einschränkungen.94 Ebenso geht es hier nicht um Zweifel hinsichtlich des Vorliegens der Unterbringungsvoraussetzungen nach §§ 63, 64. Dass der Grundsatz „in dubio pro reo" bei Zweifeln in der Bewertung über die Erforderlichkeit der Unterbringung nicht gilt, ergibt sich aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis von §§ 63, 64 zu § 67b: Grundsätzlich ist die Maßregel bei Vorliegen der Gefährlichkeit anzuordnen. „Besondere Umstände" (also nicht jeder einfache Umstand) vermögen dann die Aussetzung (ausnahmsweise)95 zu rechtfertigen. Es handelt sich also um einen Ausnahmetatbestand, von dessen Vorliegen das Gericht überzeugt sein muss; ansonsten bleibt es bei der Regel der Nichtaussetzung.96 Auch beim Gesetzgeber scheint ein derartiges Verständnis vorgelegen zu haben. Denn in den Materialien heißt es, dass eine allgemeine Annahme des Gerichtes, eine Aussetzung sei ausreichend, nicht genügt, sondern der Zweck, die Allgemeinheit zu schützen, nur erreicht werde, wenn sich die Annahme des Gerichts auf bestimmte besondere Umstände stütze.97 Horstkotte meint demgegenüber, dass auch insoweit der Zweifelssatz gelte, also im 4 6 Zweifel zugunsten der Aussetzung zu entscheiden sei, weil der Richter gleichzeitig über die Gefährlichkeit und die Erforderlichkeit des Maßregelvollzugs zu entscheiden und die wechselseitigen Bezüge zu beachten habe und § 62 grundsätzlich die Aussetzung der Maßregel nahelege.98 Diese Ansicht übersieht, dass das Regelungssystem der §§ 63, 64, 67b bereits für sich eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt und diese Systemgestaltung in der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers liegt. 99 Es ist auch nicht ersichtlich, warum für die anfängliche Aussetzung hinsichtlich des Zweifelssatzes andere Maßstäbe gelten sollten, als für die Voraussetzungen der späteren Aussetzung (nach § 67c bzw. § 57), bei der der Zweifelssatz auch nicht gilt. 100
V. Rechtsfolgen Liegen nicht alle Voraussetzungen vor, so spricht das Gericht keine Aussetzung zur 4 7 Bewährung aus. Es verbleibt dann bei den allgemeinen Regeln der Maßregelvollstreckung. Liegen alle Voraussetzungen vor, so ist die Aussetzung der Maßregelvollstreckung zur Bewährung auszusprechen. Die Entscheidung ist zwingend („so setzt es ... aus"). Das Gericht hat insoweit kein Ermessen.101 Mit Rechtskraft der Aussetzung bzw. zu einem gerichtlich angeordneten späteren 4 8 Zeitpunkt (vgl. § 68c Abs. 4) tritt von Gesetzes wegen nach § 67b Abs. 2 Führungsaufsicht ein. Für diese gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 68a ff. Das bedeutet insbesondere, dass das Gericht dem Verurteilten gleichzeitig einen Bewährungshelfer nach
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OLG Karlsruhe NJW 1980 1 3 3 , 1 3 4 . Vgl. Hammerschlag/Schwarz NStZ 1998 321, 323; aA: Horn SK Rdn. 2. Lackner/Kühl § 61 Rdn. 5. E 1962 BTDrucks. IV/650 S. 235. Horstkotte LK 1 0 § 67b Rdn. 2 3 ff; differenzierend: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 16
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(der lediglich Unklarkeiten im richterlich zu bewertenden Gewissheitsgrad bei der Wahrscheinlichkeitsermittlung nicht dem Zweifelssatz unterfallen lassen will). Veh MK Rdn. 12. OLG Düsseldorf N J W 1 9 5 9 830. Sch/Schröder/Stree Rdn. 7.
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§ 67b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
§ 68a bestellt und ihm die (ggf. als besondere Umstände) für erforderlich gehaltenen Weisungen nach § 6 8 b auferlegt. Ggf. ist nach § 68g eine Entscheidung zum Verhältnis von Strafaussetzung zur Bewährung und Führungsaufsicht im Beschlusswege zu klären.
VI. Verhältnis von Strafe, Strafaussetzung zur Bewährung und Maßregelaussetzung 1. Entscheidungsdivergenzen 49
a) Regelmäßig werden die Prognose bei der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung und die nach § 6 7 b nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Kommt das Gericht zur Feststellung besonderer Umstände i.S.v. § 67b, die die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch ohne ihre Vollstreckung erreicht wird, so wird auch die Prognose nach § 5 6 Abs. 1 eher selten negativ ausfallen. 102 Denn Zweck der Maßregeln nach §§ 6 3 f ist die Vermeidung erheblicher rechtswidriger Taten, Wenn dieser durch die Aussetzung nach § 67b (ggf. bei Erteilung entsprechender Weisungen etc.) erreicht wird, so wird man meist auch die Erwartung haben, dass der Täter „auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird" (§ 5 6 Abs. 1). Denn es ist grundsätzlich nicht ersichtlich, warum ein Strafvollzug zur Vermeidung der Begehung weiterer Straftaten erforderlich sein sollte, wenn man die Erwartung hat, dass erhebliche rechtswidrige Taten auch bei einer Maßregelaussetzung schon vermieden werden können. 1 0 3 Auch im Rahmen der Prognose nach § 5 6 Abs. 1 kommt die Berücksichtigung solcher Umstände in Betracht, die erst durch das aburteilende Gericht herbeigeführt werden. 1 0 4 Angesichts dessen erscheint auch der (rechtlich mögliche) Fall einer Strafaussetzung zur Bewährung bei gleichzeitiger Anordnung einer vollstreckbaren Maßregel praktisch ausgeschlossen.
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Divergierende Beurteilungen erscheinen aber dennoch möglich und sind auch durch die Entscheidung B G H N S t Z 1988 451, in der lediglich bezogen auf den konkreten Fall festgestellt wurde, dass die Aussetzungsgründe nach § 6 7 b auch zur Strafaussetzung führen, nicht ausgeschlossen. Diese ersichtlich am Einzelfall orientierte Aussage hat der B G H als rechtsfehlerfrei angesehen und deshalb aus revisionsrechtlicher Sicht nicht beanstandet. Divergenzen dürften sich nur dann ergeben, wenn zwar im Rahmen des § 6 7 b prognostiziert werden kann, dass die besonderen Umstände die Rückfallgefahr auf Straftaten unter die für §§ 63, 64 notwendige Erheblichkeitsschwelle absenken, indes nicht die Erwartung begründen, dass „keine Straftaten" (i.S.v. § 5 6 ) mehr begangen werden. In einem solchen Fall, in dem das Ergebnis der Abwägung nach § 5 6 ein anderes ist, als das der nach § 67b, dürfte es nicht angängig sein, allein um die Aussetzungsmöglichkeit des § 6 7 b zu erhalten, auch die Strafe zur Bewährung auszusetzen. 105 Für die Strafaussetzung zur Bewährung müssen die in § 5 6 genannten Voraussetzungen vorliegen. Ist das nicht der Fall, ist sie zu versagen. Eine Ankoppelung der Entscheidung nach § 5 6 an die nach § 6 7 b ist nicht vorgesehen. Es ist gerade umgekehrt der Fall. Die Entscheidung nach § 67b hängt von der (darüber muss sich das Gericht entsprechend zuvor klar werden) Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ab. Insoweit besteht eine Akzessorietät.
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Vgl. BGH NStZ 1988 451, 452. Vgl. BGHR StGB § 67b Abs. 1 Gesamtwürdigung 1; in der Tendenz etwas anders: Veh MK Rdn. 21.
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Vgl. Fischer § 56 Rdn. 11. AA Horstkotte LK 1 0 § 67b Rdn. 99.
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Aussetzung zugleich mit der Anordnung
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b) Entsprechendes gilt auch, wenn der fehlende Gleichlauf der Entscheidungen nach § 56 und 67b darin begründet ist, dass zwar eine günstige Sozialprognose vorliegt, die Strafaussetzung aber zur Verteidigung der Rechtsordnung zu versagen ist (§ 56 Abs. 3).
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2. Strafzumessung. Umstritten ist bereits, ob die Maßregelverhängung überhaupt ein bestimmender Grund der Strafzumessung sein kann. 1 0 6 Die Strafhöhe darf sich von der Schuld nicht so weit entfernen, dass die Strafe aufhört, Schuldstrafe zu sein. 1 0 7 Die Findung einer schuldangemessenen Strafe und Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung sind getrennte Zumessungsvorgänge und dürfen nicht miteinander verknüpft werden. 108 Die Entscheidung über Strafart und Strafhöhe bzw. zum Beispiel über die Verhängung einer Geldstrafe neben einer dann zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder weniger, muss nach den jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen ergehen. Der Wunsch, dass § 67 Abs. 1 S. 2 einer nach Absatz 1 S. 1 grundsätzlich möglichen Maßregelaussetzung nicht entgegenstehen soll, kann daher nur in den Grenzen des von der Rechtsprechung zugebilligten Spielraums bei der Strafzumessung 109 zum Tragen kommen.
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Vn. Verfahren 1. Gerichtsverfahren a) In verfahrensrechtlicher Hinsicht bestehen für die Maßregelaussetzung nach § 67b grundsätzlich keine anderen Anforderungen als für die Anordnung der Maßregel selbst. Eine Maßregelaussetzung kommt auch im Sicherungsverfahren (§§ 413 ff StPO) in Betracht.
53
Das Gericht muss den nach § 246a StPO hinzugezogenen Sachverständigen auch zu Unterbringungsalternativen und -chancen hören. Die Aufklärungspflicht (§ 2 4 4 Abs. 2 StPO) kann gebieten, Akten betreffend frühere Unterbringungen (z.B. nach Landesrecht oder Betreuungsrecht) beizuziehen, behandelnde Ärzte, frühere Sachverständige, Betreuer etc. als Zeugen zu vernehmen.
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b) Eine Unterbringung zur Begutachtung nach § 81 StPO ist möglich. Eine solche kann möglicherweise allerdings unverhältnismäßig sein, wenn schon anfänglich eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung wahrscheinlich ist. Allerdings wird das nur in seltenen Ausnahmefällen der Fall sein, insbesondere, da die Probanden, die sich nicht freiwillig einer Exploration durch den Sachverständigen stellen, regelmäßig eher „schwierig" sind, was gegen das Vorliegen besonderer Umstände sprechen könnte. Andererseits mag gerade die Unterbringung nach § 81 StPO für den Sachverständigen (und damit dem Gericht) Erkenntnisse über das Vorhandensein besonderer Umstände zu bringen und damit dem Beschuldigten sogar nutzen.
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c) Die Maßregelaussetzung zur Bewährung ist vom erkennenden Gericht in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen (§ 260 Abs. 4 StPO). Die Maßregelaussetzung,
56
106 107 108
Vgl. BGHSt 38 362, 364. BGHSt 2 9 319 ff; 2 4 132, 134. BGHSt 2 9 319, 321; BGH NStZ 1992 4 8 9 ; BGH Urt. v. 11.8.1993 - 3 StR 325/93; Bruns JR 1981 335, 336.
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BGHSt 7 28, 32; 2 0 264, 2 6 6 ; BGH N J W 1971 61.
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S 67b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
die (vgl. oben Rdn. 3) einen gesetzlichen Ausnahmefall darstellt, unterliegt bereits einem materiellrechtlichen Begründungszwang.110 Die Nichtaussetzung ist - wenn sie sich nicht nach den Umständen von selbst versteht - ebenfalls zu begründen.111 Regelmäßig wird das schon allein deswegen notwendig sein, weil die Möglichkeit besteht, dass das Gericht durch entsprechende Weisungen verbunden mit dem Eintritt der Führungsaufsicht grundsätzlich „besondere Umstände" schaffen kann. Es ist dann darzustellen, warum derartige Möglichkeiten im konkreten Fall nicht erfolgversprechend sind.112 57
d) Mit dem Urteil sind in einem Beschluss die erforderlichen Entscheidungen zur Führungsaufsicht zu verkünden (§ 268 Abs. 2 StPO) und die entsprechenden Belehrungen vorzunehmen (§ 268 Abs. 3 StPO). Hinsichtlich der Anforderungen an die Entscheidungen zur Führungsaufsicht vgl. die Kommentierung zu §§ 68a ff.
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e) Verhältnis der Bewährungsentscheidungen bei Strafe und Maßregel: Setzt das Gericht sowohl die Vollstreckung der Strafe als auch die der Maßregel zur Bewährung aus, so sind regelmäßig Bewährungsentscheidungen sowohl hinsichtlich der Strafaussetzung (§ 268a Abs. 1 StPO) als auch hinsichtlich der Maßregelaussetzung (entsprechend § 268a Abs. 2 StPO 113 ) im Beschlusswege zu treffen. Wird die Bestellung eines Bewährungshelfers und die Erteilung von Weisungen nur auf §§ 68a, 68b gestützt, so kann im Falle eines Verstoßes nicht nur nach § 67g die Maßregelaussetzung widerrufen werden (und ggf. nach § 145a vorgegangen werden), sondern auch die Strafaussetzung nach § 56f widerrufen werden, was sich aus § 68g ergibt.114 Die Erteilung von Weisungen oder die Bestellung eines Bewährungshelfers (zusätzlich) auf § 56c oder § 56d zu stützen, macht aber in dem Fall Sinn, in dem die Dauer der Führungsaufsicht und die Bewährungszeit nicht deckungsgleich sind oder wenn man erreichen will, dass beim Verstoß gegen einzelne Weisungen nur die Strafaussetzung, nicht aber die Maßregelaussetzung widerrufen werden können soll (der Widerruf der Maßregelaussetzung ist nur hinsichtlich der Verstöße gegen Weisungen oder wegen fehlender Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer, welche nach Führungsaufsichtsrecht angeordnet wurden, möglich 115 ). Auflagen können nach § 56b ohnehin nur im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung erteilt werden. Ein Verstoß gegen sie kann daher auch allenfalls zum Widerruf der Strafaussetzung führen. Die Aussetzung der Maßregelvollstreckung bleibt von einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung unberührt, wenn nicht auch gleichzeitig Gründe für den Widerruf der Maßregelaussetzung vorliegen.116
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f) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63) kann auch vom Jugendschöffengericht angeordnet und ausgesetzt werden (Umkehrschluss aus § 39 Abs. 2 JGG). 1 1 7
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Ordnet das Gericht des ersten Rechtszuges die Aussetzung der Jugendstrafe vor dem Beginn ihrer Vollstreckung durch Beschluss nach § 57 Abs. 1 JGG an, so kann es mit demselben Beschluss eine neben der Strafe verhängte Maßregel nach § 67b aussetzen; diese nachträgliche Aussetzung kann auf den Eintritt neuer Umstände im Sinne des § 57
110 111
112
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Horn SK Rdn. 9; Weh MK § 67c Rdn. 24. BGHR StGB § 67b Abs. 1 besondere Umstände 2. Meyer-Goßner NStZ 1988 529, 536; vgl. auch: BGH NStZ-RR 2 0 0 4 1 0 , 1 1 . Vgl. Engelhardt KK 5 § 2 6 8 a Rdn. 6.
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116 117
Schneider LK 1 2 § 68g Rdn. 14; Horn SK § 68g Rdn. 2. Vgl. Fischer § 67g Rdn. 2; Horstkotte LK 1 0 § 67b Rdn. 9 7 , 1 0 3 ff. Horn SK Rdn. 7. Brunner/Döliing JGG 1 1 §§ 3 9 - 4 1 Rdn. 16.
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Aussetzung zugleich mit der Anordnung
Abs. 2 JGG gestützt werden, die auch darin bestehen können, dass mit der nachträglichen Strafaussetzung das in § 67b Abs. 1 Satz 2 bezeichnete Hindernis für die Maßregelaussetzung entfallen ist. Eine solche nachträgliche Maßregelaussetzung ist zwar im JGG nicht ausdrücklich vorgesehen; sie ist aber durch erweiternde Auslegung des § 57 JGG zuzulassen, weil die mit der nachträglichen Strafaussetzung erstrebte Wirkung vereitelt werden würde, wenn eine in der Hauptverhandlung - möglicherweise nur im Hinblick auf § 67b Abs. 1 Satz 2 - nicht ausgesetzte Maßregel vollstreckt werden müsste. Ist in der Hauptverhandlung nur auf eine Maßregel erkannt worden, so ist § 57 Abs. 2 JGG nicht entsprechend anwendbar; doch kann die Maßregel dann alsbald nach § 67d Abs. 2 ausgesetzt werden. In den Fällen der nachträglichen Aussetzung dürfte für die während der Führungsauf- 61 sieht getroffenen nachträglichen Entscheidungen zur Führungsaufsicht (§§ 68d, 68e, 68g Abs. 2) in Ermangelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung die analoge Anwendung des § 58 JGG in Frage kommen (vgl. dazu näher: Horstkotte LK 10 § 67b Rdn. 133). 2. Rechtsmittel. Es gelten insoweit grundsätzlich keine Besonderheiten. Probleme kön- 6 2 nen sich bei etwaigen Rechtsmittelbeschränkungen ergeben. Grundsätzlich kann ein Rechtsmittel auf die Maßregelfrage beschränkt werden.118 Das ist allerdings nicht unbestritten (vgl. Horstkotte LK 10 Rdn. 135). Fraglich ist allerdings, ob ein Rechtsmittel auf die Vollstreckungsaussetzung oder Nichtaussetzung beschränkt werden kann. Hier sind zwei Konstellationen denkbar: Die Staatsanwaltschaft greift eine Maßregelaussetzung zur Bewährung an. Der Angeklagte greift die Nichtaussetzung zur Bewährung an. Nach der Trennbarkeitsformel kann das Rechtsmittel nur auf solche Beschwerde- 6 3 punkte beschränkt werden, die losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der Entscheidung rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig zu machen119 und ist auch für Frage der Strafaussetzung der Bewährung anerkannt.120 Jedenfalls was Konstellationen nach § 67b Abs. 1 S. 1 angeht, ist eine isoliere Anfechtung der - auch bei der Maßregelaussetzung grundsätzlich möglich.121 Wird hingegen eine Nichtaussetzung angegriffen, die wegen § 67b Abs. 1 S. 2 erfolgt ist, so wird der Beschwerdeführer zumindest auch die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung, möglicherweise sogar den Rechtsfolgenausspruch insgesamt (wenn z.B. die verhängte Freiheitsstrafe zwei Jahre übersteigt) mit angreifen müssen. Eine Beschränkung allein auf die Maßregelaussetzung ist dann nicht möglich. Spiegelbildlich gilt das auch für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft eine erfolgte Maßregelaussetzung angreift, denn die Versagung der Maßregelaussetzung kann entweder über die Nichtfeststellung ihrer Voraussetzungen nach § 67b Abs. 1 S. 1 oder aber über die Feststellung der Sperrwirkung nach § 67b Abs. 1 S. 2 erreicht werden und letztere könnte bei einer Versagung der Strafaussetzung ebenso eingreifen, wie bei einer Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe über zwei Jahre hinaus.
118
BGHSt 38 362, 364; 5 2 6 7 ; BGH NJW 1969 1578; BGH NJW 1963 1414; einschränkend: BGH NStZ 2 0 0 5 166; BGH Beschl. v. 2 0 . 9 . 2 0 0 2 - 2 StR 3 3 5 / 0 2 ; Beschl. v. 26.11.1997 - 2 StR 5 5 1 / 9 7 ; vgl. weiter Meyer-Goßner StPO § 318 Rdn. 16 ff, insbesondere Rdn. 23 ff m.w.N.
119 120 121
BGHSt 19 4 6 , 48. OLG Karlsruhe NJW 1 9 8 0 133. BGH Urt. v. 23.11.1982 - 1 StR 6 9 0 / 8 2 ; Veh MK Rdn. 25.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Ergeben die Urteilsgründe, dass die Erwägungen zur Aussetzung der Maßregel Einfluss auf ihre Anordnung ausgeübt haben - also der Tatrichter die Maßregel ohne die Möglichkeit ihrer Aussetzung gar nicht angeordnet hätte - , so ist eine Rechtsmittelbeschränkung auf die Aussetzungsfrage nicht zulässig. 122
65
Das Verschlechterungsverbot gilt für die Maßregelaussetzung nicht (§§ 331 Abs. 2, 358 Abs. 2 S. 2 StPO). Eine zunächst gewährte Maßregelaussetzung kann also durch das später entscheidende Gericht versagt werden. 123
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Gegen den Beschluss nach § 268a StPO ist das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 304 StPO statthaft. Er wird nicht von den Rechtsmitteln gegen das Urteil umfasst. 124
§ 67c Späterer Beginn der Unterbringung (1) Wird eine Freiheitsstrafe vor einer zugleich angeordneten Unterbringung vollzogen, so prüft das Gericht vor dem Ende des Vollzugs der Strafe, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist das nicht der Fall, so setzt es die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. (2) Hat der Vollzug der Unterbringung drei Jahre nach Rechtskraft ihrer Anordnung noch nicht begonnen und liegt ein Fall des Absatzes 1 oder des § 67b nicht vor, so darf die Unterbringung nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Das Gericht ordnet den Vollzug an, wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist der Zweck der Maßregel nicht erreicht, rechtfertigen aber besondere Umstände die Erwartung, dass er auch durch die Aussetzung erreicht werden kann, so setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Ist der Zweck der Maßregel erreicht, so erklärt das Gericht sie für erledigt.
Schrifttum Albrecht Aspekte des Maßregelvollzugs im psychiatrischen Krankenhaus, MSchrKrim. 1 9 7 8 1 0 4 ; Albrecht Z u r sozialen Situation entlassener „Lebenslänglicher" ( 1 9 7 7 ) ; Albrecht Z u r sozialen Situation entlassener „Lebenslänglicher", MSchrKrim. 1 9 7 7 1 3 3 ; ders. Kriterien zur Sozialprognose nach langer Strafhaft, Psychiatrische Praxis 8 ( 1 9 8 1 ) 1; Albrecht/Dünkel/Spieß Empirische Sanktionsforschung und die Begründbarkeit von Kriminalpolitik, MSchrKrim. 1 9 8 1 310; H. Baumann Der rechtliche Rahmen der Straffälligenhilfe, J Z 1 9 8 0 6 7 9 ; Bechtoldt Die Erledigungserklärung im Maßregelvollzug des § 6 3 StGB ( 2 0 0 2 ) ; Bode Konkurrenz freiheitsentziehender Unterbringungen (Diss.) 2 0 0 4 ; Κ. Böhm Zusammentreffen von lebenslänglicher Freiheitsstrafe mit anderen Strafen und freiheitsentziehenden Maßregeln, N J W 1 9 8 2 135; Böllinger Prognoseprobleme bei Strafaussetzung zur Bewährung, in: Lüderssen/Sack (Hrsg.), Vom Nutzen und Nachteil der Sozialwissenschaften für das Strafrecht I ( 1 9 8 0 ) S. 2 8 3 ; Brandstätter Vikariierendes System bei Strafe und Maßregel aus
122
123
Horn SK Rdn. 11; Horstkotte L K 1 0 § 6 7 b Rdn. 135. Veh M K Rdn. 2 5 ; Horstkotte L K 1 0 § 6 7 b Rdn. 139.
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S t P O s 0 § 2 6 8 a Rdn. 10.
Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
verschiedenen Erkenntnissen? MDR 1978 453; Bresser Die Begutachtung zur Sozialprognose „Lebenslänglicher" und Sicherungsverwahrter, JR 1974 265; Bruns Richterliche Überzeugung bei „Prognose-Entscheidungen" über Sicherungsmaßregeln, J Z 1958 647; Dünkel Legalbewährung nach sozialtherapeutischer Behandlung (1980); ders. Prognostische Kriterien zur Abschätzung des Erfolgs von Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug sowie für die Entscheidung über die bedingte Entlassung, MSchrKrim. 1981 279; Engelhardt Die Erfahrungen mit der Durchführung der §§ 20a, 42e ff StGB im Bereich des OLG Celle seit 1945 unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen mit der Prognose, jur. Diss. Kiel 1963; Exner Das System der sichernden und bessernden Maßregeln nach dem Gesetz vom 24. November 1933, ZStrW 53 (1934) 624; ders. Die Entscheidung über die Entlassung aus der Sicherungsverwahrung, ZStrW 55 (1936) 235; Frisch Dogmatische Grundfragen der bedingten Entlassung und der Lockerung des Vollzugs von Strafen und Maßregeln, ZStW 102 (1990) S. 707; Graalmann Die Rückfälligkeit von Drogenstraftätern (1982); Gribbohm Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei den mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung, BGHSt. 20, 232, JuS 1967 349; Grünwald Sicherungsverwahrung, Arbeitshaus, vorbeugende Verwahrung und Sicherungsaufsicht im Entwurf 1962, ZStrW 76 (1964) 633; Hanack Probleme des Vikariierens und der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§§ 67, 64 StGB), JR 1978 399; Höfer Verhaltensprognose bei jugendlichen Gefangenen (1977); Horstkotte Die Vorschriften des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts über den Rückfall und über die Maßregeln der Sicherung und Besserung, J Z 1970 152; Jabel Vollstreckung und Vollzug mehrerer Freiheitsstrafen nacheinander, MDR 1980 718; Keller Das Akteneinsichtsrecht des Strafgefangenen, NStZ 1982 17; Kempfler Für eine Reform des Entlassungsverfahrens gemäß § 42f StGB, JR 1965 218; Köhler Die materiell-rechtliche Bedeutung „formeller" Maßregelvoraussetzungen bei der Sicherungsverwahrung, NJW 1975 1150; Krahforst Zur Kooperation bei der Entlassungsvorbereitung nach § 57 StGB, DRiZ 1976 132; Leferenz Die Kriminalprognose, in: Göppinger/Witter (Hrsg.), Handbuch der forensischen Psychiatrie (1972) S. 1347; Leibundgut Der Stellenwert des psychiatrischen Gutachtens im Strafverfahren und seine kriminalprognostischen Möglichkeiten, SchwZStr. 98 (1982) 159; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, in: Göppinger/Witter (Hrsg.), Forensische Psychiatrie (1972) 3; Maetzel Zum Zweck der Maßregel der Sicherungsverwahrung, NJW 1970 1264; ders. Überleitungsprobleme der „alten" Sicherungsverwahrten, MDR 1971 85; Maier Zur Mindestdauer der Führungsaufsicht, NJW 1977 371; Maier Die Berechnung der Frist für die Führungsaufsicht in den Übergangsfällen des Art. 314 Abs. 2 EGStGB, NJW 1977 424; Markwardt Reformbedürftigkeit des Maßregelrechts, in: Böttcher/Huther/Rieß (Hrsg.), Verfassungsrecht - Menschrechte Strafrecht, Kolloquium für Dr. Walter Gollwitzer zum 80. Geburtstag (2004), S. 125; Marquardt Dogmatische und kriminologische Aspekte des Vikariierens von Strafe und Maßregel (1972); Menges Entziehungsanstalten als Verwahranstalten? Strafverteidiger 1981 415; H. ]. Meyer Zur Rechtslage bei der Unterbringung drogenabhängiger Jugendlicher, die nach § 93a JGG vollzogen wird, MDR 1982 177; Mrozynski Aussetzung des Strafrestes und Resozialisierung, JR 1983 133; B. Müller Anordnung und Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung (1981); Müller-Dietz Probleme der Sozialprognose, NJW 1973 1065; Müller-Dietz Die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafen und Maßregeln aus verschiedenen Urteilen, NJW 1980 2789; ders. Die Behandlung der Vollstreckung bzw. Weitervollstreckung einer nach früherem Recht (§§ 20a, 42e StGB a.F.) angeordneten Sicherungsverwahrung, MDR 1973 551; ders. Die Sicherungsverwahrung nach der Strafrechtsreform, jur. Diss. Münster 1976; Müller-Metz Die Sicherungsverwahrung StV 2003 42; Nowakowski Zur Rechtsstaatlichkeit der vorbeugenden Maßnahmen, Festschrift v. Weber (1963) S. 98; ders. Vom Schuld- zum Maßnahmenrecht, in: Göppinger/Hartmann (Hrsg.), Kriminologische Gegenwartsfragen 10 (1972) S. 1; ders. Die Maßnahmenkomponente im Strafgesetzbuch, Festschrift Broda (1977) S. 193; Pätzold Die Eingriffsvoraussetzungen bei freiheitsentziehenden Maßregeln unter besonderer Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit, Diss. Tübingen 1975; Peters Der Auftrag des Gesetzgebers an die Strafvollstreckungskammer, GA 1977 97; Pohlmann Änderungen der Strafvollstreckungsordnung aus Anlass des 1. StrRG, Rechtspfleger 1970 265; Radtke, Materielle Rechtskraft bei der Anordnung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung ZStW 110 (1998) S. 297; ders. Die Behebung von Fehleinweisungen bei stationären Maßregeln der Besserung und Sicherung NStZ 2002 580; Rasch/Kühl Psychologische Befunde und Rückfälligkeit nach Aufenthalt in der Sozialtherapeutischen Modellanstalt Düren, Bewährungshilfe 1978 44, 55; Rehberg Fragen bei der Anordnung und Aufhebung sichernder Maß-
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
nahmen nach StGB Art. 42 bis 44, SchwZStr. 93 (1977) 164; Rehn Behandlung im Strafvollzug (1979); Rehn Rückfall nach Sozialtherapie, MSchrKrim. 1979 357; Ritzel Unterbringung nach S 63 2. StrRG: Besserung oder Sicherung? MSchrKrim. 1975 182; ders. Unterbringung und Wiedereingliederung psychisch kranker Rechtsbrecher (1978), unveröffentlichte Göttinger Habilitationsschrift; Rudolph Z u m Vollzug und zur bedingten Entlassung aus der Sicherungsverwahrung, DRiZ 1956 176; Schachert Kriminologische Untersuchungen an entlassenen Sicherungsverwahrten, jur. Diss. Göttingen 1963; Schneider Beendigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei Zweckerreichung - Eine kriminalpolitische Herausforderung NStZ 2004 649; Schröder Die „Erforderlichkeit" von Sicherungsmaßregeln, J Z 1970 92; Schultz Strafrechtliche Bewertung und kriminologische Prognose, SchwZStr. 75 (1959) 245; Schwerin Pflichtverteidigung im Vollstreckungsverfahren? Strafverteidiger 1981 203; Schwind/Steinhilper Modelle zur Kriminalitätsvorbeugung und Resozialisierung (1982); Seifert/Möller-Mussavi/Bolten/Losch Wegweiser aus dem Maßregelvollzug (Gemäß § 63 StGB) StV 2003 301; Sonnen Die Bedeutung sozialtherapeutischer Maßnahmen für die Sozialprognose, JuS 1976 364; Sozialtherapeutische Anstalten, Bericht des Fachausschusses V des Bundeszusammenschlusses für Straffälligenhilfe, 2. Aufl. (1977); Sozialtherapie als kriminalpolitische Aufgabe Bericht des Fachausschusses V des Bundeszusammenschlusses für Straffälligenhilfe (1981); Spieß Wie bewährt sich die Strafaussetzung? Strafaussetzung zur Bewährung und Fragen der prognostischen Beurteilung bei jungen Straftätern, MSchrKrim. 1981 296; Steinhilper Sexualtäter und Sicherungsverwahrung, jur. Diss. Heidelberg 1971; H. W. Schmidt Die Anhörung des Verurteilten bei bedingter Entlassung nach § 26 StGB, M D R 1961 195; H. W. Schmidt Anhörung des Sicherungsverwahrten im Verfahren nach § 42f StGB und Stellungnahme der Vollzugsanstalt, NJW 1965 1318; Stockei Strafaussetzung - Bewährungshilfe - Widerruf (1981); Stratenwerth Z u r Rechtsstaatlichkeit der freiheitsentziehenden Maßnahmen im Strafrecht, SchwZStr. 82 (1966) 337; Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz (1960); ders. In dubio pro reo (1962); Streng Strafrechtliche Sanktionen 2. Aufl. (2002); ders. Strafrechtliche Folgenorientierung und Kriminalprognose, in: Dölling (Hrsg.) Die Täter-Individualprognose 1995 S. 97 Tenckhoff Die Kriminalprognose bei Strafaussetzung und Entlassung zur Bewährung, DRiZ 1982 95; Terhorst Aussetzung eines Strafrests zur Bewährung, M D R 1973 627; Terhorst Bewährungsprognosen und der Grundsatz „in dubio pro reo", M D R 1978 973; Tondorf Oie Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung, in: Hamm/Lohberger (Hrsg.) Beck'sches Formularbuch für den Strafverteidiger 4. Aufl. (2002) S. 812; Volckart Anm. zu OLG Frankfurt Beschl. v. 22.10.2002 - 3 Ws 557/02 - RuP 2003 110; Wegener Die mündliche Anhörung des Verurteilten vor der Strafvollstreckungskammer, M D R 1981 617; Weihrauch Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher, jur. Diss. Heidelberg 1968; Wetterich/Hamann Strafvollstreckung 3 (1978); Witter Die Beurteilung Erwachsener im Strafrecht, in: Göppinger/Witter (Hrsg.), Handbuch der forensischen Psychiatrie (1972) S. 966 ff. Vgl. auch die Literaturhinweise zur Prognoseforschung bei Horstkotte schrift sowie die Literaturhinweise zu §§ 61, 63, 64, 67b.
in LK 10 zu dieser Vor-
Entstehungsgeschichte 1. Zu § 67c Abs. 1: Eine Regelung, nach der die Vollstreckung der Unterbringung unterbleibt, w e n n sie durch vorangegangenen Strafvollzug „überflüssig" g e w o r d e n ist, enthielt der E 1919 nur im Hinblick auf die Heil- oder Pflegeanstalt (§ 8 9 Abs. 2 Satz 2) und die Trinkerheilanstalt (§ 9 3 Abs. 2). D i e Entwürfe 1 9 2 2 und 1 9 2 5 b e z o g e n auch die Sicherungsverwahrung ein (jeweils § 4 7 Abs. 2); sie bestimmten ferner, dass die Unterbringung auch dann zu unterbleiben habe, w e n n ein Strafrest bedingt erlassen wird (aaO). Im Entwurf 1 9 2 7 fehlte eine entsprechende Regelung; sie war aber im Strafvollzugsgesetz (Reichstagsvorlage 1927) vorgesehen (§ 2 7 3 ) . Der E 1 9 3 0 enthielt für die Maßregelaussetzung eine Generalklausel (§ 61), die auch die Fälle des heutigen § 6 7 c Abs. 1 einschloss. D i e Entwürfe v o n 1 9 3 6 und 1 9 3 9 (jeweils § 7 2 Abs. 3) kehrten zur Regelung des E 1919 zurück, schlössen also die Sicherungsverwahrung v o n der Aussetzung bei Strafende aus, weil die Vollstreckung dieser Maßregel durch den Strafvollzug „grundsätzlich" nicht überflüssig gemacht werde (E 1936, Begründung S. 68). In den
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
Beratungen der Großen Strafrechtskommission war eine dem § 67c Abs. 1 im Wesentlichen entsprechende Regelung nicht umstritten (Niederschriften III S. 169, 176 f, 198, 225, 268 f, 274 f, 369 f, 375 f, 378; XII S. 518, 524). Wie das geltende Recht versagte der E 1962 dem Richter die Möglichkeit, die Maßregel schon am Ende des Strafvollzuges endgültig für erledigt zu erklären (Begründung S. 237). In den Beratungen des Sonderausschusses des Bundestages war § 105 Abs. 3 E 1962 ebenfalls nicht umstritten (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V, 463 bis 470; 2311, 2338, 2446, 2452, 2714, 2739, 2765 f, 2785). Die Frage, ob dem Richter die Befugnis gegeben werden sollte, die Maßregel, statt sie auszusetzen, für erledigt zu erklären, wurde erörtert (aaO S. 465 bis 470), aber nicht zum Gegenstand eines Änderungsantrages gemacht. Den Verfassern des Alternativ-Entwurfs erschien eine dem § 67c Abs. 1 entsprechende Regelung neben den allgemeinen Vorschriften über die Maßregelvollstreckung entbehrlich (Begründung zu § 70). Gesetz wurde eine dem § 67c Abs. 1 entsprechende Regelung erstmals mit dem Inkrafttreten des 1. StrRG am 1. April 1970. Die Übergangsfassung, die bis zum 31.12.1974 galt (§ 42g Abs. 1 i.d.F. des 1. StrRG), lautete: „Wird eine Freiheitsstrafe vor einer zugleich angeordneten Unterbringung vollzogen, so prüft das Gericht vor dem Ende des Vollzugs der Strafe, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist das nicht der Fall, so ordnet das Gericht an, dass die Unterbringung nicht vollstreckt wird. " Die Übergangsregelung des § 42h i.d.F. des 1. StrRG bestimmte, dass die Anordnung, die Unterbringung nicht zu vollstrecken, als bedingte Aussetzung galt, die mit der Auferlegung besonderer Pflichten und der Bestellung eines Bewährungshelfers verbunden und, falls vom Zweck der Maßregel gefordert, widerrufen werden konnte. § 67c Abs. 1 i.d.F. des 2. StrRG wurde durch Art. 18 II Nr. 26 EGStGB 1974 an § 462a StPO angepasst: An die Stelle des Wortes „Vollstreckungsgericht" trat das Wort „Gericht". In dieser Fassung ist die Vorschrift am 1.1.1975 in Kraft getreten. 2. Zu § 67c Abs. 2: Die Bestimmung, dass eine drei Jahre lang nicht vollzogene Unterbringung nur noch auf besondere Anordnung des Gerichts vollstreckt werden darf, fand sich in den Entwürfen 1922 (S 50), 1925 (§ 50), 1927 (§ 63) und 1930 (§ 63); 1933 wurde sie Gesetz (§ 42g i.d.F. des GewVbrG). In der Großen Strafrechtskommission war die Regelung nicht umstritten (vgl. insbesondere Niederschriften III S. 370, 373, 375 f, 380; XII S. 519). Der E 1962 ( § 8 8 i.V.m. § 105 Abs. 4 E 1962; ebenso S 93 E 1959 I, § 88 E 1959 II) sah eine Regelung vor, die dem jetzt geltenden § 67c Abs. 2 im Wesentlichen entspricht. Im weiteren Verlauf der Ausschussberatungen wurden technische Veränderungen vorgenommen (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V, 2310 f, 2332, 2338, 3255, 3281) und die im E 1962 getrennten Regelungen über die Erledigung und Aussetzung der Unterbringung (§§ 88, 105 Abs. 4) verschmolzen (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform V, 2446, 2452). In dieser Form wurde die Vorschrift in das 2. StrRG aufgenommen; sie ist unverändert am 1.1.1975 in Kraft getreten. In der Zeit vom 1. April 1970 bis zum 31. Dezember 1974 galt die Regelung in einer Fassung (§ 42g Abs. 2 i.d.F. des 1. StrRG), die, von einer unwesentlichen technischen Änderung abgesehen, der seit dem GewVbrG geltenden Gesetzesfassung entsprach: „(2) Sind außer im Falle des Abs. 1 seit der Rechtskraft des Urteils drei Jahre verstrichen, ohne daß mit dem Vollzug der Unterbringung begonnen worden ist, so darf sie nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn der Zweck der
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S 67c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Maßregel die nachträgliche Unterbringung erfordert. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in der der Unterzubringende auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. " Nach dem Vorschlag des AE (§ 73 Abs. 4) sollte die Dreijahresfrist des § 88 E 1962 um ein Jahr verkürzt werden und als Alternative zur nachträglichen Anordnung des Maßregelvollzuges lediglich die Aufhebung der Maßregel zur Verfügung stehen. Übersicht Rdn. 1
I. Regelungsgehalt des § 67c Π. Entscheidung über die Unterbringung nach Strafvollzug (§ 67c Abs. 1) 1. Zweck des § 67c und praktische Bedeutung a) Zweck b) Praktische Bedeutung 2. Rechtsnatur a) Vollstreckungsrechtliche Maßnahme aa) Andere prognostische Schlüsse als die des Tatgerichts möglich . bb) Andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit cc) Entscheidungen aus Anlass der Überprüfung nach § 67c . . . . b) Neue Negativprognose c) Prozessrechtliche Vorgaben des § 67c 3. Formelle Voraussetzungen d. Prüfung u. Entscheidung n. § 67c Abs. 1 . . . a) „Zugleich" b) „Freiheitsstrafe" c) Vorwegvollzug aa) Teilweiser Vorwegvollzug . . . bb) Widerruf der Maßregelaussetzung cc) Unterbrechung des Maßregelvollzugs dd) Weitere Freiheitsstrafen oder Maßregeln aus anderen Verfahren (1) Maßregel nach den §§ 6 3 , 6 4 (2) Sicherungsverwahrung . . . (3) Vollstreckung einer Freiheitsstrafe vor Maßregel und Strafe aus einem anderen Verfahren (4) Anordnung mehrerer freiheitsentziehender Maßregeln in verschiedenen Verfahren ee) Vor Ende des Vollzuges . . . . 4. Materielle Voraussetzung a) Allgemeines aa) 1. Ansicht: Gleicher Maßstab wie Gefährlichkeitsprognose bei Anordnung der Maßregel . . . bb) 2. Ansicht: Gleicher Maßstab wie § 67d Abs. 2 cc) Stellungnahme b) Zweck der Maßregel aa) Tatsächlich angeordnete Maßregel entscheidend
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5 5 7 8 8 12 13 14 15 16 17 18 23 25 26 27 29
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33
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46 47 48 58 58
(1) Gefährlichkeit weggefallen . (2) Erheblichkeit der zu erwartenden Straftaten fehlt . (3) Aussetzungsvoraussetzungen des § 67b lägen jetzt vor . . (4) Aussichtslosigkeit der Behandlung (5) Tatsächliche Voraussetzungen der Gefährlichkeitsprognose lagen bereits anfänglich nicht vor bb) Abstrakter Maßregelzweck oder Zweck der konkreten Maßregelanordnung c) Erforderlichkeit aa) Gefahrenprognose entscheidend bb) Weitere Ansichten 5. Zeitpunkt der Prüfung und Entscheidung a) Allgemeines b) Spätester Prüfungszeitpunkt . . . . c) Frühester Prognosezeitpunkt . . . . d) „Ende des Vollzugs der Strafe" . . 6. Entscheidungsinhalte a) Entscheidung nach § 67c Abs. 1 . . b) Entscheidung aus Anlass einer Prüfung nach § 67c Abs. 1 aa) Voraussetzungen der §§ 20, 21, 63 liegen nicht (mehr) vor . . . (1) Voraussetzungen lagen nie vor (2) Voraussetzungen sind nachträglich entfallen bb) Voraussetzungen des § 64 liegen nicht (mehr) vor (1) Fehlende hinreichende Behandlungsaussicht (a) Fehlbeurteilung durch das erkennende Gericht (b) Behandlungsaussicht ist währendes Strafvollzugs entfallen (2) Anfänglich fehlender oder rechtsfehlerhaft bejahter Hang (3) Wegfall des Hangs während des Strafvollzuges cc) Unverhältnismäßigkeitsfälle . . dd) Sicherungsverwahrung ee) Keine analoge Anwendung des § 67e Abs. 3 S. 2
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Rdn. 61 62 64 65
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68 72 73 76 79 79 82 90 99 101 101 105 106 107 117 122 123 124
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
Rdn. 7. Verhältnis zu den Voraussetzungen des §57 8. Zum Verfahren in den Fällen des § 67c Abs. 1 a) Prüfungszeitpunkt b) Zuständigkeit c) Verfahren nach § 4 5 4 StPO . . . . d) Anhörung der JVA e) Pflichtverteidiger f) Stellungnahmen anderer Personen g) Entlassungsbelehrung h) Führungsaufsicht i) Rechtsmittel j) Analoge Anwendung des § 6 7 c Abs. 1 auf Fälle ohne Freiheitsstrafe ΙΠ. Verspätete Vollstreckung der Unterbringung ( )) 67c Abs. 2) 1. Zweck des § 6 7 c Abs. 2 a) Vollzug nur auf ausdrückliche Anordnung b) Anwendbarkeit bei isolierter M a ß regelanordnung c) Praktische Anwendungsfälle . . . . 2. Voraussetzungen der Entscheidung nach § 67c Abs. 2
137 139 139 144 146 147 149 150 152 153 154 155
157 157 158 159 160
Rdn. a) Drei Jahre seit Rechtskraft verstrichen b) Unanwendbarkeit nach Entscheidung gem. § 6 7 c Abs. 1 c) Unanwendbarkeit bei Aussetzung nach § 6 7 b d) Fristberechnung e) Verjährung 3. Inhalt der Entscheidung (Absatz 2 S. 3 - 5 ) a) Allgemeines b) Zweck der Maßregel erfordert Unterbringung c) Aussetzung d) Erledigungserklärung e) Entsprechende Anwendbarkeit des § 6 7 c Abs. 2 bei Auslieferung etc. . 4. Z u m Verfahren in den Fällen des § 6 7 c Abs. 2 a) Verfahren nach § 4 6 2 StPO . . . . b) Gerichtsentscheidung notwendige Vollzugsvoraussetzung c) Verstreichen der Dreijahresfrist . . d) Entsprechende Anwendbarkeit des § 4 5 3 c StPO
160 161 162 163 166 167 167 168 172 173 176 177 177 178 180 181
I. Regelungsgehalt des § 67 c Ebenso wie in § 67b und § 67d Abs. 2 sind in § 67c die Voraussetzungen für die Aus- 1 Setzung freiheitsentziehender Maßregeln bestimmt. Während § 67b die Aussetzung im Zeitpunkt des Urteils und § 67d Abs. 2 regelmäßig die Aussetzung einer bereits vollstreckten Maßregel betrifft, regelt § 67c Fälle, in denen ein rechtskräftiges Urteil schon vorliegt, die Maßregel aber noch nicht vollstreckt worden ist. Die Grenze zwischen den Anwendungsbereichen des § 67c Abs. 1 und des § 67d Abs. 2 ist fließend. Im Einzelnen geht es in § 67c Abs. 1 um Fälle, in denen Strafe vollzogen wird, während in den Fällen des § 67c Abs. 2 mit dem Vollzug der Maßregel drei Jahre nach ihrer Anordnung noch nicht begonnen worden ist. § 67c Abs. 1 ist von großer praktischer Bedeutung für die Sicherungsverwahrung und wird im Übrigen angewandt, wenn in den Fällen der §§ 63, 64 eine Anordnung nach § 67 Abs. 2 oder § 67 Abs. 3 ergangen ist, kraft derer die Strafe vor der Maßregel vollstreckt wird. § 67c Abs. 2 betrifft seltene, irreguläre Fälle: Hier hat sich, aus welchen Gründen auch immer, der an sich vorgeschriebene Beginn des Maßregelvollzugs um mindestens drei Jahre verzögert, obwohl die Unterbringung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist und auch keine Strafe, die zugleich mit der Maßregel verhängt worden ist, vollzogen wird. Die den Absätzen 1 und 2 zugrunde liegenden Sachverhalte weisen nur wenige Berührungspunkte auf.
2
Die Prüfungen und Entscheidungen nach § 67c Abs. 1 oder Abs. 2 stellen nur einen kleinen Ausschnitt der (gesetzlich geregelten und nicht geregelten) Prüfungs- und Entscheidungsmöglichkeiten nach Anordnung einer Maßregel dar. Ein Großteil der Beendigungsmöglichkeiten sind nicht gesetzlich geregelt, sondern von der Rechtsprechung geschaffen worden. Dabei sind Rechtsfolge und Rechtsgrundlage nicht immer klar. Zu nennen sind übersichtshalber insoweit:
3
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S 67c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Entscheidung/Rechtsfolge
Rechtsgrundlage
Nachträgliche Änderung der Vollstreckungsreihenfolge
, 67 Abs. 3 67 a
Nachträgliche Überweisung/ Rücküberweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel/der Ursprungsmaßregel
Zeitpunkt der Entscheidung Anfänglich und nachträglich Während des Maßregelvollzugs (Ausn.: § 67a Abs. 2 S. 2)
Maßregelaussetzung zur Bewährung
, 67c Abs. 1
Vor Ende des Vollzugs der Strafe
Maßregelaussetzung zur Bewährung
§ 67c Abs. 2 S. 4
Mind. 3 Jahre nach Rechtskraft der Maßregelanordnung
Maßregelaussetzung zur Bewährung
§§ 67d Abs. 2, Nach Beginn der Unter67e bringung in der angeordneten Maßregel
Widerruf einer Maßregelaussetzung zur Bewährung Erledigungserklärung bei Zweckerreichung Erledigungserklärung bei der Sicherungsverwahrung Erledigungserklärung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt
Erledigungserklärung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt
Kein Beginn des Maßregelvollzugs Prüfung in regelmäßigen Intervallen bzw. auf Antrag
Nach einer anfänglich oder nachträglichen Bewährungsaussetzung
ι 67g
Mind. 3 Jahre nach Rechtskraft der Maßregelanordnung
Kein Beginn des Maßregelvollzuges
67d Abs. 3
Nach 10 Jahren des Vollzugs der Sicherungsverwahrung
Falls keine Negativprognose gestellt werden kann
67d Abs. 5
Nach Beginn der UnterGrund: Aussichtsbringung, keine Mindest- losigkeit unterbringungszeit mehr Str., ob anwendbar, erforderlich wenn Unterbringung bereits anfänglich aussichtslos
§ 67c Abs. 2 S. 5
i
Sonstiges
analog Abs. 5
67d
Vor Ende des Vollzugs der Strafe und vor Beginn der Unterbringung
Grund: Aussichtslosigkeit Rechtsgrundlage str.: aA: § 67c Abs. 2 S. 5; aA: nur Aussetzung nach § 67c Abs. 1 Str. ob anwendbar auf Fälle der anfänglichen Aussichtslosigkeit
Erledigungserklärung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
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67d Abs. 6
Nach Beginn der Unterbringung
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Grund: Anordnungsvoraussetzungen liegen nicht mehr vor/Unverhältnismäßigkeit
Späterer Beginn der Unterbringung
S 67c
Erledigungserklärung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
analog § 67d Abs. 6
Nach Beginn der Unterbringung
Grund: Fehleinweisung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (str.; alt.: § 6 7 c Abs. 2 S. 5; Wiederaufnahme des Verfahrens)
Erledigungserklärung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
analog § 67d Abs. 6
Vor Ende des StrafVollzuges und vor Beginn der Unterbringung
Grund: nachträglicher Wegfall der VorausSetzungen der §§ 2 0 , 21, 63, 64; anfängliche Fehleinweisung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen UlUCH VJ1U11UC11 l(str.; Λ L1., alt.: § 67c Abs. 2 S. 5; Wiederaufnahme des Verfahrens; ggf. § 67c Abs. 1
Anordnung des Vollzugs der nächsten Maßregel
§ 72 Abs. 3 S. 2
Vor Ende des Vollzugs der zunächst vollstreckten Maßregel
Je nach Fallkonstellation, sind bei einer gesetzlich vorgesehenen Prüfung einer EntScheidung (z.B. nach § 67c oder § 67e) jeweils auch die weiteren genannten Entscheidungsalternativen zu prüfen. 1
4
Π. Entscheidung über die Unterbringung nach Strafvollzug (§ 6 7 c Abs. 1) 1. Zweck des § 67c Abs. 1 und praktische Bedeutung a) Die Vorschrift ist eine spezialgesetzliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Da sich die Erforderlichkeit, eine angeordnete Maßregel zu vollstrecken im Verlaufe des Strafvollzuges ändern kann, ermöglicht es die Vorschrift, geänderten späteren Erkenntnissen Rechnung zu tragen. 2 § 67c Abs. 1 hängt mit der Regelung des Verhältnisses von Strafe und Maßregel zusammen: Eine zugleich mit der Sicherungsverwahrung verhängte Freiheitsstrafe wird stets vor der Maßregel vollzogen (vgl. § 67 Abs. 1); ist eine andere freiheitsentziehende Maßregel zugleich mit der Strafe angeordnet worden, so kann der Richter bestimmen, dass die Strafe, abweichend von der Regel des § 67 Abs. 1, vor der Maßregel vollstreckt wird (§ 67 Abs. 2, 3). In diesen Fällen darf im Anschluss an den Strafvollzug die Unterbringung nur vollzogen werden, wenn der Zweck der Maßregel dies erfordert, der Verurteilte also trotz des Zeitablaufs und der Einwirkung des Strafvollzugs noch immer gefährlich ist. Denn die Unterbringung kann nur mit der Abwehr einer fortbestehenden Gefahr gerechtfertigt werden. Der Regelung bedarf es allein schon deshalb, da es für Anordnung der Maßregel auf die Gefährlichkeit und die
1
Vgl. zum Ganzen auch: Pollähne/Böllinger NK § 67e Rdn. 8.
2
Vgl. Sch/Schröder/Stree Rdn. 2.
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Rdn. 1; Veh MK
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5
§ 67c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Erforderlichkeit zum Zeitpunkt der Aburteilung ankommt. 3 Die Prüfung der Aussetzungsfrage während des Strafvollzuges wird durch § 67c Abs. 1 nicht nur zugelassen, sondern vorgeschrieben.4 6
§ 67c Abs. 1 ist hiernach nicht dazu bestimmt, dem erkennenden Gericht die Anordnung der Maßregel zu erleichtern, also die vermehrte Anordnung insbesondere der Sicherungsverwahrung zu bewirken. 5 Trotz der in § 67c Abs. 1 vorgesehenen Aussetzungsmöglichkeit belastet die bloße Anordnung der Maßregel den Betroffenen erheblich: Sie schließt ihn nach den Verwaltungsvorschriften zum StVollzG z.B. vom offenen Vollzug (Nr. 1 zu § 10), von Außenbeschäftigung, Freigang und Ausgang (Nr. 6 zu § 11) und Urlaub (Nr. 3 zu § 13) aus. Solche Belastungen und Resozialisierungshindernisse sollen durch § 67c Abs. 1 nicht vermehrt werden: Die Vorschrift soll überflüssige Unterbringungen vermeiden, aber nicht überflüssige Maßregelanordnungen fördern.
7
b) Praktische Bedeutung hat § 67c Abs. 1 vor allem bei der Sicherungsverwahrung, da es keinen Vollzug dieser Maßregel vor der mit ihr verhängten Freiheitsstrafe gibt. 6 Hier ist stets eine Entscheidung nach § 67c Abs. 1 zu treffen. Ist eine Maßregel nach den §§ 63, 64 angeordnet worden, so kommt § 67c Abs. 1 nur zur Anwendung, wenn zuvor nach § 67 Abs. 2 oder Abs. 3 bestimmt worden ist, dass die Strafe vor der gleichzeitig angeordneten Maßregel zu vollstrecken ist. 7 Es kommt dann nicht darauf an, ob der Vollzug dieser Strafe auf einer Anordnung des erkennenden Gerichts oder auf einer nachträglichen Anordnung der Strafvollstreckungskammer (§ 6 7 Abs. 3) beruht; § 67c Abs. 1 ist auch anzuwenden, wenn Anordnungen nach § 67 Abs. 3 wiederholt getroffen worden sind, so dass sich der Täter schon vor dem Strafvollzug im Maßregelvollzug befunden hat. Es kann auch vorkommen, dass in einer Sache mehrmals nach § 67c Abs. 1 zu entscheiden ist, nämlich in Fällen, in denen die Maßregelvollstreckung zugleich mit einem Strafrest ( § 5 7 ) ausgesetzt und später die Aussetzung der Strafe und der Maßregel widerrufen worden ist. § 67c Abs. 1 ist schließlich auch anzuwenden, wenn die Maßregel zunächst nach § 67b mit der Strafe ausgesetzt worden ist und nach Widerruf der Strafaussetzung und der Maßregelaussetzung auf Grund einer Anordnung nach § 67 Abs. 3 Strafe vollstreckt wird; ist dagegen nur die Strafaussetzung, nicht jedoch die Maßregelaussetzung widerrufen worden, so ist nach Verbüßung der Freiheitsstrafe für eine Anwendung des § 67c Abs. 1 kein Raum, weil die Aussetzung der Maßregel fortdauert. 2. Rechtsnatur
8
a) In der 10. Auflage (Rdn. 6) vertrat Horstkotte die Ansicht, dass der Richter, der nach § 67c Abs. 1 Satz 2 die Maßregelvollstreckung vor ihrem Beginn aussetze, eine Entscheidung des erkennenden Gerichts abändere, bevor mit ihrem Vollzug begonnen worden ist. Es sei eine nicht nur terminologische Frage, ob er damit eine in sich abgeschlossene Entscheidung nachträglich korrigiert oder eine bis dahin unvollständige Entscheidung
3
BGH NStZ-RR 2 0 0 4 2 0 2 , 2 0 3 ; 1998 2 0 6 ; NJW 1976 3 0 0 ; Lackner/Kühl Rdn. 1; Sch/Schröder/Stree Rdn. 1; differenzierend: Horstkotte L K 1 0 § 67c Rdn. 3, wonach die Regelung auch einen Sinn ergebe, wenn das Gericht bei der Anordnung der Maßregel auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen hätte.
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4 5 6
7
Schröder J Z 1970 92, 94. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 3. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 4, 12; Fischer Rdn. 2. Vgl. dazu Schöch LK § 6 7 Rdn. 5 9 ff.
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§ 67c
Späterer Beginn der Unterbringung
ergänzt. Er war der Ansicht, dass die Entscheidung nach § 67c A b s . 1 eine in sich abgeschlossene Entscheidung lediglich korrigiere u n d an neuere Erkenntnisse a n p a s s e . D a s erscheint zweifelhaft. § 6 7 c A b s . 1 dürfte weder eine unvollständige Grundentscheidung vervollständigen, noch ein solche nachträglich korrigieren. Auch bei der nachträglichen Aussetzung einer Strafe (§§ 57, 5 7 a ) oder Maßregel (§ 6 7 d A b s . 2) k ä m e m a n nicht auf die Idee, hierin eine Vervollständigung der Grundentscheidung oder deren K o r r e k t u r zu erblicken. Vielmehr handelt es sich u m reine vollstreckungsrechtliche M a ß n a h m e n 8 (die die G r u n d a n o r d n u n g der Maßregel gerade unberührt lässt) 9 und § 67c A b s . 1 schließt die Lücke, die zwischen der Möglichkeit der Aussetzung zugleich mit der Maßregelanordnung (§ 67b) und der Aussetzung nach Beginn der Vollstreckung der Maßregel verbleibt. 1 0 Eine Bindung des nach § 6 7 c Abs. 1 entscheidenden Gerichts (StVK, vgl. unten R d n . 12 ff) durch die Rechtskraft der Anlassverurteilung gibt es nur in sehr begrenztem Maße. § 6 7 c erfordert bereits seinem Wortlaut nach eine vollständig neue Prüfung, o b der Z w e c k der Maßregel die Unterbringung noch erfordert, also eine vollständig neue Prognose- und Erforderlichkeitsprüfung. 1 1 Dementsprechend kann es in diesen beiden Bereichen nicht an die Feststellungen des über die Anlasstat befindenden Gerichts gebunden sein. U m s t ä n d e , die schon zur Zeit des Urteils bestanden haben, sind von der Berücksichtigung durch d a s nachträglich entscheidende Gericht nicht ausgeschlossen. D a s gilt zweifelsfrei, wenn d a s erkennende Gericht sie auf G r u n d falscher oder unvollständiger Würdigung der Tatsachen nicht erkannt hat. Hier ist die nach § 6 7 c A b s . 1 entscheidende Strafvollstreckungskammer nicht gehindert, sondern sogar verpflichtet, die übersehenen Gesichtspunkte nachträglich zu berücksichtigen (ebenso Horn J R 1 9 7 9 7 7 f). 1 2 Umstritten ist allerdings, auf welcher Rechtsgrundlage dies geschieht u n d o b das auch für eine aus Rechtsgründen fehlerhafte Gefährlichkeitsbeurteilung in der Ursprungsentscheidung gilt (vgl. dazu R d n . 6 6 f). Eine Bindung besteht freilich - d a § 6 7 c Abs. 1 der S t V K diesbezüglich keine Prüfungspflicht auferlegt - insoweit, als die S t V K ihrer Entscheidung keine Tatsachen zugrunde legen darf, die den Urteilsfeststellungen zur Schuld und zur Vorgeschichte der abgeurteilten Tat sowie den festgestellten formellen Voraussetzungen einer Maßregel widersprechen.
9
H a t d a s erkennende Gericht zum Ausdruck gebracht, d a s s eine Aussetzung der Unterbringung erst nach dem Eintritt bestimmter Änderungen zu verantworten sei, s o ist dies eine (die K o m p e t e n z des erkennenden Gerichts überschreitende) Auslegung des § 6 7 c Abs. 1 (§ 6 7 d A b s . 2), die die Strafvollstreckungskammer nicht bindet, also nicht d a r a n hindert, auch ohne den Eintritt solcher Änderungen eine günstige Prognose anzunehmen.
10
Für die Strafvollstreckungskammer ergeben sich d a r a u s insbesondere die nachstehenden Folgerungen:
11
aa) Die Strafvollstreckungskammer ist nicht gehindert, aus dem Vorleben des Angeklagten und der Tat andere prognostische Schlüsse zu ziehen als der Tatrichter; sie darf sich auf neue (ergänzende) Feststellungen zur Tat und ihrer Vorgeschichte stützen, soweit diese nicht den Urteilsfeststellungen widersprechen.
12
8
9
10
Vgl. Pollähne/Böllinger N K Rdn. 7; Sch/Schröder/Stree § 5 7 Rdn. 2.
BVerfGE 42 1, 8; OLG Düsseldorf NJW 1993 1087.
11
Vgl. BVerfG NStZ-RR 2003 251, 252; 2003 2 8 2 , 283; Schreiber/Rosenau in Venzlaff/
Foerster S. 53, 114.
12
Pollähne/Böllinger
N K Rdn. 2 0 .
Pollähne/Böllinger N K Rdn. 10.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
13
bb) Die Strafvollstreckungskammer darf die Frage, ob die Unterbringung außer Verhältnis zur Bedeutung der zu erwartenden Taten und zu dem Grad der Gefahr steht (§ 62), anders beurteilen als das erkennende Gericht. Auch insoweit ist sie nicht an die Rechtskraft des Urteils gebunden. Denn die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit setzt eine Gesamtbetrachtung voraus, die wegen des Zeitablaufs seit dem Urteil regelmäßig auch von Umständen abhängt, die das erkennende Gericht noch nicht berücksichtigen konnte. Die Strafvollstreckungskammer verletzt nicht den Geltungsanspruch des rechtskräftigen Urteils, wenn sie wegen der - positiven oder negativen - Wirkungen des Strafvollzugs zu der Ansicht gelangt, schon der Strafvollzug habe den Täter derart belastet, dass die anschließende Unterbringung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den begangenen oder zu erwartenden Taten stehe und deswegen trotz ungünstiger Prognose zu unterbleiben habe; dabei ist die Strafvollstreckungskammer nicht gehindert, solchen Taten eine geringere Bedeutung beizumessen als das erkennende Gericht.
14
cc) Von einer Entscheidung nach § 67c Abs. 1 sind andere Entscheidungsmöglichkeiten abzugrenzen, die anlässlich einer Prüfung nach S 67c Abs. 1 in Frage kommen. Hier sind insbesondere etwaige Erledigungsmöglichkeiten zu nennen. Anlässlich einer Prüfung nach § 67c Abs. 1 mag erkennbar werden, dass die Maßregel für erledigt zu erklären ist. Dies ist aber keine Entscheidung nach § 67c Abs. 1, vgl. unten Rdn. 105 ff.
15
b) In den Kontext der Bedeutung der Rechtskraft der Anlassverurteilung ist auch der Streit zu stellen, ob das Gericht eine neue, negative Vollstreckungsprognose zu stellen hat, ob also die Vollstreckung der Maßregel hiervon abhängt 13 oder ob das Gericht für die Aussetzung eine günstige Sozialprognose (wie bei § 67d Abs. 2) erstellen muss (vgl. dazu unten Rdn. 45 ff). 14
16
c) Neben materiell-strafrechtlichen Entscheidungsvoraussetzungen enthält § 67c Abs. 1 auch prozessrechtliche Vorgaben, nämlich über den Zeitpunkt, wann das Gericht die entsprechende Prüfung vorzunehmen hat. Die materiell-strafrechtlichen Entscheidungsvoraussetzungen unterteilen sich in formelle Voraussetzungen (wie z.B. Gleichzeitigkeit der Maßregelanordnung neben Strafe aufgrund des Urteils wegen der Anlasstat) und die materielle Voraussetzung der Erforderlichkeit der Unterbringung. Die formellen Voraussetzungen enthalten auch teilweise die genannten prozessrechtlichen Vorgaben, haben also eine Doppelbedeutung. Die folgenden Ausführungen zu den formellen Voraussetzungen betreffen also z.T. auch die prozessuale Frage des Prüfungszeitpunkts.
17
3. Formelle Voraussetzungen der Prüfung und Entscheidung nach § 67c Abs. 1. § 67c Abs. 1 setzt in formeller Hinsicht voraus, dass eine zugleich mit der Maßregel verhängte (zeitige oder lebenslange) Freiheitsstrafe vollzogen wird und vor dem Ende ihres Vollzuges steht.
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a) „Zugleich": Bis zur Einführung der §§ 66a und 66b konnte eine freiheitsentziehende Maßregel nur gleichzeitig mit einer Strafe ausgesprochen werden (Ausn: der hier nicht interessierende Fall einer isolierten Verhängung einer Maßregel). „Zugleich" wird
13
So: Horn SK Rdn. 5; Pollähne/Böllinger Rdn. 20.
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NK
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Vgl. Fischer Rdn. 3; Horstkotte Rdn. 48.
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LK10 § 67c
Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
man daher i.S.v. „zeitgleich" (und damit zwangsläufig auch im gleichen Verfahren) 15 verstehen müssen. „Zugleich" mit der Unterbringung angeordnet ist auch eine Gesamtstrafe, selbst wenn sie nachträglich gebildet worden ist und Einzelstrafen einschließt, die keine Symptomtaten betreffen. Hatte das erkennende Gericht nach den zu § 55 entwickelten Grundsätzen mit einem Urteil mehrere Gesamtfreiheitsstrafen verhängt (vgl. dazu § 55 Rdn. 14), so findet die Prüfung nach § 67c Abs. 1 erst statt, wenn diese Strafen sämtlich (bis auf einen für das Prüfungsverfahren erforderlichen und nach § 5 7 aussetzbaren Rest) verbüßt sind; für die Zwecke des § 67c Abs. 1 gelten die mit einem Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafen als eine einzige Strafe.
19
Ist die Maßregel der Sicherungsverwahrung nachträglich gem. § 6 6 a Abs. 2 (aufgrund eines Vorbehalts nach § 66a Abs. 1) oder gem. § 66b angeordnet worden, so ist str., ob § 67c Abs. 1 anwendbar ist. 1 6 In diesen Fällen liegt schon rein begrifflich keine gleichzeitige Anordnung von Maßregel und Strafe vor. Eine Prüfung nach § 67c Abs. 1 ist in diesen Fällen vor Beginn des Vollzugs der Maßregel daher nicht veranlasst, 17 zumal in diesen Fällen die Maßregel gerade vor dem Ende des Strafvollzugs angeordnet worden ist. Selbst wenn man den Begriff „zugleich" lediglich im Sinne einer Anordnung im gleichen Verfahren interpretieren wollte (wobei das Nachverfahren nach § 66a Abs. 2 bzw. das des § 66b lediglich Ergänzungen des Ursprungsverfahrens darstellen, vgl. § 66a Rdn. 2, § 66b Rdn. 61), würde § 67c Abs. 1 durch die spezielleren Regelungen der §§ 66a, 66b i.V.m. § 275a StPO verdrängt. Für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung sind nämlich die gleichen Umstände zu berücksichtigen, wie bei S 67c, der Entscheidungszeitpunkt ist ebenfalls in etwa gleich. 18 Die Hauptverhandlung nach § 275a Abs. 2 StPO ist zudem das umfassendere Verfahren sein und geht deswegen § 67c Abs. 1 vor. Für eine kurz nach einer Entscheidung nach § 66a Abs. 2 oder § 66b ergehende weitere Entscheidung nach § 67c Abs. 1 besteht daher kein Bedürfnis. Dies könnte allenfalls bei sehr langen Freiheitsstrafen bestehen, wenn nämlich die Anordnung nach § 66a Abs. 2 zum Zweidrittelzeitpunkt erfolgt und mangels Gewährung einer Strafaussetzung zur Bewährung das tatsächliche Strafvollzugsende erst Jahre später eintritt. In diesen Fällen wird § 67c Abs. 1 dann nicht von § 66a Abs. 2 verdrängt.
20
„Zugleich" mit der Strafe können in einem Urteil auch verschiedene freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet worden sein. Auch in diesen Fällen kann § 67c Abs. 1 anwendbar sein. Die Strafvollstreckungskammer ist bei ihrer Entscheidung nach § 67c Abs. 1 zwar für den Fall, dass die Unterbringung noch erforderlich ist, an die Entscheidung des erkennenden Gerichts über die Reihenfolge verschiedener Maßregeln (§ 72 Abs. 3 Satz 1) gebunden; sie ist aber nicht gehindert, die Unterbringung sämtlicher Maßregeln unter den Voraussetzungen des § 67c Abs. 1 Satz 2 auszusetzen 19 und dadurch der Anordnung über die Reihenfolge der Vollstreckung vorläufig die Grundlage zu entziehen. Ist dagegen auch nur eine der angeordneten Maßregeln zu vollstrecken, weil ihr Zweck nicht erreicht ist, so ist die Entscheidung über Aussetzung oder Vollzug der übrigen Maßregeln dem Verfahren nach § 72 Abs. 3 Satz 2 zu überlassen; danach entscheidet die Strafvoll-
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Vgl. Lackner/Kühl Rdn. 1; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 3; aA: Böhm NStZ 1982 135, 139 FN 38; vgl. auch: OLG Hamburg MDR 1975 70; OLG Koblenz MDR 1983 863. Dagegen: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 13; Veh MK § 67c Rdn. 5. AA Fischer Rdn. 2 (für § 66a); wie hier
18 19
bereits: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 12; Veh MK Rdn. 5. Ebenso: Veh MK Rdn. 5. Horstkotte L K 1 0 § 67c Rdn. 2 3 ; Pollähne/ Böllinger NK Rdn. 14; vgl. auch: BGH StV 2 0 0 0 615 f.
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667
§ 67C
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
streckungskammer am Ende des Vollzugs der zunächst vollstreckten Maßregel über den Vollzug der nächsten. Die Regelung des § 72 Abs. 2 Satz 3 geht also dem S 67c Abs. 1 vor, weil sie weitergehende Möglichkeiten (Erledigung statt Aussetzung der Maßregel) eröffnet. 22
Es reicht auch nicht, wenn in einem Urteil die zu verbüßende Freiheitsstrafe, in einem anderen Urteil eine Maßregel ausgesprochen wurde. 20 Zur Anwendung des § 67c Abs. 1 in Fällen, in denen neben Freiheitsstrafe und Maßregel, die in einem Urteil angeordnet wurden, noch Freiheitsstrafen oder Maßregeln aus anderen Verfahren zu vollstrecken sind vgl. unten Rdn. 33 ff.
23
b) Freiheitsstrafe (§ 38): Eine Ersatzfreiheitsstrafe fällt nicht hierunter, da diese schon nicht gleichzeitig mit der Maßregel angeordnet worden sein kann, sondern erst im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle tritt (§ 43).
24
Ist eine Unterbringung nach §§ 63, 64 oder 66 neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe angeordnet worden (dazu Schöch LK § 63 Rdn. 150 und § 64 Rdn. 152; § 66 Rdn. 73; K. Böhm NJW 1982 135 ff) und (im Falle der §§ 63, 64) eine Anordnung nach § 67 Abs. 2 ergangen, so gilt § 67c Abs. 1 ohne weiteres, wenn die lebenslange Strafe gnadenhalber in eine zeitige umgewandelt worden ist. Auch ohne die Umwandlung ist § 67c Abs. 1 anzuwenden, wenn die bedingte Entlassung nach § 57a zur Diskussion steht; Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe (§ 67c Abs. 1 Satz 1) ist dann die Aussetzung des Strafrests nach § 57a. Sind die Voraussetzungen des S 57a erfüllt, so fordert der Zweck der Maßregel nicht mehr die Unterbringung. Nach § 67c Abs. 1 Satz 2 tritt mit der Aussetzung der Maßregel Führungsaufsicht ein. Die Vorschriften über die Führungsaufsicht verdrängen nach Maßgabe des § 68g die §§ 56c, 56d, die sonst nach § 57a Abs. 3 anzuwenden wären. Dass die Gründe für den Widerruf der Strafaussetzung und der Maßregelaussetzung (§ 67g) nicht völlig übereinstimmen21, ist hier wie auch sonst beim Zusammentreffen von Straf- und Maßregelaussetzung sachgemäß.
25
c) Vorwegvollzug: Die Freiheitsstrafe muss vor der Maßregel vollzogen werden. Das ist bei der Sicherungsverwahrung immer, bei der Anordnung der Maßregeln nach § § 63, 64 nur bei Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach § 67 Abs. 2 bzw. Abs. 3 der Fall.
26
aa) Fraglich ist, ob der teilweise Vorwegvollzug (angeordnet nach § 67 Abs. 2 oder 3) der Strafe ausreicht. Dem könnte der Wortlaut „vor Ende des Vollzugs der Strafe" entgegenstehen, denn wird nur ein Teil der Strafe vorweg vollzogen, so ist der Vollzug der Strafe, wenn nicht soviel verbüßt ist, dass eine bedingte Entlassung in Betracht kommt, gerade noch nicht beendet, sondern nur unterbrochen. Andererseits macht es keinen Sinn, z.B. einen nicht mehr behandlungsbedürftigen und nicht mehr gefährlichen Verurteilten nach teilweiser Vollstreckung der Strafe in die Unterbringung nach § 63 zu überführen. Der Grund für die Prüfungspflicht des § 67c (s.o.) gilt in den Fällen des teilweisen Vorwegvollzugs in gleicher Weise, wie beim Vollzug bis zum Ende der Strafe. Deswegen dürfte der teilweise Vorwegvollzug der Strafe ausreichen. 22 Einschränkend will Horn dies aber nur ausreichen lassen, wenn der bereits verbüßte Strafteil eine Entscheidung nach §§ 57, 57a erlauben würde. 23
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KG Beschl. v. 19.2.2002 - 5 Ws 104, 105/02; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 11. Böhm NStZ 1982 135, 139 Fn. 40.
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Ebenso: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 13; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3; Veh MK Rdn. 6. Horn SK Rdn. 2.
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
bb) Ist die Aussetzung der Maßregel (§§ 67b, 67c, 67d Abs. 2) widerrufen worden und befindet sich der Täter, nachdem auch die Strafaussetzung widerrufen worden ist, erneut im Vollzug der zusammen mit der Maßregel verhängten Freiheitsstrafe, so ist § 67c Abs. 1 anzuwenden 24 ; auch hier wird Freiheitsstrafe vor einer zugleich angeordneten Unterbringung vollzogen. Dass die mit der bedingten Entlassung versuchte Erprobung misslungen ist, ändert daran nichts; „Beginn der Unterbringung" im Sinne der Überschrift zu § 67c ist hier der erneute Beginn nach dem Widerruf der Aussetzung.
27
Im Ergebnis unterscheidet sich hiervon die Ansicht des OLG Hamm (JMB1NW 1978 90) nur unwesentlich: Danach soll in solchen Fällen nicht § 67c Abs. 1, sondern § 67d Abs. 2 angewandt werden. Ist nach dem Widerruf der Maßregelaussetzung der Maßregelvollzug eingeleitet worden, so richtet sich die Prüfung der Aussetzungsfrage zweifelsfrei nach § 67d Abs. 2; diese Vorschrift ist auch anzuwenden, wenn nach dem Widerruf weder mit dem Strafvollzug noch mit dem Maßregelvollzug (von neuem) begonnen worden ist, aber neue, für die Aussetzungsfrage bedeutsame Umstände eingetreten sind. 25
28
cc) § 67c Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Maßregelvollzug zur Vollstreckung einer in anderer Sache verhängten Strafe unterbrochen worden ist (zur Sicherungsverwahrung vgl. § 4 4 Abs. 3 StVollstrO) und der Täter nach Erledigung der Strafe wieder in den Maßregelvollzug zurückgeführt werden soll 2 6 ; hier ist aber auf Antrag des Verurteilten jederzeit (§ 67e), auch während des Strafvollzuges, zu prüfen, ob der weitere Maßregelvollzug erforderlich ist oder nach § 67d Abs. 2 ausgesetzt werden kann. 27 Das gilt auch, wenn die in anderer Sache verhängte Strafe verbüßt ist und die Vollstreckung der Maßregel noch nicht wieder begonnen hat 2 8 .
29
dd) Ist neben der Maßregel und der mit ihr verhängten Freiheitsstrafe in einem anderen Verfahren eine weitere Freiheitsstrafe oder Maßregel verhängt worden, so ist zu unterscheiden:
30
(1) Ist eine Maßregel nach den §§ 63, 64 angeordnet worden, so bleibt eine Prüfung nach § 67c Abs. 1 im Regelfall außer Betracht, weil die Maßregel grundsätzlich sowohl vor der mit ihr angeordneten Strafe (§ 67 Abs. 1) als auch vor der anderen Freiheitsstrafe (§ 44b Abs. 1 Satz 1 StVollstrO) vollstreckt wird. Die Aussetzungsfrage ist dann für die Maßregel und die Strafen einheitlich nach § 67d Abs. 2 i.V. mit § 67 Abs. 5 zu prüfen. 29
31
(2) Wird Strafe vor der Sicherungsverwahrung oder kraft Anordnung nach § 67 Abs. 2 vor einer anderen freiheitsentziehenden Maßregel vollstreckt, so muss keine Prüfung nach § 67c Abs. 1 stattfinden, solange die nicht mit der Maßregel verhängte Freiheitsstrafe als erste der beiden Strafen vollstreckt wird; 3 0 in den Fällen der §§ 63, 64 wird die Strafvollstreckungskammer aber am Ende des Vollzuges bzw. zum Zeitpunkt der Unterbrechung nach § 454b Abs. 2 StPO dieser Strafe zu prüfen haben, ob zu der in § 67 Abs. 1 bezeichneten Reihenfolge zurückzukehren ist. Wird die mit der Maßregel verhängte
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KG Berlin, Beschl. v. 4 . 1 1 . 1 9 9 7 - 1 AR 875/97 - 5 Ws 4 4 7 / 9 7 ; Sek/Schröder,/Stree Rdn. 3; Veh MK Rdn. 6; aA: Fischer Rdn. 2; OLG Hamm JMB1NW 1978 90. OLG Hamm JMB1NW 1978 90, 91; OLG Hamm JMB1NW 1976 93, 94. KG Berlin Beschl. v. 19.2.2002 - 1 AR
27 28 29 30
181/02 - 5 Ws 1 0 4 - 1 0 5 / 0 2 ; OLG Stuttgart Justiz 1977 18; Fischer Rdn. 2. OLG Stuttgart Justiz 1977 18. Horstkotte LK 1 0 § 67c Rdn. 21. OLG Karlsruhe Die Justiz 1977 4 6 4 . OLG Karlsruhe Die Justiz 1977 4 6 4 ; vgl. auch Veh MK Rdn. 5.
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§ 67c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Strafe im Anschluss an die andere Strafe vollstreckt, so ergeben sich für die Anwendung des § 67c Abs. 1 keine Besonderheiten. 33
(3) Wird eine Freiheitsstrafe sowohl vor der mit ihr angeordneten Maßregel als auch vor der in einem anderen Verfahren verhängten Strafe vollstreckt, so wird eine Entscheidung nach § 67c Abs. 1 erst dann anstehen, wenn alle Freiheitsstrafen bis zur Aussetzungsreife vollstreckt worden sind. Aus § 454b Abs. 2 StPO folgt, dass die Unterbrechung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zum Halbstrafen- oder Zweidritteltermin erfolgt, wenn danach noch weitere Freiheitsstrafen zu vollstrecken sind. Nach § 4 5 4 b Abs. 3 StPO ist über eine Strafaussetzung zur Bewährung einheitlich für alle Strafen gleichzeitig zu entscheiden, wenn bei allen die formelle Aussetzungsreife erreicht ist. Dementsprechend erscheint eine Entscheidung nach § 67c Abs. 1 bereits zu dem Zeitpunkt, in dem allein die mit der Maßregel verhängte Freiheitsstrafe bis zur Aussetzungsreife vollstreckt wurde, nicht angezeigt. Denn es ist noch nicht klar, ob das Ende des Vollzuges dieser Strafe erreicht ist. Denn das wird erst am Ende für alle Freiheitsstrafen gleichzeitig entschieden (§ 4 5 4 b Abs. 3 StPO). Für eine Entscheidung über die Maßregelaussetzung zum Unterbrechungszeitpunkt besteht daher kein Bedürfnis 31 , sondern erst dann, wenn über die Aussetzung aller Reststrafen zu entscheiden ist 3 2 und damit das Ergebnis der Prüfung nicht mehr durch weiteren Vollzug in Strafe gestellt werden kann. 3 3
34
Vor Einführung des § 4 5 4 b StPO wurde hingegen die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung nach § 67c Abs. 1 immer dann zu treffen ist, wenn Aussetzungsreife der gleichzeitig mit der Maßregel verhängten Freiheitsstrafe - ungeachtet noch anstehender Anschlussvollstreckungen - gegeben ist. 3 4 Das gilt jetzt in dieser Allgemeinheit - wie aufgezeigt - nicht mehr. Allerdings mag es immer noch Konstellationen geben, in denen die Entscheidung nach § 67c Abs. 1 trotz einer an sich anstehenden Anschlussvollstreckung angezeigt ist. So kann es sein, dass die mit der Maßregel verhängte Strafe (nach Widerruf einer zwischenzeitlich gewährten Strafrestaussetzung, vgl. § 454b Abs. 2 S. 2 StPO, und Anordnung des Vorwegvollzugs des Strafrestes, § 67 Abs. 3) vollständig verbüßt ist. Hier ist nach dem Wortlaut das Ende des Vollzugs der Strafe erreicht. Es gilt jetzt noch die Maßregel und die weitere Strafe zu vollstrecken. Die Vollstreckungsbehörde ist nach § 44b Abs. 1 StVollstrO gehalten, regelmäßig die Strafe vor der Maßregel zu vollstrecken. Um aber die Maßregel (vor der weiteren Strafe) vollstrecken zu können, bedarf es der Entscheidung nach § 67c Abs. 1.
35
Auch in anderen Fällen, in denen auf den Vollzug der mit der Maßregel verhängten Strafe zunächst noch der Vollzug einer anderen Freiheitsstrafe folgt, also insbesondere bei der Sicherungsverwahrung, ist eine vorherige Aussetzungsentscheidung nach § 67c Abs. 1 nicht sinnlos: Die Festlegung auf die Maßregelaussetzung nach dem Vollzug der anderen Strafe kann von Vorteil sein, weil sie die Entlassungsvorbereitungen erleichtert. Hält die Strafvollstreckungskammer eine Aussetzung der Maßregel im Prüfungszeitpunkt
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32
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KG Berlin NStZ 1 9 9 0 54; Horn SK Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3. KG Berlin, Beschl. v. 4.11.1997 - 1 AR 875/97 - 5 Ws 4 4 7 / 9 7 ; OLG Hamm NStZRR 1997 124; Veh MK Rdn. 10. OLG Stuttgart NStZ 1988 45; vgl. auch: LG Traunstein NStZ-RR 1996 94; Volckart/ Grünebaum Maßregelvollzug 6 S. 30.
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Vgl. KG Berlin JR 1984 213; Horstkotte LK 1 0 § 67c Rdn. 2 5 m.w.N.; vgl. auch: OLG Stuttgart Justiz 1973 142; OLG Karlsruhe MDR 1975 1040; aA: OLG Hamburg MDR 1975 70.
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
(bei Ende des Vollzugs der zunächst vollstreckten Freiheitsstrafe) noch nicht für verantwortbar, so kann sie die Prüfung während des anschließenden Vollzuges der anderen Freiheitsstrafe jederzeit (von Amts wegen oder auf Antrag des Verurteilten) wiederholen. Die zeitlichen Grenzen, die sonst einer frühzeitigen Prüfung während des Strafvollzuges gesetzt sind, gelten in diesem Falle nicht; denn der Zeitpunkt, zu dem das Gesetz die Prüfung vorschreibt, ist mit dem Beginn des Vollzuges der (in einem anderen Verfahren verhängten) Strafe bereits eingetreten. 35 In den Fällen, in denen nach der vollständigen Vollstreckung der mit der Maßregel verhängten Freiheitsstrafe noch eine andere Freiheitsstrafe vollstreckt wird, ist demnach vor deren Vollstreckungsende eine erneute Prüfung nach § 67c Abs. 1 nicht mehr veranlasst, denn in § 67c Abs. 1 ist „Ende des Vollzugs der Strafe" (gemeint ist die gleichzeitig verhängte Strafe) und nicht „Ende des Strafvollzugs" formuliert (eine solche nach §§ 67d Abs. 2, 67e ist dagegen möglich). 36
36
(4) Sind in verschiedenen Verfahren mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet worden, so gilt für die Entscheidung nach § 67c Abs. 1 folgendes: Handelt es sich um mehrere freiheitsentziehende Maßregeln derselben Art, so kann die Entscheidung über die Aussetzung nur einheitlich (zum selben Zeitpunkt und mit demselben Ergebnis) getroffen werden; 3 7 denn die Entscheidungsfrage ist im Hinblick auf beide Maßregeln dieselbe. Wird die Vollstreckung der Maßregeln angeordnet, so kann die Frage der Aussetzung fortan jederzeit nach § 67e geprüft werden, gleichviel welche der beiden Maßregeln vollstreckt wird. Die Vollstreckungsbehörde bestimmt, welche der beiden Maßregeln zuerst vollstreckt wird; der Übergang vom Vollzug der einen Maßregel in denjenigen der anderen hat nur vollstreckungstechnische Bedeutung. Mit Rücksicht auf S 67f ergibt sich diese Konstellation nur bei den Maßregeln nach den §§ 63, 66.
37
Sind in mehreren Verfahren verschiedenartige freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet worden, so setzt die Strafvollstreckungskammer mit einer einheitlichen Entscheidung den Vollzug sämtlicher Maßregeln nach § 67c Abs. 1 aus, wenn sie alle der Aussetzung fähig sind. Die Entscheidung, dass eine der Maßregeln nicht ausgesetzt werden kann, mithin vollzogen werden muss, enthält eine negative prognostische Bewertung, die es ausschließt, schon jetzt über die Aussetzung der anderen Maßregeln zu entscheiden. Die in § 67c Abs. 1 vorgeschriebene Prüfung muss hier bezüglich der anderen Maßregeln ausnahmsweise auf einen späteren, nach dem Ende des Strafvollzuges liegenden Zeitpunkt verschoben werden, nämlich auf das Ende des Vollzugs der zunächst vollstreckten Maßregel. Demnach gilt die für die Anordnung verschiedener Maßregeln in einem Urteil vorgesehene Regelung (§ 72 Abs. 3 Satz 2) entsprechend; dasselbe muss folgerichtig auch für die Vorschrift des § 72 Abs. 3 Satz 3 gelten, die den Richter in die Lage versetzt, die Maßregel bei Zweckerreichung für erledigt zu erklären (§ 72 Abs. 3 Satz 3 i.V. mit § 67c Abs. 2 Satz 5). Mit ihrer am Ende des Strafvollzugs nach § 67c Abs. 1 zu treffenden Entscheidung, dass eine bestimmte Maßregel (alsbald) zu vollstrecken sei, nimmt die Strafvollstreckungskammer Einfluss auf die Reihenfolge der Vollstreckung der Maßregeln; dasselbe gilt für die spätere Entscheidung darüber, ob die weiter angeordnete Maßregel vollstreckt werden soll. Entgegen § 54 Abs. 2 StrVollstrO bestimmt hier also nicht die Vollstreckungsbehörde die Reihenfolge der Maßregelvollstreckung.
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Ebenso OLG Karlsruhe MDR 1975 1040; aA OLG Hamburg M D R 1975 70; OLG Koblenz OLGSt S 67c Nr. 1. KG Berlin, Beschl. v. 19.2.2002 - 1 AR
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181/02 - 5 Ws 104-105/02; KG Berlin J R 1984 213, 214. OLG Karlsruhe Justiz 1980 359.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ee) Vor Ende des Vollzuges: Worauf das Ende des Vollzugs zurückgeht, ist gleichgültig. Es macht keinen Unterschied, ob dies wegen Vollverbüßung oder wegen Reststrafenaussetzung zur Bewährung nach §§ 57, 57a eintritt. 38 Ist bis zur letzten tatrichterlichen Verhandlung Untersuchungshaft von einer Dauer vollzogen worden, dass die Freiheitsstrafe durch Anrechnung ( § 5 1 ) erledigt ist, so ist es an sich Aufgabe des erkennenden Gerichts, über die Aussetzung der Maßregel (bei §§ 63, 64) zu entscheiden (§ 67b); das gilt auch, wenn die Strafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft bis zu dem in § 57 bezeichneten Zeitpunkt verbüßt ist (vgl. § 67b Rdn. 19). Ist eine solche Entscheidung indessen unterblieben oder hat sich die Strafe erst später während des Revisionsverfahrens - ganz oder zu zwei Dritteln erledigt, so ist mit Eintritt der Rechtskraft sogleich über die Aussetzung der Strafe wie auch der Maßregel zu entscheiden. Hat die Strafvollstreckung schon begonnen, so richtet sich die Entscheidung nach § 67c Abs. 1.
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Unter dieser Voraussetzung kann § 67c Abs. 1 ausnahmsweise auch bei Verurteilten bedeutsam werden, die sich nicht in Haft befinden: Das gilt in Fällen, in denen wegen der Anrechnung von Untersuchungshaft oder nach Strafverbüßung der für die Prüfung nach § 67c Abs. 1 maßgebliche Zeitpunkt eingetreten, die Strafvollstreckung jedoch nach den §§ 455, 455a, 456 StPO, 45 StVollstrO aufgeschoben oder unterbrochen worden ist.
43
Ist die Vollstreckung des Strafrests nach § 57 zur Bewährung ausgesetzt, dabei aber übersehen worden, dass im Anschluss an die Strafe eine Maßregel zu vollziehen war, so ist die Prüfung nach § 67c Abs. 1 unverzüglich nachzuholen. 4. Materielle Voraussetzung
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a) Allgemeines. Wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erfordert, so hat das Gericht deren Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen. Dementsprechend ist auf den jeweiligen Zweck der verhängten Maßregel abzustellen und im Hinblick darauf und nach den Grundsätzen der jeweiligen Maßregel die Erforderlichkeitsprüfung vorzunehmen. 39 Die normative Herleitung der teilweise vertretenen Formel, dass der Maßregelzweck die Unterbringung nicht mehr erfordere, wenn das Risiko der Entlassung in die Freiheit verantwortet werden könne (so Fischer Rdn. 5) ist demgegenüber unklar und dürfte den Blick auf die eigentlichen Maßstäbe eher verstellen.
45
Wie bereits oben erläutert, schließt § 67c Abs. 1 bei den Maßregeln nach §§ 63, 64 die Lücke zwischen der Möglichkeit einer anfänglichen Maßregelaussetzung (§ 67b) und der Maßregelaussetzung nach Beginn der Maßregelvollstreckung (§ 67d Abs. 2). § 67c hat dementsprechend einen ähnlichen Regelungsgehalt wie die beiden anderen Normen. 40 Str. ist, ob § 67c und § 67d den gleichen materiellen Aussetzungsmaßstab haben:
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aa) Die eine fordert, dass die Anordnungsvoraussetzungen der Maßregeln nach §§ 63, 64 und 66 aktuell positiv zu bestätigen, bzw. die Gefährlichkeitsprognose aufrechtzuerhalten sind. 41 Das bedeutet, dass die Maßregel dann zur Bewährung auszu-
38
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Lackner/Kühl Rdn. 1; Veh MK Rdn. 10; Böhm NStZ 1982 135, 139. Veh MK Rdn. 7. Horstkotte LK 1 0 § 6 7 c Rdn. 46; Veh MK Rdn. 7; ähnlich (auf § 67d abstellend): Lackner/Kühl Rdn. 2.
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OLG Hamm Beschl. v. 11.8.2005 - 4 Ws 347, 350, 3 5 5 / 0 5 (www.burhoff.de); Horn SK Rdn. 5, 7; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 17; wohl auch: Tondorf S. 812, 828; vgl. auch OLG Hamm Beschl. v. 1.7.2005 - 4 Ws 3 5 8 / 0 5 (www.burhoff.de).
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
setzen ist, wenn eine der Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel nicht mehr vorliegt (insbesondere: die erforderliche Gefährlichkeitsschwelle nicht mehr erreicht ist) oder aber zwar die Anordnungsvoraussetzungen noch gegeben sind, aber (bei Maßregeln nach §§ 63, 64) die besonderen Aussetzungsvoraussetzungen nach § 67b jetzt vorliegen. 42 bb) Die andere Ansicht postuliert für § 67c Abs. 1 den gleichen Prüfungsmaßstab wie bei § 67d Abs. 2 4 3 , also Aussetzung dann, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (vgl. dazu § 67d Rdn. 86 ff). Begründet wird dies damit, dass es oft vom Zufall abhängt, ob mit dem Vollzug der Maßregel schon begonnen worden ist und deshalb § 67d Abs. 2 gilt oder ob vor Beginn des Maßregelvollzuges nach § 67c Abs. 1 entschieden wird und deshalb auch der gleiche Prognosemaßstab gelten müsse, 44 bzw. dass der Prognosemaßstab kurz vor Beginn der Maßregelvollstreckung und kurz danach nicht unterschiedlich sein könne. 45 Dementsprechend könne eine Aussetzung nur erfolgen, wenn eine günstige Prognose gestellt werden könne. 4 6
47
cc) Der Unterschied zwischen den beiden Ansichten liegt darin, dass nach der erstgenannten Ansicht eine Aussetzung bereits dann erfolgt, wenn eine die Maßregelanordnung rechtfertigende ungünstige Prognose nicht mehr gestellt werden kann. Nach der zweiten Ansicht bedarf es hingegen der positiven Erstellung einer günstigen Prognose, um zur Aussetzung zu gelangen. I.d.R. wird dies nicht zu praktischen Unterschieden führen: Wenn man eine ungünstige Prognose nicht stellen kann, wird man regelmäßig auch eine günstige positiv stellen können. Zu unterschiedlichen Ergebnissen führen die Ansichten, wenn beide Prognosen nicht gestellt werden können. Das würde nach der ersten Ansicht zur Aussetzung, nach der zweiten zur Nichtaussetzung führen. Zutreffend dürfte die erste Ansicht sein.
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Hinsichtlich der materiellrechtlichen Aussetzungsvoraussetzung liegt eine „Anlehnung" an § 67d Abs. 2 aus den genannten (teleologischen) Gründen zwar nahe. 4 7
49
Der Wortlaut weist hingegen eher auf die Richtigkeit der erstgenannten Ansicht hin. Denn auch bei der Anordnung der Maßregel ist zu überprüfen, ob sie erforderlich ist, also nicht mildere, ebenso geeignete Mittel zur Gefahrenabwehr vorhanden sind.
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Die Materialien deuten einerseits darauf hin, dass für die Vollstreckung der Maßregel die Erstellung einer neuen positiven Gefährlichkeitsprognose und nicht einer Ungefährlichkeitsprognose für ihre Aussetzung notwendig ist. In der Begründung zu dem entsprechenden $ 105 Abs. 3 E 1962 heißt es, dass die Änderung des Prognosezeitpunkts bei der Aburteilung der Anlasstat (nach jetzigem Recht Zeitpunkt der Aburteilung, früher Zeit-
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Pollähne/Böllinger NK Rdn. 18 f; zunächst unklar: Sch/Schröder/Stree Rdn. 4 (Einerseits: Zweck erfordert Unterbringung, wenn im gegenwärtigen Zeitpunkt noch die für die Maßregelanordnung maßgebliche Gefährlichkeit festgestellt wird; andererseits: Erforderlichkeit zu verneinen, wenn zu erwarten ist, dass Verurteilter außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird.). OLG Frankfurt NStZ-RR 1 9 9 9 348, 349;
44 45 46
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Horstkotte L K 1 0 § 67c Rdn. 92; Fischer Rdn. 5; Veh MK § 67c Rdn. 7; wohl auch: Lackner/Kühl Rdn. 2. Horstkotte L K 1 0 § 67c Rdn. 92. Tröndle/Fischer54 Rdn. 5. Horstkotte L K 1 0 § 67c Rdn. 92 f; Lackner/ Kühl Rdn. 2. Müller Anordnung und Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung S. 107.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
punkt des Strafendes) es notwendig mache, eine erneute Prüfung vorzuschalten, ob der Zweck der Unterbringung den Maßregelvollzug noch erfordere. Damit sollte also lediglich die nach altem Recht notwendige Zukunftsprognose, ob die Maßregelvoraussetzungen nach Strafende noch vorliegen, in eine Gegenwartsprognose kurz vor Strafende geändert werden, nicht aber der Prognosemaßstab. Gleichzeitig sollte dem Gericht ermöglicht werden, die weiteren Erkenntnisse aus dem Strafvollzug in seine Prognose mit einzubeziehen (vgl.: Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, S. 465). 4 8 Andererseits waren im E 1962 die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung vor Beginn des Maßregelvollzugs (§ 105 Abs. 3 E 1962 entspricht § 67c Abs. 1) und nach dessen Beginn (§ 89 Abs. 6 E 1962 entspricht § 67d Abs. 2) unter Bezugnahme auf den „Zweck der Maßregel" noch sehr ähnlich formuliert. 52
Andererseits ist auch die Systematik innerhalb des § 67c zu sehen. Danach fordert § 67c Abs. 2 S. 3 eine positive Anordnung der Vollstreckung, wenn der Zweck der Maßregel die Vollstreckung noch erfordert. Hier sind also die Anordnungsvoraussetzungen für die jeweilige Maßregel noch einmal festzustellen. Demgegenüber die in § 67c Abs. 1 S. 2 geforderte Entscheidung lediglich eine Aussetzungsentscheidung, wenn der Zweck die Vollstreckung nicht mehr erfordert. Eine Entscheidung für den Fall, dass der Zweck die Vollstreckung erfordert, ist hier nicht vorgesehen (sie ist allerdings sinnvoll, vgl. unten Rdn. 104). In Absatz 2 wird also nach dem Gesetz eine Vollstreckbarkeitsentscheidung gefordert (vgl. unten Rdn. 157), in Absatz 1 nicht. 4 9 Entsprechend ist auch anerkannt, dass bis zu einer Entscheidung des Gerichts nach § 67c Abs. 1 eine Maßregel vollzogen werden kann, während dies im Falle des Absatzes 2 ohne eine entsprechende gerichtliche Entscheidung nicht möglich ist (vgl. Rdn. 157). Diese Differenzierung wäre inkonsequent, wenn man auch im Rahmen des Absatzes die positive Erstellung einer ungünstigen Legalprognose verlangen würde. Die Differenzierung zwischen § 67c Abs. 1 und Abs. 2 macht durchaus Sinn: Der Wert der Erkenntnisse über das Verhalten des Verurteilten in Freiheit (Fall des Absatzes 2) dürfte ungleich höher sein als der über das Verhalten in H a f t 5 0 (Fall des Absatzes 1), so dass bei der letztgenannten Alternative eher Zurückhaltung bei der Aussetzung geboten scheint. 51 Schließlich zeigen sich auch Parallelen zwischen § 67c Abs. 1 und § 67d Abs. 3, bei dem anerkannt ist, dass eine weitere Vollstreckung der Maßregel (Nichterledigung) nur dann in Frage kommt, wenn die Gefährlichkeitsprognose weiterhin positiv gestellt werden kann. 5 2 Denn nach § 67c Abs. 1 ist die Maßregel auszusetzen, wenn nicht ihr Zweck die Vollstreckung erfordert, bei § 67d Abs. 3 ist sie für erledigt zu erklären, wenn nicht die notwendige Gefährlichkeitsprognose gestellt werden kann.
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Dem lässt sich entgegenhalten, dass die Unterschiede zwischen § 67c Abs. 1 und Abs. 2 S. 3 nur auf der Rechtsfolgenebene bestehen, während das Prüfungsprogramm auf Tatbestandsebene gleich ist („Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert"). Der
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Vgl. auch: Schröder J Z 1970 92, 94, der den Schwerpunkt der Gefährlichkeitsprüfung nicht bei der Grundanordnung, sondern bei der Vollstreckungsanordnung zum Ende des Strafvollzuges sieht. Darauf weist Veh MK Rdn. 9 zutreffend hin; vgl. auch die ähnliche Argumentation von Streng Strafrechtliche Folgenorientierung und Kriminalprognose S. 97, 111 f zu § 67d Abs. 2.
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Skeptisch insoweit auch: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 19; vgl. auch die Diskussion zur vorbehaltenen und nachträglichen Sicherungsverwahrung, § 66a Rdn. 5 7 ; § 66b Rdn. 123. Veh MK Rdn. 9. Vgl. dazu OLG Karlsruhe StraFo 2 0 0 6 82, 83.
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§ 67c
Unterschied kann also auch lediglich darin liegen, dass im Falle des Absatzes 2 die Maßregelanordnung des Tatgerichts wegen Zeitablaufs als Vollstreckungsgrundlage nicht mehr herangezogen werden darf, wenn nicht eine Bestätigung vorliegt. Der Verurteilte darf also ohne diese nicht dem Vollzug zugeführt werden. Nach Absatz 1 bleibt hingegen die Maßregelanordnung des Tatgerichts Vollstreckungsgrundlage, der Verurteilte darf also ohne eine Aussetzungsentscheidung nicht entlassen werden, sondern muss dem Maßregelvollzug zugeführt werden (selbst wenn das Vollstreckungsgericht bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht nach Absatz 1 entschieden hat). 53 Auch erscheint zweifelhaft, ob in den Fällen des § 67c Abs. 2 tatsächlich relevante bessere Erkenntnisse über das Legalverhalten in Freiheit vorliegen. Denn klassischer Anwendungsfall dürfte die Flucht mit Untertauchen sein (s.u. Rdn. 159). So erscheint es letztendlich auch sachlich nicht gerechtfertigt, für einen Verurteilten, der z.B. eine dreijährige Freiheitsstrafe verbüßt hat, entwichen ist und drei Jahre flüchtig war, einen anderen (günstigeren) Prüfungsmaßstab heranzuziehen, als an einen Verurteilten, der sechs Jahre im Strafvollzug war und nunmehr in den Maßregelvollzug überstellt werden soll.
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Aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung dürfte sich auch keine eindeutige Präferenz für die eine oder andere Auslegung erkennen lassen. In BVerfG NStZ-RR 2003 251, 252 heißt es: „Das Verhältnis zwischen der Anordnung der Maßregel im Strafurteil und der nach § 67c Abs. 1 StGB zu treffenden Entscheidung ist dahin zu bestimmen, dass die Gefährlichkeitsprognose des erkennenden Gerichts so lange maßgeblich bleibt, bis die StVK unter Berücksichtigung der Entwicklung des Verurteilten im Vollzug darüber entscheidet, ob sie weiter aufrecht zu erhalten ist (...)". 5 4 In eine andere Richtung geht die Bemerkung in BVerfG NStZ-RR 2005 187, 188: Danach sind die Überprüfungen nach § 67c Abs. 1 und § 67d Abs. 2 „hinsichtlich der jeweiligen materiellen Maßstäbe gleichartig".
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Dementsprechend dürfte auch im Rahmen des § 67c Abs. 1 (und nicht nur des § 67c Abs. 2 S. 3) die Anordnungsprognose positiv neu zu stellen sein. Wenn das Gericht dies nicht vermag, ist die Maßregel zur Bewährung auszusetzen. Der „In-dubio-Grundsatzes" bezieht sich dabei nur auf die tatsächlichen Grundlagen der Prognose, nicht auf die Prognose selbst (vgl. Streng Strafrechtliche Sanktionen Rdn. 667 ff). Entweder die für die jeweilige Entscheidung erforderliche Prognosewahrscheinlichkeit wird vom Richter bejaht oder nicht. Die Prognose selbst ist ein Vorgang, für den die Kategorien des Zweifelssatzes nicht anwendbar sind. 55 Hat der Richter Zweifel, ob die für die jeweilige Prognose erforderliche Wahrscheinlichkeit erreicht ist, kann er sie gerade nicht stellen. 56 Das gilt einerseits für den Fall, dass eine bestimmte Gefährlichkeit für die Anordnung einer Maßregel erforderlich ist, aber auch für den Fall, dass es einer bestimmten Ungefährlichkeit für ihre Aussetzung bedarf (vgl. § 67d Rdn. 105). Die Erwartung muss sich ihrerseits auf gesicherte Tatsachen stützen.57 Sind einzelne Tatsachen nicht gesichert, kann sich dies im Einzelfall zu Lasten, aber auch zu Gunsten auswirken. Bestehen z.B. Zweifel, ob eine Therapie erfolgreich war (also z.B. ein Hang i.S.v. § 64 nicht mehr besteht) oder ein psychisch Kranker freiwillig seine Medikamente einnimmt (wodurch die Auswirkungen seines gefährlichkeitsbegründenden Defekts abgemildert werden), kann Gericht nicht zu Gunsten des Verurteilten davon ausgehen. Hier den „In-dubio-pro-reo-Satz" anzuwen-
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Vgl. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 6. Vgl. auch: BGHSt 4 2 1, 8 und BVerfGE 109 133, 162. Vgl. Pollähne/Böllinger NK § 67b Rdn. 12.
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So schon: Horstkotte L K 1 0 § 67d Rdn. 7 7 ff; Streng Strafrechtliche Sanktionen Rdn. 6 6 7 ; vgl. auch: Lackner/Kühl § 61 Rdn. 4 f. Streng Strafrechtliche Sanktionen Rdn. 6 7 0 .
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den, würde letztlich die Präventionsregelungen der §§ 67a ff. leerlaufen lassen.58 Bestehen allerdings Zweifel, ob der Verurteilte bestimmte Gewalttätigkeiten im Vollzug begangen hat, so wirken sich diese, alleine schon wegen Art. 6 Abs. 2 EMRK, zu seinen Gunsten aus. 57 Demgegenüber stellt die wohl noch h.M. hinsichtlich der Anwendung des Zweifelsgrundsatzes auf die Prognose selbst ab: Kann die erforderliche Wahrscheinlichkeit für die Anordnung einer Maßregel nicht festgestellt werden, so unterbleibt die Anordnung (bzw. bei $ 66a wird sie lediglich vorbehalten), d.h. Zweifel wirken sich zu Gunsten des Täters aus 59 , kann die erforderliche Wahrscheinlichkeit für eine Aussetzung nicht festgestellt werden, unterbleibt diese, d.h. Zweifel wirken sich zu seinen Lasten aus. 60 Hinsichtlich der zugrunde liegenden Tatsachen ist insoweit unklar, ob hier, wenn es um die Aussetzungsentscheidung geht, dann Zweifel zu Lasten des Verurteilten wirken.61 Nach anderer Ansicht sollen sich hingegen Zweifel bei den Tatsachen auch hier zu Gunsten des Verurteilten auswirken.62 b) Zweck der Maßregel: 58
aa) Abzustellen ist auf den Zweck der tatsächlich angeordneten Maßregel. Zweck aller Maßregeln ist unter anderem die Abwehr von Gefahren. Sie unterscheiden sich allerdings in dem erforderlichen Gefahrengrad bzw. den geschützten Rechtsgütern, in der Ursache für die Gefahr und in der Art und Weise der Gefahrenabwehr (primär durch Sicherung bei § 66, primär durch Heilung bei § 64). So dient § 63 dem Schutz der Allgemeinheit vor aufgrund psychischer Erkrankung oder Behinderung gefährlichen Tätern, gegen die wegen dieses Zustands hinsichtlich der Tat ein Schuldvorwurf nicht oder nur eingeschränkt erhoben werden kann 63 durch eine heilende oder bessernde Einwirkung auf den Täter sowie durch seine Verwahrung64 (vgl. Schöch LK § 63 Rdn. 2 ff), § 64 dient dem Schutz vor Tätern mit einem Hang zum übermäßigen Genuss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, wobei dieser Schutz in erster Linie durch Heilung erreicht werden soll (vgl. Schöch LK § 64 Rdn. 1 ff), die Sicherungsverwahrung dient dem Schutz vor Tätern mit einem Hang zu erheblichen Straftaten (mit unterschiedlichen Abstufungen zwischen §§ 66, 66a und 66b, vgl. § 66 Rdn. 143; § 66b Rdn. 142).
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Teilweise wird die Voraussetzung, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert, dahingehend definiert, ob die bei der Entscheidung getroffene Gefährlichkeitsprognose noch aufrechtzuerhalten ist. 65 Damit wird aber wohl nur ein Teil der (zunächst einmal dem Wortlaut nach) unter § 67c Abs. 1 fallenden Konstellationen erfasst. So kann z.B. der Täter nach wie vor gefährlich sein, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wäre aber aufgrund von Aussichtslosigkeit dennoch nicht erforderlich. Nach der herkömmlichen Definition des Begriffs der Erforderlichkeit fehlt sie, wenn die Maßregelvollstreckung nicht geeignet ist, den mit der Maßregel angestrebten Zweck
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Vgl. Streng Strafrechtliche Sanktionen Rdn. 664. H.M., vgl.: Lackner/Kühl § 61 Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Vor §§ 61 ff Rdn. 9; Fischer Vor § 61 Rdn. 3; (jeweils m.w.N.); vgl. zum ganzen kritisch: Streng Strafrechtliche Sanktionen Rdn. 667 ff. Kritisch dazu: Frisch ZStW 102 (1990) 707, 774 (m.w.N.); Streng Strafrechtliche Sanktionen Rdn. 670 (m.w.N.), der auf dieser
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zweiten Stufe ausreichen lassen will, dass die Anordnungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Vgl. Frisch ZStW 102 (1990) 707, 774. Vgl. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 20 m.w.N. Fischer § 63 Rdn. 2. OLG Hamm Beschl. v. 14.4.2005 - 4 Ws 101/05 (www.burhoff.de). Fischer § 67c Rdn. 3.
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zu erreichen. Sie fehlt auch dann, wenn die Maßregelvollstreckung nicht mehr notwendig ist, um den Zweck zu erreichen. Es lassen sich dementsprechend verschiedene Fallgruppen bilden, in denen der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erfordert:
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(1) Die der Gefährlichkeit zugrunde liegende Ursache für die Maßregelanordnung ist weggefallen. Der Zweck der Maßregel des § 6 3 erfordert z.B. nicht mehr die Vollstreckung, wenn der Täter von seinem geistigen Defekt geheilt ist, selbst wenn er nunmehr aufgrund seiner Betäubungsmittel- oder Alkoholabhängigkeit gefährlich ist. 6 6 Umgekehrt erfordert der Zweck der Maßregel des § 6 4 die Unterbringung in dieser Maßregel nicht mehr, selbst wenn der Täter nunmehr, aufgrund eines zwischenzeitlich eingetretenen geistigen Defektes, gefährlich sein wollte. Zur möglichen Rechtsfolge der Erledigungserklärung vgl. unten Rdn. 105 ff.
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(2) Es fehlt an der notwendigen Gefährlichkeit, d.h. es besteht zwar noch die Gefahr der Begehung zukünftiger Straftaten, aber nicht mehr der erheblicher rechtswidriger Taten (zum Begriff der Erheblichkeit vgl. Schöch LK § 63 Rdn. 7 9 ff und § 6 4 Rdn. 86 ff; § 6 6 Rdn. 143 ff) oder es fehlt die Gefährlichkeit überhaupt. Hier ist insbesondere an die Fälle zu denken, in denen eine gewisse Verbesserung des für die Anordnung der M a ß regel nach § 6 3 relevanten geistigen Defektes eingetreten ist. Ferner kann die Gefährlichkeit trotz fortbestehenden Defekts nach § 6 3 oder Hangs i.S.v. § 6 4 oder § 6 6 durch andere Faktoren (altersbedingter Rückgang der kriminellen Energie etc.) gemindert worden sein.
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Für Fälle der absoluten Ungefährlichkeit wird auch die Erledigung der Maßregel diskutiert. Nach der hier vertretenen Ansicht kommt aber nur eine Aussetzung zur Bewährung in Betracht, denn der Wortlaut erfasst auch die Fälle des Wegfalls der Gefährlichkeit und der Gesetzgeber wollte hier, anders als in den Fällen des Absatzes 2 , in denen sich der Verurteilte schon drei Jahre in Freiheit bewährt hat und demgemäß eine höhere Prognosesicherheit besteht, gerade nur eine Maßregelaussetzung gewähren (vgl. dazu näher unten Rdn. 101).
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(3) Es liegen zwar die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregeln nach § 63 oder § 6 4 (noch) vor. Gleichzeitig wären jetzt aber auch die Aussetzungsvoraussetzungen des § 67b gegeben. Das ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 67c Abs. 1. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum nach § 6 7 c Abs. 1 eine Aussetzung aufgrund besonderer Umstände i.S.v. § 6 7 b nachträglich nicht möglich sein sollte. Denn kann der Zweck der Maßregel auch durch die Aussetzung erfüllt werden (dazu § 6 7 b Rdn. 41), dann besteht eben in der Aussetzung bzw. in der mit ihr verbundenen Führungsaufsicht (§ 67c Abs. 1 S. 2) ein milderes gleich geeignetes Mittel zur Gefahrenabwendung, was die Erforderlichkeit entfallen lässt. 6 7
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(4) Dem Wortlaut nach erforderte der Zweck der Maßregel nach § 6 4 ihre VollStreckung auch in den Fällen nicht, in denen sie aussichtslos geworden ist, denn sie wäre ungeeignet zur Erreichung des Maßregelzwecks „Sicherung durch Heilung". Hier erscheint allerdings eine Erledigungserklärung analog § 67d Abs. 5 bzw. analog § 6 4 S. 2 die richtige Rechtsfolge zu sein, denn es ist nicht ersichtlich warum einerseits diese
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Zu einem weiteren Beispiel vgl. Weh MK Rdn. 7.
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Vgl. Sch/Schröder/Stree
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Rdn. 4.
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Maßregel bei Aussichtslosigkeit erst gar nicht angeordnet werden darf, bzw. ihre bereits begonnene Vollstreckung abgebrochen werden muss, hier aber - vor Beginn der Vollstreckung, nur eine Aussetzung zur Bewährung in Betracht kommen soll, die aber (bei fortbestehender Aussichtlosigkeit) gar nicht widerrufen werden könnte und die zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung der drei genannten Konstellationen der Aussichtslosigkeit führen würde (vgl. dazu weiter unten Rdn. 122 ff). 66
(5) Fraglich ist, ob auch der Fall, dass sich anlässlich der Überprüfung nach § 67c Abs. 1 nachträglich herausstellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Gefährlichkeitsprognose schon bei der Anlassverurteilung nicht vorlegen haben (z.B. ein bestimmter, die Gefährlichkeit begründender geistiger Defekt oder eine Suchtstoffabhängigkeit gar nicht vorlag - insbesondere: „Simulationsfälle")68, von § 67c Abs. 1 erfasst wird. Gleiches gilt für die Fälle, in denen das Tatgericht rechtlich fehlerhaft eine positive Gefährlichkeitsprognose gestellt hat.
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Diese Fragen stellen sich vor allem deshalb, weil § 67c Abs. 1 S. 1 seinem Wortlaut nach („noch erfordert") nahelegt, dass die Voraussetzungen jedenfalls zum Zeitpunkt der Aburteilung einmal vorgelegen haben müssen und die Rechtsfolge des § 67c Abs. 1 (Maßregelaussetzung zur Bewährung) bei jemandem, der gar nicht geisteskrank oder suchtmittelabhängig ist (bei dem also auch ein Widerruf der Maßregelaussetzung bei Rückfälligkeit nach § 67g gar nicht in Betracht käme, weil der der Widerruf zwangsläufig nicht vom Zweck der Maßregel gefordert sein kann) nicht „passt". Nach der hier vertretenen Auffassung ist in diesen Fällen nicht § 67c Abs. 1 anzuwenden,69 sondern es handelt sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine solche aus Anlass der Überprüfung nach § 67c, wobei die jeweiligen Rechtsgrundlagen und Rechtsfolgen der dann zu treffenden Entscheidung (zumeist wird eine Erledigungserklärung vorgeschlagen) umstritten sind (s. Übersicht am Anfang, Rdn. 1). Dies wird unten bei der Darstellung der Entscheidungen aus Anlass einer Prüfung nach § 67c Abs. 1 näher dargestellt (Rdn. 105 ff).
68
bb) Str. ist, ob auf den abstrakten Maßregelzweck oder aber auf den Zweck der konkreten Maßregelanordnung abzustellen ist. Die Frage wird relevant, wenn zwar der mit der Verurteilung wegen der Anlasstat festgestellte Hang oder Zustand als solcher noch vorliegt, sich aber die Art der Gefährlichkeit verschoben hat (Verurteilter ist nun in z.B. einem anderen Kriminalitätsbereich gefährlich).
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Horstkotte vertritt die Ansicht, dass die Aussetzung nach § 67c Abs. 1 S. 2 nicht mit der Begründung versagt werden dürfe, dass sich zwar die der Maßregelanordnung zu Grunde liegende Prognose nicht bestätigt habe, jedoch während des Strafvollzugs Erkenntnisse gewonnen worden seien, die eine (nach Art oder Schwere) andersartige kriminelle Aktivität befürchten ließen70 (also z.B. bei einer Maßregel nach § 64 zwar keine Beschaffungskriminalität in Form von Eigentumsdelikten, wohl aber nun unkontrollierte Gewalttätigkeiten zu erwarten sind).
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Demgegenüber vertritt Veh die Ansicht, es sei unerheblich, wenn sich das konkrete kriminelle Betätigungsfeld des Täters verlagert habe.71
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Vgl. dazu Lackner/Kühl Rdn. 3; Radtke NStZ 2 0 0 2 5 8 0 ; Schneider NStZ 2 0 0 4 649. AA (S 67c) Fischer § 6 7 c Rdn. 8. Horstkotte LK 1 0 § 6 7 c Rdn. 90; ebenso:
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 4 („die für die Maßregelanordnung maßgebliche Gefährlichkeit"). Veh MK Rdn. 7.
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Für die letztgenannte Ansicht spricht zwar der Gesetzeswortlaut. Dieser stellt auf den 71 „Zweck der Maßregel" ab. Er stellt hingegen nicht auf den Zweck der Anordnung der Maßregel ab. Andererseits müssen, damit es zu einer Maßregelanordnung kommt, die Anlasstaten Symptomcharakter haben (vgl. Schöch LK § 63 Rdn. 69, 101 ff und § 64 Rdn. 42; § 66 Rdn. 75). Ein solcher bestünde bei einer völligen Verlagerung der kriminellen Betätigung gerade nicht. Die Maßregel würde dann wegen einer Gefährlichkeit vollstreckt, die bezogen auf die begangene Anlasstat nicht zu einer Maßregelanordnung geführt hätte. Auch die Anlehnung der Formulierung an § 67b spricht eher dafür, dass nur eine bezogen auf die Anlasstat symptomhafte Gefährlichkeit die Aussetzung hindert. Ansonsten könnte das über die Aussetzung entscheidende Gericht weitergehend die Gefährlichkeit berücksichtigen als das über die Anlasstat urteilende Gericht. So misslich es auch erscheint, ggf. sehenden Auges einen gefährlichen Täter in die Freiheit entlassen zu müssen: de lege lata erscheint dies unvermeidbar. c) Erforderlichkeit: Erforderlich ist der Maßregelvollzug nur dann, wenn keine milderen, ebenso geeigneten Mittel (im Rahmen der Maßregelaussetzung, z.B. Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht) zur Verfügung stehen, um den Maßregelzweck zu erreichen.
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aa) Ob die Unterbringung noch erforderlich ist, hängt von der hierfür vorausgesetzten Gefahrenprognose ab. Der Maßstab der Prognose entspricht jeweils dem, der bei der Anordnung der Maßregel Anwendung findet. 72 Denn im Rahmen des S 67c Abs. 1 wird zum Ende des Strafvollzugs noch einmal umfassend geprüft, ob die Unterbringungsvoraussetzungen jetzt noch vorliegen (d.h. die Maßregel jetzt - auch - noch angeordnet würde). D.h. dass sowohl die Gefahrenursache als auch die Gefahrenschwelle der angeordneten Maßregelart erfüllt sein muss. Es kann daher auf die entsprechenden Ausführungen zu § 63 (Rdn. 70 ff), § 64 (Rdn. 83 ff) und § 66 (Rdn. 201 ff) verwiesen werden.
73
Kommt man im Rahmen der Prüfung des § 67c Abs. 1 zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach §§ 63, 64 gegeben sind, so ist die Maßregel dennoch zur Bewährung auszusetzen, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass ihr Zweck auch dadurch erreicht wird. Insoweit ist ein Gleichlauf mit § 67b gegeben. Es kann daher auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden.
74
Zu einzelnen Fragen der Prognoseerstellung vgl. ausf. Horstkotte LK 10 § 67c Rdn. 48 ff. Da grundsätzlich die Unterbringungsprognose neu zu stellen ist, gelten die Ausführungen zu den Prognosekriterien bei der jeweiligen Maßregelart entsprechend, vgl. Schöch LK § 63 Rdn. 70 ff; S 64 Rdn. 83 ff sowie Vor §§ 61 ff Rdn. 142 ff und Rissing-van Saan/Peglau § 66 Rdn. 126 ff. Zu beachten ist, dass bei langen Haftzeiten dem Vorleben des Täters und seinen Vortaten nur noch eingeschränkte Bedeutung zukommt. 73 Hingegen ist eine inzwischen gezeigte Therapiebereitschaft etc. wichtige Kriterien bei der Prognosestellung.74 Zu speziellen Gesichtspunkten der Entlassungsprognose bei § 63 vgl. Seifert/Möller-Mussavi/Bolten/Losch StV 2003 301 ff.
75
bb) Die Ansicht, die die Entscheidung nach § 67c Abs. 1 an die Kriterien des § 67d Abs. 2 anlehnt (vgl. oben Rdn. 47), verlangt für die Maßregelaussetzung die Erwartung,
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72 73
Horn SK Rdn. 6; Veh MK Rdn. 8. OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 1 311, 312.
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OLG Düsseldorf OLGSt Nr. 4 zu § 67c StGB.
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der Verurteilte werde außerhalb des Maßregelvollzuges keine erheblichen Straftaten mehr begehen. Diese ist dann gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens größer ist als die des Rückfalls. Zu berücksichtigten ist für das M a ß der geforderten Wahrscheinlichkeit auch die Gefahr des beim Rückfall bedrohten Rechtsgutes. 7 5 77
Die vom LG Wuppertal vertretene Ansicht 7 6 , eine Aussetzung der Maßregel komme auch dann in Betracht, wenn zwar die Vollstreckung der Strafe mangels hinreichend günstiger Prognose nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne, die anschließende Maßregelvollstreckung aber die weitere Förderung des Verurteilten und seine Mitarbeit erschwere, entbehrt in dieser Allgemeinheit einer gesetzlichen Grundlage.
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Die Frage, ob § 6 7 c Abs. 1 höhere Prognosesicherheit erfordert als § 67d Abs. 2 , dürfte sich nach Verschärfung des Wortlauts des S 67d Abs. 2 (alte Fassung: „sobald verantwortet werden kann, zu erproben") durch das SexBG vom 2 6 . 1 . 1 9 9 8 (BGBl. I, 164) erledigt haben. 7 7 5. Zeitpunkt der Prüfung und Entscheidung
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a) Allgemeines. Die Strafvollstreckungskammer muss „vor dem Ende des Vollzugs der Strafe" prüfen, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert (§ 67c Abs. 1 Satz 1).
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Mit der Prüfungspflicht geht eine Entscheidungspflicht einher. Ergibt die Prüfung, dass der Zweck der Maßregel ihre Vollstreckung nicht erfordert, ist sie zur Bewährung auszusetzen. Anderenfalls ist eine Entscheidung darüber zu treffen, dass die Unterbringung zu vollstrecken ist. Es ist also nicht so, dass das Gericht, wenn es meint, dass die Vollstreckung erforderlich ist, einfach von einer Entscheidung absehen kann. 7 8 Der Gesetzeswortlaut schreibt zwar eine Entscheidung nur im Falle einer Aussetzungsentscheidung vor, aber nicht für den Fall, dass die Maßregel zu vollstrecken ist. Nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung ist es aber so, dass eine Maßregelvollstreckung ohne eine Entscheidung nach § 6 7 c Abs. 1 grundsätzlich rechtswidrig ist und nur solange von der Grundanordnung gedeckt ist, bis eine Entscheidung nach § 67c Abs. 1 (zum rechten Zeitpunkt) ergangen ist. 7 9 Des Weiteren ist auch eine Entscheidung im Falle der Nichtaussetzung in §§ 4 6 3 , 4 5 4 Abs. 3 StPO vorausgesetzt, denn anderenfalls wäre nicht erklärbar, warum auch dem Verurteilten gegen eine Entscheidung nach §§ 4 6 3 , 4 5 4 Abs. 1 StPO das Recht der sofortigen Beschwere zustehen sollte (es gilt ja auch, in diesen Fällen die Rechtsmittelfrist in Gang zu setzen). 8 0 Schließlich ging der Gesetzgeber selbst von einer Entscheidungspflicht im Falle der erforderlichen Maßregelvollstreckung aus. 8 1 Es ist also erforderlich, auch im Falle der Nichtaussetzung eine entsprechende Entscheidung zu treffen. 8 2
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Abzustellen ist, wenn mehrere Freiheitsstrafen (aus unterschiedlichen Verfahren) vor dem Maßregelvollzug zu vollstrecken sind, auf einen einheitlichen Aussetzungszeitpunkt
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77 78 79
KG Berlin NStZ-RR 2002 138. LG Wuppertal, Beschl. v. 23.8.1991 - 2 StVK 316/91 (juris). Vgl. dazu: Horstkotte LK 10 § 67c Rdn. 47. Horstkotte LK 10 § 67c Rdn. 14. Vgl. BVerfGE 42 1, 9; BVerfG NStZ-RR 2005 187, 188; vgl. auch: BVerfG NStZ-RR 2003 169.
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Horstkotte LK 10 § 67c Rdn. 14. Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V S. 465. Ebenso: Horn SK Rdn. 4; Veh MK Rdn. 20; vgl. auch: Sondervotum des Richters Hirsch zu BVerfGE 42 1 ff, in BVerfGE 42 11, 15.
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Späterer Beginn der Unterbringung
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gem. § 454b Abs. 3 i.V.m. § 463 Abs. 1 StPO 83 (vgl. auch oben Rdn. 33 ff). Ein Grund, die Unterbrechungsvorschriften des § 454b Abs. 2 StPO bei gleichzeitig angeordneter Maßregel nicht anzuwenden, ist nicht ersichtlich.84 Einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift über § 463 Abs. 1 StPO bedarf es in diesen Fällen noch nicht einmal, da es nicht um die Vollstreckungsunterbrechung hinsichtlich der Maßregel geht, sondern unmittelbar um die der Strafe.85 Das hat dann aber die Anwendung von § 454b Abs. 3 StPO konsequenterweise zur Folge (vgl. oben Rdn. 34). b) Spätester Prüfungszeitpunkt. Da die Pflicht zur Prüfung auch eine Pflicht zur EntScheidung ist, muss das Gericht bis zum Ende des Strafvollzugs (rechtskräftig) entschieden haben; ihm ist also grundsätzlich nicht bloß aufgegeben, die Prüfung bis zum Ende des Strafvollzuges einzuleiten.86
82
Fraglich ist, was im Falle einer fehlenden (rechtskräftigen) Entscheidung vor Strafende 8 3 passiert. Nach BVerfGE 42 1, 9 ff. ist die Maßregelgrundentscheidung grundsätzlich aus verfassungsrechtlicher Sicht (Art. 2 Abs. 2, 104 GG) eine hinreichende Grundlage für die Maßregelvollstreckung bis zu einer Entscheidung des Gerichts nach § 67c. Grundrechte werden erst dann verletzt, wenn bis zum Strafende noch nicht mit der Prüfung begonnen wurde oder aber trotz rechtzeitig eingeleiteter Prüfung die Entscheidung infolge vermeidbarerer Verzögerungen nicht binnen angemessener Frist getroffen werden kann. Erfolgt eine Entscheidung nach § 67c (oder aber auch nach § 67d Abs. 2) versehentlich erst wesentlich verspätet, so ist zwar der bis dahin erfolgte Freiheitsentzug rechtswidrig. Die weitere Maßregelvollstreckung nach der Entscheidung ist hingegen nicht grundrechtswidrig.87 Der strengere Standpunkt des Richters Hirsch (abweichende Meinung in BVerfGE 42 11), wonach der Vollzug der Sicherungsverwahrung stets unzulässig ist, wenn die Prüfung (§ 67c Abs. 1) bis zum Strafende keinen Abschluss gefunden hat, hat sich nicht durchsetzen können. Demnach ist der Vollzug der Sicherungsverwahrung abweichend von § 44 Abs. 1 Satz 1 StVollstrO ausnahmsweise auch dann zulässig, wenn die Strafvollstreckungskammer bis zum Ende des Strafvollzugs zwar noch nicht nach § 67c Abs. 1 entschieden, jedoch die Prüfung, ob der Maßregelzweck noch die Unterbringung erfordert, rechtzeitig eingeleitet hat und wenn abzusehen ist, dass ihre Entscheidung, in naher Zukunft ergehen kann. 88 Diesbezüglich wird eine Frist von drei Monaten (unabhängig von einer etwaigen Vertretbarkeit der Verzögerung) vorgeschlagen.89 Ob man solche Fristen allgemeingültig aufstellen kann, erscheint zweifelhaft. So dürfte bei kürzeren Freiheitsstrafen die Ursprungsprognose eher und länger geeignet sein, den Maßregelvollzug vorübergehend auch ohne Entscheidung nach § 67c Abs. 1 zu rechtfertigen, als bei längeren Freiheitsstrafen, bei denen der Zeitpunkt der Ursprungsprognose schon weit zurückliegt und sich dementsprechend viel geändert haben kann. Die vorgeschlagene Frist bietet aber immerhin einen gewissen Anhaltspunkt. Strafrechtliche Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung ist das Urteil mit seiner freilich überprüfungsbedürftigen
83 84
85
86
KG NStZ 1990 54, 55; Veh MK Rdn. 10. OLG Hamm NStZ-RR 1997 124; Fischer KK 5 § 454b Rdn. 20; Pfeiffer5 § 454b Rdn. 6, Anders (Anwendung des § 454b über § 4 6 3 Abs. 1 StPO) offenbar Fischer KK 5 § 454b Rdn. 2 0 ; vgl. auch: OLG Hamm NStZ 1988 430. Vgl. OLG Koblenz OLGSt Nr. 2 zu § 67c; Horn SK Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Veh MK Rdn. 11 f.
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89
BVerfG NStZ-RR 2 0 0 5 187, 188. KG Berlin Beschl. v. 15.6.2007 - 2 Ws 3 6 0 , 3 7 3 / 3 7 7 , 3 8 1 / 0 7 = BeckRS 2007, 12325; OLG Düsseldorf NJW 1993 1087; OLG Hamm JMB1NRW 1975 2 2 4 ; Horn SK Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Veh MK Rdn. 12; aA Pollähne/Böllinger NK Rdn. 15; vgl. ferner: OLG Koblenz M D R 1980 1039. Horn SK Rdn. 4; Horstkotte LK 1 0 § 6 7 c Rdn. 29.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
und deshalb nur für wenige Monate tragfähigen Gefährlichkeitsprognose. In der Rechtsprechung wurde jedenfalls ein Zeitraum von zehn Monaten bzw. zwei Jahren, der zum Teil auf vermeidbare Fehler zurückzuführen ist, als zu lang bewertet.90 84
Die Sicherungsverwahrung (Gleiches muss aber auch für die anderen freiheitsentziehenden Maßregeln gelten) darf hiernach nicht vollstreckt werden, wenn an dem Tage, an dem die Strafe verbüßt ist, das Prüfungsverfahren (§ 67c Abs. 1) noch nicht begonnen hat, die Akten der Strafvollstreckungskammer also noch nicht zur Prüfung vorliegen; in solchen Fällen rechtfertigt eine spätere Vorlage der Akten an die Strafvollstreckungskammer die Maßregelvollstreckung nicht ex tunc, wohl aber (nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BVerfG) ex nunc.
85
In der Vorauflage vertrat Horstkotte die Ansicht, dass die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung auch dann unzulässig sei, wenn weder die Strafvollstreckungsbehörde noch die Strafvollstreckungskammer die Verzögerung zu vertreten hat. 91 Das Kriterium der Vertretbarkeit sei zu unbestimmt, als dass es Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit der Maßregel sein könnte. Denn der Maßregelvollzug ohne vorausgegangene Entscheidung nach ξ 67c Abs. 1 könne nur mit dem pragmatischen Gesichtspunkt gerechtfertigt werden, dass der Abschluss der Prüfung nahe bevorsteht und dementsprechend binnen kurzer Zeit eintritt. Nur unter dieser Voraussetzung wiege der Nachteil, der mit einer Freilassung verbunden wäre, die Bedenken auf, die sich dagegen richten müssen, dass dem Verurteilten die Freiheit allein auf Grund der Maßregelanordnung, also auf Grund einer lange zurückliegenden und deshalb korrekturbedürftigen Gefährlichkeitsprognose entzogen wird. Verfassungsrechtlich ist eine derartige Auslegung nach der Rechtsprechung des BVerfG jedenfalls nicht geboten. Danach kommt es schon darauf an, ob die Verzögerung auf einem „Versehen" oder auf „Gleichgültigkeit"92 bzw. „vermeidbaren Fehlern oder Verzögerungen"93 beruht.
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In der Übergangszeit zwischen dem Strafende und der kurzen Zeit danach ergehenden Entscheidung der Strafvollstreckungskammer nach § 67c Abs. 1 befindet sich der Täter vollstreckungsrechtlich im Maßregelvollzug, nicht etwa im Strafvollzug, für den es seit dem Strafende an einer Rechtsgrundlage fehlt. Ob Zweckmäßigkeitsgründe es rechtfertigen können, den Verurteilten dennoch weiter in einer Strafvollzugseinrichtung und nicht in einer solchen Maßregelvollzugs festzuhalten, wenn begründete Aussicht auf eine Aussetzungsentscheidung besteht (so Horstkotte LK 10 § 67c Rdn. 31) erscheint zweifelhaft. Es wäre inkonsequent, einerseits die ursprüngliche Maßregelanordnung als Vollstreckungsgrundlage für die Übergangszeit anzusehen, dann aber - ohne dass das Gesetz entsprechende Überweisungs- oder Änderungsmöglichkeiten, vergleichbar denen der §§ 67, 67a vorsieht - den Verurteilten weiter im Strafvollzug festzuhalten.
87
Eine Entschädigung nach § 1 StrEG wird weder im Falle einer Anordnung, dass die Maßregel zu vollstrecken ist noch bei verspäteter Aussetzungsentscheidung gewährt, weil die rechtskräftige Anordnung der Maßregel bestehen bleibt.
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Die Vollstreckung der Maßregel ist auch dann zulässig, wenn der Verurteilte gegen die rechtzeitig (bis zum Ende des Strafvollzuges oder unter den vorstehend bezeichneten Voraussetzungen in den ersten drei Monaten danach) ergangene Entscheidung (§ 67c Abs. 1) sofortige Beschwerde (§ 463 Abs. 3 i.V. mit § 454 Abs. 2 Satz 1 StPO) eingelegt
90
KG Berlin Beschl. v. 15.6.2007 - 2 Ws 360, 373/377, 381/07 = BeckRS 2007, 12325; OLG Düsseldorf NJW 1993 1087.
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Horstkotte LK 1 0 § 67c Rdn. 29. BVerfG NStZ-RR 2 0 0 5 187, 188. BVerfGE 4 2 1 , 1 1 .
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
hat. Sein Rechtsmittel hemmt nicht den Vollzug einer Entscheidung, nach der die Maßregel zu vollstrecken ist (§ 3 0 7 Abs. 1 StPO). Hat die Strafvollstreckungskammer entschieden, dass die Maßregel zur Bewährung ausgesetzt wird (§ 67c Abs. 1 Satz 2), so hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft aufschiebende Wirkung (§ 4 6 3 Abs. 3 i.V. mit § 4 5 4 Abs. 3 S. 2 StPO). Hat in diesem Falle der Maßregelvollzug schon begonnen, so wird er zunächst fortgesetzt; endet die Strafzeit nach Einlegung des Rechtsmittels, aber vor der Entscheidung, so hat der Maßregelvollzug zu beginnen. Auch in den Fällen, in denen sich die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft auswirkt, darf die nicht von einer gerichtlichen Entscheidung gedeckte Unterbringung nur kurzfristig, d.h. für wenige Monate (oben Rdn. 83), andauern; eine eigene Rechtsgrundlage für den Maßregelvollzug begründet die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels nicht.
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c) Frühester Prognosezeitpunkt. Das Gesetz bestimmt nicht ausdrücklich, wann die Prüfung nach § 67c Abs. 1 Satz 1 frühestens erfolgen darf; die Formulierung „vor dem Ende des Vollzugs der Strafe" besagt nicht, wie groß der Abstand zwischen der Prüfung und dem Ende des Strafvollzugs sein darf. Die Materialien sind dazu unergiebig. 94 Die Frage ist nach dem Zweck der Vorschrift zu beantworten: Die Prüfung soll ergeben, ob die Unterbringung nach dem Ende des Strafvollzugs mit Rücksicht auf den Maßregelzweck noch erforderlich ist; sie soll die dem Urteil zugrunde liegende Prognose auf Grund der später gesammelten Erkenntnisse ergänzen. Die Prüfung ist daher erst sinnvoll, wenn sich sicherer als im Urteilszeitpunkt beurteilen lässt, ob die Aussetzung verantwortet werden kann. Für die Bestimmung des frühesten Prüfungszeitpunkts ist hiernach nicht allein auf die Prüfung, sondern auch auf die mit ihr verbundene Entscheidung abzustellen. Diese darf von dem Ende der (voll oder nur nach Maßgabe des § 5 7 verbüßten) Strafe nicht soweit entfernt sein, dass in der Zwischenzeit noch mit Ereignissen und neuen Erkenntnissen gerechnet werden muss, die die Prognose maßgeblich ändern. 95 Eine verfrühte Entscheidung ist, wenn sie die Aussetzung ablehnt, zwar korrigierbar; doch entfaltet sie eine faktische Wirkung, die vermieden werden sollte.
90
Der frühest mögliche Prüfungszeitpunkt darf nicht so spät liegen, dass mit einer (rechtskräftigen) Entscheidung vor Ende des Strafvollzuges nicht mehr zu rechnen ist (vgl. oben Rdn. 83 f). Bei der Bestimmung des richtigen Prüfungszeitpunkts ist neben dem Strafende, das sich insbesondere aus § 5 7 ergeben kann, die voraussichtliche Dauer des Prüfungsverfahrens zu beachten. Dabei sind die Umstände des Falls zu berücksichtigen, insbesondere die Zeit, die die Begutachtung durch einen Sachverständigen in Anspruch nehmen wird. Zum Prüfungsverfahren gehört auch das Beschwerdeverfahren; auch wenn die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer nicht den Maßregelvollzug ausschließt, sollte die Entscheidung nach § 67c Abs. 1, soweit irgend möglich, bei Ende der Strafzeit schon rechtskräftig sein. 9 6 Auf die Dauer des Prüfungsverfahrens kann sich der Umstand auswirken, dass bei der Entscheidung nach § 67c Abs. 1 die Lebensverhältnisse zu beachten sind, in die der Verurteilte nach seiner Entlassung kommen wird. Diese Lebensverhältnisse müssen bei der Vorbereitung der Entscheidung erkundet werden. Oft genügt die bloße Feststellung solcher Verhältnisse nicht. Zur Vorbereitung einer positiven Aussetzungsentscheidung kann
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Vgl. Begr. zu § 105 Abs. 3 E 1962 („rechtzeitig vor dem Ende des Strafvollzuges"). BVerfG NStZ-RR 2 0 0 3 169, 170; OLG Stuttgart NStZ 1988 45; Fischer Rdn. 4.
96
OLG Düsseldorf N J W 1974 198 m. abl. Anmerkung Maetzel N J W 1974 614; OLG Hamm GA 1972 373, 374; Horn SK Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Veb MK Rdn. 11.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
auch gehören, dass die Lebensverhältnisse, die eine Aussetzung verantwortbar machen, erst hergestellt werden. Dazu können Vorkehrungen für Unterkunft, Beschäftigung, Schuldenregelung und individuelle Nachbetreuung gehören. 9 7 Ob man allerdings - wie noch in der Vorauflage vertreten - sagen kann, dass die Herstellung solcher Lebensverhältnisse (über den Bereich der Erteilung entsprechender Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht im Entlassungsfalle hinaus) zum Verantwortungsbereich der Strafvollstreckungskammer gehört, ist eher zweifelhaft. Was zum Verantwortungsbereich der Strafvollstreckungskammer gehört, ist gesetzlich geregelt. Bei den gesetzlichen Regelungen handelt es sich im Wesentlichen um bestimmte Prognoseentscheidungen (vgl. § 462a Abs. 1 StPO). 9 8 Die Voraussetzungen für eine günstige Prognoseentscheidung muss hingegen in erster Linie der Verurteilte selbst, ggf. mit Hilfe des Strafvollzuges herbeiführen. Die Strafvollstreckungskammer kann bestenfalls die Umstände benennen, die für eine günstige Prognoseentscheidung vorliegen müssten. Im Übrigen kann das Gericht nur über das Verfahren nach § 109 StVollzG steuernd auf den Strafvollzug einwirken. Soweit eine solche Gestaltung der Lebensverhältnisse nach den Umständen in Betracht kommt, kann für das Prüfungsverfahren eine vergleichsweise längere Zeit angesetzt werden. Auch diese darf aber nicht so lange vor der Entlassung liegen, dass eine verlässliche Entlassungsprognose noch nicht möglich ist bzw. mit einer Veränderung der Prognoseumstände noch zu rechnen ist. 92
Der späte Termin der Aussetzungsentscheidung kann die notwendige Entlassungsvorbereitung erschweren. Abgesehen von den Schwierigkeiten, die schon durch die Ungewißheit über die endgültige Entscheidung begründet werden, fällt die Belastung ins Gewicht, die im Strafvollzug von Anfang an schon mit der Anordnung der Maßregel verbunden ist: Die Verwaltungsvorschriften ( W ) zum StVollzG (abgedruckt bei Calliess/ Müller-Dietz StVollzG 10 zu den jeweiligen Vorschriften) schließen z.B. Strafgefangene, gegen die eine freiheitsentziehende Maßregel angeordnet worden ist, vom offenen Vollzug, von Außenbeschäftigung, Freigang, Ausgang und Urlaub aus ( W zu § 10 - Abs. 1 Nr. 1 d - ) .
93
Etwaige Härten für den Verurteilten, die darin bestehen, dass in dem kürzeren Zeitraum hinreichende Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung, wie z.B. Umschulungsmaßnahmen, hinreichende Urlaube etc. nicht mehr möglich sind, sind im Hinblick auf den Sicherungszweck der Maßregel und der Regelung des § 67c Abs. 1 hinzunehmen." Eine wesentlich weitere Ausdehnung der Zeitspanne zwischen der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung und dem Entlassungszeitpunkt (etwa auf ein Jahr und mehr) ist nicht möglich. Zwar sprechen Gesichtspunkte der Berufsausbildung und andere Erfordernisse der Wiedereingliederung vielfach dafür, dem Verurteilten und der Vollzugsbehörde schon wesentlich früher Gewissheit über die bevorstehende Entlassung zu verschaffen. 100 Doch hat das durch den Maßregelzweck bestimmte Bedürfnis nach größtmöglicher prognostischer Zuverlässigkeit der Entlassungsentscheidung Vorrang: Eine derart lange
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98 99 100
Zu den Entlassungsvorbereitungen vgl. Kaiser/Schöch Strafvollzug5 § 13 Rdn. 2 0 ff. m.w.N. Vgl. auch: Peters GA 1977 97, 101. OLG Düsseldorf N J W 1973 198, 199. Vgl. LG Bonn JMB1NW 1976 2 4 9 : Ausset-
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zungsentscheidung drei Jahre vor Strafende, um dem Verurteilten die Teilnahme an Berufsförderungsmaßnahmen und am gelockerten Vollzug zu ermöglichen; vgl. auch OLG Köln JMB1NW 1977 77.
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
vor dem Ende des Strafvollzugs (bzw. vor dem nach § 5 7 in Betracht kommenden Entlassungszeitpunkt) liegende Entscheidung ist grundsätzlich nicht möglich. 1 0 1 Von den sozialen Hilfen, die zur Vorbereitung der Entscheidung über die Maßregelaussetzung zu leisten sind, unterscheiden sich Hilfen, die nach der Entscheidung, aber vor der Entlassung gewährt werden. Es handelt sich dabei um Maßnahmen, die sinnvollerweise erst getroffen werden können, wenn die Aussetzung der Maßregel feststeht. Sie sind in nahezu allen Fällen notwendig. Zwar wird die Strafvollstreckungskammer vielfach schon vor ihrer Entscheidung wissen müssen, welche praktischen Möglichkeiten für die Wiedereingliederung im Hinblick auf Arbeit und Unterkunft bestehen. Bindende Vereinbarungen wegen des Arbeitsplatzes und der Unterkunft des Verurteilten können jedoch häufig erst getroffen werden, wenn die Entlassung feststeht; sie sollten andererseits vor der Entlassung stattfinden. Der zum Teil nicht unerhebliche Zeitbedarf für solche Vorbereitungen steht in einer Spannung zu dem Erfordernis, die Aussetzungsentscheidung im Interesse prognostischer Sicherheit so spät wie möglich zu treffen. Wegen der besonderen Schwierigkeiten, die bei der Wiedereingliederung der zu Sicherungsverwahrung Verurteilten bestehen, sollte die Entscheidung nach § 67c Abs. 1 trotz der zu Rdn. 90 genannten, für eine möglichst späte Entscheidung sprechenden Gesichtspunkte so rechtzeitig getroffen werden, dass zwischen ihrer Rechtskraft und dem Entlassungszeitpunkt (Strafende oder Strafaussetzung nach § 57) noch ein Zeitraum von etwa drei bis vier Wochen liegt.
94
Eine generelle Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Prüfung und Entscheidung nach § 67c Abs. 1 frühestens zulässig ist, ist demnach nicht möglich. Es kommt immer auf die Umstände des einzelnen Falls an. 1 0 2 In der Rechtsprechung wurde ein Zeitraum von einem Jahr 1 0 3 bzw. von gut acht Monaten 1 0 4 vor Strafende als zu lang bewertet. Das BVerfG hat eine Entscheidung ein Jahr vor Strafende noch als zulässig erachtet, weil im konkreten Fall nicht mehr mit Ereignissen und neuen Erkenntnissen, die auf die Aussetzungsentscheidung Einfluss nehmen konnten, zu rechnen war. 1 0 5 Regelmäßig werden sechs Monate 1 0 6 , in einfach gelagerten Fällen drei Monate 1 0 7 , als ausreichend erachtet.
95
Prüfungsanträge, die mehr als eine bestimmte Zeitspanne (2 Jahre) vor dem vorausgesetzten Strafende gestellt werden, sind allein wegen dieses Zeitabstandes als unzulässig zu verwerfen. 108 Mangels gesetzlicher Grundlage ist das Gericht nicht befugt, eine Frist (vgl. § 67e Abs. 3 Satz 2) zu setzen, vor deren Ablauf ein weiterer Antrag auf Prüfung nach § 67c Abs. 1 unzulässig ist.
96
Im Regelfall wird mit der Prüfung nach § 67c Abs. 1 etwa sechs Monate vor dem in Betracht kommenden Entlassungszeitpunkt zu beginnen sein, also wesentlich früher als mit dem Prüfungsverfahren nach § 5 7 Abs. 1. Kommt eine Aussetzung der Maßregel im Zeitpunkt der Aussetzung des Strafrests (§ 57) in Betracht, so ist die Prüfung nach § 5 7 derart vorzuverlegen, dass sie mit der in § 67c Abs. 1 vorgeschriebenen Prüfung zusammenfällt.
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101
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OLG Düsseldorf N J W 1974 198; OLG Hamm GA 1972 3 7 3 ; OLG Köln JMB1NW 1977 77; Fischer Rdn. 4; aA LG Bonn aaO; Maetzel N J W 1974 614; vgl. auch: Sch/Schröder/Stree Rdn. 5. OLG Stuttgart NStZ 1988 4 5 f. OLG Koblenz OLGSt Nr. 2 zu § 67c. OLG Düsseldorf N J W 1974 198. BVerfG NStZ-RR 2 0 0 3 169, 170.
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OLG Dresden StraFo 2 0 0 5 391 (zu § 67e); OLG Düsseldorf StV 2 0 0 0 2 6 9 ; StraFo 1997 83; OLG Stuttgart NStZ 1988 45, 46; LG Traunstein NStZ-RR 1996 94. LG Traunstein NStZ 1996 94. OLG Düsseldorf StV 2 0 0 0 269, 2 7 0 (2 Jahre vor Entlassung); N J W 1974 198, 199 (8 1/2 Monate vor Entlassung); OLG Hamm GA 1972 3 7 3 (1 Jahr vor Entlas-
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Ein Antrag des Verurteilten, die Prüfung nach § 67c Abs. 1 einzuleiten und auf Grund dieser Prüfung die Unterbringung zur Bewährung auszusetzen, ist demnach spätestens sechs Monate vor dem Strafende oder vor dem in § 5 7 bestimmten Zeitpunkt zulässig; bringt der Verurteilte Gesichtspunkte vor, die eine besonders umfangreiche Prüfung erforderlich machen, so ist auch ein einige Monate früher eingereichter Antrag als zulässig zu behandeln.
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d) „Ende des Vollzugs der Strafe" (§ 67c Abs. 1 Satz 1) ist nicht erst die volle Verbüßung der Strafe, sondern schon der Zeitpunkt der Aussetzung des Strafrests nach § 5 7 1 0 9 : Diese Gesetzesauslegung liegt § 4 4 Abs. 1 StVollstrO zugrunde; von ihr geht auch die Rechtsprechung aus, nach der über die Aussetzung der Maßregel und des Strafrests einheitlich zu entscheiden ist. 1 1 0 Bei mehreren vor der Maßregel zu vollstreckenden Freiheitsstrafen kommt es auf den einheitlichen Zweidrittel- oder Halbstrafen-Zeitpunkt gem. § 454b Abs. 3 StPO an (vgl. oben Rdn. 34). Allerdings wird sich eine Entscheidung nach § 67c Abs. 1 erübrigen, wenn das Gericht zu der Überzeugung kommt, dass die Aussetzung des Strafrestes (noch) nicht in Betracht kommt (es sei denn, der Strafrest ist so gering, dass bereits ohnehin jetzt der o.g. Prüfungszeitraum - auch bezogen auf das Strafende - eröffnet ist). Bei lebenslanger Freiheitsstrafe kommt eine Prüfung der Maßregelaussetzung dementsprechend vor Ablauf von 15 Jahren Strafverbüßung oder vor Ablauf des von der StVK festgelegten darüberhinausgehenden Vollstreckungszeitraums (vgl.: BVerfGE 86 288, 331) in Betracht.
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Wird der Rest der mit der Maßregel verhängten Strafe gnadenweise erlassen und hat der Gnadenträger es versäumt, auch die Maßregel in die Gnadenentscheidung einzubeziehen, so ist die Prüfung nach § 67c Abs. 1 so rechtzeitig einzuleiten, dass die Entscheidung nach § 67c Abs. 1 mit der Entlassung wirksam werden kann. 6. Entscheidungsinhalte
101
a) Entscheidung nach § 67c Abs. 1: Hält das Gericht eine Vollstreckung der Maßregel nicht für erforderlich, so setzt es sie zur Bewährung aus. Eine Erklärung der Maßregel für erledigt ist in diesen Fällen gesetzlich nicht vorgesehen, weil der vorangegangene Strafvollzug noch keine hinreichende Prognosegrundlage für eine derartige Entscheidung bietet. 111
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Mit der Rechtkraft der Aussetzungsentscheidung oder zu einem gerichtlich angeordneten späteren Zeitpunkt (vgl. § 68c Abs. 4) tritt Führungsaufsicht ein.
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sung); OLG Köln JMBINW 1977 7 7 (3 Jahre vor Entlassung); vgl. ferner: OLG Koblenz MDR 1975 241 m. zust. Anm. Sack. Horn SK Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 1; Fischer Rdn. 4; Veh MK Rdn. 10; vgl. auch: Maelzel N J W 1974 614. OLG Hamburg OLGSt Nr. 3 zu § 78b GVG; OLG Hamm NStE Nr. 6 zu § 67c StGB; MDR 1977 3 3 4 ; OLG Karlsruhe Die Justiz 1 9 7 7 4 6 4 , 1980 359, MDR 1981 8 6 7 ; OLG Frankfurt N J W 1980 2535, 2536;
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OLG Stuttgart MDR 1975 241; Veh MK Rdn. 2 3 ; Lackner/Kühl § 5 7 Rdn. 21; Fischer § 5 7 Rdn. 11; einschränkend: Gribbohm LK 1 1 § 5 7 Rdn. 2 2 ; aA: LG Wuppertal Beschl. v. 1.10.1992 - 2 StVK 450/92 (juris). Lackner/Kühl Rdn. 3; Veh MK Rdn. 13; aA: OLG Hamm NStZ 1982 3 0 0 ; Müller Anordnung und Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung S. 119.
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
Es sind dann die entsprechenden Entscheidungen zur Führungsaufsicht zu treffen (vgl. dort). Die Strafvollstreckungskammer kann sie vor Ablauf der Mindestdauer von zwei Jahren nach der klaren und gewollten Entscheidung des Gesetzes (vgl. die Vorbemerkungen zur Entstehungsgeschichte) nicht aufheben (§ 68e Abs. 1 Satz 2). Die vereinzelt vorgeschlagene entsprechende Anwendung des § 67c Abs. 2 Satz 5 1 1 2 scheitert an der eindeutigen Aussage des Gesetzes und ist, da die mit der Führungsaufsicht verbundenen Belastungen auf ein Minimum herabgesetzt werden können, auch nicht durch den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geboten.113
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Hält das Gericht die Vollstreckung der Maßregel für erforderlich, so ordnet es an, dass die Maßregel zu vollstrecken ist. 114 Die Entscheidung, dass die Maßregel nicht ausgesetzt wird, ist Voraussetzung für die Vollstreckung der Unterbringung, die ohne die Entscheidung (jedenfalls auf die Dauer) unzulässig wäre, und zwar selbst dann, wenn die Notwendigkeit des Maßregelvollzuges klar zutage liegt. Wegen des Zeitpunkts, zu dem spätestens zu entscheiden ist, vgl. BVerfGE 42 1 sowie Rdn. 82 ff. Der Tenor der Entscheidung, mit der der Maßregelvollzug angeordnet wird, ist zweckmäßigerweise positiv in dem Sinne zu fassen, dass die Unterbringung zu vollstrecken sei. Ausreichend, wenn auch weniger anschaulich, ist die negative Fassung, dass die Vollstreckung der Unterbringung nicht zur Bewährung ausgesetzt oder der Antrag auf Aussetzung zurückgewiesen wird.
104
b) Entscheidungen aus Anlass einer Prüfung nach § 67c Abs. 1: Von den soeben dargestellten Entscheidungsmöglichkeiten nach § 67c Abs. 1 sind die, die anlässlich einer Prüfung nach § 67c Abs. 1 bestehen, zu trennen. Es gibt verschiedene Fallgruppen, in denen eine Erklärung der Maßregel für erledigt diskutiert wird 115 , wobei sich diese in erster Linie auf eine Maßregel nach § 63 bezieht. Der empirische Teil der Untersuchung von Bechtholdt zeigt, dass in der Praxis zwar nicht bezüglich des Ergebnisses (Erledigungserklärung), wohl aber bzgl. der rechtlichen Einordnung (auf die in einem nicht unerheblichen Teil der Entscheidungen ganz verzichtet wird) Unsicherheiten bestehen.116 Übersichtshalber seien hier die verschiedenen Fallgruppen noch einmal genannt:
105
- Voraussetzungen der §§ 20, 21, 63, 64 liegen nicht (mehr) vor (dazu unten aa) und bb). - Unterbringung wäre unverhältnismäßig (dazu unten cc). aa) In Fällen, in denen ausnahmsweise (§ 67 Abs. 2) die Strafe vor einer gleichzeitig 1 0 6 angeordneten Unterbringung nach § 63 vollzogen worden ist, stellt sich bei der Prüfung nach § 67c Abs. 1 die Frage, ob die Maßregel noch vollstreckt werden darf, wenn sich ergibt, dass die Voraussetzungen der §§ 20, 21, 63 nicht (mehr) vorliegen. (1) Dabei kommt zunächst in Betracht, dass diese Voraussetzungen tatsächlich nie vorgelegen haben (die Entscheidung also hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen falsch ist) oder aber trotz NichtVorliegens der Voraussetzungen aufgrund fehlerhafter rechtlicher Bewertung eine Unterbringungsanordnung getroffen wurde.
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113
Müller Anordnung und Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung S. 119 ff. Abw. de lege ferenda Grünwald ZStrW 76 [1964] S. 633, 661.
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116
Horn SK Rdn. 16. Vgl. umfassend: Bechtholdt S. 4 9 ff; Schneider NStZ 2 0 0 4 6 4 9 f. Vgl. Bechtholdt S. 151 ff.
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Zum ersten Unterfall gehören z.B. „Simulationsfälle" und sonstige Einweisungen aufgrund von Fehldiagnosen.117 Zum zweiten Unterfall zählen die Fehlentscheidungen bei zutreffend zugrunde gelegter Tatsachengrundlage.
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Vor Einführung des § 67d Abs. 6 im Jahre 2004 vertrat Horstkotte die Ansicht, dass wenn das erkennende Gericht den in § 63 i.V. mit §§ 20, 21 vorausgesetzten krankhaften oder krankheitsähnlichen Zustand zu Unrecht angenommen hatte und künftige Taten nicht infolge eines solchen Zustandes drohen, die Maßregel für erledigt zu erklären und der Verurteilte nach Verbüßung der Freiheitsstrafe zu entlassen sei. Führungsaufsicht trete dann abweichend von § 67c Abs. 1 S. 2 nicht ein. 118 Zur Begründung wurde auf eine Übertragung der Rechtsprechungspraxis zur Erledigungserklärung bei bereits begonnener Maßregelvollstreckung (also eigentlich die Fallkonstellationen des § 67d betreffend) verwiesen. Diese befürwortete in den Fällen, in denen sich im Verlauf der Maßregelvollstreckung herausstellte, dass die Voraussetzungen der Maßregel bereits anfänglich nicht vorlagen, überwiegend eine entsprechende Anwendung des § 67c Abs. 2 S. 5, 119 allerdings teilweise nicht für den Fall, in dem die Unterbringungsanordnung auf Fehlern im rechtlichen Bereich bei zutreffend ermittelter Tatsachenbasis beruht. 120 Die vorgeschlagene Übertragung der Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung des § 67c Abs. 2 S. 5 nach begonnenem Maßregelvollzug ist damit gleichsam eine doppelte Analogie.121
110
Hingegen wird von anderen (z.T. noch unter Zugrundelegung der Rechtslage vor Schaffung des § 67d Abs. 6) eine Möglichkeit, die Maßregel auch im Rahmen der Prüfung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 1 entsprechend Absatz 2 S. 5 bereits zu diesem Zeitpunkt für erledigt zu erklären, abgelehnt. 122 Sie weisen auf die gesetzgeberische Erwägung hin, dass anders als nach drei Jahren in Freiheit (Fall des Absatzes 2) noch kein endgültiges Urteil über die Verzichtbarkeit der Maßregel möglich und dementsprechend in Absatz 1 auch nicht vorgesehen worden sei. Es fehle insoweit also bereits an der Analogievoraussetzung einer planwidrigen Regelungslücke, aber auch an der Vergleichbarkeit der Interessenlage.123 Außerdem wurde kritisiert, dass die Erledigterklärung in diesen Fällen „eine einseitige Urteilskorrektur zu Gunsten des Täters und zu Lasten der Sicherheit der Bevölkerung" darstellt. 124
111
Eine weitere Ansicht hielt bisher den Weg über das Wiederaufnahmeverfahren bei derartigen Fallkonstellationen für die dogmatisch richtige Lösung. 125 Vereinzelt finden sich auch Stimmen, die eine Erledigungserklärung im Rahmen der Prüfung des § 67c Abs. 1 (mit Ausnahme der fehlenden Erfolgsaussicht i.S.d. § 67d Abs. 5) generell ablehnen.126
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Radtke NStZ 2 0 0 2 5 8 0 ; Schneider NStZ 2 0 0 4 649. Horstkotte LK 1 0 § 67c Rdn. 9, u.a. unter Berufung auf: OLG Frankfurt NJW 1978 2 3 4 7 ; OLG Hamm NStZ 1982 3 0 0 ; OLG Karlsruhe MDR 1983 151; OLG Celle 1 WS 190/79 vom 7.12.1979 (alle zu § 67d Abs. 2). OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 58, 59; NStZ 1993 2 5 2 ; NJW 1978 2 3 4 7 ; OLG Hamm NStZ 1982 3 0 0 ; OLG Zweibrücken NStZ 2 0 0 1 54, 55; Horn SK Rdn. 9; Lackner/Kübl Rdn. 3 (ohne Nennung einer Rechtsgrundlage); Bode S. 123; Markwardt S. 125, 138; Loos NStZ 1993 2 5 2 , 2 5 5 ; vgl.
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auch: BGHSt 4 2 306, 310; BVerfG NJW 1995 2 4 0 5 , 2 4 0 6 . OLG Frankfurt NStZ 2 0 0 3 2 2 2 , 2 2 3 f; möglicherweise auch: Horn SK Rdn. 9. Kritisch dazu bereits: Bechtholdt S. 173 ff. Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; Veh MK Rdn. 13. Bechtholdt S. 183; Radtke ZStW 110 (1998) S. 297, 3 0 5 f. Markwardt Reformbedürftigkeit des Maßregelrechts S. 125, 138. Bechtholdt S. 210; Radtke ZStW 110 (1998) S. 297, 3 0 9 ; vgl. de lege ferenda auch: Markwardt S. 125, 139 f. Veh MK Rdn. 13.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
Inzwischen hat der Gesetzgeber die früher h . M . allerdings in § 67d Abs. 6 kodifiziert 1 2 7 , so dass sich die Frage einer Analogie zu § 6 7 c Abs. 2 S. 5 jedenfalls für den Fall, dass sich das NichtVorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen während der Maßregelvollstreckung herausstellt (also in den Fallkonstellationen des § 67d), nicht mehr stellt (vgl. dazu § 67d Rdn. 4 2 ff). Die von der Rechtsprechung vorgenommene Analogie zu § 67c Abs. 2 S. 5 in den Fällen der bereits begonnenen Maßregelvollstreckung hat sich erübrigt, womit auch der oben geschilderten Doppelanalogie der Boden entzogen ist.
112
Nunmehr ist die Maßregel, wenn sich zum Zeitpunkt der Prüfung des § 67c Abs. 1 herausstellt, dass der erforderliche Zustand i.S.d. § 63 StGB nicht (mehr) vorliegt, analog § 67d Abs. 6 unter den dortigen Voraussetzungen (vgl. § 67d Rdn. 4 2 ff) für erledigt zu erklären sein. 1 2 8 Die Heranziehung einer neuen, anderen Rechtsgrundlage für die Analogie ist nicht nur rein theoretischer Natur. Denn bei einer Erledigung nach § 67d Abs. 6 tritt grundsätzlich Führungsaufsicht ein. Ihr Nichteintritt muss vom Gericht besonders angeordnet werden.
113
Eine planwidrige Regelungslücke, die zur analogen Anwendung des (neuen) § 67d Abs. 6 führt, liegt vor. Die Gesetzesformulierung in § 6 7 c Abs. 1 „ n o c h erfordert" verdeutlicht, dass die Vorschrift nur Fälle betrifft, in denen bei der Grundanordnung jedenfalls die Voraussetzungen für die Maßregel einmal vorgelegen haben. Die Vorschrift erfasst also die Fälle nicht, in denen dies bereits anfänglich nicht der Fall war. An der Planwidrigkeit könnte man allenfalls deshalb zweifeln, weil der Gesetzgeber des § 67d Abs. 6 keine entsprechende Regelung bei § 67c Abs. 1 geschaffen hat und damit womöglich die Lücke gleichsam in seinen Willen aufgenommen hat. Darauf geben allerdings die Materialen keine Hinweise.
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Die Interessenlage des § 67d Abs. 6 (Erkennen des NichtVorliegens der Unterbringungsvoraussetzungen nach begonnenen Maßregelvollzug) und die bei Erkennen des (anfänglichen) NichtVorliegens der Unterbringungsvoraussetzungen vor Beginn des M a ß regelvollzuges sind vergleichbar. Ein Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Fälle, in denen das (anfängliche) Nichtvorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen erst nach Beginn der Maßregelvollstreckung erkannt wird, und der Fälle, in denen dies im Rahmen der Entscheidung nach § 67c Abs. 1 entdeckt wird, ist nicht ersichtlich. Nach § 67d Abs. 6 soll für das Gericht nur relevant sein, was jetzt ist, nicht aber warum es so ist. 1 2 9 Dieser Gedanken ist auf § 67c Abs. 1 übertragbar, denn ansonsten bliebe in den Fällen des anfänglichen Fehlens der Unterbringungsvoraussetzungen nur die Möglichkeit der Maßregelaussetzung zur Bewährung, welche aber bei Verstößen nie widerrufen werden könnte, da der Zweck der Maßregel ja ohnehin nicht erreicht werden kann (vgl. § 6 7 g ) , 1 3 0 vielmehr die Unterbringung dann eine reine Sicherungsverwahrung darstellen würde. 1 3 1 Zusammengefasst spricht daher einiges für einen Gleichlauf der Rechtsfolgen bei einer Entscheidung nach Beginn der Maßregelvollstreckung und davor. Es macht schließlich keinen Sinn, müsste man nur Zwecks Herbeiführung einer Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 die Maßregel zunächst „anvollstrecken".
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BTDrucks. 15/2887 S. 14. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 22. AA: OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 252 (zu § 67d Abs. 6 für den Fall, dass die Fehleinweisung auf reinen Rechtsfehlern des Tatrichters beruht).
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Vgl. OLG Karlsruhe Die Justiz 1982 25; Frisch ZStW 102 (1990) S. 707, 770 Fn. 164. Vgl. BVerfG NJW 1995 2405, 2406.
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S 67c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Beruht die Anordnung der Unterbringung allerdings auf einer rechtlich fehlerhaften Handhabung der Regelungen der §§ 63, 6 4 , so kommt nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht keinesfalls eine Erledigungserklärung in Betracht. Dem stünden Gründe der Rechtssicherheit (Art. 2 0 Abs. 3 GG) entgegen. 1 3 2 Für die Korrektur falscher Urteile ist das jeweilige Rechtsmittelverfahren zu beschreiten. 1 3 3 Konsequenz einer Erledigungserklärung auch in diesen Fälle wäre häufig, dass hochgefährliche Straftäter aus dem Maßregelvollzug entlassen werden müssten; insbesondere ist hier eine Ergebniskorrektur über § 6 6 b Abs. 3, der sich nur auf die Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 bezieht, nicht möglich. Auch hier würde also die Kritik, die schon gegenüber der Erledigterklärung nach § 6 7 c Abs. 2 S. 5 erhoben wurde (Urteilskorrektur zu Gunsten des Täters und zu Lasten der Sicherheit der Bevölkerung, s.o.) greifen. Entschließt man sich allerdings, § 67d Abs. 6 - entsprechend der gesetzgeberischen Intention - auch auf diese Fälle anzuwenden (vgl. dazu § 67d Rdn. 4 2 ff), so müsste konsequenterweise auch im Anwendungsfeld des § 6 7 c Abs. 1 analog § 67d Abs. 6 eine Erledigungserklärung erfolgen.
117
(2) Für Fälle, in denen nachträglich (also während des Strafvollzuges) die Voraussetzungen der §§ 2 0 , 21, 6 3 entfallen sind, ist str., ob auch hier eine Erledigungserklärung erfolgen kann. Nach wohl h . M . in der Literatur und Teilen der Rechtsprechung kommt hier eine Erledigungserklärung nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber hierfür gerade die Rechtsfolge des § 6 7 c Abs. 1 vorgesehen h a t . 1 3 4 In der Rechtsprechung bis zum Jahre 2 0 0 4 (vor Schaffung des § 67d Abs. 6) überwiegt dagegen die Ansicht, auch in derartigen Fällen die Maßregel analog § 67c Abs. 2 S. 5 für erledigt zu erklären 1 3 5 : Gebilligt worden ist dies vom B G H und vom BVerfG. 1 3 6
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Der früheren Analogie zu § 67c Abs. 2 S. 5 ist freilich durch Schaffung des § 67d Abs. 6 als ausdrücklicher gesetzlicher Regelung für Fälle, in denen mit der Maßregelvollstreckung bereits begonnen wurde, der Boden entzogen. In Betracht kommt nun eine Analogie zu § 67d Abs. 6. Hierfür dürfte es aber bereits an der Analogievoraussetzung einer planwidrigen Regelungslücke fehlen. Für Fälle einer nachträglichen Änderung der Unterbringungsvoraussetzungen hat der Gesetzgeber - ohne Einschränkung - bei einer Entscheidung vor Beginn des Maßregelvollzuges die Rechtsfolge des § 6 7 c Abs. 1 vorgesehen, denn der Wortlaut (Zweck der Maßregel erfordert Vollstreckung nicht mehr) passt sowohl auf die Fälle, in denen der Verurteilte bei fortbestehendem Zustand aus anderen Gründen nicht mehr gefährlich ist, als auch auf diejenigen, in denen der Zustand nachträglich entfallen ist. Eine Notwendigkeit evidenten Fehlentscheidungen, wie im Falle des anfänglichen NichtVorliegens der Unterbringungsvoraussetzungen, durch die Möglichkeit einer Erledigungserklärung begegnen zu können, besteht hier nicht. Der Gesetzgeber des § 67c hat bewusst von der Möglichkeit einer Erledigungs-
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OLG Frankfurt NStZ 2 0 0 3 222, 223 f. OLG Frankfurt RuP 2 0 0 3 108 ff m. zust. Anm. Volckart. OLG Hamburg MDR 1986 1044 (in einer Einzelfallentscheidung); OLG Karlsruhe Die Justiz 1980 26; Horn SK Rdn. 9; Lackner/ Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; Veh MK Rdn. 13. OLG Frankfurt NJW 1978 2 3 4 7 ; OLG Hamm NStZ 1982 300; OLG Karlsruhe Justiz 1987 463; MDR 1983 151; OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 2 1 4 3 , 1 4 5 ; 1988 106;
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OLG Zweibrücken NStZ 2001 54 (Zweckerreichung bei Maßregel nach § 64); LG Göttingen NStZ 1990 299, 300; Pollähne/ Böllinger NK § 67c Rdn. 22; vgl. auch: Bechtholdt S. 84 ff; Bode S. 122; Frisch ZStW 102 (1990) S. 707, 770 (Fn. 164); Grünwald ZStW 76 (1964) S. 633, 661; Müller Anordnung und Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung S. 111 ff. BVerfG NJW 1995 2405, 2406; BGHSt 42 306, 310.
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
erklärung abgesehen und unter „kriminalpolitischen Aspekten der Aussetzung zur Bewährung" den Vorzug gegeben. 137 Der Gesetzgeber des § 67d Abs. 6 hat dessen Schaffung für die gleich gelagerte Fällen „nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung" nicht zum Anlass genommen, im Anwendungsbereich des § 67c Abs. 1 eine Erledigungserklärung zu regeln. 138 Unverhältnismäßig wird dadurch nicht in die Rechte des Verurteilten eingegriffen. Es wird sich häufig nicht klar feststellen lassen, ob der ursprünglich gegebene Zustand tatsächlich entfallen ist, bzw. ob und inwieweit durch eine Zustandsänderung tatsächlich eine absolute Ungefährlichkeit eingetreten ist. Hier ist eine gewisse Aufsicht durch die im Falle der Bewährung eintretende Führungsaufsicht sinnvoll. Ein Fall wie beim anfänglichen NichtVorliegen der Maßregelvoraussetzungen, dass eine etwaige Aussetzung zur Bewährung gar nicht widerrufen werden könnte (s.o.) liegt hier gerade nicht vor. Die Belastungen für den Verurteilten können durch eine entsprechende Gestaltung der Weisungen auf ein Minimum reduziert werden. 139
119
Der Umstand, dass das BVerfG im Anwendungsbereich des § 67d die Erledigungserklärung analog § 67c Abs. 2 S. 5 „gebilligt" hat (auch für Fälle des nachträglichen Wegfalls der Unterbringungsvoraussetzungen) 140 , bedeutet nicht, dass die Analogie (sei es im Rahmen einer Überprüfung nach begonnener, sei es vor begonnener Maßregelvollstreckung) auch verfassungsrechtlich geboten ist. 141
120
Allenfalls für Extremfälle (z.B. irreversibler Pflegefall) 142 lässt sich - aus verfassungsrechtlichen Gründen über eine Erledigungserklärung nachdenken.
121
bb) Entsprechend dem Meinungsstreit zu § 63 lässt sich auch bei einer Maßregel nach § 64 diskutieren, wie zu verfahren ist, wenn sich anlässlich der Überprüfung nach § 67c Abs. 1 herausstellt, dass die Anordnungsvoraussetzungen (Hang etc.) entweder bereits anfänglich nicht vorlegen haben oder nachträglich entfallen sind. In der Kommentarliteratur wird regelmäßig nur der Fall der fehlenden hinreichenden Behandlungsaussichten erörtert, doch auch bei § 64 sind Fehleinweisungsfälle (Simulantenfälle) denkbar.
122
(1) Fehlende hinreichende Behandlungsaussicht: Str. ist, ob die Erledigung der Maßregel anzuordnen ist, wenn die Strafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vollstreckt wird und die Strafvollstreckungskammer am Ende des Strafvollzuges zu der Überzeugung gelangt, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg bietet. 143 An sich könnte man hier zunächst auch an eine Bewährungsaussetzung nach § 67c Abs. 1 denken.
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(a) Hat das erkennende Gericht fälschlich eine hinreichende Erfolgsaussicht angenommen, so erscheint eine Erledigungserklärung in analoger Anwendung des § 67d Abs. 5
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Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, S. 467. AA (auch hier Erledigung): Pollähne/Böllinger NK Rdn. 22. Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, S. 465. BVerfG NJW 1995 2 4 0 5 , 2 4 0 6 ; Vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 58, 59; Schneider NStZ 2 0 0 4 649.
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Vgl. Radtke NStZ 2 0 0 2 5 8 0 , 581. Vgl. Beispiel bei Bechtholdt S. 57 f. Vgl. dazu: BVerfGE 91, 1 ff; für eine entsprechende Anwendung: Horstkotte LK 1 0 § 67c Rdn. 10; Lackner/Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6.
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§ 67c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
S. 2 1 4 4 oder des § 6 4 S. 2 (früher Absatz 2) naheliegend. 1 4 5 Denn nur so kann der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Genüge getan werden, wonach die Maßregel nur angeordnet werden darf, wenn die Behandlung im Maßregelvollzug eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht hat (BVerfGE 91 1, 2 9 f). Denkbar wäre auch eine direkte Anwendung des § 67d Abs. 5 nachdem das BVerfG die Vorschrift (nur) insoweit für verfassungswidrig erklärt hat, als die Unterbringung vor einer Erledigungserklärung mindestens ein Jahr vollzogen worden sein muss. 1 4 6 Doch spricht die Begründung des BVerfG dagegen. Sie geht von einer bereits begonnenen Unterbringung aus und stellt lediglich darauf ab, dass eine Erfolglosigkeit der Therapie regelmäßig bereits nach drei - sechs Monaten erkannt werden könne, so dass ein weitergehender Maßregelvollzug nicht erforderlich sei. 125
Vorzugswürdig ist hier die Analogie zu § 6 4 S. 2 1 4 7 , da § 67d Abs. 5 den Eintritt der Führungsaufsicht nach sich zieht, was bei einer bereits anfänglich erfolgenden bloßen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe (ohne Maßregel) nicht automatisch der Fall wäre. 1 4 8 Eine bloße Aussetzung der Maßregelvollstreckung zur Bewährung reicht nicht, denn wäre bereits anfänglich erkannt worden, dass keine Erfolgsaussicht besteht, so wäre die Maßregel gar nicht angeordnet worden.
126
(b) War zunächst eine hinreichende Erfolgsaussicht gegeben, ist diese aber während des Strafvollzugs entfallen, könnte man ebenfalls über analoge Anwendung des § 67d Abs. 5 oder eine Analogie zu § 6 4 S. 2 (früher Absatz 2 ) 1 4 9 nachdenken. Während der B G H die Frage einer späteren Erledigungserklärung offen gelassen hat (BGHSt 2 8 327, 330), nahmen die Oberlandesgerichte früher mehrheitlich an, dass die Aussichtslosigkeit der Behandlung (Entziehungskur) nur der Maßregelanordnung durch das erkennende Gericht entgegensteht (§ 6 4 Abs. 2 - jetzt S. 2 - ) , dagegen nicht die Strafvollstreckungskammer berechtigt, die angeordnete Unterbringung abzubrechen. 1 5 0 Träfe das zu, so ständen der Strafvollstreckungskammer bei der Prüfung nach § 6 7 c Abs. 1 nur die folgenden Möglichkeiten zur Verfügung: Die Strafvollstreckungskammer könnte den einer Behandlung in der Entziehungsanstalt unzugänglichen Täter unter den Voraussetzungen des § 67a in den Vollzug der Maßregel nach § 63 überweisen; sie könnte ferner den Vollzug der Unterbringung nach § 67c Abs. 1 Satz 2 zur Bewährung aussetzen, wenn dies mit Rücksicht auf die Prognose verantwortet werden kann; sie müsste schließlich, wenn die Prognose schlecht ist und die Resozialisierung auch nicht im Vollzug einer anderen Maßregel gefördert werden kann, den Vollzug der Unterbringung anordnen, obwohl die Behandlung in der Entziehungsanstalt von vornherein aussichtslos ist. Die letzte dieser Möglichkeiten ist schon deshalb unbefriedigend, weil sie die therapeutisch orientierte Maßregel
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KG Berlin Beschl. v. 29.12.1999 - 1 AR 1438/99 - 5 Ws 711/99; KG Berlin, Beschl. v. 26.11.1998 - 1 AR 1263 - 5 Ws 610/98. Vgl. Lackner/Kühl Rdn. 3; aA Pollähne/ Böllinger NK Rdn. 31: § 67c Abs. 2 S. 5 analog. BVerfGE 91 1, 34. Horstkotte LK 10 § 67c Rdn. 10; Lackner/Kühl Rdn. 3. Diff. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 23 (Erklärung der Nichtvollziehung der Maßregel analog § 67d Abs. 5 aber ohne Eintritt der Führungsausicht).
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Horstkotte LK 10 § 67c Rdn. 10. OLG Bremen NStZ 1981 317 m. abl. Anm. Wendisch; OLG Düsseldorf MDR 1979 955; OLG Frankfurt GA 1982 224 und NStZ 1983 187; OLG Hamm NJW 1978 2348; OLG München NJW 1978 552; OLG Schleswig MDR 1980 1038; OLG Stuttgart MDR 1980 685; weitere Nachweise über unveröffentlichte Entscheidungen der OLGe bei Wendisch NStZ 1981 319; aA: OLG Celle NStZ 1981 318; OLG Düsseldorf NJW 1980 1345.
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
nach § 6 4 zu einer bloß sichernden Unterbringung denaturiert und die ohnehin unzureichende Kapazität der Anstalten unnötig in Anspruch nimmt. 1 5 1 Sie ist auch mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht vereinbar. Nach BVerfGE 91 1, 3 3 f ist die Anordnung der Maßregel verfassungswidrig, wenn sie keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht verspricht. Warum anderes für ihre Vollstreckung gelten soll, ist nicht ersichtlich. Als Rechtsgrundlage für die Erledigungsentscheidung wird z.T. auf die analog angewandte Vorschrift des § 6 4 S. 2 (früher Abs. 2) verwiesen. 1 5 2 Danach soll die Unterbringung bei Aussichtslosigkeit der Behandlung auch dann unterbleiben, wenn von dem Täter weitere rechtswidrige Handlungen zu erwarten sind. Es gebe keinen sachlichen Grund, diesen Gesichtspunkt im Vollstreckungsverfahren zu vernachlässigen.
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Hier erscheint aber eine Analogie zu § 67d Abs. 5 naheliegender. 1 5 3 Wie auch in anderen Fällen der Erledigungserklärung aufgrund nachträglich eingetretener Umstände (§ 67d Abs. 6) ist in § 67d Abs. 5 S. 2 der Eintritt der Führungsaufsicht geregelt. Auch die hier diskutierten Erledigung wegen nachträglichen Wegfalls der hinreichend konkreten Therapieaussicht fällt in diese Gruppe und nicht in die der bereits anfänglich fehlenden Behandlungsaussicht, welche § 6 4 S. 2 regelt. Fällt nachträglich eine ursprünglich gegebene Erfolgsaussicht weg, so erscheint es sinnvoll, auf diese Zustandsverschlechterung durch den Eintritt der Führungsaufsicht zu reagieren. Bei anfänglichem Fehlen kann man hingegen noch im Rahmen der Strafzumessung reagieren.
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Will die Strafvollstreckungskammer wegen Aussichtslosigkeit der Entziehungskur davon absehen, die Vollstreckung der Unterbringung nach § 67c Abs. 1 anzuordnen, so erklärt sie die Maßregel für erledigt. Ein Widerruf der Entlassung kommt nicht in Betracht.
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Die Erledigung der Maßregel wegen Aussichtslosigkeit der Entziehungskur ist gegenüber anderen in Betracht kommenden Alternativen subsidiär: Ist die Sozialprognose günstig, so muss die Strafvollstreckungskammer nach § 6 7 c Abs. 1 Satz 2 verfahren, auch wenn die Drogenabhängigkeit oder der Alkoholismus inkurabel erscheint: ist eine Überweisung nach § 67a angezeigt, so hat die Strafvollstreckungskammer diese Alternative zu wählen (§ 67a Rdn. 35). Dass der Vorrang der Entscheidungen nach § 6 7 c Abs. 1 sowie nach § 67a den prognostisch gut Beurteilten und den Behandlungsfähigen in gewisser Weise gegenüber dem Behandlungsresistenten benachteiligt, ist gewiss unbefriedigend, rechtfertigt aber keine Verwahrung, die nicht dem in § 6 4 vorausgesetzten therapeutischen Zweck dienen kann.
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Horstkotte vertrat zur alten Rechtslage die Ansicht 1 5 4 , dass es sich um einen Fall der Aussichtslosigkeit der Entziehungskur auch dann handele, wenn von dem Täter zwar weiterhin rechtswidrige Taten zu befürchten sind, diese Gefahr jedoch nicht mit seinem Hang (§ 64), sondern mit anderen Ursachen zusammenhänge. Auch hier sei die Vollstreckung der Maßregel nach § 6 4 , ihrer Zweckbestimmung widersprechend, eine reine Sicherungsmaßnahme; deswegen sei die Unterbringung für erledigt zu erklären. Das gelte auch, wenn der Hang zunächst bestanden hat, aber nach dem Urteil, etwa unter der Einwirkung des Strafvollzuges, entfallen sei. Dies erscheint zweifelhaft. Besteht eine hin-
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OLG Celle NStZ 1981 318; Wendisch NStZ 1981 319; hiergegen Stree JR 1980 509, 512 und JR 1982 469. OLG Zweibrücken MDR 1989 179; Horstkotte LK 10 § 67c Rdn. 10.
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; vgl. auch: OLG Düsseldorf NStZ 1996 408. Horstkotte LK 10 § 67c Rdn. 13.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
reichend konkrete Erfolgsaussicht zur Behandlung des Hangs, so liegt weder analog § 64 S. 2 noch nach § 67d Abs. 5 ein Erledigungsfall vor. Es ist hier nach § 67c Abs. 1 zu prüfen, ob der Maßregelzweck die Unterbringung noch erfordert. Das wird nicht der Fall sein, wenn die Gefährlichkeit nicht mehr aus dem Hang resultiert. Nach § 67c Abs. 1 ist dann die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen. 155 Es handelt sich um einen klassischen Fall des § 67c Abs. 1. 132
(2) Bereits anfänglich fehlender Hang/rechtsfehlerhaft bejahter Hang: Hier kommt entsprechend des Diskussionsstandes zur Maßregel nach § 63 (Fehleinweisungsfälle) entweder eine Erledigterklärung analog § 67c Abs. 2 S. 5 oder aber nur die Korrektur im Rechtsmittel- bzw. Wiederaufnahmeverfahren in Betracht.
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(3) Wegfall des Hangs während des Strafvollzuges: Schließlich könnte man über eine doppelte Analogie zu § 67d Abs. 5 nachdenken, wenn der mit der Maßregel bezweckte Erfolg bereits während des Strafvollzugs erreicht wurde (der Verurteilte z.B. von seiner Sucht geheilt wurde, vgl. dazu bei Entscheidungen während des Maßregelvollzugs § 67d Rdn. 2 5 ff). Auch hier dürfte es aber angesichts der Regelung des § 67c Abs. 1 an einer planwidrigen Regelungslücke fehlen.
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cc) Eine weitere Fallgruppe bilden die Unverhältnismäßigkeitsfälle. § 67c Abs. 1 enthält keine Regelung zur Frage einer Erledigung oder Aussetzung wegen Unverhältnismäßigkeit, wie sie für § 67d Abs. 6 vorgesehen ist. Hier erscheint auch eine analoge Anwendung auf Fälle, in denen die Maßregelvollstreckung noch nicht begonnen hat, nicht angängig. 156 § 67d Abs. 6 meint ja gerade den Fall, dass die Maßregelvollstreckung aufgrund ihrer inzwischen eingetretenen Dauer unverhältnismäßig wird. Außerdem: Wäre die zukünftige Maßregelvollstreckung schon anfänglich unverhältnismäßig (z.B. wegen fehlender Erforderlichkeit - der gewalttätige Psychopath sitzt im Rollstuhl), kann dem hinreichend durch die Aussetzung zur Bewährung begegnet werden. Da sowohl nach § 67c Abs. 1 wie auch (grundsätzlich) nach § 67d Abs. 6 Führungsaufsicht eintritt, sind die Einschränkungen für das Leben des Verurteilten bei einer Analogie nicht milder. Die Gefahr des Widerrufs besteht hier - anders als in den Fällen, in denen der Verurteilte die Maßregel bereits bis zur Grenze der Verhältnismäßigkeit verbüßt hat - zu Recht, da bei Vorliegen der Widerrufsvoraussetzungen des § 67g die Maßregel als solche zunächst einmal nicht unverhältnismäßig ist. UnVerhältnismäßigkeit kann dann (normaler Fall des § 67d Abs. 6) erst mit einer bestimmten Vollzugsdauer eintreten. Angesichts der Regelung in § 67d Abs. 1 erscheint auch das Bedürfnis für eine Erledigterklärung bei der Maßregeln der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht gegeben.
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dd) Auf die Sicherungsverwahrung lassen sich sämtliche vorstehenden Erwägungen nicht übertragen. 157 Analogiefähige Normen stehen insoweit nicht zur Verfügung. Auch für den Fall der begonnenen Maßregelvollstreckung hat das Gesetz bei der Sicherungs-
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So schon: OLG Düsseldorf M D R 1980 779. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 32 vertreten hier noch eine Analogie zu § 67c Abs. 2 S. 5. Wie hier: Lackner/Kühl Rdn. 3; wohl auch: Sch/Schröder/Stree Rdn. 4; generell ablehnend zur Analogie zu ξ 67c Abs. 2 S. 5: Veh MK Rdn. 13; aA: Horn SK Rdn. 9
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(ohne nähere Begründung, jedoch nur für den Fall, dass Hang bereits vom erkennenden Gericht zu Unrecht bejaht worden ist); Pollähne/Böllinger NK Rdn. 32 (ohne Begründung für Fälle der UnVerhältnismäßigkeit).
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
Verwahrung in § 67d Abs. 2 lediglich die Aussetzung zur Bewährung vorgesehen, wenn die Gefährlichkeit nicht (mehr) vorliegt - eben anders als in § 67d Abs. 5 für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und in § 67d Abs. 6 für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Eine Erledigungserklärung ist nur für den - hier nicht relevanten - Ausnahmefall des § 67d Abs. 3 vorgesehen. Meint die Strafvollstreckungskammer, dass der Hang i.S. des § 66 Abs. 1 Nr. 3 zu Unrecht angenommen worden sei, so kann sie die Sicherungsverwahrung nur aussetzen (§ 67c Abs. 1), nicht für erledigt erklären. Sind von dem Verurteilten weitere Taten zu erwarten, jedoch nicht solche, die auf den im Urteil bezeichneten Hang hinweisen, so ist die Unterbringung auszusetzen (vgl. auch § 67d Rdn. 89). Insbesondere scheidet eine Erledigterklärung einer Sicherungsverwahrung wegen UnVerhältnismäßigkeit aus. Das wird zwar vereinzelt so vertreten. 158 Jedoch hat der Gesetzgeber mit § 67d Abs. 3 eine spezielle Erledigungsmöglichkeit für Unverhältnismäßigkeitsfälle bei dieser Maßregel geschaffen, so dass eine planwidrige Regelungslücke nicht vorliegt. ee) Eine analoge Anwendung des § 67e Abs. 3 S. 2 ist in den Fällen, in denen der Verurteilte mit einem Antrag die Erledigungserklärung anstrebt, nicht möglich. Das Gericht darf daher keine „Sperrfrist" bei seiner Ablehnungsentscheidung verhängen. Anderenfalls würde die an sich gebotene sofortige Entlassung des Verurteilten (wenn z.B. die Unterbringungsdiagnose bereits anfänglich falsch war) gehindert. 159
136
7. Verhältnis zu den Voraussetzungen des § 57. Wird gleichzeitig über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung (§ 67c Abs. 1) und über die Aussetzung der Reststrafe (§ 57) entschieden, so ergeben sich Probleme im Hinblick auf die Anwendung des § 57: Nicht ganz unzweifelhaft ist, ob der Strafrest ausgesetzt werden darf, wenn nicht zugleich eine Entscheidung nach § 67c Abs. 1 Satz 2 ergeht (vgl. dazu oben Rdn. 97). Die Frage ist, da sie die Auslegung des § 57 betrifft, hier nicht weiter zu erörtern (vgl. im Einzelnen Hubrach LK § 57 Rdn. 51). Für die Aussetzung der Maßregel ergeben sich keine Besonderheiten: Ob eine Entscheidungslage nach § 67c Abs. 1 überhaupt besteht, hängt davon ab, dass der Strafvollzug - sei es nach voller Verbüßung, sei es zu den in § 57 bezeichneten Zeitpunkten - sein Ende findet.
137
Eine Aussetzung des Strafrests kommt jedenfalls in der großen Mehrzahl der Fälle in Betracht, in denen die materiellen Voraussetzungen für die Maßregelaussetzung nach § 67c Abs. 1 Satz 2 vorliegen. Zwar sind die Entlassungsvoraussetzungen nach § 57 und § 67c Abs. 1 nicht identisch: Abgesehen davon, dass die Aussetzung des Strafrestes, anders als die Maßregelaussetzung, eine Einwilligung des Verurteilten voraussetzt, ist die Auslegung des S 67c Abs. 1 ganz am Maßregelzweck zu orientieren: Die Aussicht, dass der Verurteilte in Zukunft Straftaten von geringerer Bedeutung (im Unterschied zu gefährlichen Taten etwa im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3) begehen wird, hindert die Aussetzung der Maßregel nicht, während sie der Anwendung des § 57 entgegenstehen kann. 1 6 0 Diese Unterschiede haben indessen nur selten praktische Bedeutung. In aller Regel ist bei der Bestimmung des Prüfungszeitpunkts derjenige Zeitpunkt als „Ende des Vollzugs der Strafe" (§ 67c Abs. 1 Satz 2) anzusehen, zu dem der Verurteilte nach § 57 Abs. 1 aus dem Strafvollzug entlassen werden kann. Die Vollstreckungsbehörde hat das Prüfungsverfahren nach § 67c Abs. 1 spätestens zu dem Zeitpunkt einzuleiten, zu dem sie auch
138
158 159 160
OLG Celle R & P 1994 34. OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 2 143. Vgl. auch: KG Berlin N J W 2 0 0 1 1806
(Anforderungen an Prognose bei § 67c nicht höher als bei § 57).
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695
§ 67c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
die Prüfung der Aussetzung nach § 57 in die Wege leitet (vgl. dazu § 36 Abs. 2 i.V. mit § 44 Abs. 1 StVollstrO). Doch empfiehlt sich ein früherer Beginn der Prüfung, weil die Prüfung nach § 67c Abs. 1 regelmäßig länger dauert als die Vorbereitung der Entscheidung nach § 57 (Rdn. 91 ff). Es wird hier - anders als im Regelfall des § 57 1 6 1 - regelmäßig angemessen sein, auch mit der Prüfung nach § 57 schon sechs Monate vor der Erledigung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe zu beginnen. 162 Die Prüfung ist im Hinblick auf die Straf- und Maßregelaussetzung von Amts wegen einzuleiten (vgl. Hubrach LK § 57 Rdn. 43 ff). 8. Zum Verfahren in den Fällen des § 67c Abs. 1 139
a) Wegen des Zeitpunktes, zu dem die Entscheidung nach § 67c Abs. 1 einerseits frühestens und andererseits spätestens getroffen werden muss, vgl. Rdn. 90 ff. Eindeutig verfrühte Anträge auf Prüfung sind als unzulässig zurückzuweisen. Wegen der zeitlichen Abstimmung mit der Entscheidung nach § 57 vgl. Rdn. 138; wegen der Probleme bei der Vollstreckung von Freiheitsstrafen aus verschiedenen Urteilen s. Rdn. 33 ff.
140
Die Prüfung nach § 67c Abs. 1 findet von Amts wegen statt, ohne dass es eines Antrages des Täters bedarf. Die Vollstreckungsbehörde hat dafür zu sorgen, dass die Strafvollzugsanstalt vor dem Ende des Strafvollzugs Stellung nimmt und die Akten dem Gericht zur rechtzeitigen Prüfung vorgelegt werden (§ 44 Abs. 1 Satz 2 und § 44a Abs. 2 StVollstrO). Die Strafvollstreckungskammer kann die Prüfung nach § 67c Abs. 1 auch von sich aus einleiten. Im Übrigen findet die Prüfung auf auch auf Antrag des Verurteilten oder der Vollstreckungsbehörde statt.
141
Da mit der Prüfung nach § 67c Abs. 1 regelmäßig auch die Prüfung der Frage einhergeht, ob ein Rest der Freiheitsstrafe gemäß § 57 ausgesetzt werden kann, hat die Vollstreckungsbehörde die Prüfung, abweichend vom Wortlaut des § 67c Abs. 1 sowie des § 44 Abs. 1 Satz 2 StVollstrO, schon vor dem Ablauf von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe zu veranlassen. Dabei ist der für die in diesen Fällen oft besonders schwierige Prüfung notwendige Zeitraum in Rechnung zu stellen; im Regelfall wird es sich empfehlen, mit der Prüfung schon sechs Monate vor der Erledigung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe zu beginnen (Rdn. 95 ff). Kommt die Strafvollstreckungskammer nach Vorlage der Akten zu dem Ergebnis, dass eine Aussetzung des Strafrestes im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht in Betracht kommt, so kann sie die Entscheidung aussetzen und sodann in eine neue Prüfung eintreten. Es ist der Strafvollstreckungskammer nicht verwehrt, schon zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Sache nicht entscheidungsreif zu sein scheint, mit der Justizvollzugsanstalt Kontakt aufzunehmen und zum Ausdruck zu bringen, welche weiteren Entwicklungen und Maßnahmen (vor allem im Hinblick auf Wohnungsbeschaffung und den Arbeitsplatz) sie für eine unerlässliche Voraussetzung der Entlassung hält. Sie ist dazu aber nicht verpflichtet.
142
Wird durch Gnadenentscheidung ein Strafrest erlassen oder ausgesetzt, so sollte sich die Gnadenentscheidung auch auf eine noch nicht erledigte freiheitsentziehende Maßregel erstrecken. Ist dies unterblieben, so hat die Strafvollstreckungskammer hinsichtlich der Maßregel nach § 67c Abs. 1 zu verfahren.
143
Obwohl keine eigentliche Frage des § 67c Abs. 1 ist im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Erledigungserklärung analog § § 67d Abs. 6, 64 S. 2, 67d Abs. 5 auf Folgendes hinzuweisen: Ergibt sich bei einem Täter, gegen den neben der Strafe eine Maßregel
161
Vgl. OLG Hamm JMB1NW 1981 11.
696
162
Vgl. Horn SK Rdn. 4; Lackner/Kühl
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Rdn. 1.
Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
nach § 63 angeordnet worden ist, dass es an der Voraussetzung der erheblich verminderten Schuldfähigkeit fehlt, so ist die Maßregel unabhängig von dem Maß der Strafverbüßung alsbald für erledigt zu erklären. Da nicht auf die Entlassungsprognose abzustellen ist, die Maßregel vielmehr auch bei schlechter Sozialprognose entfällt, besteht kein Grund, die Entscheidung bis zum Ende des Strafvollzugs aufzuschieben. Ebenso ist zu verfahren, wenn sich während des Vollzugs der Freiheitsstrafe herausstellt, dass eine anschließend (§ 67 Abs. 2) zu vollstreckende Unterbringung in der Entziehungsanstalt entsprechend § 64 S. 2 nicht vollstreckt wird. Auch hier wird eine nicht an die in § 67c Abs. 1 bezeichnete Sozialprognose geknüpfte Entscheidung getroffen. Allerdings wird ein zuverlässiges Urteil über die Aussichtslosigkeit der Therapie vielfach erst am Ende des Strafvollzugs möglich sein. b) Zuständig für die Entscheidung nach § 67c Abs. 1 ist die Strafvollstreckungskammer (§ 463 Abs. 3, §§ 454, 462a Abs. 1 StPO) in der Besetzung von drei Richtern sofern es sich um Maßregeln nach §§ 63 oder 66 handelt (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG), im Übrigen in der Besetzung mit einem Richter (§ 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG) 1 6 3 . Ist gleichzeitig über die Strafaussetzung zur Bewährung zu entscheiden, so stellt sich die Frage, ob (bei zeitiger Freiheitsstrafe) der Einzelrichter nach § 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG über die Aussetzung der Freiheitsstrafe und die große StVK über die Aussetzung einer Maßregel nach §§ 63, 66 StGB entscheidet 164 oder ob eine Zuständigkeitskonzentration bei der großen StVK eintritt. 165 Zu Fragen der örtlichen Zuständigkeit vgl.: OLG Hamm, Beschl. v. 28.6.2005, 4 Ws 287/05 (www.burhoff.de).
144
Ist der Betroffene (auch als Heranwachsender) nach Jugendstrafrecht abgeurteilt worden (SS 63, 64 StGB, 7 JGG), so trifft die Entscheidung als Vollstreckungsleiter (S 82 JGG) der Jugendrichter, der nach S 85 Abs. 2, 4 J G G für die Maßregelvollzugsanstalt zuständig ist. 166 Entsprechendes gilt für die mit einer Entscheidung kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht. 167
145
c) Im Übrigen gelten nach § 463 Abs. 3 StPO die Verfahrensregeln des § 4 5 4 StPO: Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Der Verurteilte, die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Die Anhörung des Verurteilten geschieht grundsätzlich mündlich (§ 454 Abs. 1 Satz 3 StPO). Bei unzulässigen Anträgen braucht der Verurteilte nicht mündlich gehört zu werden (S 463 Abs. 3 i.V. mit § 454 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 StPO). Es wird sich regelmäßig nicht empfehlen, von der Ausnahmevorschrift des § 454 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 StPO Gebrauch zu machen; ein persönlicher Eindruck wird bei einer Aussetzung unentbehrlich sein. Wegen der umstrittenen Frage, ob die mündliche Anhörung durch den beauftragten oder ersuchten Richter ausreicht, ist auf die Rechtsprechung und das Schrifttum zu S 454 StPO zu verweisen (vgl. nur: Wendisch L R 2 5 § 454 Rdn. 24 ff.). Gleichviel, ob in besonderen Fällen des S 57 die Anhörung vor einem ersuchten Richter ausreicht (vgl. BGHSt 2 8 138), ist bei der Prüfung nach S 67c Abs. 1 kaum ein Ausnahmefall denkbar, in dem darauf verzichtet werden könnte, dass mindestens einer der an der Entscheidung beteiligten Richter einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von dem Verurteilten gewinnt; vorzugswürdig ist in den meisten Fällen die Anhörung durch die gesamte Vollstreckungskammer. Denn die
146
163
164
AA (3 Richter generell): Horstkotte LK 1 0 § 67c Rdn. 103. So: Meyer-Goßner % 78b GVG Rdn. 5; Veh MK Rdn. 25.
165
166 167
So: OLG Hamburg OLGSt Nr. 3 zu § 78 b GVG. Brunner/Dölling JGG 1 1 § 85 Rdn. 8. Eisenberg JGG 1 0 § 85 Rdn. 12.
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§ 67c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Entscheidung nach § 67c Abs. 1 greift besonders tief in die Rechtssphäre des Verurteilten ein, weil sie eine zeitlich unbestimmte Maßregel für ihn erst in Kraft setzt und damit die gleiche Bedeutung hat wie die Maßregelanordnung. Die Richter sollten auch deswegen einen persönlichen Eindruck von dem Verurteilten bekommen, weil die Prognose nach langjährigem Freiheitsentzug besonders schwierig ist. 147
d) Die Anhörung der Vollzugsanstalt (§ 463 Abs. 3 i.V. mit S 454 Abs. 1 Satz 2 StPO) hat wegen der Dauer des vorangegangenen Strafvollzugs besondere Bedeutung. Des Weiteren ist nach §§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 2 StPO ein Sachverständigengutachten einzuholen. 168
148
Mit Rücksicht auf Art. 103 Abs. 1 GG sind die Stellungnahme der Anstalt und das Gutachten dem Verurteilten im Wortlaut oder in einer alle wesentlichen Gesichtspunkte einschließenden Wiedergabe bekannt zu machen (BVerfGE 17 139, 143); er muss Gelegenheit haben, sich dazu zu äußern (BVerfGE 18 419, 422). Ob von der Mitteilung abgesehen werden kann, wenn die Mitteilung den Zweck der Maßregel vereiteln oder Anstaltsbedienstete gefährden würde, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 17 139, 143) offen gelassen. Im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG liegt die Verneinung näher. Bei angemessener Formulierung der Äußerung wird die Frage von geringer praktischer Bedeutung sein: Die Anstaltsstellungnahme braucht die Urheber der verarbeiteten Informationen nicht zu nennen; psychiatrische und psychologische Gutachten sollten auf negative, den Verurteilten in seiner Persönlichkeit treffende und ihn entmutigende Wertungen verzichten.169 Enthält eine Stellungnahme Wertungen, so müssen auch sie dem Verurteilten mitgeteilt werden. Psychiatrische Gutachten sind von der Bekanntgabe an den Verurteilten nicht ausgeschlossen. Der verfassungsrechtliche Grundsatz des rechtlichen Gehörs hat Vorrang vor den Gesichtspunkten, aus denen der BGH (BGHZ 85 339) das Recht des Patienten auf Einsicht in psychiatrische Krankenakten eingeschränkt hat. 1 7 0
149
e) Der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer hat dem Verurteilten in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO auf Antrag oder von Amts wegen einen Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint oder wenn sonst ersichtlich ist, dass der Verurteilte seine Belange nicht selbst geltend machen kann. Die Anwendbarkeit der Grundsätze des § 140 Abs. 2 auf das Vollstreckungsverfahren ist heute allgemein anerkannt. 171 Die Sachlage ist, jeden-
168 vgl. zum Prognosegutachten näher: Immel J R 2 0 0 7 183. Bestehen keine Anhaltspunkte für wesentliche Veränderungen, reicht ggf. auch ein früher eingeholtes Gutachten aus (BVerfG Beschl. v. 2 5 . 7 . 2 0 0 7 - 2 BVR 2 4 9 7 / 0 6 = BeckRS 2 0 0 7 , 2 5 6 0 5 ) . 169
Eingehend zur Unterrichtung des Verurteilten über die Stellungnahme der Anstalt: H. W. Schmidt N J W 1 9 6 5 1318.
170
Vgl. zum Ganzen: Volckart/Grünebaum Maßregelvollzug 6 S. 1 7 7 ff. Z u m Recht auf Einsicht in psychiatrische Patientenakten vgl. auch KG N J W 1981 2 5 2 1 (Vorinstanz zu B G H Z 85 3 3 9 ) O L G Karlsruhe N S t Z R R 2 0 0 2 , 2 8 3 ; Baur Dörner Pfäfflin R u P
698
1 9 8 3 10, 13, 18. Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat es für zulässig gehalten, dass einem (zivilrechtlich) Untergebrachten in seinem eigenen gesundheitlichen Interesse die Einsicht in ärztliche Berichte und die Mitteilung einzelner Inhalte aus gesundheitlichen Gründen vorenthalten wird ( E u G R Z 1 9 7 8 3 9 8 - Fall Winterwerp - ) ; dem kann, sofern es um Inhalte und nicht bloß um Formulierungen geht, für das deutsche Recht nicht gefolgt werden, vgl. näher BVerf N J W 2 0 0 6 1 1 1 6 . 171
Lüderssen Goßner50
L R 2 5 § 1 4 0 Rdn. 118; Meyer§ 1 4 0 Rdn. 3 2 .
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
falls wenn Maßregeln nach den §§ 63, 6 6 angeordnet worden sind, wegen der Dauer und zeitlichen Unbestimmtheit der Unterbringung, wegen der Prognoseproblematik und wegen des vorangegangenen, vielfach langjährigen Strafvollzuges regelmäßig „schwierig" (§ 140 Abs. 2 StPO). Sofern der Antrag des Verurteilten nicht verfrüht und deshalb unzulässig ist 1 7 2 , sollte daher die Beiordnung in aller Regel erfolgen. 173 Dass ein Verurteilter auch selbst reagiert (z.B. auf Gutachten oder Stellungnahmen erwidert), schließt die Notwendigkeit einer Pflichtverteidigerbestellung nicht aus. 174 In den Fällen des § 6 4 ist die Frage des Übergangs vom Straf- in den Maßregelvollzug mit geringeren Problemen verbunden, wenn es auf der Hand liegt, dass eine Therapie noch notwendig ist. Doch können sich auch hier schwierige Fragen ergeben, insbesondere wenn sich als Alternative zum Maßregelvollzug der Übergang in eine offene Therapie- und Rehabilitationseinrichtung anbietet. In Zweifelsfällen ist deshalb auch hier ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Zur Frage, ob die Pflichtverteidigerbestellung nur für den jeweiligen Vollstreckungsabschnitt oder aber für das gesamte Vollstreckungsverfahren gilt vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 28.6.2005, 4 Ws 287/05 (www.burhoff.de). f) Die Strafvollstreckungskammer ist nicht gehindert, auch Stellungnahmen anderer Personen einzuholen. Der vom Gesetzgeber vorausgesetzte enge Kontakt zwischen der Strafvollstreckungskammer und der Anstalt ermöglicht vielfältige, auch informelle Informationen; sollen sie der Entscheidung (§ 67c Abs. 1) zugrunde gelegt werden, so sind sie dem Verurteilten und der Staatsanwaltschaft vorher in ihrem wesentlichen Inhalt mitzuteilen. Entsprechendes gilt, wenn die Strafvollstreckungskammer eine Stellungnahme der Richter einholt, die auf die Maßregel erkannt hatten. Ihre Beteiligung ist nicht vorgeschrieben, aber auch nicht ausgeschlossen; die Richter des erkennenden Gerichts können unter Umständen Informationen aus der Hauptverhandlung vermitteln, die für die Prognose bedeutsam sind, aber in den Urteilsgründen keinen Ausdruck gefunden haben.
150
Der Hergang der abgeurteilten Tat kann nicht erneut zum Gegenstand einer Beweiserhebung gemacht werden (OLG Hamm N J W 1977 1071).
151
g) Zur Belehrung des Verurteilten bei der Entlassung vgl. § 4 6 3 Abs. 3 i.V. mit § 4 5 4 Abs. 3, § 453a Abs. 1, 3 StPO, § 268a Abs. 3 StPO.
152
h) Für die bei der Aussetzung zu treffenden Entscheidungen zur Führungsaufsicht (BeStellung des Bewährungshelfers, Anweisungen an die Aufsichtsstelle und den Bewährungshelfer, Weisungen, Abkürzung der Höchstdauer, §§ 68a, 68b, 68c StGB) und die nachträglichen Entscheidungen nach § 68d und § 68e verbleibt es bei der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer bzw. des in § 85 Abs. 2 genannten Jugendrichters (§ 4 6 3 Abs. 3, 6 i.V. mit § 4 5 4 Abs. 3, §§ 453, 462a StPO). Wegen des bei den nachträglichen Entscheidungen einzuhaltenden Verfahrens vgl. § 4 5 3 StPO.
153
i) Die Entscheidung, dass die Maßregel ausgesetzt wird (§ 67c Abs. 1 Satz 2), ist ebenso wie die Ablehnung dieser Aussetzung mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar (§ 4 6 3 Abs. 3 i.V. mit § 454 Abs. 2 StPO). Nur die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Aussetzung hat aufschiebende Wirkung (§ 4 5 4 Abs. 2 Satz 2 StPO); mit der Vollstreckung der Maßregel kann nach den Grundsätzen von BVerfGE 42 1 für eine begrenzte Zeit auch dann begonnen werden, wenn die Strafvollstreckungskammer die
154
172
Vgl. KG Berlin, Beschl. v. 19.12.2002 - 1 AR 181/02 - 5 Ws 1 0 4 - 1 0 5 / 0 2 .
173 174
Vgl. Lüderssen L R 2 5 § 140 Rdn. 124. OLG Hamm StraFo 2 0 0 5 391, 392.
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§ 67c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Vollstreckung ausgesetzt hat und diese Entscheidung von der Staatsanwaltschaft angefochten worden ist. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Aussetzung hindert den Beginn des Maßregelvollzuges nicht (vgl. § 3 0 7 Abs. 1 StPO). Wird allerdings auf ein solches Rechtsmittel die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung ausgesetzt (§ 3 0 7 Abs. 2 StPO), so ist der Verurteilte nach Erledigung der Strafe zu entlassen; die Anordnung nach § 3 0 7 Abs. 2 StPO muss dann dahin verstanden werden, dass der Maßregelvollzug entgegen den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts (aaO) nicht beginnen soll. Zur Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine Beweiserhebung bei verspäteter Prüfung vgl. O L G Koblenz M D R 1 9 8 0 1039. 155
j) Analoge Anwendung des § 67c Abs. 1: Seinem Wortlaut nach ist § 6 7 c Abs. 1 auf Fälle beschränkt, in denen die freiheitsentziehende Maßregel neben Freiheitsstrafe angeordnet worden ist; die Vorschrift scheint daher Schuldunfähige nicht zu betreffen. Doch wird sie entsprechend anzuwenden sein, wenn eine unter Anwendung des § 2 0 isoliert angeordnete freiheitsentziehende Maßregel mit einer in einem anderen Verfahren verhängten Freiheitsstrafe zusammentrifft und die Strafe abweichend von § 4 4 Abs. 1 Satz 2 StVollstrO vor der Maßregel vollzogen wird; es wäre sinnwidrig, hier nach dem Ende des Strafvollzuges mit dem Vollzug der Maßregel zu beginnen und dann sogleich in die Prüfung nach § 67e einzutreten.
156
Eine Prüfung analog § 67c Abs. 1 ist auch dann angezeigt, wenn die Strafvollstreckung nach § 35 B t M G zurückgestellt wurde und nun nach einer durchgeführten Therapie an sich die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung ansteht (§ 36 Abs. 2 B t M G ) , gleichzeitig aber auch noch über die Aussetzung einer verhängten Maßregel zu entscheiden ist. Auch hier macht es keinen Sinn, die Maßregel nur deswegen „anzuvollstrecken", um sie dann ggf. nach § 67d Abs. 2 zur Bewährung auszusetzen.
IH. Verspätete Vollstreckung der Unterbringung (§ 67c Abs. 2) 1. Zweck des § 6 7 c Abs. 2 157
a) § 6 7 c Abs. 2 betrifft den seltenen, in der bisher veröffentlichten Rechtsprechung nicht erörterten Fall, dass drei Jahre nach Rechtskraft der Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel (§§ 63, 64, 66) noch nicht mit ihrer Unterbringung begonnen worden ist und die §§ 6 7 b , 6 7 c Abs. 1 nicht anwendbar sind. In diesem Fall darf die Unterbringung nur noch auf ausdrückliche Anordnung des Gerichts vollzogen werden; statt des Maßregelvollzuges können auch die Aussetzung oder Erledigung der Maßregel angeordnet werden. Die Vorschrift, die mit Ausnahme ihres Satzes 4 dem früheren Recht entspricht (§ 4 2 g i.d.F. des GewVbrG, § 4 2 g Abs. 2 i.d.F. des 1. StrRG), beruht auf der Erwägung, dass sich während eines dreijährigen Aufenthalts des Verurteilten in Freiheit Anhaltspunkte dafür ergeben können, dass der Maßregelzweck die Unterbringung nicht (mehr) erfordert (Entwurf 1962 - BTDrucks. IV/650 - Begr. zu S 88; Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 935). Indem die Vorschrift bestimmt, dass die nach der Anordnung der Maßregel angefallenen Informationen für eine Ergänzung oder Korrektur der ursprünglichen Prognose nutzbar gemacht werden, verfolgt sie dasselbe Ziel wie § 67c Abs. 1. Anders als im Falle des Abs. 1 werden hier nicht Erfahrungen aus dem Strafvollzug verwertet, sondern die Ergebnisse eines - möglicherweise unkontrollierten - Aufenthalts in der Freiheit bewertet. 1 7 5 Die Vorschrift des § 67c Abs. 2 setzt des-
175
Vgl. Horn SK Rdn. 10.
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Späterer Beginn der Unterbringung
halb, auch wenn ihre Urheber das nicht beabsichtigt haben mögen, einen Akzent auf die prognostische Bedeutung des Verhaltens in Freiheit, gleichviel, ob sich der Verurteilte erlaubtermaßen in Freiheit befunden hat oder nicht. Sie stützt deshalb bei der Auslegung des § 67c Abs. 1 und des § 67d Abs. 2 die Annahme, dass die Flucht aus der Anstalt nicht notwendig eine negative Sozialprognose begründet, vielmehr, wenn während der Flucht keine schwerwiegenden rechtswidrigen Taten begangen werden, als prognostisch günstiges Indiz verstanden werden darf. Auffälligerweise hält der Gesetzgeber die in den Fällen des § 67c Abs. 2 zur Verfügung stehenden Informationen unter Umständen (Abs. 2 Satz 5) für ausreichend, um eine vollständige Erledigung der Maßregel zu rechtfertigen; ist der Entscheidung ein Strafvollzug in gleicher Sache vorangegangen (§ 67c Abs. 1), so ist die Strafvollstreckungskammer zu einer derart weitreichenden Entscheidung nicht befugt. b) Die Vorschrift ist in Fällen, in denen nur eine Maßregel (§§ 63, 64) angeordnet worden ist, ebenso anwendbar wie dort, wo mit der Maßregel zugleich eine Strafe verhängt wurde.
158
c) Von praktischer Bedeutung ist die Vorschrift, die die Anwendungsfälle der §§ 67b, 67c Abs. 1 ausklammert („liegt ein Fall des Absatzes 1 ... nicht vor", Satz 1), wohl hauptsächlich in Fällen, in denen sich der Verurteilte dem Maßregelvollzug entzogen hat oder in denen die Maßregel wegen seiner Vollzugsuntauglichkeit bisher nicht vollzogen werden konnte; in den Fällen des § 63 kommt eine Anwendung des § 67c Abs. 2 nach str. Ansicht auch dann in Betracht, wenn sich der Verurteilte mindestens drei Jahre in zivilrechtlich angeordneter Unterbringung befunden hat (vgl. Rdn. 164 f).
159
2. Voraussetzungen der Entscheidung nach § 67c Abs. 2 a) § 67c Abs. 2 Satz 1 setzt voraus, dass seit der Rechtskraft der Unterbringungsanordnung drei Jahre verstrichen sind, ohne dass mit dem Vollzug der Unterbringung begonnen worden ist. „Begonnen" wird mit dem Vollzug durch die tatsächliche Aufnahme in eine Anstalt der im Urteil bezeichneten Art; auf die Zuständigkeit der Anstalt nach dem Vollstreckungsplan kommt es nicht an. H a t der Maßregelvollzug während der Dreijahresfrist begonnen, so ist die Vorschrift auch dann unanwendbar, wenn die Vollstreckung später, auch mehr als drei Jahre lang, ausgesetzt oder unterbrochen wurde 1 7 6 (zum Widerruf der Aussetzung vgl. § 67g). Ein zwischenzeitlicher Straf- oder Maßregelvollzug in anderer Sache steht der Anwendung des § 67c Abs. 2 nicht entgegen, 177 allerdings ist seine Dauer nicht in die Dreijahresfrist einzurechnen (Satz 2).
160
b) Unanwendbar ist § 67c Abs. 2, wenn eine neben der Maßregel verhängte Freiheits- 161 strafe vollstreckt worden ist und nach § 67c Abs. 1 entschieden wurde oder noch zu entscheiden ist (Satz 1). Doch hindert nicht jede Verbüßung der neben der Maßregel verhängten Strafe die Anwendung des § 67c Abs. 2; die Vorschrift ist anzuwenden, wenn keine Entscheidung nach § 67c Abs. 1 ergangen ist, der Verurteilte sich nicht mehr im Strafvollzug befindet und seit der Anordnung der Maßregel eine Frist verstrichen ist, die ohne Einrechnung der verbüßten Strafe (Satz 2) drei Jahre übersteigt. c) Die Anwendung des S 67c Abs. 2 entfällt, wenn die Vollstreckung der Maßregel nach § 67b im Urteil ausgesetzt worden ist; ob die Maßregel vollstreckt werden muss,
176
Veh MK Rdn. 15.
177
Vgl. Pollähne/Böllinger
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
N K Rdn. 27.
701
162
S 67c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
richtet sich hier allein nach § 67g. Ist die Vollstreckung der Maßregel gnadenhalber gesetzt worden, so gilt dagegen § 67c Abs. 2 . 1 7 8
aus-
163
d) Fristberechnung: Der Anwendungsbereich der Vorschrift wird vor allem dadurch eingeschränkt, dass nach Satz 2 in die Dreijahresfrist nicht diejenige Zeit eingerechnet wird, in der sich der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt aufhält (zu dieser Klausel vgl. § 4 4 Abs. 4 , § 4 5 b Abs. 2 , § 5 8 Abs. 4, § 6 6 Abs. 3 Satz 1, § 7 0 Abs. 4 , § 70a Abs. 2). Anders als im Falle des § 68c Abs. 2 Satz 2 sind Zeiten, während deren der Verurteilte flüchtig gewesen ist oder sich verborgen gehalten hat, nicht von der Einrechnung ausgeschlossen; auch diese Zeiten werden also als eine Art Probezeit verstanden, und zwar unabhängig von den tatsächlichen Kontrollmöglichkeiten. Dagegen ist der Aufenthalt in (auch ausländischen, BGHSt. 2 4 6 2 ) 1 7 9 Anstalten des Straf- und Maßregelvollzugs und der Untersuchungshaft, ferner der Vollzug der nach Landesrecht angeordneten Unterbringung nach Satz 2 von der Einrechnung ausgeschlossen. 1 8 0 Der Anstaltsaufenthalt gilt als eine Zeitspanne, in der die für die Prognose maßgeblichen Informationen nicht oder jedenfalls nicht in gleichem M a ß e wie in der Freiheit gewonnen werden können; die Spannung zu der Regelung des § 67c Abs. 1 ist offensichtlich.
164
Hanack (LK 1 1 § 68c Rdn. 23) versteht auch die Unterbringung durch den Vormund oder Pfleger (jetzt: Unterbringung durch den Betreuer nach § 1906 BGB) wegen ihres tatsächlichen Zwangscharakters als Anstaltsunterbringung im Sinne des Satzes 2. Für die gegenteilige Ansicht spricht indessen, dass hier das Vormundschaftsgericht die Unterbringung zwar genehmigt, aber nicht anordnet und dass der Betreuer, auch wenn er Behördenangehöriger ist, bei der zivilrechtlichen Aufenthaltsbestimmung keine behördlichen Hoheitsakte vornimmt. Es wäre auch praktisch unerwünscht, wenn ein psychisch Kranker oder Schwachsinniger, der vor Jahren untergebracht worden ist, mit Rücksicht auf § 67c Abs. 2 Satz 2 ohne gerichtliche Nachprüfung in den Maßregel Vollzug aufgenommen werden könnte; kaum erträglich wäre das in Fällen, in denen das Vormundschaftsgericht es abgelehnt hat, die Unterbringung durch den Vormund oder Pfleger nach Ablauf der Höchstdauer (§ 7 0 f Abs. 1 Nr. 3 F G G , § 70i FGG) zu verlängern. Zwar können sich entsprechende Konstellationen auch bei der landesrechtlichen Unterbringung ergeben; doch sind dort die Unterbringungsfristen meist kürzer und die behördlichen Kontrollen intensiver. 181
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Pollähne/Böllinger wollen nur solche Unterbringungen von der Einberechnung in die Frist ausschließen, die in der Regel keinen Fortschritt im Sinne des Maßregelzwecks erreichen. Hingegen sollen solche Fälle in die Frist einbezogen werden, in denen eine qualitativ vergleichbare Behandlung (z.B. Sozialtherapie im Strafvollzug, landesrechtliche oder betreuungsrechtliche Unterbringung) stattgefunden hat. Zur Begründung wird die ungenaue Gesetzesformulierung angeführt und auf eine extensive, verfassungskonforme Auslegung verwiesen. 1 8 2 Indes ist der Wortlaut („auf behördliche Anordnung") klar und ein Grund, warum die Auslegung der h . M . (s.o.) nicht verfassungskonform sein sollte, wird nicht dargelegt.
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Horstkotte LK 10 § 67c Rdn. 114. Ebenso: Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; Veh MK
Rdn. 16. 180
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Veh MK Rdn. 16; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8.
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Horstkotte LK 10 § 67c Rdn. 115; ebenso: Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; Veh MK Rdn. 16. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 27.
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
e) § 67c Abs. 2 ist unanwendbar, wenn die Vollstreckung nach den §§ 63, 64 gemäß § 79 Abs. 4 Satz 2 , 3 verjährt ist. 1 8 3
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3. Inhalt der Entscheidung (Absatz 2 Sätze 3 - 5 ) a) Allgemeines: § 67c Abs. 2 biete drei Entscheidungsmöglichkeiten: Die Anordnung des Vollzugs der Maßregel (Absatz 2 S. 3), die Aussetzung des Vollzugs zur Bewährung (Absatz 2 S. 4) und die Erklärung der Maßregel für erledigt (Absatz 2 S. 5).
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b) Die Anordnung des Maßregelvollzugs hat zu erfolgen, wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert und wenn kein Ausnahmefall für Aussetzung nach Absatz 2 S. 4 vorliegt. Ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert (Satz 3), ist nach denselben Gesichtspunkten zu beurteilen wie im Fall des § 67c Abs. 1. Auf die Erläuterungen hierzu wird verwiesen.
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Hat sich der Verurteilte zwischen der Anordnung der Maßregel und der Entscheidung nach § 67c Abs. 2 zeitweise in einer Anstalt des Straf- oder Maßregelvollzuges befunden, so sind die dort gemachten Beobachtungen mitzuverwerten. Im Übrigen wird hauptsächlich darauf abzustellen sein, ob der Verurteilte während der Zeit seit der Maßregelanordnung rechtswidrige Taten begangen hat und ob diese Taten besorgen lassen, dass er in Zukunft Taten von derartigem Gewicht und von der Art begehen wird, dass die erneute Anordnung der Maßregel gerechtfertigt wäre (vgl. auch § 67g Abs. 1 Nr. 1). Ferner kann eine prognostisch bedeutsame Verschlechterung des psychischen Zustandes Anlass für die Vollstreckung der Maßregel geben; hier gilt das gleiche wie in den Fällen des § 67g Abs. 2. Die Wortwahl „noch erfordert" (Satz 3) hindert den Richter nicht, die Erforderlichkeit der Vollstreckung mit der Begründung zu verneinen, der Täter sei von vornherein ungefährlich gewesen.
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Es ist neu über die Prognose zu entscheiden. 184 Ist die Prognose unsicher, so ist nach den zu Rdn. 5 6 genannten Grundsätzen zu entscheiden. Ist der Täter wegen einer neuen Tat rechtskräftig zu Freiheitsstrafe oder zu einer freiheitsentziehenden Maßregel verurteilt worden, so ist zu prüfen, ob die Vollstreckung der früher angeordneten Maßregel deswegen nicht mehr erforderlich (Satz 3) ist, weil die neue Sanktion nach Art und Dauer den Zweck der alten Maßregel miterfüllen kann; in den Fällen des § 64 ist bei erneuter Maßregelanordnung § 67f zu beachten. 1 8 5 Allerdings schließt eine neue Sanktion, insbesondere eine neue Maßregelanordnung nach § 63 die Anordnung der Vollziehung nicht aus. Das Gesetz selbst geht von der Möglichkeit mehrfacher Maßregelanordnungen aus (vgl. §§ 67f, 72). Man kann sich auch nicht darauf verlassen, dass eine neu angeordnete Maßregel auf jeden Fall Bestand hat und vollstreckt wird.
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In der Mehrzahl der Fälle wird hiernach die Entscheidung nach § 67c Abs. 2 gegen eine Vollstreckung der Maßregel ausfallen: Ist der Täter drei Jahre lang nicht mit bedrohlichen Taten aufgefallen, so spricht dieser Umstand gegen die Erforderlichkeit der Maßregelvollstreckung; hat er solche Taten begangen, so wird in der Mehrzahl der Fälle die neue Sanktion ausreichen. Die Anordnung des Maßregelvollzugs kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Täter, gegen den eine Maßregel nach § 63 angeordnet worden ist, durch eine neue rechtswidrige Tat oder durch eine bedenkliche Veränderung seines Zu-
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Horn SK Rdn. 12; Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; Fischer Rdn. 6; Veh MK Rdn. 14. Veh MK Rdn. 18; Streng Strafrechtliche
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Folgenorientierung und Kriminalprognose S. 9 7 , 1 1 2 . Horstkotte L K 1 0 § 67c Rdn. 117.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
standes (vgl. § 67g Abs. 2) schwerwiegende neue Taten besorgen lässt und die Durchführung eines neuen Sicherungsverfahrens wegen des Zustandes des Verurteilten untunlich erscheint. 172
c) Die Vollstreckung der Maßregel ist auszusetzen, wenn der Maßregelzweck zwar noch nicht erreicht ist, aber die Unterbringung nicht mehr erfordert (Satz 4 i.V. mit Satz 3); das Gesetz umschreibt diesen Sachverhalt in Satz 4 ferner dahin, dass besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, der Maßregelzweck könne auch durch die Aussetzung erreicht werden. Die Formulierung ist gleichbedeutend mit § 67b Abs. I. 1 8 6 Es kann daher auf die Ausführungen zu dieser Vorschrift verwiesen werden. Auch hier ist str., o b es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt, 1 8 7 was aber wegen der gleichartigen Formulierung wie § 67b Abs. 1 aus den bereits dort kommentierten Gründen der Fall sein dürfte. Mit der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung bzw. zu einem gerichtlich angeordneten späteren Zeitpunkt tritt Führungsaufsicht ein (vgl. § 68c Abs. 4).
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d) Ist der Zweck der Maßregel erreicht, so erklärt das Gericht sie für erledigt (Satz 5). Diese Regelung, die sich an die Umschreibung der Entlassungsprognose im früheren Recht (§ 42f Abs. 3 Satz 4 i.d.F. des GewVbrG) anlehnt, hat inzwischen Parallelen gefunden in § 67d Abs. 5 und Abs. 6). Mit der Erledigung entfällt hier allerdings zwingend die Möglichkeit, Führungsaufsicht vorzusehen; bei einem Rückfall ist kein Widerruf der Entscheidung möglich. Der Zusammenhang der Sätze 4 und 5 zeigt, dass die Zweckerreichung (Satz 5) ein größeres M a ß an Gewissheit voraussetzt als es sonst für die Aussetzungs- und Entlassungsprognose gefordert wird.
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Der Zweck der Maßregel ist erreicht, wenn feststeht, dass vom dem Verurteilten entweder gar keine oder keine erheblichen rechtswidrigen Taten infolge seines Hanges bzw. Zustandes mehr zu erwarten sind. 1 8 8 Fraglich ist dabei, ob nur solche Umstände zu berücksichtigen sind, die zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vorliegen ohne Hinzunahme hypothetischer Umstände, etwa über § 68b, 1 8 9 oder aber sämtliche Umstände, die auch sonst prognoserelevant sind. 1 9 0 Für die erstgenannte Ansicht spricht der Wortlaut des Satzes 5 der nahe legt, die Zweckerreichung als einen abgeschlossenen Vorgang zu verstehen („ist erreicht"; demgegenüber sind die Sätze 3 und 4 zukunftsgerichtet formuliert: „noch erfordert"; „rechtfertigen ... die Erwartung ... ereicht werden kann"). Andererseits können - auch wenn die gegenwärtige Prognose günstig ist - negative Einflüsse aus der künftigen Umgebung des Täters wirksam werden, während günstige Einflüsse dieser Art eine für sich allein zweifelhafte Prognose besonders sicher machen können. Im Hinblick auf den Wortlaut wird man sicherlich nicht eine Erledigungserklärung vornehmen können, wenn gegenwärtig der Maßregelzweck noch nicht erreicht ist und die Zweckerreichung nur durch zukünftige Umstände nach Erledigungserklärung zu erwarten ist. Umgekehrt dürfte der Streit kaum eine Rolle spielen. Ist aufgrund gegenwärtiger Umstände die Begehung erheblicher Straftaten nicht mehr zu erwarten, so können auch bloße hypothetische zukünftige Faktoren keine Rolle mehr spielen. Sind hingegen die Faktoren derart, dass zukünftige Straftaten zu erwarten sind, weil der Verurteilte noch
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Horn SK Rdn. 13; Veh MK Rdn. 19; vgl. auch: Sch/Schröde/Stree Rdn. 8. Kein Ausnahmetatbestand: Horn SK Rdn. 13; Horstkotte LK10 § 67c Rdn. 119; Ausnahmetatbestand: Veh MK § 67c Rdn. 19 i.V.m. § 67b Rdn. 11 ff.
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OLG Düsseldorf MDR 1980 779; Horn SK Rdn. 14. So: Horn SK Rdn. 15. So: Horstkotte LK10 § 67c Rdn. 120.
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Späterer Beginn der Unterbringung
§ 67c
wenig gefestigt ist und ein Verführung durch das frühere Milieu droht, so handelt es sich nicht nur um zukünftige Umstände; sie haben vielmehr ihre Wurzeln in der Gegenwart und lassen deshalb schon jetzt an der Zweckerreichung zweifeln. Da die Zweckerreichungsformel (Satz 5) ein besonders hohes M a ß prognostischer Gewissheit voraussetzt, wird in Zweifelsfällen die Maßregel nur nach Satz 4 auszusetzen und nicht nach Satz 5 für erledigt zu erklären sein. 191 Da nach dem Gesetzeswortlaut die Zweckerreichung positiv festgestellt sein muss, gehen Zweifel daran zu Lasten des Verurteilten.
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e) N a c h § 456a Abs. 2 Satz 2 StPO ist § 67c Abs. 2 entsprechend anwendbar, wenn anlässlich einer Auslieferung oder Ausweisung von der Vollstreckung einer Maßregel abgesehen worden ist und der Täter in das Bundesgebiet zurückkehrt. War mit dem Vollzug der Maßregel noch nicht begonnen worden, so gilt § 67c Abs. 2 unmittelbar; entsprechend gilt die Vorschrift dagegen, wenn vor der Ausweisung oder Auslieferung schon mit der Vollstreckung der Maßregel begonnen w o r d e n war. 1 9 2
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4. Zum Verfahren in den Fällen des § 67c Abs. 2 a) Für das Verfahren des Gerichts gilt gemäß § 4 6 3 Abs. 5 StPO die Regelung des § 462 StPO (Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung; A n h ö r u n g des Staatsanwalts und des Verurteilten; Anfechtbarkeit der Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde). 1 9 3 Da § 67c Abs. 2 Fälle betrifft, in denen die gleichzeitig mit der Maßregel verhängte Strafe noch nicht vollstreckt worden ist oder neben der Maßregel keine Strafe verhängt w u r d e (ansonsten wäre es ein Fall des Absatzes 1), entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 StPO). 1 9 4 Zweifelhaft - wegen § 4 6 2 a Abs. 1 S. 2 StPO - ist die Ansicht, w o n a c h der Umstand, dass zeitweise in gleicher Sache Strafe vollzogen worden ist, ohne dass die Voraussetzungen des S 67c Abs. 1 vorlägen, nicht die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für die Entscheidung nach § 67c Abs. 2 begründet. 1 9 5
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b) Die Entscheidung des Gerichts nach § 67c Abs. 2 ist notwendige Voraussetzung für den Vollzug der Unterbringung (Satz 3). Fehlt sie, besteht ein Vollstreckungshindernis. 1 9 6
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Fraglich ist, ob die Entscheidung auch zu erfolgen hat, wenn ein Vollzug der M a ß regel auf absehbare Zeit nicht in Betracht k o m m t . Hier ist z.B. an Verurteilte mit unbekanntem Aufenthalt zu denken. Horstkotte meint deshalb, dass die StrVollstrO (§ 53 Abs. 3) mit der Regelung, dass die Vollstreckungsbehörde bei Ablauf der Dreijahresfrist stets die Prüfung zu veranlassen habe, über den Anspruch des Gesetzes hinausgehe. 1 9 7 Das erscheint fraglich. Z u m einen kann in den Fällen des Absatzes 2 Satz 4 die mit der Führungsaufsicht verbundene Kontrolle und Anweisung auch in den letztgenannten Fäl-
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AA: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 30 und Sch/Schröder/Stree Rdn. 11: Erledigungserklärung nach dem Grundsatz „in dubio pro reo"; wie hier bereits: Horstkotte LK10 § 67c Rdn. 121. Wendisch LR 25 § 456a StPO, Rdn. 5. Veh MK Rdn. 26. AA offenbar Veh MK Rdn. 25, der § 462a
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Abs. 1 StPO (Zuständigkeit der StVK) für einschlägig hält; wie hier: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 34. So aber: Horstkotte LK10 § 67c Rdn. 122. Sch/Schröder/Stree Rdn. 9; Veh MK Rdn. 20; Pohlmann RPfleger 1970 273. Horstkotte LK10 § 67c Rdn. 123.
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§67d
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
len notwendig sein. Außerdem erscheint es zweifelhaft, ein solches Verfahren auf unabsehbare Zeit in der Schwebe zu halten. 180
c) Die Entscheidung des Gerichts kann erst ergehen, wenn die Dreijahresfrist (Satz 1) verstrichen ist. Vorher ist die Maßregelvollstreckung Sache der Vollstreckungsbehörde. Das Gericht kann bis zum Ablauf der Dreijahresfrist auch keine Entscheidungen für die Zeit nach dem Fristablauf treffen; das Gesetz setzt die Verwertung von Informationen aus dem gesamten Dreijahreszeitraum voraus. Aus demselben Grunde kann vor Ablauf der Frist auch keine Entscheidung nach Satz 5 (Erledigung) ergehen. Hingegen wird vorgeschlagen, dass eine Aussetzung im Sinne des Satzes 4 auch vorher möglich sei; in der Sache handele es sich dann um eine Entscheidung nach § 67d Abs. 2. Es wäre sinnwidrig, den Verurteilten kurzfristig unterzubringen, nur um die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 67d Abs. 2 herbeizuführen. 198 Das erscheint angesichts des Gesetzeswortlauts zweifelhaft und wäre wenn, dann überhaupt nur in Form einer Analogie zu § 6 7 c Abs. 2 S. 4 möglich. Hierfür besteht aber keine Notwendigkeit. Denn bis zum Ablauf der Dreijahresfrist obliegt die Vollstreckung der Maßregel der Vollstreckungsbehörde (§§ 4 6 3 Abs. 1, 451 StPO), ohne dass diese an weitere besondere Voraussetzungen als ein rechtskräftiges Urteil (§ 4 4 9 StPO) geknüpft ist.
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d) Zwischen dem Ablauf der Dreijahresfrist und einer Entscheidung nach § 67c Abs. 2 ist § 4 5 3 c StPO (i.V. mit S 4 6 3 Abs. 1 StPO, auch mit S 58 J G G ) entsprechend anwendbar.
§67d D a u e r der U n t e r b r i n g u n g (1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird. (2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. (3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. (4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. (5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 6 4 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.
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(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.
Schrifttum Adams/Gerhardt Die Berücksichtigung der Behandlungsbedürftigkeit von Drogenabhängigen im Rahmen des Ermittlungs-, Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahrens, NStZ 1981 241; Aebersold Die Verwahrung und Versorgung vermindert Zurechnungsfähiger in der Schweiz (1972); P.-A. Albrecht Aspekte des Maßregelvollzuges im Psychiatrischen Krankenhaus, MSchrKrim. 1978 104; Baltzer Die Sicherung des gefährlichen Gewalttäters (2005); Baur Besserung und Sicherung - Zur Problematik des Vollzugs der Maßregeln der Besserung und Sicherung für psychisch kranke und suchtkranke Täter nach § § 6 3 und 64 StGB, StV 1982 33; Becker/Kinzig Therapie bei Sexualstraftätern und die Kosten: Von den Vorstellungen des Gesetzgebers und den Realitäten im Strafvollzug ZfStrVO 1998 259; Becker/Schimkus Das Drogenproblem im Spannungsfeld zwischen Strafanspruch und Rehabilitation, Bewährungshilfe 1982 252; Berg/Wiedner Die Erledigterklärung nach § 67d Abs. 6 StGB bei „Fehleinweisungen" in den psychiatrischen Maßregelvollzug StV 2007 434; Bergener Gegenwärtige Situation und zukünftige Perspektive in der Behandlung und Rehabilitation psychisch kranker Rechtsbrecher, in: Bergener [Hrsg.], Psychiatrie und Rechtsstaat (1981) S. 172; Bergener/Engels/Koester Zur künftigen Versorgung psychisch kranker Rechtsbrecher, Psychiatrische Praxis 1 (1974) 231; Best Das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG und die Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 2 Abs. 6 StGB) ZStW 114 (2002) S. 88; Bernsmann Maßregelvollzug und Grundgesetz - Einige Anmerkungen zum Verhältnis von Verfassung und strafrechtlicher Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, in Blau/Kammeier Straftäter in der Psychiatrie (1984) S. 142; Bischof Die Auswirkungen des neuen Strafrechts auf die Unterbringungsmodalitäten im psychiatrischen Krankenhaus, in: Laux/Reimer [Hrsg.], Klinische Psychiatrie (1982) S. 306; Boetticher Aktuelle Entwicklungen im Maßregelvollzug und bei der Sicherungsverwahrung - Ambulante Nachsorge für Sexualstraftäter ist Aufgabe der Justiz! - NStZ 2005 417; Boetticher/Kröber/ Müller-Isberner/Böhm/Müller-Metz/Wolf Mindestanforderungen für Prognosegutachten NStZ 2006 537; Braasch Untherapierbare Straftäter im Maßregelvollzug (2006); Bresser Die Begutachtung zur Sozialprognose „Lebenslänglicher" und Sicherungsverwahrter, JR 1974 265; Bruns Richterliche Überzeugung bei „Prognoseentscheidungen" über Sicherungsmaßregeln, JZ 1958 647; CoigneraiWeber/Hege Drogenabhängigkeit und Straffälligkeit, MSchrKrim. 1981 133; Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit (Habil.) 2004; ders. Rechtsgrundlagen der Sanktionierung „Gefährlicher Straftäter in: Rehn/Wischka/u.a. Behandlung „gefährlicher Straftäter", 2. Aufl. (2002), S. 11; ders. Kriminalrechtliche Maßregeln, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit in: Egg (Hrsg.) „Gefährliche Straftäter" - Eine Problemgruppe der Kriminalpolitik? (2005) S. 37; Eickhoff Die Benachteiligung des psychisch kranken Rechtsbrechers im Strafrecht NStZ 1987 65; Frisch Prognoseentscheidungen im Strafrecht (1983); ders. Dogmatische Grundfragen der bedingten Entlassung und der Lockerung des Vollzugs von Strafe und Maßregeln ZStW 102 (1990) 707; Gaenslen Die Behandlung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter Diss. Tübingen 2005; Gretenkord Mehrdimensionale Therapie eines Sexualdelinquenten in einer forensischen Klinik, MSchrKrim. 1981 353; Gribbohm Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei den mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung - BGHSt. 20, 232, JuS 1967 349; Grünwald Sicherungsverwahrung, Arbeitshaus, vorbeugende Verwahrung und Sicherungsaufsicht im Entwurf 1962, ZStrW 76 (1964) 633; Haddenbrock Unterbringung und Freiheitsentziehung aus psychiatrischer Sicht, in: Göppinger/ Witter [Hrsg.], Forensische Psychiatrie (1972) S. 1385; Haddenbrock Psychiatrisches Krankheitsparadigma und strafrechtliche Schuldfähigkeit, Festschrift Sarstedt (1981) S. 35; Hammerschlag/ Schwarz Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten NJW 1998 321; Hanack Probleme des Vikariierens und der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§§ 67, 64 StGB), JR 1978 399; Heinz Freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung -
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Stand und Entwicklung anhand statistischer Eckdaten der amtlichen Strafrechtspflegestatistiken Festschrift Schwind (2006) S. 893; R. v. Hippel Gefahrenurteile und Prognoseentscheidungen in der Strafrechtspraxis (1972); Horn Der Maßregelvollzug im Spannungsfeld zwischen Besserung und Sicherung, in: Kriminologie - Psychiatrie - Strafrecht, Festschrift Leferenz (1983) S. 485; Huber Die forensisch-psychiatrische Beurteilung schizophrener Kranker im Lichte neuerer Langzeitstudien, in: Kriminologie - Psychiatrie - Strafrecht, Festschrift Leferenz (1983) S. 463; ltnmel Die Einholung und Verwertung von Prognosegutachten gemäß § 454 Abs. 2 StPO J R 2007 183; Jacobsett Führungsaufsicht und Social Coping, in: Kury [Hrsg.], Prävention abweichenden Verhaltens - Maßnahmen der Vorbeugung und Nachbetreuung (1982), S. 717; Keller Praxis und Erfolg der Unterbringung seelisch gestörter Delinquenten nach § 42b und § 42c StGB, jur. Diss. Freiburg i.Br. 1969; Kinzig Schrankenlose Sicherheit? - Das Bundesverfassungsgericht vor der Entscheidung über die Geltung des Rückwirkungsverbots im Maßregelrecht StV 2000 330; Köhler Die materiellrechtliche Bedeutung „formeller" Maßregelvoraussetzungen bei der Sicherungsverwahrung, NJW 1975 1150; Kempfler Für eine Reform des Entlassungsverfahrens gemäß § 42f StGB, JR 1965 218; Koller Die bedingte Entlassung aus der Unterbringung nach den § § 63, 64 StGB - Voraussetzungen, Verfahren, Praxis BewHi 2005 237; ders. Die Erledigung der Unterbringung nach § 63 StGB, Festschrift Venzlaff (2006) S. 229; ders. Erledigung der Unterbringung und nachträgliche Sicherungsverwahrung R&P 2007 57; Krahforst Zur Kooperation bei der Entlassungsvorbereitung nach § 57 StGB, DRiZ 1976 132; Kröber Kriminalprognostische Begutachtung in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass (Hrsg.) Handbuch der forensischen Psychiatrie Band 3 (2006) S. 69; Kröniger Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus BewHi 2005 257; Last Zur Anwendung des § 42b StGB, NJW 1969 1558; Laubenthal Renaissance der Sicherungsverwahrung ZStW 116 (2004) S. 705; Lauter Psychiatrische Überlegungen zum gegenwärtigen Maßregelvollzug, in: Lauter/Schreiber [Hrsg.], Rechtsprobleme in der Psychiatrie (1978) S. 71; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, in: Göppinger/ Witter [Hrsg.], Forensische Psychiatrie (1972) S. 3; Leygraf Die Begutachtung der Gefährlichkeitsprognose in: Venzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung 4. Aufl. (2004) S. 438; Leygraf J. Prognosegutachten aus der Sicht des Rechtsmittelgerichts in: Barton (Hrsg.) „... weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!" (2006) S. 277; Maetzel Zum Zweck der Maßregel der Sicherungsverwahrung, NJW 1970 1264; Maetzel Übergangsprobleme der „alten" Sicherungsverwahrten, MDR 1971 85; B. Maier Die Berechnung der Frist für die Führungsaufsicht in den Übergangsfällen des Art. 314 Abs. 2 EGStGB, NJW 1977 424; Metrikat Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB - Eine Maßregel im Wandel? (2002); H. ]. Meyer Zur Rechtslage bei der Unterbringung drogenabhängiger Jugendlicher, die nach § 93a JGG vollzogen wird, MDR 1982 177; Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung in den Jahren von 1998 bis 2004 (2006); Möllhoff Die „Unterbringung" psychisch Kranker, Psychiatrische Praxis 6 (1979) S. 31; Mrozynski Aussetzung des Strafrestes und Resozialisierung J R 1983 133; Mrozynski Strafrechtliche Maßregeln und private Vormundschaft im Gesamtzusammenhang des Unterbringungsrechts, in: Crefeld (Hrsg.) Recht und Psychiatrie (1983) S. 58; B. Müller Anordnung und Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung (1981); Müller-Dietz Probleme der Sozialprognose, NJW 1973 1065; Müller-Dietz Rechtsfragen der Unterbringung nach § 63 StGB, NStZ 1983 203; ders. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und Verfassung JR 1987 45; ders. Unterbringung in der Entziehungsanstalt und Verfassung J R 1995 353; Müller-Hadamik Die Unterbringung psychisch abnormer Rechtsbrecher, Nervenarzt 37 (1966) S. 97; Müller-Metz Die Sicherungsverwahrung StV 2003 43; Neu Die Behandlung der Vollstreckung bzw. Weitervollstreckung einer nach früherem Recht angeordneten Sicherungsverwahrung, MDR 1973 551; Nowakowski Zur Rechtsstaatlichkeit der vorbeugenden Maßnahmen, Festschrift v. Weber (1963) S. 98; Nowakowski Die Maßnahmenkomponente im Strafgesetzbuch, Festschrift Broda (1977) S. 193; Pätzold Die Eingriffsvoraussetzungen bei freiheitsentziehenden Maßregeln unter besonderer Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit, jur. Diss. Tübingen 1975; Peglau Zur Rückwirkung von § 67d StGB gem. Art. la Abs. 3 EGStGB NJW 2000 179; Pfäfflin Mängel in Prognosegutachten in: Barton (Hrsg.) „... weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!" (2006) S. 259 ff; Radtke Anmerkung zu OLG Hamm - NStZ 2000 168 - NStZ 2001 222; Reissinger/Diehl Patienten im Maßregelvollzug in Bayern und Baden-Württemberg, Spektrum der Psychiatrie 1979 114; Ritzel Unterbringung nach § 63 2. StrRG: Besserung oder Sicherung? MSchrKrim. 1975 182; Ritzel Unterbringung und Wiedereingliederung psychisch kranker Rechtsbrecher, ungedr. Göttinger med. Habiii-
708
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
Dauer der Unterbringung
§67d
tationsschrift 1978 (zitiert: Ritzel 1978); Rüping Therapie und Zwang bei untergebrachten Patienten J Z 1982 744; Schallast/Dessecker/von der Haar Unterbringung in der Entziehungsanstalt: Entwicklungstendenzen und gesetzlicher Regelungsbedarf R&P 2005 3; Schalast/Leygraf Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Auswirkungen des Beschlusses des BVerfG, NStZ 1994, 578 - Überlegungen zur gesetzlichen Regelung NStZ 1999 485; Schlüter Die Problematik des § 42b StGB in seiner Verbindung mit § 51 Abs. 2 StGB aus der Sicht eines Anstaltpsychiaters, NJW 1968 2276; R. Schmitt Auf der Grenze von Recht und Medizin: Die zwangsweise Unterbringung von Trinkern, Festschrift Bockelmann (1979) S. 861; Schneider, U. Beendigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei „Zweckerreichung" - eine kriminalpolitische Herausforderung NStZ 2004 649; dies. Die Reform des Maßregelrechts NStZ 2008 68; Schöch Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998 NJW 1998 1257; SchülerSpringorum Rechtliche Konsequenzen von gefährlichen Taten? R&P 1998 25; Seifert/Schiffer/ Bode/Schmidt-Quernheitn Forensische Nachsorge - unverzichtbar, wenn es um die Entlassung eines psychisch kranken Rechtsbrechers geht NStZ 2005 125; Sluga Geisteskranke Rechtsbrecher (1977); Stolpmann Bietet mehr Sicherung mehr Sicherheit? - Anmerkungen zur offenen Maßregelbehandlung NStZ 1997 316; Stratenwerth Strafrechtliche Maßnahmen an geistig Abnormen, SchwZStr. 89 (1973) 131; Stratenwerth Zur Rechtsstaatlichkeit der freiheitsentziehenden Maßnahmen im Strafrecht, SchwZStr. 82 (1966) 337; Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz (1960); ders. In du|?io pro reo (1962); ders. Probleme der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, Festschrift Geerds (1995) S. 581; Stromberg Die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte, MDR 1979 353; Streng Strafrechtliche Sanktionen 2. Aufl. (2002); Terhorst Bewährungsprognosen und der Grundsatz „in dubio pro reo", MDR 1978 973; Teyssen Die Entscheidung über die Aussetzung der Unterbringung, Festschrift Tröndle (1989) S. 407; Ollenbruch Verschärfung der Sicherungsverwahrung auch rückwirkend - populär, aber verfassungswidrig? NStZ 1998 326; Venzlaff Der psychisch Kranke im Spannungsfeld zwischen Behandlungsauftrag und Rechtsnorm, in: Lauter/Schreiber (Hrsg.), Rechtsprobleme der Psychiatrie (1978) S. 12; Venzlaff/Schreiber Der Maßregelvollzug - ein Stiefkind der Strafrechtsreform? in: Bergener (Hrsg.), Psychiatrie und Rechtsstaat (1981) S. 189; Volckart/Grünbaum Maßregelvollzug 6. Aufl. (2003); Volckart Zur Verrechtlichung der Gnade in Strafvollstreckung und Vollzug, NStZ 1982 496; ders. Die Höchstfrist der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, NStZ 1987 315; Warda Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens im Strafrecht (1962); Wolf Gefährliche Straftäter - Gesichtspunkte der Strafvollstreckungsgerichte - , in: Egg (Hrsg.) „Gefährliche Straftäter" - Eine Problemgruppe der Kriminalpolitik? (2005) S. 73.
Entstehungsgeschichte Die Materie des § 6 7 d (gesetzliche Höchstdauer freiheitsentziehender Maßregeln und Entlassung aus dem Maßregelvollzug) war auf Grund des GewVerbrG in knapper Form in § 4 2 f StGB a.F. geregelt. Dessen Absatz 1 bestimmte programmatisch: „Die Unterbringung dauert so lange, als ihr Zweck es erfordert." Die Sicherungsverwahrung war, ebenso wie die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt (und die wiederholte Unterbringung im Arbeitshaus), an keine Frist gebunden (Abs. 3 Satz 1). Die Höchstfrist für die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt (wie auch die erste Unterbringung im Arbeitshaus) betrug zwei Jahre (Abs. 2). Die Entlassung vor Ablauf der Höchstfrist oder bei unbefristeter Unterbringung sollte davon abhängen, „dass der Zweck der Unterbringung erreicht ist" (Abs. 3 Satz 4 , Abs. 4 ) . Eine solche Entlassung galt nur als bedingte Aussetzung der Unterbringung (§ 4 2 h Abs. 1 Satz 1); sie durfte, auch nachträglich, mit der Auflage besonderer Pflichten verbunden werden (§ 42h Abs. 1 Satz 2). Das 3. StRÄndG begrenzte die wiederholte Arbeitshausunterbringung auf vier Jahre. In dieser Fassung galten die durch das GewVbrG eingeführten Regelungen bis zum Inkrafttreten des 1. StrRG ( 1 . 4 . 1 9 7 0 ) . Im E 1 9 6 2 blieb die Unterbringung in der Heil- oder Pflegeanstalt unbefristet. Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde bei der ersten Anordnung eine Höchst-
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§ 67d
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
frist von zwei Jahren, bei der wiederholten Anordnung dagegen eine Höchstfrist von vier Jahren vorgesehen (§ 89 Abs. 2). Die erste Unterbringung in der Sicherungsverwahrung begrenzte der E 1962 auf zehn Jahre (§ 89 Abs. 2). Doch sollte der Richter befugt sein, die erste Sicherungsverwahrung auch unbefristet anzuordnen, „wenn der Schutz der Allgemeinheit es erfordert" (§ 89 Abs. 3); auch sollte die binnen fünf Jahren nach der Entlassung aus der Vorbeugenden Verwahrung angeordnete Sicherungsverwahrung stets unbefristet sein (§ 89 Abs. 4). Für die Entlassung stellte der E 1962 darauf ab, dass der „Zweck der Maßregel" durch ihre Aussetzung erreicht wird (§ 89 Abs. 6). Bei der Überwachung nach der bedingten Entlassung, der jetzt einheitlich die Führungsaufsicht dient (§ 67d Abs. 2 Satz 2), differenzierte der E 1962: Der Sicherungsverwahrung sowie der Vorbeugenden Verwahrung sollte die „Sicherungsaufsicht" folgen (§ 107 Abs. 3). Im Übrigen sollten die Regeln über die Bewährungshilfe gelten (§ 107 Abs. 1, 3; kritisch zum gesamten Maßregelrecht des E 1962: Grünwald ZStrW 76 [1964] 633 ff). Die Regelung in Absatz 1 Satz 2, 3 des jetzigen § 67d stammt aus dem E 1962 (§ 89 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5). Im übrigen hat § 67d mit Ausnahme des Absatzes 4 seine Fassung in den Beratungen des Sonderausschusses während der 5. Wahlperiode erhalten (nähere Hinweise bei den Erläuterungen zu den einzelnen Absätzen). § 67d Abs. 4 ist auf Grund der Beratungen des Sonderausschusses in der 7. Wahlperiode durch das EGStGB 1974 (Art. 18 II Nr. 27) eingefügt worden. § 67d ist am 1.1.1975 in Kraft getreten. In der Zeit vom 1.4.1970 bis zum 31.12.1974 galt § 42f i.d.F. des 1. StrRG. In dieser Fassung war die ältere Regelung, nach der die bedingte Entlassung anzuordnen war, wenn der „Zweck der Unterbringung erreicht" war (§ 42f Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 2 i.d.F. des 3. StRÄndG), bereits durch die jetzt in § 67d Abs. 2 Satz 1 enthaltene „Erprobungsformel" ersetzt (§ 42f Abs. 2 i.d.F. des 1. StrRG); § 42f Abs. 1 idF des GewVerbrG („Die Unterbringung dauert so lange, als ihr Zweck es erfordert") wurde durch das 1. StrRG gestrichen. Die ursprüngliche vorgesehene Einbeziehung der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt in Abs. 1 S. 1, ist nie in Kraft getreten, sondern endgültig gestrichen worden durch das StVollzÄndG vom 20.12.1984 (BGBl. I S. 1655). § 67d Abs. 5 wurde durch das 23. StÄG eingefügt. Das BVerfG hat mit Entscheidung vom 16.3.1994 (BGBl. I S. 3012) folgendes entschieden: § 67d Abs. 5 Satz 1 ist mit Artikel 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar und nichtig, als hiernach die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mindestens ein Jahr vollzogen sein muss, ehe das Gericht bestimmen kann, dass sie nicht mehr weiter zu vollziehen ist. Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten (SexualdelikteBekG) vom 26.1.1998 (BGBl. I S. 160) wurde die Höchstfrist von 10 Jahren (§ 67d Abs. 1 S. 1 2. Alt. a.F.) bei der erstmals angeordneten Sicherungsverwahrung zugunsten der jetzigen Regelung in Absatz 3 geändert. Dabei ist die Regelung jetzt auch für die wiederholt angeordnete Sicherungsverwahrung anzuwenden. Früher konnte die Maßregel dagegen nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 a.F. zur Bewährung ausgesetzt werden (wenn „verantwortet werden kann zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird"). Die Regelung gilt auch rückwirkend für Altfälle. Das ergab sich ausdrücklich aus Art. l a Abs. 3 EGStGB a.F., nach dessen Aufhebung aber auch aus der allgemeinen Regel, dass das jeweils zum Entscheidungszeitpunkt geltende Recht anzuwenden ist (vgl. BTDrucks. 15/2887 S. 20). § 67d Abs. 6 wurde durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 28.7.2004 (BGBl. I S. 1838) eingefügt.
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§67d
D a u e r der U n t e r b r i n g u n g
Das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht vom 1 3 . 4 . 2 0 0 7 (BGBl. I S. 513), in Kraft getreten am 18.4.2007, brachte kleinere Änderungen in Abs. 3 S. 2 und Abs. 6 S. 2, wo das Wort „Erledigung" durch „Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung" ersetzt wurde. Außerdem wurde Absatz 4 S. 3 neu eingefügt. Durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 1 6 . 7 . 2 0 0 7 (BGBl. I S. 1327) - in Kraft getreten am 2 0 . 7 . 2 0 0 7 - wurde Absatz 5 S. 1 neu gefasst, der in seiner alten Fassung vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 16. März 1 9 9 4 (BVerfGE 91, 1) teilweise für verfassungswidrig erklärt worden war.
Übersicht Rdn. 1
I. Zweck der Vorschrift Π. Übersicht
3
ΙΠ. Gesetzliche Höchstfristen bei der Unterbringung nach § 6 4 (Absatz 1) 1. Übersicht 2 . Berechnung der Höchstfrist
Rdn. (1) Wegfall der Gefährlichkeit mehr
52
bb) UnVerhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung
. . . .
54
. . .
56
c) Korrektur von Rechtsfehlern 10
a) Beginn der Unterbringung
. . . .
b) Anrechnung der einstweiligen Unterbringung etc
10 11
3. Verlängerung der Höchstfrist (Absatz 1 Satz 3 )
15
a) Grundsatz b) Z u r Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe
15
c) Verhältnis zu § 6 7 Abs. 5 S. 2
21
4 . Folgen des Ablaufs der Höchstfrist (Absatz 4 )
23
a) Erledigung der M a ß r e g e l b) Führungsaufsicht
18
23 24
IV. Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 6 7 d Abs. 5 ) 25
3. Voraussetzungen
29
28 . . .
29
b) Keine hinreichende konkrete Behandlungsaussicht
31
c) Beruhen auf Gründen in der der Person des Untergebrachten . . .
35
d) Anwendbarkeit bei Zweckerreichung
37
4 . Rechtsfolge
4 . Rechtsfolgen
57
VI. Erledigung der Sicherungsverwahrung nach zehn Jahren (Absatz 3 ) 1. Allgemeines
60
2 . Voraussetzungen
65
a) Formelle Voraussetzungen der Erledigungserklärung
65
b) Materielle Voraussetzungen der Erledigungserklärung
68 73
3. Rechtsfolgen VII. Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung (Absatz 2 ) 1. Entstehungsgeschichte und Bedeutung des Absatzes 2 a) Entstehungsgeschichte
1. Übersicht 2. Zweck a) Keine Mindestvollzugsdauer
51
(2) Defektzustand besteht nicht
38
77
b) Bedeutung 2 . Anwendungsbereich 3. Aussetzungsvoraussetzungen
79 81 . . . .
(1) Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit (2) K o n k r e t erforderlicher Wahrscheinlichkeitsgrad (4) Prognose des Vollstreckungsgerichts
84 86 87 90
. . . .
(3) Prognosefaktoren
V. Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 6 7 d Abs. 6 )
84
a) Formelle Voraussetzungen . . . . b) Materielle Voraussetzung (günstige Sozialprognose) aa) „Rechtswidrige T a t e n " bb) „ E r w a r t u n g "
77
91 .
96 97
. . . .
103
1. Übersicht und Z w e c k
42
4 . Rechtsfolge
107
2 . Formelle Voraussetzungen
47
3. Materielle Voraussetzungen
48
5. Maßregelaussetzung und Strafaussetzung ( § 5 7 )
111
a) Übersicht
48
a) Grundsätzlicher Gleichlauf der Prognose
49
b) Divergenzfragen
b) Voraussetzungen der Maßregel liegen nicht mehr vor aa) Defektzustand nach §§ 2 0 , 2 1 besteht nicht (mehr)/WegfaIl der Gefährlichkeit
aa) Vollzug der Restfreiheitsstrafe
111 113 114
bb) Vorliegen der Voraussetzungen 50
des § 6 7 Abs. 5 S. 2
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115
711
§67d
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Rdn.
c) Zu verbüßende Strafen aus anderen Urteilen 6. Sonderfälle der Maßregelaussetzung . a) Verschiedene Maßregeln in einem Verfahren b) Vollzug einer Freiheitsstrafe aus einem anderen Verfahren vor der Sicherungsverwahrung c) Mehrere Maßregel gleicher Art aus verschiedenen Verfahren d) Verschiedene Maßregeln aus mehreren Verfahren e) (Erneute) Aussetzung nach Widerruf f) Zuständigkeitskonzentration . . .
Rdn. V m . Verfahrensrecht 1. Höchstfrist gem. § 67d Abs. 1, 4 . . 2. Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 67d Abs. 5 3. Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 4. Erledigung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 67d
117 118 119
120 121
Abs. 3 5. Maßregelaussetzung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 2 6. Kosten
122 123 124
125 127 128
129
130 132 133
I. Zweck der Vorschrift 1
2
§ 67d bestimmt die Dauer der Unterbringung. Der erforderliche Zeitbedarf für eine Unterbringung ist zum Zeitpunkt der Aburteilung regelmäßig nicht festzustellen. Deswegen ist eine Bestimmung dazu erforderlich, wann eine angeordnete Unterbringung zu beenden ist. 1 § 67d enthält differenzierte Regelungen sowohl hinsichtlich der Art der Maßregel als auch hinsichtlich der Art ihrer Beendigung (Erledigung, Aussetzung zur Bewährung). Die Vorschrift ist letztendlich eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und steht in einer Reihe mit §§ 67a, 67c und 67e, wonach eine Unterbringung nur dann und so lange vollstreckt werden darf, wie dies geeignet (insbesondere § 67a, 67d Abs. 5 und 6 S. 1 1. Alt.), erforderlich (insbesondere § 67c, 67d Abs. 2 und 3) und angemessen (insbesondere § 67d Abs. 3 und Abs. 6 S. 1 2. Alt.) zur Erreichung des Sicherungszwecks der jeweiligen Maßregel ist.
Zur ursprünglichen Konzeption des Maßregelrechts nach dem GewVerbrG vgl.
Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 1. Für die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt (psychiatrisches Krankenhaus), bei der sich das Behandlungs- und Pflegebedürfnis nicht generell auf bestimmte Zeiträume beschränken lässt, ist seit der Einführung des Maßregelrechts niemals eine gesetzliche Höchstfrist vorgesehen worden. Eine früher bestehende gesetzliche Höchstfrist von 10 Jahren für die erstmals angeordnete Sicherungsverwahrung wurde durch das SexualdelikteBekG abgeschafft. Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt war seit je her eine zeitliche Beschränkung vorgesehen.
Π. Übersicht 3
Absatz 1 sieht für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) eine Höchstfrist vor, Absatz 4 regelt die Rechtsfolge bei Ablauf der Höchstfrist. Es handelt sich um die einzige freiheitsentziehende Maßregel, für die eine solche geregelt ist. Das ergibt sich aus dem Umkehrsschluss zu Absatz l . 2 Absatz 5 bestimmt die Rechtsfolge bei fehlender Aussicht auf Zweckerreichung. Absatz 2 gilt für alle freiheitsentziehenden Maßregel. Er regelt die Voraussetzungen für eine Maßregelaussetzung zur Bewährung. Absatz 3 regelt die Voraussetzungen der Erledigung einer Unterbringung in der Siche-
1
Veb MK Rdn. 1.
712
2
Fischer Rdn. 2.
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Dauer der Unterbringung
§67d
rungsverwahrung nach Ablauf von 10 Jahren. Absatz 6 regelt die Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63), wenn nach Beginn der Vollstreckung festgestellt wird, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre. Da eine Erledigung (mit oder ohne Eintritt der Führungsaufsicht) die dem Verurteilten günstigere Rechtsfolge ist, ist sie vorrangig zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen für eine Erledigung vor, so kann nicht stattdessen lediglich eine Aussetzung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 erfolgen. § 67d ist nicht die einzige Vorschrift, die Regelungen über eine nachträgliche AusSetzung oder Erledigung der Maßregel enthält. Vielmehr ist insoweit auch § 67c zu berücksichtigen. Die §§ 67c und 67d regeln nur unvollständig die Möglichkeiten der Nichtvollziehung oder Beendigung der Vollziehung einer freiheitsentziehenden Maßregel (vgl. dazu § 67c Rdn. 1). Grob kann man die Anwendungsbereiche der beiden Vorschriften so unterteilen, dass § 67c die Entscheidung zur Vollstreckung/Nichtvollstreckung der Unterbringung vor dem Beginn ihrer Vollstreckung, § 67d die Entscheidung zur Vollstreckung/Nichtvollstreckung und die Höchstfrist der Vollstreckung nach dem Beginn der Unterbringung regelt. Das ist aber nicht mehr als eine oberflächliche Einteilung. Daneben gibt es Fallgestaltungen, die weder in der einen noch in der anderen Vorschrift geregelt sind. So wäre bei einem Strafaufschub oder einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG § 67c Abs. 1 nicht anwendbar (da es an der Voraussetzung des Endes des Strafvollzuges fehlt), § 67d Abs. 2 aber ebenfalls nicht, weil dort von der „weiteren" Vollstreckung der Maßregel die Rede ist, was eine begonnene Vollstreckung impliziert. Derartige Fälle werden i.d.R. über eine Analogie zu der einen oder anderen Vorschrift zu lösen sein.
4
Nachfolgende Ubersicht stellt die unterschiedlichen Erledigungs- und Aussetzungsmöglichkeiten im funktionalen Anwendungsbereich des § 67d (also nach begonnener Maßregelvollstreckung) vor:
5
1. Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ergeben sich nach bzw. analog § 67d folgende Beendigungsmöglichkeiten: a) Erledigung der Maßregel nach Ablauf der Höchstfrist, S 67d Abs. 1 und 4, b) Erledigung wegen Nichterreichbarkeit des Unterbringungszwecks, § 67d Abs. 5, c) Erledigung wegen (anfänglicher) Fehleinweisung, analog § 67d Abs. 5, d) Maßregelaussetzung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2. 2. Für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ergeben sich nach S 67d folgende Beendigungsmöglichkeiten: a) Erledigung wegen Wegfalls der Unterbringungsvoraussetzungen, § 67d Abs. 6 (mit der Möglichkeit der Anschlussentscheidung nach S 66b Abs. 3!), b) Erledigung wegen zwischenzeitlich eingetretener UnVerhältnismäßigkeit, § 67d Abs. 6, c) Erledigung wegen Fehleinweisung nach § 67d Abs. 6 (mit der Möglichkeit der Anschlussentscheidung nach § 66b Abs. 3!), d) Maßregelaussetzung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2. 3. Für die Sicherungsverwahrung gelten nach § 67d folgende Beendigungsmöglichkeiten: a) Erledigung nach zehn Jahren der Unterbringung gem. § 67d Abs. 3 unter den dort genannten Voraussetzungen, b) Maßregelaussetzung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2. Eine analoge Anwendung verschiedener Absätze des § 67d kommt auch im funktionalen Anwendungsbereich des § 67c (also vor Ende des Strafvollzuges und damit vor Beginn der Vollstreckung der Maßregel) in Betracht. So ist eine analoge Anwendung von
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713
6
§67d
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Absatz 5 auch für den Prüfungszeitpunkt des § 67c zu bedenken, wenn dabei festgestellt wird, dass die Unterbringung in der Entziehungsanstalt bereits anfänglich aussichtslos war oder dies nachträglich geworden ist (vgl. dazu § 67c Rdn. 105 ff). Eine analoge Anwendung des Absatzes 6 kommt in Betracht, wenn zum Prüfungszeitpunkt des § 67c festgestellt wird, dass eine Voraussetzung der Maßregel nach § 63 nicht mehr vorliegt. 7
Zur Rückfallquote nach Entlassung aus dem Maßregelvollzug vgl. Heinz FS Schwind S. 893, 908 m.w.N.
Π. Gesetzliche Höchstfristen bei der Unterbringung nach § 6 4 (Absatz 1) 8
1. Übersicht. Der E 1962 hatte vorgeschlagen, bei wiederholter Anordnung die seinerzeit schon bestehende Höchstfrist von zwei Jahren auf vier Jahre heraufzusetzen (§ 89 Abs. 2). Der Sonderausschuss des Bundestages überzeugte sich jedoch nach Anhörung eines Sachverständigen davon, dass eine solche Änderung nicht erforderlich sei (Prot. d. Sonderausch, für die Strafrechsreform IV, S. 806 ff, 819, 937; BTDrucks. V/4095 S. 33). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass eine Unterbringungsdauer von mehr als einem Jahr äußerst selten sei (Prot. IV aaO). Seit Mitte der neunziger Jahre sollen die durchschnittlichen tatsächlichen Unterbringungszeiten leicht angestiegen sein.3 Zu statistischem Material bzgl. Unterbringungsverlauf, Organisationshaft, Verlegungen, Rückfällen etc. vgl. Metrikat Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB S. 2 0 7 ff.
9
Für die Praxis ist die Verlängerung der Zweijahresfrist auf Grund der Vorschrift des § 67d Abs. 1 Satz 3 bedeutsam (dazu Rdn. 15 ff). Nach Ablauf der Höchstfrist ist der Untergebrachte zu entlassen (Abs. 4), selbst wenn eine Fortsetzung der Entziehungskur Erfolg verspricht; in geeigneten Fällen wird mit Zustimmung des Verurteilten und unter Mitwirkung der Leistungsträger eine Umwandlung in einen freiwilligen Klinikaufenthalt zu erreichen sein. Sind mehrere Anordnungen nach § 64 ergangen, so ist § 67f zu beachten (vgl. die Erläuterungen zu § 67f). § 67f schließt längere Unterbringungszeiten als zwei Jahre nicht schlechthin aus; war bei Erlass der späteren Anordnung die frühere bereits für eine bestimmte Zeit vollstreckt worden, so kann die Summe aus dieser Zeitspanne und aus der anschließenden Unterbringungsdauer auf Grund der neuen Anordnung zwei Jahre wesentlich überschreiten (vgl. die Erläuterungen zu S 67f). 2. Berechnung der Höchstfrist (Abs. 1 Satz 2)
10
a) Die Höchstfrist beträgt zwei Jahre (Absatz 1 S. 1) und darf durch Gerichtsentscheidung nicht von vornherein verkürzt werden. 4 Sie läuft „vom Beginn der Unterbringung an" (Abs. 1 Satz 2). Die Regelung entspricht dem § 67e Abs. 4 Satz 1. Beginn der Unterbringung ist die Aufnahme des Verurteilten in den Maßregelvollzug auf Grund eines rechtskräftigen Urteils. Das gilt auch, wenn sich der Täter in Untersuchungshaft (und anschließender sog. Organisationshaft, also der Freiheitsentziehung außerhalb des Maßregelvollzuges, die notwendig ist, bis ein geeigneter freier Maßregelvollzugsplatz bereit steht) befindet. 5 Denn Sinn und Zweck der Maßregel nach § 64 liegt in der Heilung und Besserung des Täters. An diesem Ziel kann aber nach der Vorstellung des
3
4
Scbalast/Desseker/von der Haar R&P 2 0 0 5 3, 7 m.w.N. BGHSt 3 0 305, 307; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 293.
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OLG Hamm NStZ 1989 549; OLG Stuttgart NStZ 1985 332; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2; Veh MK Rdn. 6; krit. Jabel NStZ 1985 333; vgl. auch Morgenstern StV 2 0 0 7 441 ff.
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Dauer der Unterbringung
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Gesetzgebers erst im Maßregelvollzug gearbeitet werden. Aus diesem Grunde wird aber der Beginn der Unterbringung, wenn sich der der Täter bereits in einstweiliger Unterbringung nach § 126a StPO befindet, mit der Rechtskraft des Urteils anzusetzen sein, ohne dass es einer förmlichen Einleitung des Maßregelvollzuges (§ 451 StPO) bedarf.6 Ähnliches dürfte für den Fall gelten, dass der Täter zur Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 81 StPO untergebracht ist. Verbüßt der Verurteilte vor der Unterbringung eine - mit der Unterbringung oder in einem anderen Verfahren verhängte Strafe, so ist der „Beginn der Unterbringung" mit dem Zeitpunkt anzusetzen, zu dem die Strafe verbüßt ist, es sei denn, dass nach Strafverbüßung der Vollzug der Unterbringung zunächst aufgeschoben wird. In den Fällen des § 67c Abs. 1 kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung, mit der die Aussetzung der nach der Strafe zu vollziehenden Maßregel abgelehnt wird, bei Ende des Strafvollzuges schon rechtskräftig ist (vgl. § 67e Rdn. 19 ff). Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs „Beginn der Unterbringung" ergeben sich auch aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V. mit § 38 StVollstrO. b) Eine Anrechnung der einstweiligen Unterbringung oder der in derselben Sache 11 erlittenen Untersuchungshaft auf die Höchstdauer der Unterbringung findet nicht statt. 7 Der vorläufige Freiheitsentzug ist dem Maßregelvollzug hinsichtlich des Besserungszwecks nicht gleichwertig. Eine entsprechende Anwendung des § 51 auf die in § 67d Abs. 1 bezeichneten Fristen ist nicht möglich.8 In den Fällen des § 67f wird der auf Grund der erledigten Maßregelanordnung erlittene Freiheitsentzug ebenfalls nicht auf die Höchstdauer der neu angeordneten Unterbringung angerechnet (§ 67f Rdn. 11). Ist dagegen die Vorschrift des § 55 Abs. 2 anzuwenden, die dem § 67f vorgeht (§ 67f Rdn. 13; BGHSt. 30 305), so wirkt sich selbstverständlich der auf Grund der aufrechterhaltenen Maßregel erlittene Freiheitsentzug auf die Höchstdauer der Unterbringung aus. Wird der rechtskräftig zur Unterbringung Verurteilte nach § 453c StPO verhaftet, so 1 2 ist der dadurch bewirkte Freiheitsentzug auf die Höchstdauer der Maßregel anzurechnen. Die sog. „Organisationshaft" (vgl. dazu Schöch LK § 67 Rdn. 33 ff) wird nicht auf die Höchstfrist angerechnet, sondern nur auf eine neben der Maßregel angeordnete Freiheitsstrafe.9 Dies darf aber nicht zu einer Verlängerung der Freiheitsentziehung führen.10 Nicht angerechnet wird die Zeit des Vollzugs einer neben der Maßregel verhängten Freiheitsstrafe. Das gilt auch dann, wenn der Strafvollzug nach § 67 Abs. 2, 3 in den Maßregelvollzug eingeschoben wird. Ist die Unterbringung ausgesetzt, die Aussetzung später aber widerrufen worden, so wird die Zeit zwischen der Entlassung und dem Beginn des erneuten Freiheitsentzuges in die Höchstfrist nicht eingerechnet; doch darf die Dauer der Unterbringung vor und nach dem Widerruf insgesamt die gesetzliche Höchstfrist der Maßregel nicht übersteigen (§ 67g Abs. 4). 11 Der Anstaltsaufenthalt nach § 125 StVollzG wird nicht angerechnet.12
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Bei einer Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel nach § 67a ist § 67a Abs. 4 zu beachten. Der Verurteilte ist bezüglich der Zeit, die er in der aufnehmenden Anstalt verbracht hat, so zu behandeln, als ob er sich im Vollzug der im Urteil angeord-
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OLG Hamm NStZ 1989 549; OLG Hamm OLGSt. § 67e S. 5; OLG Karlsruhe NStZ 1992 456; OLG Stuttgart NStZ 1985 332; Fischer Rdn. 4; Veh MK Rdn. 6. Lackner/Kühl Rdn. 2; Veh MK Rdn. 6. Horn SK § 51 Rdn. 11; Fischer § 51 Rdn. 10. OLG Karlsruhe NStZ 1992 456; Veh MK
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Rdn. 6; Pohlmann/Jabel/Wolf8 § 4 4 a Rdn. 3; Volckart/Grünebaum Maßregelvollzug 6 S. 34. BVerfG NStZ 1998 77; vgl. auch Lackner/ Kühl Rdn. 2. Vgl. Sch/Schröder/Stree Rdn. 2. Callies/Müller-Dietz StVollzG9 § 125 Rdn. 3.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
neten Maßregel befunden hätte: Hat das Urteil eine befristete Maßregel angeordnet, so läuft die gesetzliche Höchstfrist für diese Maßregel weiter, wenn sich der Verurteilte auf Grund einer Überweisung nach § 67a im Vollzug einer unbefristeten oder mit längerer Höchstfrist versehenen Maßregel befindet. 3. Verlängerung der Höchstfrist um die Dauer der Anrechnung des Maßregelvollzugs auf die Strafe (Absatz 1 Satz 3) 15
a) Wird die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vor der gleichzeitig verhängten Freiheitsstrafe vollzogen (§ 67 Abs. 1), so verlängert sich die Höchstfrist der Unterbringung „um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzuges der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird" (Abs. 1 Satz 3). Hiermit ist nicht etwa eine richterliche Anrechnungsentscheidung, sondern die kraft Gesetzes eintretende Anrechnung nach § 67 Abs. 4 gemeint. Ist beispielsweise die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zwei Jahre lang vor einer in demselben Urteil verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren vollstreckt worden, so verlängert sich die Höchstdauer der Unterbringung um den nach § 67 Abs. 4 anzurechnenden Zeitraum. Die Vorschrift des Abs. 1 Satz 3, die aus dem Entwurf 1962 übernommen worden ist, 13 gilt nicht für die Sicherungsverwahrung und die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus. Mit der Verlängerung nach Absatz 1 Satz 3 soll vermieden werden, dass die Anrechnung des Maßregelvollzuges auf die Strafe über die Höchstdauer des insgesamt zulässigen Freiheitsentzuges entscheidet (E 1962, S. 219), der Untergebrachte also durch den Vorwegvollzug der Maßregel gegenüber demjenigen, der zunächst die Strafe und dann - ohne Anrechnungsmöglichkeit - die Maßregel verbüßt, ungerechtfertigt bevorzugt wird. 1 4 Ist der Täter z.B. zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und zu einer Maßregel nach § 64 verurteilt worden, so könnte er bei Vorwegvollzug der Strafe insgesamt 5 Jahre inhaftiert werden, bei Vorwegvollzug der Unterbringung ohne Bestehen einer Verlängerungsmöglichkeit wegen der Anrechnung nach § 67 Abs. 4 aber nur drei Jahre. Die praktische Bedeutung der Verlängerungsvorschrift (Absatz 1 S. 3) liegt im wesentlichen darin, dass die neben einer Strafe angeordnete Maßregel nach § 64 nach Ausschöpfung der in Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Höchstdauer nicht gemäß § 67d Abs. 3 erledigt ist, sondern für einen weiteren, durch die Anrechnung der Strafe (§ 67 Abs. 4) bestimmten Zeitraum nur nach § 67d Abs. 2 ausgesetzt werden kann; innerhalb dieses Zeitraums kann die Aussetzung nach § 67d widerrufen werden (Prot. IV S. 937 f). Außerdem kann die Verlängerung der Höchstdauer helfen, eine Verlegung in den Strafvollzug zur Verbüßung einer noch nicht aussetzungsfähigen Restfreiheitsstrafe (§ 67 Abs. 5 S. 2) zu vermeiden. 15 Die Regelung wird z.T. kritisiert, (u.a.) weil die Höchstfristregelung dazu führt, dass jemand, bei nur die Voraussetzungen des § 21 StGB vorliegen, wegen der gleichzeitig angeordneten Freiheitsstrafe deutlich länger untergebracht werden kann, als derjenige, bei dem sogar § 20 StGB bejaht wurde. 16 Dabei wird verkannt, dass das Ausmaß des alkohol- oder drogenbedingten Defekts zum Tatzeitpunkt nichts über die Behandlungsbedürftigkeit aussagt.
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§ 89; vgl. dazu Niedersehr, über die Sitzungen der großen Strafrechtskommission 3 371, 380; 4 107 und Prot. d. Sonderausschusses f. d. Strafrechtsreform V S. 614. OLG Hamm MDR 1979 157; Veh MK Rdn. 8; krit. dazu noch: Horstkotte LK10 § 67d Rdn. 12.
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Horn SK Rdn. 4; Veh MK Rdn. 8; krit.: Volckart/Grünebaum Maßregelvollzug S. 254. Volckart/Grünebaum Maßregelvollzug S. 254.
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Dauer der Unterbringung
§67d
Zur Berechnung der Höchstdauer muss man der Zweijahresfrist aus § 67d Abs. 1 S. 1 1 6 die tatsächlich nach § 67 Abs. 4 auf die daneben verhängte Strafe anzurechnende Zeit hinzurechnen.17 Ist z.B. auf eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren erkannt, so könnten bis zu 2 Jahren hinzugerechnet werden. Bei einer sechsjährigen Freiheitsstrafe könnte die Verlängerung 4 Jahre betragen. Bei einer 15-jährigen zeitigen Freiheitsstrafe beträgt die Verlängerung 10 Jahre. 18 Von einigen wird eine Obergrenze für die Verlängerung, entsprechend der Grundhöchstdauer vertreten, so dass die absolute Unterbringungshöchstdauer bei vier Jahren läge.19 Begründet wird dies mit Erwägungen der Sachgerechtigkeit. Mit den herkömmlichen Methoden der Gesetzesauslegung lässt sich indes eine absolute Höchstdauer dem Gesetz nicht entnehmen, so dass die h.M. auch nicht von einer solchen ausgeht.20 Die Höchstfrist (Abs. 1 Satz 1) verlängert sich nach Abs. 1 Satz 3 nur um die Zeit, für 1 7 die der Vollzug der Maßregel tatsächlich auf die Strafe angerechnet wird. Der Maßregelvollzug wird nur auf denjenigen Teil der Strafe angerechnet, der bei Beginn dieses Vollzuges noch nicht verbüßt (Fall der Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach § 67 Abs. 3: zunächst wurde Strafe verbüßt, dann die Vollstreckungsreihenfolge geändert) oder durch Anrechnung der Untersuchungshaft (§ 51) erledigt ist.21 Die Berechnung wird von Fischer Rdn. 6 zutreffend wie folgt dargestellt: Grundhöchstdauer von 2 Jahren, zuzüglich des nach § 67 Abs. 4 S. 1 anrechnungsfähigen Teils der Strafe (2/3), abzüglich desjenigen Teils der Strafe, der anderweitig erledigt wurde.22 b) Die Höchstdauer der Unterbringung nach Absatz 1 Satz 3 verlängert sich auch um den Zeitraum, in dem der Maßregelvollzug eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt hat. 23 Dies ist allerdings nicht unstreitig. Andere wollen eine Verlängerung gar nicht24 bzw. nur dann zulassen, wenn in der Anrechnungsphase die Voraussetzungen für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung vorlagen.25
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Horstkotte LK 10 § 67d Rdn. 13 verneint bereits die Anrechnungsfähigkeit der Maßregel auf eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe im Rahmen des § 67 Abs. 4 und kommt deswegen konsequenterweise zu dem Ergebnis der fehlenden Höchstfristverlängerung in diesen Fällen. Indes wird die Vorfrage, ob der vorweggenommene Maßregelvollzug gemäß § 67 Abs. 4 auch auf eine nach § 56 ausgesetzte Freiheitsstrafe angerechnet wird, von der wohl h.M. bejaht.26 Diese Anrechnung wird mit Gerechtigkeitsargumenten begründet: Ohne eine Anrechnung wäre der gut beurteilte Täter benachteiligt.27
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Veh MK Rdn. 9; Horn SK Rdn. 5. Horn SK Rdn. 5. LG Paderborn NStZ 1990 357; LG Kleve NStZ 1991 436; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 35 m.w.N.; Volckart/Griinebaum Maßregelvollzug S. 253; Volckart NStZ 1987 215, 216; Volckart R&P 1984 187 f. OLG Düsseldorf JMB1NW 1995 142; OLG Frankfurt NStZ 1993 453; OLG Hamm StV 1995 89; OLG Stuttgart NStZ-RR 2002 94 f; LG München I R&P 1984 186; Lackner/Kühl Rdn. 2; Veh MK Rdn. 9; Fischer Rdn. 6; vgl. auch Sch/Schröder/Stree Rdn. 4.
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Fischer Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4; Veh MK Rdn. 10. Ebenso bereits: OLG Frankfurt NStZ 1993 453; OLG Düsseldorf JMB1NW 1995 143. Veh MK § 67d Rdn. 10. Horstkotte LK 10 § 67d Rdn. 13; Horn SK Rdn. 5. OLG Hamm MDR 1979 157; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 4; wohl auch: Fischer Rdn. 6. OLG Hamm MDR 1979 157; Lackner/Kühl § 67 Rdn. 7; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3. OLG Hamm MDR 1979 157.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Es findet sich im Wortlaut des § 67 Abs. 4 auch keine Stütze für eine Einschränkung nur auf vollstreckbare Freiheitsstrafen. 20
Einen vermittelnden Standpunkt vertreten der 4. Strafsenat des OLG Hamm (MDR 1979 157) und ein Teil des Schrifttums. 28 Sie teilen zwar die Ansicht, dass der Maßregelvollzug auch auf eine ausgesetzte Freiheitsstrafe angerechnet wird, verwerten diese Anrechnung jedoch zum Nachteil des Täters bei der Anwendung des Absatzes 1 Satz 3 jedenfalls dann, wenn in der Anrechnungsphase die sachlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Strafaussetzung vorgelegen haben (eine weitergehende Anrechnung wird offengelassen). Davon abgesehen, dass diese Ansicht - sollte darin eine Beschränkung auf den Fall des Vorliegens der Widerrufsvoraussetzungen liegen) im Gesetzeswortlaut bereits keine Stütze findet, ist sie auch nicht praktikabel, weil sich in aller Regel nicht präzise sagen lässt, an welchem Tage der materielle Widerrufsgrund eingetreten ist: eine solche Präzision ist aber für die Bestimmung der Höchstfrist (Absatz 1) und damit für die Vollstreckungspraxis unerlässlich. 29
21
c) Verhältnis zu § 67 Abs. 5 S. 2: Wird der Maßregelvollzug nach § 67 Abs. 5 S. 2 fortgesetzt, so soll nach einer Ansicht der Höchstdauer des Maßregelvollzuges, wie sie sich aus § 67d Abs. 1 Satz 1 ergibt, die gesamte Freiheitsstrafe hinzugerechnet werden, also nicht nur der durch Anrechnung (§ 67 Abs. 4) erledigte Teil der Strafe. Diese Gesetzesauslegung ist wohl so zu verstehen, dass § 67 Abs. 5 Satz 2 (1. Halbsatz) dem § 67d Abs. 1 Satz 3 vorgeht. Die Höchstdauer der Maßregel wird dann über die durch § 67d Abs. 1 Satz 3 bewirkte Verlängerung hinaus abermals verlängert. 30
22
Demgegenüber wird man § 67 Abs. 5 S. 2 im Zusammenhang mit § 6 7 Abs. 5 S. 1 sehen müssen. Es geht also um den Fall der Halbstrafenaussetzung. 31 Wenn nach Anrechnung der Halbstrafenzeitpunkt erreicht ist, die Strafe aber nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, dann wird die Maßregel weitervollzogen (aber eben nur bis zur Höchstgrenze des § 67d Abs. 1). Nur so kommen beide Vorschriften zu voller Wirkung. Dass § 67 Abs. 5 S. 2 Vorrang in dem o.g. Sinne vor § 67d Abs. 1 haben sollte, ist dem Gesetzestext nicht zu entnehmen. 32 4. Folgen des Ablaufs der Höchstfrist (Absatz 4)
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a) Mit dem Ablauf der Höchstfrist ist die Maßregel erledigt (Absatz 4 Satz 2). Der Untergebrachte ist aus dem Maßregelvollzug zu entlassen (Abs. 4 Satz 1), gleichviel ob er noch gefährlich ist oder nicht. 3 3 Die Entlassung ist unwiderruflich. „Entlassung" meint nur die Entlassung aus dem Maßregelvollzug, nicht zwingend die Entlassung in die Freiheit. An die Entlassung kann sich der Vollzug einer Freiheitsstrafe anschließen; das gilt auch für die zusammen mit der Maßregel verhängte Strafe, soweit diese nicht durch Anrechnung (§ 6 7 Abs. 4) erledigt ist. Dann ist zu prüfen, ob der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt werden kann, um nicht den bereits erreichten Behandlungserfolg durch die Strafvollstreckung wieder zunichte zu machen. 3 4
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Wohl auch: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 36; Fischer Rdn. 6. Horn SK Rdn. 5; Veh MK Rdn. 10. Lackner/Kühl § 6 7 Rdn. 10; Schöch LK § 6 7 Rdn. 54. Vgl. auch: Horn SK Rdn. 4.
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KG Berlin ZfStrVO 2 0 0 1 5 7 ; OLG Düsseldorf JMB1NW 1995 1 4 2 , 1 4 3 ; vgl. auch Streng Strafrechtliche Sanktionen Rdn. 366. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 37; ähnlich auch Sch/Schröder/Stree Rdn. 5. KG Berlin ZfStrVO 2001 57, 58.
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Dauer der Unterbringung
§67d
b) Wird der Verurteilte nach Abs. 4 entlassen, so tritt nunmehr nach Absatz 4 S. 2 (eingefügt durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht) Führungsaufsicht ein. Dahinter steht der Gedanke, dass es zu risikoreich ist, die untergebrachte Person ohne weitere Betreuung in die Betreuung zu entlassen, zumal es sich bei der nach Absatz 4 zu entlassenden Personengruppe häufig um eine schwierige Klientel handelt, bei der bereits zuvor die Maßregelaussetzung zur Bewährung abgelehnt worden war. 3 5
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IV. Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 67d Abs. 5) 1. Übersicht. Absatz 5 regelt die Beendigung der Maßregel bei Aussichtslosigkeit. 36 Die Vorschrift gilt nur für die Unterbringung in der Entziehungsanstalt. Sie ist das vollstreckungsrechtliche Gegenstück zu § 64 Abs. 2, was nunmehr durch die Neufassung aufgrund des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 auch sprachlich deutlich wird. Die alte Regelung, die den Vollzug der Maßregel nach $ 64 für mindestens ein Jahr vorsah, bevor eine Erledigungserklärung wegen Aussichtslosigkeit erfolgen konnte, war vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 16. März 1994 für verfassungswidrig erklärt worden (BVerfGE 91 1 ff). 3 7 Das BVerfG hatte aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 G G die Forderung abgeleitet, dass die Behandlung abzubrechen und die Unterbringung nicht weiter zu vollziehen ist, sobald festgestellt werden kann, dass für den Untergebrachten keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht. 38 Es handelte sich um die logische Konsequenz der in der gleichen Entscheidung aufgestellten Forderung, dass eine Unterbringung nach § 64 nur bei entsprechend hinreichend konkreter Aussicht auf einen Behandlungserfolg überhaupt angeordnet werden darf.
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Ob neben der Erledigungsmöglichkeit nach Absatz 5 und der Beendigung der Unterbringung nach Ablauf der Höchstfristen für die Maßregel eine - gesetzlich nicht geregelte Erledigung wegen UnVerhältnismäßigkeit in Betracht k o m m t 3 9 , erscheint eher zweifelhaft. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfte durch die Absätze 1, 4 und 5 spezialgesetzlich hinreichend Rechnung getragen sein. 4 0 So ist bei isolierter Maßregelanordnung eine Vollstreckung maximal zwei Jahre lang möglich. Bei gleichzeitig verhängter Freiheitsstrafe ist ein längerer Maßregelvollzug denkbar, aber das ist wohl nicht unverhältnismäßig, solange der Vollzug konkrete Aussicht auf Erfolg hat (anderenfalls müsste ja ohnehin die Freiheitsstrafe, die so durch Anrechnung erledigt wird, vollstreckt werden).
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Der Prozentsatz der wegen Erfolglosigkeit aus dem Maßregelvollzug entlassenen Verurteilten liegt nach Metrikat bei über 4 0 % (mit steigender Tendenz). Die mittlere Unterbringungszeit bis zur Rechtkraft der Erledigungserklärung liegt bei etwa 1 1/2 Jahren (vgl. näher bei Metrikat Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB S. 261 ff und Scbalast/Leygraf NStZ 1999 4 8 5 4 8 6 f).
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37
BTDrucks. 16/1993 S. 16. Die Übergangsvorschrift des 23. StÄG vom 13.4.1986 (BGBl. I S. 393) in Art. 316 EGStGB dürfte inzwischen nicht mehr von praktischer Bedeutung sein. Vgl. dazu Müller-Dietz J R 1995 353, 360 und Markwardt Reformbedürftigkeit des Maßregelrechts S. 133, 136.
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BVerfGE 91 1, 34; vgl. auch OLG Jena Beschl. v. 13.6.2006 - 1 Ws 2 0 7 / 0 5 . Ablehnend offenbar Sch/Schröder/Stree Rdn. 15 unter Bezugnahme auf OLG Karlsruhe NStZ 1999 37, welche sich aber auf eine Unterbringung nach § 6 3 bezieht. Vgl. dazu auch Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 3 7 2 ff.
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§67d 28
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
2. Zweck. Die Vorschrift des Absatzes 5 wurde durch das 23. StÄG in § 67d eingefügt. Der Gesetzgeber wollte durch die Vorschrift die Anstalten von therapieresistenten Verurteilten entlasten und - in Verbindung mit der Nichtanrechnungsregelung (der ebenfalls für nichtig erklärte § 67 Abs. 4 S. 2) - Therapieanreize schaffen (BTDrucks. 10/2720 S. 12). 3. Voraussetzungen
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a) Eine formelle Voraussetzung i.S. einer Mindestvollzugsdauer der Maßregel besteht nach der o.g. Entscheidung des BVerfG und aufgrund der Neufassung von Absatz 1 Satz 1 nicht. 41 In den Gesetzesmaterialien zur Neufassung wird allerdings die Ansicht geäußert, dass im Regelfall erst nach wenigstens drei Monaten der Unterbringung eine Einschätzung zur fehlenden Erfolgsaussicht möglich ist (BTDrucks. 16/1110 S. 18; vgl. auch Schneider NStZ 2 0 0 8 68, 69). Der Wortlaut der Vorschrift setzt aber grundsätzlich voraus, dass sich der Verurteilte in der Unterbringung befindet (ansonsten könnte eine Entlassung nach Abs. 4 S. 1 nicht erfolgen).
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Ob vor Vollzugsbeginn bereits einer Erledigungserklärung nach Absatz 5 ergehen kann (OLG Jena Beschl. v. 5.3.2007 - 1 Ws 75/07 = BeckRS 2 0 0 7 05424; Veh MK Rdn. 39) erscheint in dieser Allgemeinheit zweifelhaft. Wurde gleichzeitig mit der Maßregel eine Freiheitsstrafe verhängt und deren Vorwegvollzug gem. § 67 Abs. 2 angeordnet, so könnte § 67c Abs. 1 direkt einschlägig sein, wenn die Freiheitsstrafe verbüßt ist und der Maßregelvollzug ansteht. Der Zweck der Maßregel erfordert die Unterbringung nämlich nicht, wenn sie ungeeignet ist (vgl. Schöch LK § 64 Rdn. 116 ff). Der der Entscheidung des BVerfG zugrundeliegende Gedanke erhält hier auch Einfluss auf § 67c. Ob in anderen Fällen, z.B. bei isolierter Maßregelanordnung oder nach Freiheitsentzug in anderer Sache Absatz 5 vor Beginn des Maßregelvollzuges Anwendung findet, ist eher eine Frage der Prognosesicherheit. Grundsätzlich erscheint es im Lichte des Freiheitsgrundrechts nicht angezeigt, mit dem Vollzug der Maßregel zu beginnen, wenn ihre Ungeeignetheit feststeht. Letzteres wird aber, insbesondere da auch im Maßregelvollzug die Therapiebereitschaft erst hergestellt werden kann 4 2 , erst nach einiger Zeit des Vollzuges feststellbar sein.
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b) Für die Erledigungserklärung ist erforderlich, dass die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Es muss also festgestellt sein, dass keine hinreichend konkrete Behandlungsaussicht besteht, den Süchtigen zu heilen oder über gewisse Zeit vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren und ihn von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten. 43 Es ist insbesondere die Endgültigkeit der Aussichtslosigkeit zu überprüfen. Wenn nur eine vorübergehende Krise vorliegt, ist dies kein Grund für eine Erledigungserklärung. Berichte und Stellungnahmen der Therapeuten, zu denen erfahrungsgemäß häufig Spannungen auftreten, sind ggf. durch Zuhilfenahme externer Sachverständiger gewissenhaft zu überprüfen.44 Ein Mangel an Motivation beim Verurteilten ist dann kein Grund für die Erledigungserklärung, wenn begründete Aussicht besteht, dass die Therapiemotivation wieder geweckt werden kann. 4 5
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Veh MK Rdn. 39. Vgl. dazu: Fischer § 64 Rdn. 2 0 m.w.N. BVerfGE 91 1, 35; BGH NStZ-RR 2 0 0 5 10, 11; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 2 9 9 ; Veh MK Rdn. 4 0 .
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OLG Zweibrücken NStZ-RR 2 0 0 3 157; vgl. auch Stree FS Geerds S. 581, 587. OLG Jena Beschl. v. 5.3.2007 - 1 Ws 75/07.
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Dauer der Unterbringung
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Der mit § 64 bezweckte Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten des Untergebrachten kann durch seine Behandlung in aller Regel nur dann erreicht werden, wenn die Behandlung in der Entziehungsanstalt zugleich die Therapie der neben der Sucht kriminalitätswirksamen Faktoren mit einschließt. Ist durch die Behandlung die Abstinenzfähigkeit bereits erreicht, aber noch nicht die notwendige Straftataufarbeitung, so kann die Therapie nach Absatz 5 nur dann abgebrochen werden, wenn durch Tatsachen belegt wäre, dass dauerhaft mit einer solchen Aufarbeitung nicht zu rechnen ist. Ansonsten ist die Therapie fortzusetzen. 4 ^
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Str. ist, ob die Unterbringung erst dann abzubrechen ist, wenn sich die Aussichtslosigkeit zweifelsfrei erwiesen hat 4 7 , oder bereits dann, wenn eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Maßregelvollzug nicht mehr erkennbar ist. 48 Es handelt sich hier aber nur um Nuancen des Überzeugungsgrades des Vollstreckungsgerichts. Da möglicherweise Zweifel bei einer zukunftsgerichteten Prognose nie völlig vermeidbar sind, dürfte ihr Vorliegen eine Erledigungserklärung nicht hindern. Diese Sichtweise dürfte auch den Vorgaben des BVerfG eher entsprechen, wonach die Unterbringung zu beenden ist „sobald sich deren Zweck auf zuverlässiger Erkenntnisgrundlage als unerreichbar erweist". 4 9 Sind hingegen die der Prognose zugrundeliegenden Tatsachen (ob z.B. ein bestimmtes renitentes Verhalten des Verurteilten tatsächlich stattgefunden hat oder nicht) zweifelhaft, so kann die Prognose hierauf nicht gestützt werden.
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Fraglich ist, ob die fehlende Behandlungsaussicht erst nach der Aburteilung durch das Tatgericht eingetreten sein muss oder ob es ausreicht, wenn eine hinreichend konkrete Behandlungsaussicht schon vorher nicht gegeben war, dies aber erst nachträglich erkannt wurde. Der Wortlaut der Vorschrift („nicht mehr vorliegen") spricht eher dafür, dass die Erledigungserklärung nur dann erfolgen kann, wenn die Erfolgsaussicht erst nach der tatrichterlichen Entscheidung entfallen ist. Der Intention des historischen Gesetzgebers, Anstalten von therapieresistenten Tätern zu entlasten, und die Intention der Entscheidung BVerfG 91 1 ff (die durch die Neuregelung durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 umgesetzt werden sollte), deren Freiheitsgrundrecht zu wahren, lässt eher darauf schließen, dass auch bei bereits anfänglichem Fehlen der Erfolgsaussichten Absatz 5 anwendbar ist. Es spricht daher mehr dafür, die Vorschrift in beiden Fällen anzuwenden. 5 0
34
c) Nach der alten Gesetzesfassung (vor der Neuformulierung durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007) musste die fehlende hinreichend konkrete Behandlungsaussicht auf Gründen beruhen, die in der Person des Untergebrachten liegen. Das BVerfG hat an dieser Voraussetzung keinen Anstoß genommen. Durch die Neufassung dürfte sich daran auch nichts geändert haben, da es lediglich um die Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben ging. Gemeint ist hier eine nachhaltige Therapieresistenz des Verurteilten. 51 Die Therapieresistenz kann auf Therapieunfähigkeit oder auf Thera-
35
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OLG Jena Beschl. v. 13.6.2005 - 1 Ws 207/05. So: Horn SK Rdn. 7a; Veh MK Rdn. 41. OLG Zweibrücken NStZ-RR 2003 157.
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BVerfGE 91 1, 35. Ebenso wohl: Horn SK Rdn. 7a (aber noch zur alten Gesetzesfassung). Horn SK Rdn. 7a.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
pieunwilligkeit beruhen. 52 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Maßregel durch eine zwischenzeitliche Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel nach § 67a letztlich doch noch Erfolg beschieden sein kann; damit muss sich das Vollstreckungsgericht auseinandersetzen, bevor es die Maßregel für erledigt erklärt. 5 3 36
Fraglich ist, ob auch solche Gründe hierzu zählen, die nicht (allein) auf die Person des Verurteilten zurückgehen. Dazu könnte beispielsweise ein unangemessenes Behandlungsarrangement zählen 5 4 oder auch der Fall, dass eine Entziehungsanstalt bestimmte Therapiemöglichkeiten, z.B. aufgrund zu starker Belegung etc., nicht bietet. Hier wird man zunächst entsprechende Änderungen bei Behandlungsmethode und Therapeuten- bzw. Anstaltsauswahl, Hinzuziehung eines Dolmetschers oder der Sprache des Probanden mächtigen Arztes oder Maßnahmen nach § 67 oder 67a Abs. 1 in Erwägung ziehen müssen 5 5 , bevor man tatsächlich die Gründe der Aussichtslosigkeit in der Person des Verurteilten feststellen kann (einschränkend im Hinblick auf die neue Gesetzesfassung: BGH Urt. v. 18.12.2007 - 1 StR 411/07). Grundsätzlich hat die Exekutive die Durchführung der Maßregel erforderlichen Kapazitäten bereitzustellen. 56 Andererseits wird man dies aber auch nur im Rahmen der Kapazitäten des Maßregelvollzugs erwarten können. Der Ansicht, dass sogar notfalls das Personal aufgestockt werden müsse 5 7 , kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Diesen Gedanken weiter gedacht, würde das dazu führen, dass immer dann, wenn bestimmte bisher im Maßregelvollzug noch nicht vorhandene Bedingungen ggf. mit hohem Kostenaufwand geschaffen und ausprobiert werden müssten, sofern sie auch nur eine Chance auf einen Behandlungserfolg versprächen, bevor schließlich die Aussichtslosigkeit der Behandlung feststellt werden kann. Auf die Wünsche des Verurteilten kommt es aber nicht an. 5 8 Die erwähnte Ansicht verkennt auch, dass § 64 auf Entziehungsanstalten verweist, seinerseits aber an diese bzw. die Behandlung dort keine bestimmten Anforderungen stellt. Deswegen wird man Behandlungsversuche in herkömmlichen Entziehungsanstalten ausreichen lassen müssen, sofern die Anstalten so hinreichend ausgestattet sind, dass sie generell zur Zweckerfüllung dienen können. Auf die Unterbringung in einer solchen Anstalt hat der Verurteilte dann aber auch einen Anspruch. 5 9 Auch die Rechtsprechung des BGH, dass es Aufgabe der Vollstreckungsbehörden ist, hinreichend geeignete Vollstreckungsmöglichkeiten bereit zu stellen 6 0 geht nicht weiter.
37
d) Fraglich ist, ob Absatz 5 auch dann Anwendung findet, wenn der Zweck bereits erreicht ist (also der Verurteilte z.B. von seiner Alkoholsucht befreit ist). Diesem Umstand kann aber wohl über Absatz 2 hinreichend Rechnung getragen werden, so dass eine den Wortlaut wohl überspannende Auslegung („Zweck erreicht" = Zweck nicht mehr erreichbar") nicht erforderlich ist. Anders als in Fällen der Unterbringung in einem
52
53 54 55
III
OLG Hamm Beschl. v. 11.9.2007 - 3 Ws 5 3 3 / 0 7 (= BeckRS 2 0 0 7 16960); Pollähne/ Böllinger NK Rdn. 39; Sch/Schröder/Stree Rdn. 15; Veh MK Rdn. 42; die Abgrenzung ist häufig schwierig, vgl. Schneider NStZ 2 0 0 8 68, 69, Sch/Schröder/Stree Rdn. 15. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 39. KG Berlin NStZ-RR 2 0 0 2 138; OLG Düsseldorf StV 1994 5 5 2 ; OLG Frankfurt NStZRR 2 0 0 2 2 9 9 ; OLG Hamm Beschl. v. 11.9.2007 - 3 Ws 5 3 3 / 0 7 (= BeckRS 2 0 0 7
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16960); OLG Nürnberg StraFo 2 0 0 3 431, 4 3 2 ; Veh MK Rdn. 42. Vgl. BVerfG NJW 2 0 0 6 427, 4 2 9 (im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der sog. „Organisationshaft"); Stree FS Geerds S. 581, 588. So: OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 2 299, 300. KG Berlin NStZ-RR 2 0 0 2 138. OLG Hamburg NStZ 1988 2 4 2 . BGH NStZ-RR 2 0 0 2 7. BGH NJW 1989 2337.
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Dauer der Unterbringung
§67d
psychiatrischen Krankenhaus, kann sich der mit einer Aussetzung nach Absatz 2 verbundene Bewährungsdruck bei Suchtkranken recht hilfreich auswirken. Nach anderer Ansicht ist in diesen Fällen die Unterbringung analog § 67c Abs. 2 S. 5 für erledigt zu erklären (mit der Folge, dass keine Führungsaufsicht eintritt) - und zwar auch dann, wenn der Täter wegen einer ebenfalls tatursächlichen Persönlichkeitsstörung weiterhin gefährlich sein sollte. 61 Eine bloße Bewährungsaussetzung scheitert nach dieser Ansicht daran, dass eine Bewährung mit impliziten Widerrufsvorbehalt keinen Sinn mache, wenn ausgeschlossen ist, dass der Zweck der Maßregel die erneute Unterbringung erfordert. 62 Dem ist entgegenzuhalten, dass die praktische Erfahrung mit suchtkranken Straftätern zeigt, dass die in der Therapie herbeigeführte „stabile Abstinenz" des Suchtkranken häufig nur von vorübergehender Dauer ist und einer Erprobung in der Lebenswirklichkeit nicht standhält. Häufig erfordert der Zweck der Maßregel recht bald dann die erneute Unterbringung. 4. Rechtsfolge. Wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 vorliegen, ist die Erledigungserklärung zwingend. Der Umstand, dass der Täter aus anderen Gründen als denen nach § 64 gefährlich ist, kann eine Erledigungserklärung nicht hindern. 63 Anders als im Falle einer Unterbringung nach § 63 besteht hier auch nicht die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 (diese wäre vielmehr nur unter den Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 oder 2 möglich).
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Da die Maßregel erledigt ist, kann ihre Vollstreckung zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. bei einem Sinneswandel des Verurteilten) nicht wieder aufgenommen werden 6 4 , auch nicht aufgrund einer Entscheidung nach § 67 Abs. 3.
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Die Erledigung bedingt die Entlassung aus dem Vollzug. Mit ihm tritt zwingend Führungsaufsicht ein.
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Ist keine Freiheitsstrafe verhängt worden, wohl aber gem. § 72 neben der Unterbringung nach § 64 auch eine solche nach § 63, so soll nach Auffassung des OLG Stuttgart, die Zweijahresfrist nicht gelten, wenn eine weitere Unterbringung in der Entziehungsanstalt erfolgversprechend erscheint. 65 Richtiger dürfte es sein, sie auch in diesem Fall gelten zu lassen, nach ihrem Ablauf den Vollzug der nächsten Maßregel (dann nach § 63) anzuordnen (§ 72 Abs. 3) und gleichzeitig den Verurteilten in den Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 67a (rück-)zuüberweisen.
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V. Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (S 67d Abs. 6) 1. Übersicht und Zweck. Dieser Absatz wurde durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 2 8 . 7 . 2 0 0 4 6 6 in § 67d eingestellt. Der Gesetzgeber wollte eine Regelungslücke schließen, nämlich was zu geschehen hat, wenn „sich nach Beginn der Vollstreckung einer Maßregel nach § 63 StGB herausstellt, dass die
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OLG Karlsruhe R & P 2 0 0 6 43 m. Anm. Pollähne. Pollähne R & P 2 0 0 6 4 4 . OLG Karlsruhe R & P 2 0 0 6 43 m. Anm. Pollähne. OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 3 41; OLG
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Hamm NStZ 2 0 0 0 168; Veh MK Rdn. 4 3 ; aA Radtke NStZ 2 0 0 1 2 2 2 . OLG Stuttgart NStZ-RR 2 0 0 2 9 4 f; krit. dazu Ziegler BeckOKStGB Rdn. 3. BGBl. I S. 1838.
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§67d
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht (mehr) vorliegen". Er knüpfte an die seinerzeitige Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung und die h.M. in der Literatur, wonach die Unterbringung dann für erledigt zu erklären ist und nicht weiter vollstreckt werden darf, an. Diese Rechtsprechung wollte er in Gesetzesform umsetzen (BTDrucks. 15/2887 S. 14). 67 Der BGH vertrat bis zur Schaffung der Vorschrift die Ansicht, dass die Maßregel analog 68 § 67d Abs. 2 S. 5 für erledigt zu erklären sei und zwar sowohl dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Aburteilung die Anordnungsvoraussetzungen nicht vorlagen (z.B. ein geistiger Defekt i.S. der §§ 20, 21 nicht vorlag, eine diesbezügliche ärztliche Diagnose falsch war und später revidiert werden musste), als auch dann, wenn eine Anordnungsvoraussetzung nachträglich entfallen war (BGHSt 42 306, 310). 69 Die Legitimationsgrundlage für die Freiheitsentziehung ist dann entfallen. 43
Der Gesetzgeber hat damit allerdings nur Teilaspekte des ungeregelten Erledigungsbereichs aufgegriffen. Nach der früheren Rechtslage kam eine Erledigung bei Maßregeln nach §§ 63, 64 (nach nicht unumstrittener Ansicht) sowohl in den Fällen der (anfänglichen) Fehldiagnose, als auch in denen der Heilung, der Aussichtslosigkeit (nur bei § 64) und der UnVerhältnismäßigkeit in Betracht (vgl. dazu Volckart/Grünbaum Maßregelvollzug6 S. 248 ff). Er hat nicht geregelt, was zu geschehen hat, wenn der Wegfall von Anordnungsvoraussetzungen vor Beginn der Vollstreckung der Maßregel festgestellt wird, z.B. im Rahmen der Prüfung nach § 67c (vgl. dazu § 67c Rdn. 3, 105 ff). Auch ist unklar, wie der Fall zu behandeln ist, dass die seinerzeitige Bejahung der Voraussetzungen der Maßregel auf einem Rechtsfehler beruhen, die Tatsachenlage aber nach wie unverändert ist.
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Nach Erledigung gem. § 67d Abs. 6 besteht die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gem. § 66b Abs. 3. So wird gewährleistet, dass bestimmte hochgefährliche Straftäter dennoch nicht in Freiheit gelangen. 70
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Die Vorschrift des Absatzes 6 ist mangels anderslautender Übergangsregelung ab Inkrafttreten auch für sog. „Altfälle" ohne weiteres anwendbar.71 Lackner/Kühl25 (Rdn. 7) stellen die Anwendbarkeit der Neuregelung in Absatz 6 für Altfälle in Frage und meinen, hierfür sei der Meinungsstreit zur Erledigung bei Fehleinweisung nach der alten Rechtslage relevant. Das ist nicht überzeugend. § 67d Abs. 6 ist hinsichtlich seiner Geltung für Fälle, in denen die Maßregel vor seinem Inkrafttreten angeordnet wurde, nicht eingeschränkt. Die Neuregelung ist daher bei allen ab ihrem Inkrafttreten zu fällenden Entscheidungen anzuwenden.
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Rechtstatsächliche Angaben sind bei Kröniger BewHi 2005 257 ff zu finden. Danach werden knapp die Hälfte aller Maßregelpatienten nach 1-5 Jahren Unterbringung entlassen (§ 67d Abs. 2 oder Erledigungserklärung), ein weiteres Drittel nach 5-10 Jahren. Bei rund 17 % dauerte die Unterbringung länger als 10 Jahre, bei rund 4 % weniger als ein Jahr. 72 Bei knapp der Hälfte der entlassenen Maßregelpatienten fand zuvor bereits
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Vgl. auch Berg/Wiedner StV 2 0 0 7 434, 435; Schneider NStZ 2 0 0 4 6 4 9 ff. Kritisch zur Analogie: Bechthold S. 173 ff. Ebenso auch OLG Frankfurt NStZ 1993 2 5 2 m. insoweit zust. Anm. Loos; vgl. zum Ganzen ausführlich: Koller FS Venzlaff S. 2 3 0 , 2 3 6 ff; ders. R & P 2 0 0 7 5 7 58 f. Vgl. dazu Schneider NStZ 2 0 0 4 649, 653.
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OLG Frankfurt Beschl. v. 27.1.2005 - 3 Ws 1036/04 (= NStZ-RR 2 0 0 5 140 - nur LS). Vgl. auch Kröniger Lebenslange Freiheitsstrafe, Sicherungsverwahrung und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus S. 33; zu sog. „untherapierbaren Straftätern" vgl. Braasch Untherapierbare Straftäter im Maßregelvollzug.
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Dauer der Unterbringung
§ 67d
eine Langzeitbeurlaubung statt. Weitere instruktive Zahlen liefert die Studie von Kröniger Lebenslange Freiheitsstrafe, Sicherungsverwahrung und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus S. 25 ff. Der Schwerpunktdeliktsbereich lag danach bei den entlassenen Maßregelpatienten bei den Körperverletzungs- und Tötungsdelikten. Die durchschnittliche Unterbringungsdauer lag bei etwa 6 V2 Jahren (Minimalwert ein Monat, Maximalwert 34 V2 Jahre). Schon nach alter Rechtslage (als vor Einführung des Absatzes 6) war der Anteil der Erledigungserklärungen analog § 67c Abs. 2 S. 5 bei der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus höher als der der Vollstreckungsaussetzungen zur Bewährung.73 2. Formelle Voraussetzungen. Die Vollstreckung der Unterbringung nach § 63 muss 4 7 begonnen haben. Nach dem Wortlaut sind damit sowohl Fälle erfasst, in denen sich der Verurteilte nach Beginn der Unterbringung noch im Maßregelvollzug befindet, als auch solche, in denen die Vollstreckung zwar begonnen wurde, der Verurteilte sich aber gegenwärtig nicht mehr im Vollzug der Unterbringung befindet (z.B. weil die Maßregel bereits zur Bewährung ausgesetzt worden ist). 74 Auch in diesen Fällen, muss die Maßregel unter den Voraussetzungen des § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt werden, denn es macht keinen Sinn, den Verurteilten den (wenn auch geringen) Belastungen einer Bewährung auszusetzen, wenn ein Widerruf der Aussetzung ohnehin nicht in Betracht kommt, weil spätestens im Rahmen der Prüfung des Widerrufs wegen des Wegfalls einer Unterbringungsvoraussetzung eine Erledigungserklärung zu erfolgen hätte. Zu Fällen des Vorwegvollzugs der Strafe vgl. § 67c Rdn. 25 ff. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 67d Abs. 6 kommt es auf die im Urteil angeordnete Maßregelart an, nicht darauf, wo sie (§ 67a) vollstreckt wird.75 Begonnen hat der Maßregelvollzug auch dann, wenn die Unterbringung nach § 63 von Anfang an (oder später) in einer Entziehungsanstalt § 67a - vollzogen wird.76 Ist die ursprünglich angeordnete Maßregel eine solche nach § 64 oder 66, so ist § 67d Abs. 6 nicht anwendbar. 3. Materielle Voraussetzungen a) Übersicht: Der Gesetzeswortlaut unterscheidet hinsichtlich der materiellen Voraus- 4 8 Setzungen zwischen zwei Fallgruppen. Die Erledigung erfolgt danach dann, wenn entweder die „Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen", oder dann, „wenn die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre". b) Voraussetzungen der Maßregel liegen nicht mehr vor: Der Wortlaut der Vorschrift 4 9 (nicht mehr) könnte darauf hindeuten, dass die Voraussetzungen jedenfalls zum Zeitpunkt der Anordnung einmal vorgelegen haben müssen, also lediglich der nachträgliche Wegfall gemeint ist. Dagegen spricht aber die Gesetzesbegründung, wonach die frühere Rechtsprechung, die auch das anfängliche Nichtvorhandensein einer Maßregelvoraussetzung erfasste (s. Rdn. 42) umgesetzt werden sollte. Auch bezieht sich die Gesetzesbegründung auf die Entscheidung des BVerfG NJW 1995 2405, 2406, wonach es nur auf die gegenwärtige Beurteilung der Maßregelvoraussetzungen durch das (Vollstreckungs-) Gericht ankommt (vgl. BTDrucks. 15/2887 S. 14). Dafür ist es aber gleichgültig, ob die Maßregelvoraussetzungen gegenwärtig nicht gegeben sind, weil sie nie vorgelegen haben oder weil sie nachträglich entfallen sind. Schließlich gebietet auch die Wahrung des Frei-
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Koller FS Venzlaff S. 229. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 54.
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Pollähne/Böllinger NK Rdn. 55. Veh MK Rdn. 25.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
heitsgrundrechts eine Anwendung auf das anfängliche Nichtgegebensein der Unterbringungsvoraussetzungen, da auch in diesen Fällen die Legitimationsgrundlage für die Maßregel nicht besteht (str.). 77 Umstritten ist in diesem Zusammenhang auch, ob über § 67d Abs. 6 Rechtsfehler bei der Maßregelanordnung „korrigiert" werden können (vgl. dazu unten Rdn. 56). Im Einzelnen ist die Abgrenzung von § 67d Abs. 6 und dem Wiederaufnahmeverfahren (§ 359 StPO) schwierig. Die vor Schaffung des § 67d Abs. 6 erhobene, nicht unberechtigte, Kritik an der Erledigungserklärung unter analoger Anwendung des § 67c Abs. 2 S. 5 7 8 , greift aber angesichts der dargelegten historischen und der Wortlautauslegung jetzt nicht mehr. 50
aa) Der Wegfall der Voraussetzungen des § 63 kann darin begründet sein, dass ein Defektzustand nach §§ 2 0 , 21 nicht (mehr) besteht. Er kann aber auch darin liegen, dass die für § 63 erforderliche Gefährlichkeit nicht (mehr) gegeben ist (BTDrucks. 15/2887 S. 14). 7 9 Es ist jeweils auf den in der Anlassverurteilung festgestellten Defektzustand abzustellen. Besteht dieser nicht mehr, wohl aber ein anderer Defektzustand, der die Gefährlichkeit des Täters begründet, so kann dies eine Erledigungserklärung nicht hindern. 80 Andererseits kommt es bei Weiterbestehen des Defektzustandes nicht darauf an, dass der Verurteilte bei etwaigen neuen Taten trotzdem als voll schuldfähig anzusehen wäre. Dies zwingt nicht zu einer Erledigungserklärung (vgl. umfassend: OLG Stuttgart Beschl. v. 6 . 6 . 2 0 0 7 - 2 Ws 137/07 = BeckRS 2 0 0 7 10329). Man könnte nämlich ansonsten auf diesem Wege das eigentlich angezeigte Erkenntnisverfahren (wenn der Verurteilte aufgrund des neuen Defekt Straftaten begeht) umgehen (vgl. auch § 67c Rdn. 68 ff).
51
(1) Für den letztgenannten Fall des Wegfalls der Gefährlichkeit war bisher allein die Möglichkeit der Maßregelaussetzung zu Bewährung nach § 67d Abs. 2 vorgesehen. An dessen Anwendungsbereich wollte der Gesetzgeber grundsätzlich nichts ändern (BTDrucks. 15/2887 S. 14 f). Er grenzt die beiden Absätze so gegeneinander ab, dass Voraussetzung für die Anwendung des § 67d Abs. 6 ist, dass das bei der Bewährungsaussetzung noch hingenommene Restrisiko „ausgeschlossen werden kann". 8 1 Als Beispiel wird der Fall genannt, dass ein wegen eines Tötungsdelikts Untergebrachter aufgrund einer fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung an den Rollstuhl gefesselt ist. Das belegt schon den denkbar geringen Anwendungsbereich der Vorschrift wegen entfallener Gefährlichkeit, so dass er auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt (es handelt sich gleichsam schon um „humanitäre" Erledigungserklärungen). Ist auch nur das kleinste Restrisiko bei einer Entlassung denkbar, so ist Maßstab für die Entlassungsentscheidung nicht § 67d Abs. 6 sondern Absatz 2 . 8 2 Fraglich ist auch, ob das Vollstreckungsgericht die Maßregel allein deswegen für erledigt erklären darf, weil es aufgrund einer eigenen Prognose - abweichend von der rechtsfehlerfreien Gefährlichkeitsprognose des Tatgerichts - bei unver-
77
I.E. ebenso: KG Berlin Beschl. v. 7.6.2007 1 AR 6 5 1 / 0 7 - 2 Ws 3 3 0 / 0 7 ; OLG Rostock Beschl. v. 8 . 2 . 2 0 0 7 - 1 Ws 4 3 8 / 0 6 (= BeckRS 2 0 0 7 16465); Veh MK Rdn. 2 6 , 30; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 56; Berg/Wiedner StV 2 0 0 7 4 3 4 , 4 3 5 ; Koller FS Venzlaff S. 229, 2 5 3 ff; ders. R & P 2 0 0 7 57, 61; aA OLG Dresden StraFo 2 0 0 5 432; OLG Dresden Beschl. v. 3 . 8 . 2 0 0 7 - 2 Ws 3 2 9 / 0 7 ; LG Landau/Pfalz NStZ-RR 2 0 0 7 354, 355; wohl auch: Lackner/Kühl Rdn. 10b.
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Vgl. Becbtboldt S. 173 ff, 2 2 6 ff. Vgl. Koller R & P 2 0 0 7 57, 60. OLG Oldenburg StraFo 2 0 0 5 80; Sch/Schröder/Stree Rdn. 14; Fischer Rdn. 24. Veh MK Rdn. 29. Ebenso auch: OLG Rostock Beschl. v. 8 . 2 . 2 0 0 7 - 1 Ws 4 3 8 / 0 6 (= BeckRS 2 0 0 7 16465); Koller R & P 2 0 0 7 57, 63.
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Dauer der Unterbringung
§67d
änderter Tatsachenbasis durch deren „Neubewertung" zum Ergebnis der Ungefährlichkeit des Verurteilten kommt. Das ist zu verneinen. Es würde einen unzulässigen Eingriff in die Rechtskraft der Anlassverurteilung bedeuten. Auch der Gesetzgeber hat das nicht gewollt, da in der Gesetzesbegründung darauf abgestellt wird, dass „Ereignisse" die fehlende Gefährlichkeit begründen müssen (BTDrucks. 15/2887 S. 14). Zulässig sind als Grund für eine Erledigung wegen fehlender Gefährlichkeit damit nur nachträgliche tatsächliche Veränderungen. (2) Der erstgenannte Fall (Defektzustand besteht nicht mehr) kann Vorliegen, wenn nachträglich Umstände bekannt werden (oder eintreten), die entweder daran Zweifeln lassen, dass der Verurteilte bei Begehung der Tat in einem unter die §§ 20, 21 fallenden Zustand gehandelt hat, oder sein Zustand überhaupt noch besteht (Heilung oder Fehleinweisung). 83 Absatz 6 ist daher insoweit anzuwenden, wenn der im Urteil festgestellte Zustand überhaupt nicht bestanden hat oder aber nachträglich vollständig entfallen ist 8 4 oder aber sich herausstellt, dass die Tat unabhängig von diesem Zustand begangen wurde.
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Stellt sich heraus, dass der Zustand nicht von solcher Intensität oder Dauer ist, dass dies eine Anordnung nach § 63 rechtfertigt (gerechtfertigt hätte), so gelten die für die Gefährlichkeit aufgestellten Maßstäbe, d.h. es ist im Regelfall § 67d Abs. 2 anwendbar und nicht Absatz 6. Eine Besserung des Zustands mit entsprechend geringerer Gefährlichkeit ist der klassische Anwendungsbereich der Aussetzung zur Bewährung nach Absatz 2, an dem der Gesetzgeber durch Schaffung des Absatzes 6 nichts ändern wollte. Bloß graduelle Veränderungen des Zustandes bergen auch immer die Gefahr einer Verschlechterung, so dass die Reaktionsmöglichkeit eines Bewährungswiderrufs erhalten bleiben muss. 85
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bb) Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung: Der Gesetzgeber hat sich 5 4 auch hier wieder auf frühere Rechtsprechung berufen, wonach die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges um so strenger sind, je länger die Unterbringung andauert. Maßgeblich sei das Verhältnis zwischen der vom Täter ausgehenden Gefahr und der Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs (BTDrucks. 15/2887 S. 15 ). 86 Allgemeingültige Zahlen, wann eine Unterbringung unverhältnismäßig wird, lassen sich nicht aufstellen. Vielmehr sind hier Unterbringungsdauer, persönliche Verhältnisse des Verurteilten (Dauer der Unterbringung, Alter, Gesundheitszustand etc.) und von ihm (noch) ausgehende Gefahr (Gewicht des bedrohten Rechtsguts, Ausmaß und Häufigkeit der Bedrohung) gegeneinander abzuwägen. 87 Bestimmte Relationen zur verhängten Freiheitsstrafe oder zu einer Freiheitsstrafe, die der Verurteilte im Falle seiner Schuldfähigkeit erhalten hätte, sind nicht maßgeblich. 88 Von Relevanz ist auch, ob der Ver-
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Pollähne/Böllinger NK Rdn. 57; Veh MK Rdn. 26. Sch/Schröder/Stree Rdn. 14; Veh MK Rdn. 28; Koller FS Venzlaff S. 229, 255. Veh MK Rdn. 27; Koller FS Venzlaff S. 229, 257 ff; ders. R&P 2007 57, 63 f; aA Pollähne/Böllinger NK Rdn. 57. Vgl. BVerfGE 70 297, 315; OLG Celle NStZ 1989 491; ebenso auch: OLG Karlsruhe
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NStZ-RR 2005 338; Koller FS Venzlaff S. 229, 234 f. KG Berlin Beschl. v. 7.6.2007 - 1 AR 651/07 - 2 Ws 330/07; OLG Hamburg NStZ-RR 2005 40, 41 f; OLG Jena ZfStrVO 2006 51, 52; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005 338; Koller FS Venzlaff S. 229, 246 f. Koller FS Venzlaff S. 229, 248; aA Bernsmann S. 142, 149.
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urteilte in der bisherigen Unterbringung die notwendige Hilfe erhalten hat oder nicht. 89 Allein der Umstand, dass die Unterbringung bereits zehn Jahre angedauert hat und nicht mehr die Gefahr besteht, dass der Verurteilte solche erheblichen rechtswidrigen Taten begeht, durch welche seine Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden (entsprechend § 67d Abs. 3) führt noch nicht automatisch zur Erledigung wegen Unverhältnismäßigkeit. Das Gesetz enthält keine derartige Einengung auf bestimmte Deliktstypen. 90 Andererseits kann auch bei einer langandauernden Unterbringung dann Unverhältnismäßigkeit eintreten, wenn zwar eine Rückfallgefahr für schwerwiegende Delikte besteht, die Wahrscheinlichkeit hierfür aber sehr gering ist. 91 Teilweise wird sogar vertreten, dass (jedenfalls theoretisch) in jeder Unterbringung der Punkt erreicht sei, an dem selbst ein gegenüber dem Zeitpunkt der Unterbringungsanordnung unverändertes Risiko dazu führen müsse, dass die Maßregel für erledigt zu erklären ist. 92 Jedenfalls bei einer gleichbleibenden Gefahr für höchste Rechtsgüter, wie z.B. Leben oder Gesundheit erscheint das zweifelhaft. Zum Schutz dieser Rechtsgüter ist auch eine ggf. lebenslange Unterbringung nicht unangemessen. 55
Auch in diesem Zusammenhang ist wieder eine Abgrenzung zu § 67d Abs. 2 erforderlich, denn schon nach der früheren Rechtsprechung konnte der UnVerhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung sowohl durch eine Erledigungserklärung als auch durch eine Maßregelaussetzung zur Bewährung begegnet werden. 93 Der UnVerhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung kann nämlich dadurch begegnet werden, dass die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt wird 9 4 , was vornehmlich dann in Betracht kommt, wenn noch eine geringe Rückfallgefahr besteht oder aber eine Rückfallgefahr besteht, die aber nur geringfügige Rechtsverletzungen erwarten lässt. Wenn in diesen Fällen nach einer zwischenzeitlich erfolgten Maßregelaussetzung zur Bewährung eine Fortsetzung der Vollstreckung aufgrund eines Widerrufs der Aussetzung nicht unverhältnismäßig, so kommt die Anwendung des S 67d Abs. 6 nicht in Betracht. 95 Erst wenn eine Fortsetzung der Vollstreckung wegen UnVerhältnismäßigkeit auch bei Rückfall des Verurteilten nicht mehr in Betracht kommt, kann zur Erledigung nach § 67d Abs. 6 geschritten werden. Unter Umständen kann das Restrisiko im Falle der Entlassung durch entlassungsvorbereitende Maßnahmen verringert werden, so dass nach deren erfolgreicher Durchführung tatsächlich eine weitere Vollstreckung der Unterbringung unverhältnismäßig wäre. 9 6
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c) Korrektur von Rechtfehlern: Fehleinweisungen in ein psychiatrisches Krankenhaus, die auf reinen Rechtsfehlern des Tatrichters beruhen, werden nach der Rechtsprechung von § 67d Abs. 6 nicht erfasst. 97 Diese müssen im Rechtsmittelverfahren behoben werden. Zur Begründung wird angeführt, dass zwar Wortlaut und Gesetzesmaterialien in
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OLG Düsseldorf StV 1994 5 5 2 . OLG Hamburg Beschl. v. 15.11.1999 - 3 Ws 10/99 (Täter neigte zur Zerstörung von Kunstschätzen). OLG Karlsruhe NStZ-RR 2 0 0 5 338 (Brandstiftungsgefahr bei einem seit 2 0 Jahren nach § 63 Untergebrachten). Koller FS Venzlaff S. 229, 245. OLG Celle NStZ 1 9 8 9 491, 4 9 2 ; OLG Karlsruhe NStZ 1 9 9 9 37; OLG Karlsruhe StV 2 0 0 0 2 6 8 ; LG Paderborn StV 1991 73, 74. Vgl. BVerfGE 70 297, 316.
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Vgl. Veh MK Rdn. 31; Frisch ZStW 102 (1990) 707, 7 7 0 . OLG Hamburg NStZ-RR 2 0 0 5 4 0 , 43; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2 0 0 5 338, 339. OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 5 2 5 2 LS (= RSiP 2 0 0 6 151); OLG Frankfurt R & P 2 0 0 3 108, 109 m. Anm. Pollähne; LG Marburg NStZ-RR 2 0 0 7 28, 29; wohl auch: OLG Dresden NStZ-RR 2 0 0 5 3 3 8 ; ebenso: Fischer Rdn. 23; Sch/Schröder/Stree Rdn. 14; Koller FS Venzlaff S. 229, 2 5 6 ; ders. R & P 2 0 0 7 57, 61 f.
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eine andere Richtung deuten mögen, man es aber für ausgeschlossen halte, „dass der Gesetzgeber einen solchen weitreichenden Fall der Korrektur von reinen Rechtsfehlern, die bisher noch nicht einmal im Wege der Wiederaufnahme zu erreichen war, hat mitregeln wollen". 98 Die fachgerichtliche Auslegung ist vom BVerfG - wenn auch nicht als verfassungsrechtlich zwingend angesehen - gebilligt worden." Immerhin scheint der Wortlaut für die Ansicht der Rechtsprechung zu streiten. Die Formulierung „nicht mehr vorliegen" impliziert, dass die Maßregelvoraussetzungen irgendwann jedenfalls einmal vorlegen haben. Andererseits darf man dem auch nicht zu viel Bedeutung beimessen, denn in § 66b Abs. 3, der auf die Erledigung nach § 66b Abs. 6 zugeschnitten ist, heißt es nicht etwa „im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht mehr bestanden hat", sondern lediglich „nicht bestanden hat" - möglicherweise ein Indiz dafür, dass anfängliches und nachträgliches Fehlen von Maßregelvoraussetzungen erledigungstechnisch gleichzustellen sind. Auch die Gesetzesmaterialien deuten in diese Richtung (vgl. oben Rdn. 49). Es steht letztlich auch in der Definitionsmacht des Gesetzgebers, in wie weit er die Korrektur von Rechtsfehlern auch außerhalb des Revisions- oder Wiederaufnahmeverfahrens zulässt (vgl. umfassend: Berg/Wiedner StV 2007 434, 436 ff). 4. Rechtsfolgen. Liegen die Voraussetzungen für eine Erledigungserklärung vor, so ist die Maßregel zwingend für erledigt zu erklären. Grundsätzlich tritt mit der Entlassung aus dem Vollzug der Maßregel (seit der Änderung durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht nicht mehr mit der Erledigung) nach § 67d Abs. 6 S. 2 Kraft Gesetzes Führungsaufsicht ein und zwar mit der Rechtskraft der Erledigungsentscheidung.100 Nach Satz 3 kann das Gericht aber auch deren Nichteintritt anordnen, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird. Fraglich ist hier, ob der Begriff „Straftaten" genauso auszulegen ist, wie der der „rechtswidrigen Taten" i.S.v. Absatz 2 (dann könnte die Anordnung bereits dann ergehen, wenn solche Straftaten nicht mehr zu erwarten sind, die zu einer Maßregelanordnung berechtigen würden) oder ob die Erwartung sich darauf beziehen muss, dass der Verurteilte überhaupt keine Straftaten mehr begeht. Die Gesetzesbegründung stellt insoweit auf „erhebliche" rechtswidrige Taten ab (BTDrucks. 15/2887 S. 15), so dass die bloße Gefahr von Kleinkriminalität die Anordnung des Nichteintritts der Führungsaufsicht nicht hindern würde. Der Eintritt der Führungsaufsicht, der sich aus der Anwendung des Absatzes 6 auch für Altfälle (Anordnung der Unterbringung vor Schaffung des Absatzes 6) ergibt, verstößt weder gegen das absolute Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG, noch gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot aus Art. 20 Abs. 3 GG. 101
57
Liegen die Voraussetzung für eine Erledigungserklärung vor, ist der Verurteilte aber nunmehr aus anderen Gründen gefährlich, so ist dennoch die Erledigungserklärung vorzunehmen. Das wäre z.B. der Fall, wenn festgestellt wird, dass die bisherige Kriminalität nicht auf einer Geisteskrankheit sondern auf Drogensucht beruht. 102
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Die Erledigungserklärung muss in den Fällen, in denen sie darauf beruht, dass der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand nicht (mehr) besteht, allerdings nicht automatisch zur Entlassung führen. In bestimmten Fällen kann vielmehr nachträglich gem. § 66b Abs. 3 die Sicherungsverwahrung (freilich nicht durch das Voll-
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98
99 100
OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 252 (= R&P 2006 151); LG Marburg NStZ-RR 2007 28, 29. BVerfG NStZ-RR 2007 29, 30. Vgl. Lackner/Kühl § 68c Rdn. 3.
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BVerfG Beschl. v. 6.6.2006 - 2 BvR 1349/05 Rdn. 44 ff. OLG Oldenburg StraFo 2005 80 f.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
streckungsgericht angeordnet werden (vgl. § 66b Rdn. 157 ff). 103 Da insoweit unterschiedliche Spruchkörper, möglicherweise auch unterschiedliche Gerichte zuständig sind, ist es seitens der StA dringend geboten, die StVK darüber zu informieren dass ein Antrag nach § 275a StPO gestellt wurde, und - umgekehrt - dass für die § 66b - Entscheidung zuständige Gericht darüber, dass bei der StVK eine Erledigungsentscheidung ansteht.
VI. Erledigung der Sicherungsverwahrung nach zehn Jahren (Absatz 3) 60
1. Allgemeines. Die Regelung in Absatz 3 wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998, BGBl. I, 160 (SexualdelikteBekG), eingeführt. Sie gilt für alle Arten der Sicherungsverwahrung (§§ 66, 66a, 66b). 1 0 4 Vorher galt, dass eine erstmals angeordnete Sicherungsverwahrung nach zehn Jahren kraft Gesetzes erledigt und der Verurteilte zu entlassen war (§ 67d Abs. 1 S. 1 2. Alt.; Abs. 3 a.F.). Zur alten Fassung vgl. Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 6 sowie zur Entwicklung der Befristungen Milde Die Entwicklung der Normen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung S. 75 ff. Die Neuregelung bringt für erstmals angeordnete Sicherungsverwahrung eine Lockerung, denn sie kann nun unter bestimmten, strengen Voraussetzungen auch länger als zehn Jahre vollstreckt werden. Für die wiederholt angeordnete Sicherungsverwahrung, für die die Neuregelung in gleicher Weise gilt 1 0 5 , bringt sie eine Verschärfung. Konnte sie früher ohne dass es der Erfüllung besonderer Anforderungen bedurfte, über zehn Jahre hinaus vollstreckt werden, ist dies jetzt ebenfalls nur noch unter den engen Voraussetzungen des Absatzes 3 möglich. De facto führt die Regelung dazu, dass Straftäter, von denen lediglich Vermögensschädigungen zu erwarten sind (vgl. dazu aber auch noch unten Rdn. 68), immer spätestens nach zehn Jahren aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen sind (vgl. BTDrucks. 13/9062 S. 10). 106
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Die Neuregelung gilt auch für (inzwischen kaum mehr relevant werdende) Altfälle, also solche, in denen die Sicherungsverwahrung vor dem Inkrafttreten der Änderung angeordnet wurde. Das ergab sich früher aus Art. l a Abs. 3 EGStGB (i.d.F. des SexualdelikteBekG); jetzt daraus, dass sämtliche Geltungseinschränkungen entfallen sind. Diese „Rückwirkung" wurde seinerzeit kritisiert 107 , ist aber, da Art. 103 Abs. 2 GG für Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht gilt und das allgemeine Rückwirkungsverbot nicht verletzt ist, da es sich um einen zulässigen Fall der unechten Rückwirkung handelt, 108 verfassungsrechtlich unbedenklich und vom BVerfG auch bestätigt worden. 109
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Die Neuregelung ist auch - insbesondere - hinsichtlich der Frage des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs - auf Kritik gestoßen. 110 Dem kann entgegengehalten werden, dass es - gerade bei den Rechtsgütern, deren Bedrohung einen über zehn Jahre hinaus andauernden Vollzug gestattet - für das Schutzbedürfnis der Bevölkerung keinen Unterschied macht, ob die Maßregel erstmalig oder wiederholt angeordnet wurde. Die frühere Regelung war vor dem Hintergrund des dem Maßregelrecht zu Grunde liegenden Siche-
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Vgl. dazu näher Koller R & P 2 0 0 7 57, 6 4 f. PoIIähne/Böllinger NK Rdn. 45. Fischer Rdn. 14. BVerfGE 109 133, 160; Lackner/Kühl Rdn. 7c; Hammerschlag/Schwarz NStZ 1998 321, 322. Kinzig StV 2 0 0 0 330; Ullenbruch NStZ 1998 326.
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OLG Karlsruhe StV 2 0 0 6 4 2 6 , 4 2 7 f; Peglau NJW 2 0 0 0 179 ff. BVerfGE 109 133, 167 ff; vgl. dazu Laubenthal ZStW 116 (2004) S. 705, 7 2 2 ff. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 4 4 .
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rungsgedanken inkonsequent. Umgekehrt wurde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch die Neuregelung ein weiteres mal spezialgesetzlich konkretisiert, soweit es darum geht, Verurteilte, von denen „lediglich" Vermögensschäden drohen, nicht länger als zehn Jahre der Maßregel zu unterwerfen. Eine über § 67d Abs. 3 hinausgehende Möglichkeit, die Maßregel der SicherungsVerwahrung aus Verhältnismäßigkeitsgründen für erledigt zu erklären, ist abzulehnen. 1 1 1 Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist durch die gesetzliche Regelungen hinreichend genüge getan. Auch das BVerfG sieht das Freiheitsgrundrecht durch das Regelungssystem aus § 67d Abs. 2 und Abs. 3 hinreichend gewahrt: So kann bei verminderter Gefährlichkeit die Maßregel nach § 67d Abs. 2 schon vor Ablauf der Zehnjahresfrist zur Bewährung ausgesetzt werden. Dem mit zunehmenden Freiheitsentzug immer größeren Gewicht des Freiheitsgrundrechts wird mit Absatz 3, der eine regelmäßige Beendigung des Maßregelvollzugs nach Ablauf von zehn Jahren vorsieht, Rechnung getragen. Verfassungsrechtlich ist es nicht zu beanstanden, dass bei Fortdauer der in Absatz 3 umschriebenen Gefährlichkeit ein Straftäter auch bis an sein Lebensende in Gewahrsam bleibt. 1 1 2 Liegt keine verminderte Gefährlichkeit vor, so darf diese - vom BVerfG gebilligte gesetzliche Wertung nicht durch unzulässige Analogien unterlaufen werden. Die Analogievoraussetzung einer planwidrigen Regelungslücke liegt zudem nicht vor. Der Gesetzgeber hat mit § 67d Abs. 2 und 3 Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte berücksichtigt und er hat gerade - anders als für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, § 67d Abs. 6 - keine weitere Erledigungsmöglichkeit wegen Unverhältnismäßigkeit für die Sicherungsverwahrung geschaffen. Die frühere Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte (Erledigung wegen Unverhältnismäßigkeit ohne Eintritt der Führungsaufsicht) 1 1 3 ist nach den Änderungen durch das SexualdelikteBekG und das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung überholt. Die dieser Rechtsprechung zu Grunde liegenden Verhältnismäßigkeitserwägungen hat der Gesetzgeber nunmehr durch das Regelungssystem der Absätze 2 und 3 in eine normative Form gebracht, die es zu beachten gilt.
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Wegen rechtstatsächlicher Angaben zur Vollzugsdauer der Sicherungsverwahrung vgl. die Ausführungen zu § 6 6 Rdn. 13 ff sowie die dort genannten Fundstellen.
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2. Voraussetzungen a) Formelle Voraussetzung der Erledigungserklärung ist, dass zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden sind. Dabei ist gleichgültig, ob die Sicherungsverwahrung in einer Einrichtung einer anderen Maßregel (§ 67a) vollzogen wurde. 1 1 4 Alle Zeiten, die nach dem StVollzG als Vollzug gelten, also auch z.B. etwaige Lockerungen (s. z.B. § 134 StVollzG) sind anzurechnen. 1 1 5
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Teilweise wird vertreten, dass eine Freiheitsentziehung, die aufgrund eines Unterbringungsbefehls nach § 2 7 5 a StPO erfolgt ist, auf die Zehnjahresfrist anzurechnen ist. 1 1 6 Das erscheint zweifelhaft. Zwar fehlt hier eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich
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Dafür: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 44; Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 375 f; wie hier, mit Einschränkung für „extreme Ausnahmefälle": Veh MK Rdn. 35. BVerfGE 109 130, 160 ff. OLG Celle R&P 1994 34; vgl. auch OLG
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Karlsruhe StV 2 0 0 0 268 f; OLG Celle MDR 1989 928. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 46; Veh MK Rdn. 35. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 47. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 47; aA Veh MK Rdn. 35 i.V.m. Rdn. 6.
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des Fristbeginns, wie sie § 67d Abs. 1 S. 2 für die Unterbringung nach § 6 4 bereit hält (und welche eine Anrechnung hier ausschließen würde). Eine gesetzliche Grundlage für eine solche Anrechnung ist aber andererseits ebenfalls nicht erkennbar (allerdings wäre eine solche Anrechnung wohl angemessen). 67
Zeiten, in denen die Maßregel zur Bewährung ausgesetzt oder die Vollstreckung unterbrochen war, bleiben bei der Berechnung der Zehnjahresfrist unberücksichtigt. 117 Der Wortlaut der Vorschrift geht von einer vollzogenen Unterbringung aus. Bereits das verbietet, solche Zeiten in die Fristberechnung mit einzubeziehen. Auch der Zweck der Vorschrift, als spezialgesetzlicher Regelung der Verhältnismäßigkeit spricht dagegen. Denn in Freiheit verbrachte Zeiten belasten den Verurteilten nicht wie eine Anstaltsunterbringung, die nach der gesetzgeberischen Wertung nach zehn Jahren ein solches M a ß angenommen hat, dass sie - es sei denn es liegen besondere Umstände vor - zur Erledigung führt. Die andere Ansicht, dass die Zeiten einzubeziehen seien, weil sonst der Vollverbüßer besser stünde als derjenige, der bereits auf Bewährung entlassen wurde, weil er bei Erledigung keinen Aussetzungswiderruf zu gewärtigen habe 1 1 8 , ist nicht überzeugend. Der Vollverbüßer steht allein schon deswegen nicht besser, weil er eben zehn Jahre verbüßt hat, während das bei dem vorher auf Bewährung Entlassenen nicht der Fall ist.
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b) Materiell setzt die Erledigungserklärung voraus, dass „nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden". Die Formulierung hinsichtlich der Art der zu erwartenden Straftaten bezieht sich auf die Gefahrenprognose und nicht etwa auf die begangenen Anlasstaten (welche freilich für die Gefahrenprognose eine Rolle spielen, vgl. § 66 Rdn. 174). 1 1 9 Hinsichtlich der Formulierung als solcher kann auf die Ausführungen zu der entsprechenden Formulierung in § 6 6 Abs. 1 Nr. 3 verwiesen werden, da die Voraussetzungen insoweit identisch sind. 1 2 0 Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass Opfer auch durch gewaltlose Delikte möglicherweise körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden (letzteres wäre z.B. bei Wohnungseinbrüchen gut denkbar). Die Formulierung, dass gewaltlose Eigentums- und Vermögensdelikte regelmäßig die Vollstreckung der Maßregel über zehn Jahre hinaus nicht rechtfertigen (s.o.), trifft zwar für den Regelfall, aber nicht zwingend immer zu.
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Die Gefahrenprognose muss durch das Vollstreckungsgericht neu erstellt werden. Die (fortbestehende) Gefährlichkeit muss positiv festgestellt werden (damit eine Erledigungserklärung verneint werden kann) 1 2 1 - die bloße Nichtfeststellung einer günstigen Prognose (wie bei § 67d Abs. 2) reicht hier nicht. 1 2 2 Die Prognose entspricht dabei der Gefahrenprognose, die auch bei Anordnung der Maßregel zu stellen ist. 1 2 3 Zu beachten ist, dass das Verhalten bei etwaigen Vollzugslockerungen ein wichtiger Umstand für die Prognose ist und dass die Vollzugsbehörde deswegen Lockerungen nicht ohne zwingen-
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Veh MK Rdn. 35 i.V.m. Rdn. 6. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 47. Vgl. Pollähne/Böllinger NK § 78d Rdn. 49. Müller-Metz StV 2003 43, 48. BVerfGE 109 133, 161; OLG Karlsruhe StV 2006 426, 427 f; Boetticher NStZ 2005 417, 419; Horn SK Rdn. 16; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 50; Sch/Schröder/Stree Rdn. 13; Veh MK Rdn. 36.
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OLG Hamm NStZ-RR 2006 27; OLG Hamm Beschl. v. 26.4.2005 - 4 Ws 183/05 (= BeckRS 2005 303 55189); OLG Koblenz Beschl. v. 19.11.2007 - 1 Ws 141/07 (= BeckRS 2008 00268); Ziegler BeckOKStGB Rdn. 9. Veh MK Rdn. 37.
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Dauer der Unterbringung
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den Grund verweigern darf. 1 2 4 Die Prognosestellung ist Aufgabe des Richters. Er hat dem ärztlichen Gutachten eine umfassende richterliche Kontrolle entgegenzusetzen. 125 Hinsichtlich des Zweifelssatzes gilt das Gleiche wie bei der Anordnung der Maßregel: Stellt das Gericht die erforderliche Gefahrenprognose, so dauert der Maßregelvollzug an, stellt es sie nicht, so hat es die Maßregel für erledigt zu erklären. 126 Hinsichtlich der prognoserelevanten Tatsachen gilt er - wie bei der Anordnung der Maßregel - uneingeschränkt. Je länger der Maßregelvollzug andauert, umso höher muss die Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Schadenseintritts sein, um den fortdauernden Freiheitsentzug noch rechtfertigen zu können (BTDrucks. 13/9062 S. 10). Es muss jeweils ein Bezug zum in der Anlassverurteilung festgestellten Hang vorliegen. 127 Ist der Verurteilte zwar weiterhin gefährlich, aber aus anderen Gründen als dem in § 67d Abs. 3 umschriebenen Hang, so scheidet eine weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung aus. Sie scheidet auch dann aus, wenn bei dem Verurteilten zwar (inzwischen) ein Hang in dem o.g. Sinne vorliegt, dieser Hang aber nicht identisch ist mit dem, der der Maßregelanordnung zu Grunde lag. Hat das Gericht, welches die Maßregel anordnete, lediglich einen Hang hinsichtlich solcher Straftaten, durch welche erheblicher wirtschaftlicher Schaden droht, festgestellt, ist aber inzwischen ein Hang zu solchen Taten, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden feststellbar, so kann dies die Fortdauer des Maßregelvollzugs nur dann rechtfertigen, wenn der jetzige Hang in dem seinerzeit festgestellten wurzelt (z.B. wenn der Verurteilte, welcher seinerzeit seine Bereicherung noch allein durch gewaltlose Delikte wie Betrug oder Diebstahl erreichte, nunmehr bereit ist, diese auch gewaltsam, also z.B. durch Raub oder Erpressung, zu verwirklichen). Hat der (jetzige) Hang indes keinen Zusammenhang mit dem der zu den Anlasstaten führte (ist z.B. bei einem Betrüger jetzt eine Pädophilie eingetreten), so rechtfertigt dies den weiteren Maßregelvollzug nicht.
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Soweit nach str. Ansicht die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach §§ 66a und 66b keinen Hang voraussetzt (vgl. zu dieser Streitfrage § 66a Rdn. 63 ff und § 66b Rdn. 145 ff) geht die Formulierung „infolge seines Hanges" freilich ins Leere. Die Fassung des § 67d Abs. 3 stammt aus der Zeit vor Schaffung der §§ 66a und 66b und wurde insoweit im Wortlaut lediglich nicht entsprechend angepasst (obwohl nach der Vorstellung des Gesetzgebers - anders die Rechtsprechung und Teile des Schrifttums bei den letztgenannten Vorschriften ein Hang gerade nicht Voraussetzung für den Vorbehalt oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung sein sollte, vgl. § 66a Rdn. 63 ff; § 66b Rdn. 145 ff). Wurde bei der Maßregelanordnung nach § 66a und § 66b kein Hang festgestellt, so kann der Verurteilte auch nicht „infolge seines Hanges" gefährlich sein, so dass die auf diese Vorschriften zurückgehenden Maßregelanordnungen wohl immer nach 10 Jahren für erledigt zu erklären sind. Eine große praktische Rolle spielt das allerdings nicht, da häufig hang- und gefährlichkeitsbegründende Umstände identisch sind und nicht auseinanderfallen, so dass, in der Regel wenn das eine gegeben ist, auch das andere vorliegt (vgl. § 66 Rdn. 135 f).
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Für die Anwendung des § 67d Abs. 3 ist es - wenn seine formellen Voraussetzungen vorliegen - unerheblich, ob die erforderliche Gefährlichkeit nicht mehr gegeben ist oder ob sie nie (und also auch nicht zum Zeitpunkt der Entscheidung des Vollstreckungs-
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OLG Karlsruhe NStZ 2 0 0 5 56. OLG Karlsruhe StV 2 0 0 6 4 2 6 , 4 2 7 f; zur Prognosestellung vgl. auch: Boetticher. NStZ 2 0 0 5 417, 418; LeygrafOie Begutachtung der Gefährlichkeitsprognose
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S. 4 3 8 ff und Streng Strafrechtliche Sanktionen 2 S. 313 ff. I.E. ebenso Müller-Metz StV 2 0 0 3 43, 48. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 50.
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gerichts) vorhanden war. 128 Eine Fehleinweisung aus anderen Gründen, also die aufgrund falscher Tatsachen oder rechtsirrtümlich erfolgte Bejahung der formellen Voraussetzungen der Maßregel lässt sich nur im Revisions - oder Wiederaufnahmeverfahren beheben. 129 Auch der Gesetzgeber hatte bei Schaffung der Vorschrift augenscheinlich die Vorstellung, dass jedenfalls früher einmal die Gefährlichkeit vorgelegen haben muss (vgl. BTDrucks. 13/9062 S. 10 „weiterhin"). 73
3. Rechtsfolgen. Das Gericht hat, wenn es die erforderliche Gefahrenprognose nicht mehr stellen kann, die Maßregel zwingend für erledigt zu erklären. 130 Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein (§ 67d Abs. 3 S. 2).
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Es dürfte i.d.R. nicht möglich sein, die erforderliche Gefahrenprognose positiv zu stellen (so dass eine Erledigung ausscheidet), die Maßregel aber nach Absatz 2 zur Bewährung auszusetzen. Die Stellung der Gefahrenprognose nach Absatz 3 und die Erwartung im Sinne von Absatz 2 dürften sich gegenseitig ausschließen. Das bedeutet aber auch, dass bei späteren Überprüfungen (jenseits der Zehnjahresgrenze) im Sinne von § 67e Abs. 2 lediglich eine Erledigungserklärung, nicht aber eine Aussetzungsentscheidung in Betracht kommt, wenn die erforderliche Gefahrenprognose nicht mehr positiv gestellt werden kann. 131 Denn die Erledigungserklärung hat schon dann zu erfolgen, wenn dies der Fall ist, während die Maßregelaussetzung zur Bewährung die Stellung einer günstigen Prognose voraussetzt. Etwas anderes kann nur in dem Fall gelten, in dem die Rückfallwahrscheinlichkeit zwar so hoch ist, dass sie eine Erledigung mit der Folge bloßer Führungsaufsicht nicht zulässt, sie aber andererseits durch die mit dem Widerrufsdruck und entsprechenden Weisungen, die mit einer Aussetzung zur Bewährung verbunden sind, auf ein vertretbares Maß im Sinne von $ 67d Abs. 2 reduziert wird (vgl. BTDrucks. 13/9062 S. 10). Die Ansicht, die auch eine bloße Entscheidung nach § 67d Abs. 2 nach dem Zehnjahrestermin für möglich hält, geht anders als hier vertreten zudem davon aus, dass die Maßregel bereits dann auszusetzen ist, wenn eine nicht Gefährlichkeitsprognose nicht mehr gestellt werden kann (und nicht erst dann, wenn die Chance der Bewährung größer ist, als die der Nichtbewährung). 132
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Bei Verneinung der erforderlichen Gefährlichkeit kann dass Gericht nicht auf eine Bewährungsaussetzung ausweichen. 133
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Ist der Verurteilte nach wie vor gefährlich, so dauert der Maßregelvollzug kraft Gesetzes fort. Ein Entscheidungsmöglichkeit, den Verurteilten dennoch zu entlassen, räumt das Gesetz nicht ein. Ein Beschluss, dass die Maßregel über zehn Jahre hinaus vollstreckt wird, hat lediglich deklaratorischen Charakter. Die weitere Überprüfung richtet sich - mit der o.g. Einschränkung hinsichtlich möglicher Rechtsfolgen - nach § 67e Abs. 2 . 1 3 4
128 129 130
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Müller-Metz StV 2 0 0 3 43, 48. Müller-Metz StV 2 0 0 3 43, 48. OLG Hamm NStZ-RR 2 0 0 6 27, 28; Veh MK Rdn. 37. BVerfGE 109 133, 161; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 4 8 ; Veh MK Rdn. 14, 37; Müller Metz StV 2 0 0 3 43, 4 8 ; aA OLG Nürnberg NStZ-RR 2 0 0 2 2 0 8 ; vgl. auch OLG Hamm
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NStZ-RR 2 0 0 6 27, 28 (wo von einer „Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB nach dem Zehnjahrestermin" die Rede ist; dem folgend: Lackner/Kühl § 67d Rdn. 7c). OLG Hamm NStZ-RR 2 0 0 6 27, 28. OLG Hamm NStZ-RR 2 0 0 6 27, 28. Veh MK Rdn. 37.
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Dauer der Unterbringung
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ΥΠ. Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung (Absatz 2 ) 1. Entstehungsgeschichte und Bedeutung des Absatzes 2 a) Die auf dem GewVerbrG vom 24.11.1933 beruhende frühere Gesetzesfassung machte die bedingte Entlassung aus dem Maßregelvollzug davon abhängig, dass der Zweck der Unterbringung erreicht war (§ 42f Abs. 3 Satz 2, 4 StGB i.d.F. des GewVerbrG); die Unterbringung sollte nach $ 42f Abs. 1 so lange dauern, wie ihr Zweck es erfordert. Der E 1962 übernahm diese Regelung fast unverändert (§ 89 Abs. 1, 6); indem er die Entlassung an die Erwartung knüpfte, „dass der Zweck der Maßregel auch durch Aussetzung zur Bewährung ... erreicht wird", sah er für die Aussetzung der Maßregel strengere Voraussetzungen vor als für die Aussetzung des Strafrestes, bei der darauf abgehoben wurde, ob eine Erprobung in Freiheit verantwortet werden kann (§ 79 Abs. 1 Satz 1 E 1962; vgl. jetzt § 57 Abs. 1 S. 2). Dagegen waren seit 1970 (§ 4 2 f Abs. 2 StGB i.d.F. des 1. StrRG) die Voraussetzungen für die Aussetzung der Unterbringung und des Strafrestes (§ 57) gleich formuliert: Es kommt darauf an, dass „verantwortet werden kann zu erproben", ob der Verurteilte in Freiheit nicht mehr gegen die Strafgesetze verstoßen wird. Gesetzgeberisches Motiv ist die Erwägung, dass die Erreichung des Maßregelzweckes „kaum je mit der erforderlichen Bestimmtheit getroffen werden" kann, dass die Entlassung „stets mit einem gewissen Risiko verbunden" ist (BT-Drucks. V/4094 S. 22). Gleichzeitig entfiel die im früheren Recht und im E 1962 enthaltene leitsatzartige Vorschrift, nach der die Maßregel so lange dauert, wie ihr Zweck es erfordert (BT-Drucks. V/4094 S. 22). Mit § 42f Abs. 2 StGB i.d.F. des 1. StrRG stimmt die geltende Vorschrift des § 67d Abs. 2 Satz 1 überein.
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An die Stelle der Erprobungsklausel stellte das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998 (BGBl. I S. 160) die Erwartung künftiger Legalbewährung. 135 Str. ist, ob es sich insoweit um eine Verschärfung der Entlassungsvoraussetzungen handelt 136 oder lediglich um eine Klarstellung. 137 Der Streit dürfte nicht völlig „müßig" sein 138 , da im Falle einer Klarstellung ohnehin auf die Interpretation zum früheren Recht zurückgegriffen werden kann, aber auch wenn man in der neuen Fassung eine Verschärfung sieht, die frühere Interpretation der Vorschrift als Maßstab heranziehen muss, um eine solche überhaupt feststellen zu können. 139
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b) Die Vorschrift betrifft die Aussetzung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vor dem Ablauf der in Absatz 1 bezeichneten Höchstfrist (§ 64) sowie die Aussetzung der beiden anderen Maßregeln (§§ 63, 66) Sie gilt unabhängig davon, ob neben der Maßregel eine Strafe verhängt worden ist und ob die Maßregel vor oder nach einer Strafe vollzogen wird. Während § 67c Abs. 1 die Aussetzungsmöglichkeit vor Beginn der Maßregelvollstreckung regelt, erfasst § 67d Abs. 2 den Fall nach begonnener Maßregelvollstreckung (zur analogen Anwendung vgl. unten Rdn. 82). Bedeutung hat die Frage
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135 136
Veh MK Rdn. 4. So: KG Berlin Beschl. v. 31.3.1998 - 1 AR 160/98 - 5 Ws 111/98 (einschränkender aber: KG Berlin Beschl. v. 10.11.1000 - 1 AR 1215/99 - 5 Ws 612/99); OLG Koblenz NJW 1999 876, 877; Lackner/Kühl Rdn. 3; Braasch S. 35, 2 0 4 ff; Bechtholdt Die Erledigungserklärung im Maßregelvollzug des § 63 StGB S. 37.
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So Pollähne/Böllinger NK Rdn. 15; Koller BewHi 2 0 0 5 137, 2 4 0 . So aber Veh MK Rdn. 4. Vgl. dazu Tröndle/Fischer54 Rdn. 6; i.E. (keine Verschärfung ggü. früherer Rechtslage) auch: Volckart/Grünebaum Maßregelvollzug6 S. 2 5 8 ; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 15; aA: OLG Koblenz NJW 1999 876, 878; Schock NJW 1998 1257, 1258.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
freilich nur, wenn eine ungünstige und eine günstige Prognose gleich wahrscheinlich sind. Dann würde, wenn man bei § 67c annimmt, dass die Prognose neu zu stellen ist, eine Aussetzung erforderlich sein, während bei § 67d Abs. 2 die Nichtaussetzung die Folge wäre. Andere meinen, dass die Aussetzungsmaßstäbe der beiden Vorschriften gleich sind. 140 80
In der Praxis ist der Absatz 2 eine der wichtigsten Vorschriften über die freiheitsentziehenden Maßregeln. Da diese Unterbringung selten bis zum Ablauf der gesetzlichen Höchstfrist (bei § 64) vollstreckt wird, in den Fällen des § 63 und der Sicherungsverwahrung auch unbefristet ist, entscheidet die Anwendung des Absatzes 2 über die Schwere der Maßregel. Nach dem Gesamtgefüge des § 67d ist die Vollstreckungsaussetzung der vom Gesetzgeber intendierte Regelfall für die Beendigung einer Unterbringung. 141 Von der Anwendung der Vorschrift hängen Eingriffe in die Freiheit ab, die schwerer wiegen als die meisten Strafen. Die Zahl der bedingten Entlassungen aus dem Maßregelvollzug nach § 63 ist rückläufig. Obwohl immer mehr Angeklagte nach § 63 untergebracht werden hat sich die Zahl der bedingten Entlassungen seit 1998 etwa halbiert. 142 Ähnliches gilt für die Maßregel nach § 64. 1 4 3 Auch bei der Sicherungsverwahrung sind Aussetzungen zur Bewährung weniger geworden. Ob das mit einer zurückhaltenderen Aussetzungspraxis zusammenhängt 144 , oder ob das auch durch die bis Mitte der 90er Jahre rückläufigen Anordnungszahlen (die sich wegen der vorweg zu verbüßenden Freiheitsstrafe erst mit gewisser Verzögerung auswirken) begründet ist, wird noch zu erforschen sein.
81
2. Anwendungsbereich. Für die Maßregel nach § 64 ist Absatz 2 nur bis zum Erreichen der Höchstfrist anwendbar (ist diese erreicht, so greift Abs. 4 ein, es ist nicht möglich, den Verurteilten bei schlechter Legalprognose nur bedingt zu entlassen). Auf die Maßregel des § 63 StGB ist Absatz 2 ohne zeitliche Begrenzung anwendbar. Auf die Sicherungsverwahrung ist Absatz 2 bis zum Erreichen der Zehnjahresfrist nach Absatz 3 anwendbar. Danach wird er durch die strengeren Voraussetzungen (für einen weiteren Vollzug der Sicherungsverwahrung) und durch die dem Verurteilten günstigere Rechtsfolge des Absatz 3 zum Teil verdrängt. Besteht nach zehn Jahren des Vollzugs der Sicherungsverwahrung nämlich nur noch die Gefahr erheblicher Vermögensschädigungen durch den Verurteilten (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 3), so ist die Maßregel dennoch für erledigt zu erklären. Wird allerdings die Maßregel wegen der Gefahr erheblicher Straftaten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, über zehn Jahre hinaus weiter vollstreckt, so ist die Anwendung des § 67d Abs. 2 i.d.R. ausgeschlossen (vgl. oben Rdn. 60 ff). Es kommt dann nur noch eine Erledigungsentscheidung in Betracht.
82
Dem Wortlaut nach ist § 67d Abs. 2 nur auf solche Fälle anwendbar, in denen die Maßregelvollstreckung bereits begonnen hat (denn nur dann ist eine „weitere" Maßregelvollstreckung möglich). 145 Soweit in Fällen, in denen die Maßregelvollstreckung noch nicht begonnen hat, nicht ohnehin § 67c eingreift (z.B. weil statt der Strafvollstreckung eine Zurückstellung nach ξ 35 B t M G erfolgt ist oder zunächst eine Strafe in anderer Sache (vollständig, vgl. § 67c Rdn. 30 ff) vollstreckt wurde, so kann man über
140 141 142
143
BVerfG NStZ-RR 2 0 0 5 187, 188. Koller FS Venzlaff S. 231. Koller BewHi 2 0 0 5 237, 238 mit Erklärungsversuchen. Vgl. Metrikat S. 2 4 0 ff.
736
144
145
In diese Richtung: Dessecker Kriminalrechtliche Maßregeln, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 37, 55. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 14.
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Dauer der Unterbringung
§67d
eine analoge Anwendung des § 67c oder des § 67d Abs. 2 nachdenken, denn „es wäre unsinnig und mit dem Freiheitsgrundrecht unvereinbar", eine aussetzungsreife Maßregel anvollziehen zu müssen. 146 Ein Verbot der Rückwirkung der Gesetzesneufassung des § 67d Abs. 2 auf die vor ihrem Inkraftreten liegenden gerichtlichen Entscheidungen (§ 2 Abs. 6) besteht nicht. 1 4 7
83
3. Aussetzungsvoraussetzung a) In formeller Hinsicht setzt § 67d Abs. 2 voraus, dass bei einer Maßregel entweder keine gesetzliche Höchstfrist vorgesehen oder diese noch nicht abgelaufen ist (dann würde im Falle des § 64 Absatz 4, im Falle des § 66 Absatz 3 eingreifen). Ferner muss die Vollstreckung der Maßregel bereits einmal begonnen haben („weitere Vollstreckung"). 148 Das bedeutet, dass eine Entscheidung nach § 67d Abs. 2 getroffen werden kann, sobald der Maßregelvollzug begonnen hat (sonst ist entweder § 67c einschlägig oder aber eine analoge Anwendung des § 67d Abs. 2 vorzunehmen, vgl. oben Rdn. 79) und zwar immer dann, wenn das Gericht Kenntnis von den Aussetzungsvoraussetzungen hat, sei es anlässlich einer turnusmäßigen Überprüfung nach § 67e, anlässlich eines Antrags der Vollstreckungsbehörde oder des Verurteilten oder auf sonstige Weise.
84
Liegen bei der Sicherungsverwahrung die Voraussetzungen des § 67d Abs. 3 vor und 8 5 wird eine Maßregel über zehn Jahre hinaus vollstreckt, so ist eine Aussetzung nach Absatz 2 dem Wortlaut nach möglich, da keine gesetzliche Höchstfrist für den Maßregelvollzug besteht. Allerdings wird eine Aussetzung nur im Ausnahmefall möglich, im Regelfall hingegen eine Erledigungserklärung nach Absatz 3 erforderlich sein, wenn die Gefährlichkeit unter das für die weitere Vollstreckung notwendige Maß gesunken ist (vgl. dazu oben Rdn. 74). 149 b) In materieller Hinsicht muss zu erwarten sein, dass der Untergebrachte keine rechtswidrige Taten mehr begehen wird. Dem Verurteilten muss also eine günstige Sozialprognose gestellt werden können. 150 Hinsichtlich des Verhältnisses zu § 67d Abs. 6 vgl. oben Rdn. 51.
86
aa) „Rechtswidrige Taten" i.S.d. § 67d Abs. 2 sind nur solche, die auch für eine Maßregelanordnung relevant sind (also „erhebliche Straftaten" i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 3 1 5 1 , „erhebliche rechtswidrige Taten" i.S.v. § 63 bzw. § 64). Das ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetzeswortlaut und auch nicht aus der Gesetzesbegründung. Es folgt vielmehr aus dem Zusammenhang des $ 67d mit den Anordnungsvorschriften für die freiheitsentziehenden Maßregeln. Wenn eine Maßregel schon nur angeordnet werden kann, um erhebliche Straftaten zu verhindern, dann kann ihre weitere Vollstreckung
87
146 147 148 149
150
Veh MK Rdn. 15. OLG Koblenz NJW 1999 876, 877. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 14. AA offenbar: KG Berlin Beschl. v. 29.11.2001 - 1 AR 1196/01 - J W s 646/01 (nicht näher problematisiert). OLG Düsseldorf Beschl. v. 21.8.2006 - III-l Es 293/06; Fischer Rdn. 8; Veh MK Rdn. 16; Koller BewHi 2005 237, 241 f; missverständlich: KG Berlin Beschl. v. 26.2.2002 -
151
1 AR 220/02 - J W s 118/02 (Unterbringung darf nur fortdauern, wenn Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die neuerliche schwere Störung des Rechtsfriedens besteht - möglicherweise wurde hier nach § 67c entschieden). KG Berlin Beschl. v. 12.2.2002 - 1 AR 912/01 - 5 Ws 468/01; OLG Düsseldorf NStE Nr. 3 zu § 67d.
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auch nur davon abhängen, ob sie zur Verhinderung solcher Straftaten noch erforderlich ist. 152 Es würde dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechen, wollte man die weitere Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßregel auch zur Verhinderung nicht erheblicher Straftaten zulassen.153 88
Was relevante „rechtswidrige Taten" i.S.v. § 67d Abs. 2 sind, unterliegt mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzugs einer Bewertungsanpassung (ebenso wie auch der erforderliche Gefahrengrad). So kann es sein, dass die zu erwartenden rechtswidrigen Taten immer noch denen entsprechen, auf die sich auch die Gefahrenprognose bei der Maßregelanordnung bezog. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in die Prüfung der Aussetzungsreife mit einzubeziehen (sog. „integrative Betrachtung").154 Mit zunehmender Vollzugsdauer kann es aber sein, dass sie später nicht mehr ausreichen, um einen weiteren Maßregelvollzug zu rechtfertigen, so dass dann, weil keine schwereren Taten zu erwarten sind, die Maßregel zur Bewährung auszusetzen wäre. Rückfallwahrscheinlichkeit und Erheblichkeit der zu erwartenden rechtswidrigen Taten stehen darüber hinaus in einer Wechselbeziehung (vgl. BTDrucks. 13/9062 S. 10). 155
89
Fraglich ist, ob die Aussetzung zur Bewährung verweigert werden kann, wenn zwar erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, diese aber nicht in dem ursprünglichen Hang oder Zustand ihre Ursache hätten (also z.B. bei einem Sicherungsverwahrten nunmehr Straftaten aufgrund einer psychischen Erkrankung zu erwarten wären oder aber statt der bisherigen Vermögens- und Eigentumskriminalität nunmehr die Gefahr von Sexualdelikten besteht). Anders als z.B. in § 67d Abs. 3 ist hier nicht formuliert „infolge seines Hanges" und eine Bezugnahme auf den „Zweck" der Maßregel (wie in § 67c Abs. 1) erfolgt ebenfalls nicht. Dass (u.a.) mit der Neufassung des § 67d Abs. 2 auch dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit stärker Rechnung getragen werden soll (BTDrucks. 13/7559 S. 8; BTDrucks. 13/8586 S. 6), spricht auch eher dafür, dass das Gericht in solchen Fällen von einer Bewährungsaussetzung absehen kann. Andererseits ist fraglich, ob nicht auch ohne ausdrückliche Bezugnahme die Entscheidung nach § 67d Abs. 2 jeweils im Hinblick auf den mit der verhängten Maßregel verfolgten Zweck zu sehen ist. 156 Durch eine Nichtaussetzung wegen geänderter Gefährlichkeit im Vollstreckungsverfahren könnten dann die verfahrensrechtlichen Garantien einer neuen Hauptverhandlung unterlaufen werden (welche freilich die nicht wünschenswerte Begehung weiterer Straftaten voraussetzt). Hier besteht noch Klärungsbedarf. Die Entscheidung BVerfGE 70 297, 313 scheint eher auf den abstrakten Zweck der Maßregelart und nicht auf Grund und Zweck der konkret verhängten Maßregel abzustellen.157
152
153 154
KG Berlin Beschl. v. 2 6 . 2 . 2 0 0 2 - 1 AR 2 2 0 / 0 2 - 5 Ws 118/02; Lackner/Kühl Rdn. 3; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 16; Veh MK Rdn. 17; Hammerschlag/Schwarz NStZ 1998 321, 324. BVerfGE 7 0 297, 313. BVerfGE 70 297, 312 ff; BVerfG NStZ-RR 2 0 0 4 76; NJW 1995 3 0 4 8 f; 1994 510; 1993 778; OLG Celle StV 1995 90; OLG Düsseldorf NStE Nr. 3 zu § 67d; LG Duisburg R & P 1983 38; vgl. auch Eickhoff NStZ 1987 65, 66; Müller-Dietz JR 1987 45 ff; Teyssen FS Tröndle S. 4 0 7 ff.
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KG NStZ-RR 2 0 0 2 138; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 1 311, 312; Fischer Rdn. 11; Veh MK Rdn. 18; Lackner/Kühl Rdn. 3; Hammerschlag/Schwarz NStZ 1998 321, 324. 1J6 Vg]_ z u r früheren Rechtslage: OLG Düsseldorf MDR 1980; NJW 1959 830; OLG Köln MDR 1971 154; Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 2 9 ff; so wohl auch: Lackner/ Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 9. 1 5 7 Vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ 1999 37. 155
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Dauer der Unterbringung
§67d
bb) „Erwartung"
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(1) Die Erwartung, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird, setzt eine realistische, durch Tatsachen hinreichend begründete Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit (im o.g. Sinne) voraus. 1 5 8 Die Prognose ist durch das Gericht zu stellen. Es darf sich nicht darauf beschränken, eine Prognose des Sachverständigen lediglich zu übernehmen. Es muss vielmehr den Gutachten eine richterliche Kontrolle entgegensetzen, die auf das Prognoseergebnis und die Qualität der gesamten Prognoseerstellung erstreckt. 159 Die durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit (im o.g. Sinne) muss (jedenfalls) größer sein, als die diejenige des Rückfalls. 160 Eine Rückfallgefahr im Sinne der Anordnungsvoraussetzungen der jeweiligen Maßregel darf nicht mehr vorliegen. 161 Eine unbedingte Gewähr zukünftiger Straffreiheit ist allerdings nicht erforderlich. 162 Andererseits reicht aber auch nicht die bloße Vermutung oder Möglichkeit, der Verurteilte werde zukünftig keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen. 163
91
Zu dieser Interpretation führen Wortlaut, historische Auslegung und letztlich auch die systematische Auslegung.
92
Der Wortlaut „erwarten" bedingt an sich schon ein höheres M a ß an Prognosesicherheit als „verantworten können" (vgl. § 57 Abs. 1 Nr. 2) oder gar „verantwortet werden kann zu erproben" (§ 67d Abs. 2 a.F.). 164 Denn die Entlassung eines Straftäters von dem nur (wenn auch erhebliche) Vermögensdelikte zu erwarten sind, kann man möglicherweise schon dann verantworten, wenn man einen Rückfall dennoch für wahrscheinlicher hält, als die Bewährung. Um etwas zu „erwarten" muss man indes vom Eintritt des Erwarteten überzeugter sein, als vom Nichteintritt. 165 Im seinerzeitigen Gesetzentwurf der BReg war § 67d Abs. 2 noch so formuliert: „... sobald dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann". Die Formulierung war damit identisch mit der des § 57 Abs. 1 Nr. 2. Zur Begründung wird angeführt, dass die bisherige Formulierung („verantwortet werden kann zu erproben") in der Öffentlichkeit den unzutreffenden Eindruck erweckt habe, als sei eine Entlassung gefährlicher Täter auch ohne günstige Prognose zu Lasten der öffentlichen Sicherheit möglich. Bezweckt sei eine Klarstellung entsprechend der schon bisherigen Rechtsprechung, dass eine Abwägung zwischen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit und Resozialisierungsinteresse des Verurteilten vorzunehmen sei (BTDrucks. 13/8586 S. 8). Die jetzige Formulierung des § 67d Abs. 2 stammt aus der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BTDrucks. 13/8989 S. 6). Im Bericht des Rechtsausschusses heißt es, dass „,erwarten' keine unbedingte Gewähr, sondern eine
158
159
160
BTDrucks. 1 3 / 9 0 6 2 S. 10; KG NStZ-RR 2 0 0 2 138; OLG Düsseldorf Beschl. v. 21.8.2006 - III-l Ws 2 9 3 / 0 6 ; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 1 311, 312; Hammerschlag/Schwarz NStZ 1998 321, 323; Müller-Metz StV 2 0 0 3 43, 47. Kolter BewHi 2 0 0 5 237, 251 m.w.N; zu den Qualitätsanforderungen an Prognosegutachten vgl.: Boetticker/u.a. NStZ 2 0 0 6 537. KG NStZ-RR 2 0 0 2 138; KG Beschl. v. 10.11.1999 - 1 AR 1215/99 - 5 Ws 612/99; Lackner/Kühl Rdn. 3; aA: Pollähne/ Böllinger NK Rdn. 2 4 .
161
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163 164
165
Volckart/Grünbaum Maßregelvollzug 6 S. 257. BTDrucks. 1 3 / 9 0 6 2 S. 10; BVerfG NStZ-RR 2 0 0 4 76, 77; Lackner/Kühl Rdn. 3; Veh MK Rdn. 48. KG NStZ-RR 2 0 0 2 138. Vgl. zur Verschärfungstendenz bei § 57: OLG Saarbrücken NJW 1999 4 3 8 ; 1 9 9 9 439. Bechtholdt Die Erledigungserklärung im Maßregelvollzug nach § 63 StGB S. 38.
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§67d
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit straffreier Führung des Verurteilten (bedeutet), wobei insbesondere darauf abzustellen ist, dass es von dem Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit abhängig ist, welches Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit" zu verlangen ist (BTDrucks. 13/9062 S. 10). Ohne Zweifel befindet sich die Gesetzesbegründung in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung soweit es darum geht, dass erforderlicher Wahrscheinlichkeitsgrad, Art und Ausmaß der Rechtsgutsbedrohung und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte sich gegenseitig beeinflussen. 166 Nach alter Rechtslage war mit der Erprobungsklausel auch dann eine Aussetzung möglich war, wenn die Prognose unsicher war (also freilich auch abhängig von Art und Schwere der drohenden Rechtsgutschädigung - möglicherweise eine Aussetzung auch dann in Betracht kam, wenn Bewährungs- und Nichtbewährungswahrscheinlichkeit sich die Waage hielten). 167 Es finden sich Formulierung dahingehend, dass die bloße Möglichkeit neuer Straftaten nicht reiche die Aussetzung zu versagen, wie auch die bloße Möglichkeit ihrer Nichtbegehung eine solche nicht rechtfertige. 168 Nach der Rechtsprechung zum alten Recht war es sogar teilweise so, dass nicht etwa für die Aussetzung eine günstige Prognose vorausgesetzt, sondern für die weitere Vollstreckung „eine konkrete Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher rechtswidriger Taten" (ähnlich wie jetzt bei Absatz 3) gefordert wurde. 169 Ein solcher gleichsam völlig umgekehrter Prüfungsansatz, lässt sich mit der jetzigen Gesetzesfassung überhaupt nicht vereinbaren 170 , so dass allein dies schon eine gewisse Verschärfung mit sich bringt. 171 Einer Begründung, dass keine unbedingte Gewissheit der Bewährung erforderlich sei, hätte nicht bedurft, wenn mit der Neuformulierung der Aussetzungsvoraussetzung nicht auch eine Verschärfung des Aussetzungsmaßstabes verbunden gewesen wäre, denn eine unbedingte Gewissheit hätte nach alter Rechtslage ohnehin niemand gefordert. 94
Ein Vergleich mit § 57 Abs. 1 Nr. 2 macht deutlich, dass unterschiedliche Anforderungen an die Aussetzungsprognose durchaus Sinn machen. Denn bei der Aussetzung einer Maßregel geht es - anders als bei der Strafaussetzung - immer um zu erwartende „erhebliche" Straftaten. Auch der Vergleich mit Absatz 3 zeigt, dass hier ein schärferer Maßstab gilt, als bei einer bereits über zehn Jahre hinweg vollstreckten Maßregel der Sicherungsverwahrung. § 67d Abs. 2 setzt - anders als Absatz 3 - die Erstellung einer positiven Prognose im o.g. Sinne und nicht bloß das Fehlen einer negativen Prognose voraus. 172 Schließlich sprechen auch die ebenfalls mit dem SexualdelikteBekG vom 26.1.1998 eingeführten erhöhten prozessualen Anforderungen an eine Aussetzungsentscheidung (§§ 4 6 3 Abs. 3, 454 Abs. 2 StPO) für eine Verschärfungstendenz. 173
95
Allerdings findet sich auch in der neueren Rechtsprechung gelegentlich noch die Klausel von der „Verantwortbarkeit der Erprobung", ohne dass dabei klar wird, ob
N S t Z 1 9 9 8 321,
166
Hammerschlag/Schwarz 3 2 3 f.
167
Vgl. dazu: Horstkotte L K 1 0 S 6 7 d Rdn. 7 0 ff. KG Berlin Beschl. v. 2 . 5 . 1 9 9 7 - 1 A R 2 1 1 / 9 7 - 5 Ws 139/97. O L G Celle StV 1 9 9 5 9 0 ; ähnlich auch B G H Beschl. v. 9 . 6 . 1 9 9 3 - 5 StR 2 8 7 / 9 3 .
168
169
170
Vgl. KG Berlin Beschl. v. 3 1 . 3 . 1 9 9 8 - 1 A R 1 6 0 / 9 8 - 5 W s 1 1 1 / 9 8 ; Koller BewHi 2 0 0 5 2 3 7 , 2 4 1 f.
171
Vgl. O L G Karlsruhe ZfStrVO 1 9 9 9 1 8 4 ,
740
172 173
1 8 5 ; Bechtholdt Die Erledigungserklärung im Maßregelvollzug nach § 6 3 StGB S. 4 0 . Fischer Rdn. 8; Veh M K Rdn. 2 0 . O L G Karlsruhe ZfStrVO 1 9 9 9 1 8 4 , 185; i.E. ebenso: Dessecker Rechtsgrundlagen der Sanktionierung „gefährlicher" Straftäter S. 11, 2 0 f; Metrikat S. 2 5 3 f; vgl. auch Volckart/Griinbaum Maßregelvollzug 6 S. 2 5 6 f; Becker/Kinzig ZfStrVO 1 9 9 8 2 5 9 f; Schüler-Springorum R & P 1 9 9 8 25, 30.
R u t h Rissing-van S a a n / J e n s Peglau
Dauer der Unterbringung
§67d
damit der Standpunkt vertreten wird, die Aussetzungsvoraussetzungen seien im Vergleich zum alten Recht unverändert. 174 Die Verwendung der alten Klausel sollte vermieden werden, da sie eben nicht mehr die gegenwärtigen gesetzlichen Aussetzungsvoraussetzungen widerspiegelt. 175 (2) Von der o.g. Basisdefinition ausgehend, hängt der konkret erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Nichtrückfalls von der Art des durch zukünftige Taten bedrohten Rechtsguts und der Intensität und Häufigkeit seiner Bedrohung 1 7 6 und auch von der bisherigen Dauer des Maßregelvollzuges ab. 1 7 7 Als Richtwert (für das Erfordernis erhöhter Anforderungen für den Verbleib im Maßregelvollzug) kann dienen, ob die Dauer der Unterbringung die Höchststrafe für das Einweisungsdelikt übersteigt. 178 Auch die Qualität des bisherigen Straf- oder Maßregelvollzuges ist zu berücksichtigen (z.B., ob hinreichende Therapieangebote überhaupt vorhanden waren oder nicht; ob die bisherige Unterbringung zur persönlichen Deformation und zur Gefährlichkeit beigetragen hat). 1 7 9 Dieses Wechselspiel der genannten Faktoren ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Je geringer die zu erwartenden Straftaten sind und je länger der bisherige Maßregelvollzug angedauert hat, um so geringer sind die Anforderungen an die „Erwartung", also an die Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit. Das führt dazu, dass jedenfalls dann eine Aussetzung zu erfolgen hat, wenn die Wahrscheinlichkeit unter das für die Anordnung der Maßregel erforderlich Maß sinkt 1 8 0 oder das befürchtete Rückfalldelikt
96
für eine Anordnung der Maßregel nicht mehr ausreichen würde. 181 Auch langer Maßregelvollzug und drohende Rechtsgutsverletzungen, welche zwar noch als erheblich einzustufen wären, aber eher im unteren Bereich des für eine Maßregelanordnung erforderlichen Bereichs liegen (vgl. oben Rdn. 88), können nicht dazu führen, dass eine Aussetzung erfolgt, wenn die Rückfallwahrscheinlichkeit noch höher ist als die der Legalbewährung. Denn in diesen Fällen kann nicht mehr von der Erwartung der Legalbewährung gesprochen werden, vielmehr handelt es sich um die Erwartung des Rückfalls. In solchen Fällen kann der Maßregelvollzug nur nach § 67d Abs. 3 - 6 beendet werden. Umgekehrt kann es aber erforderlich sein, den Wahrscheinlichkeitsgrad für eine Aussetzung höher anzusetzen, wenn höchste Rechtsgüter (wie z.B. das menschliche Leben) durch zukünftige Taten bedroht sind. (3) Prognosefaktoren: Relevante Prognosefaktoren für die Aussetzungsentscheidung sind solche, die auch bereits für die Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel bzw. deren anfänglicher Aussetzung relevant sind. 1 8 2 Auf die entsprechenden Ausführungen in der Kommentierung Schöch Vor § 61 ff Rdn. 161 ff sowie insbesondere bei § 66
174
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Vgl. z.B. BVerfG NStZ-RR 2 0 0 4 76, 77; offenbar die alte und die neue Gesetzesfassung synonym verwendend: OLG Rostock N J W 2 0 0 3 1334. Vgl. OLG Karlsruhe ZfStrVO 1 9 9 9 184, 185. BVerfG NStZ-RR 2 0 0 4 76, 77; N J W 1995 3048; KG NStZ-RR 2 0 0 2 138; OLG Frankfurt NStZ-RR 2 0 0 1 311, OLG Hamburg NStZ-RR 2 0 0 5 40; 312; OLG Koblenz NJW 1999 876, 878; Fischer Rdn. 10 f; Veh MK Rdn. 18; Koller BewHi 2 0 0 5 237, 243. BVerfGE 7 0 297, 312 ff; BVerfG Beschl. v.
178
179 180 181 182
2 3 . 7 . 2 0 0 7 - 2 BvR 4 9 1 / 0 7 ; KG Beschl. v. 10.11.1999 - 1 AR 1215/99 - 5 Ws 612/99; KG Berlin Beschl. v. 12.2.2002 - 1 AR 912/01 - 5 Ws 468/01; OLG Hamburg NStZ-RR 2 0 0 5 4 0 . OLG Koblenz OLGSt StGB § 67d Nr. 8; Vgl. bereits Bernsmann S. 142, 149. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 23. Veh MK Rdn. 18. OLG Koblenz OLGSt StGB § 67d Nr. 8. Veh MK Rdn. 23; vgl. auch: Volckart/ Grünebaum Maßregelvollzug 6 S. 2 5 7 f.
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§67d
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Rdn. 126 ff und 202 ff und § 67b Rdn. 25 ff wird verwiesen. Zur Prognosestellung vgl. auch: Kröber Kriminalprognostische Begutachtung S. 69, 92 ff; Leygraf Die Begutachtung der Gefährlichkeitsprognose S. 438 ff und Streng Strafrechtliche Sanktionen2 S. 313 ff. Zur Legalbewährung von entlassenen nach § 64 untergebrachten Straftätern vgl. Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 275 ff (Rückfallquote 43 %) und Metrikat Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 S. 278 ff (Rückfallquote rd. 42 %), zur Legalbewährung von entlassenen nach § 63 untergebrachten Straftätern vgl. Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit S. 233 ff Rückfallquote 20 % nach 2 Jahren; 41 % nach 5 Jahren). Hinsichtlich der prognoserelevanten Unterlagen vgl. die Liste bei Baltzer Die Sicherung des gefährlichen Gewalttäters S. 71. 98
Des Weiteren spielen auch die Faktoren eine Rolle, die bereits im Rahmen einer Entscheidung nach § 67c Abs. 1 zu prüfen sind (also insbesondere auch die Frage, welche Auswirkungen der Bewährungsdruck oder der Druck der Führungsaufsicht, entsprechende Weisungen, freiwillige Maßnahmen des Verurteilten etc. haben). 183 Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 67c Rdn. 73 verwiesen werden. Es ist eine Gesamtbetrachtung aller der auch im Rahmen der Anordnung der Maßregel und im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 67b und 67c relevanten Faktoren vorzunehmen.184 Auch die Anlasstaten und früheres kriminelles Verhalten spielt eine Rolle, allerdings verlieren diese Umstände mit zunehmendem Zeitablauf an Gewicht.185 Bei einer Unterbringung nach $ 63 sind auch frühere stationäre Anstaltsaufenthalte in die Prognose einzubeziehen.186
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Weiter ist von Bedeutung, welche Entwicklung der Verurteilte im Strafvollzug und im bisherigen Maßregelvollzug genommen hat. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, festzustellen, ob bei dem Verurteilten therapeutische Erfolge erzielt wurden und wie sich diese auf die Gefährlichkeit auswirken.187 Ebenso ist von Gewicht, wie sich der Verurteilte im Rahmen von Vollzugslockerungen bewährt hat. Problematisch wäre es, dem Verurteilten einerseits Vollzugslockerungen im Hinblick auf seine (abstrakte) Gefährlichkeit zu versagen und andererseits die mangelnde positive Prognose darauf zu stützen, dass der Verurteilte sich bisher nicht während Lockerungsmaßnahmen bewähren konnte. 188 Hingegen ist die Verweigerung von Lockerungen aus berechtigten Gründen unschädlich. Dem Verhalten im Vollzug der Strafe und der Maßregel kommt Bedeutung zu, indes ist äußerlich angepasstes Vollzugsverhalten nicht automatisch mit einer günstigen Prognose gleichzusetzen.189 Im Einzelfall kann auch straffreies Verhalten nach einer
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187
188
BGH NStZ-RR 2007 339; OLG Düsseldorf Beschl. v. 21.8.2006 - III-l Ws 293/06; KG Berlin Beschl. v. 4.1.2001 1 AR 1529/00 5 Ws 825/00; OLG Koblenz NJW 1999 876, 878 f; LG Marburg R&P 2000 203, 205; Fischer Rdn. 11. Vgl. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 18. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 19. KG Berlin Beschl. v. 4.5.2001 - 1 AR 457/01 - 5 Ws 207/01. KG vom 7.5.2001 - 1 AR 43/01 - 5 Ws 23/01; Veh MK Rdn. 23; vgl. auch Boetticher NStZ 2005 417, 420. Vgl. BVerfGE 109 133, 165; BVerfG NJW 1998 1133; BVerfG NJW 1998 2202, 2203; KG Berlin Beschl. v. 29.11.2001 - 1 AR
742
189
1196/01 - 5 Ws 646/01; OLG Frankfurt NStZ-RR 2001 311, 312; OLG Karlsruhe NStZ 2005 56; OLG Koblenz NStZ-RR 1998 9, 10; Lackner/Kühl Rdn. 4; Veh MK Rdn. 23; Vgl. auch: OLG Hamm StV 1988 115, 116 m. Anm. Pollähne; Boetticher NStZ 2005 417, 420 f; Frisch ZStW 102 (1990) 707, 776; Nedopil NStZ 2002 344, 349; Streng Strafrechtliche Sanktionen2 S. 659; aA offenbar: OLG Köln Beschl. v. 15.12.2004 - 2 Ws 521/04 (= NStZ-RR 2005 191 - nur LS). OLG Köln NJW 1955 682; vgl. zum Ganzen auch: Lackner/Kühl Rdn. 4; Fischer Rdn. 11; GMies ZfStrVO 2004 135, 137; Stolpmann NStZ 1997 316 ff.
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Dauer der Unterbringung
S 67d
Flucht einen günstigen Prognosefaktor darstellen. 190 Dass Straftaten nach einer Abschiebung nur im Ausland erwartet werden, begründet noch keine günstige Prognose. 191 Zum einen ist eine - ggf. illegale - Rückkehr nach Deutschland möglicherweise nahe liegend, zum anderen sind nicht nur Inlandstaten vom deutschen Strafrecht erfasst (vgl. §§ 5 ff). Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass Kriminalprognose und Behandlungsprognose nicht gleichzusetzen sind. Eine erfolgreiche Behandlung des Zustande oder des Hangs ist für eine hinreichend positive Kriminalprognose keine zwingende Voraussetzung. 192 Auch ein nicht therapierbarerer Täter kann durchaus an Gefährlichkeit verlieren (z.B. aufgrund höheren Alters oder Veränderung seines Gesundheitszustandes). Auch das Leugnen der Tat begründet nicht (automatisch) eine ungünstige Legalprognose (z.B. wenn der Täter die Tat aus Scham leugnet), kann allerdings ein Indiz für eine ungünstige Prognose sein. 193 Aus dem Nemo-tenetur-Grundsatz folgt, dass der Verurteilte nicht dafür sanktioniert werden kann, wenn er eine Tat nicht einräumt (denn auch nach rechtskräftiger Verurteilung würde er sich damit jedenfalls einer erfolgreichen Wiederaufnahmechance begeben). Die fehlende Aufarbeitung der festgestellten Tat kann andererseits aber die Prognose negativ beeinflussen. 194 Therapieverweigerung wird in der Regel einen negativen Einfluss auf die Prognose haben. Im Einzelfall mag es aber auch beachtenswerte Gründe des Verurteilten dafür geben, so dass sich seine Verweigerung nicht negativ auf die Prognose auswirkt. 195
100
Eine rein statistische Betrachtung (in der Form, dass die Rückfallgefahr bei Vorliegen bestimmter festgestellter Umstände ein bestimmtes M a ß erreicht oder nicht erreicht) ist nicht ausreichend. Vielmehr muss die Rückfallgefahr individuell auf den konkreten Verurteilten bezogen werden. 196
101
Vgl. umfassend zu prognoserelevanten Faktoren (auch bezogen auf einzelne Maßregeln) bei Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 34 ff; Zur Rolle des Sachverständigen im Rahmen der Prognoseerstellung vgl. unten Rdn. 128 ff.
102
(4) Prognose des Vollstreckungsgerichts: Das Vollstreckungsgericht ist in seiner Prognosestellung grundsätzlich frei und nicht an die Prognose des erkennenden Gerichts gebunden. 197 Es kann also grundsätzlich Umstände, die bereits das erkennende Gericht in seine Prognose hat einfließen lassen, anders bewerten. § 67d Abs. 2 erfordert eine eigenständige Prognose, welche nicht möglich wäre, wenn man im Lichte weiterer Erkenntnisse nicht auch bereits früher bekannte Umstände neu bewerten könnte.
103
Fraglich ist aber, ob die Freiheit des Vollstreckungsgerichts von der Entscheidung des erkennenden Gerichts bei seiner Prognosestellung unbegrenzt ist. Kann das Vollstreckungsgericht beispielsweise bereits kurz nach der Verurteilung, wenn noch keine
104
190
191 192
193
Vgl. OLG Hamm StV 1988 115 m. Anm. Pollähne; Lackner/Kübl Rdn. 4. OLG Celle NStZ 1989 589. Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 43 ff; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 21. BVerfG NJW 1998 2 2 0 2 , 2 2 0 4 ; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 3 4 6 , 3 4 7 ; OLG Hamm StV 1988 348, 349; OLG Koblenz NStZ-RR 1998 9, 10; OLG Saarbrücken NJW 1 9 9 9 438, 4 3 9 ; Veh MK Rdn. 23; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 21; Bock/ Schneider NStZ 2 0 0 3 337, 340.
194
195
196
197
KG Beschl. v. 10.11.1999 - 1 AR 1215/99 5 Ws 6 1 2 / 9 9 ; OLG Frankfurt NStZ-RR 1 9 9 9 3 4 6 , 3 4 7 ; Veh MK Rdn. 23. BGHSt 5 0 1 2 1 , 1 2 5 f; Laubenthal ZStW 116 (2004) S. 705, 740; ähnlich auch: Pollähne/ Böllinger NK Rdn. 21. BGHSt 5 0 121, 125 f; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 18; vgl. auch Wolf Gefährliche Straftäter S. 73, 81 f. Vgl. Horstkotte LK 1 0 S 67d Rdn. 78; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 24.
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§67d
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
neuen prognoserelevanten Umstände bekannt geworden sind, die Gefährlichkeitsprognose aufgrund der gleichen Faktoren, die auch das erkennende Gericht bewertet hat, nunmehr verneinen? Kann es, wenn es feststellt, dass während der Strafhaft bzw. der bisherigen Unterbringung keine Umstände eingetreten sind, die zur Minderung der Gefährlichkeit beigetragen haben könnten, die Gefährlichkeit nunmehr - anders als das erkennende Gericht - verneinen? Die Rechtskraft der Anordnungsentscheidung könnte so unterlaufen werden. Das an sich für etwaige rechtsfehlerhafte Entscheidungen vorgesehene Rechtsmittelverfahren würde umgangen. Die Entscheidung des erkennenden Gerichts würde durch eine Entscheidung im Freibeweisverfahren, welchem gemeinhin eine geringere Richtigkeitsgewähr zuerkannt wird 1 9 8 , im Ergebnis aufgehoben, ohne dass sich an den zugrundeliegenden Tatsachen etwas geändert hat. In solchen Fällen erscheint eine Abweichung von der Prognose des erkennenden Gerichts nicht begründbar. Zu fordern ist deshalb, dass sich das Vollstreckungsgericht mit der Prognose des erkennenden Gerichts in den gründen seiner Entscheidung auseinandersetzt, so dass überprüft werden kann, ob die anderweitige Bewertung allein auf identischen Faktoren beruht oder aber ob ein Fall berechtigter Neubewertung vorliegt. Der Sache nach bietet es sich daher an, dass das Vollstreckungsgericht von der Prognose des erkennenden Gerichts ausgeht und darstellt, welche Umstände sich verändert haben (oder aber neu bekannt geworden sind) und warum sie Anlass zu der veränderten Gefährlichkeitsbewertung geben (oder auch nicht). Es ist Sache des Vollstreckungsgerichtes ist, zu klären, ob sich seit der Verurteilung (und der seinzeitigen negativen Prognose) so viel geändert hat, dass nunmehr eine günstige Prognose gestellt werden kann. Ist das nicht der Fall, bleibt folgerichtig alles beim Alten. 1 9 9 Das darf nicht zu einem „Mechanismus der Stigmatisierung" durch „Schluss von vergangenem Schlechten auf zukünftiges Schlechtes" führen. 2 0 0 Denn dort wo zwischenzeitlich weitere prognoserelevante Umstände eingetreten oder bekannt geworden sind, müssen diese selbstverständlich berücksichtigt werden. Wenn allerdings solche nicht vorhanden sind, dann bleibt - da dann eine Besserung nicht ersichtlich ist nichts anderes übrig, als mit dem Tatgericht von den früheren Taten auf die Gefahr zukünftiger Taten zu schließen. 105
Hinsichtlich des Zweifelssatz gilt auch hier, dass dieser für die Prognose selbst keine Rolle spielen kann. Entweder das Gericht hält die Bewährung für wahrscheinlicher als die Nichtbewährung (dann Aussetzung) oder nicht (dann keine Aussetzung). Der Zweifelssatz gilt also auch hier nur im Hinblick auf die Feststellung von Tatsachen. Er wirkt sich nur insoweit aus, als eine der Prognose zugrunde zu legende nachteilige Tatsache, die nicht sicher erwiesen ist, nicht berücksichtigt werden kann. Hingegen führt er nicht dazu, dass eine nicht sicher erwiesene vorteilhafte Tatsache als wahr zu unterstellen ist. 2 0 1 Das würde die Vorschrift praktisch aushebeln.
106
Stützt sich eine Negativprognose auf begangene neue Straftaten, so ist zweifelhaft, ob diese (rechtskräftig) durch das Tatgericht bereits festgestellt sein müssen. Es ist zweifelhaft, ob sich die EGMR-Rechtsprechung zum Bewährungswiderruf aufgrund nicht rechtskräftig festgestellter Straftaten ohne weiteres auf § 67d Abs. 2 übertragen lässt. 2 0 2 Nach dem E G M R ist es im Hinblick auf die Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 E M R K nicht zulässig, einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung auf die Begehung neuer Straftaten zu stützen, wenn diese nicht zuvor abgeurteilt wurden oder
198 199 200
BVerfGE 86 288, 318; Bechtholdt S. 256. Koller BewHi 2005 237, 242. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 19; vgl. auch Horstkotte LK10 § 67d Rdn. 34.
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201
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Koller BewHi 2005 237, 242; vgl. auch Wolf Gefährliche Straftäter S. 73, 79 f. AA Pollähne JR 2006 316, 321 m.w.N.
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Dauer der Unterbringung
§67d
wenigstens ein glaubhaftes Geständnis vorliegt: „Die Unschuldsvermutung wird verletzt, wenn ein Gericht in einer Entscheidung oder ein Vertreter des Staates in einer Erklärung die Auffassung erkennen lassen, eine wegen einer Straftat angeklagte Person sei schuldig, ohne dass sie entsprechend den gesetzlichen Vorschriften verurteilt worden ist". 2 0 3 Bei § 67d Abs. 2 ist aber die Rechtsfolge der Nichtaussetzung jedenfalls bei den Maßregeln nach §§ 63 und 64 unabhängig von einem schuldhaften Handeln des Verurteilten. Genauso wie die Verhängung der Maßregel nach §§ 63, 64 kein schuldhaftes Verhalten voraussetzen, kann dies für die Ablehnung einer Maßregelaussetzung zur Bewährung keine Voraussetzung sein. Möglicherweise wird man aber vor dem Hintergrund der EGMR-Rechtsprechung verlangen müssen, dass wenn die Täterschaft des bei der neuen Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit handelnden Verurteilten zweifelhaft ist, zumindest ein freisprechendes Urteil herbeigeführt wird, in dem die Täterschaft als solche festgestellt und dargelegt wird, dass der Freispruch allein auf der fehlenden Schuldfähigkeit beruht. Hingegen dürfte die Rechtsprechung des EGMR grundsätzlich übertragbar sein, wenn es um die Aussetzungsentscheidung bei einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung geht. 4. Rechtsfolge. Absatz 2 ist eine zwingende Vorschrift. Allerdings gehen etwa mögliehe Erledigungsentscheidungen nach Absatz 3, 5 oder 6 vor. Bei der Sicherungsverwahrung kann indes, auch wenn festgestellt würde, dass der „Hang" nicht mehr vorliegt, eine Erledigungserklärung nicht vorgenommen werden. Hier bleibt nach wie vor nur die Maßregelaussetzung zur Bewährung. Während der Gesetzgeber nämlich in Umsetzung der bisherigen Rechtsprechung eine entsprechende Erledigungsmöglichkeit für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus geschaffen hat, fehlt sie für die Sicherungsverwahrung. § 67d Abs. 6 ist daher mangels planwidriger Regelungslücke nicht analogiefähig. Dennoch wird in manchen (bisher nicht erfolgreichen)204 Reformbestrebungen eine Klarstellung dahingehend angestrebt, dass auch dann, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der die Unterbringung rechtfertigende Zustand nicht mehr besteht, eine Bewährungsaussetzung erfolgt (BTDrucks. 16/1344 S. 7, 15).
107
Bereits zum früheren Recht wurde vertreten, dass die damalige Gesetzesfassung („sobald") das Gericht nicht hindere, bei der Entscheidung nach § 67d Abs. 2 einen Entlassungstag festzulegen, der auf den Tag der Entscheidung in angemessenem Abstand folgt, um eine Entlassung zur Unzeit zu verhindern und es dem Verurteilten bzw. der Anstalt zu ermöglichen, hinreichend Entlassungsvorbereitungen treffen zu können. Das rechtfertigte sich daraus, dass möglicherweise erst durch solche Maßnahmen überhaupt die hinreichend positive Prognose gestellt werden konnte (vgl. Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 25 m.w.N.). 205 Das muss für die heutige Gesetzesfassung, die keine zeitliche Vorgabe („sobald") mehr enthält, erst Recht gelten. Eine solche Bestimmung darf aber nicht willkürlich und ohne Bezug auf den Zweck der Erprobung getroffen werden. Der Entlassungszeitpunkt darf daher nicht hinausgeschoben werden, wenn zur Zeit der Entscheidung ausnahmsweise feststeht, dass die Erprobung in Freiheit ohne eine weitere Entlassungsvorbereitung verantwortet werden kann.
108
Allerdings darf ein Hinausschieben des Entlassungszeitpunkts aber auch nicht zur Verwässerung des Prognosemaßstabes führen. Das Gericht muss - unter Berücksichtigung der für erforderlich erachteten Entlassungsvorbereitungsmaßnahmen - „erwarten", dass sich der Verurteilte außerhalb des Maßregelvollzugs im o.g. Sinne straffrei führen
109
203 204
Vgl. dazu nur: EGMR NJW 2 0 0 4 4 3 ff. Vgl. BTPlenarprot. v. 2 7 . 4 . 2 0 0 7 S. 9745.
205
Horn SK Rdn. 20.
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§67d
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
wird. Deshalb wird man, wenn man zum Entscheidungszeitpunkt eine solche Erwartung noch nicht hat, diese Erwartung eher selten im Hinblick auf noch durchzuführenden therapeutischen Maßnahmen (deren Erfolg ungewiss ist) oder der noch ungewissen Aufnahme in therapeutische Einrichtungen nach der Entlassung hegen können. 2 0 6 Allenfalls noch durchzuführende Maßnahmen, wie z.B. Wohnungs- oder Arbeitssuche, deren Erfolg oder Nichterfolg nicht unmittelbar auf das Legalverhalten durchschlägt, dürften hier relevant sein. Ansonsten muss die Aussetzung mangels günstiger Prognose zum Entscheidungszeitpunkt abgelehnt werden. Der Verurteilte erleidet hierdurch letztendlich auch keinen irreparablen Nachteil. Hat er Maßnahmen, die nach Ansicht des Gerichts für eine günstige Prognose noch erforderlich sind, schließlich durchgeführt, so kann das Gericht jederzeit erneut über die Aussetzung entscheiden (vgl. § 67e Rdn. 12). 110
Nach § 67d Abs. 2 S. 2 tritt mit der Aussetzung Führungsaufsicht kraft Gesetzes ein. Gemeint ist die Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses bzw. der vom Gericht angeordnete spätere Zeitpunkt (vgl. § 68c Abs. 4). Sie tritt unabhängig davon ein, ob der Verurteilte noch Strafhaft zu verbüßen hat. 2 0 7 Führungsaufsicht nach § 67d Abs. 2 Satz 2 tritt auch ein, wenn bei der Anordnung der freiheitsentziehenden Maßregel Jugendstrafrecht angewandt worden war. 2 0 8 Zur notwendigen forensischen Nachsorge vgl. Seifert/Schiffer/u.a. NStZ 2 0 0 5 125 ff. 5. Maßregelaussetzung und Strafaussetzung (§ 57)
111
a) Ist eine zugleich mit der Maßregel verhängte Strafe noch nicht verbüßt und nicht durch Anrechnung (§ 67 Abs. 4) vollständig erledigt, so ist die mit § 67d Abs. 2 bezweckte Erprobung in Freiheit in Frage gestellt, wenn im Anschluss an die Maßregelaussetzung die Freiheitsstrafe vollstreckt wird. Dies kann wegen der in § 67 Abs. 1 angeordneten Vollstreckungsreihenfolge bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und in einem psychiatrischen Krankenhaus, nicht aber bei der Sicherungsverwahrung der Fall sein. Es ist wünschenswert, dass mit der Maßregel auch der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt wird. 2 0 9 Deswegen gestattet § 67 Abs. 5 S. 1 auch bereits die Strafaussetzung zur Bewährung wenn die Hälfte der Strafe (aufgrund der Anrechnung) nach § 67 Abs. 4 erledigt ist. Die Entscheidung über die Maßregelaussetzung und die Strafaussetzung kann aus verschiedenen Gründen unterschiedlich ausfallen. So kann es sein, dass trotz Anrechnung des Maßregelvollzugs der Halbstrafenzeitpunkt gem. § 67 Abs. 5 S. 1 noch nicht erreicht ist, der Verurteilte zwar nicht mehr im Sinne von § 67d Abs. 2, wohl aber noch im Sinne von § 57 Abs. 1 Nr. 2 gefährlich ist 2 1 0 (z.B. weil zwar noch Straftaten vom dem Verurteilten zu erwarten sind, aber nicht solche, die im Sinne der jeweiligen Maßregeln als erheblich anzusehen wären) oder aber weil der der Verurteilte nicht gem. § 57 Abs. 1 Nr. 3 eingewilligt hat.
112
Demgemäß wird weithin die Ansicht vertreten, über die Aussetzung der Maßregel müsse immer oder doch wenigstens grundsätzlich einheitlich entschieden werden. 211 Dabei wird teilweise „einheitlich" auf den Entscheidungsakt 212 , teilweise auf das Ergeb-
206
207
208 209 210
Vgl. bereits zum alten Recht: OLG Hamm NJW 1980 1909. KG Berlin NStZ-RR 2 0 0 2 138; Fischer Rdn. 20. Vgl. Eisenberg JGG 1 1 § 7 Rdn. 33. Polläbne/Böllinger NK Rdn. 31. Veh MK Rdn. 46.
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211
212
OLG Frankfurt NJW 1980 2535, 2536; OLG Karlsruhe ZfStrVO 1999 184, 186; OLG Karlsruhe Die Justiz 1981 365; OLG Karlsruhe Die Justiz 1980 359; OLG Karlsruhe Die Justiz 1977 4 6 4 ; Polläbne/Böllinger NK Rdn. 31. So wohl OLG Karlsruhe Die Justiz 1977 464.
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Dauer der Unterbringung
§ 67d
nis der Entscheidung bezogen. 213 Das Ergebnis der Entscheidung muss aber keineswegs das zeigt sich schon an den oben dargelegten unterschiedlichen Voraussetzungen - gleich sein. Was grundsätzlich gleich sein wird, ist die Prognose. Ist sie schlecht, scheiden sowohl Maßregel- als auch Strafaussetzung aus. 2 1 4 Weil die Prognose gleich zu treffen ist, bietet sich dementsprechend auch die Entscheidung im Rahmen eines einheitlichen Entscheidungsaktes an, um divergierende Entscheidungen zu vermeiden. b) Kommt man zu einer Aussetzungsfähigkeit der Maßregel, nicht aber der Freiheitsstrafe, so sind verschiedene Lösungen denkbar:
113
aa) Die Restfreiheitsstrafe wird vollzogen (wenn § 6 7 Abs. 5 nicht einschlägig ist).
114
bb) Sofern die Voraussetzungen des § 6 7 Abs. 5 S. 2 vorliegen: Der Vollzug der Maßregel wird fortgesetzt oder aber es wird der Vollzug der Strafe angeordnet. 2 1 5 Dass wenn die Voraussetzungen der Strafaussetzung nicht vorliegen - der Vollzug der Maßregel gleichsam Kraft Gesetzes fortgesetzt wird, obwohl die Maßregelvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, mutet merkwürdig an. Dies erscheint vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch nicht unbedenklich, weil der Maßregelvollzug an sich nicht mehr erforderlich ist. Soweit dies bisher problematisiert wurde, ist diese Konstellation allerdings für möglich gehalten worden. 2 1 6 Vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wird man möglicherweise die Aussetzungsfähigkeit der Maßregel als Umstand in der Person des Verurteilten ansehen können, der die Anordnung des Vollzugs der Strafe angezeigt erscheinen lässt. 2 1 7 Die Entlassung hängt dann letztendlich nur noch davon ab, dass auch die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Einer erneuten Prüfung nach § 67d Abs. 2 bedarf es nicht. 2 1 8
115
Keine Lösung dürfte es sein, auf die Aussetzung der Maßregel so lange zu verzichten, bis die Voraussetzungen für eine Strafrestaussetzung ebenfalls vorliegen, denn § 67d Abs. 2 ist zwingendes Recht (vgl. oben Rdn. 107). 2 1 9
116
c) Eine gemeinsame Entscheidung ist auch dann anzustreben, wenn im Zeitpunkt der Aussetzungsreife einer Maßregel (§ 67d Abs. 2) noch Strafen aus anderen Urteilen vorhanden, d.h. nicht durch Verbüßung oder auf andere Weise erledigt sind (zur entsprechenden Problematik bei § 67c vgl. dort Rdn. 3 0 ff). Die gemeinsame Entscheidung wird durch die Zuständigkeitsregelung nach § 4 6 3 Abs. 1, 3 i.V. mit § 4 6 2 a Abs. 4 StPO erleichtert, die zu einer Konzentration der Zuständigkeit für die Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 und nach § 57 führt (vgl. BGHSt. 2 6 118, 119 (). Ein Zwang zu gemeinsamer Entscheidung ergibt sich hier zwar nicht unmittelbar aus S 67 Abs. 5 Satz 2 , da diese Vorschrift das Verhältnis der Maßregel zu der gleichzeitig mit ihr verhängten Strafe regelt. Ist aber die mit einem anderen Urteil verhängte Freiheitsstrafe zu zwei Dritteln verbüßt oder erledigt, so sprechen die vorstehend bezeichneten Gründe (Rdn. 111 f) gleichfalls für einen einheitlichen Inhalt der beiden Aussetzungsentscheidungen; auch
117
213
214
OLG Frankfurt N J W 1980 2 5 3 5 , 2 5 3 6 ; OLG Karlsruhe Die Justiz 1981 365. Horn SK Rdn. 15; die Entscheidung OLG Frankfurt N J W 1980 2 5 3 5 ff betrifft einen Fall in dem die StVK bereits die Prognosen bzgl. Maßregel- und Strafaussetzung unterschiedlich abgegeben hatte.
215 216
217 218 219
Veh MK Rdn. 4 6 . Horn SK Rdn. 15 und § 6 7 Rdn. 6, 9; Horstkotte LK 1 0 § 67d Rdn. 82. Vgl. auch: Horn SK Rdn. 15. Horstkotte LK 1 0 S 67d Rdn. 82. Vgl. Maier MK § 6 7 Rdn. 42.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
hier gilt, dass ein Erfolg der Maßregelvollstreckung nicht durch anschließenden Strafvollzug zunichte gemacht werden darf und dass die Gründe, die die Maßregelaussetzung rechtfertigen, regelmäßig auch die Aussetzung eines Strafrestes verantwortbar machen. Ist in der anderen Vollstreckungssache die Hälfte der Freiheitsstrafe verbüßt oder erledigt, so kommt eine Aussetzung nach § 57 Abs. 2 in Betracht; der Erfolg des Maßregelvollzuges kann dann als ein besonderer Umstand in der Person des Verurteilten aufgefasst werden, der auch auf die Beurteilung seiner Tat zurückwirkt. Entschließt man sich nicht, bei der Herkunft von Strafe und Maßregel aus verschiedenen Urteilen § 67 Abs. 5 entsprechend anzuwenden (diese Frage ist bisher, wohl auch wegen der mit § 67 Abs. 4 verbundenen Probleme, nicht in Betracht gezogen worden und kann hier nicht weiter vertieft werden), 220 so wird man eine Gnadenentscheidung zu erreichen suchen, wenn die Maßregel aussetzungsreif ist und ein nicht nach § 57 aussetzungsfähiger Strafrest die Ergebnisse des Maßregelvollzuges zu gefährden droht. 118
6. Sonderfälle der Maßregelaussetzung. § 67d Abs. 2 setzt dem Wortlaut nach voraus, dass sich der Verurteilte im Vollzug der Maßregel befindet, deren „weitere" Vollstreckung ausgesetzt werden soll. Befindet er sich im Vollzug einer zugleich mit der Maßregel angeordneten Freiheitsstrafe, so gilt § 67c Abs. 1. Es gibt einen Grenzbereich, wo zweifelhaft sein kann, ob § 67d Abs. 2 oder § 67c Abs. 1 anzuwenden ist (vgl. auch § 67c Rdn. 3, 105 ff). Es handelt sich vor allem um die folgenden Fälle:
119
a) Sind in einem Verfahren verschiedenartige freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet worden, so gilt das zu § 67c Rdn. 18 ff Gesagte entsprechend für die Entscheidung nach § 67d Abs. 2.
120
b) Wird vor der angeordneten Sicherungsverwahrung eine in einem anderen Verfahren verhängte Strafe vollstreckt, so richtet sich die Aussetzung der Maßregel nach § 67c (dort Rdn. 30 ff).
121
c) Sind in mehreren Verfahren freiheitsentziehende Maßregeln der gleichen Art angeordnet worden und wird eine von ihnen vollstreckt, so ist über die Aussetzung in einheitlichem Sinne zu entscheiden, denn auch wenn - anders als beim Vollzug mehrerer Freiheitsstrafen - keine Unterbrechung der Vollstreckung der einen Unterbringung zum Vollzug der anderen gem. § 454b Abs. 2 StPO erfolgt, ist einheitlich zu entscheiden, da die Entscheidungsfragen in beiden Verfahren gleich ist und ansonsten die Aussetzung der einen Maßregel auch gar nicht den erwünschten Erfolg hätte, da sie nur zur Vollstreckung der anderen führen würde. 2 2 1
122
d) Sind in mehreren Verfahren verschiedenartige freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet worden, so setzt die Strafvollstreckungskammer mit einheitlicher Entscheidung sowohl die vollstreckte Maßregel als auch die anderen Maßregeln aus, soweit dafür die Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. § 67c Rdn. 30 ff).
220
An einer Gesetzesvorlage, die eine Anwendung des § 67 Abs. 1 bis 5 auf Maßregeln und Freiheitsstrafen aus verschiedenen Urteilen vorsieht, ist 1982/83 im Bundesministerium der Justiz gearbeitet worden.
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K G Berlin Beschl. v. 14.6.1999 - 1 A R 665/99 - 5 Ws 365/99; O L G Karlsruhe Die Justiz 1980 359, vgl. § 67c Rdn. 33 f.
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Dauer der Unterbringung
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e) Ist die Aussetzung einer freiheitsentziehenden Maßregel widerrufen worden und sind danach Umstände eingetreten, die eine neue Aussetzung verantwortbar machen, so ist nach OLG Hamm JMBINW 1978 90 § 67d Abs. 2 anzuwenden, wenn sich der Verurteilte zur Zeit der Entscheidung in anderer Sache im Strafvollzug befindet. Befindet sich der Täter in diesem Fall auf freiem Fuß, so kommt als anwendbare Vorschrift nur § 67d Abs. 2 in Betracht, die dann entgegen ihrem Wortlaut auf einen Fall anzuwenden ist, in dem zur Zeit der Entscheidung kein Freiheitsentzug stattfindet. 222 Es wäre überflüssig, für die Wiedereingliederung sogar schädlich, wollte man den Verurteilten nur zu dem Zwecke in den Maßregelvollzug aufnehmen, um die Grundlage für eine Aussetzungsentscheidung nach § 67d Abs. 2 zu schaffen (aA wohl OLG Karlsruhe Die Justiz 1977 464).
123
f) In den vorgenannten Fällen erleichtert die Zuständigkeitskonzentration nach § 463 Abs. 1, 3, § 462a Abs. 4 die Koordination der Entscheidungen (vgl. BGHSt. 26 118, 119 Í).
124
Vili. Verfahrensrecht (vgl. auch § 67e) Entschieden wird jeweils durch Beschluss. Dieser wird regelmäßig auch gleichzeitig die mit der Führungsaufsicht zusammenhängenden Entscheidungen enthalten. Der Verurteilte ist im Falle des Eintritts der Führungsaufsicht nach §§ 453a, 463 StPO zu belehren. Wie auch bei der Maßregelanordnung ist bei den Nachtragsentscheidungen die Prognosestellung die Aufgabe des Richters und nicht des Sachverständigen.223 Welche Qualifikation der Sachverständige besitzen muss, ist str. Teilweise wird ein psychologischer Sachverständiger für ausreichend gehalten,224 teils wird grundsätzlich ein Facharzt für Psychiatrie gefordert.225 Vgl. umfassend: Leygraf Prognosegutachten aus der Sicht des Rechtsmittelgerichts S. 277 ff und Pfäfßin Mängel in Prognosegutachten S. 259 ff.
125
Eine Anordnung nach § 81 StPO (Beobachtung im psychiatrischen Krankenhaus) ist im Rahmen der Vollstreckung einer rechtskräftig angeordneten freiheitsentziehenden Maßregel nicht zulässig.226 Maßnahmen nach § 81a StPO werden z.T. für zulässig gehalten zur Vorbereitung eines Prognosegutachtens.227 Das ist zweifelhaft und, da § 81a StPO keine Eingriffe im Interesse des Betroffenen legitimiert, nur zu rechtfertigen, wenn man als Gegenstand des Prüfungsverfahrens (§ 67e) neben der Aussetzung der Maßregel auch die Fortsetzung ihres Vollzuges ansieht.
126
Im Übrigen gilt: 1. Höchstfrist gem. § 67d Abs. 1, 4. Hinsichtlich der Entlassung nach Ablauf der Höchstfrist ist keine gerichtliche Entscheidung vorgesehen. Das Gericht kann aber ggf. bei Fragen der Berechnung der Höchstunterbringungsdauer gem. §§ 458, 462a StPO befasst werden.
222
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224
Ebenso OLG Hamm JMBINW 1976 93; OLG Hamm JMBINW 1978 90. BVerfGE 109 133, 164; BVerfG NJW 2 0 0 6 211. So BVerfG StV 2 0 0 6 4 2 6 und OLG Hamm StV 2 0 0 6 4 2 4 (jeweils zu § 67d Abs. 2), beide mit Anm. Tondorf.
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OLG Karlsruhe StV 2 0 0 6 4 2 7 (zu § 67d Abs. 3). OLG Hamm N J W 1974 914; Krause L R 2 5 § 81 Rdn. 2. Vgl. Krause L R 2 5 § 81a Rdn. 6.
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2. Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 67d Abs. 5. Zuständig ist die StVK gem. §§ 4 6 3 Abs. 1, 462a Abs. 1 StPO und zwar der Einzelrichter (§ 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG). Ist der Untergebrachte, auch als Heranwachsender, nach Jugendstrafrecht abgeurteilt worden, so tritt an die Stelle der Strafvollstreckungskammer der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter (§ 82 J G G ) . 2 2 8 Das Verfahren und die Anfechtbarkeit der Entscheidung richten sich nach §§ 4 6 3 Abs. 5, 4 6 2 StPO. Anders als bei der Frage, ob die Maßregel zur Bewährung auszusetzen ist (vgl. unten Rdn. 132), ist hier die Einholung eines Gutachtens nicht Pflicht. Hinsichtlich einer etwaigen Pflichtverteidigerbestellung gelten die allgemeinen Grundsätze. 229
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3. Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6. Zuständig ist die StVK gem. §§ 4 6 3 Abs. 1, 4 6 2 a Abs. 1 StPO als sog. „große StVK" (§ 7 8 b Abs. 1 Nr. 1 GVG). Zu Aburteilungen nach Jugendstrafrecht vgl. oben. Das Verfahren und die Anfechtbarkeit der Entscheidung richten sich nach §§ 4 6 3 Abs. 5, 4 6 2 StPO. Bedenklicherweise ist hier anders als bei der Sicherungsverwahrung (§ 4 6 3 Abs. 3 StPO) nicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens generell vorgeschrieben. Der Verweis in § 4 6 3 Abs. 4 auf § 454 Abs. 2 bezieht sich ausweislich der Materialien - BTDrucks. 16/1110 S. 19 - nur auf das Verfahren im Rahmen der Regelbegutachtung. Die Einholung eines Gutachtens wird aber regelmäßig, insbesondere bei bereits länger andauernder Unterbringung durch das Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren geboten sein. 2 3 0 I.d.R. wird man ohne ein solches nicht auskommen. Nach ξ 4 6 3 Abs. 4 StPO i.d.F. des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 soll das Gericht nach jeweils fünf Jahren vollzogener Unterbringung nach § 63 ein (externes) Sachverständigengutachten einholen (Regelbegutachtung). Hinsichtlich der Pflichtverteidigerbestellung gelten auch hier die allgemeinen Grundsätze, wobei die Sach- und Rechtslage regelmäßig als kompliziert anzusehen sein wird. 2 3 1 Die Erledigungserklärung nach Absatz 6 kann erst erfolgen, wenn sich der Verurteilte im Vollzug dieser Maßregel befindet („nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus"). Wird gegen den Verurteilten zunächst eine gleichzeitig angeordnete Maßregel nach § 64 aufgrund einer Überweisung nach § 67a in einem psychiatrischen Krankenhaus vollstreckt, so ist eine Erledigungserklärung noch nicht möglich (denn die gerade vollstreckte Maßregel ist eine solche nach § 64, vgl. hierzu § 67a Rdn. I ) . 2 3 2
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4. Erledigung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 3. Zuständig ist die StVK gem. §§ 463 Abs. 1, 462a Abs. 1 StPO als sog. „große StVK" (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG). Das Verfahren und die Anfechtbarkeit der Entscheidung richten sich nach §§ 4 6 3 Abs. 3, 454 Abs. 1, 3, 4 StPO. Gem. §§ 4 6 3 Abs. 3, 454 Abs. 2 StPO ist unabhängig von den in Frage stehenden Straftaten ein Gutachten einzuholen, namentlich zu der Frage, ob von dem Verurteilten infolge seines Hanges weitere erheb-
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Horn SK Rdn. 2 4 ; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 62; Fischer Rdn. 26. Vgl. dazu Meyer-Goßner StPO 4 8 § 140 Rdn. 33; vgl. auch: BVerfG Beschl. v. 1 3 . 1 1 . 2 0 0 5 - 2 BvR 792/05. BVerfG N J W 1995 3048, 3 0 4 9 ; vgl. auch Teyssen FS Tröndle S. 407, 416; zu den
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Anforderungen an das Gutachten vgl. Kröber NStZ 1 9 9 9 170 ff. BVerfG Beschl. v. 13.11.2005 - 2 BvR 792/05. Sehr instruktiv: LG Marburg NStZ-RR 2 0 0 7 28, 29.
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Dauer der Unterbringung
§67d
liehe Straftaten zu erwarten sind. Nach h . M . soll der Gutachter ein Psychiater sein. 2 3 3 Verfassungsrechtlich geboten ist das allerdings nicht, so dass auch die Beauftragung eines nichtärztlichen Psychologen in Betracht k o m m t . 2 3 4 Der Gefahr „repetitiver Routinebeurteilungen" sollte durch externe Gutachter begegnet werden. 2 3 5 Insbesondere bei sehr lang andauernden Unterbringungen muss es sich um einen sehr erfahrenen Sachverständigen handeln. 2 3 6 Verweigert der Verurteilte die Exploration durch einen Sachverständigen, ist die StVK nicht verpflichtet einen anderen Sachverständigen zu bestellen, wohl aber sind dem Sachverständigen auf andere Art die notwendigen Erkenntnisquellen zu verschaffen (z.B. Vorgutachten). Der Entwicklung im Vollzug und insbesondere während etwaiger Lockerungen kommt wesentliche Bedeutung z u . 2 3 7 In Fällen, in denen die Maßregelanordnung keinen Hang voraussetzt (s.o. Rdn. 71), geht die Formulierung „infolge seines Hanges" ins Leere. Nach § 4 6 3 Abs. 3 S. 5 StPO ist dem Verurteilten ein Verteidiger zu bestellen. Jenseits der Zehnjahresgrenze findet eine regelmäßige Überprüfung entsprechend § 67e Abs. 2 , jetzt aber mit dem möglichen Ziel der Erledigungserklärung statt (vgl. oben Rdn. 6 0 f f ) . 2 3 8
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5. Maßregelaussetzung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 . Zuständig ist bei Sieherungsverwahrung und Unterbringung nach § 63 die StVK gem. §§ 4 6 3 Abs. 1, 4 6 2 a Abs. 1 StPO als sog. „große S t V K " (§ 7 8 b Abs. 1 Nr. 1 GVG), ansonsten der Einzelrichter der StVK (§ 78b Abs. 1 Nr. 2 G V G ) . Zur Zuständigkeitskonzentration beim Zusammentreffen von Maßregel- und Strafaussetzung s. § 4 6 3 Abs. 1, 5 i.V.m. § 4 6 2 a Abs. 4 StPO und BGHSt 2 6 118. Zu Aburteilungen nach Jugendstrafrecht vgl. oben. Das Verfahren und die Anfechtbarkeit der Entscheidung richten sich nach §§ 4 6 3 Abs. 3, 4 5 4 Abs. 1, 3, 4 StPO. Ein Sachverständigengutachten ist grds. nach § 4 6 3 Abs. 3 S. 3, 4 5 4 Abs. 2 StPO einzuholen. 2 3 9 Auch hier bietet sich zur Vermeidung „repetitiver Routinebeurteilungen" die Bestellung eines externen Gutachters a n . 2 4 0 Die Bestellung eines Pflichtverteidigers richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen. 2 4 1
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6. Kosten. Die auf §§ 4 6 5 , 4 6 4 a StPO beruhende Pflicht des Verurteilten, die Kosten der Prognosegutachten zu tragen, ist selbst dann verfassungsgemäß, wenn der Verurteilte wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und nur eine Maßregel gegen ihn angeordnet wurde (str., vgl. umfassend und m.w.N.: BVerfG Beschl. v. 2 7 . 6 . 2 0 0 6 - 2 BvR 1392/02).
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OLG Karlsruhe StV 2 0 0 6 426, 4 2 7 f; vgl. dazu auch Pollähne/Böllinger NK Rdn. 62. BVerfG Beschl. v. 13.11.2005 - 2 BvR 792/05; vgl. auch OLG Karlsruhe StV 2 0 0 6 426 m. Anm. Tondorf. BVerfGE 109 133, 164; vgl. auch KG Berlin Beschl. v. 2.5.2001 - 1 AR 461/01 - 5 Ws
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BVerfG NJW 2 0 0 6 211. OLG Karlsruhe StV 2 0 0 6 256.
BVerfGE 109 133, 163 f. Vgl. dazu auch BVerfG NJW 1995 4038, 3049; OLG Rostock NJW 2 0 0 3 1334 ff; Immel JR 2 0 0 7 183 ff. Vgl. BVerfGE 109 1 3 3 , 1 6 4 ; vgl. näher (auch zum Gutachtenauftrag etc.) Koller BewHi 2 0 0 5 237, 245 ff. Vgl. dazu Meyer-Goßner StPO § 140 Rdn. 33; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 64.
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§ 67e
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
§67e Überprüfung (1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen. (2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sechs Monate, in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr, in der Sicherungsverwahrung zwei Jahre. (3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist. (4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.
Schrifttum s. bei §§ 67c, 67d.
Entstehungsgeschichte Das GewVerbrG bestimmte in § 4 2 f für die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt und für die Sicherungsverwahrung eine periodische gerichtliche Prüfung der Frage, „ob der Zweck der Unterbringung erreicht ist" (Absatz 3 Satz 2). Die Fristen dieser Überprüfung betrugen bei der Heil- oder Pflegeanstalt und der Sicherungsverwahrung drei Jahre (Absatz 3 Satz 3). Auch während des Laufs dieser Fristen konnte das Gericht jederzeit prüfen, „ob der Zweck der Unterbringung erreicht ist" (Absatz 4). Die Fristen liefen „vom Beginn des Vollzuges an"; mit der Ablehnung der Entlassung begann der Fristablauf von neuem (Absatz 5). Hinsichtlich der Unterbringung in einer Trinkerheil- oder Entziehungsanstalt fehlte eine Prüfungspflicht. Das Gesetz vom 4.9.1941 (RGBl. I S. 549) i.V.m. der VO vom 24.9.1941 (RGBl. I S. 581) übertrug die Prüfung dem Generalstaatsanwalt. Das Reichsjustizministerium hatte schon mit AV vom 4.5.1940 bestimmt, dass Sicherungsverwahrte während der Kriegszeit in aller Regel nicht zu entlassen seien. Nachdem das KRG Nr. 55 die gerichtliche Zuständigkeit wiederhergestellt und das 3. StrÄG die (nicht mehr interessierenden) Fristen bezüglich des Arbeitshauses geändert hatte, führte das 1. StrRG mit Wirkung vom 1.4.1970 (§ 42f Abs. 3 bis 5) eine dem heutigen § 67e entsprechende Regelung ein. Die jetzige Fassung beruht auf dem 2. StrRG i.d.F. des Art. 18 Abschn. II Nr. 28 EGStGB 1974 und - hinsichtlich der Streichung der sozialtherapeutischen Anstalt - auf Art. 2 Nr. 9 StVollzÄndG vom 20.12.1984 (BGBl. I S. 1655). Die Verkürzung der Prüfungsfristen durch das 1. StrRG ist hauptsächlich ein Ergebnis der Beratungen im Sonderausschuss des Bundestages. Der Entwurf 1962 (BTDrucks. IV/650, § 90) hatte für die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt und für die Sicherungsverwahrung an der Dreijahresfrist festgehalten. Die kurze Überprüfungsfrist für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (sechs Monate) stammt dagegen aus dem Entwurf 1962, ebenso die 1970 neu eingeführte Regelung des S 67e Abs. 3. Eine Abkürzung der Prüfungsfristen (§ 67e Abs. 3 Satz 1) war schon im Entwurf 1927 (§ 60 Abs. 5) vorgesehen; die Festsetzung einer Sperrfrist, vor deren Ablauf ein Prüfungsantrag
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Überprüfung
§ 67e
unzulässig ist (§ 67e Abs. 3 Satz 2), ist von Sieverts (Niedersehr, über die Sitzungen der Großen Strafrechtsk. Bd. 3 S. 163, 365) unter Hinweis auf Wünsche des Vollzuges nicht ohne eigene Bedenken zur Diskussion gestellt worden. Der Sonderausschuss des Bundestages beschloss in der IV. Wahlperiode die Herabsetzung der Prüfungsfristen für das psychiatrische Krankenhaus auf ein Jahr (Prot. d. Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 941 ff); für die Sicherungsverwahrung wurde in der V. Wahlperiode gegenüber weitergehenden Vorschlägen (Prüfung in jedem Jahr: Abgeordneter Dr. Müller-Emmert Prot. d. Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V S. 2332 f) als Kompromiss die Herabsetzung der Prüfungsfrist auf zwei Jahre beschlossen (Prot. d. Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V S. 2736). Durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 (BGBl. I S. 1327) - in Kraft getreten am 20.7.2007 - wurde in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4 Satz 2 die Erledigungsvariante nunmehr ausdrücklich aufgenommen.
Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1 1. Übersicht über den Inhalt der Vorschrift 1 2. Rechtspolitische Bedeutung der Vorschrift 3 a) Sicherung der rechtsstaatlichen Qualität 3 b) Ultima ratio der Maßregel 4 c) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund der Prüfungsintervalle . . . 5 3. Rechtliche Konstruktion 6 4. Gegenstand der Überprüfung 7 Π. Voraussetzungen der Überprüfung nach § 67e ΙΠ. „Jederzeit" mögliche Prüfung (Absatz 1 Satz 1) 1. Prüfung von Amts wegen 2. Prüfung auf Antrag 3. Gemeinsame Grundsätze für die Prüfung von Amts wegen und auf Antrag IV. Periodische Prüfung (Absatz 1 Satz 2, Absatz 2) 1. Allgemeines 2. Rechtzeitige Entscheidung . . . .
3. Beginn der Prüfungsfrist (Absatz 4) . a) Beginn der Unterbringung b) Neuer Fristbeginn gem. Absatz 4 S. 2 4. H e m m u n g des Fristablaufs 5. Wirkungen einer Überschreitung der gesetzlichen Prüfungsfrist 6. Abkürzung der Frist a) Abkürzungsmöglichkeit gem. Absatz 3 S. 1 b) Gründe für eine Abkürzung . . . . c) Abkürzung durch das erkennende Gericht?
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V. Festsetzung einer Sperrfrist (Absatz 3 Satz 2)
12 12 13 14 16 16 17
Rdn. 19 19 22 26 27 29 29 30 31 32
VI. Verfahren 1. Form der Entscheidung 2. Zuständigkeit 3. Verfahren im übrigen 4. Beiordnung eines Verteidigers . . . . 5. Rechtsmittel 6. Antragswiederholung und Rechtskraftwirkung
38 38 39 40 41 42
VII. Auswirkungen des § 67a
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I. Allgemeines 1. Übersicht über den Inhalt der Vorschrift. Die Vorschrift ergänzt § 67d Abs. 2, 1 der nur materiellrechtliche Regelungen zur Beendigung einer begonnenen Maßregelvollstreckung („weitere Vollstreckung") enthält, um verfahrensrechtliche Regelungen. 1 § 67e bezieht sich damit allein auf § 67d und nicht auch auf die Überprüfung nach § 67c. 2 Befindet sich der Täter im Vollzug einer neben der Maßregel verhängten Strafe, so gilt 1
Groß MK § 67e Rdn. 1.
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Groß MK § 67e Rdn. 1.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
§ 67c Abs. 1 und nicht § 67e. Das hindert aber nicht, dass anlässlich eines Prüfungstermins nach § 67e als Vorfrage zur Maßregelaussetzung zu klären ist, ob diese nicht aus anderen rechtlichen Gründen beendet werden muss (vgl. unten Rdn. 7 ff, 25). 3 Die Überprüfung der einstweiligen Unterbringung richtet sich, auch in der Zeit zwischen der erstinstanzlichen Anordnung der Unterbringung und dem Eintritt der Rechtskraft, nach der StPO. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Vollstreckung einer im Urteil verhängten Maßregel der Rechtskraft des Urteils bedarf (§ 4 4 9 StPO). 2
Wird eine freiheitsentziehende Maßregel (§§ 63 bis 66) vollzogen, so ist die Prüfung, ob die weitere Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist, jederzeit zulässig (Absatz 1 Satz 1) und innerhalb bestimmter Fristen notwendig (Absatz 1 Satz 2, Absatz 2). Nähere Bestimmungen über den Beginn der Prüfungsfrist finden sich in Abs. 4. Das Gericht kann die gesetzlichen Prüfungsfristen abkürzen (Absatz 3 Satz 1). Der Verurteilte hat das Recht, während des Laufs der Prüfungsfristen Anträge auf Aussetzung der Unterbringung zu stellen; jedoch kann das Gericht einer Häufung solcher Anträge entgegentreten, indem es bestimmt, dass vor Ablauf einer Zwischenfrist (Sperrfrist) Prüfungsanträge unzulässig sind (Absatz 3 Satz 2). 2. Rechtspolitische Bedeutung der Vorschrift
3
a) Die Vorschrift hat nicht bloß technische Bedeutung. Häufigkeit und Gründlichkeit der gerichtlichen Überprüfung sind ein wichtiges Element der rechtsstaatlichen Qualität einer Maßregel. Umstände, die die Anordnung des Freiheitsentzuges veranlasst haben, können später wegfallen, mindestens sich in einem solchen M a ß ändern, dass der weitere Freiheitsentzug problematisch wird. Dass der Richter die Maßregel anordnet, garantiert deshalb noch nicht die Rechtsstaatlichkeit ihres Vollzuges. Die Beseitigung der richterlichen Überprüfungsbefugnis während des zweiten Weltkrieges (vgl. die Vorbemerkungen zur Entstehungsgeschichte) war ein wesentlicher Beitrag zur Umwandlung der Sicherungsverwahrung in ein Vernichtungsinstrument. 4 Auch die Regelung, dass die Überprüfung in bestimmten zeitlichen Abständen von Amts wegen stattfinden muss, ist rechtsstaatlich bedeutsam. Sein Zustand, auch seine Resignation, kann den Untergebrachten daran hindern, die notwendigen Anträge zu stellen. Darauf, dass die Anstalt nicht notwendig an der Entlassung interessiert zu sein braucht, ist bei den Gesetzgebungsarbeiten hingewiesen worden (Sieverts Niedersehr, über die Sitzungen der Großen Strafrechtsk. Bd. 3 S. 163, 365; Güde Prot. d. Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 942).
4
b) Geprüft wird, „ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist" (Absatz 1 Satz 1). Der Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregeln ist nur als ultima ratio des Rechtsgüterschutzes gerechtfertigt. Die Vorschrift des § 67e zielt also darauf ab, die Vollstreckung der Maßregel so weitgehend und so früh wie möglich durch die Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 2 Satz 2) zu ersetzen und stellt damit wiederum eine spezialgesetzliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. 5
5
c) Hinsichtlich der Dauer der Prüfungsfristen haben die widerstreitenden rechtspolitischen Gesichtspunkte in den Beratungen des Sonderausschusses Ausdruck gefun-
3 4
Lackner/Kühl Rdn. 1. Vgl. hierzu: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 1; Johe Die gleichgeschaltete Justiz S. 144 ff.
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Vgl. auch: Pollähne/Böllinger Sch/Schröder/Stree Rdn. 1.
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NK Rdn. 2;
Überprüfung
§ 67e
den. Für kurze Fristen spricht die rechtsstaatliche Notwendigkeit, veränderten Unterbringungsvoraussetzungen möglichst schnell Rechnung zu tragen. Der AE schlug eine einheitliche Prüfungsfrist von sechs Monaten vor (§ 73). In den Ausschussberatungen ist die Abkürzung der Prüfungsfristen zu Recht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62) in Zusammenhang gebracht worden (vgl.: Abgeordnete Diemer-Nicolaus, Prot. d. Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V S. 2736). Für längere Prüfungsfristen ist geltend gemacht worden, dass zu kurze Fristen dem Verurteilten falsche Hoffnungen machten, deren Enttäuschung die weitere Behandlung erschwere (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 941, V S. 2333). Die in § 67e gefundene Lösung ist ein Kompromiss, bei dem die vergleichsweise lange Frist für die Überprüfung der Sicherungsverwahrung angesichts der Erfahrung hingenommen werden mag, dass Sicherungsverwahrte meistens zur Anbringung eigener Anträge in der Lage sind. Im Übrigen dürften die Fristen einer sachgerechten Bewertung der erfahrungsgemäß jeweils unterschiedlich zu erwartenden Persönlichkeitsentwicklung des Untergebrachten entspringen. 6 3. Rechtliche Konstruktion. Konstruktiv unterschiedet sich § 67e vom Unterbringungsrecht des FGG, welches sowohl für die zivilrechtlichen Genehmigungen einer Unterbringung (insbesondere § 1906 BGB) als auch für die Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung nach den PsychKG der Länder gilt (§ 70 Abs. 1 FGG). Nach § 70f Abs. 1 Nr. 3 FGG endet die Unterbringungsmaßnahme zum in der Anordnungsentscheidung festgelegten Zeitpunkt (automatisch), wenn sie nicht vorher verlängert wird. Dieser Zeitpunkt darf maximal ein Jahr, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit zwei Jahre nach Erlass der Entscheidung liegen. In ähnlicher Weise sahen die strafrechtlichen Entwürfe der Jahre 1922, 1925 und 1927 vor, dass die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt und in der Sicherungsverwahrung drei Jahre nur übersteigen dürfe, wenn sie von neuem angeordnet wurde (§ 4 6 E 1922, 1925; § 60 E 1927; ebenso § 60 E 1930 bezüglich der Heil- oder Pflegeanstalt). Die Unterscheidung zwischen der Höchstdauer der Unterbringung (§ 67d Abs. 1) und der Höchstfrist zwischen zwei gerichtlichen Überprüfungen (§ 67e) versteht sich also nicht von selbst (wegen der Frage, ob die strafrechtliche Maßregelvollstreckung bei Überschreitung der Prüfungsfrist fortdauern darf, vgl. Rdn. 27).
6
4. Gegenstand der Überprüfung. Nach der neuen Gesetzesfassung durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 dient die Prüfung (§ 67e) der Feststellung, ob die Voraussetzungen der Maßregelaussetzung nach § 67d Abs. 2 oder einer Erledigungserklärung erfüllt sind (s.o.).
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Bereits hinsichtlich des alten Gesetzeswortlauts (der nur eine Überprüfung der Aussetzungsvoraussetzungen vorsah) war es einhellige Ansicht, dass die Strafvollstreckungskammer bei der Überprüfung darauf zu achten hat, ob einer der Fälle vorliegt, in denen die Vollstreckung der Maßregel aus anderen als in den in § 67d Abs. 2 genannten Gründen ihr Ende finden muss. Auch auf diese Prüfung hatte der Verurteilte einen Rechtsanspruch. 7 Das ist nun auch ausdrücklich im Gesetzeswortlaut verankert und die Prüfungspflicht dürfte sich, entgegen der missverständlichen Materialien, die nur auf eine Erledigung nach § 67d Abs. 6 abstellen, auf alle Arten der Erledigungserklärungen beziehen.
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Groß MK Rdn. 4; für eine Überprüfung der gesetzlichen Fristen und insgesamt kritisch: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 4.
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KG Berlin NStZ-RR 2 0 0 2 138, 139; Lackner/Kühl Rdn. 1; vgl. auch: Fischer Rdn. 2.
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§ 67e 9
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Gegenstand des Prüfungsverfahrens ist - auch ohne ausdrückliche Regelung - schließlich auch die Frage, ob nach § 67a die Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel angezeigt ist 8 oder ob Umstände in der Person des Verurteilten dafür sprechen, statt der Maßregel eine daneben angeordnete Strafe zu vollziehen (§ 67 Abs. 3). Ist neben der Maßregel eine Strafe verhängt worden, so ist auch zu prüfen, ob außer der Maßregel auch der nicht verbüßte und nicht durch Anrechnung (§ 67 Abs. 4) erledigte Teil der Strafe nach § 57 ausgesetzt werden kann (vgl. § 67c Rdn. 137 f, § 67d Rdn. 111 ff); wird die Strafe ausgesetzt, so ist über die § 67 Abs. 5 Satz 2 genannten Alternativen zu befinden.
Π. Voraussetzungen der Überprüfung nach § 6 7 e 10
Die Gesetzesfassung des Abs. 1 Satz 1 („weitere Vollstreckung") setzt voraus, dass zur Zeit der Prüfung eine freiheitsentziehende Maßregel vollstreckt wird.
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Ist der Verurteilte auf freiem Fuß, besteht grundsätzlich kein Anlass für eine Überprüfung nach § 67e. Eine spezielle Form der Überprüfung außerhalb des Maßregelvollzugs betrifft § 67c Abs. 2 (vgl. § 67c Rdn. 157 ff). In Ausnahmefällen kommt eine Überprüfung nach § 67e auch sonst in Betracht: Die Notwendigkeit, wegen veränderter Umstände über die Aussetzung einer noch nicht oder nicht mehr vollstreckten Maßregel zu entscheiden, kann sich ergeben, wenn die Maßregelvollstreckung aufgeschoben oder unterbrochen worden ist oder nach einem Widerruf ihrer Aussetzung noch nicht wieder begonnen hat. Es wäre sinnlos, den Täter nur zu dem Zweck in die Anstalt aufzunehmen, um eine Entscheidung nach den §§ 67c Abs. 1, 67d Abs. 2 herbeizuführen.9 Erforderlich ist aber, dass neue Umstände - also solche die nicht schon in der Widerrufsentscheidung berücksichtigt wurden - im Räume stehen. 10
ΙΠ. „Jederzeit" mögliche Prüfung (Abs. 1 Satz 1) 12
1. Prüfung von Amts wegen. Die Überprüfung von Amts wegen kann jederzeit stattfinden (Absatz 1 Satz 1). Weil es ein Gebot des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, die Vollstreckung der Maßregel auszusetzen ist, sobald die Voraussetzungen des § 67d Abs. 2 vorliegen (Rdn. 4), hat die Strafvollstreckungskammer nicht nur ein Prüfungsrecht; sie ist verpflichtet, allen Anhaltspunkten nachzugehen, die darauf hinweisen, dass die Erprobung im Sinne des § 67d Abs. 2 verantwortet werden kann. 11 Hierzu können ihre eigenen, aus dem Kontakt mit der Anstalt gewonnenen Kenntnisse ebenso wie die Unterrichtung der Strafvollstreckungskammer durch die Vollstreckungsbehörde und durch die Anstalt Anlass geben. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet die Vollstreckungsbehörde, dem Gericht jede Information, die für eine Aussetzung sprechen könnte, unverzüglich mitzuteilen. Dieselbe Pflicht hat die Anstalt (Sieverts Niedersehr, über die Sitzungen der Großen Strafrechtsk. Bd. 3 S. 163, 365); sie genügt dieser Pflicht
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Pollähne/Böllinger NK Rdn. 8; Pätzold Die Eingriffsvoraussetzungen bei freiheitsentziehenden Maßregeln unter besonderer Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit, Diss. Tübingen 1975, S. 49; Fischer Rdn. 2.
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OLG Hamm JMB1NW 1978 90; 1976 93, Fischer Rdn. 2; Veh MK § 67c Rdn. 3; vgl. S 67d Rdn. 123. OLG Hamm NStZ 1990 251, 252. Vgl. OLG Hamm NStZ 1990 251, 2 5 2 ; Groß MK Rdn. 3.
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Überprüfung
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auch durch Unterrichtung der Strafvollstreckungsbehörde. Anstalt und Strafvollstreckungsbehörde dürfen mit der Unterrichtung des Gerichts nicht bis zum nächsten Überprüfungstermin warten, falls dieser nicht nahe bevorsteht. 2. Prüfung auf Antrag. Nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen ist die 13 Strafvollstreckungskammer verpflichtet, Anträge zu bescheiden, mit denen der Verurteilte oder die Vollstreckungsbehörde die Aussetzung der Maßregelvollstreckung begehren. 3. Gemeinsame Grundsätze für die Prüfung von Amts wegen und auf Antrag. Ist 14 neben der Maßregel eine Strafe verhängt worden und diese noch nicht erledigt, so hat das Gericht zugleich zu prüfen, ob der Strafrest ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden kann (§ 57 Abs. 1, 2 i.V.m. § 67 Abs. 5, vgl. oben Rdn. 8); dafür bedarf es, anders als bei der Aussetzung der Maßregel, der Einwilligung des Verurteilten (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3). Ergänzend § 67d Rdn. 111 ff. Die Entscheidung, ob die Maßregel zur Bewährung ausgesetzt werden kann oder 15 nicht, setzt eine eingehende Untersuchung der Persönlichkeit des Verurteilten, seines Verhaltens sowie der Behandlung im Maßregelvollzug sowie der Lebensverhältnisse voraus, in die er im Falle der Aussetzung gelangen würde. Dabei kommt es nicht nur auf die vorgefundenen Lebensverhältnisse, sondern auch auf die Möglichkeit an, sie durch Einwirkung öffentlicher und privater Bemühungen günstig zu verändern, schließlich auch auf die Wirkungen der Führungsaufsicht. Selbstverständlich kann die Strafvollstreckungskammer solche Erhebungen nicht beliebig häufig vornehmen. Nach pflichtgemäßem Ermessen kann sie in geeigneten Fällen mit Rücksicht auf den kurzen zeitlichen Abstand von der letzten Prüfung auf einen Teil der damals festgestellten Tatsachen zurückgreifen. Stets muss sie sich aber eine eigene Überzeugung davon bilden, dass gegenüber dem letzten Prüfungszeitpunkt oder - im Falle der ersten Prüfung - gegenüber dem Urteil bzw. der Entscheidung nach § 67c Abs. 1 keine Umstände eingetreten sind, die die Aussetzung der Maßregel verantwortbar erscheinen lassen könnten. Sie ist weder an die Prognose des erkennenden Gerichts noch an die Gründe der Entscheidung, auf Grund deren die Maßregel nicht schon bei Strafende ausgesetzt worden ist (§ 67c Abs. 1), gebunden.
IV. Periodische Prüfung (Absatz 1 Satz 2, Absatz 2) 1. Allgemeines. Die Strafvollstreckungskammer muss periodisch vor Ablauf bestimmter 16 Fristen prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden kann (Absatz 1). Auf einen Antrag des Verurteilten oder der Staatsanwaltschaft kommt es nicht an; ein Verzicht des Verurteilten auf die Prüfung entbindet das Gericht nicht von seiner Prüfungspflicht. Die Fristen betragen bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sechs Monate, in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr und in der Sicherungsverwahrung zwei Jahre (Absatz 2). 2. Rechtzeitige Entscheidung. Die rechtzeitige Prüfung schließt wie in den Fällen des 1 7 § 67c Abs. 1 die rechtzeitige Entscheidung ein (vgl. § 67c Rdn. 79 ff). Dem Gericht ist nicht nur eine unverbindlich prüfende Beschäftigung mit der Aussetzungsfrage aufgetragen; der Kontrollzweck des § 67e fordert vielmehr, dass das Gericht die Verantwortung für die Aussetzung oder die Fortsetzung der Maßregelvollstreckung übernimmt, also entscheidet. Spätestens an dem Tage, an dem die Prüfungsfrist abläuft, hat demnach die Strafvollstreckungskammer über die Aussetzungs- oder Erledigungsfrage (bejahend oder verneinend) zu entscheiden und zwar so, dass ggf. die Entlassung bis zum Ende der
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Zeitgrenze vorgenommen werden kann 1 2 (zu den Folgen einer Fristüberschreitung vgl. Rdn. 27). 18
Das Gesetz nennt keinen Zeitpunkt, zu dem das Gericht frühestens tätig werden darf. Das ist mit Rücksicht auf Absatz 4 Satz 2 nicht nötig: Entscheidet das Gericht lange vor dem Ablauf der Prüfungsfrist, so werden die in § 67e enthaltenen rechtlichen Garantien nicht geschmälert, denn die Frist beginnt mit der ablehnenden Entscheidung von neuem (Absatz 4 Satz 2); eine verfrühte Prüfung führt also dazu, dass auch die nächste Prüfung früher stattfindet. Außerdem ist unabhängig von den Fristen bei Auftreten entsprechender Umstände oder bei Vorliegen eines Antrags ohnehin eine erneute Prüfung vorzunehmen. 3. Beginn der Prüfungsfrist (Absatz 4)
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a) Nach Absatz 4 Satz 1 laufen die Fristen für die periodische Überprüfung vom Beginn der Unterbringung an. Es handelt sich hierbei regelmäßig um die Frist für die erste Uberprüfung, während die Fristen für die nachfolgenden Uberprüfungen meistens nach Absatz 4 Satz 2 zu berechnen sein werden.
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Beginn der Unterbringung ist die tatsächliche Aufnahme in den Maßregelvollzug (nicht eines etwa vorangehenden Strafvollzugs) auf Grund eines rechtskräftigen Urteils. Der Zeitpunkt, an dem die Rechtskraft eingetreten ist oder der Entscheidungszeitpunkt selbst sind ohne Bedeutung. 13 Ist die Vollstreckung der Unterbringung nach § 67c Abs. 1 angeordnet worden, so kommt es für den Fristbeginn nach § 67e Abs. 4 Satz 1 nicht darauf an, ob die Entscheidung nach § 67c Abs. 1 schon rechtskräftig ist (über die Folgen einer verzögerten Entscheidung nach dieser Vorschrift vgl. § 67c Rdn. 82 ff). Befindet sich der Täter in einstweiliger Unterbringung und ist die Maßregel sogleich und nicht erst nach einer Strafe zu vollstrecken, so beginnt die Unterbringung (Absatz 4 Satz 1 ) mit der Rechtskraft des Urteils, ohne dass es auf den tatsächlichen Aufenthalt des Verurteilten in einer bestimmten Anstalt ankommt. 14
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Wird der Verurteilte mit zeitlicher Verzögerung aus der U-Haft oder einer einstweiligen Unterbringung in den Maßregelvollzug überführt, so zählt nach Wortlaut und Sinn des § 67e auch hier nur die tatsächliche Aufnahme in diesen. 15 Denn die Fristen sind auf potentielle Einwirkungseffekte im Maßregelvollzug zugeschnitten. Etwaige Unbilligkeiten, die durch die verspätete Aufnahme in den Maßregelvollzug entstehen, können durch die Möglichkeit jederzeitiger Prüfung nach Absatz 1 Satz 1 ausgeglichen werden. 16 Werden verschiedene Maßregeln hintereinander vollstreckt, etwa auf Grund einer Anordnung nach § 72 Abs. 3 Satz 2 oder nach Verhängung der Sicherungsverwahrung in verschiedenen Urteilen, so beginnt mit dem Vollzug der weiteren Maßregel eine neue Prüfungsfrist zu laufen. Nach dem Widerruf der Maßregelaussetzung ist der erneute Beginn des Vollzuges maßgeblich. 17 Wird der Verurteilte auf Grund eines Haftbefehls nach § 4 5 3 c StPO festgenommen, so entscheidet dieser Zeitpunkt. Die Fristen des § 67e Abs. 2 laufen während eines Krankenhausaufenthalts nach § 461 StPO weiter, dagegen nicht bei einer Unterbrechung der Maßregelvollstreckung (dazu § 67a Rdn. 70 f). Während des Strafvollzugs, der den Maßregelvollzug unterbricht, läuft die Frist nicht;
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Groß MK Rdn. 4; vgl. auch: Fischer Rdn. 2. Groß MK Rdn. 6; vgl. auch Sch/Schröder/ Stree Rdn. 5. Horstkotte LK 1 0 § 67e Rdn. 12.
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OLG Karlsruhe gart NStZ 1985 Groß MK Rdn. Groß MK Rdn.
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NStZ 1992 456; OLG Stutt332. 6. 6.
Überprüfung
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doch kann die Prüfung (§ 67e) während dieser Zeit stets beantragt werden, denn der Wortlaut „weitere Vollstreckung" schließt diesen Anwendungsfall nicht aus. 18 b) Mit jeder Entscheidung, die die Aussetzung oder die Erledigung ablehnt, beginnt die Prüfungsfrist von neuem zu laufen (Absatz 4 Satz 2). Gemeint sind Entscheidungen, mit denen die Strafvollstreckungskammer oder (auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft) das Beschwerdegericht die Aussetzung oder Erledigung ablehnt. Auf die Rechtskraft der ablehnenden Entscheidung kommt es (bereits nach dem Wortlaut) nicht an. 1 9 Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für diese Interpretation. Die Vollstreckungsbehörde muss - unabhängig davon, in welchem OLG-Bezirk der Untergebrachte die Maßregel verbüßt - jederzeit eindeutig feststellen können, wann sie die nächste Überprüfung einleiten muss. Das wäre bei einem Abstellen auf den mit Zufälligkeiten behafteten Eintritt der Rechtskraft nicht gewährleistet. 20
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Die Regelung des Abs. 4 Satz 2 dient der Verfahrensökonomie. Stellt der Verurteilte z.B. einige Monate vor dem Ablauf der gesetzlichen Prüfungspflicht einen Entlassungsantrag, so wäre das Gericht ohne die Regelung des Absatz 4 Satz 2 entweder gezwungen, innerhalb weniger Monate umfangreiche Ermittlungen zweimal anzustellen, oder versucht, bei der Prüfung oberflächlich zu verfahren. Dem beugt Absatz 4 Satz 2 vor: Die vorzeitige Prüfung und Ablehnung der Aussetzung oder Erledigung macht den bisherigen Termin für die periodische Überprüfung hinfällig. Freilich kann nur eine Prüfung, die eine ausreichende Ermittlung und Würdigung der bedeutsamen Umstände gewährleistet, eine solche Verschiebung der Überprüfungsfristen rechtfertigen.
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Die Zurückweisung des Antrags als unzulässig hat nicht die in Absatz 4 Satz 2 bezeichnete Folge. 21 Gleiches gilt für eine flüchtige sachliche Prüfung, etwa ein bloßer Telefonanruf des Vorsitzenden bei dem Anstaltsleiter oder Anstaltsarzt. 22 Es genügt auch nicht, dass die Anstalt dem Gericht unaufgefordert ihre Auffassungen zur Aussetzungsoder Erledigungsfrage übermittelt; im Sonderausschuss des Bundestages (Prot. d. Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 943) wurde Wert darauf gelegt, dass eine von der Staatsanwaltschaft oder der Anstaltsleitung ausgehende Prüfungsanregung (als solche) keine neue Prüfungsfrist in Gang setzt. Mindesterfordernis dafür ist eine schriftliche Stellungnahme der Anstalt, die mündliche Anhörung des Verurteilten und eine Entscheidung des Gerichts, aus der die Gründe für die Ablehnung der Aussetzung oder Erledigung ersehen werden können. 2 3 Dass die Prüfung und Entscheidung auf Antrag des Verurteilten erfolgt, ist keine Voraussetzung für die Rechtsfolge des Absatzes 4 Satz 2. Hat der Staatsanwalt die Prüfung beantragt, so nimmt er zwar Einfluss auf den Lauf der Prüfungsfrist; die Rechte des Verurteilten sind dadurch aber unter der Voraussetzung, dass es sich um eine gründliche Prüfung handelt, nicht berührt. Eine Anordnung nach Absatz 3 Satz 2 (Sperrfrist) hat nicht die in Absatz 4 Satz 2 bezeichnete Wirkung (vgl. Prot. d. Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 943).
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Zutreffend wird in der Rechtsprechung (OLG Karlsruhe Justiz 2001 169, 1 7 0 ) 2 4 der Fall, dass eine Rücküberweisung eines Verurteilten in den Vollzug der Sicherungsverwahrung (§ 67a Abs. 3) durch die StVK ausgesprochen wird, hinsichtlich der Fristingang-
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OLG Stuttgart Justiz 1977 18. OLG Braunschweig NJW 1975 1847; OLG Hamm MDR 1976 159; OLG Karlsruhe StraFo 2 0 0 7 125 f; OLG Hamm NJW 1971 949; Groß MK Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Fischer Rdn. 3.
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OLG Karlsruhe StraFo 2 0 0 7 125, 126. Groß MK Rdn. 6. OLG Koblenz M D R 1974 2 4 6 . Vgl. auch Horn SK Rdn. 3. Ablehnend: Groß MK Rdn. 6.
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setzungswirkung nach § 67e Abs. 4 S. 2 einer Entscheidung nach §§ 67e, 67d Abs. 2 gleichgestellt. Denn eine Entscheidung nach § 67a Abs. 3 enthält jedenfalls auch das Prüfungsprogramm des § 67d Abs. 2, da vor einer Rücküberweisung vorrangig zu prüfen ist, ob eine Maßregelaussetzung in Betracht kommt (vgl. § 67a Rdn. 12). Auch verfahrensrechtlich ergeben sich keine Unterschiede. 26
4. Hemmung des Fristablaufs. Der Ablauf der Prüfungsfrist wird gehemmt, wenn der Verurteilte sich durch Entweichen aus der Maßregeleinrichtung der therapeutischen Einwirkung entzieht. 25 Die Prüfungsfristen sind darauf ausgerichtet, dass auf den Verurteilten therapeutisch eingewirkt werden kann. Ein Nachteil entsteht dem Verurteilten nicht, da er jederzeit einen Prüfungsantrag stellen kann. Die Hemmung der Frist lässt sich wohl bereits dem Wortlaut des § 67e Abs. 2 entnehmen, wo von „Unterbringung in" einer bestimmten Anstalt bzw. Maßregel die Rede ist. Bei Entweichen ist das gerade nicht der Fall.
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5. Wirkungen einer Überschreitung der gesetzlichen Prüfungsfrist. Ist die Höchstfrist nach Absatz 2 abgelaufen, ohne dass über die Aussetzung oder Erledigung der Maßregel entschieden worden ist, so stellt sich die Frage, ob der weitere Vollzug der Maßregel unzulässig wird, wie das grundsätzlich für das außerstrafrechtliche Unterbringungsrecht gilt. Sie ist zu verneinen. 26 Angesichts der Ähnlichkeit der Regelungen in § 67e Abs. 1 Satz 2 und in § 67c Abs. 1 Satz 1 („Prüfung" vor einem bestimmten Zeitpunkt) liegt es zunächst nahe, die zu § 67c Abs. 1 entwickelten Regeln hierher zu übertragen, den Maßregelvollzug nach Ablauf der Prüfungsfrist also allenfalls nach den Grundsätzen von BVerfGE 4 2 1 für eine Übergangszeit von wenigen Monaten für zulässig zu halten, sofern zur Zeit des Fristablaufes mit der Prüfung begonnen worden war (vgl. § 67c Rdn. 82 ff). Bei einem Verstoß gegen diese Bedingungen wäre dann der weitere Maßregelvollzug unzulässig. Indessen unterscheiden sich die Verhältnisse doch wesentlich: Nach § 67c Abs. 1 ist zu entscheiden, ob im Anschluss an einen längeren Strafvollzug, während dessen die Prognose nicht regelmäßig geprüft wird, noch mit dem Maßregelvollzug begonnen werden soll. Die Prüfung nach § 67e folgt dagegen regelmäßig in kürzerem Abstand auf eine gleichartige Prüfung (durch das erkennende Gericht oder nach § 67e). Das Gesetz bezeichnet als Gegenstand der Prüfung nach § 67e (freilich auch nach § 67c Abs. 1) die Frage, ob die Maßregel ausgesetzt werden kann, nicht die Verlängerung der Unterbringung; dies ist, wie der Vergleich mit dem Unterbringungsrecht der Länder und mit § § 70f, 70i FGG sowie früheren strafrechtlichen Entwürfen zeigt, kein Ergebnis bloß zufälliger Wortwahl.
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Der Verstoß gegen § 67e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 hat hiernach keine sachlich-rechtliche Wirkung, etwa der Art, dass der Verurteilte freizulassen wäre. 2 7 Dies gilt jedenfalls für Verzögerungen, die nicht auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts des Verurteilten hindeuten. 28 Das Gericht ist aber verpflichtet, die versäumte Prüfung von Amts wegen unverzüglich nachzuholen. 29 Hat das Gericht (1) einen Antrag des Verurteilten auf Aussetzung oder Erledigung der Maßregel
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OLG Karlsruhe NStZ 1992 4 5 6 ; Groß MK Rdn. 7; Horn SK Rdn. 4; Lackner/Kühl Rdn. 1. BVerfG NStZ-RR 2 0 0 5 92, 94; OLG Jena ZfStrVO 2 0 0 6 51, 52; Horn SK Rdn. 4. OLG Jena ZfStrVO 2 0 0 6 51, 52; aA:
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Pollähne/Böllinger NK Rdn. 15 (Erklärung der weiteren Vollstreckung für unzulässig oder der Maßregel für erledigt nach einer Übergangsfrist von 2 Monaten). OLG Jena ZfStrVO 2 0 0 6 51, 52. BVerfG NStZ-RR 2 0 0 5 92, 94.
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Überprüfung
bis zum Ablauf der Prüfungsfrist oder (2) einen danach gestellten Antrag nicht unverzüglich beschieden, so muss diese Untätigkeit als Ablehnung des Antrages gewertet werden, die die sofortige Beschwerde (Rdn. 42) eröffnet. 3 0 Eine Entschädigung bei Fristüberschreitung soll dem Verurteilten nicht zustehen. 31 Das ist vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 E M R K jedenfalls für den Fall, dass die Entscheidung zu einer Entlassung führt (die dann bei rechtzeitiger Entscheidung früher stattgefunden hätte) zweifelhaft. 6. Abkürzung der Frist a) Das Gericht kann gemäß Abs. 3 Satz 1 die Prüfungsfristen kürzen. Es sagt damit eine Wiederholung der Nachprüfung vor Ablauf der gesetzlichen Prüfungsfrist zu. Zu dieser Zusage ist auch das Beschwerdegericht befugt; die Pflicht, sie einzuhalten, trifft die Strafvollstreckungskammer. Wird der Verurteilte in eine Anstalt im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer verlegt und ändert sich deshalb nach Abschluss des letzten Prüfungsverfahrens die örtliche Zuständigkeit, 32 so ist auch die nunmehr zuständige Strafvollstreckungskammer aus Gründen des Vertrauensschutzes an die Kürzung gebunden.
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b) Die Abkürzung der Frist bezweckt eine verstärkte Kontrolle und eine schnellere Anpassung an den Wechsel der Verhältnisse. Sie kommt in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass sich die für die Prognose maßgebenden Umstände ändern (Begründung zu § 90 E 1962, BTDrucks. IV/650 S. 219). 3 3 Da in prognostischer Hinsicht keine prinzipiellen Unterschiede zwischen strafrechtlich und nach den Landesgesetzen untergebrachten psychisch Kranken bestehen, erscheint in den Fällen der §§ 63, 2 0 die gesetzliche Prüfungsfrist recht lang und zur Abkürzung geeignet; bei den nach den §§ 63, 21 Untergebrachten kann eine ähnliche Kürzung dazu dienen, rechtzeitig zu ermitteln, ob eine Anordnung nach § 67 Abs. 3, etwa im Hinblick auf sozialtherapeutische Behandlungsmöglichkeiten im Strafvollzug, angezeigt ist.
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Str. ist, ob das erkennende Gericht befugt ist, die Fristen nach § 67e abzukürzen. Die h.M. lehnt das ab mit der Begründung, über die Frist könne erst nach Rechtskraft entschieden werden. 3 4 Andere wollen im Hinblick darauf, dass das erkennende Gericht ohnehin eine Prüfung nach § 67b vornehmen muss und damit in derselben Prüfungssituation wie später das Vollstreckungsgericht, die Kompetenz zur Fristabkürzung auch dem erkennenden Gericht einräumen. 35 Abgesehen davon, dass diese Überlegungen ohnehin nur dann eine Roll spielen können, wenn nicht die Strafe vor der Maßregel vollzogen wird (also bei der Sicherungsverwahrung völlig ausscheiden), dürfte für eine solche Fristabkürzung, angesichts der jederzeitigen Prüfungsmöglichkeit nach § 67e Abs. 1 kein Bedürfnis bestehen. Anders als das Vollstreckungsgericht kann das erkennende Gericht auch regelmäßig nicht auf Erkenntnisse über die Behandlungsfortschritte des Verurteilten aus bisherigem Maßregelvollzug zurückgreifen, so dass sich eine Frist, die sich ja nach dem prognostizierten Fortschritt der Besserung richtet, nur schwer festlegen lassen wird.
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BayObLG NJW 1958 1693; OLG Nürnberg HESt 2 152; Groß MK Rdn. 9; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; Matt L R 2 5 § 3 0 4 Rdn. 8; vgl. auch: EGMR EuGRZ 1992 535. Vgl. dazu Groß MK Rdn. 9 m.w.N. Vgl. dazu BGHSt 2 6 278. Für die Unterbringung von Drogenabhängi-
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gen empfehlen Adams/Gerhardt NStZ 1981 241, 2 4 4 eine Abkürzung der Frist auf drei Monate. OLG Karlsruhe MDR 1978 158; vgl. auch: Lackner/Kühl Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4. Groß MK Rdn. 5.
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V. Festsetzung einer Sperrfrist (Absatz 3 Satz 2 ) 32
Das Gericht (das Vollstreckungsgericht, nicht das erkennende Gericht) 3 6 kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist (Abs. 3 Satz 2). Diese Regelung, die sich auch in § 57 Abs. 6, § 57a Abs. 4, § 68e Abs. 2 findet (zur Entstehungsgeschichte vgl. die Vorbemerkungen), sollte im Hinblick auf das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) behutsam gehandhabt werden und auf Fälle beschränkt bleiben, in denen für die Zeit der Sperrfrist keinerlei Veränderung der Prognose zu erwarten ist. 37
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Folgen Anträge des Verurteilten ohne neue Gesichtspunkte kurz aufeinander, so können die Stellungnahmen der Anstalt wie auch die Begründung des ablehnenden Beschlusses knapp gefasst werden. Manchmal kann eine Anordnung nach Abs. 3 Satz 2 freilich eine gründliche Vorbereitung der Entscheidung fördern und damit auch im Interesse des Verurteilten liegen; denn die ständig wiederholte Befassung des Gerichts mit gleichartigen Anträgen kann die Qualität der Prüfung beeinträchtigen und zu unerwünschter Festschreibung von Ablehnungsgründen führen. Häufig wird es aber genügen, dass die Strafvollstreckungskammer oder die Anstalt dem Verurteilten nahe legen, dass eine allzu häufige Wiederholung gleichartig begründeter Anträge seine Chancen nicht verbessert. Ist ein nach § 63 Untergebrachter unter Betreuung gestellt (§§ 1896 ff BGB), so kann das Gericht auch Anträgen des Vormunds oder Pflegers nach Absatz 3 Satz 2 entgegentreten; das wird aber selten praktisch werden. Fällt das Ende der Sperrfrist mit dem Ablauf der gesetzlichen Überprüfungsfrist (Absatz 2) zusammen, so hindert die Sperrfrist den Verurteilten nicht, im Hinblick auf die periodische Überprüfung Anträge zu stellen; diese sind zulässig.
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Die Sperrfrist darf die Uberprüfungsfristen des Absatzes 2 nicht verlängern.38 Die Sperrfrist bezieht sich nur auf Prüfungen, die auf Antrag des Verurteilten vorgenommen werden und nicht auf turnusmäßige Überprüfungen oder Überprüfungen auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen. 39 Während sich die die Sperrfrist nach alter Rechtslage (vor den Änderungen durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007) nicht auf die Prüfung bezog, ob die Maßregel für erledigt zu erklären ist, 4 0 ist sie nunmehr, da beide Prüfungsprogramme im Gesetz jetzt gleich behandelt werden, auch auf die Prüfung der Erledigungserklärung anwendbar.
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Die Sperrfrist (Absatz 3 Satz 2) regelt die Beziehungen zwischen einer bestimmten Strafvollstreckungskammer und dem Verurteilten. Daraus ergibt sich, dass sie nicht vom Beschwerdegericht angeordnet werden kann und ihre Wirkung verliert, wenn die örtliche Zuständigkeit auf eine andere Strafvollstreckungskammer übergeht. Die Strafvollstreckungskammer kann die Sperrfrist auch aus Anlass einer von Amts wegen erfolgenden Prüfung anordnen. 41
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Die Wirkung der Sperrfrist beschränkt sich darauf, dass die Strafvollstreckungskammer einen vor Ablauf der Sperrfrist eingegangenen Antrag des Verurteilten als unzulässig zurückweisen kann. Es bedarf dann keiner weiteren Anhörung des Unter-
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Groß MK Rdn. 8; es gelten hier gleiche Erwägungen wie bei der Abkürzung der Frist, vgl. oben Rdn. 31. Vgl. OLG Düsseldorf MDR 1983 2 4 7 ; OLG Stuttgart Die Justiz 1976 212.
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Pollähne/Böllinger NK Rdn. 11. Groß MK Rdn. 8. OLG Schleswig SchlHA 2 0 0 2 1 4 3 , 1 4 4 ; Groß MK Rdn. 8. OLG Hamm MDR 1983 6 8 8 - zu § 57 - .
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gebrachten und keiner Stellungnahme der Vollzugsanstalt. Notwendig ist dagegen die Entscheidung über die Unzulässigkeit des Antrages. 4 2 Die Strafvollstreckungskammer wird trotz Laufes der Sperrfrist einen Antrag in der Sache bescheiden, wenn der Verurteilte neue, für die Prognose erhebliche Tatsachen behauptet; die Sperrfrist verbietet also keine Sachentscheidung. Wird der Antrag zwar vor Fristablauf gestellt, ist diese aber bis zur Sachentscheidung bereits abgelaufen, so wird der Zulässigkeitsmangel hierdurch geheilt. 43 Die Sperrfrist beginnt mit ihrer Festsetzung durch die Strafvollstreckungskammer. Auf den Eintritt der Rechtskraft kommt es hier nicht an. 4 4 Aus der Befugnis des Gerichts, die Sperrfrist anzuordnen, folgt auch sein Recht, die Sperrfrist nachträglich abzukürzen oder aufzuheben. 45 Ein während der Sperrfrist eingereichtes Gnadengesuch ist an die Gnadeninstanz weiterzureichen. 46
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VI. Verfahren (vgl. auch § 67d Rdn. 125 ff) 1. Form der Entscheidung. Da die Prüfung (§ 67e) die fristgemäße Entscheidung einschließt (Rdn. 27) und die ablehnende Entscheidung den Lauf einer neuen Prüfungsfrist in Gang setzt (Abs. 4 Satz 2), muss die Entscheidung in jedem Falle bekanntgemacht werden; da die Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann (§ 463 Abs. 3 i.V.m. § 4 5 4 Abs. 3 StPO), bedarf sie der Zustellung (§ 35 Abs. 2 StPO). Ein Aktenvermerk, dass eine Aussetzung der Maßregel derzeit nicht in Betracht komme, genügt den Anforderungen des § 67e Abs. 1 Satz 2 nicht. In der Entscheidungsformel wird, wenn ein Entlassungsantrag vorliegt, dessen Ablehnung auszusprechen sein. Führt das Gericht die Prüfung nach § 67e von Amts wegen durch, so kommt die Entscheidungsformel, dass die Aussetzung der Maßregel oder die Erledigungserklärung abgelehnt werde, der Gesetzesfassung (Abs. 1 Satz 1) am nächsten. Auch die Formel, dass die Unterbringung fortdauere, dürfte nicht zu beanstanden sein. Ein Vorlauf von etwa sechs Monaten ist zur Sicherstellung einer fristgemäßen Entscheidung im Falle der Notwendigkeit der Einholung eines externen Gutachtens sachgerecht. 47
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Eine Entscheidung nach § 67 Abs. 2, 3 kann konkludent die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung enthalten. 48 2. Zuständigkeit. Für die Prüfung nach § 67e i.V.m. § 67d Abs. 2 sowie für die Kürzung der Frist und die Anordnung einer Sperrfrist (§ 67e Abs. 3) ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Anstalt des Maßregelvollzuges liegt (S 463 Abs. 3 i.V.m. §§ 4 5 4 , 4 6 2 a StPO, 78a, 78b Abs. 1 GVG). Die für die Anstalt örtlich zuständige Strafvollstreckungskammer wird durch den Ablauf der Prüfungsfrist (§ 67e) mit der Sache i.S. des § 462a Abs. 1 StPO „befasst". 4 9 An die Stelle der Strafvollstreckungskammer tritt, wenn der Betroffene nach Jugendstrafrecht (auch als Heran-
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Horstkotte L K 1 0 § 67e Rdn. 18. OLG Düsseldorf NStE StGB § 67e Nr. 3 (zweifelh.) OLG Hamm MDR 1976 159; OLG Hamm NJW 1971 9 4 9 ; OLG Schleswig SchlHA 1999 2 8 9 ; Groß MK Rdn. 8; Lackner/Kühl Rdn. 1; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2; Fischer Rdn. 3.
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Vgl. Fischer KK 5 § 4 5 4 Rdn. 2 4 . Vgl. auch OLG Koblenz N J W 1 9 5 7 113. OLG Dresden StraFo 2 0 0 5 391. OLG Hamm Beschl. v. 1 4 . 4 . 2 0 0 5 - 4 Ws 101/05. Wendisch L R 2 5 § 4 6 2 a Rdn. 15.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
wachsender) abgeurteilt worden ist, der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter (§ 82 JGG). Zum Übergang der Vollstreckungszuständigkeit auf den Vollstreckungsleiter, in dessen Bezirk die Maßregelvollzugsanstalt liegt (§ 85 Abs. 4 JGG) vgl. Brunner/Dölling JGG 1 1 § 85 Rdn. 8 ff. 40
3. Verfahren im Übrigen. Da es sich bei dem Prüfungsverfahren (§ 67e) um die Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 2 bzw. einer Erledigungserklärung handelt, kann auf die entsprechenden Erläuterungen zu § 67d verwiesen werden. Grundsätzlich muss das Gericht, wenn es in eine sachlich-rechtliche Prüfung eintritt, alle für die Aussetzungs- oder Erledigungsfrage maßgeblichen Umstände aufklären, also insbesondere den psychischen Zustand des Verurteilten, sein Verhalten in der Anstalt, seine berufliche Qualifikation, seine persönlichen Beziehungen und die Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten im Falle einer Entlassung. Gem. §§ 463 Abs. 3 S. 3, 454 Abs. 2 StPO ist unter den dort genannten Voraussetzungen ein Sachverständigengutachten einzuholen.50 Gem. §§ 463 Abs. 3 S. 1, 454 Abs. 1 StPO ist eine Stellungnahme der Vollzugsanstalt einzuholen, der Verurteilte und die Staatsanwaltschaft sind zu hören. 51 Zur Frage der Zulässigkeit der Anhörung nur durch einen beauftragten Richter vgl. u.a.: OLG Düsseldorf NStZ-RR 2002 191 einerseits und OLG Rostock, Beschl. v. 25.8.2004 - 1 Ws 278/04 andererseits. Instruktiv zu Verfahrensfragen auch: OLG Hamm Beschl. v. 14.3.2003 - 2 Ws 71/03.
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4. Beiordnung eines Verteidigers. Der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer hat dem Verurteilten in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO auf Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger für ein einzelnes Prüfungsverfahren oder für die gesamte Maßregelvollstreckung beizuordnen, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint oder wenn sonst ersichtlich ist, dass der Verurteilte seine Belange nicht geltend machen kann 5 2 ; nach BVerfGE 46 202 = NJW 1978 151 gebietet der Grundsatz einer fairen Verfahrensführung die Beiordnung in „schwerwiegenden Fällen". Dass § 140 Abs. 2 StPO entsprechend anzuwenden ist, ist heute allgemein anerkannt.53 Maßgeblich für die Entscheidung ist die Schwere des Vollstreckungsfalles für den Verurteilten oder die besondere Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren.54 Im Hinblick auf die Schwere des Vollstreckungsfalles wird man bei Unterbringungen nach §§ 63, 66 regelmäßig einen Verteidiger bestellen müssen, bei solchen nach § 64 dürfte dies hingegen eher die Ausnahme sein. Der Verurteilte hat allerdings keinen Anspruch darauf, dass sein Anhörungstermin wegen Terminsschwierigkeiten seines Verteidigers verschoben wird; das gilt um so mehr, wenn dadurch die Einhaltung der Fristen des Absatzes 2 nicht mehr gewährleistet ist, denn diese liegen nicht nur im Interesse des Verurteilten, sondern auch im öffentlichen Interesse und sind daher unverzichtbar.55
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5. Rechtsmittel. Die Entscheidung nach § 67d Abs. 2, auch die Ablehnung der Aussetzung, ist mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar (§ 463 Abs. 3 i.V.m. § 454 Abs. 3 StPO). Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das sich gegen die Aussetzung oder Er50
51 52
OLG Nürnberg NStZ-RR 2 0 0 3 2 8 3 ; OLG Rostock N J W 2 0 0 3 1334; Groß MK Rdn. 10; Lackner/Kühl Rdn. 2; vgl. auch: OLG Koblenz NStZ-RR 2 0 0 5 3 0 sowie Schneider NStZ 2 0 0 8 68, 73. Sch/Schröder/Stree Rdn. 2. Groß MK Rdn. 10.
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Vgl. nur: Meyer-Goßner § 140 Rdn. 33 m.w.N. KG Berlin StrafFo 2 0 0 2 2 4 4 ; Meyer-Goßner § 140 Rdn. 33. Vgl. OLG Hamm RuP 2 0 0 3 37 m. abl. Anm. Rzepka.
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Mehrfache Anordnung der gleichen Maßregel
§ 67f
ledigung wendet, hat aufschiebende Wirkung (§ 4 5 4 Abs. 3 Satz 2 StPO). Für bestimmte Erledigungsentscheidungen gilt § 4 6 3 Abs. 5 i.V.m. § 4 6 2 StPO. Auch die Entscheidung nach § 67e Abs. 3 Satz 2 (Bestimmung einer Sperrfrist) kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (§ 4 5 4 Abs. 2 i.V. mit § 4 6 3 Abs. 3 StPO). 5 6 6. Antrags Wiederholung und Rechtskraftwirkung. Ist keine Anordnung nach Abs. 3 Satz 2 ergangen, so hat die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung oder Erledigung der Maßregel nur eine geringe Sperrwirkung aus Gründen der Rechtskraft. Unzulässig wegen Rechtskraft der Ablehnung sind nur solche Anträge des Verurteilten, die in der tatsächlichen Begründung mit dem abgelehnten Antrag übereinstimmen und auf die Rechtskraft der Entscheidung in derart kurzem Abstand folgen, dass der Eintritt neuer, für die Prognose bedeutsamer Umstände von vornherein ausgeschlossen ist. Das ist, da schon der bloße Zeitablauf Einfluss auf die Prognose haben kann, nur selten der Fall.
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VII. Auswirkung des § 67a Befindet sich der Verurteilte auf Grund einer Anordnung nach § 6 7 a im Vollzug einer Maßregel, die das erkennende Gericht nicht gegen ihn angeordnet hat, so richtet sich die Dauer der Prüfungsfrist gem. § 67e Abs. 2 nach dem Maßregelausspruch im Urteil (§ 67a Abs. 4 ) . 5 7 Für nach § 67a Abs. 2 S. 2 vorab aus dem Strafvollzug überwiesene Verurteilte gilt die gesonderte Prüfungsfrist nach § 6 7 a Abs. 4 S. 2.
§ 67f Mehrfache Anordnung der gleichen Maßregel Ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, so ist eine frühere Anordnung der Maßregel erledigt.
Schrifttum siehe die Angaben bei den §§ 67c, 67d.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift entspricht dem durch das 1. StrRG mit Wirkung vom 1.4.1970 in die Übergangsfassung aufgenommenen § 4 2 f Abs. 6. Die geltende Fassung beruht auf dem 2. StrRG und dem StVollzÄndG vom 2 0 . 1 2 . 1 9 8 4 (BGBl. I S. 1654). 1 Die Vorschrift beruht auf Beratungen im Sonderausschuss des Bundestages (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 8 0 3 ff, 819 ff, 8 2 2 ; V S. 2 8 0 5 , 3160 f, 3173). Sie ist während der Beratungen in der 5. Wahlperiode formuliert worden (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V S. 3173); in der vorhergehenden Wahlperiode war lediglich grund-
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Zur Zulässigkeit der Beschwerde in einem Sonderfall (Bestellung eines Sachverständigen nach Verfahrensverzögerung): OLG Koblenz MDR 1980 1039. Horn SK Rdn. 4.
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Insoweit ungenau: Groß MK Rdn. 1.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
sätzlich beschlossen worden, eine Vorschrift dieses Inhalts zu schaffen (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 822). Bei der Ausarbeitung der Vorschrift im Gesetzgebungsverfahren richtete sich das Interesse ausschließlich auf die Unterbringung in der Entziehungsanstalt (§ 64). Für sie war im Entwurf 1962 (BTDrucks. IV/650, § 89 Abs. 2) eine Höchstdauer vorgesehen, die zwei Jahre, im Wiederholungsfall vier Jahre, betrug. Die Anhörung eines Sachverständigen überzeugte den Sonderausschuss davon, dass eine Höchstdauer von zwei Jahren (vgl. jetzt § 67d Abs. 1 Satz 1) in jedem Falle, auch bei wiederholter Anordnung der Maßregel, ausreiche (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 808). Es bestand aber die Besorgnis, dass die Begrenzung der Höchstdauer auf zwei Jahre durch eine Rechtsprechung unterlaufen werden könne, die bei mehrfacher Anordnung der gleichen Maßregel die Höchstfristen addiert; eine solche Addition war bei befristeten Maßregeln, insbesondere bei der Unterbringung im Arbeitshaus, in der Tat von einigen Gerichten befürwortet worden (z.B. OLG Frankfurt N J W 1960 1399), während andere Gerichte den Standpunkt vertraten, eine solche Zusammenrechnung sei nicht zulässig (LG Göttingen, LG Nürnberg-Fürth RPfleger 1964 265, 2 6 6 ; LG Krefeld N J W 1965 360; AG Bremen N J W 1956 1888; vgl. auch das Referat von Schwalm Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 803 ff). Nachdem Vertreter des Bundesjustizministeriums darauf hingewiesen hatten, dass die vom OLG Frankfurt aaO vertretene Rechtsprechung auch bei einer Beschränkung der Maßregeldauer auf zwei Jahre im Ergebnis zu einer vierjährigen Unterbringung führen könne ( S c h a ß e u t l e , Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 819), wünschte der Sonderausschuss eine gesetzliche Klarstellung, dass eine Zusammenrechnung der verschiedenen Höchstzeiten unzulässig sei (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. IV S. 821 ff; V S. 3160 f). In den Beratungen des Sonderausschusses bestand Klarheit darüber, dass die Regeln über die Gesamtstrafe (jetzt § 55 Abs. 2) Vorrang vor der neuen Vorschrift des Maßregelrechts haben würden (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V S. 3161 sowie Ausschussbericht BTDrucks. IV/4094 S. 2 2 f; vgl. jetzt auch BGHSt 3 0 305, 308 f).
Übersicht Rdn. I. Inhalt und Zweck der Vorschrift Π. Anwendungsbereich der Vorschrift
. . . . .
ΙΠ. Voraussetzungen
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IV. Wirkung der neuen Maßregelanordnung 1. Erledigung der alten Maßregel . . . 2. Wirkung einer Aussetzung der neuen Maßregel nach § 67b
3. Höchstfrist 4. Vollstreckung der früheren Maßregel war ausgesetzt V. Gesamtstrafe und § 67f VI. Andere Fälle der Maßregelkonkurrenz
Rdn. 11 12 13 17
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I. Inhalt und Zweck der Vorschrift 1
Die Vorschrift bestimmt, dass die Anordnung einer Unterbringung nach § 64 ihre Erledigung findet, wenn später eine gleichartige Maßregel angeordnet wird. Dadurch soll gesichert werden, dass die Unterbringung in der Entziehungsanstalt die (allerdings durch § 67d Abs. 1 Satz 3 modifizierte) Höchstdauer von zwei Jahren nicht überschreitet, gleichviel, ob zur selben Zeit mehrere Unterbringungsanordnungen vorliegen. Insofern dient die Vorschrift dazu, der zeitlichen Begrenzung bestimmter Maßregeln (§ 67d Abs. 1 Satz 1) ohne Rücksicht auf rechtstechnische Komplikationen zur Wirksamkeit zu ver-
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Mehrfache Anordnung der gleichen Maßregel
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helfen. 2 Grund dafür ist, dass auch bei einer Kumulation der Maßregelanordnungen die Zweckerreichung an ein bestimmtes Behandlungsprogramm gebunden ist, dessen Verlängerung irgendwann keinen Sinn mehr macht. 3 Hier zeigt sich der Vorrang der Heilung gegenüber der Sicherung (anders als bei den beiden anderen freiheitsentziehenden Maßregeln). 4
Π. Anwendungsbereich der Vorschrift Die „mehrfache Anordnung der gleichen Maßregel" ist gegeben, wenn auf die rechtskräftige Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine weitere, in Rechtskraft erwachsende Anordnung einer Maßregel nach § 64 folgt.
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Auf die Maßregel der Sicherungsverwahrung oder der Unterbringung in einem psy- 3 chiatrischen Krankenhaus ist die Vorschrift nicht analog anwendbar 5 , da insoweit keine planwidrige Regelungslücke besteht. Für diese Maßregeln gibt es überdies keine gesetzliche Höchstfrist, die es auch bei mehrfacher Maßregelanordnung einzuhalten gälte. Bei ihnen steht auch der Sicherungszweck gleichrangig neben (§ 63) oder vorrangig vor (§ 66) dem Behandlungszweck, so dass bei ihnen eine zeitlich unbegrenzte Vollstreckung, ggf. auch mehrerer Maßregeln sinnvoll ist. Für den Fall, dass die Maßregel nach § 63 ausnahmsweise wegen pathologischer Alkoholsucht angeordnet wurde gilt daher nichts anderes. 6
ΙΠ. Voraussetzungen § 67f setzt voraus, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet 4 wird und (incident), dass eine frühere Anordnung der Maßregel vorliegt. Grundsätzlich ist bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Anordnung der Maßregel nach § 64 auch dann zwingend, wenn bereits eine derartige Maßregelanordnung aus einem anderen Verfahren besteht. 7 Selbst wenn das erkennende Gericht unter Anwendung der Regeln über eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung zwei Gesamtstrafen verhängt und bei der ersten Gesamtstrafe die früher angeordnete Maßregel aufrecht erhält, so ist es nach dem Gesetz verpflichtet, bei der zweiten Gesamtstrafe die Maßregel erneut anzuordnen, wenn die Taten, die ihr zu Grunde liegen, wenigstens teilweise nach der Verurteilung in dem früheren Verfahren begangen wurden. 8 Die früher angeordnete Maßregel darf, wenn die neue Anordnung rechtskräftig wird, 5 noch nicht nach § 67d Abs. 3 Satz 2 oder nach § 67g Abs. 5 erledigt sein 9 , denn dann könnte die Erledigungsrechtsfolge nach § 67f nicht mehr eintreten. Ihre Vollstreckung darf noch nicht verjährt sein (§ 79 Abs. 4 Satz 2). 1 0 Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die früher angeordnete Maßregel zur Zeit der Anordnung der neuen Maßregel vollstreckt wird, zur Bewährung ausgesetzt (§§ 67b, 67c, 67d Abs. 2) oder noch nicht vollzogen worden ist, ob vor der Maßregel eine Strafe
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Vgl. Sch/Schröder/Stree Rdn. 1. Vgl. Pollähne/Böllinger2NK Rdn. 2. Vgl. aber auch die Kritik bei Pollähne/ Böllinger2 NK Rdn. 3 f. Vgl. auch: Groß MK Rdn. 2. AA: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 6.
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BGH NStZ 1992 4 3 2 ; BGH Urt. v. 12.9.2001 - 3 StR 313/01. BGH Beschl. v. 5 . 9 . 2 0 0 6 - 3 StR 3 0 5 / 0 6 . Fischer Rdn. 1. Groß MK Rdn. 4.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
vollstreckt wird ob der Maßregelvollzug bisher aus anderen Gründen ganz oder zum Teil unterblieben ist oder ob die Maßregel erst nach einem Widerruf ihrer Aussetzung vollzogen wird. 11 Der Anwendbarkeit des § 67f steht also nicht entgegen, dass sich der Verurteilte schon im Vollzug der früher angeordneten Maßregel befunden hat. Die Anwendung des § 67f setzt nicht voraus, dass die neu angeordnete Maßregel alsbald zu vollstrecken ist; § 67f gilt auch, wenn mit der Anordnung der neuen Maßregel nach § 67 Abs. 2 bestimmt wird, dass zunächst die Strafe zu vollstrecken sei. § 67f ist auch anwendbar, wenn die neu angeordnete Maßregel vom erkennenden Gericht nach § 67b ausgesetzt wird (dazu Rdn. 10).
IV. Wirkung der neuen Maßregelanordnung 1. Mit dem Eintritt der Rechtskraft der neuen Anordnung ist die alte Maßregel soweit sie noch nicht vollstreckt ist 12 - erledigt (zum Begriff der Erledigung vgl. § 67c Abs. 2, § 67d Abs. 3, § 67g Abs. 5, § 70b Abs. 5).13 Die Dauer der Unterbringung richtet sich allein nach der neuen Anordnung. Einer gerichtlichen Anordnung der Erledigung - die Kraft Gesetzes eintritt - bedarf es nicht; sie ist aber klarstellungshalber möglich.14 Die Vollstreckung der früher angeordneten Maßregel darf nicht mehr eingeleitet werden. 15 Befindet sich der Verurteilte zur Zeit der neuen Entscheidung im Vollzug der Maßregel, so gilt der weitere Freiheitsentzug als Vollstreckung der neu angeordneten Maßregel, auf deren (also der neuen Maßregel) Höchstdauer er anzurechnen ist (Ausschussbericht BTDrucks. V/4094 S. 23). 16 Dagegen wenden Pohlmann/Jabel/Wolf (StVollstrO8 [2001] § 54 Rdn. 9) ein, ein „automatischer Übergang der Vollstreckung" sei mit § 451 StPO nicht vereinbar, so dass, wenn die Vollstreckung der neuen Maßregel nicht pünktlich eingeleitet worden sei, die „noch auf Grund der früheren Anordnung unzulässigerweise vollstreckte Unterbringung" nur im Gnadenwege auf die spätere Unterbringung angerechnet werden könne. Dem ist entgegenzuhalten, dass § 67f bei sinngemäßer Auslegung eine materiell-rechtliche Anrechnung des Maßregelvollzugs nach Rechtskraft der neuen Entscheidung impliziert (zum Vollstreckungsrecht vgl. im Übrigen § 54 Abs. 3 StVollstrO). 2. Ist die Anordnung der neuen Maßregel mit einer Aussetzung nach § 67b verbunden worden, so ist der Verurteilte unverzüglich aus dem Maßregelvollzug zu entlassen; denn nach der Erledigung der alten Anordnung gilt nur noch die neue Entscheidung, nach der der Maßregelvollzug auszusetzen ist.17 Zwischenentscheidungen, die sich auf die früher angeordnete Maßregel bezogen haben (z.B. nach § 67c Abs. 1, S 67g) sind mit der alten Maßregel gegenstandslos geworden.18 Das gilt auch für die Führungsauf-
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Groß MK Rdn. 3. Vgl. Pohlmann RPfleger 1970 233, 234. BGH Urt. v. 12.9.2001 - 3 StR 313/01; Groß MK Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2. OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.8.2001 - Ws 928/01. Sch/Schröder/Stree Rdn. 2. Horn SK Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3; Fischer Rdn. 1; zu
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der ähnlich gelagerten Problematik bei entgegen § 454b StPO nicht erfolgter Unterbrechung der Vollstreckung einer von mehreren Freiheitsstrafen zum Zweidrittelzeitpunkt vgl. BVerfG NStZ 1988 474; LG Marburg NStZ 1988 273. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 9. Vgl. Sch/Schröder/Stree Rdn. 2.
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Mehrfache Anordnung der gleichen Maßregel
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sieht, die aufgrund einer früheren Aussetzung nach § 67b Abs. 2, 67d Abs. 2 S. 2 , wegen vorzeitigem Vollzugsende nach § 67d Abs. 5 S. 2 oder im Rahmen einer Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 S. 2 eingetreten war. 19 3. Die Höchstfrist der Unterbringung bestimmt sich allein nach der neuen Anordnung; sie beträgt bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zwei Jahre und wird nach Maßgabe des § 67d Abs. 1 Satz 3 verlängert. Eine Zusammenrechnung der neuen Höchstfrist und des noch nicht verbrauchten Restes der alten findet nicht statt; umgekehrt wird die Zeit, die der Täter auf Grund der früheren Anordnung im Maßregelvollzug verbracht hat, nicht auf die neue Höchstfrist angerechnet (BTDrucks. V/4094 S. 23; Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V S. 3160 f). 2 0 Da eine Anrechnung des bisherigen Maßregelvollzuges nicht stattfindet, kann die Gesamtdauer des Maßregelvollzuges trotz der Zielsetzung der Vorschrift, diese Dauer abzukürzen, bis an vier Jahre heranreichen, sofern der Verurteilte zur Zeit der neuen Entscheidung schon auf Grund der alten Anordnung nahezu die gesetzliche Höchstdauer in der Entziehungsanstalt (mit oder ohne Unterbrechungen) verbracht hatte. Möglich ist auch noch eine darüber hinausgehende zeitliche Dauer der Vollstreckung der Maßregeln, wenn nämlich diese vielfach angeordnet wird und jeweils schon ein erheblicher Teil der vorhergehend angeordneten vollstreckt ist. 21 In solchen Fällen wird stets eine Aussetzung des Maßregelvollzuges - zweckmäßigerweise nach § 67b, sonst nach § 67d Abs. 2 - zu erwägen sein. Demgegenüber beträgt (unbeschadet der Auswirkungen des § 67d Abs. 1 Satz 3) die Höchstdauer der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur zwei Jahre, wenn mit der Vollstreckung der früher angeordneten Maßregel noch nicht begonnen worden war (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V S. 3161). Freilich besteht in allen Fällen ohnehin die Möglichkeit einer mehr als zweijährigen Unterbringung nach der Vorschrift des § 67d Abs. 1 S. 2.
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4. War die Vollstreckung der früher angeordneten Maßregel zur Bewährung ausgesetzt worden und bezieht sich die neue Anordnung auf eine danach begangene Tat, so bedarf es keines Widerrufes der Aussetzung, weil diese mit der alten Anordnung gegenstandslos geworden ist (vgl. Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V S. 3161; BTDrucks. V/4094 S. 2 3 ) . 2 2 Anders als bei Strafen oder den anderen Maßregeln hat der Verurteilte, wenn er die Aussetzung der neuen Maßregel nach § 6 4 erreicht hat, einen Widerruf der früheren nicht mehr zu gewärtigen. Ist auch die neu angeordnete Maßregel ausgesetzt worden, so begründet der Verstoß gegen eine bei der früheren Aussetzung erteilte Weisung für sich allein keinen Widerruf der neuen Aussetzung; denn auch die Weisung ist mit der früheren Anordnung gegenstandslos geworden. Die Dauer der Führungsaufsicht bestimmt sich in diesem Fall allein nach den für die neue Anordnung geltenden Grundsätzen.
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Vgl. LG Heilbronn NStE § 67f Nr. 1; Groß MK Rdn. 5. Groß MK Rdn. 5; Horn SK Rdn. 4; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4.
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Pollähne/Böllinger NK Rdn. 9. OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.8.2001 - Ws 928/01; Lackner/Kühl Rdn. 2; Fischer Rdn. 1.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
V. Gesamtstrafe und § 67f 13
Wird die neue Maßregel wegen einer Tat angeordnet, die der Täter vor der Verhängung (§ 55 Abs. 1 Satz 2) der alten Maßregel begangen hat, so haben die Regeln des § 55 Vorrang vor § 67f (BGHSt. 30 305, 308 {). Dies entspricht den Vorstellungen des Sonderausschusses (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V S. 3161; BTDrucks. V/4094 S. 23) und der heute herrschenden Meinung.23 Durch § 67f soll sich nichts an dem Grundsatz ändern, dass bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe der Täter so zu stellen ist, als sei der Rechtsfolgenausspruch zum frühestmöglichen Zeitpunkt ergangen. Dann wäre im vorliegenden Zusammenhang nur eine einzige Maßregel angeordnet worden, und zwar anlässlich der ersten Aburteilung. Demgemäß ist bei nachträglicher Bildung der Gesamtstrafe i.S. des § 55 Abs. 2 die frühere Maßregelanordnung aufrechtzuerhalten und keine weitere Maßregel anzuordnen. Die Anwendung des § 55 Abs. 2 begünstigt den Täter mehr als § 67f: Die Zeit, während deren die im ersten Urteil angeordnete Maßregel vollstreckt worden ist, wird weiterhin auf die höchste Dauer des Maßregelvollzuges (§ 67d Abs. 1) angerechnet.24
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War neben der zunächst angeordneten Maßregel eine Strafe verhängt worden und ist diese verbüßt, so ist § 55 Abs. 2 nicht unmittelbar anzuwenden. Jedoch kommt eine analoge Anwendung in folgender Weise in Betracht: In der späteren Entscheidung ist auszusprechen, dass nur die zunächst angeordnete Maßregel Bestand hat und die spätere entfällt, wobei die bisherige Maßregelvollstreckung auf die Höchstdauer der zunächst angeordneten Maßregel angerechnet wird.25 In Fällen, in denen die neu abgeurteilte Tat vor einer früheren, wegen der bereits die Maßregel angeordnet wurde, begangen worden ist, eine Gesamtstrafenbildung mit Anwendung des § 55 Abs. 2 aber wegen der Zäsurwirkung einer anderen Verurteilung ausscheidet, ist § 55 Abs. 2 nach der Rechtsprechung weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Dennoch ist eine erneute Maßregelanordnung nicht möglich, weil die jetzt abgeurteilte Tat bei der früheren Maßregelanordnung hätte berücksichtigt werden können. Hier hat es dann bei der früheren Maßregelanordnung sein Bewenden.26
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Die alte Maßregelanordnung ist auch aufrechtzuerhalten, wenn nur die alte und nicht die neu abgeurteilte Tat die Maßregel rechtfertigt. Ergibt sich bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung, dass die früher wegen einer Tat a) verhängte Maßregel nur noch durch die später abgeurteilte, aber vor dem ersten Urteil begangene Tat b) gerechtfertigt ist, so wird keine neue Maßregel angeordnet; vielmehr verbleibt es (unter Anrechnung des erlittenen Maßregelvollzuges auf die Höchstfrist) bei der bisherigen Maßregelanordnung; denn die alte Maßregel hätte bei rechtzeitiger Aburteilung aller Taten wegen der Tat b) angeordnet werden müssen.27 Eingehend zur Gesamtstrafproblematik Pohlmann RPfleger 1970 233.
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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gem. § 55 eine Unterbringungsanordnung auch dann aufrecht zu erhalten
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Vgl. BGH NStZ 1998 79; BGH Beschl. v. 2 2 . 7 . 2 0 0 5 - 2 StR 2 5 8 / 0 5 ; Beschl. v. 8.11.1991 - 2 StR 409/91; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1 9 9 9 211; Groß MK Rdn. 4; Horn SK Rdn. 5; Lackner/Kühl Rdn. 3; Rissingvan Saan LK § 5 5 Rdn. 58; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 5. Horn SK Rdn. 5; Scb/Schröder/Stree Rdn. 5.
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Groß NK Rdn. 5; Horn SK Rdn. 6; Sch/ Schröder/Stree Rdn. 5. Vgl. BGH Beschl. v. 8.11.1991 - 2 StR 4 0 9 / 9 1 ; BGH NStZ 1998 79; vgl. auch Pohlmann RPfleger 1970 233. Vgl. Lackner/Kühl § 5 5 Rdn. 18.
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Widerruf der Aussetzung
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ist, wenn die Maßregel bereits aufgrund einer weiteren Anordnung aus einer nicht einbezogenen Verurteilung nach § 67f erledigt ist, denn ohne die Aufrechterhaltung würde der bisherigen Maßregelvollstreckung die Grundlage entzogen. Die Aufrechterhaltung bewirkt lediglich, dass die Rechtsfolgen mit dem Inhalt fortbestehen, den sie nach der früheren Entscheidung hatten. 28
VI. Andere Fälle der Maßregelkonkurrenz Wegen der Konkurrenz verschiedenartiger, in verschiedenen Urteilen angeordneter Maßregeln ist auf § 54 Abs. 2 i.V.m. § 43 Abs. 7 StVollstrO zu verweisen. Danach bestimmt sich die Reihenfolge der Vollstreckung unter Berücksichtigung der verschiedenen Maßregelzwecke nach dem pflichtgemäßen Ermessen der Vollstreckungsbehörde; im Regelfall soll die Entziehungsanstalt dem psychiatrischen Krankenhaus und dieses der Sicherungsverwahrung vorgehen (§ 54 Abs. 2 Satz 5 StVollstrO: Prinzip des Vorrangs der milderen Sanktion). Wegen der mit § 67c verbundenen Fragen vgl. § 67c Rdn. 30 ff. Eine Erledigung früher angeordneter Maßregeln findet auch hier nicht statt.
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In den vorgenannten Fällen ist darauf zu achten, dass bei der Anwendung des § 67d Abs. 2 die Aussetzung sämtlicher Maßregeln angeordnet wird; hierbei bedarf es häufig der Beteiligung verschiedener Vollstreckungsbehörden (vgl. § 43 Abs. 5, 7 StrVollstrO). Wegen der Konkurrenz verschiedener, in einem Urteil angeordneter Maßregeln vgl. §72.
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§ 67g Widerruf der Aussetzung (1) Das Gericht widerruft die Aussetzung einer Unterbringung, wenn die verurteilte Person 1. während der Dauer der Führungsaufsicht eine rechtswidrige Tat begeht, 2. gegen Weisungen nach § 68b gröblich oder beharrlich verstößt oder 3. sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers oder der Aufsichtsstelle beharrlich entzieht und sich daraus ergibt, dass der Zweck der Maßregel ihre Unterbringung erfordert. Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn der Widerrufsgrund zwischen der Entscheidung über die Aussetzung und dem Beginn der Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 4) entstanden ist. (2) Das Gericht widerruft die Aussetzung einer Unterbringung nach den §§ 63, 64 auch dann, wenn sich während der Dauer der Führungsaufsicht ergibt, dass von der verurteilten Person infolge ihres Zustandes rechtswidrige Taten zu erwarten sind und deshalb der Zweck der Maßregel ihre Unterbringung erfordert. (3) Das Gericht widerruft die Aussetzung ferner, wenn Umstände, die ihm während der Dauer der Führungsaufsicht bekannt werden und zur Versagung der Aussetzung geführt hätten, zeigen, dass der Zweck der Maßregel die Unterbringung der verurteilten Person erfordert. (4) Die Dauer der Unterbringung vor und nach dem Widerruf darf insgesamt die gesetzliche Höchstfrist der Maßregel nicht übersteigen. 28
OLG Karlsruhe NStZ-RR 1999 211.
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§ 67g
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
(5) Widerruft das Gericht die Aussetzung der Unterbringung nicht, so ist die Maßregel mit dem Ende der Führungsaufsicht erledigt. (6) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Weisungen erbracht hat, werden nicht erstattet.
Schrifttum Baur Anmerkung zu OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.6.1989 - Ws 675/89, NStZ 1990 254; Beuthner Die Resozialisierbarkeit der nach § 42b StGB seit 1945 im Landeskrankenhaus Neustadt/Holstein untergebrachten männlichen Sexualdelinquenten, med. Diss. Kiel 1974; Frank Der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung und der Widerruf der Aussetzung des Strafrestes, MDR 1982 353; Funck Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.1.1996 - 3 Ws 36/96, StV 1997 317; Krause Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bei unbekanntem Aufenthalt des Verurteilten, NJW 1977 2249; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, in: Göppinger/Witter (Hrsg.), Handbuch der forensischen Psychiatrie (1972), S. 3 ff; Meynert Die bedingte Entlassung und ihr Widerruf, MDR 1974 807; Mittelbach Urteilsanmerkung zu OLG Celle JR 1958 150, 151; Metrikat Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB - Eine Maßregel im Wandel (2002); Pätzold Die Eingriffsvoraussetzungen bei freiheitsentziehenden Maßregeln unter besonderer Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit, jur. Diss. Tübingen 1975; Pollähne Wiederholte Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB? - Anmerkung zu BGHSt 50, 199 JR 2006 316; Schachert Kriminologische Untersuchungen an entlassenen Sicherungsverwahrten 1963; Schreiber/Rosenau Rechtliche Grundlagen der psychiatrischen Begutachtung, in: Venzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl. (2004), S. 54; Tröndle „Zurückstellung der Strafvollstreckung" und Strafaussetzung zur Bewährung; MDR 1982 1; Winkler Umgang mit der Meldepflicht bei Therapieabbruch, in: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.), Sucht und Delinquenz (1983), S. 125. Weitere Literatur in den Schrifttumsangaben vor den §§ 56f, 67b, 67c, 67d.
Entstehungsgeschichte Bis zum 31.3.1970 galt § 4 2 h Abs. 1 Satz 3 i.d.F. des GewVerbrG mit folgendem Wortlaut: „Zeigt der Entlassene durch sein Verhalten in der Freiheit, daß der Zweck der Maßregel seine erneute Unterbringung erfordert, und ist die Vollstreckung der Maßregel noch nicht verjährt, so widerruft das Gericht die Entlassung". § 4 2 h Abs. 2 i.d.F. des GewVerbrG enthielt eine dem heutigen § 67g Abs. 4 entsprechende Regelung. Die durch das 1. StrRG eingeführte Übergangsfassung (gültig vom 1.4.1970 bis zum 31.12.1974) traf eine wörtlich übereinstimmende Regelung in § 42h Abs. 3 (Widerruf) und Abs. 4 (Dauer der Unterbringung im Falle des Widerrufs). Eine dem § 67g Abs. 5, 6 entsprechende Regelung enthielt das frühere Recht nicht. Nach dem zitierten Gesetzestext konnte die Entlassung, die „nur als bedingte Aussetzung der Unterbringung" galt (§ 4 2 h Abs. 1 Satz 1 i.d.F. des GewVerbrG; § 4 2 h Abs. 3 Satz 1 i.d.F. des 1. StrRG), bis zur Vollstreckungsverjährung widerrufen werden; die Frist der Vollstreckungsverjährung betrug bei der Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt fünf Jahre, bei der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt und bei der Sicherungsverwahrung zehn Jahre (§ 7 0 Abs. 2 a.F.). Der E 1962 schrieb den Widerruf der Aussetzung vor, „wenn das Verhalten des Verurteilten während der Bewährungszeit oder Sicherungsaufsicht oder Umstände, die nachträglich bekannt werden, zeigen, daß der Zweck der Maßregel seine Unterbringung
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Widerruf der Aussetzung
§
67g
erfordert" (§ 108 Abs. 1 Satz 1). Nach § 108 Abs. 3 E 1962 sollte, sofern die Voraussetzungen für den Widerruf nicht erfüllt waren, die Maßregel nach Ablauf der Bewährungszeit oder der Sicherungsaufsicht für erledigt erklärt werden. Die Erledigung sollte stets eines gerichtlichen Ausspruches bedürfen. Die Fassung des § 67g beruht im Grundsatz auf dem 2. StrRG. In der ursprünglichen Fassung des 2. StrRG (Gesetz vom 4.7.1969, BGBl. I S. 731) lautete S 67g Abs. 5 wie folgt: „(5) Mit dem Beschluß über die Aufhebung der Fübrungsaufstcht (§ 68e) ist die Maßregel erledigt. Die Vorschriften über die Erledigung der Maßregel unter anderen Voraussetzungen (§ 67c Abs. 2, § 67d Abs. 3, § 67f) bleiben unberührt". Mit Art. 18 Teil II Nr. 2 9 EGStGB 1974 wurde der zweite Satz dieses Absatzes als überflüssig gestrichen; der erste Satz erhielt seine jetzige Fassung. In dieser Form ist § 67g durch das EGStGB 1974 mit Wirkung vom 1.1.1975 in Kraft gesetzt worden. Durch Art. 2 Nr. 11 StVollzÄndG vom 20.12.1984 (BGBl. I S. 1655) wurde die vordem enthaltene, aber bereits seinerzeit gegenstandslose, Bezugnahme auf § 65 Abs. 3 gestrichen, weil auch die Regelung der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt insgesamt aus dem StGB gestrichen wurde. Durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht vom 13.4.2007 (BGBl. I S. 513) wurde Absatz 1 S. 2 eingefügt und die Vorschrift im Übrigen geschlechterneutral gefasst. Materialien zur Entstehungsgeschichte des § 67g: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission (1958) Bd. 3 365, 361, 371, 374; Bd. 12 326, 432, 584; E 1962 (BTDrucks. IV, 650): § 108 Abs. 1, 3, 4; AE: § 74 Abs. 3, § 76 Abs. 3; Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 471 ff, 7 9 0 ff, 2338 ff, 2447, 2 4 5 3 , 3141, 3161; Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. VII, 744; Ausschussberichte: BTDrucks. V/4094 S. 23; V/4095 S. 34; 7/1261 S. 8; zu § 67g Abs. 1 S. 2 BTDrucks. 16/1993 S. 16.
Übersicht Rdn.
Rdn. I. Inhalt und Zweck der Vorschrift 1. Allgemeines 2. Erwägungen des Gesetzgebers . . . . 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften des Maßregelrechts und zu § 5 6 f . . . a) Zusammenhang mit den Vorschriften über Anordnung und Aussetzung einer Maßregel b) Parallelen mit den Merkmalen des
1
§ 56f Π. Allgemeine Widerrufsvoraussetzung: Der Zweck der Maßregel erfordert die Unterbringung (Absätze 1 - 3 ) 1. Übersicht 2. „Zweck der Maßregel" 3. Erforderlichkeit a) Gesamtwürdigung b) Geeignetheit zur Erfüllung des Maßregelzwecks c) Angemessenheit ΙΠ. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Widerrufs (Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Absatz 2 , Absatz 3)
12 18 18 22 29
1. Allgemeines 2. Rechtswidrige Tat während der Führungsaufsicht (Abs. 1 Nr. 1 ) a) Symptomcharakter b) Rechtswidrigkeit der Tat c) Bedeutung der Unschuldsvermutung Art. 6 Abs. 2 E M R K d) Bindungswirkung an die Entscheidung des erkennenden Gerichts e) Begehung der Tat während der Dauer der Führungsaufsicht . . . . 3. Verstoß gegen Weisungen (Absatz 1 Nr. 2) a) Bestimmtheit der Weisung b) Zulässigkeit der Weisung c) Gröblicher und beharrlicher Verstoß d) Verstoß während der Dauer der Führungsaufsicht 4. Behinderung des Bewährungshelfers und der Aufsichtsstelle 5. Widerruf aufgrund des Zustandes (Absatz 2) a) Ergänzender Widerrufsgrund . . . b) Zustand
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31 34 35 36 37 39 40 44 45 47 48 50 51 57 57 59
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Rdn.
Rdn. c) Zustandsbedingte Prognose muss sich während der Dauer der Führungsaufsicht ergeben
61
d) Prognosemaßstab 6. Widerruf aufgrund nachträglich bekannt gewordener Umstände (Absatz 3) a) Subsidiärer Widerrufsgrund . . . b) Begriff der „Umstände" c) Vorhandensein vor beginn der Führungsaufsicht IV. Rechtsfolgen 1. Obligatorischer Widerruf 2. Wirkungen des Widerrufs; Fristberechung nach Absatz 4 a) Allgemeines b) Vorhandensein einer noch nicht erledigten Freiheitsstrafe c) Möglichkeit erneuter Aussetzung 3. Entscheidung bei Gelegenheit des Widerrufs
63 64 64 65 67 70 72 72
.
74 75
4 . Rechtsfolgen bei Nichtwiderruf (Absatz 5) 5. Behandlung von Leistungen nach Absatz 6 V. Konkurrenz mit anderen Entscheidungen über Strafen und Maßregeln 1. Mit der Maßregel verhängte Freiheitsstrafe 2. Strafen und freiheitsentziehende Maßregeln aufgrund eines anderen Urteils VI. Verfahrensrechtliche Gesichtspunkte beim Widerruf 1. Zuständigkeit 2. Verfahren 3. Rechtsmittel 4 . Widerruf bei fehlender Rechtskraft der Aussetzung
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79 80
81 84 89 91
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I. Inhalt und Zweck der Vorschrift 1
1. Allgemeines. Die Aussetzung der Unterbringung (§§ 67b; 67c Abs. 1, Abs. 2 Satz 4; § 67d Abs. 2) steht, anders als die Erledigung einer Maßregel, unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall, dass der Zweck der Maßregel eine erneute Vollstreckung erfordert. Allerdings ist der Widerruf nicht unbeschränkt zulässig. Die Möglichkeit des Widerrufs ist vielmehr in mehrfacher Hinsicht eingegrenzt: Das Gesetz sieht einen numerus clausus der Widerrufsgründe vor (Absätze 1 bis 3). Das Gericht kann den Widerruf grds. nur auf bestimmte Ereignisse während der Führungsaufsicht (Absatz 1 S. 1 und Absatz 2; Ausn. Absatz 1 S. 2) oder auf bestimmte Erkenntnisse, die es während der Führungsaufsicht erlangt (Absatz 3), stützen. Ist die Unterbringung befristet (§ 67d Abs. 1), so darf die zusammengerechnete Dauer der Unterbringung vor der Aussetzung und nach dem Widerruf die gesetzliche Höchstfrist nicht überschreiten (Absatz 4). Läuft die Dauer der Führungsaufsicht ab, ohne dass die Aussetzung widerrufen worden ist, so ist die Maßregel erledigt (Absatz 5). Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Weisungen erbracht hat, werden in den Fällen des Widerrufs und der Erledigung nicht erstattet (Absatz 6).
2
Der Widerruf der Maßregelaussetzung ist eine außerordentlich schwerwiegende Entscheidung. Sie ermöglicht den Vollzug einer zeitlich unbestimmten Unterbringung, die (außer in den Fällen des § 64) viele Jahre dauern kann. Der Widerruf wiegt deshalb für den Betroffenen zumindest ebenso schwer wie die Anordnung der Maßregel. Das Vorliegen der Widerrufsvoraussetzungen ist daher mit gleicher Sorgfalt zu prüfen wie das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen. 1
3
Die Zahlen zu § 67g sind nicht ganz einheitlich. So wird angegeben, dass die Widerrufsfälle etwa 3 % der nach §§ 63, 64 Untergebrachten (271 von 7.399) ausmachen. 2 Die
1
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Horstkotte LK 1 0 § 67g Rdn. 3; Schreiber/ Rosenau S. 54, 115. Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Fach-
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serie 10, Reihe 4.1, 2 0 0 3 Ziff 6; vgl. auch Pollähne/Böllinger NK Rdn. 5.
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Widerruf der Aussetzung
Legalbewährung bei Verurteilten, deren Maßregel entweder anfänglich (§ 67b) oder nachträglich (§ 67d Abs. 2) zur Bewährung ausgesetzt wurde, ist insgesamt eher schlecht, ohne dass es aber immer gleich zum Widerruf kommt. 3 Die Widerrufsquote nach Bewährungsaussetzungen gem. § 67d Abs. 2 beträgt etwa 2 5 % 4 , in den Fällen der Sicherungsverwahrung betrug sie (Anfang der 90er Jahre) etwa 37 % (mit starken regionalen Schwankungen). 5 2. Erwägungen des Gesetzgebers. Die rechtliche Begrenzung des Widerrufstatbestandes (Absätze 1 bis 3) ist ein Ergebnis der Beratungen im Sonderausschuss (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 471 ff, 7 9 0 ff, 2 3 3 8 ff). Nach dem E 1962 sollte die Generalklausel des § 42h Abs. 3, 4 i.d.F. des GewVerbrG (vgl. die Bemerkungen zur Entstehungsgeschichte) nicht eingeschränkt, sondern erweitert werden, indem auch die Verwertung nachträglich bekannt gewordener Umstände zugelassen wurde (§ 108 Abs. 1 Satz 1 E 1962). Hiergegen wandten sich Vertreter aller Parteien im Sonderausschuss (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 4 7 3 ff). Das Interesse an einer rechtsstaatlichen Präzisierung der Widerrufsgründe hing mit den Bemühungen um eine Herausarbeitung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Maßregelrecht (§ 62) zusammen; in ähnlicher Weise hat der Sonderausschuss die Vorschläge des E 1962 zum Widerruf der Strafaussetzung (jetzt: § 56f) umgestaltet. Der numerus clausus der Widerrufsgründe in § 63 des österreichischen Ministerialentwurfes eines StGB (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 4 7 2 ; vgl. jetzt §§ 5 3 - 5 5 österr. StGB) hatte Einfluss auf die Beratungen des Sonderausschusses. Zu einer einschränkenden Fassung der Widerrufsvoraussetzungen trugen auch Mitteilungen aus der Literatur bei, wonach die Aussetzung der Sicherungsverwahrung schon bei geringfügigen Entgleisungen und anderen trivialen Anlässen widerrufen worden ist. 6 Die Umgestaltung der Widerrufsvorschriften sollte die Widerrufsgründe konkretisieren, ihren Bezug auf den Zweck der Maßregel sowie auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz herausarbeiten und der Verwertung von Umständen aus der Zeit vor der Führungsaufsicht genaue Grenzen setzen (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 4 7 0 ff, 7 9 0 ff, 2338 ff; BTDrucks. IV/4095 S. 34). Dieser Zielsetzung hat die Auslegung des § 67g zu entsprechen.
4
3. Verhältnis zu anderen Vorschriften des Maßregelrechts und zu § 56f a) Die Auslegung und praktische Handhabung der Widerrufsvorschrift (§ 67g) steht mit der Anwendung der Vorschriften über die Anordnung und Aussetzung der freiheitsentziehenden Maßregeln in engem Zusammenhang. Das gilt zunächst in inhaltlicher Hinsicht: Der Widerruf ist nur zulässig, wenn der Zweck der Maßregel ihn erfordert; auch bei der Anordnung der Maßregel und bei ihrer Aussetzung ist auf den Maßregelzweck zu achten (vgl. Schöch LK Vor § § 61 ff Rdn. 2 9 ff). Andererseits besteht auch ein praktischpsychologischer Zusammenhang zwischen der Handhabung des Widerrufs und der Aus-
3
4 5
Vgl. zu Zahlen: Metrikat Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt S. 2 9 0 ff. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 5. Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand (1996) S. 4 3 5 ff; zu Zahlen aus älterer Zeit vgl. auch: Schachert Kriminologische Untersuchungen an entlassenen Sicherungsverwahrten, S. 120.
6
Vgl. Schachert Kriminologische Untersuchungen an entlassenen Sicherungsverwahrten, S. 120; vgl. dazu Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V S. 4 7 2 sowie Grünwald ZStrW 76 (1964) 633, 6 6 2 Fn 87.
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§ 67g
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Setzung der Maßregeln: Die Möglichkeit des Widerrufs begrenzt das Risiko, das mit jeder Maßregelaussetzung verbunden ist (vgl. § 67c Rdn. 6; § 67d Rdn. 1). Die Aussetzung wird dadurch erleichtert, dass sie unter Vorbehalt der Korrektur nach § 67g ergeht.7 Dieser Gesichtspunkt entbindet aber bei der Anwendung des § 67g nicht von der im Gesetz vorgeschriebenen und dem Maßregelzweck wie auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechenden umfassenden Abwägung aller für und gegen den Widerruf sprechenden Gesichtspunkte. Auch für die Entscheidung nach § 67g gilt, dass die freiheitsentziehenden Maßregeln subsidiär sind (Schöch LK Vor §§ 61 ff Rdn. 74), also nur vollstreckt werden dürfen, wenn andere Maßnahmen, insbesondere die Führungsaufsicht, nicht ausreichen, um den Maßregelzweck zu erreichen (näher Rdn. Rdn. 22). 6
b) Die Voraussetzungen für den Widerruf der Maßregelaussetzung (§ 67g) weisen in formaler Hinsicht Parallelen mit den Merkmalen des § 56f (Widerruf der Strafaussetzung) auf; 8 verfahrensrechtlich werden beide Widerrufsfälle weitgehend gleich behandelt. Insbesondere ist über die Frage des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung und der Maßregelaussetzung zur Bewährung zugleich zu entscheiden. Wegen der engen Verflechtung von Führungsaufsicht und Bewährungsaufsicht, der Nähe zwischen den Widerrufsgründen und der Vermeidung divergierender Bewertungen zu den Eingangsvoraussetzungen des Widerrufs und zu den wesentlichen prognostischen Prüfungsabschnitten ist ein Entscheidungsverbund geboten.9 Das heißt allerdings noch nicht zwingend, dass die Entscheidung bezüglich beider Komplexe immer gleich ausfallen muss (auch wenn das der Regelfall sein wird). Der Zweck wie auch die nähere Ausgestaltung der beiden Widerrufsvorschriften (§§ 56f, 67g) unterscheidet sich jedoch erheblich. Während es in § 56f Abs. 1 Nr. 1 beispielsweise um eine enttäuschte Erwartung geht (dieser also retrospektiv ist), ist § 67g rein zukunftsgerichtet auf die Abwehr von Gefahren. 10 Deswegen ist die Rechtsprechung zur materiellrechtlichen Auslegung des § 56f nur bedingt auf den Widerruf nach § 67g übertragbar.11 Zweck, Grund und Bemessungsmaßstab für Strafe und Maßregel sind unterschiedlich, was sich zwangsläufig auch bei den entsprechenden Widerrufsvorschriften niederschlägt.12 Das versteht sich allerdings angesichts der unterschiedlichen Gesetzesfassungen auch von selbst. Der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung und der Widerruf einer Maßregelaussetzung zur Bewährung sind daher grundsätzlich voneinander unabhängig.13 So kann beispielsweise bei der Begehung neuer Straftaten zwar § 56f Abs. 1 Nr. 1 vorliegen, ohne dass aber der Zweck der Maßregel die Unterbringung gebietet (z.B. weil die neu begangenen Straftaten keine erheblichen sind und auch nicht die Gefahr der Begehung neuer erheblicher Straftaten begründen, oder aber, weil bereits anderweitige Maßnahmen ergriffen wurden, die die Gefahr neuer erheblicher Straftaten hinreichend reduziert haben, vgl. dazu unten Rdn. 10).
7 8 9
10
Vgl. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 3. Groß MK Rdn. 1. OLG Hamburg Beschl. v. 17.3.2006 - 2 Ws 64/06. Vgl. Horn SK Rdn. 2.
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11 12 13
Groß MK Rdn. 1. Groß MK Rdn. 1. Groß MK Rdn. 1; vgl. auch Pollähne/ Böllinger NK Rdn. 29.
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Widerruf der Aussetzung
Π. Allgemeine Widerrufsvoraussetzung: Der Zweck der Maßregel erfordert die Unterbringung (Absätze 1 - 3 ) 1. Übersicht. Der Widerruf der Aussetzung setzt ausnahmslos voraus, dass der Zweck 7 der Maßregel die Unterbringung erfordert (Absätze 1, 2, 3). Dieses zentrale Merkmal der Widerrufsvorschrift knüpft in den Absätzen 1 bis 3 in sprachlich unterschiedlicher Weise, jedoch in gleichem Sinne, an die dort jeweils näher bezeichneten Vorgänge (Widerrufsgründe) an: In den Fällen des Absatzes 1 muss sich aus der neuen rechtswidrigen Tat (Nr. 1), dem Weisungsverstoß oder dem Verhalten gegenüber Bewährungshelfer oder Aufsichtsstelle ergeben, dass der Maßregelzweck die Unterbringung erfordert; in gleicher Weise muss sich in den Fällen des Absatzes 2 aus dem Zustand des psychisch geschädigten oder süchtigen Täters ein solches Erfordernis ergeben; schließlich müssen in den Fällen des Absatzes 3 die nachträglich bekannt gewordenen Umstände, die zur Versagung der Aussetzung geführt hätten, „zeigen" (= ergeben), dass der Maßregelzweck die Unterbringung erfordert. Dieses auf den Maßregelzweck bezogene Erfordernis ist, ebenso wie die einzelnen, sonst in Absatz 1 bis 3 genannten Umstände, eine gesondert zu prüfende Voraussetzung des Widerrufs. Die Formulierung, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung des Verurteilten 8 erfordert, verlangt (lediglich) eine Prognose (die entsprechend der Prognose, die auch für Maßregelanordnung erforderlich ist, zu erstellen ist). Hingegen müssen für den Widerruf nicht die sonstigen Voraussetzungen einer Maßregelanordnung, insbesondere hinsichtlich der Tat, die Anlass für den Widerruf bildet, erfüllt sein. Das zeigt sich schon bei der Aufzählung der Widerrufsgründe, welche ja noch nicht einmal überhaupt die Begehung einer neuen Straftat voraussetzen.14 Die Erwägungen, die bei der ähnlichen Formulierung in § 67b gelten, können auch 9 hier herangezogen werden (§ 67b Rdn. 41). Allerdings bedarf es hier zum Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung der positiven Feststellung, dass der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert, während es in § 67b für Aussetzung der positiven Feststellung bedarf, dass der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht wird (vgl. § 67b Rdn. 41 f). Das hat unterschiedliche Konsequenzen in Zweifelsfällen. Die Frage, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert, lässt sich nur 1 0 aufgrund einer Gesamtwürdigung beantworten, die die Persönlichkeit des Verurteilten, die für die Zukunft in Betracht zu ziehenden Taten und den Zwischenfall, der Anlass zu der Nachprüfung nach § 67g gibt, einschließen muss.15 Ebenso wie bei der Entlassungsprognose (§ 67d Rdn. 97 ff) sind die Lebensverhältnisse des Verurteilten zu berücksichtigen. Sie können einen positiven oder negativen Einfluss auf die Prognose haben. Auch der Einfluss künftiger, voraussehbarer Entwicklungen ist zu berücksichtigen (vgl. Rdn. 24 ff). Ist gegen den Verurteilten in einem anderen Verfahren eine längere Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel angeordnet worden, so kann dieser Umstand die erneute Vollstreckung der Maßregel und damit den Widerruf entbehrlich machen; dasselbe gilt, wenn zunächst nur die Aussetzung der mit der Maßregel verhängten Freiheitsstrafe widerrufen worden ist (vgl. Rdn. 27). Nach herrschender Ansicht gilt für die Widerrufsentscheidung der Grundsatz „in 11 dubio pro reo". 16 Demgegenüber wird (wie auch hinsichtlich der Aussage, bei der Ent14
15 16
Vgl. bereits auch: OLG Karlsruhe Justiz 1982 25; Horstkotte LK 1 0 § 67g Rdn. 7. Vgl. OLG Karlsruhe Justiz 1981 238. ' OLG Celle J R 1958 150 m. zust. Anm.
Mittelbach; OLG Schleswig N J W 1958 1791; Groß MK Rdn. 2 8 ; Lackner/Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 11.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
lassungsprognose sei im Zweifel zuungunsten des Untergebrachten zu entscheiden; vgl. § 67c Rdn. 56, § 67d Rdn. 105), zu differenzieren sein: Die Tatsachen, auf die der Widerruf gestützt wird, also insbesondere die Widerrufsgründe nach Absatz 1, die im Sinne des Absatzes 2 verwerteten Umstände und die nach Absatz 3 nachträglich ermittelten Vorgänge, müssen zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen; verbleiben Zweifel, so unterbleibt der Widerruf.17 Dasselbe gilt für die prognostisch relevanten Tatsachen medizinischer und sozialer Art. Dagegen sind das zusammenfassende Urteil, der Täter werde neue rechtswidrige Taten bestimmter Schwere begehen, die Einschätzung des Risikos, das noch hingenommen werden kann, und seine Abgrenzung von der nicht mehr akzeptablen Gefahr Bewertungen, die sich Beweisregeln entziehen.18 Hier hat das Gericht ohne Bindung an solche Regeln zu entscheiden, indem es das Gewicht der befürchteten Taten, den Grad ihrer Wahrscheinlichkeit, die Möglichkeiten der Kontrolle und ambulanten Behandlung und die Forderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in seine Abwägung einbezieht (vgl. ferner § 67d Rdn. 97 ff m.w.N.) 12
2. „Zweck der Maßregel". „Zweck der Maßregel" ist die Verhütung erheblicher rechtswidriger Taten (§ 63 Abs. 1; § 64 Abs. 1; § 66 Abs. 1 Nr. 3). Die Formulierung verweist auf die Gefahr, die durch die Maßregelanordnung vermieden werden soll (Ziel der Maßregel) und gleichzeitig auf das Mittel, mit dem das Ziel zu erreichen ist.19 Der Widerruf ist also nur zur Verhütung neuer, erheblicher rechtswidriger Taten (gleichviel, ob sie schuldhaft sein würden oder nicht) gerechtfertigt. Die Beziehung der einzelnen Maßregeln auf diesen primären Zweck ist in den § § 6 3 bis 66 in jeweils unterschiedlicher (vgl. Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 473), auch für die Widerrufsfrage bedeutsamer Weise eingeschränkt worden: Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dient nur zur Abwendung von Taten, die mit dem besonderen, die Anwendbarkeit des § 20 oder des § 21 begründenden psychischen Zustand des Verurteilten zusammenhängen; die Unterbringung der schuldunfähigen oder vermindert schuldfähigen Täter soll neben dem Sicherungszweck dazu dienen, erkrankte oder krankhaft Veranlagte von einem dauernden Zustand zu heilen oder darin zu pflegen.20 Die Unterbringung in der Entziehungsanstalt ist auf Fälle beschränkt, in denen eine Behandlung des an einer Sucht oder einem ähnlichen Zustand leidenden Täters eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg hat. Dementsprechend kann auch ein Widerruf der Aussetzung dieser Maßregel nur dann erfolgen, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht auf Behandlungserfolg besteht.21 Schließlich bezieht sich die Sicherungsverwahrung nur auf Täter, von denen Taten zu befürchten sind, die den Rechtsfrieden in dem durch § 66 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Sinne besonders schwerwiegend stören. 22 Dabei ist wegen § 67d Abs. 3 zu beachten, dass der Widerruf einer bereits mindestens für die Dauer von 10 Jahren vollstreckten Sicherungsverwahrung nur noch möglich ist, wenn erhebliche Straftaten drohen, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden (also wirtschaftlicher Schaden nicht mehr ausreicht).
17
18 19 20
Vgl. OLG Hamm NJW 1974 914, 915; OLG Saarbrücken Beschl. v. 18.9.2007 - 1 Ws 150/ 07 (= BeckRS 2 0 0 7 17527); vgl. auch OLG Koblenz VRS 6 0 4 2 6 , 4 2 7 ; Horn SK Rdn. 4. Groß MK Rdn. 28. Baur NStZ 1990 254. BGH NStZ 1983 4 2 9 ; BGH bei Holtz MDR 1978 803; BGH GA 1976 221; BGH bei Dallinger MDR 1975 7 2 4 .
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21
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Vgl. BVerfGE 91 1; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 91, 93; OLG Düsseldorf NStZ 2 0 0 2 53; NStZ 1996 4 0 8 ; OLG Hamm NStZ-RR 1996 187, 188; OLG Saarbrücken Beschl. v. 18.9.2007 - 1 Ws 1 5 0 / 0 7 (= BeckRS 2 0 0 7 17527); Fischer § 64 Rdn. 18 m.w.N. Vgl. § 66 Rdn. 145.
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Widerruf der Aussetzung
§ 67g
Die drohenden rechtswidrigen Taten müssen in einem symptomatischen Zusammenhang zum Zweck der konkreten Unterbringung stehen. 23 Der konkrete Widerrufsgrund muss ebenfalls symptomatisch sein. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang zwischen Erforderlichkeit und Bezugnahme auf den Zweck der Maßregel im Gesetzestext und der Formulierung „und sich daraus ergibt". 2 4 Das bedeutet, dass sich gerade (auch) aus der Verwirklichung des Widerrufsgrundes ergeben muss, dass die Vollstreckung der Maßregel notwendig ist, also z.B. bei § 64 eine stationäre Entziehungsbehandlung oder bei § 63 eine psychiatrische Behandlung oder Pflege zur Gefahrenabwendung notwendig ist. Es reicht nicht aus, dass der Widerruf allgemein zur Verhinderung von Straftaten erforderlich ist, sondern er ist allein zur Verhinderung solcher Straftaten erforderlich, deren Verhinderung auch schon durch die Anordnung der Maßregel bezweckt war. Die zu erwartenden Straftaten müssen daher in dem Hang gem. § 64 oder nach § 66 oder in dem Zustand gem. § 63 ihre Ursache haben. Stellt sich heraus, dass der Verurteilte für erneute Taten voll verantwortlich ist und diese in keinem Zusammenhang mit seinem Zustand stehen, so kann die ihm gewährte Aussetzung der Maßregel nach S 63 beispielsweise nicht widerrufen werden. 2 5
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Bei der Frage der Symptomhaftigkeit sind mehrere Bezugspunkte auseinanderzuhalten: Zum einen kann man die Symptomhaftigkeit abstrakt auf die angeordnete Maßregel beziehen (also wäre sie z.B. zu verneinen, wenn die drohenden Taten nunmehr in einem Hang nach § 64 wurzelten, während die Ursprungsmaßregel eine solche nach § 63 ist). Zum anderen könnte man auf den konkreten Anordnungsgrund abstellen (also z.B. Alkoholabhängigkeit bei § 64 oder eine bestimmte Geisteskrankheit bei § 63, dann wäre Symptomhaftigkeit z.B. zu verneinen, wenn jetzt allein Drogenabhängigkeit oder eine andere Geisteskrankheit besteht). Schließlich kann man auf die Symptomhaftigkeit der neu begangenen Tat oder der zu erwartenden Taten abstellen.
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Eine bloß abstrakter Symptomzusammenhang bezogen auf den gesetzlichen Maßregelzweck wird wohl nicht ausreichen. Andererseits wird man nicht verlangen können, dass die neuen Taten exakt aufgrund desselben Zustands oder Hanges zu erwarten sind. Dies ist im einzelnen umstritten: Eine BtM-Abhängigkeit, die zum Urteilszeitpunkt bestand, soll nach der Rechtsprechung im Widerrufsverfahren nicht durch eine Alkoholabhängigkeit „ersetzt" werden können. 2 6 Das erscheint nicht ganz unzweifelhaft. 27 Häufig hat man es mit Personen zu tun, die jeden Suchtstoff, der für sie erreichbar ist, konsumieren oder ihren Suchtdruck mittels anderer Drogen substituieren oder denen nach langjährigem Konsum „weicher" Drogen diese nicht mehr ausreichen, so dass sie deswegen auf „harte" Drogen umgestiegen sind. Wenn aber der ursprüngliche Zustand i.S. des § 63 entfallen, dafür aber ein solcher völlig anderer Genese eingetreten ist, dürfte der symptomatische Zusammenhang zu verneinen sein (vgl. auch unten Rdn. 35). Hingegen ist er zu bejahen, wenn die neue psychische Erkrankung eine typische Folgeerkrankung der früheren ist.
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Es ist auch str., ob es auch darauf ankommt, dass gleichartige Taten (also aus dem gleichen Kriminalitätsbereich) wie die Anlasstat drohen. Teils wird dies nicht für erfor-
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KG Berlin StV 1997 315, 316; Beschl. v. 2.7. 1999 - 5 Ws 359/99; OLG Karlsruhe Justiz 1982 25; Groß MK Rdn. 8; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 4; Schreiber/Rosenau S. 54, 115. Groß MK Rdn. 8; vgl. auch: KG Berlin StV 1997 315; OLG Karlsruhe MDR 1980 71; Sch/Scbröder/Stree Rdn. 4, 6.
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OLG Karlsruhe Justiz 1982 2 5 ; OLG Saarbrücken Beschl. v. 18.9.2007 - 1 Ws 150/07 (= BeckRS 2 0 0 7 17527). KG Berlin StV 1 9 9 7 315, 316. Ablehnend auch: Groß MK Rdn. 8.
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§ 67g
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
derlich erachtet. 28 Horstkotte vertrat in der Vorauflage hingegen die Ansicht, dass es auf den konkreten Unterbringungsgrund ankommt. 29 Es handelt sich hier um eine vergleichbare Problematik wie bei § 67c (ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert). Es kann daher auf die Ausführungen zu § 67c Rdn. 68 ff verwiesen werden. Einen symptomhaften Zusammenhang wird man verlangen müssen. 30 Ansonsten könnte man, bei völliger Verlagerung des kriminellen Wirkens die strengeren Anforderungen an die Verhängung einer erneuten Maßregel für die neuen Straftaten (vgl. z.B. § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2) durch bloßen Widerruf einer aus anderen Gründen verhängten Maßregel umgehen. „Auf rechtswidrige Taten, die sich in entscheidender Weise von dem Anlass der Unterbringung unterscheiden, ist mit neuen Strafen und gegebenenfalls mit einer neuen Maßregelanordnung zu reagieren". 31 Hingegen muss eine neue Straftat, die den Widerruf begründen soll, nach Art und Schwere nicht exakt der früheren Anlasstat entsprechen; sie muss lediglich auf drohende, zukünftige symptomhafte Taten hindeuten (vgl. dazu unten Rdn. 35). 3 2 3. Erforderlichkeit
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a) Der Zweck der Maßregel muss die Unterbringung erfordern. Das bedeutet, dass es kein milderes, ebenso geeignetes Mittel geben darf, den Zweck der Maßregel (noch, d.h. trotz des Vorliegens von Widerrufsgründen) zu erfüllen. Dazu ist eine Gesamtwürdigung notwendig. 33 Zwar braucht der unmittelbare Anlass des Widerrufs nicht dasselbe Gewicht zu haben, wie es bei der Maßregelanordnung vorausgesetzt wird; 34 der Widerruf setzt nicht einmal in jedem Falle eine rechtswidrige Tat als Anlass voraus (§ 67g Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 2). Der Zweck der Maßregel erfordert aber die Unterbringung und damit den Widerruf der Aussetzung nur, wenn alle prognostischen Merkmale vorliegen, die Voraussetzung für die Anordnung einer Maßregel sind, und wenn darüber hinaus der besondere Zweck der einzelnen Maßregel der Unterbringung nicht entgegensteht. Es gelten hier dieselben strengen Maßstäbe wie bei der Anordnung der Maßregel. In diesem Sinne hat sich schon die ältere Rechtsprechung geäußert 35 und das ist heute herrschende Auffassung.36
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Für die Maßregeln nach den §§ 63, 64 bedeutet das, dass ein Widerruf der Aussetzung nur dann in Betracht kommt, wenn solche erheblichen rechtswidrigen Taten von dem Verurteilten drohen, die auch zur Anordnung einer solchen Maßregel berechtigen würden 37 und besondere Umstände i.S.v. § 67b Abs. 1 nicht vorliegen. 38 Für die Maß-
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Groß MK Rdn. 8. Horstkotte LK 1 0 § 67g Rdn. 9; ebenso auch: Horn SK Rdn. 8; Schreiber/Rosenau S. 54, 115. Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 4 7 2 ; KG Berlin, Beschl. v. 2.7.1999 - 5 Ws 3 5 9 / 9 9 ; Beschl. v. 13.9.1999 - 5 Ws 5 3 3 / 9 9 ; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 17. OLG Karlsruhe MDR 1989 664. AA OLG Karlsruhe NStE StGB § 67g Nr. 4 (neue Tat selbst muss symptomatisch sein). OLG Düsseldorf StV 1991 70, 71; sie wird auch zu § 56f gefordert, vgl. OLG Düsseldorf StV 1983 70.
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Fischer Rdn. 3. OLG Celle NJW 1958 33 m. zust. Anm. Mittelbach·, OLG Schleswig SchlHA 1957 274, OLG Schleswig NJW 1958 33. Vgl. KG Berlin StV 1997 315; Horn SK Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 1; Pollähne/ Böllinger NK Rdn. 14; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4. KG Berlin StV 1997 315; OLG Hamm MDR 1982 1038, 1039; OLG Düsseldorf StV 1991 70, 71; OLG Karlsruhe Die Justiz 1982 25; 1981 2 3 8 ; 1979 300; Groß MK Rdn. 9; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4. Horn SK Rdn. 3.
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Widerruf der Aussetzung
S 67g
regel nach § 6 6 muss die dort genannte Gefährlichkeit für die Allgemeinheit aufgrund eines Hangs zu erheblichen Straftaten vorliegen. 39 Bloße Gesichtspunkte der Fürsorge rechtfertigen den Widerruf nicht.
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Nach Einführung des § 67h kann sich der Widerruf (§ 67g) nicht mehr (anders als noch in der Vorauflage vertreten) als eine vorübergehende, aus Sicherheits- und therapeutischen Gründen unumgängliche Sofortmaßnahme darstellen, die von vornherein unter dem Vorbehalt steht, dass sie in naher Zukunft, etwa nach drei oder sechs Monaten, im Verfahren nach § 67e überprüft und, falls möglich, durch erneute Aussetzung (§ 67d Abs. 2) korrigiert wird. 4 0 Für solche von vornherein auf eine kurzfristige Krisenintervention angelegten Maßnahmen gibt es nunmehr das Instrumentarium des § 67h.
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Die Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses steht einer schon bald darauf folgenden Maßregelaussetzung nicht entgegen; 41 das gilt selbst dann, wenn auf den Widerrufsbeschluss keine erneute Vollstreckung der Maßregel gefolgt ist. 42 b) Der Widerruf muss geeignet sein, den Maßregelzweck zu erfüllen. Das wird bei den Maßregeln nach § 63 (wo Sicherung durch Heilung oder durch Pflege bezweckt ist) und nach § 66 (wo nur die Sicherung bezweckt ist, vgl. § 66 Rdn. 3) selten ein Problem werden. Anders ist es bei einer Maßregel nach § 64. Hier steht die Heilung im Vordergrund. 43 Ebenso wie die Anordnung der Maßregel nur erfolgen darf, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht, darf hier der Widerruf auch nur in diesen Fällen erfolgen. Auf die Ausführungen zu § 64 (Rdn. 116 ff) kann insoweit verwiesen werden. Besteht keine hinreichende Aussicht auf einen Behandlungserfolg (auch ggf. unter Berücksichtigung einer möglichen, gleichzeitig mit dem Widerruf angeordneten Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel nach § 67a), scheidet der Widerruf aus. 4 4 Es ist misslich, aber nach bestehender Rechtslage unvermeidbar, dass auch hier der nicht behandlungsbereite Straftäter gegenüber dem Therapiewilligen benachteiligt wird. Es bleibt nur die Möglichkeit, ggf. das Korsett der Führungsaufsicht durch eine nachträgliche Entscheidung nach § 68d enger zu schnüren. Hingegen ist zweifelhaft, ob es schon zu diesem Zeitpunkt angängig, bzw. sogar erforderlich ist, die Maßregel für erledigt zu erklären. 45 Eine direkte Anwendung des § 67d Abs. 5 dürfte ausscheiden, da die Vorschrift ersichtlich von einer gegenwärtig vollzogenen Maßregel ausgeht („Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein."). Für eine analoge Anwendung besteht wohl kein Bedürfnis. Denn die Lage des Verurteilten, der nach § 67d Abs. 5 entlassen wird ist ohnehin dem Verurteilten vergleichbar, dessen Maßregelvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Beide stehen ohnehin unter Führungsaufsicht (vgl. § 67d Abs. 2 S. 2 und § 67d Abs. 5 S. 2) und sind den damit verbundenen Einschränkungen unterworfen.
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Der Widerruf der Aussetzung der Maßregel ist zur Erfüllung ihres Zweckes häufig ungeeignet, wenn die Maßregel nur noch für eine kurze Zeit vollstreckt werden kann
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OLG Karlsruhe M D R 1980 71; OLG Nürnberg NJW 1971 1 5 7 3 , 1 5 7 4 ; Groß MK Rdn. 9; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 2 4 favorisieren hier andere Maßnahmen, wie öffentlichrechtliche Unterbringung etc. OLG Stuttgart MDR 1983 150. OLG Stuttgart M D R 1983 150; vgl. auch OLG Hamm JMB1NW 1976 93.
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BVerfGE 91 1 ff. OLG Düsseldorf NStZ 2 0 0 2 53; OLG Hamm NStZ-RR 1996 187, 188; Horn SK Rdn. 3; vgl. bereits: Baur NStZ 1990 2 5 4 . So noch zur alten Rechtslage vor Schaffung des § 67d Abs. 5: Horstkotte LK 1 0 § 67g Rdn. 15.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
und deswegen weder eine sinnvolle Einwirkung auf den Täter noch eine nachhaltige Verhütung weiterer rechtswidriger Taten möglich ist (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 2 3 3 9 f). 4 6 So verhält es sich, wenn die Höchstdauer der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 67d Abs. 1 Satz 1) im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung nahezu ausgeschöpft worden war, so dass bei einer erneuten Unterbringung nur noch wenige Wochen zur Verfügung stehen würden. Anders als in der zehnten Auflage vertreten, 47 dürfte allerdings auch bei einer zur Bewährung ausgesetzten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die wegen der Gefahr erheblichen wirtschaftlichen Schadens angeordnet wurde, der Widerruf, selbst wenn wegen § 67d Abs. 3 nur noch ein kurzer Rest bis zur Höchstdauer vollstreckt werden kann, geeignet sein, den Sicherungszweck dieser Maßregel zu erfüllen. Zweck der Maßregel ist in diesen Fällen der Schutz der Allgemeinheit vor dem gefährlichen Straftäter bis zur Höchstdauer von 10 Jahren. Die Allgemeinheit wird dann vor dem Verurteilten wenigstens noch für den kurzen Restzeitraum (insgesamt aber eben für 10 Jahre) geschützt. 24
Es ist weiter zu prüfen, ob nicht andere Maßnahmen als der Widerruf weniger einschneidend, aber ebenso geeignet sind, den Zweck der Maßregel zu gewährleisten. 48 Es ist insoweit zum einen daran zu denken, dass eine Nichtreaktion ausreicht, weil bereits anderweitige (auch freiwillige) Mittel ergriffen wurden, um der Gefahr zu begegnen. So kann möglicherweise bei einer Maßregel nach § 63 der Widerruf unterbleiben, wenn der Verurteilte nach Landesrecht oder durch einen Betreuer untergebracht wurde, wenn er in Therapiewohngruppe aufgenommen wurde etc. 4 9 Insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen zur gleich gelagerten Frage bei § 67b (dort Rdn. 31) verwiesen werden. Bei einer ausgesetzten Unterbringung nach § 64 ist zu bedenken, dass ein Rückfall in die Sucht, der Besitz von BtM oder Therapieabbruch zum gewöhnlichen Bild einer langfristigen Therapie gehören, insgesamt aber nicht zwingend gegen eine langfristige Heilung des Verurteilten auch ausserhalb des Maßregelvollzuges sprechen müssen. Es ist daher zu prüfen, ob nicht durch den Widerruf der Maßregelaussetzung ein sinnvoller Therapieansatz zerschlagen wird. 5 0 Die Vorschrift des § 67f steht nicht entgegen; sie lässt allerdings, wenn die Anordnung einer neuen Maßregel nach § 64 bevorsteht, den Widerruf als überflüssig erscheinen, weil die alte Maßregel mit der Anordnung der neuen erledigt ist. Bei den anderen Maßregeln ist darauf zu achten, dass nicht ein „negativer Kompetenzkonflikt" zwischen Widerrufsgericht und dem für die Aburteilung der neuen Tat zuständigen Gericht auftritt: So fordert der BGH z.T. die Prüfung, ob die Anordnung einer Sicherungsverwahrung verhältnismäßig ist, wenn bei einer zur Bewährung ausgesetzten Sicherungsverwahrung wegen der neuen Tat der Widerruf zu erwarten ist. 51 Es wäre bedenklich, vom Widerruf nur deswegen abzusehen, weil die Verhängung einer weiteren Maßregel bevorsteht (relevant wird das, weil i.d.R. die neue Tat abgeurteilt sein muss, vgl. Rdn. 37, aber nur in Fällen des Geständnisses). Es ist auch im Rahmen der Widerrufsprognose genau darauf zu achten, dass die Nichtanordnung der Maßregel im neuen Verfahren im Hinblick auf den zu erwartenden Widerruf, eine günstige Prognose gerade nicht präjudiziert. 52
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Vgl. auch: OLG Düsseldorf OLGSt § 67g Nr. 4. Horstkotte LK 1 0 § 67g Rdn. 12; ebenso auch: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 14. Groß MK Rdn. 9; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4. Vgl. KG Berlin StV 1991 69. Vgl. Adams/Gerhardt NStZ 1981 241, 2 4 5 ;
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Coignerai-Weber/Hege MSchrKrim 1981 138 140. BGHSt 5 0 199 ff; BGH NStZ-RR 1998 135; vgl. dazu auch Pollähne JR 2 0 0 6 316 ff. Vgl. auch: KG Berlin, Beschl. v. 15.5.2001 5 Ws 229/01.
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Widerruf der Aussetzung
§ 67g
Der Umstand, dass die Frist der Führungsaufsicht (höchstens fünf Jahre - sofern nicht unbefristet angeordnet oder verlängert) nahezu abgelaufen ist, hindert den Widerruf der Aussetzung grundsätzlich nicht, denn bei einer künftigen erneuten Aussetzung der Maßregel würde eine neue Führungsaufsicht beginnen. Doch ist die Tatsache, dass nahezu bis zum Ende der Führungsaufsicht kein Widerruf erfolgt ist, regelmäßig Anlass zu besonders kritischer Prüfung der Frage, ob der Maßregelzweck den Vollzug der Maßregel noch fordert: Die Vermutung, dass der Verurteilte während der Führungsaufsicht unerkannt rechtswidrige Taten begangen hat, darf, solange dies nicht bewiesen ist, nicht zugrunde gelegt werden. Auch ist zu bedenken, dass der aus dem Maßregelvollzug Entlassene einer verhältnismäßig strengen staatlichen und informellen Kontrolle unterliegt, so dass eine mehrjährige Unauffälligkeit doch Anlass zu eher günstiger prognostischer Beurteilung gibt.
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Bei den jüngeren Tätern, zumal den aus der Entziehungsanstalt Entlassenen, fällt schließlich ins Gewicht, dass bei ihnen ein zeitlicher Abstand von drei oder vier Jahren die Lebensverhältnisse und die Lebensplanung tiefgreifend zu ändern pflegt, so dass es schließlich sinnlos wird, neue rechtswidrige Taten als „Rückfall" zu werten. 5 3 Hier ist der Widerruf der lange zurückliegenden Maßregelaussetzung häufig ein schädlicher Eingriff in die Entwicklung.
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Zu prüfen ist auch, ob der Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56f ausreichend ist, auch den Maßregelzweck (mit) zu erfüllen. 54 Das wird man bei einer ausgesetzten Maßregel nach § 66 eher annehmen können, als bei solchen nach §§ 63, 64. Bei einer ausgesetzten Sicherungsverwahrung könnte man hingegen z.B. im Hinblick auf das bereits fortgeschrittene Alter des Verurteilten und einen noch mehrjährigen Strafrest zu der Erkenntnis kommen, dass die Strafe den Zeitraum bis zu einem wahrscheinlichen Abflauen der kriminellen Aktivität hinreichend abdeckt. 5 5 Das Gericht ist allerdings nicht gezwungen, zunächst den Verlauf der Strafverbüßung abzuwarten und erst dann über den Maßregelwiderruf zu entscheiden (jedenfalls wenn sich keine Anhaltspunkte für eine Besserung im Laufe der verbleibenden Freiheitsstrafenvollstreckung ergeben). 56 Im Falle des gleichzeitigen Widerrufs von Maßregel- und Strafaussetzung ist das Gericht auch nicht gehindert, später die Maßregel nach § 67e doch (wieder) zur Bewährung auszusetzen. Der Vollzug einer Freiheitsstrafe nach § 145a wird regelmäßig wegen seiner Kürze nicht den Maßregelvollzug ersetzen können; jedoch kann die Warnung, die von einer nach § 145a verhängten Strafe (auch einer Geldstrafe) ausgeht, im (wohl eher seltenen) Einzelfall die erneute Maßregelvollstreckung entbehrlich machen (wenn nicht gerade die Behandlung im Rahmen der Maßregeln nach §§ 63, 6 4 erforderlich ist).
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Schließlich ist zu prüfen, ob andere, mildere Maßnahmen, wie die Änderung der Weisungen gem. §§ 68d, 68b oder eine Verlängerung der Dauer der Führungsaufsicht (§§ 68d, 68c Abs. 2) ausreichend sind, den Maßregelzweck zu erfüllen. Es sind hierbei grundsätzlich dieselben Überlegungen anzustellen, wie bei der Entscheidung zwischen § 56f Abs. 1 und 2 bei einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe. 57
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c) Schließlich muss der Widerruf auch angemessen sein. Das wird, wenn erhebliche Straftaten drohen, regelmäßig anzunehmen sein. Dem Kriterium wird bereits durch das Erfordernis „erheblicher rechtswidriger Taten" bzw. der „erheblichen Straftaten" der
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Kerner Bewährungshilfe 1977 285 ff. Groß MK Rdn. 9. Vgl. OLG Düsseldorf StV 1991 72.
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OLG Karlsruhe NStZ 1 9 9 7 151; Groß MK Rdn. 9. Groß MK Rdn. 9.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
verhängten Maßregel, auf die die Formulierung „Zweck der Maßregel" verweist, Rechnung getragen. Allerdings kann unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit die Wahrscheinlichkeit für neue Straftaten und deren Intensität in Verhältnis gesetzt werden. So wird bei drohenden Straftaten gegen Leib und Leben ein geringerer Wahrscheinlichkeitsgrad für den Widerruf ausreichend sein als bei drohenden Straftaten gegen das Vermögen oder Eigentum.58 Es kann auch der Umstand, dass der Vollzug der Maßregel im konkreten Fall (nicht abstrakt, also nur dem strafrechtlichen Maßregeltyp nach) zur Heilung oder Rehabilitation des Verurteilten beizutragen verspricht, in die Abwägung eingebracht werden, weil er die Belastung des Verurteilten, verglichen mit der Wirkung einer ausschließlich sichernden Verwahrung, verringert (str., vgl. Horstkotte LK 1 0 § 67c Rdn. 54f andererseits). Es ist zu berücksichtigen, dass die Belastung durch den Freiheitsentzug nach einem Widerruf in vielen Fällen schwer wiegt, weil Ansätze sozialer Beziehungen zerstört werden und der Verurteilte schon lange Jahre in Unfreiheit zugebracht hat. 30
Wenn die Vollstreckung einer Maßregel ausgesetzt worden ist, weil der Maßregelvollzug im Hinblick auf die Erheblichkeit der drohenden Straftaten nicht (mehr) verhältnismäßig erscheint, so kann der Widerruf nicht mit einer veränderten rechtlichen Beurteilung der Verhältnismäßigkeitsfrage begründet werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Verurteilte neue Taten von dem Schweregrad begeht, der in der Aussetzungsentscheidung zugrunde gelegt worden war. 59 ΠΙ. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Widerrufs (Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Absatz 2, Absatz 3)
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1. Allgemeines. Dass der Zweck der Maßregel die erneute Unterbringung erfordert, ist notwendige Voraussetzung für den Widerruf. Das Gesetz begnügt sich aber nicht mit diesem Merkmal. Vielmehr muss die Annahme, dass der Maßregelzweck die neue Unterbringung fordere, bestimmten, im Gesetz (Absatz 1 Nrn. 1 bis 3, Absatz 2) bezeichneten Umständen entnommen werden. Der Katalog dieser Widerrufsgründe ist (von dem Sonderfall des Absatzes 3 abgesehen) aus rechtsstaatlichen Gründen als numerus clausus ausgestaltet. Umstände, die nicht in dem Katalog der Widerrufsgründe genannt sind, können den Widerruf auch dann nicht rechtfertigen, wenn sie deutliche Hinweise darauf geben, dass der Maßregelzweck gefährdet ist.
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Die von dem Verurteilten verwirklichten Widerrufsgründe müssen symptomatisch sein für den bei dem Verurteilten vorliegenden Zustand oder Hang. Das zeigt sich an der Formulierung „und sich daraus ergibt". 60 Das bedeutet, dass sich gerade (auch) aus der Verwirklichung des Widerrufsgrundes ergeben muss, dass die Vollstreckung der Maßregel notwendig ist, also z.B. bei § 64 eine stationäre Entziehungsbehandlung oder bei § 63 eine psychiatrische Behandlung oder Pflege zur Gefahrenabwendung notwendig ist (vgl. oben Rdn. 12 ff).
33
Eine unterlassene Belehrung nach § 268a Abs. 3 StPO ist kein Hinderungsgrund für den Widerruf. 61 Jedoch kann das Unterlassen eine Belehrung für die Frage, ob der Verurteilte gröblich oder beharrlich gegen Weisungen verstoßen hat (§ 67g Abs. 1 Nr. 2) eine Rolle spielen (dazu unten Rdn. 48 ff). 58
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Vgl. KG Berlin StV 1991 69; Horstkotte LK 1 0 § 67g Rdn. 8. OLG Karlsruhe Justiz 1976 4 3 7 ; Horstkotte LK 1 0 § 67g Rdn. 8.
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Groß MK Rdn. 8; vgl. auch: KG Berlin StV 1 9 9 7 315; OLG Karlsruhe MDR 1980 71; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4, 6. Groß MK Rdn. 3.
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Widerruf der Aussetzung
§ 67g
2. Rechtswidrige Tat während der Führungsaufsicht (Abs. 1 Nr. 1). Die Aussetzung ist zu widerrufen, wenn die Annahme, dass der Maßregelzweck die Unterbringung erfordert (Rdn. 12 ff), aus der Begehung einer rechtswidrigen Tat während der Bewährungszeit hergeleitet werden kann.
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a) Die während der Dauer der Führungsaufsicht (näher Rdn. 40) begangene rechtswidrige Tat muss für die Gefahr, die bei der Anordnung der Maßregel zugrunde gelegt worden ist, symptomatisch sein (Rdn. 7). Sie muss also im Hinblick auf künftige rechtswidrige Taten eine schlechte Prognose begründen, die in ihrer Qualität, d.h. im Hinblick auf Art und Schwere der befürchteten Taten, der Anordnungsprognose entspricht (Rdn. 18 ff). Der zu § 56f entwickelte Auslegungsgrundsatz, dass die neue Tat mit der früheren nicht nach Art und Schwere vergleichbar zu sein braucht (vgl. Fischer § 56f Rdn. 8a), gilt hier nur bedingt. 62 Das bedeutet aber nicht, dass die rechtliche Bewertung der neuen Tat mit derjenigen der früheren stets übereinstimmen muss. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die neue Tat vom Gewicht her derjenigen entspricht, die zur Maßregelanordnung geführt hat. 63 Entscheidend ist, dass die neue Tat auf eine schlechte Prognose hinweisen muss, die im Hinblick auf die Art und die Schwere der befürchteten Taten der früheren Prognose entspricht. 64 Ist die Maßregel wegen eines Gewalt- oder Sexualdelikts angeordnet worden, so wird es an einer solchen Beziehung regelmäßig fehlen, wenn die neue Tat ein Vermögensdelikt ist; für das umgekehrte Verhältnis gilt dasselbe (vgl. auch Rdn. 12 ff). Verübt der Entlassene, etwa im Zusammenhang mit einem Bahnhofsverbot, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113), so ist diese Aggression regelmäßig nicht symptomatisch für Gewalttaten wie Totschlag oder Vergewaltigung. Dagegen können bei einem Drogentäter Raub und Diebstahl als Beschaffungskriminalität in einer symptomatischen Beziehung stehen. 65 Ein unter § 145a subsumierbarer Weisungsverstoß kann ausreichend sein. 66
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b) Die neue Tat muss rechtswidrig (§ 11 Abs. 1 Nr. 5) sein. Schuldhaft braucht sie nicht zu sein. Bei Gewalttaten und Brandstiftungen schwer Geistesgestörter stellen krankheitsbedingte Fehlvorstellungen den „natürlichen" Vorsatz nicht in Frage. Auch in Fällen des § 66 reicht eine nicht schuldhaft begangene rechtswidrige Tat aus. 67 Doch ist hier zu beachten, dass sich der Hang (§ 66 Abs. 1 Nr. 3) auf Taten im Zustand der (allenfalls verminderten) Schuldfähigkeit beziehen muss. Deshalb ist eine unter den Voraussetzungen des ξ 20 begangene Tat nur in Ausnahmefällen für den Hang symptomatisch, etwa wenn sich chronische Aggressivität im Rausch entlädt. Fahrlässige Taten sind von der Anwendung des Abs. 1 Nr. 1 nicht ausgeschlossen; die in § 67g vorausgesetzte Gefährlichkeit werden sie allerdings nur sehr selten anzeigen. Absatz 1 Nr. 1 ist auch auf im Ausland begangene Taten anzuwenden. 68
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c) Ob man an der früher vertretenen Auffassung, dass der Widerruf keine gerichtliehe Aburteilung von Straftaten i.S.v. Absatz 1 Nr. 1 voraussetzt, also z.B. auch solche Taten zum Widerruf ausreichen, bezüglich derer das Verfahren nach §§ 153, 153a etc.
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Weitergehend einschränkend: Horstkotte LK 1 0 § 67g Rdn. 17. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.1.1992 - 2 BvR 1037/91; KG Berlin, Beschl. v. 15.5.2001 - 5 Ws 2 2 9 / 0 1 . Vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 20.9.2001 Ws 1075/01.
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OLG Karlsruhe Die Justiz 1981 238. Groß MK Rdn. 4; vgl. auch: OLG Karlsruhe MDR 1989 664. Horn SK Rdn. 7. Sch/Schröder/Stree Rdn. 3.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
eingestellt wurde oder die mangels Strafantrag nicht verfolgt werden können, 69 erscheint im Hinblick auf die jüngere Rechtsprechung des EGMR fraglich. Danach verstößt es gegen die Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 EMRK, wenn vom Widerrufsgericht Schuldfeststellungen, die nur dem erkennenden Gericht zukommen, getroffen werden (von bestimmten Ausnahmefällen, wie z.B. dem Geständnis, einmal abgesehen).70 Für den Fall der Strafaussetzung zur Bewährung wird daher inzwischen überwiegend die vorherige Aburteilung der Tat verlangt, auf die der Widerruf gestützt wird (ausgenommen der Fall, in dem der Angeklagte ein glaubhaftes Geständnis abgelegt hat). 71 Der Unterschied ist freilich, dass § 67g Abs. 1 Nr. 1 lediglich die Begehung einer rechtswidrigen (und nicht schuldhaften) Tat voraussetzt, so dass - soweit keine Feststellungen zur Schuld durch das Widerrufsgericht getroffen werden - möglicherweise ein Widerruf auch ohne vorhergehende Aburteilung der Tat möglich ist. Denn der EGMR hat selbst erklärt, dass für ihn die formale Ausgestaltung der staatlichen Entscheidung, ob jemand als „schuldig" bezeichnet wird, entscheidend für eine Verletzung der Unschuldsvermutung ist. 72 38
Unabhängig von der Problematik des Art. 6 Abs. 2 EMRK spricht für ein Zuwarten bis zur Aburteilung der Tat, wegen der widerrufen werden soll, dass die hierfür verhängte Sanktion ihrerseits in die Erforderlichkeitsprüfung hineinspielt und einen Widerruf möglicherweise erübrigt (s.o. Rdn. 24 ff). Ein Zuwarten empfiehlt sich insbesondere, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Strafe in dem neuen Verfahren zur Bewährung ausgesetzt wird; mit einer solchen Prognoseentscheidung muss sich der über den Widerruf entscheidende Richter auseinandersetzen (vgl. auch Rdn. 39). Das Bedürfnis nach einem schnellen Beginn der Therapie und einer schnellen Sicherung, wegen dringender Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten, kann dagegen für den Widerruf vor der Aburteilung sprechen.
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d) An die Entscheidung des anderen Gerichts ist der über den Widerruf entscheidende Richter grundsätzlich nicht gebunden, auch nicht hinsichtlich der Legalprognose. 73 Aufgrund der Rechtsprechung des EGMR wird man aber, wenn der Verurteilte wegen der neuen Tat freigesprochen wurde, eine Bindungswirkung in dem Sinne annehmen müssen, dass das Widerrufsgericht nicht davon abweichend zu der Feststellung gelangen kann, der Verurteilte sei doch „schuldig". Ist die Aussetzung wegen einer neuen Tat widerrufen worden und wird der Betroffene danach vom Vorwurf dieser Tat freigesprochen, so ist der Widerruf unter den Voraussetzungen des § 359 Nr. 5 StPO (aber nicht im Wiederaufnahmeverfahren) von dem Gericht, das ihn ausgesprochen hat, aufzuheben.74
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Vgl. dazu: OLG Hamburg JR 1 9 7 9 379 m. zust. Anm. Zipf. EGMR NJW 2 0 0 4 43, 4 4 ff; vgl. auch Pollähne J R 2 0 0 6 316, 3 2 0 f. BVerfG N J W 2 0 0 5 817; OLG Düsseldorf NJW 2 0 0 4 7 9 0 ; OLG Jena NStZ-RR 2 0 0 3 316; OLG Köln NStZ 2 0 0 4 685; LG Duisburg NStZ-RR 2 0 0 5 9; AG Lüdinghausen NJW 2 0 0 5 84, 85; vgl. auch Krumm NJW 2 0 0 5 1832 ff; Peglau NStZ 2 0 0 4 2 4 8 ff. EGMR NJW 2 0 0 4 43, 4 4 f; vgl. dazu auch Peglau NStZ 2 0 0 4 248, 2 5 0 ; Stuckenberg ZStW 111 (1999) S. 4 2 2 ff; weitergehend offenbar: OLG Saarbrücken Beschl. v.
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18.9.2007 - 1 Ws 150/07 (= BeckRS 2 0 0 7 17527). Vgl. Kommentierung zu § 5 6 f; Peglau GA 2 0 0 4 288, 2 9 2 m.w.N.; vgl. hierzu auch: OLG Hamburg Beschl. v. 17.3.2006 - 2 Ws 64/06 (Widerruf auch ohne Aburteilung möglich, wenn ein glaubhaftes Geständnis vorliegt); ferner die Kommentierungen zu § 56 f. OLG Karlsruhe Justiz 1978 4 7 4 (zu § 56f); vgl. schon OLG Oldenburg NJW 1962 1169; aA AG Lahn-Gießen MDR 1980 595 m. abl. Anm. Groth; LG Freiburg J R 1 9 7 9 161 m. abl. Anm. Peters.
Ruth Rissing-van Saan/Jens Peglau
Widerruf der Aussetzung
§ 67g
e) Die neue Straftat muss grundsätzlich während der Dauer der Führungsaufsicht begangen worden sein. D.h. der Zeitpunkt ihrer Begehung muss zwischen der Rechtskraft der Entscheidung nach § 67b, 6 7 c oder 67d Abs. 2 und dem Ende der Führungsaufsicht (vgl. § 68c) liegen. 7 5 Die „Dauer der Führungsaufsicht" (Absatz 1 Nr. 1, vgl. auch Absätze 2, 3) beginnt mit der Rechtskraft ihrer Anordnung, der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung oder zu einem gerichtlich angeordneten späteren Zeitpunkt (vgl. § 6 8 c Abs. 4).
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Infolge der Einfügung von Absatz 1 S. 2 durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht vom 1 3 . 4 . 2 0 0 7 gilt § 67g Abs. 1 Nr. 1 nunmehr auch für Taten zwischen der Aussetzungsentscheidung und dem Beginn der Führungsaufsicht begangen wurden. Der Gesetzgeber hat damit eine dem § 5 6 f Abs. 1 S. 2 entsprechenden Regelung geschaffen, da es nicht darauf ankommen kann, ob die Aussetzungsentscheidung bei Eintreten des Widerrufsgrundes schon wirksam war oder nicht. 7 6 Auf die entsprechenden Ausführungen in den Kommentierungen zu § 5 6 f Abs. 1 S. 2 wird verwiesen. Fraglich ist, ob Taten, die während eines nach § 68g Abs. 2 angeordneten Ruhens der Führungsaufsicht begangen werden, zum Widerruf berechtigen. Dies wird zum Teil bejaht, weil das Ruhen der Führungsaufsicht nicht zu ihrer Beendigung führt, sondern lediglich deren Wirkungs- und strafbewehrten Weisungsbereich vorübergehend außer Kraft setzt. 7 7 Für diese Ansicht könnte - jedenfalls bei Maßregeln nach den § § 6 3 und 6 4 - sprechen, dass dem Verurteilten ohne den Widerruf der Maßregelaussetzung zur Bewährung die Möglichkeit genommen wird, aufgrund einer nachträglichen Entscheidung nach § 6 7 Abs. 3 im Maßregelvollzug behandelt zu werden. Dieses Argument trägt aber nicht bei der Sicherungsverwahrung, so dass zumindest bei dieser - angesichts der Gesetzesformulierung „ruht" und der damit nach h . M . verbundenen Konsequenz, dass ausschließlich die §§ 5 6 ff gelten 7 8 - Taten während des Ruhens der Führungsaufsicht keinen Widerrufsgrund darstellen (der Sicherungszweck wäre dann ja auch zunächst durch den möglichen Widerruf der Aussetzung der Freiheitsstrafe gewährleistet). 7 9
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Die letztgenannte Frage ist zu unterscheiden von der Fristberechnungsregel des § 6 8 c Abs. 3 und ihren Auswirkungen: Danach werden z.B. Zeiten, in denen der Täter flüchtig ist, nicht in die Dauer der Führungsaufsicht eingerechnet. Sie ruht aber nicht während der Flucht, so dass im Verlaufe derselben begangene Straftaten einen Widerrufsgrund darstellen können.
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Mit dem Ende der Führungsaufsicht (vgl. dazu §§ 6 8 c , 68g, 68e) ist die Maßregel erledigt, ohne dass es noch einer gesonderten Anordnung bedarf. 8 0 Dementsprechend und weil eine Regelung vergleichbar § 56g Abs. 1 fehlt - ist auch ein Widerruf nach dem Ablauf der Führungsaufsicht nicht mehr möglich. 8 1 Bei Verdachtsmomenten für das Vorliegen eines Widerrufsgrundes bleibt daher nur die Möglichkeit, rechtzeitig die Dauer der Führungsaufsicht nach §§ 68d, 6 8 c zu verlängern. 8 2
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Vgl. LG Bremen J Z 1959 413; Fischer Rdn. 5; Groß MK Rdn. 5. BTDrucks. 16/1993 S. 16; vgl. im Übrigen die entsprechende Kommentierung zu § 56f Abs. 1 S. 2. OLG Kalrsruhe MDR 1989 663; Groß MK Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3. Vgl. Fischer § 68g Rdn. 8 m.w.N. Vgl. auch noch weitergehend: Horn SK Rdn. 9.
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 13. OLG Düsseldorf NStZ 1986 525; OLG Koblenz MDR 1981 336; Lackner/Kühl Rdn. 8; Fischer Rdn. 11; Sch/Schröder/Stree § 67g Rdn. 13; aA: OLG Frankfurt StV 1990 34. Fischer Rdn. 11.
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§ 67g
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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3. Verstoß gegen Weisungen (Absatz 1 Nr. 2). Die Aussetzung ist zu widerrufen, wenn die Annahme, dass der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert, aus einem gröblichen oder beharrlichen Verstoß gegen Weisungen herzuleiten ist (Absatz 1 Nr. 2).
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a) Die Vorschrift des Abs. 1 Nr. 2 betrifft in gleicher Weise Weisungen nach § 6 8 b Abs. 1, deren Befolgung durch § 145a sanktioniert ist, und nach § 6 8 b Abs. 2. Der Widerruf setzt voraus, dass die Weisung hinreichend bestimmt ist; diese Voraussetzung gilt trotz des unterschiedlichen Gesetzeswortlautes hier ebenso wie für die Strafbarkeit nach § 145a. Auch in den Fällen des § 68b Abs. 2 muss das dem Verurteilten aufgegebene oder verbotene Verhalten genau umschrieben sein. Auf nicht ausdrücklich erteilte Weisungen kann der Widerruf nicht gestützt werden. 8 3
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Den Streit, ob sich die Widerrufsregelung auch auf Verstöße gegen Weisungen nach § 5 6 c bezieht, was relevant wird in den Fällen, in denen die Führungsaufsicht aufgrund einer Entscheidung nach § 68g Abs. 2 ruht, 8 4 hat der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht vom 1 3 . 4 . 2 0 0 7 durch die ausdrückliche Formulierung „Weisungen nach § 6 8 b " dahin entschieden, dass nur der Verstoß gegen die auf § 6 8 b beruhenden Weisungen zum Widerruf nach § 67g führen kann. b) Die Weisung muss zulässig sein. Vgl. hierzu § 6 8 b .
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c) Wegen der Auslegung der Merkmale „gröblich" und „beharrlich" kann auf die Erläuterungen zu § 5 6 f verwiesen werden. 8 5 Darauf, dass der Verurteilte vom Bewährungshelfer oder der Aufsichtsstelle zunächst wegen des Weisungsverstoßes gemahnt worden ist, kommt es, abweichend von einer zunächst vorgesehenen Gesetzesfassung, nicht an (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 2163, 2 3 3 8 ) . Doch kann die Missachtung einer solchen Abmahnung die Annahme stützen, dass es sich um einen gröblichen oder beharrlichen Verstoß handelt. 8 6 Schuldhaft braucht der Verstoß, anders als in den Fällen des § 56f, hier insofern nicht zu sein, als auch Weisungsverstöße Schuldunfähiger den Widerruf begründen können. 8 7 Doch setzt sowohl der gröbliche als auch der beharrliche Weisungsverstoß voraus, dass der Täter die Weisung gekannt und ihr bewusst zuwidergehandelt hat. Dies hängt regelmäßig davon ab, dass der Verurteilte über die Weisungen und seine Pflicht, sie zu befolgen, in einer für ihn verständlichen Weise, auch durch den Bewährungshelfer, belehrt worden ist. 88 Hält der Verurteilte eine Weisung für unwirksam, so dürfte dies allein einen gröblichen Verstoß noch nicht ausschließen, denn er hat die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Weisungen durch entsprechende Rechtsmittel oder Eingaben zur Überprüfung zu stellen. 89 „Gröblich" ist der Weisungsverstoß, wenn er der Verurteilte in erheblicher Weise dem ihm nach § 68b Auferlegten zuwiderhandelt. „Beharrlich" ist der Verstoß nicht schon bei ein- oder zweimaliger Wiederholung. Vielmehr setzt dieses Merkmal voraus, dass der Verurteilte durch wiederholtes Handeln oder andauerndes Verhalten seine endgültige Weigerung, die Wei-
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O L G Hamburg N J W 1 9 7 9 2 6 2 3 (zu § 56f).
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Vgl. noch: Horstkotte L K 1 0 § 6 7 g Rdn. 2 3 . Vgl. Groß M K Rdn. 6; Fischer Rdn. 6. Vgl. Sch/Schröder/Stree Rdn. 5. Vgl. Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; unklar: Groß M K Rdn. 6 („Anforderungen an ein
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Verschulden ... [sind] zu modifizieren und herabzusetzen"). 88
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Vgl. O L G Celle N J W 1 9 5 8 1 0 0 9 ; strenger [Belehrung nur durch den Richter] Koch N J W 1 9 7 7 419, 4 2 1 . Anders: Horstkotte L K 1 0 ξ 6 7 g Rdn. 2 3 .
R u t h Rissing-van S a a n / J e n s Peglau
Widerruf der Aussetzung
§ 67g
sungen zu befolgen, zum Ausdruck bringt oder ihnen trotz ausdrücklicher Mahnung nicht nachkommt. 9 0 Ob Weisungen befolgt werden, hängt weitgehend von ihrer Praktikabilität und Plausibilität ab. Je weniger sachgemäß eine Weisung ist, um so weniger weist der Verstoß gegen sie auf die Notwendigkeit eines erneuten Maßregelvollzuges hin. Verstöße gegen die üblichen Weisungen, den Wechsel der Unterkunft und des Arbeitsplatzes anzuzeigen oder die Arbeitsstelle nicht zu wechseln, mögen zwar die Betreuung und Aufsicht erschweren; der Widerruf nach § 67g ist aber kein Mittel, um Ungehorsam und Kooperationsunwilligkeit zu ahnden. In der Mehrzahl der Fälle wird deshalb auch der gröbliche und beharrliche Verstoß gegen Weisungen keinen ausreichenden Anlass zum Widerruf geben, sondern auf die Notwendigkeit intensiverer Kontakte mit dem Bewährungshelfer hinweisen. Das schließt nicht aus, dass Aufsichtsstelle und Bewährungshelfer den Verurteilten auf die Möglichkeit des Widerrufes hinweisen. Wegen der Fälle des „Untertauchens" vgl. Rdn. 54. Als Widerrufsgrund werden Verstöße gegen Weisungen regelmäßig nur in Verbindung mit neuen rechtswidrigen Taten in Betracht kommen (vgl. den Fall OLG Karlsruhe Justiz 1981 238). d) Auch hier muss der Weisungsverstoß während der Dauer der Führungsaufsicht eingetreten sein, denn nur für deren Dauer können dem Verurteilten überhaupt Weisungen erteilt sein (§ 68b Abs. 1). Das ergibt sich auch aus dem Umkehrschluss zu Absatz 3. Es kann insoweit auf die entsprechenden Ausführungen zu Absatz 1 Nr. 1 (Rdn. 40) verwiesen werden.
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4. Behinderung des Bewährungshelfers und der Aufsichtsstelle (Absatz 1 Nr. 3). Die 5 1 Aussetzung der Maßregel ist ferner zu widerrufen, wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert, weil sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung durch den Bewährungshelfer oder durch die Aufsichtsstelle (vgl. § 68a Abs. 1) beharrlich entzieht (Absatz 1 Satz 3). Die Formel „Aufsicht und Leitung" ist aus § 56d Abs. 1 übernommen. „Aufsicht" ist die in § 68a Abs. 3 genannte Überwachung, die in erster Linie Aufgabe der Aufsichtsstelle ist, vom Bewährungshelfer jedoch unterstützt wird. Der Begriff „Leitung" deckt nicht den ganzen Bereich der in § 68a Abs. 2 genannten Hilfs- und Betreuungsaufgaben ab; „Leitung" ist nur die Einflussnahme auf die Lebensführung. Ein Widerruf ist nur zu erwägen, wenn sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung entzieht. Es genügt also nicht, dass er sich unter den Augen des Bewährungshelfers oder der Mitglieder der Aufsichtsstelle allen Hilfsangeboten und Ratschlägen beharrlich verschließt. Der Verurteilte entzieht sich der Aufsicht und Leitung, wenn er jede Kontrolle und jede Einflussnahme unmöglich macht. Der Widerstand gegen einzelne Maßnahmen genügt nicht. 91 Die Auffassung, dass es lediglich auf die überwachende Komponente der Aufgaben des Bewährungshelfers oder der Aufsichtsstelle ankomme (so: Groß M K Rdn. 7) ist bereits mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar.
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Es muss sich um ein beharrliches, also trotz Abmahnung wiederholtes oder auf Dauer angelegtes Verhalten handeln. Es wird vorausgesetzt, dass sich der Bewährungshelfer um Kontakt mit seinem Probanden bemüht hat. 9 2 Bloße Untätigkeit des Verurteilten genügt nicht; der Widerrufsgrund des Abs. 1 Nr. 3 ist also nicht gegeben, wenn der Verurteilte
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Vgl. Sch/Schröder/Stree Rdn. 5. Sch/Schröder/Stree Rdn. 7.
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Horn SK § 56f Rdn. 18.
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§ 67g
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
trotz wiederholter Aufforderung nicht bei der Aufsichtsstelle oder dem Bewährungshelfer erscheint, wohl aber, wenn er den Aufenthaltsort wechselt, ohne den Bewährungshelfer oder die Aufsichtsstelle zu unterrichten, und hierbei in Kauf nimmt oder beabsichtigt, die Aufsicht und Leitung abzuschütteln. 54
Nach der Gesetzesfassung genügt es, dass sich der Verurteilte nur dem Bewährungshelfer oder nur der Aufsichtsstelle entzieht. 93 Der entsprechende Widerrufsgrund ist dann gegeben. Doch wird der Zweck der Maßregel den Widerruf regelmäßig nicht fordern, wenn der Verurteilte für den Bewährungshelfer oder für die Aufsichtsstelle erreichbar geblieben ist. In der Praxis wird ein auf Absatz 1 Nr. 3 gestützter Widerruf nur in Betracht kommen, wenn sich der Verurteilte jeglicher Kontrolle und Beeinflussung für längere Zeit entzieht, also „untertaucht". Auch dann führt die Gesamtwürdigung (Rdn. 18) nicht notwendig zum Widerruf. 94 Eine Fluchtreaktion kann viele Gründe haben, die zunächst einmal für die Legalprognose bedeutungslos sind, etwa Konflikte mit dem Lebensgefährten, den Arbeitskollegen oder Mitbewohnern, Ärger im Umgang mit den Ämtern, Eigenbrötelei oder Abenteuerlust. Andererseits können genau diese Umstände aber zu den die Straftatenbegehung fördernden Verhaltensweisen führen, so dass der Zweck der Maßregel dann die Unterbringung gebietet (z.B. bei § 64, wenn der Verurteilte in den genannten Konfliktsituationen die Neigung hat zum Alkohol oder zu Drogen zu greifen). Sind keine neuen rechtswidrigen Taten bekannt geworden, so kommt auch die positive Wertung in Betracht, dass der Verurteilte beim „Untertauchen" Initiative und Flexibilität bewiesen hat und deswegen auf dem Weg der Rehabilitation ist. Auch hier gilt, dass bei der Handhabung des strafrechtlichen Maßregelrechts die Selbstschädigung und Verwahrlosung des Verurteilten nicht ins Gewicht fallen, solange damit keine ernsten Gefahren für fremde Rechtsgüter (§§ 6 3 - 6 6 ) verbunden sind (§ 67d Rdn. 87). Zu berücksichtigen ist auch, dass dem Verhalten des Verurteilten oft ein Konflikt mit dem Bewährungshelfer oder einem Mitglied der Aufsichtsstelle zugrundeliegen kann, dessen Hintergründe dem Gericht verborgen bleiben; dann ist der Schluss aus dem in Absatz 1 Nr. 3 beschriebenen Verhalten auf die Gefährlichkeit des Verurteilten nicht zwingend.
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Im Übrigen kann auf die entsprechenden Ausführungen im Rahmen des § 56f Abs. 1 Nr. 2 2. Alt., der dem § 67g Abs. 1 Nr. 3 im Wesentlichen entspricht, verwiesen werden.
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Auch der Widerrufsgrund nach Absatz 1 Nr. 3 muss während der Dauer der Führungsaufsicht eingetreten sein, da auch nur in diesem Zeitraum die Unterstellung unter die Aufsichtsstelle und unter einen Bewährungshelfer wirksam ist. 95 Es wird insoweit auf die Ausführungen zu Absatz 1 Nr. 1 (Rdn. 40) verwiesen. 5. Widerruf aufgrund des Zustandes (Absatz 2)
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a) Absatz 2 enthält einen ergänzenden, nur hilfsweise heranzuziehenden Widerrufsgrund. 96 Es ist vor einem Widerruf insbesondere zu prüfen, ob nicht eine Krisenintervention nach § 67h zur Reaktion auf die Zustandsverschlechterung ausreichend ist (vgl. § 67h Rdn. 1 f, 13 ff). Der Widerruf knüpft nicht an ein bestimmtes Verhalten an. 9 7 Die
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; Groß MK Rdn. 7. Restriktiv auch OLG Karlsruhe MDR 1980 71. Horstkotte LK 1 0 § 67g Rdn. 28. OLG Saarbrücken Beschl. v. 1 8 . 9 . 2 0 0 7 -
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1 Ws 1 5 0 / 0 7 (= BeckRS 2 0 0 7 17527); Lackner/Kühl Rdn. 5; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 26. Groß MK Rdn. 12.
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Widerruf der Aussetzung
§ 67g
Aussetzung der Unterbringung nach den §§ 63, 64 (Absatz 2 ist auf die Sicherungsverwahrung nicht anwendbar) ist auch zu widerrufen, wenn zwar keines der in Absatz 1 genannten Merkmale vorliegt, sich jedoch während der Führungsaufsicht ergibt, dass von dem Verurteilten wegen seines Zustandes rechtswidrige Taten zu erwarten sind und dass deshalb der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert. Absatz 2 ist auf psychisch Kranke zugeschnitten und an einem Krankheitsbild orientiert, bei dem eine plötzliche Veränderung des psychischen Zustandes, etwa ein schizophrener Schub, diagnostiziert werden kann und die dringende Befürchtung begründet, dass der Kranke aufgrund seines neuen Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (vgl. Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 791 ff). Für solche Kranken erschien der numerus clausus der Widerrufsgründe nach Absatz 1 ungeeignet. Jedenfalls sollte Absatz 2 nicht das Missverständnis fördern, es komme für den Widerruf allein auf die Entwicklung des Krankheitsbildes an. Tatsächlich bestimmt nicht die Diagnose über den Widerruf; entscheidend ist vielmehr, ob der Gefahr neuer Taten unter Berücksichtigung aller Umstände, auch der Lebensverhältnisse und der Führungsaufsicht, nur durch die Vollstreckung der Maßregel begegnet werden kann. Das gilt auch für § 67g Abs. 2. Die praktische Bedeutung der Vorschrift liegt wohl hauptsächlich darin, dass sie den Widerruf der Aussetzung im Vorfeld schwerer, krankhafter Aggressionen 98 auch dann ermöglicht, wenn es wegen des situationsgerechten Verhaltens der Umgebung noch nicht zu körperlicher Gewalt gekommen und deswegen ein Straftatbestand i.S. des Abs. 1 Nr. 1 nicht erfüllt ist. Handelt es sich um Zustandsverschlechterungen denen auch durch kurzfristige Krisenintervention begegnet werden kann, so ist nach § 67h vorzugehen. Auch ernstzunehmende Ankündigungen erheblicher rechtswidriger Taten durch den Kranken rechtfertigen die Anwendung des Absatzes 2. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Sicherungsverwahrung scheidet a u s . " Anders als psychische Erkrankungen oder eine Sucht lässt sich der dort erforderliche Hang zu erheblichen Straftaten ohne ein entsprechendes Verhalten des Verurteilten eben kaum diagnostizieren. Es fehlt daher an der für eine Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit.
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b) Die in Absatz 2 vorausgesetzte schlechte Prognose muss auf Beobachtungen über den Zustand beruhen. „Zustand" verweist auf den entsprechenden geistigen Defekt i.S.d. § 63 und auf den Hang i.S.d. § 6 4 . 1 0 0 Überwiegend wird der körperliche und seelische Zustand hierunter verstanden 1 0 1 , denn der Hang i.S.d. § 64 kann auch mit einer körperlichen Abhängigkeit zusammenhängen.
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Vorgänge in der Umwelt des Verurteilten, beispielsweise der Verlust von Angehörigen, Unterkunft oder Arbeit, fallen nicht unter Absatz 2 (Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 791 f; vgl. auch BTDrucks. V/4095 S. 3 4 ) ; 1 0 2 es ist hiernach entgegen der zum früheren Recht ergangenen Entscheidung OLG Bamberg N J W 1 9 6 9 5 6 4 kein Widerrufsgrund, wenn ein Wohnheim die Zusage, den Verurteilten aufzunehmen, zurücknimmt. Solange keine bedrohliche Veränderung im Zustand des Betroffenen festgestellt werden kann, lässt sich die Anwendung des Absatzes 2 auch nicht darauf stützen, dass ein bisher eingenommenes Medikament nicht mehr zur Verfügung steht
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Vgl. dazu: Böker/Hafner Gewalttaten Geistesgestörter S. 171, 174. Groß MK Rdn. 13. Groß MK Rdn. 16. So auch: Lackner/Kühl Rdn. 5; SM
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Schröder/Stree Rdn. 8; aA: Horstkotte L K 1 0 § 67g Rdn. 26 (nur psychischer Zustand). Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; Lackner/Kühl Rdn. 5.
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§ 67g
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
oder der behandelnde Arzt ausgefallen ist. Die Einnahme von Alkohol oder anderen Drogen kann hingegen auf das Wiedererstarken des Hangs i.S.d. § 64 hindeuten. 103 Bei den aus der Entziehungsanstalt Entlassenen empfiehlt sich aus den zu Rdn. 24 genannten Gründen eine vorsichtige, therapieorientierte Anwendung des § 67g Abs. 2. Ein Therapieabbruch ist nicht ohne weiteres eine Veränderung des „Zustandes" i.S. des Absatzes 2; auf einen durch den Therapieabbruch begünstigten Rückfall in den suchtbedingten Hang zu erheblichen rechtswidrigen Handlungen kann der Widerruf nach Absatz 2 gestützt werden. 61
c) Die aus dem Zustand des Verurteilten hergeleitete schlechte Prognose muss sich während der Dauer der Führungsaufsicht ergeben (Absatz 2). Hier ist zum einen der Fall der Veränderung des Zustandes gemeint. So kann ein akuter Schub einer schon früher vorliegenden geistigen Erkrankung, die zwischenzeitlich abgeflaut war, die schlechte Prognose während der Führungsaufsicht begründen.104 Zur Frage, inwieweit der neue Zustand dem gleichen muss der bei Begehung der Ursprungstat vorlag vgl. zunächst oben Rdn. 12. Einen irgendwie gearteten Zusammenhang des jetzigen Zustandes mit dem, der bei der Aburteilung vorlag, wird man verlangen müssen, da auf diesen Zustand (seinen Zustand) die Vorschrift verweist.105 Indes wird man den Zusammenhang nicht allein deswegen verneinen können, weil der Verurteilte jetzt ein anderes Betäubungsmittel konsumiert oder von Alkohol auf illegale Drogen umgestiegen ist (oder umgekehrt). Im Falle einer Maßregel nach § 64 ist z.B. häufig das spätere Umsteigen auf „harte Drogen" bei einem zum Zeitpunkt der Urteilsfällung festgestellten Hang zum übermäßigen Genuss sog, „weicher" Drogen vorgezeichnet. In vielen Fällen besteht ohnehin bereits zum Zeitpunkt der Aburteilung eine Abhängigkeit von mehreren Suchtstoffen. Im Falle einer Maßregel nach § 63 kann der neue Zustand auf das Hinzutreten einer anderen psychischen Erkrankung zurückzuführen sein. 106 Kaum wird man aber einen Zustand i.S.d. § 67g Abs. 2 annehmen können, wenn bei dem Verurteilten seinerzeit ein Schizophrenie zur Maßregelanordnung führte, seine jetzige Gefährlichkeit aber mit einer traumatischen Psychose oder seniler Demenz zusammenhängt.
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Str. ist, ob die Vorschrift nicht anzuwenden ist, wenn der bedenkliche Zustand schon bei der Aussetzung der Maßregel bekannt war (und sich erst danach die Erforderlichkeit der Unterbringung herausstellt).107 Teilweise wird die Anwendbarkeit in diesen Fällen verneint. 108 Der Wortlaut der Vorschrift gebietet eine solche enge Auslegung aber nicht. Während der Dauer der Führungsaufsicht muss sich die schlechte Prognose (infolge des Zustandes) ergeben, nicht aber der Zustand selbst. 109 Auch der mit der Norm verfolgte Sicherungszweck spricht gegen eine enge Auslegung. Anders als bei § 66b, wo „Tatsachen erkennbar" oder bei § 67g Abs. 3, wo „Umstände" in einem bestimmten Zeitraum bekannt werden müssen, muss sich bei § 67g Abs. 2 die Erforderlichkeit der Unterbringung ergeben. Woraus sich diese ergeben muss, wird nicht gesagt. Dies alles könnte dafür sprechen, Absatz 2 auch ohne neue Tatsachen betreffend den Zustand zur Anwendung
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Vgl. OLG Schleswig SchlHA 1981 160; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 6 . Groß MK Rdn. 16. KG StV 1997 315, 316; aA Groß MK Rdn. 16. Vgl. Groß MK Rdn. 16.
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Vgl. zur ähnlichen Problematik bei § 66b Rdn. 95 ff. Horstkotte LK 1 0 § 67g Rdn. 2 6 ; Horn SK Rdn. 13. Vgl. Groß MK Rdn. 18; i.E. ebenso: Ziegler BeckOKStGB Rdn. 6.
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Widerruf der Aussetzung
§ 67g
kommen zu lassen (gleichsam bei einer bloßen Neubewertung der Gefährlichkeit).110 Gegen eine Widerrufsmöglichkeit im Falle einer bloßen anderen Bewertung, aber bei unveränderter Tatsachenbasis könnten allerdings Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes sprechen. Auch wird ein Hin-und-Her kaum der Resozialisierung dienlich sein. Der Vertrauensschutz wird aber dann zurückzutreten haben, wenn sich aufgrund verbesserter wissenschaftlicher Erkenntnisse der Zustand des Verurteilten nachträglich doch in Freiheit als gefährlich erweist. Er wird demgegenüber Vorrang genießen, wenn der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft lediglich dazu dient, eine einmal ergangene Aussetzungsentscheidung, gegen die erfolglos Rechtsmittel eingelegt worden ist, ohne Veränderung der Sachlage oder der wissenschaftlichen Erkenntnisse erneut anzugreifen. Das würde das Rechtsmittelsystem der §§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 3 StPO unterlaufen. Der Nichteintritt einer bei der Aussetzung gehegten Erwartung auf Besserung eines Zustandes kann (bei ansonsten gleich gebliebener Diagnose) ebenfalls den Widerruf nach Absatz 2 begründen.111 Gemeint ist hier der Fall, dass eine bei der bedingten Entlassung dem Verurteilten auferlegte Behandlung etc. nicht in der erwarteten Weise angeschlagen hat. Es kommt hier also nicht darauf an, dass der Verurteilte durch den neuen Umstand gefährlicher ist, als bei seiner Entlassung. Es reicht aus, dass er gefährlich ist. d) Hinsichtlich des Prognosemaßstabes, also der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer rechtswidriger Taten formuliert das Gesetz mit „zu erwarten". Entsprechend ist auch § 63 formuliert. Demgegenüber enthält § 64 eine abweichende Formulierung („wenn die Gefahr besteht"). Auch wenn diese Formulierung in § 67g Abs. 2 nicht (auch) aufgegriffen wird, ist kein Grund ersichtlich, warum man nicht für den Widerruf der Maßregelaussetzung auf den Prognosemaßstab der Anordnung der jeweiligen Maßregel abstellen sollte.112 Es kann daher auf die entsprechenden Ausführungen zu § § 6 3 und 64 verwiesen werden.
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6. Widerruf aufgrund nachträglich bekannt gewordener Umstände (Absatz 3) a) Einen ergänzenden, subsidiären113 Widerrufsgrund bringt Absatz 3: Danach widerruft das Gericht die Aussetzung auch, wenn Umstände, die ihm (nicht nur dem Bewährungshelfer, der Aufsichtsstelle oder der Staatsanwaltschaft) während der Dauer der Führungsaufsicht bekannt werden und zur Versagung der Aussetzung geführt hätten, zeigen, dass der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert. Die Vorschrift soll die zeitliche Grenze öffnen, die der Verwertung der Widerrufsgründe nach den Absätzen 1, 2 durch das Merkmal „während der Dauer der Führungsaufsicht" gesetzt ist.
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b) Str. ist, ob der Begriff „Umstände" gleichzusetzen ist mit „Tatsachen" 114 oder ob auch wissenschaftliche Erkenntnisse und Bewertungen hierunter fallen. 115 Die Formulie-
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Unklar: Groß MK Rdn. 18, während in Rdn. 20 solche Fälle dem Absatz 3 zugeordnet werden; unklar auch Horn SK Rdn. 13, wenn für bei veränderter ärztlicher Risikoprognose Abs. 3 für anwendbar gehalten wird, bei der gerichtlichen aber nicht (wobei es sich doch bei der ärztlichen Prognose auch nicht um Tatsachen, sondern um eine - rechtlich noch nicht einmal relevante, da dem Gericht obliegende -
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Einschätzung aufgrund von Tatsachen handelt). OLG Schleswig NStZ 1982 88 = [ausführlich] SchlHA 1981 160. Groß MK Rdn. 15. KG StV 1997 315, 316; Lackner/Kühl Rdn. 5. So: Horstkotte LK 1 0 Rdn. 2 9 ; Schreiber/ Rosenau S. 54, 116; vgl. auch die Beispiele bei Fischer Rdn. 9. So: Groß MK Rdn. 2 0 .
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§ 67g
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
rung „bekannt werden" deutet eher auf die erstgenannte Alternative hin. Eine bloße Bewertung der Gefährlichkeit kann neu vorgenommen, aber nicht „bekannt werden". Die Vorschrift erlaubt es daher nicht, den Widerruf (bloß) mit einer geänderten Bewertung zu begründen. 116 Dies ist vielmehr in den o.g. Grenzen nur im Rahmen des Absatzes 2 und nur bei den Maßregeln nach §§ 63, 64 möglich (vgl. Rdn. 59). Auch rechtliche Irrtümer, beispielsweise ein Übersehen des § 67b Abs. 1 Satz 2, können nicht nach Absatz 3 korrigiert werden. Hingegen stellt es einen relevanten Umstand dar, wenn das Gericht erst nachträglich erkennt, dass eine frühere ärztliche Diagnose falsch war, 1 1 7 denn die tatsächliche Erkrankung bestand dann schon früher und war dem Gericht bloß aufgrund falscher Diagnose verborgen. 66
Das Gesetz beschreibt die verwertbaren Umstände nicht näher. Umstände, die „zur Versagung der Aussetzung geführt hätten", können nur Tatsachen sein, die in die Zeit vor der Aussetzung fallen. Die Umstände müssen ihrem Gewicht nach den in Absatz 1 genannten Umständen bzw. einer von Absatz 2 erfassten Zustandsänderung entsprechen; die rechtsstaatlichen Gründe, die zu einer Einschränkung der Widerrufsgründe nach Abs. 1, 2 geführt haben (Rdn. 4), können bei der Auslegung des Absatzes 3 nicht außer Betracht bleiben. In erster Linie ist an schwerwiegende Rechtsverletzungen, bei Geistesgestörten auch an prognostisch bedeutsame Auffälligkeiten und Krankheitssymptome, zu denken. 118 Nachträglich bekanntgewordene ärztliche Beurteilungen aus früherer Zeit sind nur dann verwertbar, wenn sie bisher unbekannte Tatsachen und nicht nur diagnostische Urteile vermitteln; bei ihnen wie auch bei Informationen über frühere Krankenhausaufenthalte und sonstige Therapieversuche ist aber regelmäßig die prognostische Relevanz zur Zeit der Widerrufsentscheidung zweifelhaft.
67
c) Die Umstände dürfen dem Gericht erst während der Dauer der Führungsaufsicht bekannt geworden sein; Umstände, die das Gericht schon bei der Aussetzung kannte, scheiden aus. 119 Die Umstände müssen aber schon vor Beginn der Führungsaufsicht objektiv vorhanden gewesen sein 1 2 0 (auch dies zeigt, dass bloße Bewertungen von Absatz 3 nicht gemeint sind). Warum das Gericht den Umstand bei seiner Aussetzungsentscheidung nicht kannte, ist gleichgültig. 121 Hinsichtlich der Dauer der Führungsaufsicht, insbesondere hinsichtlich ihres Beginns wird auf die Erläuterung zu Absatz 1 (Rdn. 40 verwiesen).
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Tritt der Widerrufsgrund (Absatz 1) vor dem Zeitpunkt ein, zu dem die tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden können, wird er aber dem Gericht erst nach Rechtskraft der Aussetzung bekannt, so gilt Absatz 3.
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Die nachträglich bekannt gewordenen Umstände müssen mit dem bei der Aussetzung zugrunde gelegten Sachverhalt derart zusammenhängen, dass das Gericht die Maßregel nicht ausgesetzt hätte, wenn es sie gekannt hätte. Außerdem müssen die nachträglich bekanntgewordenen Umstände zur Zeit der Widerrufsentscheidung für die Prognose relevant sein: Sie müssen „zeigen" (Synonym für „ergeben" i.S. von Abs. 1, 2), dass der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert (Rdn. 12); 122 sie müssen also besorgen lassen, dass der Verurteilte rechtswidrige Taten von der Art und dem Gewicht begeht, wie sie der Maßregelanordnung zugrunde gelegen haben. Bietet das Verhalten des Verurteilten seit der Aussetzung für eine solche Besorgnis keine Anhaltspunkte, so wird in aller
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 9. OLG Stuttgart OLGSt § 67g Nr. 2; aA: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 26. Vgl. Fischer Rdn. 9.
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 9. Groß MK Rdn. 21. Groß MK Rdn. 21. Vgl. Groß MK Rdn. 22.
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Widerruf der Aussetzung
S 67g
Regel angenommen werden dürfen, dass die Informationen aus früherer Zeit überholt sind (BTDrucks. V/4095 S. 34; Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, S. 2340). 123 Es kommt zwar nicht darauf an, dass die nachträglich bekanntgewordenen Umstände zur Zeit des Widerrufes noch vorhanden sind,124 wohl aber darauf, dass ihre prognostische Bedeutung anhält.125 Die Anwendung des § 67g Abs. 3 darf nicht den verbreiteten Übelstand fördern, dass ältere, negative Beurteilungen ohne hinreichende Prüfung der gegenwärtigen Verhältnisse unkritisch verwertet werden.126
IV. Rechtsfolgen 1. Obligatorischer Widerruf. Die Aussetzung muss widerrufen werden, wenn die ge- 7 0 setzlichen Voraussetzungen (§ 67g Abs. 1-3) vorliegen.127 Bei der Beurteilung des zentralen Widerrufsgrundes, dass der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert, hat das Gericht auf der Tatbestandsebene nach der Natur der Sache aber einen weiten Beurteilungsspielraum, weil hierbei die unterschiedlichen Aspekte der Maßregelzwecke und der Verhältnismäßigkeit miteinander abzuwägen und auch künftige Entwicklungen abzuschätzen sind. Der Umstand, dass in einem anderen Verfahren eine gleichartige Unterbringung angeordnet wurde, hindert den Widerruf grundsätzlich nicht.128 Freilich wäre in einem solchen Fall auf Tatbestandsseite die Erforderlichkeit genauer zu prüfen. Ein denkbarer Grund für diese könnte z.B. sein, dass in dem anderen Verfahren ein anderer leichter behandelbarer und damit eher zur Aussetzung der dortigen Maßregel führender Defekt Ursache der Straftatenbegehung war. Wegen § 67f ist eine Unterbringung nach § 64 von dieser Problematik nicht betroffen, denn mit der Anordnung der neuen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist die frühere erledigt und ein Widerruf nicht mehr möglich.129 Ein Widerruf ist aber nicht möglich, wenn sich die Maßregel erledigt hat (z.B. nach 71 §§ 67c Abs. 2 S. 5, 67d Abs. 3 S. 1, 67d Abs. 5, 67d Abs. 6, 67f). 2. Wirkungen des Widerrufs; Fristberechnung nach Absatz 4 a) Str. ist, in welchen Fällen mit der Widerrufsentscheidung die Führungsaufsicht 7 2 endet bzw. weiterläuft.130 Die Maßregel ist in den Fällen der §§ 67b, 67c Abs. 1, 2 erstmals, sonst von neuem zu vollstrecken. War die Maßregel schon vor der Aussetzung vollstreckt worden, so darf die Dauer der Unterbringung vor und nach der Aussetzung die gesetzliche Höchstfrist (§ 67d Abs. 1, Abs. 3) nicht überschreiten (Absatz 4); die Dauer der vor der Aussetzung vollstreckten Unterbringung wird also auf die Höchstfrist angerechnet. Ist allerdings die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden und wird nach dem Widerruf eine Maßregel gleicher Art verhängt, so ist die alte Maßregel erledigt (§ 67f); auf die Höchstdauer der neuen Maßregel wird dann der bisherige
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Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, 793; Sch/Schröder/Stree Rdn. 9. Abweichend: Abg. Diemer-Nicolaus Prot, des Sonderausschusses für die Strafrechtsref. V, S. 793. AA: Horn SK Rdn. 14 (Umstände müssen jetzt noch vorliegen). Dazu schon Mittelbach JR 1958 151; vgl. ferner § 67d Rdn. 103 ff.
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OLG Hamm GA 1981 174. OLG Hamm GA 1981 174; Groß MK Rdn. 23. OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.8.2001 - Ws 9 2 8 / 0 1 ; Groß MK Rdn. 23. Vgl. dazu Schneider LK § 68e Rdn. 41.
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§ 67g
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Maßregelvollzug (naturgemäß) nicht angerechnet (§ 67f Rdn. 8 ff; dort auch zu abweichenden Verhältnissen bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung). 73
Bei der Sicherungsverwahrung, bei der von dem Verurteilten „lediglich" schwerer wirtschaftlicher Schaden droht, ist die Zehnjahresfrist gem. § 67d Abs. 3 zu beachten. D.h. die Gesamtvollstreckungszeit vor und nach dem Widerruf darf diese zeitliche Grenze nicht überschreiten. 131
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b) War neben der Maßregel in den Fällen der §§ 63, 64 eine Freiheitsstrafe verhängt und ist sie zur Zeit des Widerrufs noch nicht durch Verbüßung oder Anrechnung (§ 67 Abs. 4) erledigt, so gilt, falls die Strafe nicht ausgesetzt bleibt, für die Reihenfolge von Maßregel und Freiheitsstrafe die Regel des § 67 Abs. 1, sofern nicht mit dem Widerruf oder später (§ 67 Abs. 3) eine abweichende Regelung (§ 67 Abs. 2) getroffen wird. Frühere Anordnungen dieser Art sind mit der Aussetzung wirkungslos geworden. Auch eine vor der Aussetzung angeordnete Überweisung nach § 67a ist mit der Aussetzung erledigt 132 ; über die Überweisungsfrage i.S. des § 67a ist mit dem Widerruf oder später von neuem zu entscheiden, sofern dies notwendig ist. Eine Anordnung nach § 67a kommt im Zusammenhang mit dem Widerruf in Betracht, wenn sich während der Führungsaufsicht, auch im Zusammenhang mit dem Widerrufsgrund, gezeigt hat, dass der Täter einer Behandlung bedarf, die im Vollzug einer anderen Maßregel möglich ist. 133
75
c) Der Widerruf der Aussetzung steht einer erneuten Aussetzung nicht entgegen; sie kann schon angeordnet werden, bevor der Verurteilte aufgrund des Widerrufs in den Maßregelvollzug aufgenommen wird. 134 Die Rechtskraft des Widerrufs hindert die erneute Nachprüfung der Aussetzungsvoraussetzungen nicht, sofern der neuen Nachprüfung (§ 67e) irgendwelche neuen Tatsachen, zu denen der bloße Zeitablauf mit seinen positiven Wirkungen gehören kann, zugrunde gelegt werden; 135 auf die Grundsätze des § 359 Nr. 5 StPO braucht dabei nicht zurückgegriffen zu werden. 136
76
3. Entscheidung bei Gelegenheit der Widerrufsprüfung. Ergibt sich bei der Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen, dass der mit einer Maßregel nach § 63 belegte Verurteilte voll schuldfähig und die Maßregel deswegen nach den zu § 67c Rdn. 105 ff, § 67d Rdn. 4 2 ff genannten Grundsätzen erledigt ist, so ist ein Widerruf der Aussetzung nicht möglich. Die Strafvollstreckungskammer hat die Erklärung gem. § 67d Abs. 6 nachzuholen, dass die Maßregel erledigt ist. 137 Ähnliches gilt im Hinblick auf die Unterbringung in der Entziehungsanstalt und § 67d Abs. 5 (vgl. ergänzend § 67c Rdn. 105 ff). 138 Hier könnte man allerdings auch darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre, lediglich vom Widerruf abzusehen, nicht aber auch eine Erledigungserklärung auszusprechen. 139
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Groß MK Rdn. 24; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 15. Es kommt also bei der Entscheidung über den Widerruf auf den Zweck der ursprünglich angeordneten Maßregel an. Groß MK Rdn. 23; Pollähne/Böllinger NK Rdn. 29. OLG Frankfurt StV 1985 2 5 ; OLG Hamm NStZ 1990 251, 2 5 2 ; JMB1NW 1976 93; Groß MK Rdn. 24; Scb/Scbröder/Stree Rdn. 13. OLG Hamm NStZ 1990 251, 2 5 2 , vgl. auch
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die zu § 56f ergangene Entscheidung OLG Stuttgart Justiz 1982 437. Str.: vgl. OLG Zweibrücken NStZ 1997 55 m.w.N. Vgl. (noch zum früheren Recht): OLG Düsseldorf StV 1991 70, 71. Vgl. Pollähne/Böllinger NK Rdn. 10; Baur NStZ 1 9 9 0 2 5 4 ; Bechtholdt Die Erledigungserklärung im Maßregelvollzug des § 63 StGB S. 176. Funck StV 1997 317.
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Widerruf der Aussetzung
§ 67g
Denn möglicherweise mag sich die Therapieaussicht bei späteren Bewährungsverstößen geändert haben, so dass dann tatsächlich ein Widerruf in Betracht kommt. Die Formulierung des § 67d Abs. 5 zwingt nicht zur Erledigungserklärung in diesen Fällen. 1 4 0 4. Rechtsfolgen bei Nichtwiderruf, Absatz 5. Die Bedeutung des Absatzes 5 geht über das hauptsächliche Regelungsthema des § 67g hinaus. Absatz 5 bezeichnet die endgültige Erledigung der freiheitsentziehenden Maßregeln (§§ 6 3 - 6 6 ) . Mit der Erledigung endet die Möglichkeit, die Entlassung zu widerrufen. Unter der Voraussetzung, dass die Aussetzung während der Führungsaufsicht (vgl. Rdn. 40) nicht widerrufen worden ist, erledigt sich die Maßregel mit dem Ende der Führungsaufsicht. Die Führungsaufsicht endet ohne gerichtliche Anordnung kraft Gesetzes, wenn die gesetzliche oder abgekürzte Höchstfrist (§ 68c Abs. 1) abläuft. 141 Durch gerichtliche Anordnung wird sie in den Fällen der vorzeitigen Aufhebung nach § 68e Abs. 1 beendet; mittelbare Folge einer richterlichen Anordnung ist das Ende der Führungsaufsicht in den Fällen des § 68g Abs. 3. In all diesen Fällen geht mit dem Ende der Führungsaufsicht die Erledigung der Maßregel einher, ohne dass es hierzu eines gerichtlichen Ausspruches bedarf (zum spätesten Zeitpunkt des Widerrufs vgl. auch Rdn. 43).
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5. Behandlung von Leistungen nach Absatz 6. Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Weisungen erbracht hat, werden nicht erstattet. Diese Regelung (Absatz 6) betrifft sowohl die Fälle der Erledigung der Maßregel als auch diejenigen des Widerrufs. 142 Wegen der Einzelheiten kann auf die Erläuterung der gleichlautenden Vorschrift des S 56f Abs. 3 Satz 1 verwiesen werden. Eine Anrechnung von Leistungen (wie sie § 5 6 f Abs. 3 S. 2 vorsieht) würde dem Wesen der Maßregel widersprechen. 143
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V. Konkurrenz mit anderen Entscheidungen über Strafen und Maßregeln 1. Mit der Maßregel verhängte Freiheitsstrafe. Der Widerruf der Maßregelaussetzung (§ 67g) und der Widerruf der Aussetzung einer zugleich mit der Maßregel verhängten Strafe (§ 56f) sind an sich von einander unabhängig. Es besteht aber zwischen beiden ein Entscheidungsverbund (s.o. Rdn. 5 f). Dabei ist aber Folgendes zu beachten: Die Voraussetzungen für den Widerruf nach den §§ 67g, 56f decken sich nicht (Rdn. 6). Die Besorgnis, dass der Verurteilte erneut Straftaten begehen wird (§ 56f Abs. 1 Nr. 2), indiziert nicht immer die Notwendigkeit des Maßregelvollzuges, die sich an den besonderen Zwecken der einzelnen Maßregeln orientiert und durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzt wird. Die Erwartung i.S. des § 56f Abs. 1 Nr. 1 kann in bestimmten Fällen auch andere als die spezialpräventiven Gründe gehabt haben, auf die es im Maßregelrecht allein ankommt. Verstöße gegen Auflagen (§ 56f Abs. 1 Nr. 3) interessieren im Maßregelrecht nicht. Der Umstand, dass der Verurteilte Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, kann geradezu gegen die Erforderlichkeit der Maßregelvollstreckung sprechen. Wird nur die Aussetzung der Strafe widerrufen, so wird die Zeit der Strafverbüßung nicht auf die Dauer der Führungsaufsicht angerechnet (§ 68c Abs. 2 Satz 2); diese Verlängerung des Zeitraums der Kontrolle und der Widerrufsmöglichkeit kann den Entschluss, die Maßregelaussetzung nicht zu widerrufen, erleichtern.
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Weitergehend (anwendbar nur während des Maßregelvollzuges): Funck StV 1997 317. Horn SK Rdn. 17.
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 14. Fischer Rdn. 12; Ziegler BeckOKStGB Rdn. 10.
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§ 67g 80
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
2. Strafen und freiheitsentziehende Maßregeln aufgrund eines anderen Urteils. Die Verhängung einer freiheitsentziehenden Maßregel oder einer Freiheitsstrafe wegen einer neuen rechtswidrigen Tat ist für sich allein kein Grund für den Widerruf nach § 67g, ebensowenig der Widerruf einer Straf- oder Maßregelaussetzung in einem anderen Verfahren. Auch hier gilt (vgl. Rdn. 35), dass eine sonst angeordnete Freiheitsentziehung gewissermaßen stellvertretend den Erfordernissen des Maßregelzwecks (§ 67g) Rechnung tragen und deswegen den Widerruf erübrigen kann. Andererseits sollte bei der Widerrufsentscheidung nach § 67g darauf geachtet werden, dass der Zweck einer im anderen Verfahren angeordneten Maßregel nicht durch den Widerruf vereitelt wird: So sollte der Widerruf der Aussetzung der Sicherungsverwahrung nach Möglichkeit vermieden werden, wenn in anderer Sache die Unterbringung nach § 64 angeordnet worden ist. Zwar wird die Unterbringung in der Entziehungsanstalt regelmäßig vor der Sicherungsverwahrung vollstreckt (§ 54 Abs. 2 Satz 5 StVollstrO). Doch wird das auf eine Erprobung in Freiheit (§ 67d Abs. 2) zielende Therapiekonzept gestört, wenn mit dem anschließenden Vollzug der Sicherungsverwahrung gerechnet werden muss, also keine Gewissheit besteht, dass diese Maßregel in entsprechender Anwendung des § 67c Abs. 1 (vgl. § 67c Rdn. 30 ff) im Anschluss an die Therapie ausgesetzt werden wird. Die Frage, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert, ist besonders sorgfältig zu prüfen, wenn in anderer Sache eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe oder Maßregel verhängt wird (§§ 56, 67b). Wird hier der Widerruf nach § 67g angeordnet, so ergibt sich, zumal wenn sich die beiden Entscheidungen auf dieselbe Tat (Absatz 1 Nr. 1) beziehen, ein Widerspruch, der dem Betroffenen unverständlich bleiben muss und seine Behandlung erschwert.
VI. Verfahrensrechtliche Gesichtspunkte beim Widerruf 81
1. Die gesetzlichen Vorschriften über das Verfahren beim Widerruf der Maßregelaussetzung sind knapp. Nach § 463 Abs. 5 gilt § 462 StPO, nicht etwa die für den Widerruf der Strafaussetzung vorgesehene Bestimmung des § 453 StPO. Die praktischen Unterschiede sind indessen gering. 82 Zuständig ist gem. § 462a Abs. 1 StPO die Strafvollstreckungskammer, wenn bereits ein Teil der Maßregel vollstreckt wurde. Anderenfalls ist gem. § 462a Abs. 2 StPO das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Die StVK entscheidet über den Widerruf der Maßregel nach § 63 in der Besetzung mit drei Berufsrichtern.144 Gleiches gilt für den Widerruf bei der Sicherungsverwahrung. Bei der Maßregel nach § 64 dürfte hingegen der Einzelrichter zuständig sein (vgl. zum gleichgelagerten Problem bei § 67c dort Rdn. 144). 83
Für die nach Jugendstrafrecht Abgeurteilten umfasst die Zuständigkeit des Vollstreckungsleiters (§ 82 JGG) für Nachtragsentscheidungen nach der Maßregelaussetzung auch die Zuständigkeit für den Widerruf (vgl.: Meyer-Goßner StPO4 § 462a Rdn. 40 m.w.N. 145 ).
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2. Das Verfahren ist von Amts wegen einzuleiten, sobald ein Widerrufsgrund bekannt wird. 146 Gem. § 462 Abs. 2 StPO sind der Verurteilte und die Staatsanwaltschaft
144 145
OLG Hamm NStZ 1994 146. Vgl. aber auch: BGH NStZ 1 9 9 7 100 ff für Fälle der Vollstreckungsabgabe nach §§ 89a Abs. 3; 85 Abs. 6 JGG.
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Groß MK Rdn. 28.
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Widerruf der Aussetzung
vor der Entscheidung zu hören. Im Falle des Widerrufes wegen eines Weisungsverstoßes ist die mündliche Anhörung (i.d.R.) zwingend.147 Ggf. ist die Mitwirkung eines Verteidigers geboten. 148 Die Aufklärungspflicht wird regelmäßig die Anhörung des Bewährungshelfers, ggf. auch weiterer Personen, wie z.B. Betreuer etc. und die Bestellung eines Sachverständigen (insbesondere bei Maßregeln nach §§ 63, 66) 1 4 9 gebieten.150 Zur Mitwirkung der Gerichtshilfe s. § 463d StPO. Verbüßt der Verurteilte eine Freiheitsstrafe, die wegen neuer in der Bewährungszeit angeordneter Taten verhängt wurde, so ist über die Vollstreckung der Maßregel nicht etwa erst nach § 67c zum Ende der Strafzeit zu entscheiden, sondern es handelt sich um einen klassischen Fall einer Entscheidung nach § 67g. 151 Die Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen ist in den Fällen des § 63 regelmäßig geboten, vielfach auch in den Fällen des § 66. 1 5 2 Vor dem Widerruf der Aussetzung einer Maßregel nach § 64 sollte sich regelmäßig ein Sachverständiger äußern, der die Auswirkungen des Widerrufs auf die Therapie und die Behandlungsaussichten beurteilen kann. Verweigert der Verurteilte eine Begutachtung, so ist eine Unterbringung analog § § 8 0 ff. StPO nicht möglich. 153
85
86
Ist der Aufenthalt des Verurteilten nicht zu ermitteln (zu den Möglichkeiten der Aufsichtsstelle vgl. § 463a StPO), so kann nach § 453c i.V. mit § 463 Abs. 1 StPO, wie auch sonst, bei Flucht, Fluchtgefahr oder Gefahr erheblicher neuer Straftaten „notfalls" Haftbefehl ergehen.154 Der Verurteilte ist dann in ein geeignetes Krankenhaus einzuweisen.155 Umstritten ist, ob dies im Interesse des rechtlichen Gehörs des Verurteilten stets geschehen muss 156 oder ob der Widerrufsbeschluss auch ohne vorangegangenen Haftbefehl unter dem Vorbehalt nachträglicher Anhörung (§ 33a StPO) erlassen und öffentlich zugestellt werden darf. 157 Ist der Widerrufsbeschluss ohne Anhörung des Verurteilten ergangen und rechtskräftig geworden, so hat das Gericht, das den Widerruf angeordnet hat, den Verurteilten nach § 33a StPO nachträglich zu hören und den Beschluss, falls nach dem Ergebnis der Anhörung erforderlich, aufzuheben.158
87
Die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus zur Beobachtung ist nicht zulässig (OLG Hamm NJW 1974 914).
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3. Gegen den Widerruf der Maßregelaussetzung ist die sofortige Beschwerde gegeben (§ 463 Abs. 5 i.V. mit § 462 Abs. 3 StPO). Anders als beim Widerruf der Strafaussetzung (§ 453 Abs. 2 Satz 3 StPO) hat hier auch die Staatsanwaltschaft bei der Ablehnung ihres Widerrufsantrags das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde.159 Eine Entscheidung, die aufgrund nachträglicher Anhörung (§ 33a StPO) ergeht, kann nach überwiegender Meinung nur wegen Verfahrensmängeln angegriffen werden, und zwar mit der einfachen
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147
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152 153 154
155
Str., vgl. OLG Frankfurt NStZ 1998 536 m. abl. Anm Kropp. Vgl. dazu: Groß MK Rdn. 28. Vgl. OLG Hamm N J W 1974 914. Vgl. Groß MK Rdn. 28. Vgl. OLG Karlsruhe NStZ 1997 151, 152; aA: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 11. Vgl. auch OLG Hamm NJW 1974 914. Funck StV 1997 317, 318. Vgl. KG Berlin, Beschl. v. 6.1.1998 - 5 Ws 815/97. KG Berlin, Beschl. v. 9.1.2001 - 5 Ws 9/01.
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OLG Hamburg NJW 1976 1327; OLG Frankfurt StV 1983 113. OLG Bremen M D R 1976 865; OLG Celle MDR 1976 9 4 8 ; vgl. zum vergleichbaren Streitstand bei § 56f: Fischer § 56f Rdn. 21a; Stockei KMR (Stand: Juli 2 0 0 1 ) § 4 5 3 Rdn. 27. BGHSt 2 6 127, 129; OLG Celle NJW 1973 2 3 0 6 ; OLG Hamburg NJW 1972 219; Fischer § 56f Rdn. 21a; z.T. aA OLG Stuttgart NJW 1974 2 8 4 . OLG Nürnberg NStZ-RR 1998 2 4 2 .
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§ 67h
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Beschwerde. 1 6 0 Hat das Widerrufsgericht nur die Strafaussetzung, nicht aber die Maßregelaussetzung widerrufen, so verstößt es in analoger Anwendung der 331, 358 StPO nicht gegen das Verschlechterungsverbot, wenn das Beschwerdegericht auch wenn nur der Verurteilte Rechtsmittel eingelegt hat, nunmehr auch die Aussetzung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus widerruft. 1 6 1 90
Für ein Analogie zu § 6 7 c in den Fällen, in denen der Widerruf nicht unmittelbar zur Vollstreckung der Maßregel geführt hat, 1 6 2 ist kein Raum. Befand sich der Verurteilte bereits gem. § 6 7 b anfänglich in Freiheit, ist § 6 7 c Abs. 2 ggf. unmittelbar anwendbar. In den anderen Fällen ist eine Überprüfung nach § 67e möglich.
91
4. O b die Widerrufsentscheidung bereits ergehen kann, auch wenn die Aussetzungsentscheidung noch nicht rechtskräftig (sondern nur die Maßregelanordnung) 1 6 3 erscheint fraglich. Gründe die gegen die Aussetzung sprechen (also auch Widerrufsgründe) könnten im Beschwerdeverfahren zur Aufhebung der Aussetzungsentscheidung führen. Die Widerrufsentscheidung wäre dann überflüssig. Die Maßregel darf erst nach Rechtskraft des Widerrufs vollstreckt werden. 1 6 4
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§ 67h Befristete Wiederinvollzugsetzung; Krisenintervention (1) Während der Dauer der Führungsaufsicht kann das Gericht die ausgesetzte Unterbringung nach § 6 3 oder § 6 4 für eine Dauer von höchstens drei Monaten wieder in Vollzug setzen, wenn eine akute Verschlechterung des Zustande der aus der Unterbringung entlassenen Person oder ein Rückfall in ihr Suchtverhalten eingetreten ist und die Maßnahme erforderlich ist, um einen Widerruf nach § 67g zu vermeiden. Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 kann es die Maßnahme erneut anordnen oder ihre Dauer verlängern; die Dauer der Maßnahme darf insgesamt sechs Monate nicht überschreiten. § 67g Abs. 4 gilt entsprechend. (2) Das Gericht hebt die Maßnahme vor Ablauf der nach Absatz 1 gesetzten Frist auf, wenn ihr Zweck erreicht ist.
Schrifttum Peglau Das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung NJW 2007 1558; Schalast Anmerkungen zum Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums zur Neuregelung der Führungsaufsicht R&P 2006 59; U. Schneider Die Reform der Führungsaufsicht NStZ 2007 441; Vollbach Die reformierte Maßregel Führungsaufsicht: Kontaktverbot, Alkoholverbot, Nachsorgeweisung und unbefristete Führungsaufsicht MSchrKrim 2006 40; Weigelt Was kann eine reformierte Führungsaufsicht leisten? ZRP 2006 253; Wolf Reform der Führungsaufsicht RPfleger 2007 293.
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161
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Im Einzelnen umstritten, vgl. die Nachweise bei Wendisch LR 25 S 453 Rdn. 17, 41 ff. OLG Hamburg Beschl. v. 17.3.2006 - 2 Ws 64/06. So: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 37.
800
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So: Pollähne/Böllinger NK Rdn. 9. OLG Karlsruhe NJW 1972 2008; vgl. auch Hanack J Z 1966 43 ff; aA Kaiser NJW 1964 1946.
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Befristete Wiederinvollzugsetzung; Krisenintervention
§ 67h
Vgl. auch die im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 3.3.2007 abgegebenen Stellungnahmen von Experten (im Internet abrufbar über: www.bundestag.de/ausschuesse/ a06/anhoerungen/13_Fuehrungsaufsicht/index.html).
Entstehungsgeschichte § 67h wurde durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 1 3 . 4 . 2 0 0 7 (BGBl. I S. 513) mit Wirkung zum 1 8 . 4 . 2 0 0 7 (Art. 5) neu eingeführt.
Übersicht Rdn. Π. Allordnung der Krisenintervention (§ 67h Abs. 1) 1. Formelle Voraussetzungen . . . . a) Maßregel nach § 63 oder § 6 4 b) Aussetzung der Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung . . . . c) Anordnung während der Dauer der Führungsaufsicht d) Verurteilter befindet sich nicht im Vollzug 2. Materielle Voraussetzungen
Rdn.
1
I. Allgemeines
. . . ,
5 5
6
9
11
11
a) Akute Zustandsverschlechterung b) Erforderlichkeit zur Vermeidung des Widerrufs c) Verhältnismäßigkeit 3. Rechtsfolge a) Wiederinvollzugsetzung b) Verlängerung der Wiederinvollzugsetzung
19
ΙΠ. Aufhebung der befristeten Wiederinvollzugsetzung
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IV. Verfahrensrechtliches
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13 16 17 17
I. Allgemeines Mit dem „Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschrif- 1 ten über die nachträgliche Sicherungsverwahrung" verfolgt der Gesetzgeber das Ziel einer effizienteren Handhabung der Maßregel der Führungsaufsicht. Mit § 67h wurde ein Kriseninterventionsinstrumentarium geschaffen, mit dessen Hilfe kritischen Entwicklungen rechtzeitiger begegnet werden kann, ohne dass gleich zum Mittel des Widerrufs der Maßregelaussetzung zur Bewährung geschritten werden muss. 1 Nach alter Rechtslage bestand bei Eintritt einer Zustandsverschlechterung eines nach § 63 oder § 6 4 Verurteilten, die die Gefahr der Rückfälligkeit mit sich brachte, i.d.R. nur die Möglichkeit, die Maßregelaussetzung zur Bewährung zu widerrufen (§ 67g Abs. 2) und zwar auch in den Fällen, in denen absehbar war, dass bereits durch einen zeitlich begrenzten stationären Aufenthalt der Zustandsverschlechterung hinreichend begegnet werden konnte. Bei psychisch Kranken und Suchtkranken ist aber häufig nur eine zeitlich begrenzte Stabilisierung erforderlich. Wird bei Ihnen die Maßregelaussetzung zur Bewährung widerrufen, so bringt dies - da dann ein erneutes Aussetzungsverfahren nach § 67d Abs. 2 durchgeführt werden muss - einen zeitlich länger als notwendigen stationären Aufenthalt mit sich (was sowohl den Verurteilten als auch die Maßregelvollzugseinrichtung unnötig belastet). 2 Außerdem wirkt ein Widerruf (unnötig) stigmatisierend. 3 Schon die bisherige Praxis suchte deswegen nach Auswegen. So wurden gefähr-
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2
BTDrucks. 16/1993 S. 1, 11, 16; Schneider NStZ 2 0 0 7 441, 442. Schalast R&P 2 0 0 6 59, 63.
3
BTDrucks. 16/1993 S. 17; Vollbach MSchrKrim 2 0 0 6 40, 44.
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§ 67h
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
dete Verurteilte durch Erlass eines Sicherungshaftbefehls nach § 453c Abs. 1 StPO vorübergehend untergebracht, wo sie auf dieser Grundlage schon behandelt werden konnten, was am Ende - bei kurzfristigem Behandlungserfolg - schon einen Widerruf der Maßregelaussetzung überflüssig machte. 4 3
Mit § 67h besteht nun eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für eine flexible und schonende (weil Widerruf vermeidende) Reaktion auf die genannte Art von Zustandsverschlechterungen.
4
Auch wenn § 67h von „Maßnahme" die Rede ist, handelt es sich nicht um eine eigenständige Maßnahme i.S. des § 11 Abs. 1 Nr. 8 (jede Maßregel der Besserung und Sicherung etc.) sondern nur um ein unselbständige Vollstreckungsmodalität der Maßregeln der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64). Das folgt daraus, dass § 61 die Krisenintervention nicht aufführt und wird auch durch die Stellung der Norm bei den Vollstreckungsregelungen der §§ 67a ff deutlich.
Π. Anordnung der Krisenintervention (§ 6 7 h Abs. 1) 5
1. Formelle Voraussetzungen. § 67h hat vier formelle Voraussetzungen:
6
a) Eine Maßregel nach § 63 oder § 64 muss gegen den Verurteilten angeordnet sein. Für eine zur Bewährung ausgesetzte Maßregel der Sicherungsverwahrung gilt die Vorschrift nicht. Das ergibt sich aus dem klaren Wortlaut und daraus, dass die durch die Vorschrift erfassten typischen krisenhaften Zuspitzungen, denen durch eine kurzfristige (i.d.R. bis zu drei Monaten andauernden) stationären Krisenintervention begegnet werden kann, wohl nur bei Maßregelpatienten nach § 63 und § 64 anzutreffen sind.
7
b) Die Unterbringung muss zur Bewährung ausgesetzt sein. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift ist gleichgültig, ob es sich um eine anfängliche Maßregelaussetzung zur Bewährung nach § 67b oder um eine nachträgliche nach §§ 67d oder 67c handelt. Verlangt wird nur eine „ausgesetzte Unterbringung". Allein aus dem Wörtchen „wieder" zu schließen, dass die Vorschrift nur bei bereits einmal vollzogenen und nachträglich ausgesetzten (§ 67d Abs. 2) Unterbringungen anwendbar sei, ist nicht angängig.5 Eine Krisenintervention kann bei beiden Personengruppen gleichermaßen notwendig und sinnvoll sein, so dass auch nach der gesetzgeberischen Zielsetzung eine Differenzierung nicht angezeigt ist.
8
c) Die Anordnung der Wiederinvollzugsetzung kann nur „während der Dauer der Führungsaufsicht" angeordnet werden. Das bedeutet, dass die Wiederinvollzugsetzung bei einer ruhenden Führungsaufsicht (§ 68g Abs. 2) ausscheidet.
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d) Der Verurteilte muss „aus der Unterbringung entlassen" sein. Gemeint dürfte sein, dass der Verurteilte aus der Unterbringung nach §§ 63, 64 entlassen, also grundsätzlich auf freiem Fuße ist. Befindet er sich in einer anderen Unterbringung, z.B. nach Landesrecht, wird sich die Frage, ob auch eine Wiederinvollzugsetzung erfolgen soll, eher als eine solche der Verhältnismäßigkeit darstellen, diese aber nicht grundsätzlich ausschließen. 4
BTDrucks. 16/1993 S. 16 f; Schneider NStZ 2 0 0 7 441, 4 4 2 .
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Ebenso: LG Marburg NStZ-RR 2 0 0 7 356; AA Ziegler BeckOKStGB Rdn. 2.
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Befristete Wiederinvollzugsetzung; Krisenintervention
§ 67h
Wegen der z.T. unterschiedlichen Voraussetzungen der Unterbringung nach Landesrecht und der nach dem StGB, kann es im Einzelfall erforderlich sein, auch die Wiederinvollzugsetzung anzuordnen (wenn z.B. nach Landesrecht nicht sichergestellt ist, dass der Verurteilte so lange untergebracht ist, bis ein Zustand eintritt, der einen Widerruf nach § 67g erübrigt). Ist der Verurteilte bereits aufgrund eines Sicherungshaftbefehls nach § 453c StPO oder einstweilig nach § 126a StPO untergebracht, z.B. weil er im Rahmen seiner Zustandsverschlechterung eine neue Straftat begangen hat, so kann sich ebenfalls noch eine Wiederinvollzugsetzung anbieten. Möglicherweise kann durch die kurzfristige Krisenintervention der Zustand soweit gebessert werden, dass sich ein Widerruf der Maßregelaussetzung als nicht erforderlich erweist (vgl. unten Rdn. 15 f).
10
2. Materielle Voraussetzungen a) Akute Zustandsverschlechterung: Es muss eine akute Verschlechterung des Zustands i.S. des § 63 oder ein Riickfall in Suchtverhalten i.S. des § 64 eingetreten sein. Hinsichtlich der Frage, wann eine Zustandsverschlechterung vorliegt, wird auf die Kommentierung zu § 67g (Rdn. 57 ff) verwiesen.
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Die Zustandsverschlechterung muss „akut" sein. Diese Formulierung ist mehrdeutig. „Akut" bedeutet zum einen „plötzlich auftretend" oder „heftig" und bildet andererseits den Gegensatz zu „chronisch". 6 Die letztgenannte Wortbedeutung dürfte hier die zutreffende Umschreibung sein. Es macht keinen Sinn, § 67h nur bei plötzlich auftretenden Zustandsverschlechterungen, nicht aber bei sich langsamer entwickelnden anzuwenden. Ebenso wenig erscheint es sachgerecht, die Krisenintervention bei heftigen Zustandsverschlechterungen zuzulassen, den Widerruf der Maßregelaussetzung zur Bewährung aber schon bei (nicht näher qualifizierten) Zustandsverschlechterungen. Das mit § 67h verfolgte Ziel ist es vielmehr, durch eine temporäre Krisenintervention einen Widerruf zu vermeiden. Dieses Ziel kann bei chronischen (d.h. dauerhaften) Zustandsverschlechterungen durch die Maßnahme nicht erreicht werden, da hier entweder eine längerfristige Therapie oder - wegen Unheilbarkeit eines Zustands i.S.d. § 63 und hierdurch bedingter Gefährlichkeit - die dauerhafte Unterbringung zu Sicherungszwecken.
12
b) Die befristete Wiederinvollzugsetzung muss erforderlich sein, um einen Widerruf nach § 67g zu vermeiden. Das bedeutet zunächst einmal, dass durch die Krisenintervention der Eintritt der Widerrufsvoraussetzungen verhindert werden kann.
13
Dazu muss sie zunächst überhaupt geeignet sein, den Widerruf zu vermeiden. Ist von vornherein abzusehen, dass mit einer befristeten Wiederinvollzugsetzung (Dauer höchstens sechs Monate) der Zustandsverschlechterung nicht hinreichend begegnet werden kann, so scheidet die Anwendung dieses Instrumentariums aus. Ist sie geeignet, so muss die Risikosituation so beschaffen sein, dass sie bei „ungehinderter Weiterentwicklung voraussichtlich einen Widerruf der Aussetzung zur Verhinderung neuer erheblicher rechtswidriger Taten (Maßregelzweck) notwendig machen würde". 7 Wann das der Fall ist, ergibt sich aus § 67g Abs. 2.
14
§ 67h Abs. 1 ist sowohl dann anwendbar, wenn die Widerrufsvoraussetzungen nach § 67g Abs. 2 noch nicht vorliegen, bei ungehinderter Weiterentwicklung aber demnächst
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6
Brockbaus/Wahrig Deutsches Wörterbuch (1980), Bd. 1 Stichwort „akut".
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BTDrucks. 1 6 / 1 9 9 3 S. 17.
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§ 67h
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
eintreten würden, 8 als auch dann, wenn die Widerrufsvoraussetzungen an sich bereits vorliegen, der Zweck des Widerrufs, nämlich Beseitigung der gefahrenträchtigen Zustandsverschlechterung aber schon durch eine befristete Krisenintervention zu erreichen ist. 9 Letzteres folgt unmittelbar aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auch die Gesetzesbegründung, wonach § 67h eine Alternative zu der bisherigen Verfahrensweise (Behandlung im Rahmen einer Freiheitsentziehung nach § 453c StPO, bei der die Widerrufsvoraussetzungen vorliegen müssen) sein soll, stützen diese Interpretation. 10 Bei der erstgenannten Konstellation ist zu beachten, dass nicht bereits jede Zustandsverschlechterung eine Krisenintervention rechtfertigt. Vielmehr ist hier genau zu prüfen, ob die ungehinderte Weiterentwicklung voraussichtlich in einen Widerruf der Maßregelaussetzung münden würde. 11 16
c) Auch hier ist - wie bei allen Maßregel - der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Möglicherweise ist eine Krisenintervention dann nicht erforderlich, wenn der Verurteilte bereits nach anderen Vorschriften untergebracht ist oder sich auf eigenen Wunsch hat erneut in eine Maßregelvollzugsklinik (z.B. § 1 Abs. 3 S. 3 MRVGNW) aufnehmen lassen. 12 3. Rechtsfolge
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a) Das Vollstreckungsgericht setzt die ausgesetzte Unterbringung nach § 63 oder § 64 für die Dauer von höchstens drei Monaten wieder in Vollzug. D.h. das Gericht hat die Dauer der Wiederinvollzugsetzung zu bestimmen und kann deshalb auch kürzere Zeiträume der befristeten Wiederinvollzugsetzung bestimmen. Die vom Tatgericht angeordnete Maßregel wird für diesen Zeitraum dann weitervollstreckt. Ist der Zeitraum abgelaufen und wird er nicht verlängert (§ 67h Abs. 1 S. 2), so ist der Verurteilte zwingend aus der Unterbringung zu entlassen.
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Die befristete Wiederinvollzugsetzung unterbricht die Führungsaufsicht und verlängert ihre Dauer nicht. Auch treten die Regelungen, denen der Verurteilte im Rahmen der Führungsaufsicht unterliegt (z.B. Weisungen nach § 68b), nicht außer Kraft. Entsprechende Regelungen wurden im Rahmen der Reform der Führungsaufsicht nicht getroffen. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum nicht nicht z.B. ein Widerruf wegen neuer während der Wiederinvollzugsetzung begangener Straftaten nach § 67g Abs. 1 Nr. 1 möglich sein sollte. Freilich scheidet ein Widerruf nach § 67g Abs. 1 Nr. 2 aus, wenn der Verurteilte gerade wegen seiner stationären Unterbringung daran gehindert war, Weisungen zu befolgen (dann liegt kein gröblicher oder beharrlicher Weisungsverstoß vor).
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b) § 67h Abs. 1 S. 2 und 3: Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor, so kann das Gericht die Maßnahme (nachdem bereits eine frühere Wiederinvollzugsetzung beendet wurde) erneut anordnen oder (sofern sie noch nicht beendet ist) ihre Dauer auf bis zu sechs Monate verlängern.
20
Der Fall der Verlängerung betrifft solche Fälle, in denen die Krisenintervention nicht innerhalb des zunächst vorgesehenen Zeitraums erfolgreich beendet werden kann. Rei-
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BTDrucks. 1 6 / 4 7 4 0 S. 51 (Vorabfassung) Fischer § 67h Rdn. 4. AA Ziegler BeckOKStGB Rdn. 5 (Wiederinvollzugsetzung nur dann statthaft, wenn die Widerrufsvoraussetzungen vorliegen).
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10 11 12
Peglau N J W 2 0 0 7 1558, 1561. BTDrucks. 16/1993 S. 17. BTDrucks. 16/1993 S. 17.
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Befristete Wiederinvollzugsetzung; Krisenintervention
§ 67h
chen auch sechs Monate nicht aus, so ist die Störung so schwerwiegend, dass nur der Widerruf bleibt. 13 Die erneute Anordnung, die auf Vorschlag des Rechtsausschusses als Ergebnis der Expertenanhörung eingefügt wurde, 14 betrifft den Fall, dass eine Krisenintervention erfolgreich abgeschlossen wurde und später erneut eine akute Zustandsverschlechterung eintritt. Während der Wortlaut des Absatzes 1 S. 2 im Singular formuliert ist („die Dauer der Maßnahme"), was zu dem Schluss führen könnte, jede Krisenintervention darf für sich genommen jeweils bis zu sechs Monaten andauern, 15 ist in den Materialien des Rechtsausschusses klargestellt, dass „die Gesamtdauer der Maßnahmen [plural]" sechs Monate nicht überschreiten darf. 1 6 Der Grund hierfür leuchtet nicht recht ein. Zwar könnte man sagen, dass eine mehrfache Krisenintervention, die insgesamt mehr als sechs Monate andauern würde, ein Indiz für eine schwerwiegende, die Widerruf der Maßregelaussetzung erfordernde Störung ist. Gerade bei sehr lange dauernden Führungsaufsichten (z.B. unbefristeten), mag es aber in größeren Abständen immer wieder einmal Zustandsverschlechterungen geben, denen jeweils mit mehrmonatigen Kriseninterventionen hinreichend begegnet werden kann. Es erscheint unverhältnismäßig, wenn man dann wegen des Erreichens der Höchstfrist zum Widerruf gezwungen wäre. Deswegen sollte der Wortlautinterpretation der Vorzug gegeben werden.
21
Nach § 67h Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 67g Abs. 4 darf aufgrund einer WiederinvollzugSetzung die Höchstfrist der Maßregel nicht überschritten werden. Das ist für eine Maßregel nach § 64 von Bedeutung, für die sich die Höchstfrist nach § 67d Abs. 1 bestimmt, nicht aber für eine Maßregel nach § 63. Die Zeit der Freiheitsentziehung infolge der Wiederinvollzugsetzung ist Maßregelvollzug und unterliegt der Anrechnungsregelung des § 67 Abs. 4 . 1 7
22
ΠΙ. Aufhebung der befristeten Wiederinvollzugsetzung (§ 67h Abs. 2) Das Gericht hat eine befristete Wiederinvollzugsetzung nach § 67h Abs. 2 aufzuheben, wenn der Zweck (s.o.) erreicht ist. Erweist sich also der zunächst für notwendig gehaltene Kriseninterventionszeitraum nachträglich als zu lang, hat das Gericht entsprechend zu reagieren. Die Formulierung „hebt ... auf") belegt, dass es sich um eine zwingende Regelung handelt.
23
IV. Verfahrensrechtliches Das Verfahren richtet sich nach § 4 6 3 Abs. 5 i.V.m. § 4 6 2 StPO. Das Gericht hat auch insoweit liegt eine zwingende Regelung vor - um wirklich eine kurzfristige Krisenintervention zu gewährleisten, die Wiederinvollzugsetzung nach § 4 6 3 Abs. 5 S. 2 StPO für sofort vollziehbar zu erklären, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen, Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung.
13 14
BTDrucks. 16/1993 S. 17. Vgl. BTDrucks. 16/4740 S. 51 (Vorabfassung) sowie die Stellungnahme von Koller (S. 7) in der Anhörung des Rechtsausschusses vom 3 . 3 . 2 0 0 7 (abrufbar über die Internetseite des BT).
15 16
17
So Wolf RPfleger 2 0 0 7 2 9 3 , 295. BTDrucks. 16/4740 S. 51 (Vorabfassung); vgl. auch Fischer § 67h Rdn. 7 und Ziegler BeckOKStGB Rdn. 7. Vgl. näher Wo//RPfleger 2 0 0 7 2 9 3 , 295.
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Vor § 68
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
- Führungsaufsicht Vorbemerkungen zu den §§ 68 £f
Schrifttum Antons Möglichkeiten einer gesetzlichen Neuregelung der Führungsaufsicht, BewH 1992 282; Block Rechtliche Strukturen der Sozialen Dienste in der Justiz, 2. Aufl. 1997; v. Bülow Führungsaufsicht und Führungsaufsichtsstelle, in: Dertinger/Marks (Hrsg.) Führungsaufsicht. Versuch einer Zwischenbilanz zu einem umstrittenen Rechtsinstitut (1990) S. 145; Boetticher Neue Aufgaben für die Bewährungshilfe, BewH 2000 196; ders. Aktuelle Entwicklungen im Maßregelvollzug und bei der Sicherungsverwahrung, NStZ 2005 417; Brause Bewährungshelfer und Gerichtshilfe - Grundlagen und Perspektiven, BewH 2002 164; Brüsten Zwischen Hilfe und Kontrolle, in Kerner/ Kury/Sessar (Hrsg.), Deutsche Forschungen zur Kriminalitätsentstehung und Kriminalitätskontrolle (1983) S. 1613; DBH (Kerner) Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht, BewH 2006 49; Dertinger/Marks (Hrsg.) Führungsaufsicht. Versuch einer Zwischenbilanz zu einem umstrittenen Rechtsinstitut (1990); Dölling Die Weiterentwicklung der Sanktionen ohne Freiheitsentzug im deutschen Strafrecht, ZStW 104 (1992) 259; ders. (Hrsg.) Die TäterIndividualprognose (1995); Eschenbach Berufsverbrecher-Überwachung, Kriminalistik 1963 237; Floerecke Die Entstehungsgeschichte der Gesetzesnormen zur Führungsaufsicht (1989; Schriftenreihe der Dt. Bewährungshilfe e.V.; zit. Floerecke); ders. Die aufgezwungene Hilfe: Vollverbüßer als Adressaten der Führungsaufsicht, Krimjournal 1985 121; Gay Wie kann die vorbeugende Tätigkeit der Polizei bei Bekämpfung des Verbrechertums ausgebaut und erfolgreicher gestaltet werden? in Bücher für Recht, Verwaltung und Wirtschaft, Bd. 20 (1925) S. 45; v. Glasenapp Die blinde Führungsaufsicht. Erfahrungen aus der Praxis einer Führungsaufsichtsstelle, ZRP 1979 31; Grünwald Sicherungsverwahrung, Arbeitshaus, vorbeugende Verwahrung und Sicherungsaufsicht im Entwurf 1962, ZStW 76 (1964) S. 633; Haffke Vom Rechtsstaat zum Sicherheitsstaat, KritJ 2005 17; Hammel Zum Verhältnis zwischen den Funktionen der Führungsaufsicht nach den § § 68 ff StGB und den Leistungen nach § 72 BSHG bei einem auf vollstationäre Hilfe angewiesenen Haftentlassenen, BewH 2001 426; Hanack Das Konzept der sozialtherapeutischen Anstalt und der sonstigen Maßregeln im neuen Strafrecht der Bundesrepublik, Krim. Gegenwartsfragen Heft 10 1972, S. 68; Hassenpflug Polizeiaufsicht und Sicherungsaufsicht, Diss. München 1963; Hebler in Probleme der Polizeiaufsicht (Sicherungsaufsicht), Schriftenreihe des Bundeskriminalamtes Bd. 3 1955, S. 7; Jacobsen Strafvollstreckung zwischen Gefängnis und Psychiatrie. Ist Führungsaufsicht neu und sinnvoll? MschrKrim. 1984 254; Jacobsen Führungsaufsicht und ihre Klientel (1985; zit. Jacobsen); Jescheck Die kriminalpolitische Konzeption des Alternativ-Entwurfs eines Strafgesetzbuches (Allg. Teil), ZStW 80 (1968) 54; Jescheck Strafrechtsreform in Deutschland Allgemeiner Teil, SchwZStr. 91 [1975] 1; Kaiser Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? (1990); Katholische Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht 2005; Kerner Tabellen zur Entwicklung und zur Struktur der Führungsaufsicht in der Bundesrepublik Deutschland, in Dertinger/Marks S. 77; Kiehne Polizeiaufsicht (Sicherungsaufsicht) in kriminalpolizeilicher Betrachtung, in Kriminalpolitische Gegenwartsfragen (Bundeskriminalamt) 1959, S. 173; Kleinknecht Die zukünftige Maßregel der Führungsaufsicht, BewH 1972 123; ders. Führungsaufsicht, in Schwind/Blau, Strafvollzug in der Praxis, 1. Aufl. 1976, S. 408; Kober Bewährungshilfe und Führungsaufsicht in Berlin (1984; Schriftenreihe der Dt. Bewährungshilfe e.V.); Koffka Vorbeugende Verwahrung und Sicherungsaufsicht im E 1960, JR 1960 285; Kutschbach In Konkurrenz mit der Polizei?, BewH 1964 203; Kretschmer Das strafprozessuale Verbot der reformatio in peius und die Maßregeln der Besserung und Sicherung (1999); Kurze Soziale Arbeit und Strafjustiz (1999; Schriftenreihe KuP Bd. 26 der KrimZ); Lemke/Keller Die Führungsaufsicht abschaffen?, BewH 1992 146; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit (Unterabschnitt: Die Führungsaufsicht), in Göppinger/Witter, Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd. I 1972, S. 220; Lutz Handy-Verbot für organisierte Straftäter? Möglichkeiten der Freiheitsbeschränkung von wegen Organisationsdelikten Verurteilten durch Weisungen im Rahmen der
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Hendrik Schneider
Vorbemerkungen zu den §§ 68 ff
Vor § 68
Bewährungsüberwachung und Führungsaufsicht, NStZ 2000 127; Maelicke Stichwort Führungsaufsicht, in Schwind/Blau, Strafvollzug in der Praxis, 2. Aufl. 1980, S. 366 (zit. Maelicke); ders. Führungsaufsicht - Die kriminalpolitische Bedeutung der Führungsaufsicht war und ist umstritten, NKrimP 2004 75; Maier Zur Mindestdauer der Führungsaufsicht, NJW 1977 371; ders. Die Berechnung der Frist für die Führungsaufsicht in den Übergangsfällen des Art. 314 II KGStGB, NJW 1977 424; Mainz Gericht und Aufsichtsstelle als beteiligte Organe in § 68a StGB, NStZ 1987 541; ders. Vollstreckungsverjährung bei Führungsaufsicht, NStZ 1989 61; Maurach Die kriminalpolitischen Aufgaben der Strafrechtsreform, Gutachten für den 43. DJT 1960; B.-D. Meier Strafrechtliche Sanktionen, 2. Aufl. 2006; Neubacher Führungsaufsicht, quo vadis? - Eine Maßregel zwischen Sozialkontrolle und Hilfsangebot, BewH 2004 73; ders. Führungsaufsicht am Scheideweg? NKrimP 2005 28; Niggemeyer Gedanken und Wünsche zur Strafrechtsreform, in Kriminalpolitische Gegenwartsfragen (Bundeskriminalamt) 1959, S. 11; Nißl Die Führungsaufsicht. 20 Jahre in der Kritik - hier eine Laudatio, NStZ 1995 525; Peglau Das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung, NJW 2007 1558; Preiser Bewährungs- und Sicherungsaufsicht. Kritik und Vorschläge zur Strafrechtsreform, ZStW 81 (1969) 249; ders. Die Führungsaufsicht, ZStW 81 (1969) 912; Raabe Die Führungsaufsicht im 2. Strafrechtsreformgesetz, Diss. Hamburg 1973; Rasch Wie soll es weitergehen mit der Führungsaufsicht? in Dertinger/Marks S. 157; Roth Vorschläge des vorbereitenden Arbeitskreises zur Sicherungsaufsicht, BewH 1968 37; Schäffer Der Bewährungshelfer in seiner Stellung im Maßregelsystem des Entwurfs eines Strafgesetzbuches 1962, BewH 1962 244; Schäpler Entwicklung der Sozialen Dienste der Strafjustiz aus dem Blickwinkel der amtlichen Statistiken, NKrimP 2004 64; H. Schneider Grundlagen der Kriminalprognose (1996); H. ]. Schneider Die Verbesserung des Schutzes der Gesellschaft vor gefährlichen Sexualstraftätern, JZ 1998 436; U. Schneider Beendigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei „Zweckerreichung" - Eine kriminalpolitische Herausforderung, NStZ 2004 649; Schöch Empfehlen sich Änderungen und Ergänzungen bei den strafrechtlichen Sanktionen ohne Freiheitsentzug? Gutachten C zum 59. DJT (1992); ders. Bewährungshilfe und Führungsaufsicht in der Strafrechtspflege, NStZ 1992 364; ders. Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998, NJW 1998 1257; ders. Bewährungshilfe und humane Strafrechtspflege 2003 211; Schröder Die kriminalpolitischen Aufgaben der Strafrechtsreform, in Verhandlungen des 43. DJT Bd. II 1960, S. E 3; Schultz Kriminalpolitische Bemerkungen zum Entwurf eines Strafgesetzbuches, E 1962, J Z 1966 113; E. Schulz Die Führungsaufsicht (1982); Seifert/Bolten/Jahn/Möller-Mussavi Berichte der Bewährungshilfe, BewH 2001 56; Seifert/Möller-Mussavi Führungsaufsicht und Bewährungshilfe - Erfüllung gesetzlicher Auflagen oder elementarer Bestandteil forensischer Nachsorge? NStZ 2006 131; Simons Unterschreitung der Mindestdauer der Führungsaufsicht, NJW 1978 984; Stocket Das Institut der Führungsaufsicht, Bay. Verwaltungsblatt 1975 5; Sommer Vertrauen im Bereich der Bewährungshilfe und Führungsaufsicht, BewH 2001 11; Stree Probleme der Führungsaufsicht bei Vollverbüßern, Festschrift Baumann (1992) 281; Streng Strafrechtliche Sanktionen, 2. Aufl. 2002; Terhorst Polizeiliche planmäßige Überwachung und polizeiliche Vorbeugehaft im Dritten Reich (1985); Vollbach Die reformierte Maßregel Führungsaufsicht: Kontaktverbot, Alkoholverbot, Nachsorgeweisung und unbefristete Führungsaufsicht, MschrKrim. 2006 40; Weber Katamnesen psychisch auffälliger Straftäter unter Führungsaufsicht (1985 = med. Diss. München 1984); Weigelt Was kann eine reformierte Führungsaufsicht leisten? ZRP 2006 253; Weigelt/Hohmann-Fricke Führungsaufsicht Unterstellung und Legalbewährung, BewH 2006 216; Werle Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich (1989); Werle Unterbringung im Dritten Reich: Die Bekämpfung der „Asozialen", Jura 1991 10.
Entstehungsgeschichte Die Maßregel der Führungsaufsicht (§§ 6 8 - 6 8 g ) ist durch das 2. StrRG eingeführt worden (näher Rdn. 1 5 - 2 3 ) . Sie ist zuletzt im April 2 0 0 7 grundlegend reformiert worden (Übersicht: Rdn. 27b). Auf vorangegangene Änderungen (die z.T. noch vor dem Inkrafttreten durch das EGStGB erfolgten) wird bei den einzelnen Bestimmungen hingewiesen.
Hendrik Schneider
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Vor § 6 8
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Übersiebt Rdn. I. Allgemeines 1. Kaum einheitlicher Charakter . . . . 2. Doppelfunktion 3. Zwiespältigkeit 4. „Roter Faden" für die Handhabung . 5. Verfassungsrechtlich
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II. Anwendungsfälle (Tätergruppen) der Führungsaufsicht 1. Führungsaufsicht kraft Richterspruchs 2. Die Fälle der Führungsaufsicht kraft Gesetzes ΠΙ. Gestalt und Gestaltung der Führungsaufsicht (Überblick) 1. Eintritt 2. Durchführung und Dauer 3. Folgeentscheidungen und Zuständigkeiten 4. Beendigung und Aufhebung 5. Verhältnis zum Strafvollzug und zu anderen Maßregeln
10 11
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Rdn. IV. Kriminalpolitische Entwicklung und Chancen 1. Kriminalpolitische Entwicklung . . . a) Polizeiaufsicht b) Institut der Schutzaufsicht (Weimar) c) Planmäßige Überwachung des Verbrechertums d) Reformentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg 2. Kriminalpolitische Problematik . . . a) „Äußerst wichtiger Versuch" . . . b) Kritik c) Brauchbarkeit des Instituts . . . . d) Reformüberlegungen und die Reform der Führungsaufsicht . . . .
16 16 17 18 20 24 24 25 26 27a
V. Geltung im Jugendstrafrecht
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VI. Übergangsrecht in der „alten" Bundesrepublik
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VU. Recht des Einigungsvertrages
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I. Allgemeines 1
1. Kaum einheitlicher Charakter. Der Führungsaufsicht unterliegen sehr verschiedenartige Täter und Tätergruppen (näher Rdn. 8, 9). Von einem einheitlichen Charakter des Instituts lässt sich daher eigentlich nur insoweit sprechen, als es in allen Fällen darum geht, gefährliche oder gefährdete Täter im Interesse der Allgemeinheit wie des Betroffenen selbst besonders zu unterstützen und zu überwachen.
2
In der Regel sieht der Gesetzgeber die Einwirkungsmöglichkeiten der Strafaussetzung zur Bewährung und der Aussetzung des Strafrests für die Klientel der Führungsaufsicht nicht mehr als ausreichend an (s. aber § 68g Abs. 2 und dort Rdn. 18 ff). Der Eindruck, dass die Täter immer eine ungünstige Prognose hätten und durch diese Gemeinsamkeit eine einheitliche Gruppe bildeten, wird zwar oft erweckt, 1 ist in dieser Allgemeinheit aber nicht richtig (näher dazu Rdn. 8, 9).
3
2. Eine Doppelfunktion hat die Führungsaufsicht nach dem in Rdn. 1 genannten Zweck: Sie soll dem Täter einerseits eine besonders intensive, über das Einwirkungsinstrumentarium bei der Strafaussetzung zur Bewährung und der Aussetzung des Strafrests hinausgehende „Lebenshilfe" gewähren, damit er nicht wieder rückfällig wird (sog. Stützungs- oder Betreuungsfunktion). Und sie soll andererseits, soweit erforderlich und möglich, seine strenge Überwachung bis hin zur Form einer „ambulanten Verwahrung" zum Schutze der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten garantieren (sog. Überwachungsoder Sicherungsfunktion).2
1
2
Vgl. z.B. Lackner/Kühl Rdn. 1; Weigelt/Hohmann-Fricke BewH 2006 217.
Ostendorf NK Rdn. 1, 9; Groß MK Rdn. 1; Sch/Schröder/Stree § 68 Rdn. 3; Horn SK
Vgl. z.B. OLG Karlsruhe 1981 269, 270; 1987
Rdn. 2.
410, 411; OLG Koblenz 2000 92; Frehsee/
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Bei der ersteren Funktion handelt es sich um eine Art Gegenstück oder doch um eine Fortführung der stützenden Maßnahmen im Rahmen der Strafaussetzung gemäß §§ 5 6 ff und §§ 57, 57a. Bei der letzteren Funktion hingegen steht das Sicherungsbedürfnis im Vordergrund, so dass sich insoweit, so sehr das die Gesetzesmaterialien z.T. auch verschleiern wollen (E 1962 S. 208; 2. Bericht S. 34 f), eine starke Beziehung zur Polizeiaufsicht des früheren Rechts bzw. zu anderen Arten polizeilicher Kontrolle des Verbrechertums ergibt, wie im Übrigen auch die Entstehungsgeschichte des Instituts in den Beratungen zur Strafrechtsreform nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich macht (Rdn. 2 0 ff). Unterschieden von diesen früheren Formen ist die Überwachungsfunktion bei der Führungsaufsicht vor allem durch ihre rechtsstaatliche Ausgestaltung (dazu E 1962 aaO) sowie durch ihre untrennbare Verbindung mit der Stützungsfunktion, der nach den gesetzgeberischen Intentionen in gewissem Sinne sogar der Vorrang gebühren soll (s. § 68a Rdn. 5 a.E.). 3. Eine erhebliche Zwiespältigkeit des Instituts, die auch im Schrifttum beklagt wird (unten Rdn. 25) und schon bei den Gesetzesberatungen vielfach erkannt und bedauert wurde, ergibt sich insbesondere aus zwei Umständen.
4
Zum einen ist das Verhältnis zwischen der Stützungs- und der Überwachungsfunktion, also die geschilderte Doppelfunktion, schon in sich spannungsgeladen, weil der Konflikt zwischen „Resozialisierung" und „Sicherung" nicht leicht aufzulösen ist, sondern sogar widersprüchlich oder doch „bis zu einem gewissen Grade antagonistisch" (Lackner/Kühl Rdn. 1) bleibt. Ein solcher Zielkonflikt belastet freilich nicht nur das Institut der Führungsaufsicht. So wird etwa auch das Strafvollzugsrecht durch das Spannungsverhältnis zwischen dem Vollzugsziel Resozialisierung und der weiteren Aufgabe des Vollzuges, die Allgemeinheit zu schützen (§ 2 StVollzG), geprägt (vgl. dazu z.B. Schwind/Böhm § 2 Rdn. 7 ff). Zum anderem ergibt sich eine problematische Zwiespältigkeit aus der beträchtlichen Verschiedenheit der Tätergruppen, die der Führungsaufsicht unterliegen (dazu näher Rdn. 8f): Sie erfasst teils Täter mit schlechter Prognose (so häufig die Vollverbüßer gemäß § 68f, deren vorangegangene Verurteilungen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht ganz ausgereicht haben), kann aber auch Täter mit viel geringerer und kaum mittlerer Delinquenzbelastung treffen (vgl. § 68g), ja sogar Täter, die unter den Voraussetzungen des § 67d Abs. 2 aus dem Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel zur Bewährung entlassen werden und im Einzelfall, etwa nach erfolgreicher ärztlicher Behandlung einer geistigen Erkrankung, weder gefährlich noch gefährdet zu sein brauchen. Diesen Zwiespältigkeiten muss der Richter und müssen die mit der Durchführung der Aufsicht betrauten Organe (§ 68a) auch nach Meinung und Erwartung des Gesetzgebers im Rahmen des Möglichen durch sachgerechte Ausgestaltung der Mittel und Instrumentarien der Führungsaufsicht zu begegnen suchen. Sicher ist danach, dass die Führungsaufsicht, sinnvoll gehandhabt, gewissermaßen viele Gesichter hat und in der Einzelausgestaltung ganz verschiedenen Charakter annehmen kann, ja muss. 4. Aus dem Gesagten ergibt sich als geradezu roter Faden für die Handhabung aller Einzelvorschriften, der auch in den Einzelerläuterungen dieses Kommentars immer wieder aufgegriffen werden muss, die Pflicht zur differenzierenden Behandlung der einzelnen Täter und der verschiedenen Tätergruppen. Die Führungsaufsicht kann ihre kriminalpolitische Aufgabe nur erfüllen, wenn sich die Gerichte und die sonstigen beteiligten Organe dieser Verpflichtung bewusst bleiben. Es ist namentlich hervorzuheben,
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dass unter die Führungsaufsicht auch Jugendliche sowie Personen fallen, die zumindest nicht ohne weiteres zu den Tätern mit schlechter Prognose oder aus dem Bereich der typischen Schwerkriminalität gehören. 6
5. Verfassungsrechtlich unterliegt das Institut der Führungsaufsicht als solches keinen Bedenken (BVerfGE 55 29). Das gilt auch für die umstrittene Vorschrift des § 68f (dort Rdn. 5 ff). Problematisch sind freilich einige Einzelregelungen, insbesondere im Bereich der strafbewehrten Weisungen des § 68b (s. dort).
Π. Anwendungsfälle (Tätergruppen) der Führungsaufsicht 7
Wie schon angedeutet (Rdn. 1), erfasst das Gesetz mit dem Institut der Führungsaufsicht im Einzelnen nach Art, Gefährdung und Gefährlichkeit sehr verschiedene Tätergruppen und Täter. Das Gesetz kennt verschiedene Wege, auf denen es zur Unterstellung unter Führungsaufsicht kommt oder kommen kann. Zu unterscheiden ist vor allem die Führungsaufsicht kraft Richterspruchs (§ 68 Abs. 1) und die Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§ 68 Abs. 2).
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1. Kraft Richterspruchs ist Führungsaufsicht (seit dem 23. StRÄndG nur noch) gegenüber Tätern zulässig, die wegen einer Straftat zu einer mindestens sechsmonatigen zeitigen Freiheitsstrafe verurteilt werden, für die das Gesetz wegen der Gefährlichkeit oder der vom Gesetzgeber vermuteten generellen Rückfallträchtigkeit des betreffenden Delikts Führungsaufsicht besonders vorsieht (§ 68 Abs. 1, vgl. im Einzelnen § 68 Rdn. 3 ff). Voraussetzung ist dabei zwar stets die Gefahr, dass der Täter weitere Straftaten begehen wird. Es handelt sich aber schon insoweit wegen des unterschiedlichen Charakters der erfassten Anlasstaten (vgl. § 68 Rdn. 3) um recht verschiedene Tätergruppen, zumal das Gesetz Rückfälligkeit nicht voraussetzt, also im Einzelfall auch Ersttäter erfasst. Die Entscheidung, ob die Anordnung der Führungsaufsicht angezeigt ist, überträgt das Gesetz hier dem (erkennenden) Gericht, und zwar nach pflichtgemäßem Ermessen („kann"). Die Führungsaufsicht ist insoweit also nur ein fakultatives Moment der kriminalrechtlichen Einwirkung (vgl. näher Sch/Schröder/Stree § 68 Rdn. 9).
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2. Kraft Gesetzes tritt Führungsaufsicht ein: einmal bei der Aussetzung oder vor dem Abbruch des Vollzugs oder des weiteren Vollzugs einer freiheitsentziehenden Maßregel, zum anderen in bestimmten Fällen der Entlassung nach vollständigem Vollzug einer Strafe oder Maßregel. Im Einzelnen sind dabei verschiedene Fallgruppen zu unterscheiden, die z.T. jeweils wieder in sich unterschiedliche Delinquentengruppen erfassen. Danach ist Führungsaufsicht kraft Gesetzes in den folgenden Fallgruppen· möglich: a) Bei einer zugleich mit dem Urteil des erkennenden Gerichts angeordneten Aussetzung der Vollstreckung einer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus oder in der Entziehungsanstalt (§ 67b). Es handelt sich hier also um Fälle kranker oder süchtiger Täter, bei denen aber immerhin schon im Zeitpunkt des Urteils besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass sie unter dem Einfluss der Aussetzung Straftaten nicht mehr begehen, also die angeordnete Unterbringung überhaupt nicht vollstreckt werden muss.
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b) Bei Aussetzung der weiteren Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßregel, deren Vollzug also immerhin zunächst notwendig war (§ 67d Abs. 2). Hier vor allem werden im Einzelnen recht verschieden gefährliche oder gefährdete Täter erfasst: Einerseits z.B. kranke Rechtsbrecher (§ 63) oder süchtige Rechtsbrecher (§ 64), die in der Anstalt erfolgreich behandelt werden konnten, andererseits aber auch Sicherungsverwahrte (§§ 66 ff), bei denen nun die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung verantwortet werden kann. c) Bei Tätern, bei denen eine freiheitsentziehende Maßregel angeordnet worden ist, aber zunächst Freiheitsstrafe vollzogen wurde, wenn nach dem Ende des Vollzugs der Strafe die Unterbringung nicht mehr erforderlich ist (§ 67c Abs. 1). Es handelt sich hier entweder um Sicherungsverwahrte am Ende des Strafvollzugs; oder aber es handelt sich um Täter, bei denen ausnahmsweise (vgl. § 6 7 Abs. 1, 2) ganz oder teilweise ein Vorwegvollzug der Strafe vor der Vollstreckung einer gleichzeitig angeordneten Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus oder in der Entziehungsanstalt erfolgt ist. - Die Tätergruppe ist im Ganzen der unter b) genannten Gruppe ähnlich. Gewisse Unterschiede bestehen nur in folgendem: Bei den hier erfassten Sicherungsverwahrten war immerhin ein Vollzug der Sicherungsverwahrung überhaupt nicht erforderlich; bei den übrigen Tätern hingegen bestand zwar Anlass, erst eine ausgeworfene Freiheitsstrafe zu vollziehen, ist es aber - ebenfalls - zu den spezifischen Einwirkungen des freiheitsentziehenden Maßregelvollzugs nie gekommen. d) Der Führungsaufsicht unterliegen weiter Täter, bei denen die Vollstreckung einer rechtskräftig angeordneten freiheitsentziehenden Maßregel drei Jahre nach der Anordnung noch nicht begonnen hat, aber auch eine Aussetzung der Unterbringung zugleich mit der Anordnung (§ 67b; Fallgruppe a) oder ein vorheriger Strafvollzug (67c Abs. 1; Fallgruppe c) nicht vorliegt (§ 67c Abs. 2). Es handelt sich hier also um Täter, die sich trotz der rechtskräftigen Verurteilung noch drei Jahre in Freiheit befunden haben und bei denen das Gericht die Erwartung bejaht, dass der noch nicht erreichte Maßregelzweck (!) durch eine Aussetzung erreicht werden kann. e) Führungsaufsicht tritt ferner unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 67d Abs. 3 ein nach Ablauf eines zehnjährigen Vollzugs der Sicherungsverwahrung (§ 67d Abs. 3). Es handelt sich hier typischerweise um höchst ungünstig zu prognostizierende Täter (aus dem Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte), schon weil sie sich regelmäßig lange im Freiheitsentzug befunden haben und weil bei ihnen weder am Ende des Strafvollzugs (§ 67c Abs. 1; Fallgruppe c) noch während der zehnjährigen (!) Vollstreckung der Sicherungsverwahrung (§ 67d Abs. 3; Fallgruppe b) eine Bewährungsaussetzung erfolgen konnte. f) Neuerdings (Rdn. 27a ff) tritt gemäß § 67d Abs. 4 Satz 3 auch Führungsaufsicht ein, wenn die Höchstfrist der Unterbringung abgelaufen ist (vgl. § 67d Abs. 1). Da die Entlassung nach Fristablauf unabhängig vom Therapieerfolg eintritt und eine Aussetzung der Maßregel nicht erfolgt ist, werden auch hier unter den entlassenen Personen nicht selten solche mit ungünstiger Prognose sein. g) Typischerweise kritisch sind auch die Fälle, in denen es (seit dem 23. StrRÄndG) nach dem Abbruch einer erfolglosen Unterbringung in der Entziehungsanstalt zum Eintritt der Führungsaufsicht kommt (§ 67d Abs. 5). Denn hier besteht ja die gefährliche Sucht des Täters in der Regel fort, und zwar in therapeutisch resistenter Weise.
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h) Führungsaufsicht tritt in der Regel weiter ein nach der vollständigen Verbüßung einer mindestens zweijährigen Freiheitsstrafe wegen einer vorsätzlichen Straftat (§ 68f; sog. Vollverbüßer). Das Gesetz geht davon aus, dass diese Täter regelmäßig eine schlechte Prognose haben, schon weil es anderenfalls nach § 57 zu einer Reststrafaussetzung gekommen wäre. Wo diese Vermutung im Einzelfall, insbesondere wegen fehlender Einwilligung des Verurteilten in die Entlassung (§ 57 Abs. 1 Nr. 3), nicht passt, ist das Gericht nach § 68f Abs. 2 zur Aufhebung der Führungsaufsicht verpflichtet. Mit dieser Maßgabe erfasst das Gesetz hier in der Tat eine typischerweise kritische Tätergruppe.
ΠΙ. Gestalt und Gestaltung der Führungsaufsicht (Überblick) 10
1. Eintritt. Wird die Führungsaufsicht durch Richterspruch angeordnet (§ 68 Abs. 1), entsteht sie mit Rechtskraft des Urteils (§ 68c Abs. 4; dazu näher dort Rdn. 27 f). Die Führungsaufsicht kraft Gesetzes entsteht teils mit der (tatsächlichen) Entlassung aus dem Vollzug, teils mit Rechtskraft einer entsprechenden Aussetzungsentscheidung (näher § 68c Rdn. 29).
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2. Durchführung und Dauer. Die Führungsaufsicht dauert regelmäßig mindestens zwei und höchstens fünf Jahre (§ 68c Abs. 1). Sie kann aber in besonderen Fällen auch unbefristet angeordnet bzw. verlängert werden (§ 68c Abs. 2, 3). Während der Dauer der Führungsaufsicht erfüllen das Gericht, eine besondere Aufsichtsstelle und ein Bewährungshelfer sowie seit der jüngsten Reform (Rdn. 27a ff) in den Fällen des § 68a Abs. 7 die forensische Ambulanz die beiden Aufgaben der Führungsaufsicht, also (Rdn. 3) Stützung und Überwachung des Verurteilten, nach den komplizierten Zuständigkeitsverteilungen des § 68a (näher die dort Erl.), wobei die Aufsichtsstelle auch erhebliche, jüngst erweiterte prozessuale Befugnisse zur Überwachung des Betroffenen hat (§ 463a StPO). Eine besondere Rolle spielt dabei und daneben die Möglichkeit, dem Verurteilten zum Zwecke der Stützung oder der Sicherung richterliche Weisungen aufzuerlegen, die das Gesetz - mit unterschiedlichen Sanktionen - in sehr weitem Rahmen zulässt (§ 68b; s. im Einzelnen die dort. Erl.). - Besonderheiten gelten, wenn die Führungsaufsicht mit einer Strafaussetzung zur Bewährung, einer Aussetzung des Strafrests oder der Aussetzung eines Berufsverbots zusammentrifft; hier kann das Gericht das Ruhen der Führungsaufsicht mit der Folge anordnen, dass der Täter im Ergebnis nur den Regeln über die Strafaussetzung unterliegt (§ 68g Abs. 2 S. 1; näher dort Rdn. 18 ff). Die verschiedenen Einwirkungsmöglichkeiten und Einwirkungsbefugnisse sind vom Gesetz bewusst elastisch gehalten, um den zuständigen Instanzen eine sachgerechte Ausgestaltung der Aufsicht, entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen des Einzelfalles, möglich zu machen (vgl. auch Rdn. 4 f). Zur kritischen Frage, ob das Institut für die Handhabung in der Praxis nicht zu kompliziert ist und ob es sich praktisch bewährt (hat), s. Rdn. 24 ff.
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3. Folgeentscheidungen und Zuständigkeiten. Dem Bedürfnis, die Einwirkungen auf den Verurteilten während des Laufs der Führungsaufsicht wechselnden Entwicklungen und Gegebenheiten anzupassen, trägt das Gesetz - wenn auch nicht ohne Spannungen und Unklarheiten - namentlich durch die Möglichkeit Rechnung, Entscheidungen über die Gestaltung der Führungsaufsicht auch nachträglich zu treffen, zu ändern oder aufzuheben (§ 68d; näher dort).
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Dadurch ergeben sich komplizierte Zuständigkeiten: Für die Anordnung der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs ist das erkennende Gericht zuständig, das - gleichzeitig mit dem Urteil durch besonderen Beschluss (§ 2 6 8 a Abs. 2 StPO) - auch Einzelanordnungen über die Ausgestaltung der Führungsaufsicht zu treffen hat, solche Anordnungen jedoch auch dem Vollstreckungsverfahren überlassen darf (näher § 68 Rdn. 28). Für diese nachträglichen Entscheidungen ist meist die Strafvollstreckungskammer zuständig (§ 4 6 3 Abs. 6 i.V.m. § 4 6 2 a Abs. 1 StPO; für ihr Verfahren gilt § 4 6 3 Abs. 2 i.V.m. § 453 StPO). Die gleiche Situation besteht, wenn Führungsaufsicht kraft Gesetzes dadurch eintritt, dass das erkennende Gericht eine von ihm angeordnete freiheitsentziehende Maßregel gemäß § 67b zugleich mit der Anordnung aussetzt. In allen anderen Fällen der Führungsaufsicht kraft Gesetzes entsteht diese erst im Vollstreckungsverfahren. Zuständig ist deshalb in der Regel wiederum die Strafvollstreckungskammer (§ 4 6 3 Abs. 1, 6 i.V.m. § 4 6 2 a Abs. 1 StPO) - was dann, wenn gegen den Verurteilten ein Verfahren auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung durchgeführt, die nachträgliche Sicherungsverwahrung aber im Ergebnis nicht angeordnet wird, zu organisatorischen Schwierigkeiten führt (vgl. näher unten Rdn. 26a). In den Fällen des § 67c Abs. 2, wenn sich der Verurteilte auf freiem Fuß befindet, ist jedoch das Gericht des ersten Rechtszuges (§§ 4 6 3 Abs. 5, 462a Abs. 2 StPO) zuständig. 4. Beendigung und Aufhebung. Die befristete Führungsaufsicht endet nach Ablauf der Höchstfrist von fünf Jahren (s. § 68c Rdn. 2 f), falls das Gericht sie nicht unter den Voraussetzungen des § 68e Abs. 1 oder des § 68f Abs. 2 vorzeitig aufhebt. Daneben bestehen eine Reihe - z.T. unklar konzipierter - sonstiger Beendigungsgründe (näher § 68e Rdn. 29 ff). Für die Dauer der unbefristeten Führungsaufsicht gelten § 68c Abs. 2 S. 2 und § 68e Abs. 3 (krit. Haffke KritJ 2 0 0 5 29).
13
5. Verhältnis zum Strafvollzug und zu anderen Maßregeln. Die Führungsaufsicht - in all ihren Spielarten - endet auch mit Beginn des Vollzugs einer Freiheitsstrafe, neben der eine stationäre Maßregel angeordnet ist (§ 68g Abs. 1 Nr. 2); ansonsten ruht sie während der Dauer des Vollzugs einer Freiheitsstrafe (§ 68g Abs. 1 Satz 2, vgl. auch § 68c Abs. 4 S. 2).
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Die Führungsaufsicht kann mit anderen Maßregeln konkurrieren, und zwar gleichgültig, auf welchem Entstehungsgrund sie beruht. Eine schon vorhandene Führungsaufsicht endet mit Beginn des Vollzugs einer stationären Maßregel und mit Eintritt einer neuen Führungsaufsicht (§ 68e Abs. 1 Nr. 1, 3; näher dazu Erl. zu § 68e). Nur im Übrigen kann sie mit anderen Maßregeln konkurrieren. Ob das erkennende Gericht, soweit dies möglich ist, neben anderen Maßregeln eine Führungsaufsicht gemäß § 68 Abs. 1 anordnet, richtet sich dann nach den allgemeinen Regeln des § 72 (s. dort, insbes. Rdn. 14).
IV. Kriminalpolitische Entwicklung und Chancen der Führungsaufsicht Es ist nicht Aufgabe dieses Kommentars, die komplizierte kriminalpolitische Entwicklung und die ebenso komplizierte kriminalpolitische Problematik der Führungsaufsicht im Einzelnen abzuhandeln. Zum näheren Verständnis des geltenden Rechts und im Hinblick auf den Streit um Berechtigung und Zweckmäßigkeit des Instituts sind jedoch einige Hinweise erforderlich.
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1. Kriminalpolitische Entwicklung 3 16
a) In der Polizeiaufsicht (§§ 38, 39 a.F.) kannte das frühere Recht eine fakultative Sicherungsmaßnahme zur Überwachung verurteilter Täter nach der Strafentlassung. Sie war in ihrer Ausgestaltung rechtsstaatlich fragwürdig, zur Kriminalitätsbekämpfung sachlich wenig geeignet und wurde von der Praxis schließlich kaum noch angewendet. 4 Seit dem Ersten Weltkrieg war ihre Beseitigung in allen Reformentwürfen vorgesehen.
17
b) An ihrer Stelle wurde erstmals im Gegenentwurf von 1911 das Institut der Schutzaufsicht vorgeschlagen.5 Es war als intensive persönliche Betreuung bestimmter Strafgefangener in der ersten Zeit nach der Entlassung gedacht. Unter Ausschluss der Polizei und des erkennenden Gerichts sollte die Schutzaufsicht vom Vormundschaftsgericht angeordnet und mit Hilfe eines Vertreters des Fürsorgevereins oder einer sonstigen geeigneten Einzelperson durchgeführt werden. Maßgebend für den Vorschlag war die Überzeugung, dass eine Resozialisierung des Täters mit rein repressiven Methoden nicht zu erreichen sei, sondern nur durch eine intensive persönliche Hilfe. Der Gedanke einer solchen Schutzaufsicht als besonderes Institut zum Zwecke der Resozialisierung wurde - in unterschiedlichem Umfang und in unterschiedlichen Formen der gesetzestechnischen Ausgestaltung - in allen Entwürfen der Weimarer Republik (mit Ausnahme des E 1919) übernommen. Gemünzt war diese Schutzaufsicht, die schließlich in den Katalog der Maßregeln eingestellt wurde, vor allem auf Fälle des bedingten Straferlasses (heute: § 57, § 57a) und der bedingten Entlassung aus dem Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel (heute: § 67d Abs. 2); später wurde sie auch auf die Fälle der Aussetzung einer solchen Maßregel (heute: § 67b) erstreckt. Ausgeführt werden sollte die Aufsicht auch nach den Vorstellungen der Weimarer Entwürfe durch „Helfer" des „Schützlings", wobei Polizeibeamte, Beamte der Strafrechtspflege und Anstaltsbeamte zu diesen Helfern nicht gehören sollten (vgl. z.B. §§ 317 ff EStrafvollzugsG 1927). Pflicht des Helfers war es, den Schützling in unauffälliger, sein Fortkommen nicht erschwerenden Weise zu überwachen, zu betreuen und ihm beizustehen (§ 320 aaO); „bestimmte Auflagen und Anordnungen" sollten nur unter besonderen, engen Voraussetzungen zulässig sein (§ 321 aaO).
18
c) Die Forderung nach einer planmäßigen Überwachung des Verbrechertums durch die Polizei kreuzte sich mit dem Gedanken der Schutzaufsicht als einer Art gegenläufiger Tendenz schon in der Weimarer Zeit (Gay S. 45 ff; näher Raabe S. 11 f; Hebler S. 18). Sie fand jedoch keine gesetzliche Unterstützung. 19 Erst während der nationalsozialistischen Herrschaft kam es - in ungeahntem Ausmaß zur Einführung einer solchen Überwachung: durch die Preußische VO v. 13.11.1933 über die Anwendung vorbeugender Polizeihaft gegenüber Berufsverbrechern, die 1934 durch einen Runderlass zur Überwachung des Berufsverbrechertums ergänzt wurde, der dann im Zuge der sog. Verreichlichung der Polizei durch Runderlass vom 14.3.1937 weiter
3
4
Dazu eingehend insbesondere Schulz S. 33 ff, 59 ff, 67 ff; Raabe S. 2 ff; vgl. auch Floerecke S. 12 ff; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 18 ff. Näher Hassenpflug S. 87 ff m.w.N.; Raabe S. 2 ff; Schulz S. 55 ff; Begr. z.E 1962, S. 208;
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5
Krille und Haager Niederschriften Bd. 1, S. 283 u. 286. Näher Hassenpflug S. 99, Raabe, S. 9 ff, Schulz S. 60 ff.
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ausgebaut und im ganzen Reich angewandt wurde.6 Nach verbreiteter Meinung sollen die Erfolge beträchtlich gewesen sein.7 d) Bei den Bemühungen zur Strafrechtsreform nach dem Zweiten Weltkrieg machten 2 0 diese angeblichen guten Erfolge unverkennbar großen Eindruck (vgl. im Folg.). So entwickelte sich - gegen den Widerspruch insbesondere Eb. Schmidts (Niederschriften Bd. 1, S. 289 f) - früh der Gedanke, eine entsprechende Maßregel gegen gefährliche Täter als „Sicherungsaufsicht" zu konzipieren.8 Die Vorschläge des Bundesjustizministeriums, die von allen Landesjustizverwaltungen befürwortet wurden (Bericht Schafheutie Niederschriften Bd. 3, S. 244), gingen von vornherein davon aus, dass die neu zu konzipierende Maßregel, die „eine allgemeine Beaufsichtigung der Lebensführung des Betroffenen und eine Einwirkung auf ihn durch einzelne Auflagen" enthalten müsse, „nicht nur der Sicherung der Allgemeinheit, sondern auch (!) der Resozialisierung des Täters" dienen solle, und dass ihre Durchführung „nicht nur (!) der Polizei übertragen" zu werden brauche (vgl. Niederschriften Bd. 1, S. 387, 388). An der weiteren Entwicklung ist folgendes wichtig. Das ursprüngliche Anliegen war, 21 eine Maßregel gegen wirklich „gefährliche" Täter, insbesondere als „letzte Unterstützung vor der Sicherungsverwahrung", zu schaffen (so Krille aaO S. 285), weil man meinte, dem „gefährdeten" Täter mit der Strafaussetzung und der bedingten Entlassung gerecht werden zu können (Krille S. 283). Auf diese spezifisch „gefährlichen" Täter war das ganze Institut daher grundsätzlich auch gemünzt. Die Unterscheidung zwischen „gefährlichen" und „gefährdeten" Tätern spiegelt sich im E 1962 noch in der Behandlung der Maßregelaussetzung zur Bewährung wider: Die Aussetzung sollte nur bei einigen Maßregeln, insbesondere bei der Sicherungsverwahrung („gefährliche Täter"), kraft Gesetzes die Sicherungsaufsicht auslösen (§ 107 Abs. 3). Bei der Aussetzung anderer Maßregeln hingegen war die Anwendung der Bestimmungen über die Strafaussetzung zur Bewährung bzw. - „je nach Lage des Falles" (Begr. ζ. E 1962, S. 238) - die „Aufsicht und Leitung" durch das Gesundheitsamt, eine andere Überwachungsbehörde oder einen Bewährungshelfer vorgesehen, so insbesondere („gefährdete Täter") bei Aussetzung der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt oder einer Entziehungsanstalt (§ 107 Abs. 1, 2; dazu die Begr. S. 238 f). Diese Differenzierungen waren nun insofern wenig zwingend, als der geplante Anwendungsbereich der Sicherungsaufsicht im Laufe der Zeit weit über den Kreis der spezifisch „gefährlichen" Täter hinaus ausgedehnt worden war; er erfasste noch im E 1962 selbst gemeinlästige Delikte (z.B. Bettelei, Landstreicherei, Anlocken zur Unzucht). Es war daher insoweit nur eine konsequente - wenn auch folgenschwere - Entscheidung, dass das 2. StrRG die geschilderte Differenzierung des E 1962 nicht übernahm, sondern auf Vorschlag des Bundesjustizministeriums (Prot. V, 2310) auch die bisher abweichend behandelten Fallgruppen seinem „gewandelten Konzept" der Sicherungsaufsicht unterstellte. Dieses „gewandelte Konzept" (so Corves Prot. V, 2203 zu der vorbereitenden Formu- 2 2 lierungshilfe des Bundesjustizministeriums, abgedruckt ebenda S. 2218), das der Sonder6
7
Eingehend Werle Justiz-Strafrecht, insbes. S. 481 ff; vgl. auch Werle Jura 1991 10; Hassenpflug S. 102; Raabe S. 16 ff. Angaben bei Hebler S. 21; Niggemeyer S. 81; Raabe S. 18 ff; mit Recht skeptisch jedoch Sieverts Niederschriften Bd. 1, S. 291.
8
Vgl. vor allem Niederschriften Bd. 1, S. 2 8 3 ff; Bd. 3, S. 161 ff, 2 3 3 ff, 2 5 7 ff, 3 2 2 ff, 357 ff.
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ausschuss sogar als „neues Konzept" bezeichnete (2. Bericht S. 35), führte einmal zur heutigen Begrenzung des erfassten Täterkreises, insbesondere also zur Ausscheidung der Gemeinlästigen (näher dazu 2. Bericht aaO). Zum anderen brachte das gewandelte Konzept eine stärkere Ausrichtung der Maßregel am Gedanken der Hilfe für den Betroffenen, also (Rdn. 3) der heutigen Stützungsfunktion, was sich auch in der neuen Bezeichnung („Führungsaufsicht") niederschlug. Diese Ausrichtung kam namentlich in der Bestimmung über die obligatorische Bestellung eines Bewährungshelfers (§ 68a) sowie in gewissen Abschwächungen des Katalogs der Weisungen (§ 68b) und einigen Änderungen im Aufgabenbereich der Aufsichtsstelle zum Ausdruck, die eine „sachgerechte Aufgabenverteilung" zwischen der „helfenden und betreuenden Tätigkeit" einerseits und den „besonderen Überwachungsmaßnahmen" andererseits gewährleisten soll (2. Bericht aaO; näher zur Aufsichtsstelle § 68a Rdn. 7 ff). Mit dem „gewandelten Konzept", das bei den Beratungen zum EGStGB nur noch geringe Korrekturen erfuhr, schloss der Sonderausschuss im Streit der Meinungen (Rdn. 25) einen gewissen Kompromiss. 23
Festzuhalten ist dabei jedenfalls dreierlei: (1) Mit der, insoweit auch durch die Einbeziehung der resozialisierenden Komponente nicht aufgehobenen Sicherungsfunktion hat das Gesetz, in sehr grundsätzlicher Abkehr von den Bemühungen seit dem Gegenentwurf von 1911 und unverkennbar geprägt von polizeilichen Aspekten, Neuland betreten. (2) Der Kreis der erfassten Täter ist, entgegen den ursprünglichen Tendenzen, so ausgedehnt, dass die Abschichtung zwischen „gefährlichen" und „gefährdeten" Tätern (Rdn. 21) problematisch geworden ist und das Institut teilweise in die Nähe der Bewährungshilfe rückt (ein Problem, das bei den Beratungen eine große Rolle spielte; es wird auch im 2. Bericht, S. 35, angesprochen). (3) Die Wandlung von der Sicherungsaufsicht zur Führungsaufsicht hat jedenfalls in einem Punkt zu einer Verschärfung, ja Verfälschung des Ausgangspunkts (Rdn. 21) geführt, der besonders kritisch ist: nämlich der Einbeziehung der „gefährdeten" Täter, die § 107 Abs. 1, 2 E 1962 noch anders behandeln wollte (Rdn. 21) und die man in der Tat jedenfalls sehr besonders behandeln muss. 2. Kriminalpolitische Problematik
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a) Die Führungsaufsicht enthält den gewiss „äußerst wichtigen Versuch" (Tröndle/ Fischer Rdn. 2 Vor § 68), Tätern mit schlechter oder bedenklicher Prognose besser als früher zu begegnen. Dass dafür insbesondere im Bereich der Schwerkriminalität sowie zur Vermeidung oder Verkürzung stationärer Unterbringungen (dazu Schöch NStZ 1992 370 und unten Rdn. 26a) ein sachliches Bedürfnis besteht, ist nicht zu bezweifeln und wird auch durch die jahrzehntelangen Reformbemühungen (Rdn. 17 ff) bestätigt (zur Reform der Führungsaufsicht vgl. unten Rdn. 27a).
25
b) Die Kritik an dem Institut war und ist vielfältig, wenn auch in der Akzentuierung unterschiedlich.9 Grundsätzliche Aspekte zeigte sie vor allem bei der Auseinandersetzung mit der Sicherungsaufsicht des E 1962 und ihren Vorläufern (Rdn. 20, 21 ). 10 Sie betraf insoweit einmal die technische Kompliziertheit der Regelung und ihre Unübersichtlichkeit, zum anderen wichtige Einzelheiten der Ausgestaltung, so insbesondere die umstrit-
9 10
Vgl. dazu auch Groß MK Rdn. 5. Dazu im Einzelnen insbesondere Maurach Gutachten z. 43. DJT, S. 2 4 3 ff; Schröder Referat z. 4 3 DJT, S. E 19 ff; Hassenpfiug
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S. 124 ff; Grünwald ZStW 76 662 ff; Schultz J Z 1966 123 ff; Preiser ZStW 81 2 4 9 ff, 912 ff; Raabe S. 38 ff, 168 ff; vgl. auch AE-ATS. 147.
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Vorbemerkungen zu den § § 68 ff
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tene Problematik der sog. Vollverbüßer (jetzt § 68f, s. dort Rdn. 3 ff), die Strafbarkeit des Verstoßes gegen Weisungen (jetzt § 68b Abs. 1 i.V. mit § 145a; vgl. Rdn. 27a ff, § 68b Rdn. 17 f sowie bei § 145a) und die Nähe zur Polizeiaufsicht namentlich durch die bei den früheren Reformbemühungen (Rdn. 17) so verpönte Einschaltung der Polizei. Die Kritik richtete sich z.T. aber auch gegen die grundsätzliche Konzeption, nämlich den Umfang der Maßregel, ihre resozialisierungsfeindlichen Aspekte und ihre „buntschillernde Zielsetzung" (Grünwald). Der Gesetzgeber hat dieser Kritik in seinem „gewandelten Konzept" (Rdn. 22) in Teilen Rechnung getragen, aber eben doch nur in Teilen. So ist sie auch heute noch von Bedeutung. Vgl. im Übrigen unten Rdn. 27a. c) Die Brauchbarkeit des Instituts hängt wesentlich davon ab, inwieweit es in der 2 6 Praxis gelingt, für die verschiedenen Tätergruppen und Täter das rechte Verhältnis zwischen Stützung („Resozialisierung") und Überwachung („Sicherung") auszuloten und die Aufsicht so zu gestalten, dass die nicht zu leugnenden Schwierigkeiten, die mit dem Antagonismus zwischen den beiden Funktionen (s. Rdn. 4) verbunden sind, in Grenzen gehalten werden. Vor zu hohen Erwartungen an die Führungsaufsichtsorgane, die das mit jedem Konzept der Zwangssozialisation verbundene „antagonistische Dilemma" nicht auflösen könnten, wird gewarnt.11 In Anbetracht der Ausweitung stationärer Maßregeln der Sicherung, namentlich der 2 6 a Sicherungsverwahrung (Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung durch Einfügung des § 66a mit Gesetz vom 21.8.2002 1 2 , Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in § 66b mit Gesetz vom 29.7.2004 13 , Änderungen auch des § 66b in der unter Rdn. 27b f skizzierten Reform der Führungsaufsicht14) könnte die Führungsaufsicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit15 bei gefährlichen Tätern neue Bedeutung gewinnen.16 Denn vor Verhängung der nachträglichen Sicherungsverwahrung oder vor der Anordnung einer im Urteil vorbehaltenen Sicherungsverwahrung muss stets geprüft werden, ob den Sicherheitsbestrebungen auch durch weniger eingriffsintensive Instrumente wie der Führungsaufsicht Rechnung getragen werden kann (§ 72 Abs. 1 S. 2). 17 Oft werden die Verfahren auch parallel betrieben. Dann können sich Probleme daraus ergeben, dass die Strafvollstreckungskammer gemäß §§ 463 Abs. 2, 462a Abs. 1 S. 1, 453 Abs. 1 S. 2 StPO für die Entscheidungen über die Führungsaufsicht zuständig ist, während § 74f GVG in Abs. 1 die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung dem Gericht des ersten Rechtszugs zuweist und auch § 74f Abs. 2 diese Entscheidung für den Fall, dass das Gericht des ersten Rechtszugs ein Amtsgericht ist, dem Zuständigkeitsbereich der Strafvollstreckungskammer entzieht. Wird hier die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung abgelehnt und kommt deshalb die Führungsaufsicht in Betracht, wäre es sinnvoll, das über die nachträgliche Sicherungsverwahrung
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Frehsee/OstendorfNK. Rdn. 14. BGBl. I, 3 3 4 4 . BGBl. 1, 1838. Vgl. dazu auch Peglau NJW 2 0 0 7 1558, 1561 f. Vgl. die von Koller, Stellungnahme Rechtsausschuss, S. 13 (§ 68a Fn. 2 4 ) angeführten Beispiele aus der Praxis. Kriminalpolitisch sind die genannten Erweiterungen des Instituts der Sicherungsverwah-
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rung nach der hier vertretenen Auffassung verfehlt. Vgl. dazu Ullenbruch NJW 2 0 0 6 1377; Schneider StV 2 0 0 6 99. Ablehnend auch Kinzig NJW 2 0 0 2 3 2 0 4 ; ders. N J W 2 0 0 4 655 Dazu z.B. Sch/Schröder/Stree § 7 2 Rdn. 4. Vgl. auch das Minderheitsvotum der Richter Broß, Osterloh, Gerhardt, BVerfG NJW 2 0 0 4 750, 760.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
entscheidende Gericht auch über die Führungsaufsicht entscheiden zu lassen. Wegen der starren Zuständigkeitsregelungen des geltenden Rechts ist eine Lösung dieses bislang unerkannten Problems nur de lege ferenda möglich. 27 Die vorhandenen Berichte über die Erfahrungen mit der Führungsaufsicht18 sowie die bislang vorliegenden empirischen Untersuchungen über sie und ihre Klientel19 ergeben wohl noch kein erschöpfendes und endgültiges Bild. Jedenfalls scheint sich die Praxis der Führungsaufsicht in den einzelnen Ländern (der alten Bundesrepublik), wenn nicht in den einzelnen Gerichtsbezirken, „geradezu auseinander entwickelt" zu haben". 20 Geklagt wird darüber hinaus: über eine zu bürokratische Handhabung, also über den Mangel an wirklicher und individueller Einwirkung; über Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Aufsichtsstellen, Bewährungshelfern und Gerichten; speziell über eine sachwidrige Verlagerung der überwachenden Funktion von der Aufsichtsstelle auf den Bewährungshelfer (dazu auch § 68a Rdn. 10); über den Mangel an Fachkräften und ihre zu große Belastung; über den allzu heterogenen Probandenkreis, dessen Eigentümlichkeiten oder Störungen die Fachkenntnisse namentlich der Bewährungshelfer nicht selten überfordere. Zu Recht wird deshalb von Vollbad) MschrKrim. 2006 45 die weitergehende kriminologische Schulung der Bewährungshelfer angemahnt, für die sich die Methode Idealtypisch-Vergleichender Einzelfallanalyse anbietet, vgl. hierzu näher Bock in: Göppingen Kriminologie 6. Aufl. 2008. Auffallend ist, dass das so wichtige Instrument der Weisungen ersichtlich sehr schematisch gehandhabt wird (näher § 68b Rdn. 7a). Bemerkenswert ist auch, dass die Zahl der nach § 68 Abs. 1 angeordneten Führungsaufsichten gering ist und kontinuierlich zurückgeht (näher § 68 Rdn. 2). Verbreitet ist die Feststellung, das Institut unterscheide sich in seiner realen Handhabung kaum von der Bewährungshilfe im Rahmen der Strafaussetzung (Maelicke NKrimP 2004 75). Wenn sich insoweit Resozialisierungserfolge einstellen, sollte eine pragmatische Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Betreuung und Sicherung jedoch nicht zu sehr problematisiert werden. Nach einer neueren Untersuchung (Seifert/Möller-Mussavi NStZ 2006 131), die sich auf gemäß § 67d Abs. 2 aus der Unterbringung Entlassene bezog, sind Probanden, die psychotherapeutisch intensiv behandelt und auch hinsichtlich ihrer Wohn- und Beschäftigungssituation enger begleitet wurden, seltener rückfällig geworden als Probanden, die insoweit weniger Unterstützung erhielten. 27a
d) Reformüberlegungen und die Reform der Führungsaufsicht im April 2007: Vor dem Erlass des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung (FührAufsRuaÄndG, verkündet am 17. April 2007 - BGBl. I Nr. 13 513 - und am 18. April in Kraft getreten) wurde dieses Institut in den neueren Erläuterungswerken unterschiedlich und zurückhaltend beurteilt; es überwog aber unterschwellige Skepsis jedenfalls gegenüber der Situation vor der
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Zusammenfassend und m.w.N. die Beiträge in Dertinger/Marks sowie Kurze S. 460 (namentlich aus der Sicht der Bewährungshelfer). Dazu insbesondere Maelicke S. 366 ff; Jacobsen S. 167 ff und MschrKrim. 1984 254 ff m.w.N.; v. Glasenapp ZRP 1979 31; Nißl, NStZ 1995 525. Ergänzend (und sich überschneidend) auch das in der folg. Fußn. genannte Schrifttum.
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Namentlich Schulz insbes. S. 91 ff; Brüsten S. 1613 ff; Kober insbes. S. 91 ff; Jacobsen insbes. S. 37 ff; Floerecke passim (vgl. S. 8); Beiträge in Dertinger/Marks; Seifert/MöllerMussavi, NStZ 2006 131 ff; Weigelt/Hohmann-Fricke, BewH 2006 216 ff. So Best in Steinhilper (Hrsg.), Soziale Dienste in der Strafrechtspflege (1984) S. 38.
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Vorbemerkungen zu den §§ 6 8 ff
Vor § 68
Reform.21 Im Spezialschrifttum waren die Meinungen geteilt.22 Aufgrund der deutlich gewordenen Mängel hatten auch Bundestag und Bundesrat schon vor Jahren eine Überprüfung der Maßregel für notwendig gehalten23 (BTDrucks. 10/2720, S. 25, 30; 10/5828, S. 6). Angesichts der geringen praktischen Relevanz, die der richterlich angeordneten Führungsaufsicht gemäß § 68 Abs. 1 zukommt, wurde die Streichung dieser Vorschrift empfohlen.24 Gleiches galt für die Pönalisierung des Weisungsverstoßes nach § 145a. 25 Ein sehr erwägenswerter Vorschlag wollte die Führungsaufsicht auf Fälle begrenzen, in denen solchen Straftaten vorgebeugt werden soll, die das Opfer seelisch oder körperlich schwer schädigen würden, und darüber hinaus auf Probanden mit typischerweise sehr ungünstiger Prognose, etwa die nach zehnjähriger Sicherungsverwahrung Entlassenen (§ 67d Abs. 3), die therapeutisch nicht Erreichbaren, die gemäß § 67d Abs. 5 aus der Entziehungsanstalt entlassen werden, und die Vollverbüßer gemäß § 68f („Entflechtungsmodell", Neubacher NKrimP 2005 29). Die im Jahr 1986 erhobene Forderung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelfer, die Führungsaufsicht abzuschaffen,26 hat sich nicht durchgesetzt. Stattdessen ist die gesetzliche Regelung reformiert worden. Die Reform hat sich eine geschlechtergerechtere Sprache - die Kommentierung folgt diesem isoliert betrachtet berechtigten Bemühen im Interesse der Lesbarkeit nicht - und eine effizientere praktische Handhabung der Maßregel zunächst durch eine Vereinfachung zum Ziel gesetzt. Vor allem aber sollte ein „Kriseninterventionsinstrumentarium" geschaffen werden, „mit dessen Hilfe kritische Entwicklungen von Probandinnen und Probanden noch besser als bisher frühzeitig erkannt und ihnen so rechtzeitig begegnet werden kann". 27 Deshalb wurde § 67h eingefügt. Nach dieser Vorschrift ist unter bestimmten Voraussetzungen die befristete Wiederinvollzugsetzung von Unterbringungen gemäß §§ 63, 64 möglich, durch die ein Widerruf der Aussetzung gemäß § 67g vermieden werden soll. Insgesamt ist festzustellen, dass die Führungsaufsicht durch die Reform eingriffsintensiver und „schärfer" geworden ist. So sind in der StPO erweiterte Befugnisse der Aufsichtsstelle geschaffen worden, nämlich zum einen die Befugnis, eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung der verurteilten Person anzuordnen, zum anderen die zum Antrag auf den Erlass von Vorführungsbefehlen (§ 463a Abs. 1, Abs. 3 StPO). 28 Im Besonderen Teil des StGB ist eine Anhebung der Höchststrafe für Weisungsverstöße von einem Jahr auf drei Jahre vorgenommen worden (§ 145a). Nach § 79 Abs. 4 verjährt die unbefristete Führungsaufsicht nicht. In den Fällen des § 67d Abs. 4 tritt gemäß dem neuen S. 3 Führungsaufsicht ein. In den §§ 68 ff blieb nur § 68, von einer redaktionellen Anpassung in Abs. 2 abgesehen, unverändert (vgl. zu den einzelnen geplanten Neurege-
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Vgl. im Einzelnen Frehsee/OStendorf NK Rdn. 13 ff; Fischer Rdn. 1, 2 ; Horn SK Rdn. 5; Lackner/Kühl Rdn. 2 ; Groß M K Rdn. 5; Jescheck/Weigend AT § 7 8 I 6. Dazu, z.T. mit praktischen Verbesserungsvorschlägen sowie m.w.N., insbesondere Jacobsen S. 1 7 5 ff sowie MschrKrim. 1 9 8 4 2 5 4 ff und in Dertinger/Marks S. 4 3 ff; Schulz S. 1 6 3 ff; Floerecke S. 1 7 0 ff sowie in Dertinger/Marks S. 7 3 ff; Maelicke S. 3 6 6 ff; v. Bülow S. 1 4 5 ff; Rasch S. 1 5 7 ff. Vgl. auch B.-D. Meier, S. 2 4 2 ; Streng Rdn. 3 3 2 .
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BTDrucks. 1 0 / 2 7 2 0 , S. 2 5 , 3 0 ; 1 0 / 5 8 2 8 , S. 6. Vgl. auch Lemke GA 1 9 9 2 2 3 5 .
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Schöch Gutachten z. 59. D J T S. I l l f und
N S t Z 1 9 9 2 3 7 0 ; Dölling Z S t W 1 0 4 ( 1 9 9 2 ) , 2 8 8 ; Frehsee/Ostendorf, Rdn. 2 0 . 25
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Schöch Gutachten z. 59. D J T S. 112 f und N S t Z 1 9 9 2 3 7 0 f. Vgl. Neubacher NKrimP 2 0 0 5 2 8 . Z u den Hintergründen vgl. Vollbach MschrKrim. 2 0 0 6 4 0 . Die im Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BTDrucks. 1 6 / 1 9 9 3 , S. 10) vorgesehene Möglichkeit, den Erlass des Vorführungsbefehls dem Leiter der Führungsaufsichtsstelle zu überlassen, konnte sich nicht durchsetzen, vgl. Koller, Stellungnahme Rechtsausschuss (§ 6 8 a Fn. 2 4 ) .
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Vor § 6 8
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
lungen die Kommentierungen zu den jeweiligen Vorschriften). Der Katalog strafbewehrter Weisungen wurde erheblich erweitert (Änderungen des § 68b Abs. 1 Nrn. 3, 7, 8 sowie Einfügung der Nrn. 10, 11). § 68b Abs. 2 S. 2 sieht eine sog. Therapieweisung vor, mit der das Gericht die verurteilte Person anweisen kann, sich psychiatrisch, psychooder sozialtherapeutisch behandeln zu lassen. § 68a Abs. 7 ist der letztgenannten Änderung angepasst. In § 68c Abs. 3 sind neue Fälle unbefristeter Führungsaufsicht vorgesehen. Die gegenwärtige Regelung zum Beginn der Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 3) ist in § 68c inhaltlich differenzierter gestaltet worden. § 68d erweitert die Möglichkeit nachträglicher gerichtlicher Entscheidungen um die neuen Fälle unbefristeter Führungsaufsicht durch Einbeziehung auch des § 68c Abs. 3. Die umfassende Änderung des § 68e soll vorrangig aufwändige und überflüssige bzw. unpraktikable Doppelbetreuungen verhindern. Nach § 68f genügt eine zwei- bzw. einjährige Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe wegen vorsätzlicher Straftaten im Falle vollständiger Vollstreckung zum Eintritt der Führungsaufsicht (vgl. zur Problematik der bisherigen Gesetzesfassung § 68f Rdn. 11). Nach § 68g Abs. 3 S. 2 gilt für Fälle unbefristeter Führungsaufsicht § 68g S. 1 nicht. 27c
Da das Rechtsinstitut der Führungsaufsicht mit seiner Doppelfunktion (Rdn. 3) die Anordnung stationärer Maßregeln zu verhindern vermag (Rdn. 26a) und auch deren Aussetzung zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 fördert, 29 ist es zu begrüßen, dass statt einer Abschaffung der Führungsaufsicht eine Verbesserung der gesetzlichen Regelung versucht wurde. Im Einzelnen gibt der Entwurf aber Anlass zur Kritik. 30 Dies gilt zunächst für das Institut einer befristeten Wiederinvollzugsetzung von Unterbringungen nach den §§ 63, 64 gemäß § 67h. Es ist zwar zu begrüßen, dass es nunmehr Möglichkeiten gibt, einer Krise ohne Widerruf der Aussetzung nach § 67 zu begegnen.31 Angesichts des heutigen Trends zur Betonung von Sicherheitsinteressen bleibt aber zu befürchten, dass die Wiederinvollzugsetzung auch dann angeordnet wird, wenn auf der Grundlage des alten Rechts überhaupt keine Reaktion erfolgt wäre, z.B. wegen Unverhältnismäßigkeit eines Widerrufs. Verfehlt ist die Erhöhung der Strafandrohung in § 145a StGB; die Verhältnismäßigkeit dieser - in der Praxis nahezu bedeutungslosen - Pönalisierung einer Pflicht zur Annahme von Hilfe (Rdn. 27a) wird so noch zweifelhafter.32 Zu §§ 68 ff lässt sich vorab generell sagen, dass sie neben sinnvollen Änderungen (Vermeidung von Doppelbetreuungen) etwa mit der Ausweitung unbefristeter Führungsaufsicht eine Tendenz erkennen lassen, Sicherheitserwägungen zu verabsolutieren. Wünschenswert wäre gewesen, dass Anregungen aus der Wissenschaft wie das sog. Entflechtungsmodell (Rdn. 27a) mehr Beachtung gefunden hätten. Es ist auch bedauerlich, dass sich die Regierung nicht zur Abschaffung der praktisch fast bedeutungslosen Führungsaufsicht kraft Richterspruchs durchringen konnte (Rdn. 27a), zumal diese eine höchst problematische negative Prognose schon im Urteil für die Zeit nach dem Strafvollzug voraussetzt (Schöch NStZ 1992 370).
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Schöch NStZ 1992 370; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 19 m.w.N. Vgl. auch DBH (Kerner) BewH 2 0 0 6 51; Katholische Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe 2 0 0 5 ; Vollbach MschrKrim.
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2 0 0 6 40; Häger LK 1 2 Rdn. 66 Vor §§ 38 ff; Weigelt ZRP 2 0 0 6 2 5 3 ; positiv beurteilt Feglau NJW 2 0 0 7 1558, 1562 die Reform. DBH (Kerner) BewH 2 0 0 6 50. Kritisch auch DBH (Kerner) BewH 2 0 0 6 53.
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Vorbemerkungen zu den
68 ff
Vor § 6 8
V. Geltung im Jugendstrafrecht Nach § 7 JGG ist es zulässig, Führungsaufsicht „anzuordnen". Man hat diese Formu- 2 8 lierung trotz ihres Wortlauts dahin zu verstehen, dass nicht nur die Vorschriften über die Führungsaufsicht kraft Richterspruchs gelten sollen, sondern auch die Vorschriften über die Führungsaufsicht kraft Gesetzes, falls sie nicht (wie z.B. § 67d Abs. 3) nach dem System des Jugendstrafrechts unanwendbar sind: Soweit die Führungsaufsicht kraft Gesetzes an die Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln anknüpft, die auch im Jugendstrafrecht statthaft sind (Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, vgl. § 7 JGG), ist dieser Schluss schon deswegen zwingend, weil die Führungsaufsicht insoweit eine Kautele für die Aussetzung zur Bewährung darstellt, die diese regelmäßig überhaupt erst möglich macht. Die Einbeziehung der Führungsaufsicht kraft Gesetzes gegenüber den Vollverbüßern des § 68f aber war das eigentliche Anliegen des Gesetzgebers, als er die Maßregel im Jugendstrafrecht vorsah (s. im folg. Text). Da er für diese Tätergruppe andere Formen der nachgehenden Betreuung nicht eingeführt hat, ist es angesichts des gesetzgeberischen Willens unmöglich, allein aus der nicht ganz exakten Formulierung des § 7 JGG auf die Nichtanwendbarkeit des § 68f zu schließen. In der Sache erscheint die Einbeziehung der Führungsaufsicht in den Kreis der zulässigen Maßregeln des Jugendstrafrechts freilich bedenklich oder zumindest reichlich undifferenziert: Die Einbeziehung harmoniert wenig mit der allerdings in Auflösung befindlichen traditionellen Zurückhaltung des JGG in der Anwendung von Maßregeln des Erwachsenenstrafrechts und mit der primär auf erzieherisch-sozialisierende Einwirkung abgehobenen Ausrichtung des Jugendstrafrechts. So hat auch der Gesetzgeber nur dürftige Gründe für die Einbeziehung angeführt, nämlich (lediglich) im RegE z. EGStGB (BTDrucks. 7/550 S. 327). Dort heißt es, sie erscheine „insbesondere" bei den Vollverbüßern „geboten, um die notwendige nachgehende Betreuung sicherzustellen", und in anderen Fällen „zweckmäßig", weil sie „eine wichtige Ergänzung der Tätigkeit des Bewährungshelfers darstellen" „kann". Die ganze Zwiespältigkeit des Instituts im Spannungsfeld zwischen Unterstützung und Sicherung (oben Rdn. 3) bleibt in dieser Begründung außer acht. Sie zeigt lediglich, dass der Gesetzgeber vor allem an den betreuenden Aspekt dachte, wie das auch der Ausrichtung des Jugendstrafrechts entspricht. Demgemäß ist die Maßregel daher auch zu handhaben. 29 Dies gilt nicht nur für die richterliche Anordnung der Führungsaufsicht (§ 68 Abs. 1), bei der der Richter im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens sehr sorgfältig zu prüfen hat, ob es angezeigt ist, den Jugendlichen über die spezifischen Einwirkungen des Jugendstrafrechts hinaus auch der Führungsaufsicht zu unterwerfen (s. § 68 Rdn. 21). Tatsächlich werden in der Praxis solche Anordnungen kaum getroffen (vgl. § 68 Rdn. 2). Es gilt vor allem auch für die Ausgestaltung und die Handhabung einer - gerichtlich angeordneten oder kraft Gesetzes entstandenen - Führungsaufsicht: Bei ihr hat, gerade weil sich der junge Mensch im Allgemeinen noch formen lässt, die betreuende Komponente im besonderen Maße Vorrang vor der Sicherung, insbesondere wenn es um den Konflikt zwischen beiden Komponenten (Rdn. 4) geht. Diese Sicht entspricht freilich nicht dem Zeitgeist, weil auch hier der Gedanke der Sicherung zunehmend Gewicht erhält, wie z.B. die Einführung der vorbehaltenen und nachträglichen Sicherungsverwahrung für Heranwachsende (§ 106 Abs. 3, 4 JGG), auf die Erwachsenenstrafrecht angewendet wird, zeigt. Die früher umstrittene Frage, ob Führungsaufsicht gemäß § 7 JGG i.V.m. § 68f schon anwendbar ist, wenn eine Einheitsjugendstrafe in der nach § 68f vorausgesetzten Höhe verhängt wird, ist seit der Neufassung des § 68f, die eine Gesamtstrafe genügen Hendrik Schneider
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§ 68
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
lässt, zu bejahen. Der Gesetzgeber sieht augenscheinlich den Hauptgrund der Führungsaufsicht nach § 68c in einer regelmäßig schlechten Prognose bei Vollverbüßung. VI. Übergangsrecht in der „alten" Bundesrepublik 30
1. Wegen einer vor dem 1.1.1975 begangenen Tat darf (oder durfte) nach Art. 303 Abs. 1 EGStGB Führungsaufsicht gerichtlich nicht angeordnet werden. Entsprechendes gilt nach Art. 303 Abs. 2 EGStGB für die Führungsaufsicht kraft Gesetzes gemäß § 68f: Sie tritt für eine vor dem 1.1.1975 begangene Tat auch dann nicht ein, wenn die Strafe erst nach diesem Zeitpunkt verbüßt worden ist.
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2. Die bedingte Aussetzung einer freiheitsentziehenden Maßregel vor dem 1.1.1975 (vgl. § 42h a.F.) führte nach Art. 314 Abs. 2 S. 1 EGStGB jedoch zum Eintritt der Führungsaufsicht kraft Gesetzes. Besondere Pflichten, die bei einer solchen Aussetzung auferlegt worden sind (vgl. § 42h Abs. 2 a.F.), gelten nach Art. 314 Abs. 2 S. 2 EGStGB als Weisungen gemäß § 68b Abs. 2, sind also - selbstverständlich - nicht nach § 145a strafbewehrt (aA und verfehlt OLG Celle MDR 1976 159; richtig Horn JR 1976 273). VII. Recht des Einigungsvertrages
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Die Regelungen, nach denen auf Taten, die vor dem Wirksamwerden des Vertrages auf dem Gebiet der früheren DDR einschließlich Ostberlins begangen worden sind, die § § 6 8 Abs. 1 und 68f nicht anwendbar waren (Art. 315 Abs. 1 S. 2 und 3 EGStGB), sind mit der Reform der Führungsaufsicht (Rdn. 27b) gestrichen worden (Art. 4 FührAufsRuaÄndG).
§68 Voraussetzungen der Führungsaufsicht (1) Hat jemand wegen einer Straftat, bei der das Gesetz Führungsaufsicht besonders vorsieht, zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt, so kann das Gericht neben der Strafe Führungsaufsicht anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass er weitere Straftaten begehen wird. (2) Die Vorschriften über die Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§§ 67b, 67c, 67d Abs. 2 bis 6 und § 68f) bleiben unberührt. Schrifttum s. die Angaben bei den Vorb. Vor § 68.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch das 2. StrRG eingefügt und noch vor dem Inkrafttreten durch Art. 18 II Nr. 30 EGStGB redaktionell geändert. Durch Art. 1 Nr. 14 des 23. StrRÄndG wurde Absatz 1 neu gefasst, der bis dahin die Anordnung der Führungsaufsicht auch gestattete, wenn jemand „unter den Voraussetzungen des § 48 (Rückfall)
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Voraussetzungen der Führungsaufsicht
§ 68
zeitige Freiheitsstrafe verwirkt" hatte. Absatz 2 hat, zuletzt durch Art. 1 Nr. 5 SexualdelikteBekG, das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung und Art. 1 Nr. 8a FührAufsRuaÄndG (vgl. dazu Rdn. 27b Vor § 68), Änderungen erfahren, die rein redaktionelle Konsequenzen aus Änderungen des § 67d darstellen. Übersicht Rdn. I. Allgemeines Π. Formelle Voraussetzungen der gerichtlichen Anordnung (Absatz 1) 1. Im Gesetz besonders vorgesehen . , 2. Straftat 3. Die Freiheitsstrafe 4. Symptomatisch 5. Nur „neben der Strafe" ΠΙ. Materielle Voraussetzungen des Absatz 1: Gefahr weiterer Straftaten 1. Gefahr 2. Gefahr erheblicher Straftaten . . . 3. Für die Allgemeinheit gefährliche Taten 4. Fahrlässige Taten 5. Gesamtwürdigung von Tat und Täter 6. Zeitpunkt der Prognose 7. Subsidiaritätsprinzip 8. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . 9. In dubio pro reo
Rdn. IV. Fakultative Anordnung bei Absatz 1; Verhältnis zur Strafe 1. Pflichtgemäßes Ermessen 2. Anwendungsbereich des pflichtgemäßen Ermessens a) Wahrscheinlichkeits- und Gefährlichkeitsgrad b) mildere Maßnahmen c) Wirkungen des Vollzugs d) Strafaussetzung zur Bewährung . . Aussichtslosigkeit f) Abkürzung der Höchstfrist 3. Verhältnis zur Strafe
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V. Folgewirkungen, Beginn und Dauer
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VI. Konkurrenz mit anderen Maßregeln
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VII. Verfahrensrechtliches zu Absatz 1 . . Vm. Übergangsrecht. Recht des Einigungsvertrages . . IX. Zur Führungsaufsicht kraft Gesetzes (Absatz 2)
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I. Allgemeines 1. Die Vorschrift umschreibt - entgegen ihrer etwas verwirrenden Überschrift - nur 1 die Voraussetzungen, unter denen das Gericht Führungsaufsicht anordnen kann (Absatz 1). Die verschiedenen Fälle der Führungsaufsicht kraft Gesetzes (s. Rdn. 9 Vor § 68) werden in Absatz 2 lediglich genannt, nicht aber in ihren Voraussetzungen umschrieben; es handelt sich insoweit nur um einen klarstellenden Hinweis zur Erleichterung des Überblicks (2. Bericht S. 35; vgl. aber auch Rdn. 31). 2. In der Praxis hat die gerichtliche Anordnung der Führungsaufsicht in den ersten 2 Jahren nach dem Inkrafttreten des § 68 eine gewisse Bedeutung erlangt (Höhepunkt 1978 mit 497 Fällen); dann aber ist die Zahl der Anordnungen kontinuierlich zurückgegangen. Im Einzelnen weist die Rechtspflegestatistik für den Zeitraum von 1976 bis 1981 jährlich zwischen 300 und 500 Verurteilte aus, für den Zeitraum von 1982 bis 1986 zwischen 100 und 300 Verurteilte und für die Zeit danach regelmäßig weniger als 100 Verurteilte. Von 1997 bis 2001 schwankte die Zahl in den alten Bundesländern (incl. Gesamt-Berlin) zwischen 63 und 84 (im Jahre 2002 waren es 75; 2003: 41; 2004: 36); die Zahl der Probanden der Führungsaufsicht insgesamt wird statistisch nicht erfasst, wurde aber im Jahre 2000 (für ganz Deutschland) auf 15 000 geschätzt.1 Vgl. zur zahlen1
Frehsee/Ostendorf NK Vor §§ 68 bis 68g Rdn. 20; vgl. auch Schöch BewH 2003 224.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
mäßigen Entwicklung der gerichtlich angeordneten Führungsaufsicht in den Jahren 1 9 7 5 - 2 0 0 4 Weigelt/Hohmann-Fricke BewH 2 0 0 6 218. Unter den von gerichtlich angeordneter Führungsaufsicht betroffenen Personen befinden sich jeweils kaum Jugendliche (zwischen 1997 und 2001 nie mehr als 10; im Jahre 2 0 0 2 : 13; 2 0 0 3 : 5, 2 0 0 4 : 2) und regelmäßig auch relativ wenige Heranwachsende (im Jahre 2 0 0 2 : 18; 2 0 0 3 : 12, 2 0 0 4 : 5). 2 Die Unterstellten sind fast ausschließlich Männer. Nach der Sonderauswertung der Daten der Rückfallstatistik (Weigelt/Hohmann-Fricke BewH 2 0 0 6 226) wurden 84 % der 1994 gem. § 68 Abs. 1 unter Führungsaufsicht gestellten Personen innerhalb von 4 Jahren wieder straffällig. Über die Hälfte aller Probanden wurde zu zumindest teilweise vollstreckten Freiheitsstrafen verurteilt. Sachgerecht wäre die Streichung des § 68 Abs. 1 gewesen. 3 Die Reform der gesetzlichen Regelungen zur Führungsaufsicht (s. auch Rdn. 27a ff Vor § 68) sieht jedoch für § 68 Abs. 1 keinerlei Änderung vor.
Π. Formelle Voraussetzungen der gerichtlichen Anordnung (Absatz 1) 3
1. Im Gesetz vorgesehen. Die Fälle, in denen das Gesetz Führungsaufsicht besonders vorsieht, sind auf Delikte bezogen, bei denen eine Wiederholungsgefahr nach Auffassung des Gesetzgebers nahe liegt. Der Katalog war bei der Strafrechtsreform umstritten (z.B. Prot. V, 2206), ist aber, jedenfalls nach dem Bild der veröffentlichten Materialien, nie wirklich grundsätzlich erörtert worden und zeigt ohne Zweifel gewisse Spannungen (vgl. Preiser ZStW 81 [1969] 2 5 3 und dazu Prot. aaO). Der Katalog umfasst derzeit: 1. Bildung terroristischer Vereinigungen gemäß § 129a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 sowie § 129b (vgl. § 129a Abs. 9); 2. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gemäß §§ 174 bis 174c, 176 bis 180, 181a und 182 (vgl. § 181b); 3. Menschenhandel gemäß § 232 bis § 2 3 3 a (vgl. § 233b); 4. Erpresserischen Menschenraub und Geiselnahme gemäß §§ 2 3 9 a , 2 3 9 b (vgl. § 239c); 5. Diebstahl gemäß §§ 2 4 2 bis 244a (vgl. § 245); 6. Raub, räuberischen Diebstahl und Erpressung gemäß §§ 2 4 9 bis 2 5 5 (vgl. § 2 5 6 Abs. 1); 7. Hehlerei und Geldwäsche gemäß §§ 2 5 9 bis 261 (vgl. § 262); 8. Betrug und Computerbetrug gemäß §§ 263, 263a (vgl. § 2 6 3 Abs. 6, § 2 6 3 a Abs. 2); 9. Gemeingefährliche Straftaten gemäß §§ 306 bis 306c und 3 0 7 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 3 0 9 Abs. 1 bis 4, des S 310 Abs. 1 und des § 316c Abs. 1 Nr. 2 (vgl. § 321); 10. Betäubungsmitteldelikte gemäß § 2 9 Abs. 3, §§ 29a, 30 und 30a B t M G (vgl. § 34 BtMG). Auch die Zusammenstellung des Straftatkataloges folgt nur teilweise empirischen Erkenntnissen zum statistischen Rückfallrisiko bestimmter Deliktsgruppen. Nach der auf einer Auswertung von Daten des Bundeszentralregisters beruhenden Rückfallstatistik
2
Die Daten sind der Rechtspflegestatistik des jeweiligen Jahres entnommen (Tabelle 5.5.: Abgeurteilte mit sonstigen Maßregeln der Besserung und Sicherung); vgl. auch Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 2 0 Vor §§ 68 bis 68g.
824
3
Schöch Gutachten z. 59. DJT S. 111 f; ders. NStZ 1992 3 7 0 ; Dölling ZStW 104 (1992), 2 8 8 ; Frehsee/Ostendorf NK Vor §§ 68 bis 68g Rdn. 20.
Hendrik Schneider
Voraussetzungen der Führungsaufsicht
§68
(Jehle/Heinz/Sutterer Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen. Eine kommentierte Rückfallstatistik, BMJ [Hrsg.] 2003) weisen lediglich schwere Formen des Diebstahls ( S S 243, 244 StGB), räuberische Handlungen ( S S 249-252, 255, 316a StGB), gefolgt von Verstößen gegen das BtMG, und - mit einer nur geringfügig überdurchschnittlichen Rückfallquote - die Deliktsgruppe Nötigung und Vergewaltigung ( S S 177, 178 StGB) ein erhöhtes statistisches Rückfallrisiko auf, wobei zu beachten ist, dass bei den zugrunde liegenden Daten jedes nach der Bezugsentscheidung begangene und registrierte Delikt als Rückfall gewertet wurde. Wenn schon - entsprechend der derzeitigen kriminalpolitischen Grundströmung (vgl. den Diskurs zum sog. Sicherheitsstrafrecht) 4 - die Streichung des § 68 Abs. 1 nicht mehrheitsfähig war, hätte sich zumindest eine Ausdünnung des zudem unübersichtlichen Straftatkataloges mit Streichung der reinen Vermögensdelikte empfohlen. Doch ist auch dies bei der jüngsten Reform der Führungsaufsicht (Rdn. 27b Vor § 68) unterblieben. 2. Straftat i.S. des Absatz 1 ist nach der ratio legis auch die Teilnahme ( S S 26, 27), die versuchte Tat (§ 22) und der Versuch der Beteiligung gemäß § 30. 5
4
3. Die Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten, die der Täter verwirkt haben muss, kann auch eine Jugendstrafe sein, schon weil die Führungsaufsicht zu den zulässigen Maßregeln des JGG gehört (S 7 JGG; näher Eisenberg S 7 JGG, Rdn. 32 und unten Rdn. 16). Eine Regelung wie § 18 des Entwurfs des BMJ für ein Jugendstrafvollzugsgesetz vom 7. Juni 2006, die zur Vorbereitung der Entlassung aus dem Jugendstrafvollzug eine frühzeitige Kooperation mit externen Institutionen vorsieht, könnte die Führungsaufsicht im Anwendungsbereich des JGG ungeachtet der gegen dieses Institut bestehenden grundsätzlichen Bedenken entbehrlich machen.6 Allerdings dürfte die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Strafvollzugs auf die Länder diese wünschenswerte Entwicklung eher erschweren. Bei Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe kommt die Anordnung der Führungsaufsicht nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („zeitige Freiheitsstrafe") nicht in Betracht.7
5
Anrechnungen gemäß § 51 sind bei der Berechnung ohne Belang, da es nur auf die „verwirkte" Strafe ankommt. Bei tateinheitlich begangenen Delikten reicht es nach dem Wortlaut des Gesetzes, dass eines der anwendbaren Gesetze die Führungsaufsicht zulässt ( S S -52 Abs. 4 S. 2, 11 Abs. 1 Nr. 8). Doch wird man zusätzlich fordern müssen, dass allein die Verwirklichung der Tatbestände, für die die Anordnung der Führungsaufsicht gesetzlich vorgesehen ist, im jeweils zu beurteilenden Fall die Verhängung einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe rechtfertigt. Das bedarf dann einer näheren richterlichen Begründung, weil bei Tateinheit keine Einzelstrafen gebildet werden können.8 Bei einer Gesamtstrafe muss eine der Einzelstrafen sechs Monate erreichen.9 Nicht zu 6 folgen ist der Ansicht,10 wonach eine Gesamtstrafe von sechs Monaten dann genügen
4
5
6 7
Heinz, BewH 2000, 131; ders. FS Schwind 2006, S. 893; Kunz FS Eser, S. 1375; H. Schneider StV 2006 104. Frehsee/Ostendorf Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5. Näher Schneider in Göppinger 6. Aufl. 2007. Kritisch insoweit Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 3.
So Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 5; aA Lackner/Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Hanack LK 11 Rdn. 5. Groß MK Rdn. 9; LacknerKühl Rdn. 3; Streng Rdn. 327. Fischer Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5.
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§68
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
soll, wenn sie in Bezug auf Taten gebildet wird, „die sämtlich solche z.B. nach § 242 i.V.m. § 245 sind" (Tröndle/Fischer Rdn. 4). Dagegen spricht schon der Wortlaut des Gesetzes, dass der Täter wegen „einer" Straftat „mindestens" sechs Monate Freiheitsstrafe verwirkt haben muss. Der Wortlaut des § 68 bringt demnach das Erfordernis zum Ausdruck, dass die Anlasstat nicht mehr in den Bereich der untersten Kriminalität gehören darf, sondern etwas höhere Strafe verlangt. Dieses Erfordernis lässt sich wegen des Gewichts der Maßregel nicht leugnen und auch nicht dadurch umgehen, dass man den Unwert mehrerer „kleiner" Straftaten quasi addiert. 7
4. Symptomatisch für die weitere Gefährlichkeit des Täters muss die Anlasstat sein. Dies ergibt sich, obwohl es, anders als z.B. in § 63, vom Gesetz nicht ausdrücklich gesagt wird, aus der Verknüpfung der formellen Voraussetzungen mit dem materiellen Erfordernis der ungünstigen Prognose11 und aus der spezifischen Bedeutung, die die Anlasstat als Voraussetzung jeder Maßregelanordnung besitzt.
8
5. Nur „neben der Strafe" darf nach Absatz 1 die Führungsaufsicht angeordnet werden. Damit ist klargestellt, dass die isolierte Anordnung nicht zulässig ist (vgl. auch § 71), sondern stets eine Verurteilung zu Strafe voraussetzt. Fehlt es an einer materiellrechtlichen oder prozessrechtlichen Voraussetzung für die Bestrafung, darf Führungsaufsicht also nicht angeordnet werden. Auch beim Absehen von Strafe (§ 60) ist Führungsaufsicht nicht möglich, weil der Täter zu Strafe nicht verurteilt wird. ΙΠ. Materielle Voraussetzung des Absatz 1: Gefahr weiterer Straftaten
9
1. Gefahr ist, rein sprachlich betrachtet, weniger als Erwartung i.S.d. § 63. Ob der Gesetzgeber freilich mit dem Unterschied gegenüber dem Wortlaut des § 63 sachliche Verschiedenheiten markieren konnte und wollte (Rdn. 55 ff Vor § 61), ist auch hier nicht festzustellen. So wird man den kritischen Grenzbereich zwischen Erwartung und Gefahr auch am Charakter der Führungsaufsicht zu messen haben. Die bloße Möglichkeit künftiger Straftaten genügt schon nach allgemeinen Grundsätzen auch hier nicht (BGH bei Holtz MDR 1978 623). Andererseits ist keine („sichere") Erwartung zu verlangen, so dass das Merkmal am treffendsten mit der Formulierung Horns (SK 8) umschrieben sein dürfte, dass Straftaten „mit Wahrscheinlichkeit" vorauszusehen sind.12 Es genügt nicht die Wahrscheinlichkeit irgendwelcher Straftaten. Notwendig ist vielmehr „die begründete Voraussicht solcher Straftaten, die mit der die Führungsaufsicht auslösenden' Tat eine bestimmte kriminelle Kontinuität ... aufweisen"13 (s. Rdn. 7, 13). Die Heranziehung anderer Umstände zur Prüfung der Prognose wird dadurch selbstverständlich nicht ausgeschlossen (Lackner/Kühl Rdn. 5).
10
2. Auf die Gefahr erheblicher Straftaten kommt es nach dem Wortlaut des Gesetzes, anders als z.B. bei § 70, trotz des Gewichts der Maßregel nicht an. Die Gründe dafür 11
12
Vgl. Lackner/Kühl Rdn. 5; zweifelnd Groß MK Rdn. 9 Fn. 16. So jetzt auch Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; Groß MK Rdn. 9 hält dies für zu eng.
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13
Horn SK Rdn. 8; zustimmend Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 6; aA Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; Groß MK Rdn. 6.
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Voraussetzungen der Führungsaufsicht
§68
werden in der Niederschrift über die entscheidende Sitzung des Sonderausschusses (Prot. V, 2207), in welcher der heutige Gesetzestext beschlossen wurde, wenig deutlich. Sie beruhen danach einmal auf der entsprechenden Entscheidung des Ausschusses für den (mittlerweile aufgehobenen) § 48, zum anderen auf einer Bemerkung Drehers, dass die Verhältnisse ganz anders lägen als etwa bei der Sicherungsverwahrung, weil die Führungsaufsicht „weitestgehend als Hilfe in Freiheit gedacht" sei. Im heutigen Schrifttum wird, wenn auch in etwas unterschiedlichen Formulierungen, unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62) übereinstimmend darauf hingewiesen, dass jedenfalls die Gefahr geringfügiger Straftaten die Anordnung nicht rechtfertigt. 14 Auch der 2. Bericht (S. 35) spricht davon, die Führungsaufsicht solle nur bei „wirklich gefährlichen Tätern, nicht aber ... bei ,Gemeinlästigen' angeordnet werden können". Man wird in der Tat verlangen müssen, dass die Anordnung der Führungsaufsicht in einer angemessenen Relation zu den zu erwartenden Taten steht. Denn unbeschadet des Umstandes, dass die Maßregel unterschiedlich streng gehandhabt werden kann und muss (Rdn. 5 Vor § 68), sie bedeutet doch in jedem Fall eine erhebliche Belastung des Betroffenen. Auch die Höhenmarke, die Absatz 1 hinsichtlich der Anlasstaten voraussetzt, spricht dafür, eine gewisse Gewichtigkeit der zu erwartenden Taten zu verlangen. Aus diesen Gründen wird man durchaus zu verlangen haben, dass es sich bei den künftigen Straftaten um solche „von einiger Erheblichkeit" handelt. 15 Zu beachten ist allerdings, dass diese Wortwahl zumindest bei der bisherigen Fassung des Straftatkataloges nicht i.S.d. §§ 66a, 66b verstanden werden darf, wo für die Erheblichkeit der Straftat vorrangig darauf abgestellt wird, dass das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt wird. Denn diese Voraussetzung dürfte etwa bei Diebstahl, Hehlerei und Geldwäsche regelmäßig fern liegen (Neubacher NKrimP 2 0 0 5 29). Und auch „Erheblichkeit" i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 - die Vorschrift nennt auch Taten, durch die schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird - ist nicht zu fordern (Lackner/Kühl Rdn. 5). Sachgerecht erscheint es, die Grenze der Erheblichkeit für § 68 Abs. 1 regelmäßig erst bei Taten als überschritten anzusehen, bei denen nach ihrem objektiven Unrechtsgehalt Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten in Betracht kommt (Hanack LK 1 1 Rdn. 10). 3. Dass es sich um für die Allgemeinheit gefährliche Taten handelt (s. zu diesem Begriff § 63 Rdn. 70 ff, 97), verlangt das Gesetz nicht ausdrücklich. Der Fixierung des Täters auf Straftaten gegenüber einer einzelnen Person oder einer einzelnen Sache vorzubeugen, ist die Führungsaufsicht aber regelmäßig nicht geeignet, so dass hier meist schon das pflichtgemäße Ermessen (Rdn. 19) die Anordnung ausschließen dürfte.
11
4. Die Gefahr fahrlässiger Taten schließt nach dem Wortlaut des Gesetzes die Anordnung der Führungsaufsicht nicht aus. Da jedoch als Anlasstaten grundsätzlich nur vorsätzliche in Betracht kommen, wird man schon im Hinblick auf den erforderlichen Symptomcharakter der Anlasstaten (Rdn. 7) auch für die zu erwartenden Taten fahrlässige nicht genügen lassen. Es scheint, dass der Sonderausschuss das für selbstverständlich gehalten hat (vgl. Corves in der Antwort auf Güde, Prot. V, 2207).
12
14
Fischer Rdn. 5, 6; Lackner/Kühl Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; noch restriktiver (dazu im Folg.) Horn SK Rdn. 8; Streng Rdn. 326.
15
So Horn SK Rdn. 8; Streng Rdn. 326; aA Fischer Rdn. 5; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6.
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§68 13
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
5. Eine Gesamtwürdigung von Tat und Täter schreibt das Gesetz nicht ausdrücklich vor. Dies ist ein Mangel. Denn die Beurteilung der weiteren kriminellen Gefährlichkeit lässt sich nur anhand einer Prognose des Gerichts erstellen, die eine solche Gesamtwürdigung enthält. 16 Ohne eine Gesamtwürdigung kann der Richter im Übrigen sein pflichtgemäßes Ermessen (Rdn. 19) sachgerecht meist überhaupt nicht ausüben. Zu den Kriterien und Methoden der Prognose s. Rdn. 121 ff, 144 ff Vor § 61. Ist der Täter noch nicht vorbestraft, müssen schon sehr handfeste Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er nach seinem Zustand und seiner Persönlichkeit, dem Milieu, in dem er lebt, und nach dem Charakter der Anlasstat auch in Zukunft gefährlich sein wird. Bei rückfälligen Tätern hingegen wird sich die ungünstige Prognose vielfach aus Art und Gründen der Rückfälligkeit erschließen lassen. Doch bleibt auch hier zu beachten, dass die Rückfälligkeit ein sehr komplexes kriminologisches Phänomen darstellt und keinesfalls „automatisch" die weitere Gefährlichkeit des Täters indiziert. Die Feststellung der Prognose wird in vielen Fällen die Zuziehung eines Sachverständigen erfordern; vgl. dazu Rdn. 117 Vor § 61.
14
6. Die Frage nach dem Zeitpunkt der Prognose macht einige Schwierigkeiten, weil bei der Führungsaufsicht kraft Richterspruch nicht in gleichem Maße wie bei den stationären Maßregeln die Gewähr besteht, dass nach dem Strafvollzug überprüft wird, ob die Maßregel noch erforderlich ist. Es hat - jedenfalls nach dem Bild der veröffentlichten Gesetzesmaterialien - den Anschein, dass der Gesetzgeber die Spannungen, die sich insoweit namentlich aus § 68 Abs. 2 S. 2 (§ 68e Abs. 1 S. 2 a.F.) ergeben (Aufhebung der Führungsaufsicht nicht vor Ablauf der zweijährigen Mindestdauer), überhaupt nicht gesehen hat. a) Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Zeit der Entscheidung maßgebend, also die Gefährlichkeit im Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils. Dies entspricht ohne Zweifel auch dem Willen des Gesetzgebers. Denn er wollte die problematische Situation des früheren Rechts beseitigen, die den Richter schon bei Anordnung einer Maßregel auch zu der Prüfung verpflichtete, ob sie trotz eines u.U. längeren vorherigen Strafvollzugs später noch „erforderlich" sein würde, so genannte Interventionsprognose (näher Rdn. 159 Vor § 61). So nimmt denn auch die ganz herrschende Meinung an, dass es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der tatrichterlichen Urteilsfindung ankommt. 17
15
b) Die Frage ist nur, ob Ausnahmen vom Grundsatz anzuerkennen sind, eben weil die Führungsaufsicht gemäß § 68e Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 68c Abs. 1 mindestens zwei Jahre dauern muss, wobei die Zeit nicht eingerechnet wird, in der der Täter den Einwirkungen des Strafvollzugs ausgesetzt ist (vgl. § 68c Abs. 4 S. 2). Es lässt sich kaum vertreten, dass das erkennende Gericht die vermutlichen Wirkungen des Strafvollzugs unberücksichtigt lässt und Führungsaufsicht auch dann anordnet, wenn schon auf Grund dieser Wirkungen damit zu rechnen ist, dass der Täter nicht erneut straffällig wird. 18 Das wäre mit
16
Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 9; vgl. auch Horn SK Rdn. 8; aA Fischer Rdn. 5; weiterführend H. Schneider Grundlagen der Kriminalprognose, Diss. Mainz 1996; ders. StV 2 0 0 6 99; Bock Die Methode der idealtypisch-vergleichenden Einzelfallanalyse, in Dötting (1995), S. 1; Brettel StV 2 0 0 5 99.
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18
Fischer Rdn. 5; Lackner/Kühl Rdn. 4; Horn SK Rdn. 11; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; Groß MK Rdn. 9. So auch Sch/Schröder/Stree Rdn. 7, 8 (für Freiheitsstrafen unter zwei Jahren i.V.m. Führungsaufsicht).
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Voraussetzungen der Führungsaufsicht
§68
dem verfassungsrechtlichen und auch in § 62 normierten Übermaßverbot unvereinbar. Andererseits ist eine auf den Entlassungszeitpunkt bezogene Prognose des Tatgerichts tatsächlich eine „kaum zumutbare Aufgabe". 19 Zur Gewährleistung einer strikten Beachtung des Übermaßverbots unter Beibehaltung einer ausnahmslos auf den Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils bezogenen Gefährlichkeitsprognose bietet sich folgende Lösung an: Zum einen ist anzunehmen, dass die Zweijahres-Mindestfrist (§§ 68e Abs. 2 S. 2, 68c Abs. 1 S. 1) zwar in aller Regel sachgerecht ist, den Richter aber in dem Ausnahmefall nicht bindet, dass eine Strafrestaussetzung nur an der fehlenden Einwilligung eines Strafgefangenen mit günstiger Prognose scheitert (§ 57 Abs. 1 Nr. 3), für den dann auch die § 68g Abs. 2, 3 kein Ruhen und keine Beendigung der Führungsaufsicht herbeiführen können. In diesem Fall kann der Richter die Zweijahresfrist des § 68e Abs. 2 S. 2 unterschreiten, um einen Verstoß gegen das Übermaßverbot zu vermeiden (§ 68e Rdn. 15 bis 34). Zum anderen ist davon auszugehen, dass bei Vollverbüßern die Regelung des § 68f auch für die gemäß § 68 Abs. 1 richterlich angeordnete Führungsaufsicht gilt (vgl. § 68e Rdn. 15 i.V.m. § 68f Rdn. 9, 10). Denn § 68f Abs. 2 ermöglicht, dass eine unverhältnismäßige Führungsaufsicht nach dem Strafvollzug entfällt, die tatrichterliche Prognose also zugunsten des Betroffenen unter Berücksichtigung der Wirkungen des Strafvollzugs korrigiert wird. 20 Unter diesen Voraussetzungen geschieht dem Täter in keinem Falle Unrecht, wenn das erkennende Gericht die Prognose auf den Urteilszeitpunkt bezieht. Der hier vertretenen Ansicht stehen jedoch Stimmen aus der Rechtsprechung und dem Schrifttum gegenüber, nach denen bei gerichtlich angeordneter Führungsaufsicht § 68f Abs. 2 nicht anwendbar ist, der Vollverbüßer insoweit also stets nach § 68e Abs. 2 S. 2, nicht aber nach § 68f Abs. 2 zu behandeln ist. 21 Lässt man dann auch für die Mindestdauer der Führungsaufsicht (§§ 68c Abs. 1 S. 1, 68e Abs. 2 S. 2) außer § 68f Abs. 2 keine Ausnahme zu, 22 sind einzelne Verstöße gegen das Übermaßverbot nicht vermeidbar und es wird unmöglich, die Wirkungen des Strafvollzuges für die Entscheidung über die Verhängung der Führungsaufsicht zu berücksichtigen. Praktisch werden die dargelegten Probleme im Übrigen entscheidend dadurch abgemildert, dass die Anordnung der Führungsaufsicht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt (s. näher Rdn. 19 ff.). 7. Das Subsidiaritätsprinzip beansprucht trotz der erkennbar anderen Absicht des Reformgesetzgebers mit verfassungsrechtlicher Notwendigkeit Geltung stets schon bei der Entscheidung über die Anordnung einer Maßregel. 23 Das gilt auch für die Führungsaufsicht. Die Gegenauffassung dürfte bei § 68 Abs. 1 aber praktisch nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen. Denn sie muss annehmen, dass das Subsidiaritätsprinzip, weil es eine Aussetzung der Führungsaufsicht zur Bewährung nicht gibt, im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens besonders zu berücksichtigen ist. 24 Das Gericht darf also Führungsaufsicht jedenfalls nicht anordnen, wenn weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen, der Gefährlichkeit des Täters zu begegnen. Solche Möglichkeiten sind im Einzelfall insbesondere bei Jugendlichen durch jugend-
19
20
Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 11; aA insoweit Stree aaO (vor. Fn.). So auch AG Hamburg, MDR 1989 180; Horn SK Rdn. 12; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 10 ff; Sch/Schröder/Stree Rdn. 15.
21
22 23 24
OLG Hamm MDR 1983, 593; OLG Düsseldorf NStZ 1995, 34; Fischer % 68f Rdn. 6. So Fischer § 68f Rdn. 9. Hanack LK 11 Vor $ 61 Rdn. 58 ff. Fischer Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 9.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
richterliche oder sonstige jugendrechtliche Einwirkungsmöglichkeiten und in besonders gelagerten Fällen vielleicht sogar durch die schlichte elterliche Einwirkung denkbar (vgl. auch Rdn. 21). 17
8. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62) ist auch bei der Entscheidung über die gerichtliche Anordnung der Führungsaufsicht ernst zu nehmen, weil die Führungsaufsicht, unbeschadet der unterschiedlichen Möglichkeiten ihrer Ausgestaltung im Einzelfall, eine durchaus belastende Maßregel darstellt. Der Richter muss also prüfen, ob das Gewicht der begangenen und der zu erwartenden Taten sowie der Grad der Gefährlichkeit des Täters zu der Belastung, die mit der Anordnung verbunden ist, nicht außer Verhältnis steht. Dies ist bei der erforderlichen Gesamtabwägung (Rdn. 13) im Einzelfall etwa bei einer geringfügigen Anlasstat denkbar. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass die zu erwartenden weiteren Straftaten ein bestimmtes Gewicht haben müssen (Rdn. 10), kommt eine weitere Anwendung des § 62 aber wohl nur selten in Betracht. Im Übrigen ist der Richter dadurch, dass das Gesetz die Anordnung der Führungsaufsicht seinem pflichtgemäßen Ermessen überantwortet (Rdn. 19), hier insgesamt zu einer umfänglicheren Prüfung der Angemessenheit von Führungsaufsicht verpflichtet, als sie in den Maßstäben des S 62 („außer Verhältnis") zum Ausdruck kommt; dazu näher Rdn. 20.
18
9. In dubio pro reo. Hinsichtlich der Tatsachen, die für die Beurteilung der künftigen Gefährlichkeit des Täter bedeutsam sind, gilt der Grundsatz in dubio pro reo (s. näher Rdn. 50, 60 ff Vor § 61). IV. Fakultative Anordnung der Führungsaufsicht nach Absatz 1 und Verhältnis zur Strafe
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1. Das Gericht „kann" in den Fällen des Absatz 1 Führungsaufsicht anordnen. Die Anordnung wird damit in sein pflichtgemäßes Ermessen gestellt (allg. M.). Die Kann-Regelung ist ersichtlich in den veröffentlichten Beratungen zur Strafrechtsreform nie genauer begründet oder erörtert worden, obwohl Lange (Niederschriften Bd. 3, S. 238) gegen sie Bedenken äußerte. Man wird annehmen dürfen, dass die richterliche Ermessensausübung nicht nur den Zweck hat, dem Subsidiaritätsprinzip Geltung zu verschaffen (s. dazu Rdn. 16), sondern über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinaus (so wohl auch Tröndle/Fischer Rdn. 6) Unbilligkeiten und Härten ausgleichen soll, die sich bei einem obligatorischen Charakter der Maßregel aus ihren weit gefassten Anordnungsvoraussetzungen ergeben könnten. Zu eng ist, wie auch der folgende Text zeigt, aber jedenfalls die Ansicht, es bestehe im allgemeinen kein Grund, von der Anordnung der Führungsaufsicht abzusehen, falls nicht das Subsidiaritätsprinzip eingreife oder wegen einer Maßregelkonkurrenz § 72 zu beachten sei. 25
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2. Der Anwendungsbereich des pflichtgemäßen Ermessens betrifft mancherlei, sich z.T. überschneidende Gesichtspunkte und Probleme.
25
So Stree aaO (Fn. 20).
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Voraussetzungen der Führungsaufsicht
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a) Den Wahrscheinlichkeits- und Gefährlichkeitsgrad weiterer Straftaten wollen Tröndle/Fischer (Rdn. 6) dergestalt berücksichtigt wissen, dass das Gericht auf die Anordnung der Maßregel verzichten kann, wenn die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten nicht groß ist und die zu erwartenden Taten voraussichtlich unter der mittleren Kriminalität bleiben. Dies bedeutet in der Sache eine stärkere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. Rdn. 17), der jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen ist, schon weil die Führungsaufsicht auch nach der gesetzgeberischen Intention nur für „wirklich gefährliche Täter" (2. Bericht S. 35) gedacht ist. b) Die Gefahrabwendung durch mildere Maßnahmen (dazu schon Rdn. 16) besitzt 21 für das pflichtgemäße Ermessen besondere Bedeutung, weil es eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung nicht gibt und insbesondere weil sich hier doch recht häufig die Frage stellt, ob zur Abwehr der weiteren Gefährlichkeit des Täters nicht schon die sonstigen (und insoweit „milderen") Reaktionen auf seine Anlasstat, d.h. die Sanktionierung der Anlasstat durch Strafe und die sich im Rahmen des Vollzuges und der Vollstreckung ergebenden spezialpräventiven Möglichkeiten reichen oder bei entsprechender Ausgestaltung als weniger einschneidende Maßnahmen vorzuziehen sind. Das gilt, wie schon angedeutet (Rdn. 16), insbesondere bei Jugendlichen, bei denen die Führungsaufsicht ohne Zweifel eine besonders problematische und oft wenig jugendgemäße Einwirkung darstellt (s. Rdn. 28 Vor § 68). Es wird sich meist empfehlen, hier die weit gefächerten Möglichkeiten des Jugendrechts und des Jugendstrafrechts statt der Führungsaufsicht zur Gefahrabwendung auszunutzen, wie das in der Praxis ersichtlich in der Regel auch geschieht (s. Rdn. 2 a.E.). 26 c) Die mutmaßlichen Wirkungen des Vollzugs einer Freiheitsstrafe, die das Gericht zur Bewährung nicht aussetzt, braucht das Gericht zwar nach der hier vertretenen Ansicht bei der Gefährlichkeitsprognose nicht zu berücksichtigen (Rdn. 14 f). Die Frage kann aber dennoch bei der richterlichen Ermessensausübung von Bedeutung sein. Denn wenn eine günstige Wirkung des Vollzugs nahe liegt, mindestens also der Grad der Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten gemindert wird, kann es schon nach dem Erforderlichkeitsgrundsatz angezeigt sein, die belastende Maßregel überhaupt nicht auszusprechen (vgl. auch Tröndle/Fischer Rdn. 6: „je nach der Persönlichkeit des Verurteilten").
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d) Besondere Probleme entstehen, wenn schon im Urteil Strafaussetzung zur BeWährung angeordnet wird oder ihre Anordnung in Frage steht, wie das im Einzelfall durchaus denkbar ist und vom Gesetz auch vorausgesetzt wird (§ 68g; s. dort Rdn. 11).
23
Der Richter wird in solchen Fällen jeweils nicht nur sehr sorgfältig zu prüfen haben, ob überhaupt die materiellen Voraussetzungen der Führungsaufsicht vorliegen. Zu prüfen hat er insbesondere auch, ob der Gefahr weiterer Straftaten nicht schon durch die Einwirkungsmöglichkeiten der Strafaussetzung (§§ 56c-56e) hinreichend oder vermutlich hinreichend begegnet wird. Zu prüfen hat er freilich auch, ob nicht gerade im Hinblick auf die Möglichkeit einer Einwirkung durch die speziellen Mittel der Führungsaufsicht eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, bei der ohne die Führungsaufsicht Strafaussetzung nicht zu vertreten wäre (s. dazu näher § 68g Rdn. 11).
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Albrecbt, Jugendstrafrecht, § 15 Β Ile; Eisenberg ]GG, § 7 Rdn. 32.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
e) Aussichtslosigkeit der Führungsaufsicht ist regelmäßig kein Grund, sie nicht anzuordnen, schon weil die Überwachungsfunktion immerhin die Möglichkeit bietet, kriminelle Aktivitäten mindestens zu behindern. 27 f) Darüber, dass eine Abkürzung der Höchstfrist für die Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 1 S. 2) die Anordnung der Führungsaufsicht nicht erleichtert, s. § 68c Rdn. 9.
25
3. Das Verhältnis zur Strafe bestimmt sich - unbeschadet der genannten Besonderheiten (Rdn. 22 f) - nach den traditionellen Konsequenzen der Zweispurigkeit (Rdn. 21 ff, 83 ff Vor § 61), d.h.: die Überschreitung einer der Schuld angemessenen Strafe lässt sich nicht mit dem Verzicht auf eine - an sich gebotene - Anordnung der Führungsaufsicht begründen; und umgekehrt gestattet die Anordnung der Führungsaufsicht für sich allein nicht die Unterschreitung der angemessenen Strafe.
V. Folgewirkungen, Beginn und Dauer 26
Sie sind - für die Führungsaufsicht kraft Richterspruchs wie kraft Gesetzes - in den §§ 6 8 a - 6 8 g geregelt und werden in den dortigen Erl. behandelt.
VI. Konkurrenz mit anderen Maßregeln Beim Zusammentreffen der Voraussetzungen des Absatzes 1 mit anderen Maßregeln gilt § 72; auf die dort Erl. wird verwiesen. Zur Konkurrenz zwischen der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs und der Führungsaufsicht kraft Gesetzes s. Rdn. 15, § 68f Rdn. 9 f und § 68g Rdn. 2.
VII. Verfahrensrechtliches zu Absatz 1 27
1. Die Anordnung der Führungsaufsicht erfolgt - zugleich mit der Verhängung der Freiheitsstrafe - im Urteil (§ 2 6 0 StPO).
28
2. Entscheidungen zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht (§§ 6 8 a - 6 8 d ) trifft das erkennende Gericht durch besonderen Beschluss, der zusammen mit dem Urteil zu verkünden ist (§ 2 6 8 a Abs. 2 StPO). Das erkennende Gericht kann sich jedoch auf die Anordnung der Führungsaufsicht beschränken und ihre Ausgestaltung nachträglichen Entscheidungen (§ 68d) im Vollstreckungsverfahren überlassen (OLG Hamm NStZ 1982 2 6 0 LS). Hat der Verurteilte zunächst Freiheitsstrafe zu verbüßen, ist eine solche Zurückstellung meistens sogar angezeigt, damit die Vollstreckungskammer die Anordnungen von vornherein den Verhältnissen und dem Zustand des Täters bei der Entlassung aus dem Vollzug anpassen kann. 2 8 Es kann sich allerdings gerade aufgrund der in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse auch empfehlen, eine einzelne Anordnung sogleich zu treffen, z.B. eine
27 28
Horn SK Rdn. 9; Groß MK Rdn. 14. Lackner/Kühl Rdn. 8; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10.
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Voraussetzungen der Führungsaufsicht
§68
der Kriminalität entgegenwirkende Weisung gemäß § 68b. - Zurückgestellt werden sollte auch die Bestellung eines Bewährungshelfers, da für seine Tätigkeit in der Zeit, in der sich der Verurteilte im Strafvollzug befindet, wegen des Ruhens der Führungsaufsicht (§ 68e Abs. 1 Satz 2) kein Bedürfnis besteht (näher § 68e Rdn. 5). 3. Hinweispflicht gemäß § 265 StPO besteht, wenn die Möglichkeit der Anordnung von Führungsaufsicht in der zugelassenen Anklage nicht genannt ist.
29
4. Rechtsmittel können auf die Anordnung der Führungsaufsicht beschränkt werden, soweit sich die Anordnung von der Schuld- und Straffrage trennen lässt; das ist bei der Schuldfrage durchaus denkbar, bei der Straffrage hingegen kaum je anzunehmen (vgl. Hanack in Löwe-Rosenberg § 344 Rdn. 56). Es gilt das Verbot der reformatio in peius.
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5. Das Verbot der reformatio in peius (s. Rdn. 132 ff Vor § 61 ) gilt auch bei der Führungsaufsicht.
31
Vm. Übergangsrecht Recht des Einigungsvertrages. Für Taten, die vor dem 1.1.1975 begangen worden sind, darf (auch in der „alten" Bundesrepublik) Führungsaufsicht nach Absatz 1 nicht angeordnet werden (Art. 303 Abs. 1 EGStGB). Gleiches gilt für Taten auf dem Gebiet der damaligen DDR vor dem 3.10.1990 (Art. 315 Abs. 1 S. 2 EGStGB).
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IX. Zur Führungsaufsicht kraft Gesetzes (Absatz 2) 1. Nur klarstellenden Charakter hat, wie schon eingangs bemerkt, der aufzählende Hinweis des Absatz 2. Dies ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte (Begr. ζ. E 1962, S. 220; 2. Bericht S. 35). Entgegen Sch/Schröder/Stree (Rdn. 15) gilt nichts anderes auch für die praktisch wichtige Frage des Verhältnisses zwischen der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs und der Führungsaufsicht kraft Gesetzes bei den „Vollverbüßem" des § 68f. Denn so richtig es ist, hier im Konkurrenzfalle den Vorrang des § 68f mit der Folge zu bejahen, dass die Beschränkung des § 68e Abs. 2 S. 2 über die Aufhebung der Führungsaufsicht vor Ablauf der zweijährigen Mindestdauer nicht gilt: Dies folgt nicht aus der Klausel, dass die Führungsaufsicht kraft Gesetzes „unberührt" bleibt, sondern aus tiefer greifenden Sachgründen; s. dazu näher § 68f Rdn. 9 f (streitig). 2. Die einzelnen Fälle der Führungsaufsicht kraft Gesetzes (dazu näher Rdn. 9 Vor § 68) betreffen recht unterschiedliche Tätergruppen, erfassen aber auch in sich Täter von sehr verschiedener Art, von sehr verschiedener Gefährdung und Gefährlichkeit. So ergibt sich, insbesondere im Zwiespalt zwischen Stützung und Überwachung (Rdn. 3 f Vor § 68), die Pflicht zur differenzierten Handhabung der Führungsaufsicht als geradezu roter Faden (Rdn. 5 Vor § 68). 3. Zum Eintritt der Führungsaufsicht kraft Gesetzes s. § 68c Rdn. 29. 4. Ihre Behandlung im Einzelnen richtet sich nach den §§ 68a-68g.
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§ 68a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
§ 68a Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe, forensische Ambulanz (1) Die verurteilte Person untersteht einer Aufsichtsstelle; das Gericht bestellt ihr für die Dauer der Führungsaufsicht eine Bewährungshelferin oder einen Bewährungshelfer. (2) Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer und die Aufsichtsstelle stehen im Einvernehmen miteinander der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite. (3) Die Aufsichtsstelle überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht und mit Unterstützung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers das Verhalten der verurteilten Person und die Erfüllung der Weisungen. (4) Besteht zwischen der Aufsichtsstelle und der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer in Fragen, welche die Hilfe für den Verurteilten und seine Betreuung berühren, kein Einvernehmen, so entscheidet das Gericht. (5) Das Gericht kann der Aufsichtsstelle und der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer für ihre Tätigkeit Anweisungen erteilen. (6) Vor Stellung eines Antrages nach § 145a Satz 2 hört die Aufsichtsstelle die Bewährungshelferin oder den Bewährungshelfer; Absatz 4 ist nicht anzuwenden. (7) Wird eine Weisung nach § 68b Abs. 2 Satz 2 und 3 erteilt, steht im Einvernehmen mit den in Absatz 2 Genannten auch die forensische Ambulanz der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite. Im Übrigen gelten die Absätze 3 und 6, soweit sie die Stellung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers betreffen, auch für die forensische Ambulanz. (8) Die in Absatz 1 Genannten und die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanz haben fremde Geheimnisse, die ihnen im Rahmen des durch § 203 geschützten Verhältnisses anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, einander zu offenbaren, soweit dies notwendig ist, um der verurteilten Person zu helfen, nicht wieder straffällig zu werden. Darüber hinaus haben die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanz solche Geheimnisse gegenüber der Aufsichtsstelle und dem Gericht zu offenbaren, soweit aus ihrer Sicht 1. dies notwendig ist, um zu überwachen, ob die verurteilte Person einer Vorstellungsweisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 nachkommt oder im Rahmen einer Weisung nach § 68b Abs. 2 Satz 2 und 3 an einer Behandlung teilnimmt, 2. das Verhalten oder der Zustand der verurteilten Person Maßnahmen nach § 67g, § 67h oder § 68c Abs. 2 oder Abs. 3 erforderlich erscheinen lässt oder 3. dies zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter erforderlich ist. In den Fällen der Sätze 1 und 2 Nr. 2 und 3 dürfen Tatsachen im Sinne von § 203, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der forensischen Ambulanz offenbart wurden, nur zu den dort genannten Zwecken verwendet werden. Schrifttum s. die Angaben bei den Vorb. Vor § 68.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht auf das 2. StrRG zurück, hat ihre bis zum April 2007 geltende Fassung aber erst durch Art. 18 Nr. 31 EGStGB erhalten (vgl. auch Rdn. 1). Sie ist in der 834
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Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe, forensische Ambulanz
§ 68a
jüngsten Reform um die Absätze 7 und 8 ergänzt worden. Weitere Änderungen verleihen nur der Bemühung um eine geschlechtergerechte Sprache Ausdruck, ohne inhaltliche Änderungen zu bezwecken.
Übersiebt Rdn. I. Allgemeines 1. Bedeutung, Entwicklung und Problematik 2. Landesrechtliche Bestimmungen . . 3. Geltungsbereich 4. Pflicht zur Kooperation und zu elastischer Handhabung 5. Relation zwischen Überwachung und Betreuung im Allgemeinen Π. Die Aufsichtsstellen 1. Zwingende Unterstellung 2. Einrichtung 3. Aufgaben 4. Örtliche Zuständigkeit
Rdn. ΙΠ. Der Bewährungshelfer 1. Zwingende Bestellung 2 . Hilfe und Betreuung 3. Unterstützung der Überwachungstätigkeit
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IV. Das Gericht
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V. Die forensische Ambulanz
7 7a 8 16
17 18
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VI. Offenbarungspflichten
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ΥΠ. Der Strafantrag nach § 145a
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I. Allgemeines 1. Bedeutung, Entwicklung und Problematik. Die Vorschrift behandelt die Organe, die für die Durchführung der Führungsaufsicht verantwortlich sind. Sie regelt ihren Aufgabenbereich und ihr Verhältnis zueinander. M i t der Regelung der Aufgabenbereiche werden zugleich die spezifischen Einwirkungsmechanismen des Instituts - neben und im Zusammenhang mit den Weisungen des § 6 8 b - charakterisiert und umschrieben.
1
Die Vorschrift war bei den Gesetzesberatungen bis zuletzt umstritten. Ihre geltende Fassung durch das E G S t G B (dazu Bericht z. EGStGB, BTDrucks. 7/1261 S. 8; Prot. VII, 6 3 0 ff) berücksichtigt Bedenken, die gegen die Kompliziertheit der Regelung und die sich überschneidenden Aufgabenbereiche der beteiligten Instanzen vorgebracht worden waren, hat die insoweit bestehenden Probleme aber nicht im Kern beseitigen können (vgl. Rdn. 2 5 ff Vor § 68). Problematisch bleibt einmal die Institution der Aufsichtsstelle. Bedenklich erscheint namentlich ihre starke Ausrichtung an der Überwachungsfunktion, die - vor allem im Zusammenhang mit der Befugnis, zum Zwecke der Überwachung die Polizei einzuschalten (näher Rdn. 9) - bei bestimmten Tätergruppen Störungen im Resozialisierungsvorgang fördern könnte. Problematisch ist zum anderen das komplizierte Verhältnis der verschiedenen beteiligten Organe zueinander. Es eröffnet die Gefahr von behördlichem Leerlauf und insbesondere die Gefahr von Kompetenzkonflikten namentlich zwischen der mehr überwachenden Funktion der Aufsichtsstelle und der spezifisch resozialisierenden Tätigkeit des Bewährungshelfers, da beide Aufgabenbereiche bedenklich ineinander greifen. 1 Die Bedenken, die seitens der Bewährungshelfer unter den verschiedensten Gesichtspunkten
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Mainz NStZ 1987 541; Schock NStZ 1992 371; vgl. auch Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 12.
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gegen die ihnen hier übertragene Aufgabe zu früheren Entwürfen bzw. Gesetzesfassungen geäußert worden sind, 2 haben sich in der Realität der Führungsaufsicht ersichtlich in starkem Maße bestätigt (Rdn. 10; vgl. auch Rdn. 27 Vor § 68). 3
2. Landesrechtliche Bestimmungen. Zu beachten ist, dass die Bundesländer im Rahmen ihrer Bestimmungen über die Aufsichtsstelle (vgl. Rdn. 7) zum Teil unterschiedliche Regelungen insbesondere hinsichtlich der Abgrenzung zum Aufgabenbereich des Bewährungshelfers getroffen haben (dazu im Einzelnen Block, S. 198 ff).
4
3. Geltungsbereich. § 68a gilt für alle Fälle der Führungsaufsicht, also insbesondere auch für die verschiedenen Gruppen der Führungsaufsicht kraft Gesetzes.
5
4. Pflicht zur Kooperation und zu elastischer Handhabung. Das komplizierte Gefüge des § 68a kann, zumal angesichts der so verschiedenartigen Personengruppen, die von der Führungsaufsicht erfasst werden (Rdn. 7 ff Vor § 68), nur funktionieren, wenn die beteiligten Organe über die gesetzlich umschriebenen Verpflichtungen hinaus vertrauensvoll und unbürokratisch zusammenarbeiten.3 Dies gilt vor allem, weil die Festlegung der Kompetenzen z.T. recht vage ist und, insbesondere beim Bewährungshelfer, ohne Zweifel schwierige Zielkonflikte im Nebeneinander von helfender Betreuung („Resozialisierung") und überwachender Einwirkung („Sicherung") aufwerfen kann oder muss. Neben dieser Pflicht zur Kooperation muss als geradezu zentraler Grundsatz (vgl. Rdn. 5 Vor § 68) die Verpflichtung aller beteiligten Organe gelten, die verschiedenen Einwirkungsmöglichkeiten dem Einzelfall anzupassen, also elastisch zu handhaben. Auch diese Verpflichtung ergibt sich speziell aus dem Umstand, dass die Führungsaufsicht sehr unterschiedliche Tätergruppen erfasst und von daher recht verschiedene Funktionen zu erfüllen hat.
6
5. Relation zwischen Überwachung und Betreuung im Allgemeinen. § 68a regelt das faktisch unauflösliche Spannungsverhältnis zwischen Überwachung („Sicherung") und helfender Betreuung („Resozialisierung"), das die Führungsaufsicht in so charakteristischer und problematischer Weise durchzieht (Rdn. 4 Vor § 68), ohne die der Aufsichtsstelle und die dem Bewährungshelfer übertragenen Aufgaben klar zu trennen. 4 Das Spannungsverhältnis wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass die Überwachung der Resozialisierung dienen kann und umgekehrt. Erkennbar ist aber zum einen das Bestreben des Gesetzes, die spezifische Überwachungstätigkeit vornehmlich der Aufsichtsstelle zuzuweisen und den Bewährungshelfer von dieser Aufgabe möglichst zu entlasten, damit er die nötige Bewegungsfreiheit für seine Resozialisierungsarbeit gewinnt; vgl. dazu näher Rdn. 11 f. Dieses Bestreben kommt auch in der Reihenfolge zum Ausdruck, in der das Gesetz die verschiedenen beteiligten Instanzen bei der Betreuungsaufgabe (Absatz 2) und der Überwachungsaufgabe (Absatz 3) nennt; es folgt ferner - undeutlich - aus den unterschiedlichen Formulierungen zur Kennzeichnung der Verknüpfungen in der Tätigkeit jedes Organs.
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3
Vgl. zu diesen Äußerungen, die nicht immer in völliger Ablehnung bestehen, zusammenfassend Raabe S. 50 ff, 64 ff m.w.N. Nach Maelicke NKrimP 2 0 0 4 75 ist allerdings in der Praxis „eine positive inhaltliche Kooperation ... nicht wahrnehmbar";
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Neubacher BewH 2 0 0 4 75 f führt die Kooperationsprobleme als Element eines „Mängelprofils der Führungsaufsicht" an, zurückhaltender Neubacher NKrimP 2 0 0 5 30. Groß MK Rdn. 15; Lackner/Kühl Rdn. 1.
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Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe, forensische Ambulanz
§ 68a
Erkennbar ist zum anderen im Gesetz die Tendenz einer gewissen Vorrangstellung der helfenden Betreuung.5 Dies spiegelt sich wohl schon in Absatz 4 wider, der eine Entscheidungskompetenz des Gerichts bei fehlendem Einvernehmen zwischen Aufsichtsstelle und Bewährungshelfern nur bei der Betreuung und Hilfe, nicht aber bei der Überwachung kennt. Vor allem aber kommt die Tendenz in der Reihenfolge der Absätze 2 und 3 zum Ausdruck, die deutlich machen soll, dass „die Aufgaben der Hilfe und Betreuung ... für beide Vorrang" haben (BTDrucks. 7/1261 S. 8). In Zweifelsfällen bedeutet dies eine gewisse Richtlinie. Π. Die Aufsichtsstellen 6 1. Zwingende Unterstellung. Während der Führungsaufsicht untersteht der Verurteilte 7 kraft Gesetzes zwingend einer Aufsichtsstelle. Die Unterstellung tritt in den Fällen des § 68 Abs. 1 mit Rechtskraft, in den Fällen des § 68 Abs. 2 mit dem die Führungsaufsicht auslösenden Akt ein (näher § 68c Rdn. 12 und 15). 2. Einrichtung. Die Aufsichtsstellen gehören nach Art. 295 Abs. 1 EGStGB zum Ge- 7 a schäftsbereich der Landesjustizverwaltungen. Bei welchen Justizbehörden sie einzurichten sind, bleibt den einzelnen Ländern ebenso überlassen wie die Bestimmung ihrer Zahl. Die meisten Bundesländer haben Organisation und Geschäftsgang der Aufsichtsstelle, z.T. zusammen mit der Bewährungshilfe oder/und der Gerichtshilfe, durch AV geregelt (näher dazu Block S. 198 ff). Die Regelungen sind nach dem jeweils neuesten Stand aufgeführt in der Sammlung Schönfelder Deutsche Gesetze, Fußn. bei § 68a. Kompetenzkonflikte zwischen verschiedenen Aufsichtsstellen sind nicht analog §§ 4, 19 StPO, sondern im Rahmen der Dienstaufsicht zu lösen (OLG Zweibrücken NStZ 2002 279). Nach Art. 295 Abs. 2 EGStGB werden die Aufgaben der Aufsichtsstelle von Beamten des höheren Dienstes, von staatlich anerkannten Sozialarbeitern oder Sozialpädagogen (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB) oder von Beamten des gehobenen Dienstes wahrgenommen. Auch hier sind die Länder in den Einzelheiten frei. Vorgeschrieben ist lediglich, dass der Leiter der Aufsichtsstelle die Befähigung zum Richteramt besitzen oder Beamter des höheren Dienstes sein muss; Leiter kann aber auch ein Richter sein. 3. Aufgaben. Aufgaben der Aufsichtsstelle sind die Überwachung des Verurteilten 8 (Absatz 3) sowie Hilfe und Betreuung (Absatz 2). Vorrangig ist auch für die Aufsichtsstelle nicht die Überwachungs- sondern die Betreuungsfunktion.7 Zwar kommt der Aufsichtsstelle und nicht dem Bewährungshelfer, der sie gemäß Abs. 3 insoweit nur unterstützt, die Verantwortung für die Überwachung zu.8 Daraus folgt aber nicht, dass für die Aufsichtsstelle die Gewährleistung von Hilfe und Betreuung allgemein sekundär ist (s. auch Rdn. 6). a) Die Überwachung. Sie bezieht sich nach Absatz 3 einmal auf das Verhalten des 8 a Verurteilten, geht insoweit also über die Regelung des § 56d Abs. 3 hinaus. Zweck dieser Überwachung, zugleich aber auch ihre Grenze (Groß MK Rdn. 11), ist es, gefährliche
5
6
So auch Frebsee/Ostendorf Rdn. 7; Sch/Schröder/Stree Rdn. 7; Fischer Rdn. 5. Eingehend zu ihrer Ausgestaltung und Arbeitsweise in der Praxis Kurze S. 459 ff.
7
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Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 7; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 7; aA Hanack LK 1 1 Rdn. 13. Groß MK Rdn. 10, vgl. auch Scb/Schröder/ Stree Rdn. 6.
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Entwicklungen des Verurteilten rechtzeitig festzustellen und ihnen erforderlichenfalls entgegenzuwirken (Sch/Schröder/Stree Rdn. 5). Über die Mittel der Feststellung s. Rdn. 9. Die Möglichkeiten der Abhilfe sind vielschichtig. Sie beginnen beim persönlichen Gespräch, eventuell unter Zuhilfenahme des Bewährungshelfers, und enden bei der Unterbreitung festgestellter Gefahren gegenüber dem Gericht, um diesem die Grundlage für notwendige Anordnungen, insbesondere Weisungen gemäß § 68b, zu geben. Zum anderen bezieht sich die Überwachung auf die Erfüllung der Weisungen (Absatz 3). Gemeint sind damit die vom Gericht gemäß § 68b ausgesprochenen Gebote oder Verbote. Da diese meist speziell dazu dienen, den Anreiz zu weiteren Straftaten durch den gefährlichen Täter zu mindern, ist ihre Überwachung praktisch besonders bedeutsam. Überwachung bedeutet nicht nur Kontrolle im Hinblick auf die Möglichkeit, einen Strafantrag (dazu Rdn. 23) zu stellen, sondern auch Ermahnung, Abmahnung und Hilfe. 9
b) Die Mittel der Überwachung werden in § 4 6 3 a Abs. 1 bis 3 StPO genannt. Die Aufsichtsstellen können danach von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und Ermittlungen jeder Art, mit Ausschluss eidlicher Vernehmungen, entweder selbst vornehmen oder durch andere Behörden im Rahmen von deren Zuständigkeit vornehmen lassen. Der Leiter der Aufsichtsstelle kann seit der jüngsten Reform der Führungsaufsicht, wenn der Aufenthalt der verurteilten Person nicht bekannt ist, deren Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung gemäß ξ 131a StPO anordnen (§ 4 6 3 a Abs. 1 Satz 2 StPO) und, wenn die verurteilte Person Weisungen nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 oder Nr. 11 nicht nachkommt, beim Gericht den Erlass eines Vorführungsbefehls beantragen (§ 463a Abs. 3 Satz 1 StPO). Die Aufsichtsstellen haben auch das Recht auf Auskunft gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG. Bei der Polizeilichen Beobachtung (§ 4 6 3 a Abs. 2 i.d.F. des OrgKG) wird der Betroffene von der Anordnung vielfach vorweg unterrichtet werden können (vgl. BTDrucks. 12/989, S. 45). Näheres zu den verfahrensrechtlichen Einzelheiten in den Kommentaren zur StPO, § 4 6 3 a . Die Einschaltung anderer Behörden sollte so zurückhaltend erfolgen, dass die Resozialisierung nicht gefährdet wird. Das gilt insbesondere für die Einschaltung der Polizei, die anerkanntermaßen einen der neuralgischen Punkte der Führungsaufsicht kennzeichnet und auch den Gesetzgeber stark beschäftigt hat. Dass die Einschaltung der Polizei Probleme birgt, ist oft ausgesprochen worden. 9 Die Probleme - die nichts mit einer Diskriminierung der Polizei zu tun haben - ergeben sich aus der Sache, insbesondere den Ressentiments des Verurteilten, den Assoziationen, die für ihn mit der Polizei verbunden sind, aber u.U. auch einer „merkwürdigen Kameraderie" (Sieverts) zwischen dem langjährigen Kriminellen und den Beamten.
10
c) Im Einvernehmen mit dem Gericht muss die Überwachung erfolgen. Dies ist nicht dergestalt zu verstehen, dass die Aufsichtsstelle jede einzelne Maßnahme nur nach Absprache mit dem Gericht treffen könnte. Gemeint ist vielmehr, dass sich die Aufsichtsstelle nicht in Widerspruch zu den Anordnungen und Behandlungstendenzen des Gerichts, also zu dessen grundsätzlicher „Marschrichtung" setzen darf (Mainz NStZ 1987 543; vgl. auch Rdn. 22). Es geht im Wesentlichen um die Zustimmung des Gerichts
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Vgl. z.B. Sieverts Niederschriften 3. Bd., S. 162, 2 3 7 und dazu Eb. Schmidt, Jescbeck, Bockelmann, ebenda S. 237, 2 3 9 ; zusammen
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fassend Raabe S. 55, 64 m.w.N.; vgl. ferner Freb see/O Stendorf NK Rdn. 18.
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bei bestimmten schwer wiegenden Kontrollmaßnahmen und um die Information über außergewöhnliche Entwicklungen (so auch Horn SK Rdn. 4). Im Übrigen aber ist die Aufsichtsstelle bei der Erfüllung ihrer spezifischen Überwachungsaufgabe frei. d) Mit Unterstützung des Bewährungshelfers hat die Überwachung zu erfolgen (Absatz 3). Diese wichtige Klausel ist bedauerlich unklar.
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Gemeint ist nach dem Inhalt der Gesetzberatungen (Prot. V, 2204 ff; VII, 630 ff) ersichtlich nichts anderes als die gegenseitige Pflicht von Aufsichtsstelle und Bewährungshelfer zur angemessenen Kooperation, damit es nicht zum Gegeneinander beider Organe kommt und die Aufsichtsstelle „in diesen Fragen nichts ohne oder gegen den Willen des Bewährungshelfers unternehmen kann" (BTDrucks. 7/1261 S. 8). Jedenfalls sollten nach dem Willen des Gesetzgebers die repressiven Funktionen mehr der Aufsichtsstelle als dem Bewährungshelfer zugedacht sein (2. Bericht S. 35). Der Bewährungshelfer soll dadurch in den Stand gesetzt werden, sich mehr auf die helfende und betreuende Tätigkeit zu konzentrieren. Dass er möglichst nicht mit repressiven Aufgaben belastet wird, war ein klares Anliegen des Gesetzgebers (vgl. auch Prot. VII, 630) und entspricht - in etwas unterschiedlicher Akzentuierung - im Ergebnis der allgemeinen Meinung.10 Die Praxis hat sich von diesem Anliegen ersichtlich weit entfernt, weil die Aufsichtsstelle in vielen Ländern fast nur Verwaltungsaufgaben erledigt und der Bewährungshelfer sowohl die Überwachungs- als auch die Betreuungsaufgaben erfüllt.11 Nicht gewollt ist jedenfalls, dass sich die Aufsichtsstelle für die Erfüllung der spezifisehen Überwachungsfunktionen des Bewährungshelfers als des ausführenden Organs bedient.12 Der Bewährungshelfer hat eine Aufgabe, die sich zwar mit den Überwachungspflichten berührt, im Schwerpunkt aber an der Resozialisierung ausgerichtet ist. Den Zielkonflikten, die dabei für den Bewährungshelfer entstehen können (Rdn. 20 f), hat die Aufsichtsstelle im Übrigen tunlich Rechnung zu tragen.
12
Danach dürfte zu verlangen sein, dass sie die Überwachungsmaßnahmen soweit wie möglich mit dem Bewährungshelfer abstimmt, ihm mindestens aber mitteilt, damit dessen Resozialisierungsarbeit nicht unnötig beeinträchtigt wird (übereinstimmend Sch/ Schröder/Stree Rdn. 6). Im Übrigen bleibt die Aufsichtsstelle in ihrer Entscheidungsfreiheit auch vom Bewährungshelfer unabhängig, soweit es um die Überwachungsaufgaben geht.13 Dies ergibt sich klar schon aus Absatz 4, wonach es in Fällen des fehlenden Einvernehmens, anders als bei der Hilfe und Betreuung, nicht der Entscheidung des Gerichts bedarf. Unbenommen bleibt es dem Bewährungshelfer freilich, sich an das Gericht zu wenden, das der Aufsichtsstelle dann gegebenenfalls Anweisungen (Absatz 5) erteilten kann (Sch/Schröder/Stree Rdn. 6). Die Anrufung des Gerichts kann, wenn der Bewährungshelfer die Haltung der Aufsichtsstelle im Interesse des Verurteilten nicht für vertretbar hält, für ihn sogar geboten sein (ähnlich Tröndle/Fischer Rdn. 6: „soll" Entscheidung verlangen).
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Z.B. Fischer Rdn. 6; auch Horn SK Rdn. 4; Lackner/Kühl Rdn. 1; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 9; Lenckner S. 2 2 2 ; Mainz NStZ 1987 542; vgl. auch Antons BewH 1992 2 8 4 f. OLG Stuttgart 1990 2 7 9 ; Fischer Rdn. 7;
12 13
näher Neubacher NKrimP 2 0 0 5 30; vgl. auch Maelicke NKrimP 2 0 0 4 75. Frehsee/Ostendorf Rdn. 17; Horn SK Rdn. 4. Vgl. Groß MK Rdn. 10; Lackner/Kühl Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6.
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Eine Anweisungsbefugnis der Aufsichtsstelle gegenüber dem Bewährungshelfer besteht nicht.14 14
e) Hülfe und Betreuung. Neben der Überwachungspflicht obliegt der Aufsichtsstelle auch die Aufgabe, der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite zu stehen, und zwar im Einvernehmen mit dem Bewährungshelfer (Absatz 2). Hilfe und Betreuung sind dabei die vorrangigen Aufgaben auch für die Aufsichtsstelle (Rdn. 8). In Betracht kommen für die Hilfs- und Betreuungsfunktion besonders Bereiche, in denen die Aufsichtsstelle nach ihrer personellen Besetzung (Rdn. 7) oder ihrer Ausstattung Besseres leisten kann als der Bewährungshelfer (Sch/Schröder/Stree Rdn. 7 nennt als Beispiele unter anderem die Vermittlung von Arbeitsplätzen, therapeutischer Behandlungen und von Heimplätzen sowie die Regelung finanzieller Verpflichtungen). Dass die Praxis dem in der Regel nicht gerecht werden kann, wird vielfach beklagt.15 Das Einvernehmen beider Instanzen ist erforderlich, damit problematische Doppelbetreuungen vermieden werden (Sch/Schröder/Stree aaO). Das Gesetz schätzt dieses Einvernehmen hier so hoch ein, dass es - anders als bei der Überwachung - im Falle nicht herstellbaren Einvernehmens die Entscheidungskompetenz des Gerichts vorsieht (Absatz 4), was, wie bemerkt (Rdn. 5), auch als Zeichen für den Vorrang des Besserungsbemühens zu werten ist. Näher zum Einvernehmen Rdn. 10 ff.
15
f) Koordinierende Funktion. Insgesamt ergibt sich aus dem Aufgabenbereich der Aufsichtsstelle im Rahmen der Absätze 2 und 3 in starkem Maße auch die Aufgabe der Koordinierung.16
16
4. Örtliche Zuständigkeit. Örtlich zuständig ist nach § 463a Abs. 4 StPO (§ 463a Abs. 3 StPO a.F.) in erster Linie die Aufsichtsstelle, in deren Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz hat. Hat er einen solchen Wohnsitz nicht, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort, hilfsweise nach dem letzten Wohnsitz oder dem letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort.
ΙΠ. Der Bewährungshelfer 17
1. Zwingende Bestellung. Für die Dauer der Führungsaufsicht (dazu § 68c Rdn. 2 f) wird dem Verurteilten vom Gericht ein Bewährungshelfer bestellt (Absatz 1 Halbs. 2). Die Bestellung ist zwingend, darf also nicht unterbleiben oder (s. § 68d Rdn. 8) isoliert aufgehoben werden. Man wird jedoch annehmen dürfen, dass sie im Einzelfall bis zur Vorbereitung der Entlassung zurückgestellt werden kann, solange der Verurteilte Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, weil während der Dauer des Vollzugs die Führungsaufsicht ruht (§ 463e Abs. 1 Satz 2 n.F.). Die Bestellung eines Bewährungshelfers, der zugleich bei der zum Vormund (Betreuer) bestellten Behörde tätig ist, ist in der Regel nicht gesetzeswidrig (BGH NStZ 1982 132). Zuständig für die Bestellung ist in den Fällen des § 68 Abs. 1 das erkennende Gericht, das durch besonderen Beschluss entscheidet (§ 268a Abs. 2 StPO). Stellt es die Entscheidung zurück, ist regelmäßig die Strafvollstreckungskammer zuständig; Entsprechendes gilt für die Fälle der Führungsaufsicht kraft Gesetzes (näher § 463 Abs. 1 u. 6 i.V.m. §§ 453, 462a StPO).
14 15
Prot. VII, 631; Lackner/Kühl Rdn. 8. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 7; Maelicke NKrimP 2 0 0 4 75.
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2. Bericht S. 53; Prot. V, 2 2 0 4 ; Groß MK Rdn. 18; Lackner/Kühl Rdn. 7.
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Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe, forensische Ambulanz
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Die Auswahl des geeigneten Bewährungshelfers ist so wichtig, dass das Gericht die Entscheidung selbst zu treffen und dafür früh genug Informationen zu beschaffen hat; gegebenenfalls ist der Proband mit Betreuungserfahrung zu hören, wobei oft die Frage, ob derselbe Bewährungshelfer erneut bestellt wird, besondere Aufmerksamkeit verdient. 17 Nachträgliche Auswechslung ist zulässig und kann aus verschiedenen Gründen geboten sein (§ 68d Rdn. 8). 2. Hilfe und Betreuung. Sie sind, im Sinne eines Zur-Seite-Stehens (vgl. Absatz 2), die vorrangige Aufgabe und Kompetenz des Bewährungshelfers (Rdn. 10 f). Ihm fällt also vor allem die persönliche Betreuung des Verurteilten zu. 18 Für den allgemeinen Inhalt seiner Aufgabe gilt im Prinzip nichts anderes als bei der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56d) bzw. bei Aussetzung des Strafrests (§ 57).
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Doch hat der Bewährungshelfer im Rahmen seiner Aufgabe nicht nur mit dem Gericht zusammenzuarbeiten, was das Gesetz hier merkwürdigerweise nicht ausdrücklich sagt (s. aber Rdn. 22). Er hat vor allem auch mit der Aufsichtsstelle zusammenzuwirken. Jedoch bedeutet die Pflicht, „im Einvernehmen miteinander" (Absatz 2) zu handeln, nicht, dass der Bewährungshelfer zu jeder betreuenden Einzelmaßnahme der Zustimmung der Aufsichtsstelle bedürfte. Gemeint ist vielmehr nach dem Zweck dieses Einvernehmens (oben Rdn. 10 f) nur die Pflicht zur Zusammenarbeit, d.h. insbesondere zur Absprache bei allen grundsätzlichen Entscheidungen und Einwirkungen sowie zur ausreichenden Unterrichtung in allen anderen Bereichen. Im Hinblick auf den sehr heterogenen und schwierigen Probandenkreis ist für das Funktionieren der Führungsaufsicht von hervorzuhebender Bedeutung, dass der einzelne Bewährungshelfer zahlenmäßig nicht zu viele Probanden zu betreuen hat (dazu auch Rdn. 27 Vor § 68); es sollten deutlich weniger sein als bei der „normalen" Bewährungshilfe.
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3. Unterstützung der Überwachungstätigkeit. Die Pflicht zur Unterstützung der Überwachungstätigkeit der Aufsichtsstelle (Absatz 3) ist für den Bewährungshelfer nach dem oben Dargelegten (Rdn. 11 f) mehr eine Nebenpflicht, insbesondere i.S.d. notwendigen Kooperation. Sie kann, wie angedeutet, leicht zu Konflikten mit der spezifischen Tätigkeit des Bewährungshelfers, der Hilfe und Betreuung, führen, so z.B., wenn sich der Verurteilte dem Helfer in einer Frage Rat suchend anvertraut, die den Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b enthält oder nahe legt.
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Grundsätzlich ist die Pflicht zur Unterstützung in erster Linie als Komponente der eigenen Betreuungstätigkeit zu sehen, so insbesondere durch Einwirkungen auf den Verurteilten, die schärfere Überwachungsmaßnahmen, etwa polizeilicher Art, überflüssig machen (ähnlich Sch/Schröder/Stree Rdn. 10). Auf diese Form ist die Unterstützung daher vor allem auch auszurichten. Der Bewährungshelfer hat aber auch die Pflicht, Interessen der Allgemeinheit zu wah- 2 1 ren und einem gefährlichen Tun des Verurteilten entgegenzuwirken. Daraus können sich für ihn, genau wie bei der Bewährungshilfe im Rahmen der Strafaussetzung (§ 56d Abs. 3), Berichtspflichten ergeben. 19 Dass der Bewährungshelfer jedoch verpflichtet wäre,
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Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 5; vgl. auch Groß MK Rdn. 9. Vgl. Groß MK Rdn. 15; Lackner/Kühl Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 9.
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Groß MK Rdn. 19; Horn SK Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 10; Fischer Rdn. 6a.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
jeden Verstoß gegen Weisungen der Aufsichtsstelle mitzuteilen, ist nicht zu verlangen. Diese Pflicht kann nur bei Verstößen bestehen, die den Zweck der Führungsaufsicht ernstlich gefährden; aber auch in diesem Falle ist der Bewährungshelfer in erster Linie verpflichtet, selbst für Abhilfe zu sorgen; nur wenn dies erfolglos bleibt oder von vornherein keinen Erfolg verspricht, ist er im Zweifel zur Mitteilung verpflichtet. Einem Strafantrag (§ 145a; s. Rdn. 23) zuzuraten, sollte er vermeiden, um das Vertrauen des Verurteilten nicht zu verlieren (zustimmend Fischer Rdn. 6). Von sich aus nach Art eines Strafverfolgungsorgans Überwachungstätigkeit auszuüben, ist der Bewährungshelfer nicht verpflichtet (s. Rdn. 11 f).
IV. Das Gericht 22
Das Gericht hat den Bewährungshelfer zu bestellen (Absatz 1; dazu Rdn. 17). Dass es dabei im Benehmen mit der Aufsichtsstelle handelt, wird vom Gesetz nicht verlangt; eine entsprechende Normierung des 2. StrRG ist im EGStGB vor Inkrafttreten des § 68a beseitigt worden. Ferner hat das Gericht bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Aufsichtsstelle und dem Bewährungshelfer zu entscheiden, aber nur, soweit sie die Hilfe für den Verurteilten und seine Betreuung berühren (Absatz 4). Darüber hinaus ist das Gericht in die Überwachung selbst eingeschaltet (Absatz 3; dazu Rdn. 10) und kann der Aufsichtsstelle wie dem Bewährungshelfer für ihre Tätigkeit Anweisungen erteilen (Absatz 5). Hier kommt die übergeordnete Stellung des Gerichts zum Ausdruck.20 Sie ist Konsequenz des Umstandes, dass das Gericht durch die Befugnis, Weisungen zu erteilen oder abzuändern (§§ 68b, 68d), die Dauer der Führungsaufsicht abzukürzen (§ 68c Abs. 1 S. 2) und die Führungsaufsicht aufzuheben (§§ 68e Abs. 2, 68f Abs. 2), entscheidende Verantwortung trägt. - Die Anweisungsbefugnis des Absatz 5 bezieht sich jeweils nur auf den einzelnen Aufsichtsfall und enthält insoweit eine begrenzte Fachaufsicht, die der allgemeinen Dienstaufsicht vorgeht.21 Die übergeordnete Stellung des Gerichts bedeutet aber nicht, dass sich das Gericht, wie nach § 56d Abs. 3 S. 2, Halbs. 2, über den Verlauf der Führungsaufsicht regelmäßig Bericht erstatten lassen müsste; 22 vielmehr reicht, dass es sich über außergewöhnliche Entwicklungen orientieren lässt (Rdn. 9). Die Rechtslage ist insoweit insbesondere aufgrund des Aufgabenbereichs der Aufsichtsstelle (Rdn. 8 ff), ihrer besonderen Kompetenzen (Rdn. 9) und auch ihrer personellen Besetzung (Rdn. 7) mit der Bewährungshilfe bei der Strafaussetzung nicht vergleichbar (eingehend Mainz NStZ 1987 541 mit Bericht auch über die unterschiedliche Handhabung in der Praxis). Im Übrigen spricht gerade das Fehlen einer § 56d Abs. 2, Halbs. 2 entsprechenden Regelung gegen eine gerichtliche Pflicht, sich fortlaufend zu informieren. Die Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aus § 463 Abs. 1 u. 6 i.V.m. §§ 453, 462a StPO. Für das Verfahren bei Entscheidungen zur Führungsaufsicht s. die Erläuterungen zu den jeweiligen Vorschriften.
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Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 19; Groß MK Rdn. 15; Sch/Schröder/Stree Rdn. 11; Fischer Rdn. 5. Lackner/Kühl Rdn. 8; vgl. auch Mainz NStZ 1987 542 f. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 22; Horn SK
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Rdn. 4; aA Fischer Rdn. 5; differenzierend nach der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Aufsichtsstelle Groß MK Rdn. 16, der m.w.N. in Fn. 31 auf den Einfluss von Verwaltungsvorschriften der Länder zur Berichtspflicht der Aufsichtsstellen hinweist.
Hendrik Schneider
Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe, forensische Ambulanz
§ 68a
V. Die forensische Ambulanz Im Bestreben, die forensische Nachsorge (psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeu- 2 3 tische Betreuung oder Behandlung) für die unter Führungsaufsicht stehenden Personen auszubauen (vgl. § 68b Abs. 1 Nr. 11, Abs. 2 Satz 2 und 3), ist durch Art. 1 Nr. 9 FührAufsRuaÄndG erstmalig die forensische Ambulanz erwähnt und ihr Verhältnis zu den anderen Organen der Führungsaufsicht geregelt worden. Wird eine Weisung nach § 68b Satz 2 und 3 erteilt, kommt nach Abs. 7 Satz 1 der forensischen Ambulanz eine einvernehmlich mit Führungsaufsicht und Bewährungshelfer auszuübende Hilfs- und Betreuungsfunktion zu. Sie hat nach Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 aber auch die Aufgabe, die Überwachung der verurteilten Personen durch die Aufsichtsstelle zu unterstützen. Insoweit gleicht die Stellung der forensischen Ambulanz, wenn sie als Organ der Führungsaufsicht tätig wird, der des Bewährungshelfers. Nicht anwendbar sind allerdings auf die forensische Ambulanz die Absätze 4 und 5. Schon in der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung (S. 31 f) wurde hervorgehoben, dass die ambulante Nachsorge sich an fachlich-therapeutischen Gesichtspunkten zu orientieren hat und insoweit deshalb gerichtliche Entscheidungen nach Absatz 4 oder Anweisungen nach Absatz 5 nicht vorgesehen sind. Favorisiert werden stattdessen sog. Helferkonferenzen mit allen Beteiligten (aaO S. 32). 23 Zu Absatz 7 Satz 2 i.V.m. Absatz 6 vgl. Rdn. 25. Die stärkere Einbindung der forensischen Nachsorge ist grundsätzlich zu begrüßen. Soweit diese Nachsorge die Möglichkeit eröffnet, die Dauer der stationären Unterbringung therapeutisch vertretbar zu verkürzen, harmonieren finanzpolitische und rechtsstaatliche Zielsetzungen; so sind in jüngster Zeit in zahlreichen Ländern Aktivitäten zum Ausbau ambulanter Nachsorge entfaltet worden (vgl. Reg.-E, S. 31).
VI. Offenbarungspflichten Die neu eingefügte Vorschrift des Abs. 8 verpflichtet die Ärzte, Psychologen und 2 4 Sozialarbeiter der forensischen Ambulanz, die Aufsichtsstelle und den Bewährungshelfer, untereinander bestimmte Geheimnisse mitzuteilen, die ihnen im Rahmen eines durch § 203 geschützten Verhältnisses bekannt geworden sind. Diese Pflicht besteht nach Abs. 8 Satz 1, wenn dies notwendig ist, um der verurteilten Person zu helfen, nicht wieder straffällig zu werden. Überdies müssen die genannten Mitarbeiter der forensischen Ambulanz gegenüber der Aufsichtsstelle und dem Gericht nach Satz 2 in drei Fällen solche Geheimnisse offenbaren. Zunächst besteht diese Pflicht, wenn die Offenbarung notwendig ist, um die Einhaltung einer Vorstellungsweisung oder Therapieweisung zu überwachen (Nr. 1). Daneben sind die Mitarbeiter zur Offenbarung verpflichtet, wenn hinsichtlich der verurteilten Person der Widerruf der Aussetzung einer Unterbringung (§ 67g), die befristete Wiederinvollzugsetzung einer Unterbringung (§ 67h) oder die Anordnung unbefristeter Führungsaufsicht bzw. die unbefristete Verlängerung der Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 2, 3) erforderlich erscheinen. Schließlich müssen diese Geheimnisse mitgeteilt werden, wenn dies zur Abwehr einer der in Nr. 3 genannten Gefahren erforderlich ist. Mit der Formulierung, dass die Notwendigkeit der Offenbarung jeweils „aus ihrer Sicht" bestehen
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Vgl. auch Vollbach MSchKrim. 2 0 0 6 43; Peglau NJW 2 0 0 7 1560.
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muss, erkennt der Gesetzgeber an, dass er der fachlich-therapeutischen Kompetenz der Mitarbeiter große Bedeutung zuspricht. Ob die Offenbarungspflichten ihre Zwecke erfüllen können, bleibt abzuwarten. Es ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass Einschränkungen des Geheimnisschutzes schon dem Entstehen eines echten Vertrauensverhältnisses zwischen der verurteilten Person und den Mitarbeitern der forensischen Ambulanz abträglich sind und wichtige Informationen auch die Mitarbeiter dann nicht mehr erreichen. Diese Gefahr dürfte namentlich bestehen, soweit Verurteilte um Mitteilungspflichten der Mitarbeiter gegenüber Gericht und Aufsichtsstelle gemäß Absatz 8 Satz 2 Nr. 2 wissen. 24
VII. Der Strafantrag nach § 145 a 25
Der für die Strafbarkeit nach § 145a erforderliche Strafantrag kann nach § 145a S. 2 nur von der Aufsichtsstelle gestellt werden. Ihm sollten stets Abmahnung und Androhung der Antragstellung vorausgehen (Strafantrag als „ultima ratio"). 2 5 Wenn es aufgrund des Weisungsverstoßes ohnehin zu einem Aussetzungswiderruf kommt, ist eine Bestrafung aus § 145a unzulässig. 26 Die Pflicht zur vorherigen Anhörung des Bewährungshelfers (§ 68a Abs. 6) und - namentlich bei Verstößen gegen eine Weisung gemäß § 68b I Nr. 11 - der forensischen Ambulanz (§ 68 Abs. 7 S. 2 i.V.m. Absatz 6) dürfte Strafanträgen, die angesichts des präventiven Zwecks der Maßregel nicht sachgerecht wären, entgegenwirken. 27 Bei der Bedeutung der Anhörung wird man annehmen müssen, dass sie Wirksamkeitsvoraussetzung des Antrags ist 2 8 und allein durch eine spätere Anhörung des Bewährungshelfers vor der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht nicht mehr ausgeglichen werden kann. Doch bleibt die Aufsichtsstelle, wie sich schon aus Absatz 3 ergibt, in Absatz 6 Halbs. 2 aber noch einmal ausdrücklich klargestellt wird, in ihrer Entscheidung frei, wenn ein Einvernehmen nicht hergestellt wird; sie kann und muss also keine gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Ein Einvernehmen mit dem Gericht selbst ist ebenfalls nicht erforderlich. De lege ferenda wäre eine Streichung des praktisch bedeutungsarmen 29 § 145a erwägenswert gewesen. 30 Stattdessen ist die Höchststrafe von einem Jahr auf drei Jahre angehoben worden.
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In diesem Sinne auch Streng, Stellungnahme Rechtsausschuss, S. 2 f, der die Mitteilungspflicht gemäß Absatz 8 Nr. 3 begrüßt; die Stellungnahmen sind unter www.bundestag.de/ausschuesse/a06/ anhoerungen/13_Führungsaufsicht/ 04_Stellungnahmenyindex.html abzurufen. Groß MK Rdn. 13. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 21; Sch/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben § 145a Rdn. 12;
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aA Hanack LK 1 1 Rdn. 22; Horn SK § 68b Rdn. 6. Vgl. dazu auch Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 23. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 23; Horn SK § 145a Rdn. 18; aA Sch/Schröder/Stree Rdn. 5. Vgl. Frehsee/Ostendorf NK § 68b Rdn. 19. Vgl. Schöch NStZ 1992 370.
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Weisungen
§ 68b
§ 68b Weisungen (1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen, 1. den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen, 2. sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, 3. zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen, 4. bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann, 5. bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen, 6. Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann, 7. sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden, 8. jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden, 9. sich im Falle der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden, 10. keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, oder 11. sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen. Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. (2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind. (3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. (4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Ent-
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Scheidungen einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind. (5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes Nr. 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.
Schrifttum s. die Angaben bei den Vorb. Vor § 68.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist durch das 2. StrRG eingefügt worden (vgl. auch Rdn. 2). Art. 44 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt hat die Anpassung des Absatz 1 Nr. 9 erforderlich gemacht. Art. 1 Nr. 9 FührAufsRuaÄndG hat den Katalog der Weisungen in Absatz 1 (Nr. 10 - Rauschmittelverbot, Nr. 11 - Vorstellungsweisung) erweitert und Änderungen in Abs. 1 Nr. 3, 7 und 8 vorgenommen. In Absatz 2 wird nun die sog. Therapieweisung ausdrücklich definiert sowie die forensische Ambulanz als mögliche betreuende Institution genannt (Satz 2 und 3). In Absatz 2 Satz 4 (Satz 3 a.F.) wird die entsprechende Geltung des § 56c Abs. 3 auch für Alkohol- und Suchtmittelkontrollen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind, angeordnet. Neu eingefügt sind die Absätze 4 und 5; sie knüpfen an andere gesetzliche Novellierungen im Bereich der Führungsaufsicht an.
Rdn. I. Allgemeines 1. Weisungen bei der Führungsaufsicht 2. Zum Katalog der Weisungen . . . . 3. Zwei Gruppen von Weisungen . . .
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Π. Anwendungsbereich
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III. Allgemeine Anwendungskriterien 1. Pflicht zur differenzierenden Handhabung 2. Genaue Bestimmung des auferlegten Verhaltens 3. Dauer der Weisungen 4. Unzumutbare Anforderungen . . . 5. Grundrechte/Grenzen 6. Pflichtgemäßes Ermessen
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IV. Verfassungsrechtliche Probleme . . . . 1. Umfang der Weisungen nach Absatz 1 2. Die Strafbewehrung der Weisungen des Absatz 1
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V. Der geschlossene Katalog des Absatz 1 . 1. Aufenthalts Wechsel (Nr. 1) 2. Aufenthaltsverbote (Nr. 2) 3. Personenkontakte (Nr. 3) 4. Tätigkeitsverbote (Nr. 4) 5. Besitz von Gegenständen (Nr. 5) . . 6. Halten von Fahrzeugen (Nr. 6) . . .
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7. Meldepflichten (Nr. 7) 8. Anzeige von Wohnort- und Arbeitsplatzwechsel (Nr. 8) 9. Meldung bei Erwerbslosigkeit (Nr. 9) 10. Rauschmittelverbot (Nr. 10) . . . . 11.VorstellungsweisungNr.il) . . . . VI. Der offene Katalog des Absatz 2 1. Allgemeines 2. Die gesetzlichen Beispiele des Absatz 2 Satz 1 3. Die Therapieweisung (Absatz 2 Satz 2) und ihre Durchführung (Satz 3) . . 4. Weitere Weisungen 5. Die entsprechende Geltung des § 56c Abs. 3 VII. Weisungen aus früheren Führungsaufsichten (Absatz 4) Vin. Entsprechende Geltung des § 68a Abs. 8 (Absatz 5) IX. Anordnung der Weisungen X. Belehrung über Weisungen; Überwachung XI. Rechtsmittel gegen Weisungen; Wirksamwerden
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Rdn. 32 34 35 36 37
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Weisungen
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I. Allgemeines 1. Weisungen sind - wie bei der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56c), der AusSetzung des Strafrests (§§ 57, 5 7 a i.V.m. § 56c) und der Aussetzung eines Berufsverbots (§ 70a i.V.m. § 56c) - auch bei der Führungsaufsicht ein spezifisches Mittel, um durch gezielte richterliche Gebote und Verbote spezialpräventiv auf den Betroffenen einzuwirken. Sie sind für die Gestaltung der Führungsaufsicht von besonderer Bedeutung.
1
Entsprechend der Doppelfunktion der Führungsaufsicht (Rdn. 3 Vor § 6 8 ) spielt bei den Weisungen des § 6 8 b auch der Gesichtspunkt der Überwachung des Verurteilten eine legitime Rolle. 1 Dies erklärt wohl, warum das Gesetz, anders als bei § 5 6 c , hier nicht darauf abstellt, ob der Verurteilte „dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen". Doch ist auch die Weisung zum Zwecke der Überwachung immer im Hinblick auf den allgemeinen Zweck der Maßregeln zu sehen, der Gefahr weiterer Straftaten zu begegnen (s. Rdn. 74 Vor § 61). Daraus ergeben sich für Weisungen zum Zwecke der Überwachung immanente Beschränkungen. 2 . Der Katalog der Weisungen entstammt, sieht man von den jüngsten Ergänzungen durch das FührAufsRuaÄndG ab, im Wesentlichen § 9 3 E 1962. Dieser geht weitgehend auf Erfahrungen zurück, die bei der Polizeiaufsicht und der Strafaussetzung zur Bewährung (so E 1 9 6 2 , S. 2 2 2 ) , aber auch bei der polizeilichen Überwachung von Gewohnheitsverbrechern (s. Rdn. 19, 2 0 Vor § 6 8 ) sowie mit vergleichbaren Regelungen ausländischer Rechtsordnungen 2 gemacht wurden. Bei den Gesetzesberatungen war der Katalog erheblich umstritten. 3 Problematisch ist vor allem die starke Ausrichtung am Sicherungszweck, die namentlich die meisten Weisungen des Absatz 1 charakterisiert. Diese Ausrichtung ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte, passt aber insofern nicht ganz, als die Führungsaufsicht in ihrer Gesetz gewordenen Gestalt, entgegen dem E 1 9 6 2 , an sich an der Resozialisierung wie der Überwachung ausgerichtet sein soll und auch Fälle umgreift, die der E 1 9 6 2 lediglich einer Bewährungsaufsicht unterstellen wollte (Rdn. 2 1 Vor § 68), also sehr viel „milder" behandelte. Der Richter sollte dem durch sorgfältige Handhabung der Weisungen entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen der Einzelfälle (vgl. Rdn. 5 Vor § 68) begegnen. 3. Zwei Gruppen von Weisungen sind in § 6 8 b scharf zu unterscheiden.
3
a) Der geschlossene Katalog des Absatz 1. Hier sind Verstöße gegen die Weisungen unter den weiteren Voraussetzungen des § 145a strafbar. Im Hinblick darauf verpflichtet das Gesetz den Richter noch einmal besonders, bei jeder Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten „genau zu bestimmen" (Absatz 1 S. 2; näher dazu Rdn. 9). Die Strafbewehrung gemäß § 145a ist kriminalpolitisch zwiespältig und problematisch (näher bei Rdn. 2 7 c Vor § 68 und den Erl. zu § 145a). Für den Richter ist daher im Bereich des Absatz 1 äußerste Sorgfalt nicht nur im Hinblick auf die genaue Bestimmung der Weisungen geboten; er muss eine solche Sorgfalt vielmehr auch bei Prüfung der Frage
1
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Groß MK Rdn. 2; Horn SK Rdn. 1; Sch/Schröder/Stree Rdn. 1; vgl. aber auch Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 1. Vgl. Sieverts Niederschriften Bd. 3, S. 162; Raabe S. 153.
3
Z.B. Niederschriften Bd. 3, S. 237 ff. Prot. V, 2208 ff vgl. auch 2. Bericht S. 36; Preiser ZStW 81 (1969) 256 f, 264 ff.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
anwenden, ob oder in welchem Umfang angesichts der kriminalpolitischen Zwiespältigkeit des § 145a entsprechende Weisungen zweckmäßigerweise anzuordnen sind. b) Der offene Katalog des § 68b Abs. 2. Bei ihm fehlt es an einer Strafbewehrung. Dass der Richter allerdings auch hier mit Sorgfalt zu verfahren hat, ergibt sich schon aus den sehr unterschiedlichen Gegebenheiten bei den einzelnen Tätergruppen, die der Führungsaufsicht unterliegen (Rdn. 7 ff Vor § 68), den Gefahren, die eine unpassende Weisung gerade für die Resozialisierung mit sich bringen kann (Rdn. 9) sowie der Möglichkeit, dass der Verstoß gegen eine Weisung auch in den Fällen des Absatz 2 zum Widerruf einer Strafaussetzung oder der Aussetzung einer freiheitsentziehenden Maßregel führen kann (dazu Rdn. 38).
Π. Anwendungsbereich 4
§ 68b gilt nach Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte für alle Arten der Führungsaufsicht.
ΙΠ. Allgemeine Anwendungskriterien 5
1. Die Pflicht zur differenzierenden Handhabung ist oberster Grundsatz für die Anordnung von Weisungen, weil nur so die unterschiedliche Situation der verschiedenen Tätergruppen und Täter (Rdn. 7 ff Vor § 68) angemessen berücksichtigt wird. 4 Die Verantwortung, die dem Richter hier obliegt, wird auch in den Gesetzmaterialien (Rdn. 2) wiederholt angesprochen. Zu bedenken ist vor allem, dass gegenüber Tätern mit spezifisch ungünstiger Prognose („Vollverbüßer", nach Ablauf der Zehnjahresfrist entlassene Sicherungsverwahrte) im Interesse der Überwachung wie der Hilfe bei der Resozialisierung regelmäßig eine ganz andere Art der Einwirkung angebracht ist als gegenüber Tätern, bei denen wegen einer günstigen Entwicklung die Aussetzung des Vollzugs einer freiheitsentziehenden Maßregel angeordnet worden ist. Aber auch innerhalb dieser letzteren Tätergruppe bestehen erhebliche Unterschiede. So ist etwa die angemessene Einwirkung auf einen aus der Sicherungsverwahrung probeweise Entlassenen im Zweifel durchaus verschieden von derjenigen, die für einen jugendlichen Alkoholiker oder Drogensüchtigen angezeigt ist; und wieder anders ist z.B. der Fall einer von einer psychischen Krankheit geheilten Person, eines Alterssklerotikers oder eines der ambulanten psychiatrischen Rehabilitation in einer beschützenden Werkstätte anvertrauten Schwachsinnigen zu behandeln (vgl. dazu auch Rdn. 7).
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Die Ansicht, dass das Gericht „in aller Regel" von § 68b Gebrauch machen werde,5 erscheint nicht richtig oder zumindest missverständlich. Die Regel passt allenfalls für die genannten Gruppen mit spezifisch ungünstiger Prognose. Richtig ist freilich (so Lackner/Kühl Rdn. 4), dass die Vorschrift des § 56c Abs. 1, nach der Weisungen obligatorisch sind, wenn der Verurteilte dieser Hilfe bedarf, um
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Eingehend Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 3, 7; vgl. auch Lackner/Kühl Rdn. 4; Sehl Schröder/Stree Rdn. 15.
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Fischer Rdn. 1; mit Recht differenzierter Frehsee/OstendorfNK Rdn. 3; Horn SK Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 15.
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keine Straftaten mehr zu begehen, bei § 68b entsprechend anwendbar ist, weil es keinen sinnvollen Grund gibt, das Gericht insoweit freier zu stellen als bei der Strafaussetzung. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Weisungen umgekehrt auch kriminelles Verhalten des Probanden fördern können, wozu gerade die Strafvorschrift des § 145a beiträgt.6 Man wird, auch wenn § 68b entgegen § 56c Abs. 4 eine entsprechende Normierung 7 nicht enthält, annehmen müssen, dass das Gericht in geeigneten Fällen wegen einer Zusicherung des Verurteilten zunächst von der Erteilung einer Weisung absehen kann. 7 Zu beachten ist freilich, dass gerade geeignete Weisungen die Aussetzung nach § 67b erleichtern können (BGH StV 1988 260 für die ambulante Einwirkung durch eine medikamentöse Behandlung). Nach pflichtgemäßem Ermessen hat der Richter zu prüfen, ob oder wie weit er sich anstelle einer Weisung nach Absatz 1 zunächst mit einer „milderen" Weisung nach Absatz 2 begnügt. In der Praxis werden die Weisungen nach den bisher vorliegenden Untersuchungen8 ersichtlich unterschiedlich, aber sehr selektiv und wenig differenziert, wenn nicht oberflächlich-schematisch ausgenutzt. Danach dominieren Weisungen zum Wohnsitz und zur Arbeitsstelle so stark, dass die Auffassung von Floerecke (S. 130) plausibel erscheint, bei der Nutzung des Katalogs von § 68b Abs. 1 spielten „weit mehr Praktikabilitätserwägungen hinsichtlich der späteren Durchführbarkeit und Kontrollierbarkeit ... eine Rolle als die Absicht, ... alle Verhaltensbereiche, in denen der Proband ,gefährlich' oder ,gefährdet' sein könnte, einer umfassenden Verhaltenskontrolle zu unterziehen". Die Weisungen nach Absatz 1 Nr. 2 - 6 werden nach diesen Untersuchungen praktisch überhaupt nicht genutzt. Weisungen nach Absatz 2 werden hingegen in mehr als zwei Drittel aller Führungsaufsichten ausgesprochen.9
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2. Genaue Bestimmung des auferlegten Verhaltens a) Absatz 1. Eine Pflicht zur genauen Bestimmung des verbotenen oder verlangten Verhaltens ist ausdrücklich nur für die Weisungen des Absatz 1 statuiert (S. 2). Dort hat sie in der Tat besondere Bedeutung, weil - nur - der Verstoß gegen eine solche Weisung nach § 145a mit Strafe bedroht ist (Rdn. 3).
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b) Absatz 2. Es besteht aber auch eine Pflicht, sonstige Weisungen (Absatz 2) genau 9 zu bestimmen.10 Das gilt nicht nur bei denjenigen Weisungen, bei denen der Verstoß zum Widerruf der Aussetzung einer Unterbringung oder einer Strafaussetzung führen kann (s. Rdn. 36). Es gilt darüber hinaus auch sonst, weil bei einer unklaren Weisung stets die Gefahr besteht, dass sie den Verurteilten verwirrt oder gar zu einer (verstärkten) Trotzhaltung führt. Die genaue Bestimmung ist im Übrigen auch angezeigt, weil es sich empfehlen kann, eine nicht eingehaltene Weisung des Absatz 2 durch eine Weisung gemäß Absatz 1 zu ersetzen (Rdn. 38), eine derartige Verschärfung aber leicht besonders
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Jacobsen (1985), S. 53; zustimmend Frehsee/ Ostendorf NK Rdn. 3. Horn SK Rdn. 3; zustimmend z.B. Frehsee/ Ostendorf Rdn. 4; Groß MK Rdn. 4 hält solche Zusicherungen hier für weniger bedeutsam als bei § 56c. Dazu m.w.N. und Einzelheiten insbesondere Brüsten S. 1627 ff; Floerecke S. 129 ff;
9 10
Floerecke in Dertinger/Marks S. 63 ff; Jacobsen S. 132 ff; Kober S. 38 ff; Schulz S. 119 ff. Schneider in Göppinger 6. Aufl. 2 0 0 8 . OLG Frankfurt aM NStZ 1998 318: Die Weisung, „Kontakt zu halten", ist zu unbestimmt; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 5; Groß MK Rdn. 2 3 ; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 4 ; Fischer Rdn. 15.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
kritisch ist, wenn sie auf einer ursprünglich unklaren Weisung aufbaut. Bei der Weisung zur Teilnahme an einer Therapie kann das Gericht die Einzelheiten der Therapiegestaltung allerdings dem Therapeuten überlassen (OLG Hamm NStZ 2 0 0 0 373). 10
3. Dauer der Weisungen. Für die Dauer der Führungsaufsicht oder für kürzere Zeit können die Weisungen nach Absatz 1 und Absatz 2 angeordnet werden. Das Gericht ist nicht berechtigt, eine Weisung dann für die ganze Zeit der Führungsaufsicht anzuordnen, wenn auf der Hand liegt, dass sie nur für eine kürzere Frist erforderlich ist. Im Übrigen kann es sachgerecht sein, Weisungen für die gesamte Dauer der Aufsicht anzuordnen und eventuell veränderten Gegebenheiten im Wege der nachträglichen Entscheidung (§ 68d) Rechnung zu tragen, um eine für den Probanden stabile Situation zu schaffen, während ein häufiger Wechsel zwischen Anordnung und Aufhebung einer Weisung desorientierend wirken würde (insoweit aA Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 4). Von dieser durch § 68d eingeräumten Möglichkeit sollte nicht zu selten Gebrauch gemacht werden, weil dem Verurteilten vor Augen geführt werden muss, dass sein eigenes Verhalten die Gestaltung der Führungsaufsicht für ihn positiv beeinflussen kann (vgl. Frehsee/Ostendorf aaO).
11
4. Unzumutbare Anforderungen an die Lebensführung. An die Lebensführung des Verurteilten dürfen nach Absatz 3 keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Diese Verpflichtung, die für alle Weisungen nach Absatz 1 und Absatz 2 gilt, entspricht wörtlich § 56c Abs. 1 S. 2 Vgl. dazu die Erl. zu § 56c; hier wie dort geht es um dieselben objektiven Grenzen. Denn unbeschadet aller Unterschiede zwischen Bewährungs- und Führungsaufsicht nach dem Zweck und dem Täterkreis: die zulässige Grenze lässt sich bei der Führungsaufsicht nicht „großzügiger" ziehen, 11 schon weil die unzumutbare Weisung, sofern sie nicht überhaupt verfassungswidrig ist, typischerweise ihren Sinn verfehlt (dazu Deckers Anm. zu OLG Düsseldorf StV 1983 115).
11a
5. Grundrechte/Grenzen. Zum Teil in Überschneidung mit dem Vorigen ist zu beachten, dass sich für die Erteilung von Weisungen Schranken aus den Grundrechten ergeben. Vgl. im Einzelnen die Erl. zu § 56c. Denn hier wie dort gelten stets dieselben Schranken.
12
6. Pflichtgemäßes Ermessen. Die Anordnung von Weisungen liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts („kann"). Das gilt auch für die Auswahl und die - zulässige Möglichkeit, mehrere Weisungen anzuordnen, wobei Weisungen nach Absatz 1 mit solchen nach Absatz 2 selbstverständlich gekoppelt werden können. Begrenzt wird das Ermessen namentlich durch den Zweck der Weisungen (Rdn. 1), das Verbot unzumutbarer Anforderungen an die Lebensführung (Absatz 3) und die unterschiedlichen Bedürfnisse bei den verschiedenen der Führungsaufsicht unterliegenden Tätergruppen und Tätern (Rdn. 5 ff).
IV. Verfassungsrechtliche Probleme 13
Die allgemeine verfassungsrechtliche Problematik der Weisungen ist schon in früheren Jahren bei der Diskussion um die Strafaussetzung zur Bewährung eingehend erörtert worden. Sie kann heute jedenfalls im Grundsätzlichen als geklärt gelten. Das gilt auch
11
So wohl auch Frehsee/Ostendorf aA Groß MK Rdn. 7.
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NK Rdn. 6;
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Weisungen
§ 68b
für die zunächst sehr umstrittene Befugnis des Gesetzgebers, auf eine abschließende Aufzählung möglicher Weisungen zu verzichten. Vgl. zum Ganzen zunächst die Erl. zu § 56c. Bei der Führungsaufsicht ergeben sich jedoch zusätzliche Fragen. 1. Der Umfang der Weisungen des Absatz 1. So fragt sich, ob die z.T. sehr weitgehenden Weisungen des Absatz 1 der verfassungsrechtlichen Überprüfung immer standhalten. Denn ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit lässt sich nicht schon mit der Argumentation rechtfertigen, die Führungsaufsicht stelle, etwa gegenüber der Sicherungsverwahrung, als partielle Freiheitsbeschränkung im Vergleich zur Unterbringung ein Minus dar, so dass die Beschränkung von Grundrechten, in die auch bei der Verwahrung zulässigerweise eingegriffen werden würde, ebenso wenig unzulässig sei wie die Beschränkung nicht höherwertiger anderer Grundrechte (so aber z.B. Güde Prot. V, 2208; vgl. auch die Begr. ζ. E 1962, S. 220). Gegen eine solche Interpretation spricht schon, dass die Führungsaufsicht durchaus nicht notwendig ein Ersatz für die Unterbringung, auch nicht für die Sicherungsverwahrung, ist. Vor allem aber würde eine solche Ersatzfunktion nicht von der Pflicht zur Prüfung entbinden, ob eine in Grundrechte eingreifende Weisung in Übereinstimmung mit Art. 19 GG steht; diese Übereinstimmung ist vielmehr für jede Art von Weisungen erforderlich.12
14
Raabe (S. 87 ff) ist in einer eingehenden Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass sich insoweit gegen die Weisungen des Absatz 1 im allgemeinen Bedenken nicht erheben lassen, und zwar auch nicht angesichts ihres stark an der Sicherung orientierten Charakters. Dem ist - sachgerechte Handhabung im Einzelfall vorausgesetzt - grundsätzlich zuzustimmen. Besonderheiten könnten jedoch bei der Weisung Nr. 4 nahe liegen: Folgt man der hier vertretenen, aber bestrittenen Ansicht, dass eine Weisung nach Nr. 4 unzulässig ist, soweit sie auf ein Berufsverbot hinausläuft (Rdn. 23 ff), kommt es im Ergebnis auf die Frage, ob eine entsprechende Weisung gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen könnte, nicht mehr an. Vertritt man jedoch den gegenteiligen Standpunkt, erscheint nach den Grundsätzen des BVerfG (BVerfGE 7 377 = NJW 1958 1035) zweifelhaft, unter welchen Voraussetzungen der Richter eine entsprechende Weisung überhaupt erteilen dürfte. Bei der Bedeutung des Art. 12 GG ist mindestens zu verlangen, dass der Hang zum Missbrauch des Berufs bereits durch ein entsprechendes Delikt in Erscheinung getreten ist; die bloße Vermutung der Gefährdung von Rechtsgütern ohne einen solchen Hintergrund reicht also nicht aus. Eine entsprechende Auslegung, die auf die Anordnungsklauseln des § 70 hinausläuft, ist daher verfassungsrechtlich geboten.13
15
Bei der Weisung Nr. 5 besteht - übrigens auch für § 56c - eine ähnliche Problematik. Hier wird man bei Gegenständen, denen der typisch kriminelle Verwendungszweck nicht von vornherein deutlich anhaftet (also z.B. bei einem Dietrich), im Hinblick auf Art. 14 GG für eine Weisung eine Art konkreter Gefährlichkeit des Täters im Sinne der Bereitschaft zur kriminellen Verwendung fordern müssen (Raabe S. 102 ff).
16
2. Die Strafbewehrung der Weisungen des Absatz 1. Die Vorschrift des § 145a, in der die Höchststrafe mit der jüngsten Reform von einem Jahr auf drei Jahre Freiheitsstrafe angehoben worden ist,14 ist nach herrschender, wenn auch umstrittener Auffassung als
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12
13
S tree Deliktsfolgen und Grundgesetz, 1960, S. 142 f; Raabe S. 95. Näher Raabe S. 100, 102; vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ 1995 291.
14
Ablehnend DBH (Kerner) BewHi 2 0 0 6 53; Dessecker Stellungnahmen Rechtsausschuss (§ 68a Fn. 24), S. 3 f; Streng ebenda S. 3 f zustimmend Koller, ebenda S. 17.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
solche verfassungsgemäß (vgl. näher die Erl. zu § 145a). Bzgl. der Strafbewehrung einzelner Weisungen sind jedoch verfassungsrechtliche Bedenken hervorzuheben: Wenn man mit dem Grundsatz ernst macht, dass Straftatbestände im Geltungsbereich des GG bestimmten Mindestanforderungen an die Strafbedürftigkeit des inkriminierten Verhaltens unterliegen,15 bleibt zweifelhaft, ob diese Mindestanforderungen gewahrt sind, soweit es um die Strafandrohungen für Verstöße gegen die in Absatz 1 Nr. 1, 7, 8, 9 (eingehend Raabe S. 113 ff, insbes. S. 138 ff) und 11 genannten Weisungen geht. Denn sie stellen Ungehorsamsfolgen unter Strafe, bei denen, anders als bei den übrigen Weisungen des Absatz 1, ein Bezug zur Abwehr typischer Gefährdungen unter den Aspekten des vorbeugenden Rechtsgüterschutzes praktisch fehlt. Er lässt sich allenfalls noch dergestalt finden, dass der Weisungsverstoß ein erster Schritt auf dem Weg zur Rückfälligkeit sein kann (aber beileibe nicht sein muss). Es handelt sich insoweit also, und zwar auch angesichts des typischerweise labilen Personenkreises, um eine erhebliche Vorverlegung des Strafschutzes im Hinblick auf eine bis zum Nichts verdünnte abstrakte Gefahrmöglichkeit. 18
Zwar ist anzunehmen, dass die Strafbewehrung der Weisungen des Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 7 angesichts ihres allgemeinen Zwecks, die planmäßige Überwachung des Verurteilten zu garantieren (Rdn. 19, 32), verfassungsrechtlich noch ausreichend legitimiert ist.16 Auch die Strafbewehrung der neuen Vorstellungsweisung (Absatz 1 Nr. 11) lässt sich verfassungsrechtlich noch hinnehmen, weil sie den im Gesetz genannten Stellen Gelegenheit verschaffen kann, krisenhafte Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen (vgl. RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 19). Hingegen lässt sich keineswegs sagen, dass z.B. eine strafrechtlich relevante Gefahr eintritt, wenn der erwerbslose Verurteilte sich entgegen Absatz 1 Nr. 9 nicht regelmäßig bei der Agentur für Arbeit meldet (Raabe S. 151). Ähnliches gilt für die Weisungen nach Nr. 8. Ein ausreichender Bezugspunkt wird insoweit auch nicht ohne weiteres durch die einschränkende Klausel des § 145a von der Gefährdung des Maßregelzwecks hergestellt, wenn man, wie das unabweisbar ist, diese Formulierung allein auf den eigentlichen Zweck der Führungsaufsicht (Abwehr künftiger Gefahren), nicht aber auf den Weg dazu (Überwachung und Unterstützung; vgl. Rdn. 3 Vor § 68) bezieht; denn bei der Bezugnahme auf das letztere würde § 145a in nicht vertretbarer Weise allein das Funktionieren der Maßregel schützen, wäre also ohne Rücksicht auf die Gefahrträchtigkeit der bloße Ungehorsam gegen eine staatliche Anordnung unter Kriminalstrafe gestellt. Folgt man dem, reichen bei § 68b Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 die möglichen Gefahren eines Verstoßes auch bei dem hier in Frage stehenden Personenkreis als Strafgrund allein nicht aus. Insoweit ist die Strafbewehrung also verfassungswidrig (ebenso Sch/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben § 145a Rdn. 2). Das bedeutet allerdings nicht, dass damit die Gesamtregelung hinfällig ist. Vertretbar ist es vielmehr, den Katalog unbeschadet der in Einzelteilen notwendigen Einschränkung seiner Strafbewehrung zu praktizieren, weil er sich auch mit dieser Einschränkung noch handhaben lässt.
V. Der geschlossene Katalog des Absatz 1 im Einzelnen 19
Unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze bei Handhabung von Weisungen gemäß § 68b (Rdn. 5 ff) und der speziellen Problematik der Strafbewehrung (Rdn. 3, 8, 17 f) gilt für die einzelnen Weisungen des Absatz 1 Folgendes. 15
Vgl. dazu namentlich Rudolphi Vor § 1 m.w.N.
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SK Rdn. 1 ff;
16
AA Raabe S. 151; Frehsee/Ostendorf Rdn. 19; Schild NK § 145a Rdn. 5.
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NK
Weisungen
§ 68b
1. Aufenthaltswechsel (Nr. 1). Die Weisung, Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten (örtlichen) Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen, bezweckt, der Aufsichtsstelle die planmäßige Überwachung des Verurteilten zu erleichtern (Begr. ζ. E 1962, S. 222). 1 7
20
Der „Bereich" muss genau abgegrenzt sein. Die Beschränkung auf ein Bundesland dürfte angesichts der Funktion der Weisung, die Überwachung durch die Aufsichtsstelle zu ermöglichen, sinnlos sein und nicht in Betracht kommen. 18 Auf unzumutbare Anforderungen an die Lebensführung (Absatz 3; Rdn. 11) ist besonders zu achten (Groß M K Rdn. 10). In ein Berufsverbot darf die Anordnung aus den in Rdn. 23 genannten Gründen nicht ausufern. Fragwürdig erscheint die Auffassung von OLG Düsseldorf M D R 1990 743, nicht gesetzeswidrig sei die mit einer Aussetzung des weiteren Vollzugs einer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus „verbundene" Weisung, auf einer offenen Station dieses Krankenhauses „zu verbleiben", bei der es sich ersichtlich sogar um die entsprechende Zuweisung („Bestimmung") des Wohn- und Aufenthaltsorts handelte (aA Lackner/Kühl Rdn. 2: „meist nicht angezeigt", aber „nicht unzulässig"). § 68b Abs. 1 Nr. 1 berechtigt nicht dazu, dem Täter einen bestimmten Wohn- oder Aufenthaltsort zuzuweisen;19 und er bezieht sich auch nicht auf Fälle, bei denen es sich in Wahrheit um die Fortsetzung der Anstaltsunterbringung in der Form des gelockerten Vollzugs handelt. Das „Verlassen" erfasst nicht ohne weiteres kurzfristige Entfernungen, da mit der Weisung nur verhindert werden soll, dass sich der Verurteilte der planmäßigen Überwachung durch die Aufsichtsstelle entzieht. 20 Versagt die zuständige Aufsichtsstelle einen beantragten Aufenthaltswechsel, kann sich der Verurteilte an das Gericht wenden, das der Aufsichtsstelle eine Weisung geben kann (§ 68a Abs. 5), aber wegen seiner übergeordneten Stellung die Erlaubnis wohl auch selbst zu erteilen vermag (ebenso Groß M K Rdn. 11). Da der Verurteilte nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG einen Anspruch auf die Entscheidung des Gerichts hat, muss das Gericht über sein Begehren entscheiden (OLG Düsseldorf StraFo 2004 426). Gegen die Entscheidung ist dann unter den Beschränkungen des § 453 Abs. 2 i.V.m. § 463 Abs. 1, 2 StPO die Beschwerde zulässig. 2. Aufenthaltsverbote (Nr. 2). Die Weisung, sich nicht an bestimmten Orten aufzuhal- 2 1 ten, die dem Verurteilten Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, dient, wie schon die Formulierung des Gesetzes selbst verdeutlicht, der Ausschaltung kriminogener Reize. Sie ist nur mit dieser Zielrichtung zulässig.21 Die Weisung kommt vor allem gegenüber Tätern spezifischer Delikte in Betracht, z.B. im Bereich der Sexualdelinquenz, des Drogenhandels oder der Beschaffungskrimina-
17
18
Ebenso Frehsee/Ostendorf NK Rn. 9; Horn SK Rdn. 7; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Fischer Rdn. 3a. Groß MK Rdn. 10 sieht den Sinn der Nr. 1 (unter abzulehnender Vermischung mit Nr. 2) auch im Schutz vor krimineller Gefährdung, ausdrücklich aA als Groß insoweit auch Horn aaO. Anders OLG Düsseldorf, StV 1982 117; Sch/Schroeder/Stree Rdn. 5; Groß MK Rdn. 10 hält eine solche Weisung für unvereinbar mit dem Wortlaut der Norm.
19
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21
Vgl. auch Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 9; Groß MK Rdn. 10; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5, wonach jeweils eine Art Hausarrest mit der Weisung nicht verhängt werden darf. Horn SK Rdn. 7; Fischer Rdn. 3a; aA Groß MK Rdn. 10; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5, die aber jeweils auf die Möglichkeit einer zeitlichen Einschränkung des Verbots verweisen. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 10; Groß MK Rdn. 12.
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lität. 22 Der E 1962 (aaO) nannte beispielhaft „Spieler- und Zuhälterlokale, Kinderspielplätze, öffentliche Bäder, Bedürfnisanstalten, öffentliche Anlagen, Bahnhöfe und Postämter". 23 „Bestimmte Orte" können, wie schon diese Beispiele zeigen, entsprechend der Zielrichtung der Weisung im Einzelfall auch der Gattung nach bestimmt werden, brauchen also nicht immer spezifisch örtlich konkretisiert zu sein. Sie dürfen im Einzelfall auch größere Gebiete umfassen, z.B. Zollgrenzgebiete (E 1962 aaO), Freihäfen bei einem Schmuggler (Sch/Schröder/Stree Rdn. 6). Der E 1962 hatte das Aufenthaltsverbot der Nr. 2 noch durch die Formel vom Aufenthalt „ohne zwingenden Grund" beschränkt (§ 93 Abs. 1 Nr. 2). Die spätere Streichung dieser Klausel erfolgte, weil man sie als nicht praktikabel ansah und angesichts des Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. Rdn. 8) gegen sie im Hinblick auf die Strafbewehrung des § 145a Bedenken hegte (2. Bericht S. 36). Dies kann aber nicht bedeuten, dass der Gedanke des zwingenden Grundes nunmehr bei der Anordnung unberücksichtigt bleibt oder gar für die Frage des Verstoßes keine Bedeutung hätte. 24 Zu Recht wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass überhaupt nur der Aufenthalt, nicht aber auch das Betreten des Ortes, um ihn zu überqueren oder zu durchqueren, verboten werden kann; 25 eine entsprechende Weisung wäre daher durch die Ermächtigung nicht gedeckt. Auch enthält z.B. der Kauf einer Briefmarke (Postamt) oder einer Fahrkarte (Bahnhof) allein noch keinen mit Strafe bedrohten Verstoß gegen die Weisung, so dass es insoweit der Heranziehung eines besonderen Rechtsfertigungsgrundes, etwa unter Notstandsgesichtspunkten, nicht bedarf.26 22
3. Personenkontakte (Nr. 3). Auch die Weisung, zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer Gruppe, die dem Verurteilten Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen, kommt vor allem für Täter spezifischer Delikte in Betracht: so durch das Verbot, minderjährige Lehrlinge auszubilden oder keine weiblichen Jugendlichen zu beschäftigen (E 1962 aaO). Die neu eingefügte Möglichkeit, den Kontakt „zur verletzten Person" zu unterbinden oder einzuschränken, dient auch dem konkreten Opferschutzinteresse.27 Das Opfer wird auf Antrag über die Erteilung einer solchen Weisung informiert (§ 406d Abs. 2 Nr. 1 StPO n.F.) und ist gemäß § 406h Abs. 1 StPO n.F. auf dieses Antragsrecht hinzuweisen. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass das Gericht bei derartigen Weisungen Bestrebungen des Täter-Opfer-Ausgleichs und Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz zu berücksichtigen hat (DBH [Kerner] BewHi 2006 52). Bei „bestimmten" Personen ist die namentliche Bezeichnung erforderlich, bei „Personen einer Gruppe" die klare Kennzeichnung, etwa nach Alter und Geschlecht.28 Vor der jüngsten Reform enthielt das Gesetz kein Verbot der Kontaktaufnahme. Das Verbot, mit bestimmten Personen zu verkehren, hatte der Gesetzgeber nicht in den straf-
22
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24 25
Vgl. auch Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 10; Sch/Schröder Rdn. 6; Hanack LK 1 1 Rdn. 2 0 . Vgl. dazu auch Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 10; Horn SK Rdn. 8; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; Fischer Rdn. 4. Horn SK Rdn. 8; Fischer Rdn. 4. Horn aaO; zustimmend Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 10 und Groß MK Rdn. 12, nach
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dem das Verbot aber schon „unterhalb eines Verweilens" gilt. Horn SK Rdn. 8; ebenso Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 10; Fischer Rdn. 4. So die amtl. Begr. des Reg-Ε, BTDrucks. 16/1993, S. 18. Horn SK Rdn. 9; vgl. auch Groß MK Rdn. 13; Fischer Rdn. 5.
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bewehrten Katalog der Weisungen nach Absatz 1 aufgenommen, weil es ihm zu unbestimmt erschien (vgl. Hanack LK 1 1 Rdn. 22). Gemeint sein soll nun damit die Fortführung oder das Unterhalten eines bereits bestehenden Kontakts (Reg.E, BT-Drs. 16/1993, S. 18). Das Verbot der „Beherbergung" erfasst zwar die entgeltliche wie die unentgeltliche Übernachtung. Es darf aber nicht dazu führen, dass z.B. der Kontakt zum Ehepartner oder die Wohngemeinschaft mit minderjährigen Abkömmlingen unterbunden wird; die Trennung von Ehegatten bleibt vielmehr stets deren freie Entscheidung (vgl. auch Art. 6 Abs. 1 GG), und die Trennung von minderjährigen Abkömmlingen ist nur gemäß § 1666 BGB als vormundschaftsgerichtliche Entscheidung zum Wohle des Minderjährigen zulässig (ebenso Frehsee/OStendorf NK Rdn. 11). Auch auf ein Berufsverbot darf das Verbot der Beherbergung nicht hinauslaufen; s. dazu Rdn. 23. § 93 E 1962 kannte auch bei der Weisung der Nr. 3 die Beschränkung auf Kontakte, die „ohne zwingenden Grund" erfolgen. Die Streichung der Klausel durch den Sonderausschuss erfolgte aus den gleichen Erwägungen wie bei der Nr. 2 (2. Bericht S. 36) und ist in ihrer Bedeutung ebenso einzuschätzen wie dort (Rdn. 21). Wegen weiterer Einzelheiten kann auf die Interpretationsergebnisse verwiesen werden, die Rechtsprechung und Lehre schon bei der entsprechenden Weisung im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung erarbeitet haben (§ 56c Abs. 2 Nr. 3; dazu Erl. zu § 56c). 4. Tätigkeitsverbote (Nr. 4). Die Weisung, bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die der Verurteilte nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann, ist vor allem problematisch, weil sie in unklarem Verhältnis zum Berufsverbot ( § § 7 0 ff) steht. a) Allgemeines. Die Begründung zum E 1962 (S. 222) ging ersichtlich davon aus, dass die Weisung auch Tätigkeiten erfassen kann, die in der Sache ein Berufsverbot bedeuten, da die Vorschriften über das Berufsverbot „nicht ausreichen", „um den kriminalpolitischen Zielen einer Beschränkung nach Nummer 5 (jetzt: Nr. 4) in jeder Hinsicht gerecht zu werden"; die Begründung nennt als Beispiele die Tätigkeit als „Bademeister, Masseur, als Erzieher in Erziehungsheimen oder als Jugendleiter in Jugendverbänden", aber auch die „Beschäftigung als Kellner in Nachtlokalen". Im Sonderausschuss für die Strafrechtsreform hingegen bestand - nach der Darstellung im 2. Bericht (S. 36) - Einigkeit, dass beim Fehlen der Voraussetzung für ein Berufsverbot dessen Folgen auch nicht durch Erteilung einer Weisung herbeigeführt werden dürfen, und dass in Fällen, in denen das erkennende Gericht auf die Anordnung eines an sich möglichen Berufsverbots verzichtet hat, diese Entscheidung nicht durch eine spätere Weisung „soll umgangen werden können". Im Schrifttum wird jedoch die Position vertreten, dass diese bei den Gesetzesberatungen vertretene Einschränkung im Gesetz keinen Niederschlag gefunden habe, eine Weisung daher, entsprechend dem Gesetzeswortlaut, zum Schutze der Allgemeinheit auch ausgesprochen werden könne, wenn sie einem Berufsverbot gleichkommt. Es seien allerdings mit Rücksicht auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ( § 6 2 ) Gefahren vorauszusetzen, die denen des § 70 entsprechen. 29
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; zustimmend Lackner/Kühl Rdn. 2, die aber im Anschluss an OLG Karlsruhe NStZ 1995 291 das
Vorliegen aller Anordnungsvoraussetzungen für ein Berufsverbot verlangen - die grundsätzlichere Frage ließ das Gericht offen.
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Dieser von einer Minderheit vertretenen Meinung ist nicht zu folgen, weil sonst die übrigen Anordnungsvoraussetzungen und die sonstigen Normierungen der §§ 70 ff in sachwidriger Weise unterlaufen werden können und auch die gut durchdachten Regeln der Maßregelkonkurrenz ( § 7 2 ) ausgehöhlt würden. Aus dem Sinn der §§ 70 ff und des § 72 ergibt sich der objektive Wille des Gesetzes zur insoweit abschließenden Regelung. 30 24
b) Daraus folgt im Einzelnen für die Kompetenz des erkennenden Gerichts und die Kompetenz bei nachträglicher Anordnung gemäß § 68d Folgendes. Das erkennende Gericht darf nicht aufgrund von Anknüpfungstatsachen, die ein Berufsverbot nach § 70 nicht rechtfertigen, eine Weisung erteilen, die in der Sache einem Berufsverbot gleichkommt. Das erkennende Gericht darf aber auch nicht statt eines zulässigen Berufsverbots eine entsprechende Weisung erteilen; denn es würde damit die Prinzipien der Maßregelkonkurrenz ( § 7 2 ) ebenso missachten wie die unterschiedlichen Folgewirkungen des Berufsverbots und der Weisung. Dem kann insoweit auch nicht entgegenstehen, dass nach wohl herrschender, wenn auch umstrittener Meinung im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung Weisungen angeordnet werden können, die einem Berufsverbot gleichstehen (s. näher Erl. zu § 56c). Denn selbst wenn man dieser Meinung bei der Strafaussetzung zur Bewährung folgt, so besagt das noch nicht, dass gleiches auch für den Bereich der Maßregeln gelten könnte.
25
Das erkennende Gericht kann mithin eine Weisung nach Nr. 4 überhaupt nur für zwei Fallgruppen aussprechen: 1. Wenn sich die Weisung auf eine außerberufliche Tätigkeit bezieht, so etwa auf das Verbot der ehrenamtlichen Leitung einer Jugendgruppe oder die Tätigkeit in einem Jugendfreizeitlager während des Urlaubs. Auch kann mit einer Weisung nach Nr. 4 dem Brandstifter die Tätigkeit bei der freiwilligen Feuerwehr, nicht aber die bei der Berufsfeuerwehr untersagt werden (dieses Beispiel und weitere bei Frehsee/ Ostendorf NK Rdn. 12). 2. Wenn die Weisung sich auf solche Tätigkeiten innerhalb der Berufsausübung bezieht, deren Untersagung nur eine punktuelle Beschränkung darstellt, die einem Berufsverbot i.S.d. § 70 (vgl. „Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges") nicht vergleichbar ist. Die Anerkennung einer Weisung bei der letzteren Fallgruppe - einer problematischen Grenzsituation - lässt sich in der Abgrenzung zur unzulässigen Aushöhlung des Berufsverbots damit rechtfertigen, dass solche speziellen Beschränkungen im Rahmen der Führungsaufsicht einen besonderen Sinn haben und durch die §§ 70 ff nicht ausgeschlossen werden. Die Probleme liegen insoweit dann in der sorgfältigen Entscheidung des Einzelfalles. So ist z.B. gegenüber einem Masseur das Verbot denkbar, keine Jugendlichen zu massieren, nicht aber die Weisung, nur Personen über 60 Jahre zu behandeln.
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Ähnliche Prinzipien gelten für die nachträgliche Anordnung einer Weisung (§ 68d): Auch sie ist grundsätzlich nur in dem in Rdn. 25 bezeichneten Umfang zulässig. Weiterhin darf eine solche nachträgliche Anordnung die vom erkennenden Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen getroffene Entscheidung (vgl. § 70: „kann"), ein an sich mögliches Berufsverbot nicht anzuordnen, nicht überspringen, also dieselben Anknüpfungstatsachen nicht abweichend würdigen (s. dazu § 68d Rdn. 5). Zweifelhaft ist lediglich, ob diese Beschränkungen bei der nachträglichen Anordnung auch dann gelten, wenn sich erst während laufender Führungsaufsicht die Voraussetzun-
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Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 12; Groß MK Rdn. 14; Horn SK Rdn. 10; Fischer Rdn. 6.
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gen für ein Berufsverbot nach § 70 ergeben. Die Frage ist zu bejahen: Zwar ist es Aufgabe der Führungsaufsicht, kriminellen Gefährdungen vorzubeugen. Aber das Berufsverbot setzt als rechtsstaatliche Garantie für den Betroffenen ein Verfahren vor dem erkennenden Gericht voraus (s. dazu Rdn. 47, 55 Vor § 61), das u.a. an die Feststellung einer rechtswidrigen Anlasstat anknüpft. Diese Voraussetzungen festzustellen, ist nicht Sache einer Anordnung gemäß § 68b (ebenso Frehsee/OstendorfNK. Rdn. 12). c) Soweit nach dem Dargelegten (Rdn. 24 ff) eine Weisung zulässig ist, kann sie trotz des leicht missverständlichen Gesetzeswortlauts zur Überwachung wie zur Stützung erfolgen. Eine weitergehende Differenzierung zwischen Weisungen zum Schutz der Allgemeinheit und aus erzieherischen Gründen ist nach dem hier vertretenen Standpunkt ohne Bedeutung (aA wohl Sch/Schröder/Stree, Rdn. 8, 9).
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5. Besitz von Gegenständen (Nr. 5). Die Weisung, bestimmte Gegenstände, die dem Verurteilten Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten geben könnten, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen, entspricht wörtlich § 56c Abs. 1 Nr. 4; auf die Erl. zu § 56c kann verwiesen werden. In Betracht kommen bei der Führungsaufsicht vor allem Verbote, die sich auf den Besitz von Diebeswerkzeugen, Waffen, Schlagringen, Fälschungsmitteln oder Wildereigerät beziehen (Begr. ζ. E 1962, S. 222). 3 1 Umstritten ist, ob die Gegenstände zur Verwendung bei Delikten geeignet sein müssen, derentwegen Führungsaufsicht angeordnet werden kann. 3 2 Anzunehmen ist dies nur, wenn die zu befürchtenden Straftaten mit der die Führungsaufsicht auslösenden Tat eine bestimmte kriminelle Kontinuität aufweisen müssen (so bei der richterlich angeordneten Führungsaufsicht gem. § 68 Abs. 1, str., vgl. dort Rdn. 9), nicht aber etwa in den Fällen des S 68f. Die Frage, ob der Besitz eines Gegenstandes kriminelles Verhalten fördert, ist namentlich dann sorgfältig zu prüfen, wenn der Besitz vielleicht auch genau den gegenteiligen Effekt hat. 3 3 Zu den Problemen der verfassungskonformen Auslegung s. Rdn. 16.
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Eine allgemeine Kennzeichnung („Schusswaffen") kann zwar genügen; es genügt aber nicht, den Besitz von Gegenständen, die auch einer harmlosen Verwendung dienen können, mit der Bezeichnung etwa als „Diebeswerkzeug" zu untersagen (Sch/Schröder/Stree Rdn. 10). Da nur Handlungen verboten werden könnten, ist das „Verbot, etwas zu besitzen", bei genauer Betrachtung eine fehlerhafte Weisung. „Besitz" bezeichnet keine Handlung, sondern einen Zustand, nämlich eine Beziehung zwischen einem Menschen und einer Sache. Die Weisung besteht somit in einem Verbot des Besitzerwerbs oder im Gebot der Besitzaufgabe. Das ist von Bedeutung für die Strafbarkeit gemäß § 145a StGB, schon weil es sich bei einem Verstoß im zweiten Falle nur um strafbares Unterlassen handeln kann und z.B. die Möglichkeit der Handlungspflichterfüllung besonderer Prüfung bedarf. 34
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Lutz NStZ 2 0 0 0 127 befürwortet in weitem Umfang Handy-Verbote für organisierte Straftäter. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 13 bejaht die Frage generell; Groß MK Rdn. 15 verneint sie. So Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 13 unter
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kritischer Bezugnahme auf Sch/Schröder/ Stree Rdn. 10 hinsichtlich pornographischer Schriften. Vgl. zum Ganzen Horn Rdn. 11; Struensee FS Grünwald, S. 713; aA Hanack LK 1 1 Rdn. 28.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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6. Halten von Fahrzeugen (Nr. 6). Die Weisung, Kraftfahrzeuge (§ 248b Abs. 4) oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu fuhren, die der Verurteilte nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann, ist in ähnlicher Weise problematisch wie die Weisung, bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben (Nr. 4; s. Rdn. 23 ff). Denn auch hier kann die Weisung zur Aushöhlung der Voraussetzungen einer besonderen Maßregel, der Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 69 ff), führen. Da dies, entgegen dem E 1962 (S. 222), nicht gewollt war (2. Bericht S. 36) und nach dem objektiven Willen des Gesetzes nicht gewollt sein kann, weil sonst die Regelungen der §§ 69 ff und des § 72 unterlaufen würden (s. im Einzelnen Rdn. 23), ist, ganz ähnlich wie bei der Nr. 4, die Bestimmung einengend zu interpretieren: Sie darf nicht Fälle erfassen, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht vorliegen.35
30
Die Weisung kommt danach nur in folgenden Fällen in Betracht: Wenn dem Täter die Fahrerlaubnis bereits entzogen worden ist. Das Verbot kann hier - insbesondere als Verbot der Haltung 36 - trotz der Entziehung noch sinnvoll sein, wenn nämlich die Gefahr besteht, dass der Täter das Fahrzeug dennoch benutzt oder sich bei der Begehung von Straftaten durch andere fahren lässt.37 Die Weisung kommt auch in Betracht, wenn es um das Fahren bei bestimmten Gelegenheiten geht, bei denen nach den Umständen Straftaten zu erwarten sind und sich diese Gelegenheiten so konkretisieren lassen, dass sie (vgl. Rdn. 25) einer Entziehung der Fahrerlaubnis nicht gleichkommen, sondern nur ein punktuelles Verbot enthalten. Zu denken ist etwa an Fälle, in denen der Täter, der sein Fahrzeug im „normalen" beruflichen und privaten Bereich nicht missbraucht, zu nächtlichen Barbesuchen mit kriminellen Auswirkungen neigt; hier wäre ein Verbot denkbar, das Fahrzeug nachts oder doch zum nächtlichen Aufsuchen von Vergnügungslokalen zu benutzen. Ferner kommt die Weisung in Betracht, wenn es sich um Fahrzeuge handelt, die nicht unter § 69 fallen, also z.B. um Motorboote, 38 um Kähne 39 (E 1962 aaO), um Flugzeuge,40 aber auch um Fahrräder.41 Denn der Begriff des Fahrzeugs erfasst hier nach der ratio legis auch solche Fortbewegungsmittel, für die eine besondere Erlaubnis nicht erteilt zu werden braucht bzw. die speziellen Pflichten eines Kraftfahrzeugführers nicht gelten.
31
Darauf zu achten ist, dass konkrete Weisungen genügend bestimmt sein müssen (Rdn. 8; vgl. auch Groß MK Rdn. 16) und einen besonderen Sinn haben. Dem würde z.B. die Weisung nicht genügen, das Fahrzeug „nicht zu strafbaren Handlungen zu benutzen"; auch die Weisung, es „nicht zu Diebstählen" oder „nicht zum Transport von Hehlergut" zu verwenden, hat regelmäßig keinen sachlichen Sinn, da das bezeichnete Verhalten ohnedies strafbar ist.
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38
Kretschmer, S. 236; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 14; Groß MK Rdn. 16; Fischer Rdn. 8; aA Lackner/Kühl Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree Rdn. 11. Dazu näher Horn SK Rdn. 12; vgl. auch Groß MK Rdn. 16. E 1962, S. 222; Frehsee/Ostendorf Rdn. 14; Horn SK Rdn. 12; Sch/Schröder/Stree Rdn. 11. Sch/Schröder/Stree Rdn. 11; vgl. auch Frehsee/Ostendorf Rdn. 14.
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E 1962, S. 222; Horn SK Rdn. 12; Sch/Schröder/Stree Rdn. 11; vgl. auch Frehsee/Ostendorf Rdn. 14; Groß MK Rdn. 16; Fischer Rdn. 8. Groß MK Rdn. 16; Sch/Schröder/Stree Rdn. 11. Groß MK Rdn. 16; Horn SK Rdn. 12; Fischer Rdn. 8.
Hendrik Schneider
Weisungen
7. Meldepflichten (Nr. 7). Die Weisung, sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden, sollte in besonderem Maße mit Vorsicht und Bedacht gehandhabt werden, weil der Verurteilte ohnehin kraft Gesetzes einem Bewährungshelfer untersteht (§ 68a Abs. 1). Diese Unterstellung führt zwar nicht zu der Konsequenz, dass die Weisung der Nr. 7 nur aus Sicherheitsgründen in Betracht käme. Sie kann vielmehr im Einzelfall auch aus Fürsorge zweckmäßig sein (vgl. auch OLG Stuttgart NStZ 1990 279), etwa um einen labilen oder kranken Verurteilten zu stützen. In diesem Fall empfiehlt sich vor allem die Dienststelle des Bewährungshelfers als Meldestelle.
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Mit Vorsicht und Bedacht zu handhaben ist die Weisung insbesondere, weil sie eine präventive Sicherungswirkung oft kaum hat, einen möglichen Resozialisierungsprozess aber stören kann, z.B. auf Rechtsbrecher, die aus der Unterbringung in einem Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entlassen sind, gewiss nicht selten demoralisierend wirkt. Die „Dienststelle" muss (konkret) „bestimmt" werden. Dienststelle ist jede staatliche Behörde. Privatpersonen kommen bei dieser Weisung nicht in Betracht. 42 Polizeidienststellen sollten aus den bei § 68a Rdn. 9 angegebenen Gründen als für die Meldung zuständige Dienststelle grundsätzlich nicht bestimmt werden.43 Durch Art. 1 Nr. 9 FührAufsRuaÄndG ist nun auch die Weisung zur Meldung bei dem Bewährungshelfer vorgesehen. Eine Aufwertung des Bewährungshelfers als der wichtigsten Kontaktperson des Verurteilten ist zwar sinnvoll. Vergegenwärtigt man sich aber, dass eine solche Weisung bisher nach Absatz 2 möglich und üblich war, ist die inhaltliche Änderung nur in der Strafandrohung zu sehen, deren Realisierung ein Bewährungshelfer wegen eines versäumten Termins kaum je anregen wird, weil damit die Erfüllung seiner Betreuungsaufgabe wesentlich erschwert würde. Eine ausdrückliche Hervorhebung in Absatz 2 wäre vorzugswürdig gewesen. Nach den Reformen durch das FührAufsRuaÄndG können Meldepflichten nach Nr. 7 gem. § 463a Abs. 3 StPO n.F. durch einen vom Gericht auf Antrag der Führungsaufsichtsstelle erlassenen Vorführungsbefehl zwangsweise durchgesetzt werden. Bei Festlegung der „bestimmten Zeit" ist auf die berufliche Tätigkeit des Verurteilten Rücksicht zu nehmen. 44 Es sind nicht nur „nach Möglichkeit" (so aber Sch/Schröder/ Stree Rdn. 12), sondern prinzipiell solche Zeiten zu wählen, die der Verurteilte ohne nennenswerte Beeinträchtigung seiner Berufsausübung einhalten kann. Geht das wegen der Bürostunden irgendwelcher Behörden nicht, müssen - bei der Bedeutung gerade der Berufstätigkeit des Verurteilten - andere Überwachungsmöglichkeiten gefunden werden. Doch entspricht die telefonische Meldung nicht dem Sinn der Regelung (Sch/Schröder/ Stree aaO). Die „bestimmten Zeiten" sind auch nicht zu eng zu fixieren, um unnötige Reibungspunkte zu vermeiden (OLG Hamburg NJW 1985 1232; KG J R 1987 124 mit Anm. Groth JR 1988 258).
33
8. Anzeige von Wohnungs- und Arbeitsplatzwechsel (Nr. 8). Die Weisung, unverzüglieh jeden Wechsel der Wohnung (vor der jüngsten Reform: des Wohnorts) oder des
34
42
Sch/Scbröder/Stree Rdn. 12; Groß MK Rdn. 17 - mit dem Hinweis, dass eine Pflicht zur Meldung bei einer Privatperson durch eine Weisung gemäß Abs. 2 begründet werden kann.
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Ebenso Frehsee/OstendorfSK Rdn. 15; anders Sch/Schröder/Stree Rdn. 12; Fischer Rdn. 9; wohl auch Groß MK Rdn. 17. Frehsee/OstendorfNK Rdn. 15; Sch/Schröder/Stree Rdn. 12.
Hendrik Schneider
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Arbeitsplatzes der Aufsichtsstelle zu melden, ist in der Praxis von allen Weisungen die häufigste (oben Rdn. 7a), vermag aber nach der hier vertretenen Ansicht (Rdn. 18) im Falle eines Verstoßes Strafbarkeit nach § 145a nicht zu begründen. Sie hat primär Bedeutung für die Überwachungsfunktion. Doch kann insbesondere die Pflicht, einen Arbeitsplatzwechsel anzuzeigen, mittelbar auch eine gewisse erzieherische Bedeutung besitzen, indem sie den Verurteilten psychologisch motiviert, Wechsel, die ihm keinen Vorteil bringen oder ihm gar zum Nachteil gereichen, tunlich zu unterlassen.45 Die Weisung, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen, ist kein Fall der Nr. 8, sondern allenfalls als Weisung nach Absatz 2 denkbar. Entsprechendes gilt für die Weisung, den Arbeitsplatz nicht ohne Einholung einer Erlaubnis zu wechseln.46 Die Weisung, einen Wohnungswechsel anzuzeigen, empfiehlt sich in aller Regel, um die Durchführung der Führungsaufsicht zu erleichtern. Eine entsprechende Verpflichtung war schon im früheren Recht - als freilich nicht widerrufsbegründende oder gar strafbewehrte Weisung - vom Vorsitzenden des erkennenden Gerichts bei der Strafaussetzung zur Bewährung auszusprechen (§ 268a Abs. 2 S. 2 StPO a.F.). Die Meldepflicht kann nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur gegenüber der Aufsichtsstelle angeordnet werden. Eine nähere Konkretisierung ihrer Form dürfte sich erübrigen, weil es, anders als bei der Nr. 7, hier in aller Regel gleichgültig ist, ob die Meldung mündlich, schriftlich, telefonisch oder durch einen Beauftragten erfolgt (Sch/Schröder/Stree Rdn. 13). Dass die Meldepflicht nur gegenüber der Aufsichtsstelle besteht, hat seinen Sinn. Daraus lässt sich schließen, dass insoweit die Erteilung einer weitergehenden Weisung nach Absatz 2 unzulässig ist. 35
9. Meldung bei Erwerbslosigkeit (Nr. 9). Die Weisung, sich im Falle der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden, dient spezifisch der Resozialisierung, darf aber trotz dieses Zwecks nicht über den Wortlaut des Gesetzes hinaus angewendet werden, also insbesondere nicht in der Verpflichtung bestehen, eine angebotene oder bestimmte Arbeit auch anzunehmen.47 Sie muss eine bestimmte Frist enthalten, innerhalb deren die Meldung jeweils vorzunehmen ist. 48 - Zur Wirksamkeit ihrer Strafbewehrung (§ 145a) s. Rdn. 18.
36
10. Rauschmittelverbot (Nr. 10). Neu eingefügt wurde im April 2007 die Weisung, keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind. Da Suchtmittelmissbrauch als eines der bedeutendsten Risiken für eine gelungene Wiedereingliederung gilt (vgl. Seifert/Bolten/Möller-Mussavi MschKrim. 2003 132), sah sich der Gesetzgeber veranlasst, das Rauschmittelverbot und begleitende Kontrollen ohne körperliche Eingriffe (z.B. Urinproben, Atemalkoholmessungen, vgl. Reg-E,
45
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Ähnlich Sch/Schröder/Stree Rdn. 13; zweifelnd insoweit Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 16. Näher OLG Hamm JMB1NRW 1982 153; vgl. auch BVerfGE 55 31; OLG Hamm NStZ 1985 310; Groß MK Rdn. 18; Lackner/Kühl Rdn. 2; Fischer Rdn. 10.
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Vgl. auch OLG Hamm JMB1. 1982 153, 154; Groß MK Rdn. 19; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 17; Lackner/Kühl Rdn. 2; Sch/Schroeder/Stree Rdn. 14. Groß und Stree aaO (vor. Fn.). Unverbindlicher („sollte") Frehsee/Ostendorf aaO (vor. Fn.).
Hendrik Schneider
Weisungen
§ 68b
BT-Drs. 16/1993, S. 19 4 9 ) in den Katalog der strafbewehrten Weisungen aufzunehmen (zustimmend DBH [Kerner] BewHi 2006 52; Peglau NJW 2007 1559). Koller (Stellungnahmen Rechtsausschuss [§ 68a Fn. 24], S. 14) sieht chronische Alkoholiker mit Recht nicht als denkbare Adressaten der Weisung an, befürwortet die neue Weisung aber für (nach § 64) behandelte Suchtkranke und Personen, die nicht suchtkrank sind. Vor allem bei der zuletzt genannten Gruppe sollte die Möglichkeit einer Weisung nach Nr. 10 jedoch zurückhaltend gehandhabt werden. Die Strafwürdigkeit geringfügiger Verstöße gegen das Rauschmittelverbot wird kaum je zu bejahen sein. Eine solche Weisung kann zudem der Eingliederung auch entgegenwirken, wenn die verurteilte Person Kreise meiden muss, in denen man sich dem Alkoholgenuss schlecht entziehen kann, die aber im Übrigen die Integration fördern. Angesichts der Bedeutung des Rauschmittelmissbrauchs für die Resozialisierungschancen ist dennoch zu erwarten, dass die Weisung nach Nr. 10 zu einer der bedeutenderen im Katalog des Absatz 1 wird (vgl. dazu auch Rdn. 7a). 11. Vorstellungsweisung (Nr. 11). Ergänzt wurde durch Art. 1 Nr. 9 FührAufsRua- 3 7 ÄndG der Katalog des Absatz 1 um die Weisung, sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen. Auch die Vorstellungsweisung ist nach § 463a Abs. 3 StPO n.F. mittels eines vom Gericht auf Antrag der Führungsaufsichtsstelle erlassenen Vorführungsbefehl zwangsweise durchsetzbar. Mit dieser Weisung soll den genannten Fachleuten ermöglicht werden, sich von der verurteilten Person regelmäßig einen Eindruck zu verschaffen und Krisen schneller zu erkennen (RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 19, zur Verfassungsmäßigkeit vgl. Rdn. 18), vor allem aber Verurteilte über die Kontaktaufnahme mit Therapeuten zu einem ersten Schritt in Richtung Therapie zu bewegen. Der RegE betont mit Recht, dass eine strafbewehrte Therapieweisung ein unverhältnismäßiger Eingriff ins allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG wäre; der Erfolg der Therapie hänge von der Bereitschaft der Probanden ab, sich auf sie einzulassen (BT-Drs. 16/1993, S. 19 5 0 ). Die Therapieweisung ist deshalb erst in Absatz 2 Satz 2 ausdrücklich genannt. Für einen strafbewehrten „Einstiegszwang" zur Herstellung der Behandlungsmotivation soll das aber nicht gelten (so RegE aaO, S. 20). Es bleibt freilich der generelle Einwand gegen die Erweiterung des Katalogs der strafbewehrten Weisungen, zu einer uferlosen Ausweitung des strafrechtlichen Interventionsinstrumentariums beizutragen (im Erg. abl. auch Weigelt ZRP 2006 254; krit. Haffke KritJ 2005 29). Akzeptabel wäre die Vorstellungsweisung (von diesem generellen Einwand abgesehen), hätte der Gesetzgeber nicht auch die Therapieweisung in Absatz 2 ausdrücklich genannt (Rdn. 41). Zu begrüßen ist das im Gesetz zum Ausdruck kommende Bestreben, die forensische Ambulanz stärker in die Ausgestaltung der Führungsaufsicht einzubeziehen (vgl. dazu RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 20 und Rdn. 41).
49
Für Einbeziehung sogar von Kontrollen mit geringfügigen körperlichen Eingriffen wie Blutentnahmen und Abschneiden von Haaren zur Durchführung von Drogentests Peglau NJW 2 0 0 7 1559 f.
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Der Vorschlag des Bundesrats, eine strafbewehrte Therapieweisung einzuführen (BTDrucks. 16/1993, S. 2 6 f), hat sich nicht durchgesetzt.
Hendrik Schneider
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
VI. Der offene Katalog des Absatz 2 38
1. Allgemeines. Das Gericht kann dem Verurteilten nach Absatz 2 weitere Weisungen erteilen, und zwar sowohl zum Zwecke der Überwachung wie zum Zwecke der Resozialisierung; „weitere" bedeutet dabei selbstverständlich nicht, dass stets gleichzeitig Weisungen nach Absatz 1 erteilt werden müssten.51 Das Gesetz selbst nennt typische Beispiele weiterer Weisungen, z.B. die in dem neu eingefügten Satz 2 genannte Therapieweisung, ohne insoweit doch eine erschöpfende Aufzählung zu beabsichtigen („insbesondere"). Die Weisungen des Absatz 2 unterscheiden sich von denen des Absatz 1 grundsätzlich, weil der Verstoß gegen sie nicht strafbewehrt ist, also nicht unter S 145a fällt (Rdn. 3). Doch kann der beharrliche und gröbliche Verstoß gegen Weisungen des Absatz 2 in den Fällen der Führungsaufsicht kraft Gesetzes nach Aussetzung einer freiheitsentziehenden Maßregel gemäß § 67g Abs. 1 Nr. 2 zum Widerruf der Aussetzung führen; und der Verstoß kann unter den gleichen Voraussetzungen ferner den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung oder einer Aussetzung des Strafrests bedingen, wenn die Weisung nach der Vorschrift des § 68g Abs. 1 an die Stelle von Weisungen gemäß § 56c getreten ist, die bei einer Strafaussetzung oder der Strafrestaussetzung angeordnet worden sind (vgl. § 68g Rdn. 14). Insbesondere - aber nicht nur - in diesen Fällen sollten auch die Weisungen nach Absatz 2 klar und bestimmt sein (Rdn. 9). Unklare Weisungen berechtigen nicht zum Widerruf einer Aussetzung nach § 67g Abs. 1 (Sch/Schröder/Stree Rdn. 24), aber auch nicht zum Widerruf bei den anderen genannten Aussetzungsfällen. Im Übrigen kann eine Weisung nach Absatz 2, namentlich wenn sie nicht befolgt worden ist, durch eine zulässige Weisung nach Absatz 1 ersetzt werden (§ 68d; Begr. ζ. E 1962, S. 222); 5 2 sie unterliegt dann - ex nunc - den Konsequenzen des § 145a.
39
2. Die gesetzlichen Beispiele des Absatz 2 Satz 1 sind sämtlich auch Weisungen, die gemäß § 56c Abs. 2 bei der Strafaussetzung zur Bewährung möglich sind. Die Interpretation, die diese Weisungen dort durch Rechtsprechung und Lehre gefunden haben, gelten grundsätzlich auch hier; so kann im Einzelnen auf die Erläuterungen zu § 56c verwiesen werden. Hervorzuheben ist - außer der schon im vorigen genannten Pflicht zur genauen Bestimmung - Folgendes. Die Weisungen bei der Führungsaufsicht grundsätzlich extensiver zu interpretieren oder intensiver anzuwenden als bei der Strafaussetzung, wäre bedenklich. Denn ein Zuviel an Weisungen stiftet gerade bei den hier in Frage stehenden Tätergruppen leicht mehr Schaden als Nutzen. Im Übrigen verlangt die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Tätergruppen auch hier (vgl. Rdn. 5 f) gebieterisch sachbezogene Differenzierungen.
40
Arbeitsbezogene Weisungen können auch nach Absatz 2 nicht im Sinne eines Berufsverbots angeordnet werden (Frehsee/O Stendorf NK Rdn. 22). Die Gegenauffassung will solche Weisungen zulassen, wenn sie die in Rdn. 36 genannten Nachteile nicht nach sich ziehen.53 Dass dann kein Druck zur Befolgung auf dem Verurteilten lastet, lässt sich aber nicht sagen, weil sich ihm der Eindruck aufdrängen kann, die Chancen für eine vorzeitige Aufhebung (§ 68e) zu verschlechtern oder neue Weisungen gemäß § 68d zu provozieren (Frehsee/Ostendorf aaO).
51 52
Groß MK Rdn. 20; Horn SK Rdn. 3. Ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 17; vgl. auch Horn SK Rdn. 3.
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53
Hanack LK 1 1 Rdn. 38; Rdn. 19.
Hendrik Schneider
Sch/Schröder/Stree
§ 68b
Weisungen
3. Die Therapieweisung (Absatz 2 Satz 2) und ihre Durchführung (Satz 3). Das durch 41 Art. 1 Nr. 9 FührAufsRuaÄndG hervorgehobene Beispiel der Therapieweisung soll die Bereitschaft der verurteilten Person zur dauerhaften Wahrnehmung von Behandlungsterminen absichern und so die Voraussetzungen schaffen, die Therapie durchzuhalten (RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 20). Folge eines Verstoßes kann nicht die Bestrafung gemäß § 145a sein (Rdn. 37), wohl aber ein Widerruf der Aussetzung einer Maßregel gemäß § 67g Abs. 1 Nr. 2 (bei gröblichen oder beharrlichen Verstößen) oder die Anordnung unbefristeter Führungsaufsicht gemäß § 68c Abs. 2 Nr. 2. In den Stellungnahmen im Rechtsausschuss des Bundestages (§ 68a Fn. 24) wurde die Therapieweisung unterschiedlich beurteilt. Nach Reckling (Stellungnahme, S. 2) kann ohne verbindliche Behandlungsanweisung kaum jemand aus der Zielgruppe zur Therapie motiviert werden.54 Gegen diese Weisungsart wird eingewandt, Therapiezwang und Menschenwürde seien kaum miteinander vereinbar.55 Doch es ist schon zweifelhaft, ob Verurteilte, die durch Anregungen im Rahmen einer nach Absatz 1 Nr. 11 ergangenen Weisung nicht zu einer Therapie zu bewegen sind, mit der Therapieweisung innerlich für eine sinnvolle Behandlung gewonnen werden können. Ist die Therapie nicht Folge einer eigenen Stellungnahme des Verurteilten zur Behandlungsnotwendigkeit, besteht die Gefahr, dass die verurteilte Person nur auf fremde Verhaltenserwartungen reagiert und sich im Sinne einer „Überlebensstrategie" vordergründig unterwirft, während faktisch abweichende Verhaltensmuster verfestigt werden und einem Therapeuten der Zugang zur Person versperrt bleibt. Die „erzwungene Gefolgschaft" kann schließlich auch zur Übernahme der zugeschriebenen Rolle in das Selbstbild führen und so aufgrund der in der kriminologischen Literatur hinlänglich beschriebenen Aufschaukelungsprozesse in den Rückfall einmünden.56 Dass die Normierung einer Mitwirkungspflicht des Gefangenen in § 4 des Bundesstrafvollzugsgesetz unterblieben ist, 57 ließe sich ähnlich begründen.58 Da ärztliche und therapeutische Bemühungen, die verurteilte Person zu einer freiwilligen Therapie zu bewegen, mehr Erfolg verheißen und die autonome Anerkennung einer Therapiebedürftigkeit den ersten Erfolg der Therapie darstellt, sprechen die besseren Argumente gegen die Therapieweisung.59 Die Betreuung und Behandlung kann nach Absatz 2 Satz 3 durch eine forensische Ambulanz erfolgen. Eine Pflicht zur Schaffung solcher Ambulanzen, vor allem aber eine Pflicht bereits existierender Ambulanzen zur Aufnahme bestimmter Verurteilter soll durch die Vorschrift nicht begründet werden (RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 20); der Gesetzgeber hielt es aber für entbehrlich, den Ambulanzen die Zustimmung zur Durchführung der Therapieweisung ausdrücklich im Gesetz zuzugestehen (für ein solches Zustimmungserfordernis Müller-lsberner Stellungnahme Rechtsausschuss S. 2). Es ist, ungeachtet der Problematik einer Weisung zur Therapie, wünschenswert, wenn die forensischen Ambulanzen, die bei der Rückfallverhütung als erfolgreich gelten,60 im Rahmen der nachsorgenden Betreuung an Bedeutung gewinnen (zustimmend auch Vollbach MschrKrim.
Zustimmend im Erg. Konrad S. 2 . 55
56
57
Stellungnahme
Vgl. Streng Stellungnahme S. 2 ; ebenso schon DBH (Kerner) BewHi 2 0 0 6 5 2 . Vgl. dazu näher Schneider ZfStrVo 2 0 0 4 141 m.w.N. Vgl. Böhm in Schwind/Böhm/Jehle StVollzG § 4 Rdn. 4 ; Feest/Lesting in Feest StVollzG S 4 Rdn. 5.
58
Z u r Gesetzgebungsgeschichte vgl. Strafvollzug I, S. 1 5 6 .
59
Vgl. Kerner (Fn. 5 5 ) .
60
Vgl. z.B. Miiller-Isberger/Rohdicb/Gonzalez Cabeza, BewHi 1 9 9 7 2 7 2 ; weit. Nachw. im RegE, BTDrucks. 1 6 / 1 9 9 3 , S. 2 0 .
Hendrik Schneider
a a O (Fn. 5 5 ) ; Streng
Seebode aaO
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§ 68b
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
2006 44). Wird damit die Dauer stationärer Maßnahmen - therapeutisch sinnvoll - verkürzt (vgl. § 68 Rdn. 23), sprechen therapeutische, rechtsstaatliche, kriminalpräventive und finanzielle Aspekte für einen Ausbau der ambulanten Nachsorge. 42
4. Weitere Weisungen. Über die gesetzlichen Beispielsfälle hinaus kommt bei Absatz 2 namentlich das Verbot in Betracht, die Wohnung in der Nacht nicht ohne zwingenden Grund zu verlassen, wenn das Verlassen dem Verurteilten den Anreiz zu weiteren Straftaten bietet. Ein solches Verbot kann im Einzelfall z.B. angebracht sein, um dem Betroffenen zu Bewusstsein zu bringen, dass er überwacht wird (E 1962, S. 222). Die sog. „elektronische Fessel" dürfte generell unzumutbar i.S.d. § 68b Abs. 3 sein (in diesem Sinne wohl auch Ostendorf ZRP 1997 475).
43
5. Die entsprechende Geltung des § 56c Abs. 3. Schon vor der jüngsten Reform konnte mit Einwilligung der verurteilten Person die Weisung ergehen, sich einer mit einem körperlichen Eingriff verbundenen Heilbehandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen bzw. in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen (vgl. Erl. zu § 56c). Absatz 2 Satz 4 ermöglicht mit einer solchen Einwilligung nun auch Alkohol- und Suchtmittelkontrollen, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, z.B. Blutentnahmen. Bei einer Verweigerung der Einwilligung kann gemäß § 68c Abs. 2 Nr. 1 unbefristete Führungsaufsicht angeordnet werden. VII. Weisungen aus früheren Führungsaufsichten (Absatz 4)
44
Gemäß § 68e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 endet seit April 2007 jede befristete Führungsaufsicht mit Eintritt einer neuen Führungsaufsicht. Die Reform durch das FührAufsRuaÄndG will mit der Anpassung des § 68b sicherstellen, dass die Sachgerechtigkeit von Weisungen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht angeordnet wurden, vom Gericht geprüft wird und die Fortgeltung weiterhin sinnvoll erscheinender Weisungen bei dem Eintritt der neuen Führungsaufsicht angeordnet werden kann. V m . Entsprechende Geltung des § 6 8 a Abs. 8 (§ 68b Abs. 5)
45
Auch in Fällen, in denen die Betreuung der verurteilten Person nach Absatz 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung gemäß Absatz 2 Satz 2 nicht durch die forensische Ambulanz erfolgt, gelten nach Absatz 5 die Offenbarungspflichten des § 68a Abs. 8, also z.B. für niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten. Diese Offenbarungspflichten gehen zu weit (§ 68a Rdn. 24). Man wird die genannten Personenkreise aber weiterhin für die Nachsorge brauchen, solange die forensischen Ambulanzen den Nachsorgebedarf noch nicht decken können. Dem im RegE (BT-Drs. 16/1993, S. 20) konstatierten häufigen Unwillen niedergelassener Therapeuten und Ärzte zur Mitwirkung im Rahmen der Führungsaufsicht wird die Normierung von Offenbarungspflichten in diesem Umfang auch kaum entgegenwirken, wenn auch die Gleichbehandlung mit der forensischen Ambulanz konsequent ist.
IX. Anordnung der Weisungen 46
In den Fällen der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs (§ 68 Abs. 1) können Weisungen zugleich mit der Entscheidung des erkennenden Gerichts, aber auch nachträglich 864
Hendrik Schneider
Weisungen
§ 68b
gemäß § 68d von dem für nachträgliche Entscheidungen zuständigen Gericht angeordnet werden. Im ersteren Fall werden die Weisungen zugleich mit dem Urteil durch besonderen Beschluss verkündet (§ 268a Abs. 2 StPO). Vielfach, wenn auch nicht immer, wird es sich für das erkennende Gericht empfehlen, im Hinblick auf die noch unklare Entwicklung des Verurteilten im Strafvollzug Weisungen gänzlich der nachträglichen Entscheidung zu überlassen; vgl. auch § 68 Rdn. 28. Bei der Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§ 68 Abs. 2) ist zu unterscheiden: Entsteht die Aufsicht durch ein Urteil, in dem der Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel zugleich mit dem Urteil ausgesetzt wird (§ 67b), können Weisungen ebenfalls zusammen mit dem Urteil gemäß § 268a Abs. 2 StPO vom erkennenden Gericht angeordnet werden. In allen anderen Fällen der Führungsaufsicht kraft Gesetzes richtet sich die gerichtliche Zuständigkeit nach § 463 Abs. 1, 6 i.V.m. § 462a StPO.
X . Belehrung über Weisungen; Überwachung Ordnet das erkennende Gericht Weisungen an, hat der Vorsitzende den Betroffenen 4 7 gemäß § 268a Abs. 3 StPO über die Weisungen zu belehren, und zwar gegebenenfalls auch über die Möglichkeit einer Bestrafung nach S 145a bzw. über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung einer Unterbringung oder Strafe. Die Belehrung kann nachgeholt werden (§ 463 Abs. 1 i.V.m. § 453a StPO), wobei dies außer in Fällen von geringer Bedeutung mündlich geschehen soll; die Belehrung über eine Weisung nach Absatz 1 ist dabei grundsätzlich kein solcher Fall. Bei Weisungen, die gemäß § 68d nachträglich angeordnet werden, „soll" eine entsprechende Belehrung erfolgen ( S S 453a Abs. 3 i.V.m. 463 Abs. 1 StPO). Zur Überwachung der Weisungen vgl. § 68a Abs. 3 und dort Rdn. 8 ff. XI. Rechtsmittel gegen Weisungen; Wirksamwerden Gegen die Anordnung einer Weisung ist die Beschwerde zulässig, die nur darauf 4 8 gestützt werden kann, dass die Anordnung gesetzeswidrig ist (§§ 463 Abs. 2 i.V.m. 453 Abs. 2 StPO); wird die Anordnung vom erkennenden Gericht ausgesprochen und gegen dessen Urteil Revision eingelegt, ist das Revisionsgericht auch zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig (§ 305a Abs. 2 StPO). Zweifelhaft könnte sein, ob die Beschwerde gegen solche Weisungen nach Absatz 2 zulässig ist, bei denen eine Sanktion durch die Möglichkeit des Widerrufs einer Aussetzung (s. Rdn. 38) nicht gegeben ist, weil es insoweit an der für jedes Rechtsmittel vorausgesetzten Beschwer fehlen könnte. Man wird die Zulässigkeit zu bejahen haben, da auch eine nicht sanktionierte Weisung eine Beschwer bedeutet, an deren Beseitigung der Betroffene ein legitimes Interesse hat, zumal die Weisung bei der Entscheidung über die Dauer der Führungsaufsicht mittelbar relevant sein kann. Wirksam werden die Weisungen in Fällen der Anordnung durch das erkennende Gericht nie vor der Rechtskraft des Urteils. In den übrigen Fällen werden die Weisungen mit dem Eintritt der Aufsicht (dazu § 68c Rdn. 12 ff) wirksam. Die Einlegung einer Beschwerde hindert die Wirksamkeit nicht, falls nicht die Aussetzung der Vollziehung besonders angeordnet wird (§ 307 StPO).
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§ 68c
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
§ 68c Dauer der Führungsaufsicht (1) Die Führungsaufsicht dauert mindestens zwei und höchstens fünf Jahre. Das Gericht kann die Höchstdauer abkürzen. (2) Das Gericht kann eine die Höchstdauer nach Absatz 1 Satz 1 überschreitende unbefristete Führungsaufsicht anordnen, wenn die verurteilte Person 1. in eine Weisung nach § 56c Abs. 3 Nr. 1 nicht einwilligt oder 2. einer Weisung, sich einer Heilbehandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen, oder einer Therapieweisung nicht nachkommt und eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher Straftaten zu befürchten ist. Erklärt die verurteilte Person in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 nachträglich ihre Einwilligung, so setzt das Gericht die weitere Dauer der Führungsaufsicht fest. Im Übrigen gilt § 68e Abs. 3. (3) Das Gericht kann die Führungsaufsicht über die Höchstdauer nach Absatz 1 Satz 1 hinaus unbefristet verlängern, wenn 1. in Fällen der Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 2 aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass die verurteilte Person andernfalls alsbald in einen Zustand nach § 20 oder § 21 geraten wird, infolge dessen eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten zu befürchten ist, oder 2. gegen die verurteilte Person wegen Straftaten der in § 181b genannten Art eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde und sich aus dem Verstoß gegen Weisungen nach § 68b Abs. 1 oder Abs. 2 oder aufgrund anderer bestimmter Tatsachen konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher Straftaten zu befürchten ist. (4) In den Fällen des § 68 Abs. 1 beginnt die Führungsaufsicht mit der Rechtskraft ihrer Anordnung, in den Fällen des § 67b Abs. 2, des § 67c Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 4 und des § 67d Abs. 2 Satz 2 mit der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung oder zu einem gerichtlich angeordneten späteren Zeitpunkt. In ihre Dauer wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher die verurteilte Person flüchtig ist, sich verborgen hält oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. Schrifttum s. die Angaben bei § 66 und bei den Vorb. zu § 68.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist durch das 2. StrRG eingefügt worden. Durch Art. 1 Nr. 6 SexualdelikteBekG wurde in Absatz 2 die unbefristete Führungsaufsicht eingeführt, die durch Art. 1 Nr. 9 FührAufsRuaÄndG in Absatz 2 und besonders in Absatz 3 erweitert worden ist. Die Vorschrift zum Beginn der Führungsaufsicht ist - nunmehr in Absatz 4 - ebenfalls mit der jüngsten Reform neu gefasst worden.
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Dauer der Führungsaufsicht
§ 68c
Übersicht Rdn.
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I. Allgemeines Π. Die befristete Führungsaufsicht als Regelfall 1. Unbestimmte Dauer 2. Mindest- und Höchstfrist 3. Richterliche Abkürzung der Höchstfrist (Absatz 1 S. 2) ES. Unbefristete Führungsaufsicht nach Absatz 2 1. Allgemeines 2. Einzelheiten IV. Unbefristete Führungsaufsicht nach Absatz 3
Rdn. 1. Allgemeines 2. Einzelheiten V. Beginn der Führungsaufsicht 1. Bei Führungsaufsicht kraft Richterspruchs (Absatz 2 S. 1) 2. Bei Führungsaufsicht kraft Gesetzes 3. Sonderfall: unbefristete Führungsaufsicht
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VI. Die Nichteinrechnung nach Absatz 3 S. 2 1. Zweck 2. Anwendungsbereich 3. Voraussetzungen 4. Beweis und Verfahren
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27 29 30 31 32 33 39
I. Allgemeines Die Vorschrift enthält in Absatz 1 die gesetzgeberische Grundentscheidung über die regelmäßige Dauer der Führungsaufsicht, in Absatz 2 und im neu eingefügten Absatz 3 eine Sonderregelung für Spezialfälle und in Absatz 4 n.F. Bestimmungen über den Beginn der Führungsaufsicht und die Berechnung dafür relevanter Fristen nunmehr auch für Fälle der Führungsaufsicht kraft Gesetzes. In Einzelheiten ist die Vorschrift nur aus dem Zusammenhang mit anderen Bestimmungen verständlich zu interpretieren.
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Π. Die befristete Führungsaufsicht als Regelfall (Absatz 1) 1. Unbestimmte Dauer. Die Führungsaufsicht ist innerhalb der zeitlichen Grenzen des Absatz 1 grundsätzlich eine Maßregel von unbestimmter Dauer (OLG Koblenz N S t Z 2 0 0 0 92). Dies ergibt sich auch aus § 68e Abs. 2 und § 68f Abs. 2, wo bestimmt ist, dass das Gericht die Führungsaufsicht bei günstiger Prognose aufhebt. Wenn es zu einer solchen Aufhebung nicht kommt, endet die Führungsaufsicht gemäß Abs. 1 mit Ablauf ihrer Höchstfrist. Doch gilt auch dies dann nicht, wenn einer der anderen gesetzlichen Beendigungsgründe (§ 68e Rdn. 33 f) eintritt.
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Zu den Gründen für die Bestimmung der Höchstfrist, die bei den Gesetzberatungen umstritten war, s. Prot. IV, 981 f. 2. Die Mindest- und die Höchstfrist des Absatz 1 bilden jeweils absolute Schranken, die grundsätzlich weder unter- noch überschritten werden dürfen. Doch gilt auch dies wiederum nur, soweit das Gesetz selbst nichts anderes vorsieht oder zulässt. Insoweit ist zu beachten: Eine Verlängerung der Höchstfrist tritt ein in den Fällen des § 68g Absatz 1, wenn die Bewährungsfrist länger dauert als die Führungsaufsicht (§ 68g Abs. 1 S. 2; vgl. dort Rdn. 16); eine faktische Verlängerung der Höchstfrist entsteht weiter kraft Gesetzes in den Fällen des § 68c Abs. 4 S. 2 (Rdn. 31 ff) sowie beim richterlich angeordneten Ruhen der Führungsaufsicht gemäß § 68g Abs. 2, wenn es nicht zur Beendigung der Aufsicht nach § 68g Abs. 3 kommt. Eine Bindung an die Mindestfrist entfällt, wenn das Gericht eine versehentlich unterlassene Anordnung gemäß § 68f Abs. 2 später nachholt (vgl. § 68f Rdn. 18 f) oder wenn
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die Maßregel aufgrund des § 68e Abs. 1 S. 1 vorzeitig entfällt. Dabei ist § 68f Abs. 2 nach freilich umstrittener Meinung auch dann anwendbar, wenn ein Fall der gerichtlich angeordneten Führungsaufsicht (§ 68 Abs. 1) vorliegt, der Täter aber durch vollständige Verbüßung einer Freiheitsstrafe als „Vollverbüßer" der gesetzlichen Führungsaufsicht des § 68f Abs. 1 unterliegt (näher § 68f Rdn. 9 f). Im Übrigen gilt die Bindung an die Mindestfrist des § 68c Abs. 1 S. 1 jedoch grundsätzlich für alle Fälle der gerichtlich angeordneten oder kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht.1 Nicht zu folgen ist der gegenteiligen Auffassung von Horn SK § 68 Rdn. 14, der § 68f Abs. 2 auf alle Fälle der gesetzlich eintretenden Führungsaufsicht anwenden will. Die Auffassung Horns, die mit Wortlaut und Systematik des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen ist, beruht auf einer nicht überzeugenden Wertung der Berechtigung der Zweijahres-Mindestfrist; s. dazu näher § 68e Rdn. 15 ff, insbes. 24 ff, und eingehend Maier NJW 1977 731. Zu beachten bleibt jedoch, dass die grundsätzliche Bindung an die Mindestfrist nach der hier vertretenen Auffassung in seltenen Ausnahmefällen unverhältnismäßig und für das Gericht unverbindlich sein kann (näher § 68e Rdn. 10 ff, insbes. Rdn. 18, 24 f). 4
3. Die richterliche Abkürzung der Höchstfrist (Absatz 1 S. 2). Gemeint ist in Absatz 1 S. 2 die richterliche Abkürzung bei Entscheidungen, durch die Führungsaufsicht eintritt, weil sich die Abkürzung nach Eintritt als nachträgliche Entscheidung i.S.d. § 68d darstellt. a) Die Abkürzung unterliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts („kann"). Absatz 1 S. 2 stellt sich insoweit als eine auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Ausnahme von der gesetzgeberischen Regelvermutung dar, dass es im Zweifel zunächst angezeigt ist, die Führungsaufsicht bis zur möglichen Höchstfrist vorzusehen. Da das Gesetz auch die nachträgliche Korrektur kennt (§ 68d), muss es sich um Fälle handeln, in denen die Höchstfrist von vornherein verfehlt erscheint. Zu restriktiv wird Absatz 1 S. 2 allerdings ausgelegt, wenn Abkürzungsentscheidungen, die keine Reaktion (gemäß § 68d) auf eine Bewährung in Freiheit darstellen, zu seltenen Ausnahmefällen erklärt werden und als Beispiel eine die Delinquenz ausschließende Erkrankung der verurteilten Person angeführt wird.2 Die Möglichkeit, die Höchstfrist abzukürzen, sollte das Gericht vielmehr beim Eintritt der Führungsaufsicht kraft Gesetzes stets wahrnehmen, wenn die materiellen Voraussetzungen dieser Maßregel (vgl. § 68 Rdn. 9 ff) nicht gegeben sind ( G r o ß MK Rdn. 4). Das muss etwa beim Eintritt der Führungsaufsicht gemäß § 67b (Hanack LK 11 Rdn. 7) oder nach § 67c Abs. 1 keine Ausnahme sein. Unter Umständen macht es schon in den Fällen der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs (§ 68 Abs. 1) einen Unterschied, wegen welchen Katalogdelikts die Anordnung erfolgt. Wenn sich die Verhinderung weiterer Straftaten, ohne Ausschöpfung der Höchstfrist zu erreichen lassen scheint, wäre die unterlassene Abkürzung, unbeschadet des § 68d, ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
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b) Ob die Strafhöhe als Grund für eine vorzeitige Abkürzung der Höchstfrist Bedeutung besitzt, könnte zweifelhaft sein. Dass die Strafhöhe in gewissem Umfang ein Indiz für die Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit des Täters darstellt, ist zwar evident. Nicht
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Maier NJW 1977 371; Groß MK Rdn. 8; Lackner/Kühl Rdn.l, § 68e Rdn. 1; Sch/Schröder/Stree Rdn. 1, 2, % 68e Rdn. 4 (Stree aaO § 68e Rdn. 12 stimmt entgegen Horn SK 14 dessen Auffassung nicht genau in diesem Punkt zu); Fischer Rdn. 2; vgl. zum Ganzen
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auch ausführlich (und kritisch zur h.M.) Frehsee/Ostendorf § 68e Rdn. 7 ff. So aber OLG Koblenz NStZ 2 0 0 0 92; zustimmend Sch/Schröder/Stree Rdn. 1; zutreffend kritisch dagegen Frehsee/Ostendorf Rdn. 3.
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so sicher ist jedoch, ob die geringe Strafhöhe auch als Kriterium der Abkürzung verwendet werden darf, wie das bei § 56a zum Teil befürwortet wird (streitig). Denn anders als bei § 56a, wo sich die Dauer der Bewährungsfrist vielleicht noch in spezifischer Verbindung mit der Aussetzung einer Strafe, also mit dem Strafübel, sehen lässt, betrifft die Entscheidung hier eine „reine" Maßregel. Man könnte daher daran denken, dass die Strafhöhe, entsprechend dem Zweck des Maßregelrechts, außer Betracht zu bleiben habe, weil sie ja mit diesem Zweck nichts zu tun hat (so Frehsee/OStendorf Rdn. 6: Strafhöhe nur von Bedeutung, wenn sie Prognosetatsachen liefert). Doch sprechen die besseren Gründe wohl für die gegenteilige Annahme: Das differenzierte Maßregelsystem des heutigen StGB macht die Maßregeleinwirkung in starkem Maße nicht nur von der Gefährlichkeit des Täters, sondern auch von Art und Gewicht seiner begangenen Straftaten abhängig, um so, wie auch die gesetzgeberischen Beratungen immer wieder zeigen, Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit (vgl. auch § 62: „Bedeutung der begangenen Taten") zu berücksichtigen. Wenn aber das Gesetz in dieser Weise verfährt, kann auch der Richter nicht umhin, die Beziehung zur Straftat über den Wortlaut des § 62 hinaus mit zu bedenken, wenn ihm, wie hier, die Entscheidung über die Intensität (Dauer) der Maßregel nach pflichtgemäßem Ermessen mit anvertraut ist. Die Abkürzung der Höchstfrist ist kein Mittel zur Erleichterung der Anordnungs- 6 Voraussetzungen bei der Führungsaufsicht gemäß § 68 Abs. 1. Das Gericht kann also bei der Prüfung, ob es die Aufsicht nach pflichtgemäßem Ermessen anordnet (vgl. § 68 Rdn. 19 ff), nicht zugunsten der Anordnung in die Waagschale werfen, dass die dem Betroffenen zugemutete Belastung bei Abkürzung der Höchstfrist eine geringere ist. Dies steht nicht im Widerspruch zu den Ausführungen unter Rdn. 5. Denn die vom Gesetz vorgesehene Höchstfrist markiert, im Hinblick auf das Gewicht der Maßregel, eine Höhenmarke für die Belastung des Täters; die Abkürzungsmöglichkeit dient der Korrektur von Unzuträglichkeiten, die damit im Einzelfall verbunden sein können, bedeutet aber keine Verschiebung des vorausgesetzten Gewichts der Maßregel selbst. Der Zweck des Absatz 1 S. 2 ist, in Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Korrektur der gesetzgeberischen Regelvermutung zu ermöglichen, wo sie nicht passt. Erwägungen, ob eine sofortige Abkürzung als Vertrauenssignal die Persönlichkeit des Verurteilten stabilisieren oder ihm umgekehrt einen Anreiz nehmen würde, durch sein Verhalten eine Abkürzung gemäß § 68d zu erreichen, sind daher für die Entscheidung weniger von Bedeutung. 3 c) Zuständig für die Herabsetzung ist in den Fällen der Führungsaufsicht kraft Riehterspruchs (§ 68 Abs. 1) das erkennende Gericht. Es trifft seine Entscheidung durch Beschluss, der mit dem Urteil zu verkünden ist (§ 268a Abs. 1, 2 StPO). Die Anfechtung des Beschlusses richtet sich nach § 305a StPO, eine eventuelle Vollzugshemmung nach § 307 StPO. Soweit eine Abkürzung der Höchstfrist bei der Führungsaufsicht kraft Gesetzes zugleich mit der die Führungsaufsicht anordnenden oder auslösenden Entscheidung in Betracht kommt, ist das für diese Entscheidung zuständige Gericht auch für die Abkürzung zuständig, d.h.: in den Fällen des § 67b das erkennende Gericht, in den Fällen der §§ 67c Abs. 1, 2, 67d Abs. 2, 3 die Vollstreckungskammer (§ 463 i.V. mit §§ 462, 462a StPO). d) Ein Widerruf der Abkürzung ist gemäß § 68d zulässig (vgl. dort Rdn. 3). 3
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Hanack LK 11 Rdn. 8; aA Groß MK Rdn. 4; Fischer Rdn. 3.
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ΙΠ. Unbefristete Führungsaufsicht nach Absatz 2 9
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1. Allgemeines. Mit dem durch das SexualdelikteBekG eingeführten Absatz 2 wurde für alle Fälle der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs und kraft Gesetzes - die Möglichkeit geschaffen, eine unbefristete Führungsaufsicht anzuordnen, wenn der Betroffene eine für erforderlich gehaltene Therapie (§ 68b Abs. 2 Satz 3 n.F. i.V. mit § 56c Abs. 3) verweigert. Die schon bei den Gesetzesberatungen umstrittene Neuregelung 4 wurde in den Gesetzesmaterialien 5 damit begründet, dass an die fehlende Einwilligung in die Therapie bei der Führungsaufsicht, anders als bei der Strafaussetzung zur Bewährung, keine Konsequenzen geknüpft seien, jedoch gerade hier ein besonderes Bedürfnis bestehe, dass sich der „als besonders gefährlich erkannte Straftäter" einer Heilbehandlung unterzieht, um die Rückfallwahrscheinlichkeit zu reduzieren. Erwogene andere Wege, dieses Bedürfnis zu sanktionieren (etwa die Einweisung auch voll schuldfähiger Sexualdelinquenten in psychiatrische Krankenhäuser oder sozialtherapeutische Anstalten als eigenständige Sanktion), hielt der Gesetzgeber aus praktischen (Mangel an Therapieplätzen und Personal, Folgekosten), aber auch sanktionssystematischen, das Verhältnis der Maßregel zur Strafe betreffenden Gründen nicht für gangbar. 6 Die genannte Begründung überzeugt schon deswegen nicht voll, weil es im Bereich der Heilbehandlungen auch Weisungen gibt, die der Zustimmung des Betroffenen nicht bedürfen (vgl. Rdn. 13) und beim Verstoß gegen diese Weisungen in den Fällen einer ausgesetzten Unterbringung unter den Voraussetzungen des § 67g Abs. 1 Nr. 2 ein Widerruf der Aussetzung in Betracht kommt. 2. Einzelheiten
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a) Verweigerte Heilbehandlung. Zulässig ist die Anordnung der unbefristeten Führungsaufsicht (zu unterscheiden von der unbefristeten Verlängerung der Führungsaufsicht in den mit Absatz 3 n.F. neu eingefügten Fällen) nur in den beiden in Absatz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Fallgruppen.
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Nr. 1 greift ein, wenn der Betroffene die nach § 56c Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 68b Abs. 2 Satz 2 notwendige Einwilligung zu einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder zu einer Entziehungskur verweigert, die beabsichtigte Weisung also deswegen nicht erteilt werden kann. Gleichzustellen ist der Fall, dass der Betroffene die erteilte Einwilligung später widerruft.
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Nr. 2 gilt für zulässigerweise erteilte Weisungen, denen der Betroffene nicht nachkommt. Erfasst sind nicht nur Weisungen gemäß § 56c Abs. 3 Nr. 1, in die der Proband eingewilligt hat, sondern auch erteilte Weisungen zu Heilbehandlungen ohne körperlichen Eingriff, da für sie nach § 56c das Einwilligungserfordernis nicht gilt. Als Anwendungsfall der Nr. 2 ausdrücklich genannt ist seit der Reform im Jahre 2 0 0 7 auch die Therapieweisung gemäß § 68b Abs. 2 n.F. (vgl. dazu § 6 8 b Rdn. 41). Das „Nicht-Nachkommen" verlangt einen schuldhaften Verstoß. 7 Gegeben ist das Merkmal auch, wenn der Betroffene die Behandlung oder Kur ohne zwingenden Grund wiederholt so unterbricht, dass sich von einer Erfüllung der Weisung ernsthaft nicht mehr sprechen lässt.
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Vgl. Fischer Rdn. 6; differenzierte Stellungnahmen aus dem Schrifttum z.B.: Schall/ Schreibauer N J W 1997 2419; Schöch N J W 1998 1260; Hammerschlag/Schwarz NStZ 1998 325.
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Gesetzentwurf des Bundesrats, BTDrucks. 13/7559, S. 11; Berichts des Rechtsausschusses, BTDrucks. 13/9062, S. 10 f. Näher dazu Fischer Rdn. 7. Groß MK Rdn. 9; Lackner/Kühl Rdn. Id.
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b) Gefahr erheblicher Straftaten. Da die unbefristete Führungsaufsicht für den Betroffenen eine besondere Belastung bedeutet, stellt das Gesetz aus Gründen der Verhältnismäßigkeit an die ungünstige kriminelle Prognose strengere Anforderungen als bei § 68. Die Auslegung der dafür benutzten Formulierung („Gefährdung ... zu befürchten ist") unterliegt den charakteristischen Schwierigkeiten, die sich im Maßregelrecht auch sonst bei den jeweils etwas verschiedenen Umschreibungen der künftigen Gefährlichkeit des Täters ergeben.8 Man wird annehmen müssen: Die „Befürchtung" weiterer Straftaten verlangt eine konkrete Gefahr 9 solcher Taten. Sie erfordert, wie das richtigerweise schon für § 68 zu verlangen ist (§ 68 Rdn. 13), eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten. Bezüglich der „Erheblichkeit" der drohenden Taten sind mit Rücksicht auf die Intensität des Eingriffs die Maßstäbe des § 66 Abs. 1 Nr. 3 heranzuziehen („Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird"). 10 Zu beachten ist, dass das Gesetz auf „weitere" erhebliche Straftaten abstellt: Die unbefristete Führungsaufsicht darf danach also nur angeordnet werden, wenn der Täter solche Straftaten bereits begangen hat.
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Warum das Gesetz eine Gefährdung „der Allgemeinheit" verlangt, wird aus den Gesetzesmaterialien nicht ersichtlich. Da heute - bei § 63 und § 66 - anerkannt ist, dass die Klausel grundsätzlich auch solche Fälle erfasst, in denen der Täter nur für eine konkrete Person, etwa den Ehepartner, oder ein sonstiges konkretes Rechtsgut gefährlich ist, 11 wird man die Begriffe „Gefährdung der Allgemeinheit" (mit Groß MK Rdn. 10) als Leerformel ansehen müssen; die gebotene restriktive Handhabung erreicht man durch die sachgerechte Auslegung der anderen materiellen Voraussetzungen (Rdn. 14).
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Erforderlich ist im Übrigen, dass die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten des Betroffenen speziell aufgrund der Therapieverweigerung besteht,12 da die unbefristete Führungsaufsicht überhaupt nur bei solcher Verweigerung zulässig ist.
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c) Fakultative Anordnung. Die Anordnung der unbefristeten Führungsaufsicht steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts („kann"). Es wird dabei, insoweit ähnlich wie bei § 68 (vgl. näher § 68 Rdn. 20 ff), insbesondere den Grad der bestehenden Gefahr weiterer Straftaten und die mutmaßliche Wirkung sonstiger Einwirkungen auf den Betroffenen berücksichtigen. Es wird aber auch Gründe für eine Weigerung, die Geeignetheit und die Verhältnismäßigkeit in Rechnung stellen. Da die Gefährdung i.S.d. § 68c Abs. 2 speziell auf der Therapieverweigerung beruhen muss (Rdn. 16), kommt ihre Abwehr durch die zweckmäßige Ausgestaltung milderer Maßnahmen wohl nur selten in Betracht.
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Dazu Rdn. 144 ff Vor § 61; weiterführend H. Schneider Grundlagen der Kriminalprognose, Diss. Mainz 1996; ders. StV 2 0 0 6 99; Brettel StV 2 0 0 5 99. So auch Lackner/Kühl Rdn. lb; weniger streng Groß MK 10, der sich an den für § 68 Abs. 1 geltenden Grundsätzen orientiert; etwas zu eng Hanack LK 11 , der eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit solcher Taten" verlangt. Fischer Rdn. 7, der sich allerdings auch auf § 67d Abs. 3 S. 1 bezieht - diese Vorschrift
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nennt Straftaten, die schweren wirtschaftlichen Schaden anrichten, nicht; weniger streng Groß Rdn. 10 („mittelschwere Kriminalität"); Hanack LK 11 Nachtrag Rdn. 7 und Sch/Schröder/Stree, Rdn. 2 i.V.m. § 63 Rdn. 15, die darauf abstellen, dass ernstlich der Rechtsfriede bedroht ist. Vgl. für § 63 nur BGH JR 1996 2 9 0 mit Anm. Laubenthal und weit. Nachw. So auch Freh see/O Stendorf NK Rdn. 8; Horn SK Rdn. 4; Fischer Rdn. 8.
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d) Nachträgliche Einwilligung. Willigt der Betroffene nachträglich in die verweigerte Weisung nach § 56c Abs. 3 Nr. 1 (i.V.m. § 68b Abs. 4 Satz 2) ein, gilt die recht unklare Regelung des § 68c Abs. 2 Satz 2. Gemeint ist ersichtlich: Das Gericht wird die in Frage stehende Weisung erteilen, wenn dafür noch ein Bedürfnis besteht (was bei veränderten Umständen, insbesondere nach längerem Zeitablauf, nicht unbedingt der Fall sein muss). Jedenfalls aber hat es die weitere Dauer der Führungsaufsicht festzusetzen, d.h. abweichend von § 68c Abs. 1 konkret zu bestimmen.13 Für diese Festsetzung gilt der Fristrahmen des Absatz 1, weil mit der Einwilligung der Grund für die Anordnung der unbefristeten Aufsicht weggefallen ist. Jedoch verlängert sich die Frist um den Zeitraum von der Anordnung der unbefristeten Führungsaufsicht bis zur Einwilligung, damit nicht kurz vor Ablauf der Höchstfrist die verurteilte Person eine praktisch wertlose Einwilligung erteilen kann.14
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e) Nachträgliche Befolgung einer Weisung. Nicht geregelt hat das Gesetz den Fall, dass gegen den Verurteilten unbefristete Führungsaufsicht angeordnet ist, weil er einer zulässigen Weisung gemäß § 68c Abs. 2 Nr. 2 nicht nachgekommen ist, er dies dann aber nachträglich tut. Da die unbefristete Aufsicht auch dann ihre Berechtigung verliert, wird man Satz 2 entsprechend anwenden dürfen und müssen.15
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f) Verfahrensrechtliches. In den Fällen des Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 wird die unbefristete Führungsaufsicht - gegebenenfalls - von dem Gericht angeordnet, das die Weisung erteilen wollte; vgl. dazu § 68b Rdn. 46. In den Fällen des Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 ist die Anordnung der unbefristeten Aufsicht regelmäßig nur als nachträgliche Entscheidung möglich. Zuständigkeit und Verfahren richten sich bei nachträglichen Entscheidungen nach § 463 Abs. 1 und 2 i.V. mit § 453 und § 462a StPO. Gleiches gilt für die nachträgliche Umwandlung der unbefristeten Aufsicht in eine befristete (Rdn. 18 f) sowie für die Fälle, in denen der Verurteilte eine gemäß Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 erteilte Einwilligung später widerruft (vgl. Rdn. 12).
IV. Unbefristete Führungsaufsicht nach Absatz 3 21
1. Allgemeines. Durch Art. 1 Nr. 9 FührAufsRuaÄndG sind neue Möglichkeiten geschaffen worden, Führungsaufsicht unbefristet zu verlängern. Die beiden Alternativen des Absatz 3 setzen wie Absatz 2 jeweils voraus, dass eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher Taten seitens der verurteilten Person zu befürchten ist. Absatz 3 Nr. 1 betrifft Fälle, in denen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ausgesetzt wurde. Nach dem Regierungsentwurf kommt die Anwendung der Vorschrift etwa dann in Betracht, wenn ein Proband zwar während der Führungsaufsicht einer Weisung nach § 68c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 nachkommt, aber kurz vor dem Ende der Bewährungs- oder Führungsaufsichtszeit ankündigt, die Medikamenteneinnahme 13
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Warum das Gesetz insoweit von § 68c Abs. 1 abweicht, wonach die Führungsaufsicht unstreitig eine Maßregel von unbestimmter Dauer ist (Rdn. 1), ist den veröffentlichten Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen; es erscheint für die vermutliche Mehrzahl der Fälle wenig einleuchtend. Ebenso Fischer Rdn. 10; aA Groß MK
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Rdn. 14, der diese Verlängerungsmöglichkeit für sinnvoll, aber nicht für vereinbar mit dem Gesetz hält; Hanack LK 11 Nachtrag Rdn. 11, Horn SK Rdn. 6; Lackner/Kühl23 Rdn. le; Sch/Schröder/Stree Rdn. 3. Ebenso Horn SK Rdn. 6; Fischer Rdn. 10; abweichend Groß MK Rdn. 15.
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Dauer der Führungsaufsicht
danach einstellen zu wollen (BT-Drs. 16/1993, S. 21). Absatz 3 Nr. 2 ist durch die Bezugnahme auf § 181b ausschließlich auf Sexualdelinquenten anwendbar. Diese müssen zuvor zu einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht gewesen sein. Begründet wird die Neuregelung mit einem erhöhten langfristigen Rückfallrisiko bei dieser Deliktsgruppe (RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 21). Das Bedürfnis nach der Neuregelung des Absatz 3 Nr. 1 ist nachvollziehbar. 16 Dennoch müssen Entscheidungen nach dieser Vorschrift wohl aus rechtsstaatlichen, aber auch aus praktischen Gründen - z.B. wegen des mit ihnen verbundenen Begutachtungsaufwandes und des zusätzlichen Bedarfs an Bewährungshelfern (vgl. DBH [Kerner] BewH 2006 52) - eher die Ausnahme bleiben.
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Sehr zweifelhaft ist dagegen, ob die Vorschrift des Absatz 2 Nr. 2 sachgerecht ist. 17 Die Begründung des Regierungsentwurfs vermag nicht zu überzeugen, weil das Rückfallrisiko bei den verschiedenen Sexualdelikten sehr unterschiedlich ist und nicht pauschal als „langfristig erhöht" bezeichnet werden kann. 1 8 2. Einzelheiten a) Nr. 1: Aufgrund bestimmter Tatsachen müssen Gründe für die Annahme bestehen, dass die Person, deren Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt wurde, ohne die Verlängerung der Führungsaufsicht in einen Zustand nach § 2 0 (Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen) oder § 21 (verminderte Schuldfähigkeit) geraten wird. Da eine „Tatsache" nichts Zukünftiges bezeichnen kann, wäre in dem vom Regierungsentwurf genannten Beispielsfall (Rdn. 21) auf die der Ankündigung zu entnehmende aktuell fehlende Bereitschaft abzustellen, die Medikamenteneinnahme fortzusetzen („innere Tatsache"). Dass eine Gefährdung i.S.d. Absatz 3 zu befürchten ist, muss darauf beruhen, dass ein Zustand gemäß §§ 20, 21 eintreten könnte („infolge dessen"). Die Nr. 1 setzt nicht voraus, dass Straftaten zu befürchten sind, sondern lässt „rechtswidrige Taten" genügen, was mit der Bezugnahme der Vorschrift auf § 2 0 zu erklären ist.
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Nr. 2: Aufgrund bestimmter Tatsachen müssen sich konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung i.S.d. Absatz 3 ergeben. Verstöße gegen Weisungen (sowohl strafbewehrte gemäß § 68b Abs. 1 als auch nicht strafbewehrte gemäß § 68b Abs. 2 wie die Therapieweisung) werden als solche Tatsachen vom Gesetz hervorgehoben. Aus Verstößen gegen Weisungen gemäß Absatz 1, die bloßen Ungehorsam darstellen (Nr. 1, 7, 8, 9), werden sich die erforderlichen Anhaltspunkte allerdings kaum je ergeben. In Betracht kommen werden bei vorangegangener Sexualdelinquenz des Verurteilten vorrangig die Weisungen gemäß § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 - 4 .
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b) Gefahr erheblicher Straftaten. Insoweit gilt das in Rdn. 14 (bzgl. der Gefährdung „der Allgemeinheit" in Rdn. 15) Gesagte entsprechend (mit der Einschränkung, dass Taten, durch die schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, jedenfalls in Fällen
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Begrüßt wird die Neuregelung von Peglau NJW 2 0 0 7 1560; zustimmend schon Koller Stellungnahme Rechtsausschuss (§ 68a Fn. 24), S. 8; Vollbach MschrKrim. 2 0 0 6 43. Koller Stellungnahme Rechtsausschuss (§ 68a Fn. 24), S. 8 f m.w.N., befürwortet die Neuregelung. Oessecker Stellungnahme
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Rechtsausschuss, S. 9, bezeichnet generell Spezialregelungen für die Gruppe der Sexualstraftäter als „fragwürdig". Vgl. Oessecker aaO (vor. Fn.), S. 7 f; auch Koller aaO (vor. Fn.), S. 8 geht „von einem besonders langen Risikozeitraum" nur „bei Teilen dieser Tätergruppe" aus.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
des Absatz 3 Nr. 2 keine Rolle spielen dürften). So wird die restriktive Auslegung gewährleistet, die angesichts des einschneidenden Eingriffs geboten ist. 26
c) Sonstiges. Auch die unbefristete Verlängerung der Führungsaufsicht gemäß Absatz 3 ist eine richterliche Ermessensentscheidung (vgl. dazu schon Rdn. 17). Namentlich der Grad der Gefahr einer erheblichen Tat sowie Eignung und Erforderlichkeit der Verlängerung zur Gefahrenabwendung sind hier zu berücksichtigen, was in Absatz 3 Nr. 1 schon zum Ausdruck kommt („anderenfalls"). Soweit die Gefährdung auf ein Verhalten der verurteilten Person - z.B. einen Weisungsverstoß - zurückgeführt wird, sind auch die Gründe für dieses Verhalten zu beachten. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass es sich bei der unbefristeten Verlängerung der Führungsaufsicht regelmäßig um eine nachträgliche Entscheidung handeln wird und sich Zuständigkeit und Verfahren dann nach den §§ 463 Abs. 1 i.V.m. § 453 und § 462a StPO richten.
V. Beginn der Führungsaufsicht 27
1. Führungsaufsicht kraft Richterspruchs. Ordnet das erkennende Gericht Führungsaufsicht an (§ 68 Abs. S. 1 oder auch § 68c Abs. 2), beginnt gemäß Absatz 4 S. 1 die Aufsicht „mit der Rechtskraft der Anordnung". a) „Anordnung" ist normalerweise das Urteil, so dass es also auf dessen Rechtskraft ankommt. Wenn neben dem Urteil Beschlüsse nach § 268a StPO ergehen, kann es vorkommen, dass über sie erst nach Rechtskraft des Urteils im Beschwerdeverfahren entschieden wird (§ 305a StPO). Für die Führungsaufsicht ist das Urteil die entscheidende „Anordnung"; die Beschlüsse nach § 268a StPO betreffen nur Modalitäten, wobei zu beachten ist, dass es sich vielfach empfiehlt, sie überhaupt erst später zu treffen (s. § 68 Rdn. 28). Es erscheint daher sachgerecht, stets auf die Rechtskraft des Urteils abzuheben. 19
28
b) Führungsaufsicht während des Strafvollzugs. Verbüßt der Täter unmittelbar nach Rechtskraft zunächst Freiheitsstrafe, ruht nach § 68e Abs. 1 S. 2 n.F. die Führungsaufsicht. Das führt dazu, dass ihr Einwirkungssystem suspendiert ist. 20 Der Gesetzgeber trägt nunmehr dem schon zuvor anerkannten 2 1 Umstand Rechnung, dass der Strafvollzug ein in sich geschlossenes System von Einwirkungen enthält, neben dem für das Instrumentarium der Führungsaufsicht regelmäßig kein Platz ist. In Einzelfällen soll allerdings bei der Vollstreckung einer kurzen Freiheitsstrafe eine die Entlassung vorbereitende Betreuung durch die Bewährungshilfe nicht ausgeschlossen sein (RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 22), was sich zumindest bis zum Inkrafttreten landesrechtlicher Gesetze auch noch mit der Vorschrift des § 154 Abs. 2 StVollzG begründen lässt. Im Übrigen soll ausreichen, dass der Bewährungshelfer, der nach der Haftentlassung die Betreuung übernehmen wird, frühzeitig mit dem Gefangenen in Kontakt tritt, um eine angemessene Entlassungsvorbereitung zu gewährleisten (RegE aaO).
19
So auch RegE, BTDrucks. 16/1993, S. 21; Lackner/Kühl Rdn. 2; Fischer Rdn. 9.
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20 21
Vgl. auch Hanack LK11 § 68g Rdn. 22. Hanack LK11 Rdn. 22.
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§ 68c
Dauer der Führungsaufsicht
2. Beginn der Führungsaufsicht kraft Gesetzes. Hier ist zu unterscheiden:
29
Entsteht die Führungsaufsicht ohne besondere gerichtliche Entscheidung allein mit der tatsächlichen Entlassung aus dem Vollzug (§ 67d Abs. 5, soweit die Vorschrift nach BVerfGE 91 1 noch gilt, 22 § 68f), kommt es auf den Entlassungszeitpunkt an. 2 3 Dieser ist daher von der entlassenden Stelle aktenmäßig sorgfältig festzuhalten. Bei Zweifeln oder Einwendungen wird das Gericht (§ 458 i.V.m. § 463 Abs. 1 StPO) zu entscheiden haben. Gesetzlich geregelt sind seit der jüngsten Reform die Fälle, in denen der Eintritt der Führungsaufsicht von einer anderen gerichtlichen Entscheidung abhängig ist (§ 67b Abs. 2, § 67c Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 4, § 67d Abs. 2 S. 2). Die Führungsaufsicht beginnt hier mit der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung oder zu einem gerichtlich (in der Aussetzungsentscheidung, vgl. RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 21) angeordneten späteren Zeitpunkt. 3. Sonderfall: Anordnung der unbefristeten Führungsaufsicht (Absatz 2). Wird sie vom erkennenden Gericht angeordnet, beginnt sie mit der Rechtskraft des Urteils (Rdn. 27). Erfolgt sie im Rahmen einer Aussetzungsentscheidung gemäß § 67c Abs. 1, 2 oder § 67d Abs. 2, 3, ist für ihren Beginn die Rechtskraft dieser Entscheidung maßgebend (Rdn. 29). Entsprechendes gilt, wenn sie auf einer Entscheidung im Rahmen des § 67b Abs. 2 beruht oder als nachträgliche Entscheidung gemäß § 68d angeordnet wird.
30
V. Die Nichteinrechnung nach Absatz 4 S. 2 1. Zweck. Die Bestimmung erklärt sich aus dem Gedanken, dass die Führungsauf- 31 sieht Betreuung und Überwachung des Verurteilten in Freiheit bedeutet, es daher „zweckwidrig (wäre), in ihre Dauer auch solche Zeiten einzurechnen", in denen eine derartige Führung „in der Freiheit unmöglich ist" (Begr. ζ. E 1962 S. 222; vgl. auch Mainz NStZ 1989 61). 2. Für den Anwendungsbereich der Bestimmung ist zu beachten, dass sie dort nicht eingreift, wo die „Verwahrung in einer Anstalt" zur Beendigung der Führungsaufsicht führt, nämlich in den Fällen des § 68e Abs. 1 Nr. 1, 2 n.F. Hingegen gilt Absatz 4 S. 2 im Übrigen in den Fällen der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs, selbst wenn der Täter zunächst einmal Freiheitsstrafe verbüßt; denn in diesen Fällen hat die Führungsaufsicht nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (Abs. 4 S. 1) „begonnen", mag sie auch gemäß § 68e Abs. 1 S. 2 n.F. ruhen.
32
Außer in den genannten Fällen hat die Bestimmung Bedeutung vor allem, wenn der Verurteilte in Freiheit unter Führungsaufsicht steht und es nun zu einer „Unterbrechung" dieser Einwirkungen aus einem der in Absatz 4 S. 2 genannten Gründe kommt. 3. Voraussetzung der Nichteinrechnung ist, dass der Täter flüchtig ist, sich verborgen hält oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. a) Der Täter ist flüchtig oder hält sich verborgen, wenn er mit der Absicht (dazu Rdn. 34), sich den zuständigen Behörden zu entziehen, untertaucht, um für sie unerreich22 23
Fischer § 67d Rdn. 7. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 12; Groß MK Rdn. 17; Horn SK Rdn. 9; Lackner/Kühl
Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 9.
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Rdn. 4; Fischer
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33
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
bar zu sein. Die beiden Merkmale sind dem § 112 StPO entnommen. Beim Flüchtig-Sein ist das Wesentliche, dass der Täter die eigene Wohnung verlässt, ohne dass er eine neue bezieht oder über eine feste Anschrift erreichbar ist (Meyer-Goßner § 112 Rdn. 13). Eine Reise ins Ausland kann, selbst wenn der Aufenthaltsort des Täters bekannt ist, reichen. 24 Beim Sich-verborgen-Halten ist entscheidend, dass der Täter den Behörden seinen Aufenthalt vorenthält, insbesondere indem er unangemeldet oder unter falschem Namen lebt (vgl. Meyer-Goßner § 112 Rdn. 14). Stets muss es sich um ein Verhalten handeln, durch das sich der Täter gerade den für die Führungsaufsicht zuständigen Organen entzieht (und nicht z.B. rachsüchtigen Opfern, Groß MK Rdn. 18). Die Frage, ob auch ein Sich-Entziehen reicht, das nicht die spezielle Sache betrifft, ist jedenfalls für § 68c nach dem Zweck dieser Vorschrift zu verneinen. 34
Bei beiden Formen des Sich-Entziehens wird der Täter regelmäßig mit entsprechender Absicht handeln. Zweifelhaft ist jedoch, ob eine derartige Absicht auch erforderlich ist. Obwohl es dem Gesetz, etwas anders als bei § 112 StPO, nur um die fehlende Einwirkungsmöglichkeit der zuständigen behördlichen Organe geht, wird man die Frage bejahen müssen. 25 Schon der Wortsinn der beiden Begriffe spricht für ein solches finales Moment. Es einzubauen ist mindestens auch nicht zweckwidrig, weil die ohnedies kritische Frage des Beweises, ob der Täter flüchtig war oder sich verborgen hielt (dazu Rdn. 39), sonst noch problematischer wird.
35
Des Weiteren verlangen beide Formen des Sich-Entziehens ein länger dauerndes Verhalten. 26 Es besteht kein Anlass, kürzere Zeiten, etwa ein Wochenende, mit der Bestimmung zu erfassen. Schwer zu bestimmen ist freilich, wo die kritische Grenze anzusetzen ist. Abstrakt lässt sich wohl nur sagen, dass es sich um eine für die Durchführung der Führungsaufsicht relevante Zeitdauer handeln muss. - Ein Verstoß gegen Weisungen gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 1, 7, 8 begründet für sich allein noch nicht die Annahme, dass der Täter flüchtig ist oder sich verborgen hält.
36
b) Auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt ist der Täter grundsätzlich bei jeder hoheitlich angeordneten und durchgeführten Freiheitsentziehung. Die Fälle des § 68e Abs. 1 Nr. 1, 2 werden von der Bestimmung nicht erfasst (Rdn. 32). Erforderlich ist, entsprechend dem Zweck der Bestimmung (Rdn. 31), auch hier, dass die Entziehung eine gewisse Dauer erreicht, also ein solches Gewicht besitzt, dass sich im Einzelfall von einer Beeinträchtigung der Führungsaufsicht sprechen lässt. Vor allem deswegen ist die Interpretation der Vorschrift nicht ohne weiteres identisch mit Auslegungen, die ähnliche Bestimmungen des StGB (§§ 79a Nr. 3, 120 Abs. 4, aber auch § § 4 4 Abs. 3 S. 2, 45b Abs. 2, 66 Abs. 4 S. 3, 67c Abs. 2 S. 2, 70a Abs. 2 S. 3) gefunden haben. Als Verwahrung i.S. der Vorschrift kommt namentlich in Betracht: die Verbüßung von Freiheitsstrafe (vgl. Rdn. 28) einschließlich Jugendstrafe sowie Jugendarrest (Kurzarrest und Dauerarrest); Untersuchungshaft, einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO oder Anstaltsuntersuchung gemäß § 81 StPO; Auslieferungshaft; Abschiebehaft nach § 62 AufenthG; Disziplinararrest nach der WDO; Heimerziehung gemäß § 12 Nr. 2
24
25
Groß M K Rdn. 18; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6; vgl. auch Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 15. Sachlich übereinstimmend Frehsee/Ostendorf
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aaO; Lackner/Kühl Rdn. 4; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 6 f. Frehsee/Ostendorf aaO; Groß M K Rdn. 18; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6 f.
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Dauer der Führungsaufsicht
JGG; Verbüßung von Ordnungshaft (§ 51 StPO i.V. mit Art. 6 Abs. 2 EGStGB, § 70 StPO) oder Erzwingungshaft (§ 96 OWiG); Unterbringung nach den Unterbringungsgesetzen der Länder (vgl. § 63 Rdn. 158 ff). Nach dem Zweck der Vorschrift reicht eine Verwahrung im Ausland (Groß MK Rdn. 18; vgl. auch BGHSt. 24 62). Auf die Rechtmäßigkeit der Verwahrung kommt es, wenn sie nur auf behördlicher Anordnung beruht, nicht an, 2 7 da nach dem Zweck der Vorschrift entscheidend lediglich ist, dass sich der Täter nicht in Freiheit befindet. Aus diesem Grunde kann selbst ein erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren die Nichtanrechnung nicht ausschließen. Wird der Täter ohne behördliche Anordnung in eine Anstalt aufgenommen, besteht nach der Begründung zum E 1962 „kein Grund", den Lauf der Frist für die Zeit des Anstaltsaufenthalts ruhen zu lassen (S. 222). Dem entspricht die klare Normierung des Absatz 4 S. 2, an die der Richter gebunden ist. Die Regelung erscheint freilich wenig einsichtig für die große Zahl der Fälle, in denen jemand dazu gebracht wird, sich freiwillig in ein psychiatrisches Krankenhaus zu begeben und dadurch die zwangsweise Unterbringung nach Landesrecht vermeidet, woran Ärzten aus therapeutischen Gesichtspunkten oft gelegen ist. Denn obwohl sich der Betroffene dann freiwillig in der Anstalt befindet: Er kann sie im Allgemeinen doch nur „theoretisch" jederzeit wieder verlassen und wird im Übrigen vielfach nicht anders behandelt als der Zwangsuntergebrachte.
37
Grenzfälle der Verwahrung auf „behördliche Anordnung" sind die Anstaltsunterbrin- 3 8 gung durch den Vormund oder Pfleger (§ 1631b i.V.m. §§ 1800, 1915 BGB) bzw. durch den Betreuer (§ 1906 BGB) mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, die mit Einwilligung des Verurteilten erteilte Weisung, in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen (§§ 56c Abs. 3, 57 Abs. 3, 57a Abs. 3, 68b Abs. 2 S. 4) sowie die Fälle der stationären Behandlung im Rahmen des § 35 Abs. 1 BtMG. Nach dem Grundgedanken des Absatz 4 S. 2 (Rdn. 31 ) ist der vormundschaftsgerichtlich genehmigte Anstaltsaufenthalt von der Vorschrift wohl nicht erfasst, weil er auf zivilrechtlicher Grundlage vom Betreuer, Vormund oder Pfleger veranlasst und vom Gericht lediglich genehmigt wird. 28 Im Ergebnis sind auch die Fälle eines völlig freiwilligen Anstaltsaufenthalts, aber auch des Aufenthalts aufgrund einer Weisung oder des § 35 BtMG so zu beurteilen, weil hier der Charakter des Freiwilligen dominiert. Es wäre im Fall der Weisung sinnwidrig, eine der Resozialisierung dienende Maßnahme als Grund für eine faktische Verlängerung der Maßregeldauer anzusehen; es handelt sich insoweit also nicht um eine „Verwahrung" „auf behördliche Anordnung" (übereinstimmend Tröndle/Fischer Rdn. 9). 4. Beweis und Verfahren. Dass die Voraussetzungen des Absatz 4 S. 2 vorliegen, be- 3 9 darf des Beweises. Zweifel wirken, schon weil es sich in der Sache um die Verlängerung der Maßregeldauer handelt, dabei zugunsten des Täters (Sch/Schröder/Stree Rdn. 9). Der Beweis wird sich bei der Anstaltsverwahrung im Allgemeinen relativ leicht führen lassen. Geht es jedoch darum, ob oder für welche Zeit der Verurteilte flüchtig war oder sich verborgen hielt, kann der Beweis aus tatsächlichen wie rechtlichen Gründen (vgl. Rdn. 33 ff) erhebliche Schwierigkeiten machen. Es erscheint darum wenig glücklich, dass das Gesetz eine direkte gerichtliche Zuständigkeit nicht festgelegt hat (wie das z.B. im
27
28
OLG Düsseldorf Rpfleger 1992 173 (unrechtmäßige Untersuchungshaft); Groß MK Rdn. 18. LG Mönchengladbach NStZ 1992 51;
Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 17; Groß aaO; Lackner/Kühl Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 8; Fischer Rdn. 9; aA LG Hamburg NStZ 1987 187; Hanack LK 1 1 Rdn. 23.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat relativ ähnlichen Fall des § 461 Abs. 2 StPO geschehen ist). So ist davon auszugehen, dass grundsätzlich über die Nichtanrechnung die Vollstreckungsbehörde entscheidet. Nur auf Einwendungen des Betroffenen, seines Verteidigers oder Vertreters entscheidet gemäß § 458 Abs. 1 i.V.m. § 463 Abs. 1 StPO das Vollstreckungsgericht. 29 Die Vollstreckungsbehörde sollte den Betroffenen auf die Möglichkeit solcher Einwendungen hinweisen.
§ 68d Nachträgliche Entscheidungen Das Gericht kann Entscheidungen nach § 68a Abs. 1 und 5, den §§ 68b und 68c Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 und 3 auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. Schrifttum s. die Angaben bei den Vorb. Vor § 68.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch das 2. StrRG eingefügt, durch Art. 18 II Nr. 32 EGStGB geändert, durch Art. 1 Nr. 7 SexualdelikteBekG auf den durch dieses Gesetz neu geschaffenen § 68c Abs. 2 und durch Art. 1 Nr. 10 FührAufsRuaÄndG auf § 68c Abs. 3 n.F. erstreckt.
I. Allgemeines 1
Die Vorschrift ist nach Art und Zielsetzung § 56e, aber auch den §§ 56a Abs. 2 S. 2, 67 Abs. 3, 67a Abs. 3, vergleichbar oder ähnlich. Sie bedarf jedoch im Hinblick auf die Eigenart der Führungsaufsicht der eigenständigen Auslegung. Ihr Zweck liegt auf der Hand: Sie soll es ermöglichen, die Führungsaufsicht der Entwicklung des Verurteilten anzupassen und angemessen elastisch zu gestalten. 1
Π. Nachträgliche Entscheidungen 2
Nachträgliche Entscheidungen i.S. des § 68d sind solche, die nach Beginn der Führungsaufsicht erfolgen (Tröndle/Fischer Rdn. 2; zum Beginn vgl. § 68c Rdn. 27 ff). Nach Beendigung der Führungsaufsicht sind sie ihrem Wesen nach unzulässig (vgl. auch Rdn. 11; Groß MK Rdn. 3).
3
1. Man kann korrigierende und nachholende Entscheidungen unterscheiden. Korrigierende Entscheidungen bezwecken, eine schon getroffene Regelung abzuändern, sei es, weil sie sich nicht bewährt hat, sei es, weil sonst neue Tatsachen vorliegen.
29
OLG Düsseldorf NStZ 1997 220; MeyerGoßner Rdn. 5 ff.
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1
Freh see/O Stendorf Rdn. 1; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 1; vgl. auch Groß MK Rdn. 1.
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Nachträgliche Entscheidungen
§ 68d
Zulässig - und im Einzelfall geboten - ist auch die wiederholte Änderung, z.B. um zu starke Belastungen abzubauen. 2 Nachholende Entscheidungen sind solche, die eine zunächst bewusst aufgeschobene oder eine vergessene Anordnung treffen. Dass auch sie grundsätzlich zulässig sind, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 68d („kann ... nachträglich treffen"). Nachholende Entscheidungen kommen vor allem bei der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs (§ 68 Abs. 1) in Betracht, wenn sich das erkennende Gericht auf die Anordnung der Führungsaufsicht beschränkt, wie sich das häufig empfiehlt (s. § 68 Rdn. 28; vgl. auch unten Rdn. 10). 2. Schranken für nachträgliche Entscheidungen ergeben sich nicht aus einem „Verbot der Schlechterstellung" (zustimmend Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 4). Denn die Entscheidungen, um die es sich hier handelt, dienen der elastischen Ausgestaltung und der sachgerechten Handhabung der Führungsaufsicht. Sie sind mithin, sofern sie diesem Zweck entsprechen, ihrem Wesen nach auch dann zulässig, wenn sie eine neue oder verstärkte Belastung des Betroffenen zur Folge haben (vgl. Erl. zu § 56e).
4
Zweifelhaft ist jedoch, ob nachträgliche Entscheidungen zulässig sind, wenn sie im Widerspruch zur Entscheidung des erkennenden Gerichts nach § 68 Abs. 1 stehen, ohne dass neue Umstände eingetreten oder bekannt geworden sind, so insbesondere, wenn nachträglich eine Weisung erteilt wird, die das erkennende Gericht bewusst unterlassen hat. Dies wird bei der Strafaussetzung zur Bewährung (und zwar nicht nur für Auflagen, sondern auch für Weisungen) von der herrschenden Meinung verneint (näher Erl. zu § 56c). Dem liegt der zutreffende Gedanke zugrunde, dass das für nachträgliche Entscheidungen zuständige Gericht schon getroffene Anordnungen nicht schon deswegen soll ändern können, weil sie ihm missfallen. Denn das erkennende Gericht entscheidet aufgrund einer Hauptverhandlung, also in genauerer Kenntnis von Tat und Täter, während die nachträgliche Anordnung ohne eine solche Hauptverhandlung durch Beschluss ergeht. Die Frage, ob das, was bei der Strafaussetzung zur Bewährung einleuchtet, auch für die Führungsaufsicht richtig ist, dürfte zu bejahen sein, auch wenn der Verurteilte hier insgesamt einer sehr viel intensiveren Aufsicht und Einwirkung unterliegen soll. Denn auch diese Besonderheit kann es nicht rechtfertigen, das für nachträgliche Entscheidungen zuständige Gericht als das kompetentere anzusehen mit der Folge, dass seine Auffassung über geeignete Anordnungen vorgeht, wenn keine neuen Umstände vorliegen.3 Die Befugnis, eine schon ergangene Weisung (§ 68b) klarer zu fassen, wird dadurch freilich nicht ausgeschlossen.
5
3. Dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts („kann") unterliegen nachträgliche Entscheidungen. Das Gericht hat bei der Ausübung dieses Ermessens nicht nur Notwendigkeit und Wirksamkeit der nachträglichen Entscheidung zu prüfen sowie die Pflicht zur differenzierten Behandlung der verschiedenen Täter und Fallgruppen der Führungsaufsicht (s. Rdn. 5 Vor § 68; vgl. auch § 68b Rdn. 5) zu beachten. Es muss vielmehr auch die Relation zu möglichen negativen Auswirkungen auf die Lebensführung und die psychologische Situation des Betroffenen sehen: Häufige, grundsätzliche oder kleinliche Änderungen sind vielfach eher ein Störungsfaktor insbesondere für die - äußere und innere - Resozialisierung; auch der Verurteilte braucht eine gewisse Stetigkeit.
6
2
3
Groß MK Rdn. 3; Horn SK Rdn. 8; Sch/ Schröder/Stree aaO. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 4; Groß MK
Rdn. 4; Lackner/Kühl Rdn. 1; für Weisungen ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 4.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ΙΠ. Die einzelnen Fälle nachträglicher Entscheidungen 7
1. Nachträgliche Entscheidungen zu § 68a Abs. 1 (Aufsichtsstelle, Bewährungshelfer) können nicht die Aufsichtsstelle betreffen.4 Denn der Aufsichtsstelle untersteht der Verurteilte nach § 68a Abs. 1 ohnehin kraft Gesetzes. Dabei ist auch die örtliche Zuständigkeit festgelegt (§ 463a Abs. 4 StPO), so dass für nachträgliche gerichtliche Entscheidungen kein Raum ist.
8
So beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 68d insoweit auf die Bestellung des Bewährungshelfers. Sie kann nachgeholt werden, wenn sie versäumt worden ist. Gleiches gilt, wenn sie zulässigerweise zurückgestellt worden ist, weil der Täter zunächst Freiheitsstrafe zu verbüßen hat (vgl. § 68a Rdn. 17).5 Geändert werden muss die Entscheidung über die Bestellung des Bewährungshelfers, da zum Bewährungshelfer nur eine konkrete Einzelperson bestellt werden kann, immer dann, wenn diese Einzelperson - aus welchen Gründen auch immer - ausfällt, z.B. durch Tod, längere Krankheit, Wegzug aus dem örtlichen Bereich (vgl. auch Frehsee/OStendorf NK Rdn. 2). Darüber hinaus kommt eine Auswechselung in Betracht, wenn der Verurteilte - zulässigerweise - seinen Wohnsitz verlegt, so dass er nicht mehr im örtlichen Bezirk des bestellten Helfers lebt; wenn das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen dem Bewährungshelfer und dem Gericht oder der Aufsichtsstelle (vgl. auch § 68a Rdn. 5) in der konkreten Betreuung des einzelnen Verurteilten grundsätzlich erschüttert ist; wenn infolge von Spannungen zwischen dem Verurteilten und dem Bewährungshelfer dessen weitere Tätigkeit im Einzelfall keinen Erfolg mehr verspricht.6 Maßgebend ist in all diesen Fällen, ob der Resozialisierungserfolg mit der Auswechselung besser erreicht oder gefördert werden kann (übereinstimmend Horn SK Rdn. 4). Die ersatzlose Aufhebung der Unterstellung unter einen Bewährungshelfer ist unzulässig, weil die Bestellung des Helfers in § 68a zwingend vorgeschrieben ist.7
9
2. Nachträgliche Entscheidungen zu § 68a Abs. 5 (Anweisungen an die Aufsichtsstelle oder den Bewährungshelfer) kommen in Betracht: als nachholende Entscheidungen, wenn sich erst im Laufe der Führungsaufsicht dafür ein Bedürfnis ergibt; als korrigierende Entscheidungen, wenn im Hinblick auf Erfahrungen mit dem Verurteilten durch eine Änderung oder Aufhebung getroffener Anweisungen der Zweck der Führungsaufsicht besser erreicht wird (vgl. auch Horn SK Rdn. 5), was auch durch den Abbau unnötig belastender Maßnahmen möglich ist. Einzugreifen hat das Gericht auch, wenn die Aufsichtsstelle ihre Aufgaben vernachlässigt (Sch/Schröder/Stree Rdn. 6). Das Gericht wird vielfach aufgrund von Anregungen der Aufsichtsstelle (vgl. § 68a Rdn. 8) oder des Bewährungshelfers (vgl. § 68a Rdn. 20 f) selbst tätig werden.
10
3. Nachträgliche Entscheidungen zu § 68b (Weisungen) sind in den in Rdn. 5 angegebenen Grenzen grundsätzlich zulässig. Dass die Weisungen des § 68b Abs. 1 strafbe-
4 5
6
Horn SK Rdn. 2; vgl. auch Fischer Rdn. 3. So auch Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2. Vgl. auch Frehsee/Ostendorf aaO; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6.
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Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 2; Groß MK Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 2, 6.
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Nachträgliche Entscheidungen
§ 68d
wehrt sind (§ 145a), bedeutet auch hier nicht, dass sie einem irgendwie gearteten „Verbot der Schlechterstellung" unterliegen (Rdn. 4). Weisungen, die ihren Zweck erfüllt haben, sind ersatzlos aufzuheben. 8 Entscheidungen, die dem Verurteilten neue oder verschärfte Weisungen auferlegen, sind vielfach besonders heikel, sei es aus psychologischen Gründen (Rdn. 6), sei es, weil sie eine vielleicht gerade wieder stabilisierte rechtmäßige Lebensführung des Betroffenen berühren. Sie sollten - im Zusammenwirken mit der Aufsichtsstelle und dem Bewährungshelfer (§ 68a) - jeweils mit aller Sorgfalt bedacht werden. Entscheidungen über Weisungen erst nachträglich zu treffen, empfiehlt sich fast immer, falls zunächst die Strafe vollstreckt werden muss. Denn dann ruht die Führungsaufsicht gemäß § 68e Abs. 1 S. 2 n.F. Aufgrund der Einwirkungen des Vollzugs und der Entwicklung des Verurteilten in der Haft lässt sich über Art und Inhalt der Weisungen meistens besser befinden als im Zeitpunkt der Aburteilung. Die Weisungen sollten in diesen Fällen kurz vor der Entlassung festgelegt werden (Horn SK Rdn. 6). 4. Nachträgliche Entscheidungen zu § 68c Abs. 1 S. 2 (Abkürzungen der Höchstfrist) sind - jeweils in den Grenzen des § 68c Abs. 1 - auch dergestalt zulässig, dass eine Höchstfrist weiter verkürzt, die Verkürzung wieder aufgehoben oder die schon abgekürzte Frist wieder verlängert wird (wiederholte Friständerungen sollten allerdings nur ausnahmsweise angeordnet werden); ist eine richterlich verkürzte Höchstfrist abgelaufen, kommt eine Verlängerung nicht mehr in Betracht, weil die Führungsaufsicht damit beendet ist. 9 Verlängerungen dürfen nicht erfolgen, um Zeit für weitere Ermittlungen, etwa bezüglich eines Aussetzungswiderrufs, zu gewinnen. 10
11
5. Nachträgliche Entscheidungen zu § 68c Abs. 2 , 3 (unbefristete Führungsaufsicht) dürften bei langer Dauer der Aufsicht (vgl. § 68e Abs. 3) oft in Betracht kommen. Eine nachträgliche Entscheidung liegt auch vor, wenn eine zunächst befristete Aufsicht in eine unbefristete umgewandelt wird, weil der Verurteilte einer Weisung gemäß § 68c Abs. 2 Nr. 2 nicht nachkommt oder in eine später für erforderlich gehaltene Weisung gemäß § 68c Abs. 2 Nr. 1 nicht einwilligt. Entscheidungen gemäß § 68c Abs. 3 sind in aller Regel nachträgliche Entscheidungen.
11a
IV. Verfahrensrechtliches Zuständig für nachträgliche Entscheidungen ist nach § 4 6 3 Abs. 2 u. 6 StPO i.V.m. § 4 5 3 StPO gemäß § 462a StPO regelmäßig die Vollstreckungskammer oder das erkennende Gericht, das die Entscheidung an das Amtsgericht des Wohnorts abgeben kann. Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Gegen den Beschluss ist Beschwerde zulässig, die gemäß § 4 5 3 Abs. 2 i.V.m. § 4 6 3 Abs. 2 StPO nur darauf gestützt werden kann, dass die getroffene Anordnung gesetzeswidrig ist oder die Dauer der Führungsaufsicht nachträglich verlängert worden ist. In den Fällen des § 68c Abs. 2, 3 gilt zudem S 68e Abs. 3.
8
9
Sch/Schröder/Stree Rdn. 4; zustimmend Groß MK Rdn. 5; vgl. auch Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 5. OLG Düsseldorf MDR 1989 88; Frehsee/
10
Ostendorf NK Rdn. 7; Horn SK Rdn. 7; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 5; Fischer Rdn. 5. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 7; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; aA Horn SK Rdn. 7.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
§ 68c
Beendigung oder Ruhen der Führungsaufsicht (1) Soweit sie nicht unbefristet ist, endet die Führungsaufsicht 1. mit Beginn des Vollzugs einer freiheitsentziehenden Maßregel, 2. mit Beginn des Vollzugs einer Freiheitsstrafe, neben der eine freiheitsentziehende Maßregel angeordnet ist, 3. mit Eintritt einer neuen Führungsaufsicht. In den übrigen Fällen ruht die Führungsaufsicht während der Dauer des Vollzugs einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel. Tritt eine neue Führungsaufsicht zu einer bestehenden unbefristeten hinzu, ordnet das Gericht das Entfallen der neuen Maßregel an, wenn es ihrer neben der bestehenden nicht bedarf. (2) Das Gericht hebt die Führungsaufsicht auf, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird. Die Aufhebung ist frühestens nach Ablauf der gesetzlichen Mindestdauer zulässig. Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Aufhebung der Führungsaufsicht unzulässig ist. (3) Ist unbefristete Führungsaufsicht eingetreten, prüft das Gericht 1. in den Fällen des § 6 8 c Abs. 2 Satz 1 spätestens mit Verstreichen der Höchstfrist nach § 6 8 c Abs. 1 Satz 1, 2. in den Fällen des § 6 8 c Abs. 3 vor Ablauf von zwei Jahren, ob eine Entscheidung nach Absatz 2 Satz 1 geboten ist. Lehnt das Gericht eine Aufhebung der Führungsaufsicht ab, hat es vor Ablauf von zwei Jahren von neuem über eine Aufhebung der Führungsaufsicht zu entscheiden. Schrifttum s. die Angaben bei den Vorb. Vor § 68.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist durch das 2. StrRG eingefügt worden. § 68e Abs. 3 (§ 68e Abs. 4 a.F.) wurde durch Art. 1 Nr. 8 SexualdelikteBekG eingefügt und durch Art. 1 Nr. 11 FührAufsRuaÄndG ergänzt. Absatz 1 ist eine Neuregelung zur Einschränkung parallel laufender Führungsaufsichten, die durch Art. 1 Nr. 11 FührAufsRuaÄndG eingeführt wurde. § 68e Abs. 2 n.F. fasst nunmehr die Absätze 1 und 2 der bis zum April 2 0 0 7 gültigen Fassung zusammen, § 68 Abs. 3 a.F. entfällt; die dort geregelten Fälle werden aber von § 68e Abs. 1 S. 1 erfasst. Ubersiebt Rdn. I. Allgemeines Π. Die Beendigung der Führungsaufsicht kraft Gesetzes gemäß Absatz 1 Satz 1 1. Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 2. Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 3. Absatz 1 Satz 1 Nr. 3
2 3 4
ΠΙ. Das Ruhen der Führungsaufsicht gemäß Absatz 1 Satz 2
5
IV. Das Entfallen der Führungsaufsicht gemäß Absatz 1 Satz 3
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Rdn. V. Die Aufhebung der Führungsaufsicht gemäß Absatz 2 und 3 1. Anwendungsbereich 2. Voraussetzung 3. Ablauf der gesetzlichen Mindestdauer 4. Prüfungspflichten und -fristen . . . . 5. Verfahren VI. Sonstige Beendigung der Führungsaufsicht 1. Terminologie 2. Beendigungsgründe
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Beendigung oder Ruhen der Führungsaufsicht
I. Allgemeines Die Vorschrift, die auf § 96 E 1962 zurückgeht, regelt in Absatz 1 Satz 1 einen Teil 1 der Fälle einer Beendigung der Führungsaufsicht kraft Gesetzes. Absatz 1 Satz 2 normiert das Ruhen der Führungsaufsicht während der Dauer des Vollzugs einer nicht von Absatz 1 erfassten freiheitsentziehenden Sanktion. Absatz 1 Satz 3 regelt das Verhältnis der unbefristeten zu einer nachfolgenden Führungsaufsicht. In Absatz 2 Satz 1, 2 ist die (vorzeitige) richterliche Aufhebung der Führungsaufsicht geregelt, die einen Unterfall der Beendigung darstellt. Absatz 2 Satz 3 entspricht der Vorschrift des Absatz 3 a.F. Absatz 3 verpflichtet das Gericht innerhalb bestimmter Fristen zur Prüfung der Frage, ob unbefristete Führungsaufsicht aufzuheben ist. § 68e erfasst noch immer nur einen Teil der möglichen Beendigungsgründe.
Π. Die Beendigung der Führungsaufsicht kraft Gesetzes gemäß Absatz 1 S. 1 1. Die Beendigung mit Beginn des Vollzugs einer freiheitsentziehenden Maßregel (Nr. 1). Die befristete Führungsaufsicht endet, wenn der Vollzug einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63), in einer Entziehungsanstalt (§ 64) oder in der Sicherungsverwahrung ( § § 6 6 ff) beginnt. Mit der Neuregelung wird zweckmäßigerweise eine Doppelbetreuung (durch die Strafvollzugsanstalt oder Maßregelvollzugsklinik einerseits und die Aufsichtsstelle und den Bewährungshelfer andererseits) ausgeschlossen. Angesichts der Betreuungs- und Kontrollmöglichkeiten, die sich aus dem Vollzug einer stationären Sanktion ergeben, erscheint das Hinzutreten der Führungsaufsicht überflüssig (BT-Drs. 16/1993, S. 22). Mit der Aussetzung einer Unterbringung zur Bewährung (sowie in der Regel nach 10-jähriger Unterbringung in der Sicherungsverwahrung) tritt dann ohnehin wieder Führungsaufsicht ein (§ 67d Abs. 2, 3). Die frühere Ungereimtheit, dass nur zu Beginn des Vollzugs der Sicherungsverwahrung die Führungsaufsicht endete (vgl. dazu Hanack LK 1 1 Rdn. 37 f), ist damit ausgeräumt.
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2. Die Beendigung mit Beginn des Vollzuges einer Freiheitsstrafe, neben der eine freiheitsentziehende Maßregel angeordnet ist (Nr. 2). Für diese Regelung sprechen im Wesentlichen dieselben Gründe wie für die Nr. 1. Sie trägt auch dem Umstand Rechnung, dass nach der Aussetzung einer stationären Maßregel zur Bewährung Führungsaufsicht kraft Gesetzes eintritt.
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3. Die Beendigung mit Eintritt einer neuen Führungsaufsicht (Nr. 3). Die befristete Führungsaufsicht endet nun mit Eintritt einer neuen Führungsaufsicht. Das Anliegen, „mehrfachen Verwaltungsaufwand (z.B. durch doppelte Aktenführung), dem in der Regel kein praktischer Nutzen gegenübersteht" (RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 22), zu vermeiden, ist berechtigt. Doch scheint die Neuregelung im Übrigen auch fragwürdige Konsequenzen zu haben: So setzt etwa nach zutreffender, wenn auch umstrittener Ansicht (vgl. § 68 Rdn. 7, 9, 13) die richterlich angeordnete Führungsaufsicht gemäß § 68 Abs. 1 „die begründete Voraussicht solcher Straftaten, die mit der die Führungsaufsicht auslösenden Tat eine bestimmte kriminelle Kontinuität aufweisen" (Horn SK § 68 Rdn. 8), voraus. Wenn dann die neue Führungsaufsicht eine wegen ganz andersartiger Delikte eingetretene Führungsaufsicht gemäß § 68e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ablöst, muss das Gericht bei der Entscheidung über die Dauer der neuen Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 1) und über Weisungen (vgl. § 68b Abs. 4) Umstände berücksichtigen, die nicht Gegenstand des Strafverfahrens waren und namentlich bei einer vorangegangenen richterlichen Anord-
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
nung der Führungsaufsicht meistens kompetenter beurteilt werden konnten. Insgesamt dürften aber die Vorteile der Neuregelung überwiegen.
ΠΙ. Das Ruhen der Führungsaufsicht gemäß Absatz 1 S. 2 5
Liegt ein Fall des Absatz 1 Satz 1 („im Übrigen") nicht vor, ruht die Führungsaufsicht während der Dauer des Vollzugs einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel. Das gilt also ausnahmslos für die von Absatz 1 nicht erfasste unbefristete Führungsaufsicht, ansonsten z.B., wenn während des Vollzugs einer stationären Sanktion bei einer neuerlichen Verurteilung zu einer solchen, die zur Bewährung ausgesetzt wird, Führungsaufsicht richterlich gemäß § 68 Abs. 1 angeordnet wird. Ruht die Führungsaufsicht, ist ihr gesamtes Einwirkungssystem suspendiert. 1 Das gilt namentlich für Weisungen gemäß § 68b, die während des Vollzugs nicht „in Kraft" sind (Horn SK Rdn. 9). Kontakte mit Aufsichtsstelle bzw. Bewährungshilfe und namentlich vor der Entlassung mit dem Bewährungshelfer, der die Betreuung übernehmen wird, sind aber möglich (vgl. auch § 154 Abs. 2 StVollzG und § 68c Rdn. 28). Die Neuregelung trägt dem Umstand Rechnung, dass für das Institut der Führungsaufsicht neben dem Straf- und Maßregelvollzug kaum Bedarf ist; das ist zu begrüßen. Das Bedürfnis, einen guten Kontakt zwischen Bewährungshelfer und Proband auch während der Haftzeit aufrechtzuerhalten (vgl. dazu auch DBH [Kerner] BewH 2006 53), hätte allerdings im Gesetz stärker berücksichtigt werden sollen.
IV. Hinzutreten neuer Führungsaufsicht zu unbefristeter (Absatz 1 Satz 3) 6
Nach Satz 3 ordnet das Gericht das Entfallen einer neuen Führungsaufsicht an, die zu einer bestehenden unbefristeten hinzutritt, wenn es der neuen Maßregel neben der bestehenden nicht bedarf. Während eine bestehende befristete Führungsaufsicht mit Eintritt einer neuen endet (Absatz 1 Satz 1 Nr. 3), kann bei einer bestehenden unbefristeten also nur die neue Führungsaufsicht entfallen. Das gilt aber nicht, wenn es der neuen Führungsaufsicht bedarf. Wann dies der Fall ist, sagt das Gesetz nicht; auch der Regierungsentwurf (BT-Drs. 16/1993, S. 22) enthält keine näheren Angaben. Entscheidend wird hier sein, ob der Sachverhalt, der die neue Führungsaufsicht auslöst, zur Abwendung weiterer Straftaten auch Anlass zu andersartigen Weisungen gibt. Das kann etwa der Fall sein, wenn neue Führungsaufsicht gemäß § 68f Abs. 1 S. 1 nach einer Verurteilung wegen eines Vermögensdelikts eintritt, während die unbefristete Führungsaufsicht - die neuerdings gemäß Absatz 1 Satz 2 während des Vollzugs der Freiheitsstrafe ruhen würde durch Sexualdelinquenz bedingt war. Kann sämtlichen absehbaren Gefahren der weiteren Begehung von Straftaten durch die verurteilte Person dagegen im Rahmen der unbefristeten Führungsaufsicht begegnet werden, bedarf es der neuen nicht.
V. Die richterliche Aufhebung der Führungsaufsicht (Abs. 2 und 3) 7
1. Anwendungsbereich. § 68e Abs. 2 gilt für die Fälle der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs (§ 68 Abs. 1) mit einer im folgenden Text genannten Modifizierung. Er
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OLG Karlsruhe MDR 1989 663; Hanack LK11 Rdn. 22.
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gilt im Grundsatz auch für die unbefristete Führungsaufsicht (vgl. Absatz 3 Satz 1 a.E.) und erfasst ferner alle Fälle der Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§ 68 Abs. 2) mit Ausnahme der sog. Vollverbüßer des § 68f Abs. 1. Für diese ist die Aufhebung der Führungsaufsicht in § 68f Abs. 2 zwar gleichlautend geregelt, jedoch nicht von dem Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist des § 68e Abs. 2 S. 2 abhängig (dazu näher § 68f Rdn. 21 ff). Zu beachten bleibt, dass die Bindung an die Mindestdauer des Absatz 2 S. 2 in den Fällen der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs dann nicht gilt, wenn der Täter gemäß S 68f Abs. 1 eine zweijährige Freiheitsstrafe voll verbüßt hat, weil er dann nach § 68f zu behandeln ist, diese Bestimmung insoweit also vorgeht (str.; näher dazu § 68f Rdn. 9 f). 2. Voraussetzung für die Aufhebung. Erforderlich ist nach Absatz 2 die Erwartung, dass der Verurteilte auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird.
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a) Die Aussichtslosigkeit einer weiteren Durchführung ergibt schon nach dem Wortlaut, aber auch nach dem Zweck der Aufsicht keinen Aufhebungsgrund.2 b) Erwartung bedeutet hier richterliche Überzeugung. Gewissheit ist dafür nicht zu verlangen (Sch/Schröder/Stree Rdn. 3), wohl aber eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Täter keine Straftaten mehr begehen wird. 3 Schon darum sind auch die auf eine ganz andere Situation gemünzten Voraussetzungen für die Aussetzung des Strafrests gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 nicht ausreichend. 4
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Die Erwartung i.S. des § 68e ist aber auch nicht identisch mit der Erwartung, die nach § 56 die Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigt. 5 Die dortigen Grundsätze können vielmehr allenfalls bedingt herangezogen werden, schon weil die günstige Prognose in beiden Fällen unterschiedliche Bezugspunkte und unterschiedliche Konsequenzen hat: Bei § 56 steht der Täter unter Bewährungsfrist, so dass die Erwartung, er werde unter dem Einfluss der Verurteilung usw. keine Straftaten mehr begehen, auch vor dem realen Hintergrund der Widerrufsmöglichkeiten zu sehen ist. Bei § 68e hingegen geht es nicht um die spezifischen Einflüsse des § 56 und fehlt es vor allem auch an der Widerrufsmöglichkeit: Die Aufhebung der Führungsaufsicht ist unwiderruflich, so dass Fehlentscheidungen nicht mehr korrigiert werden können.
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Dass der Verurteilte dem Anreiz zu neuen Taten vielleicht weniger leicht widerstehen könnte als mit einer solchen Aufsicht, ist für sich allein noch kein Grund, die „Erwartung" zu verneinen.6 Denn die Erwartung, dass der Täter ohne die Aufsicht keine Straftaten mehr begehen wird, ist nicht unvereinbar mit der Vermutung, dass der Täter bei Fortbestehen der Führungsaufsicht neue Straftaten eher unterlässt. Im umgekehrten Fall einer kontraproduktiven Führungsaufsicht, deren Fortbestehen sich wahrscheinlich negativ auf die Stabilisierung des Verurteilten auswirken würde, sollte man die „Erwartung" schon bejahen, wenn das Unterbleiben neuer Straftaten überwiegend wahrscheinlich ist (Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 5).
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Ebenso Groß MK Rdn. 5; Horn SK 6; Lackner/Kühl Rdn. 1; vgl. auch Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 5; aA für extreme Ausnahmefälle LG Bonn NStZ 1994 358 mit krit. Anm. Koepsel (aaO, 359) und Bringewat BewH 1994 216; wohl auch Sch/Schröder/Stree Rdn. 2. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 5; Groß MK Rdn. 7; Horn SK Rdn. 5.
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s
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Vgl. auch KG J R 1988 2 9 5 mit Anm. Terhorst; Lackner/Kühl Rdn. 2. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 5; Groß MK Rdn. 7; Horn SK Rdn. 5. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 5; aA Horn SK Rdn. 5.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Ob die Erwartung auf einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder darauf beruht, dass sich die ursprüngliche Prognose nachträglich als unrichtig erwiesen hat, ist gleichgültig. Die Erwartung kann sich i.S. des Subsidiaritätsprinzips (Rdn. 67 Vor § 61) daraus ergeben, dass aufgrund besonderer Umstände weniger einschneidende Mittel geeignet sind, die Gefährlichkeit des Täters aufzuheben. 12
c) Zweifel an der Erwartung gehen zu Lasten des Verurteilten (s. Rdn. 63 ff Vor § 61; ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 3).
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d) Das Gericht muss bei begründeter Erwartung die Führungsaufsicht aufheben. Für ein Ermessen ist insoweit nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut kein Raum. 7
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e) Auf fehlende weitere Straftaten ist die Erwartung bezogen. Darauf, ob der Verurteilte im Übrigen ein „gesetzmäßiges Leben" führen wird (so noch § 96 E 1962), kommt es nicht an. Dass das Gesetz nicht auf die Erwartung „erheblicher" weiterer Straftaten abstellt, hat insofern Methode, als es dies auch bei den Anordnungsvoraussetzungen des § 68 Abs. 1 nicht verlangt. Wie bei der Anwendung des § 68 Abs. 1 (dort Rdn. 10) ist aber auch hier, insbesondere nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, anzunehmen, dass jedenfalls die Erwartung von Bagatelldelikten, für die die Maßregel nicht gedacht ist, die Aufrechterhaltung der Führungsaufsicht grundsätzlich nicht rechtfertigt (übereinstimmend Sch/Schröder/Stree Rdn. 3). Darüber hinaus ist zu verlangen, dass gegebenenfalls zu erwartende Straftaten die Aufhebung der Führungsaufsicht nicht hindern, wenn sie zur Anordnung dieser Maßregel nicht ausreichen würden ( G r o ß MK Rdn. 6). Bei Straftaten nach § 145a ist zu beachten, dass der Verstoß gegen Weisungen nur dann strafbar ist, wenn dadurch der Zweck der Führungsaufsicht gefährdet wird. Besteht die Erwartung, dass der Verurteilte keine (anderen) Straftaten mehr begehen wird, ist dieser Zweck nicht gefährdet, so dass dann auch die fortbestehende Gefahr eines Verstoßes gegen Weisungen die Aufhebung der Führungsaufsicht nicht hindern kann (so richtig Horn SK Rdn. 4).
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3. Der Ablauf der gesetzlichen Mindestdauer (Absatz 2 S. 2). Nach Absatz 2 S. 2 ist die Aufhebung der Führungsaufsicht (von den in Rdn. 7 genannten Ausnahmen abgesehen) frühestens nach Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist zulässig, d.h. also zwei Jahre nach Beginn der Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 1; zur Frage des Beginns s. im Einzelnen § 68c Rdn. 27 ff). Die Berechtigung und der Anwendungsbereich der Bestimmung sind umstritten.8 Es scheint, dass der Gesetzgeber die Probleme, die mit ihr in verschiedener Hinsicht für Grundsatzfragen der Führungsaufsicht verbunden sind, nicht oder mindestens nicht voll erkannt hat.
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a) Allgemeines. Durch die Einschränkung des Absatz 2 S. 2 soll, wie der E 1962 formuliert, „verhindert werden, daß die Bewährung des Verurteilten voreilig bejaht wird" (Begründung S. 223; vgl. auch Corves Prot. V, 2214).
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Groß MK Rdn. 7; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4. Eingehend Maier NJW 1977 371; zusammenfassend Groß MK Rdn. 8.
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Ob dieser Zweck mit dem allgemeinen Prinzip übereinstimmt, dass eine Maßregel nur so lange wie notwendig dauern darf, ist fraglich. Die Zweifel ergeben sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn dieser Grundsatz gilt nicht nur in der besonderen Ausprägung des § 6 2 , also in Bezug auf die Anordnung einer Maßregel; er gilt vielmehr als verfassungsrechtlich begründetes Rechtsprinzip anerkanntermaßen auch für die Aufrechterhaltung belastender Maßregeln (§ 6 2 Rdn. 10 ff). Über diese Rechtslage kann sich auch der Strafgesetzgeber nicht hinwegsetzen. Absatz 2 S. 2 lässt sich daher allein mit der Sorge vor richterlichen Fehlentscheidungen („voreilig") nicht rechtfertigen. Auch die Erwägung, dass die Vorschrift das Gericht davon befreit, „schon alsbald die Aufhebungsmöglichkeit prüfen zu müssen" (so Sch/Schröder/Stree Rdn. 4), gibt keinen ausreichenden Grund für die Aufrechterhaltung einer sachlich nicht nötigen Maßregel ab. Gegenüber den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verfängt schließlich auch der Ausweg nicht, das Gericht „sollte", wenn die Führungsaufsicht schon vor Ablauf der Mindestfrist „unnötig geworden ist", „wenigstens dafür sorgen, dass (sie) so milde wie möglich gehandhabt wird". 9 Die Erwägung hat zwar eine berechtigte Komponente. Aber wenn eine „unnötig gewordene" Führungsaufsicht nicht aufgehoben werden kann, bedeutet dies auch bei „milder" Handhabung einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zu dem das Gesetz den Richter nicht zwingen kann.
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O b oder wie weit die Einschränkung des Absatz 2 S. 2 mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz übereinstimmt und den Richter bindet, hängt mithin allein davon ab, ob die Einschränkung unter den Aspekten notwendiger Gefahrenabwehr für die von der Vorschrift erfassten Fallgruppen in ausreichendem M a ß e sachlich legitimiert ist, ob sie also im Zusammenhang mit den sonstigen Normierungen über die Führungsaufsicht - jeweils Fälle betrifft, in denen der Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer mindestens zweijährigen Dauer ausgehen durfte.
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Eine Prüfung der verschiedenen Fallgruppen ergibt folgende Ergebnisse: b) Dass Absatz 2 S. 2 nicht für die Vollverbüßer des § 6 8 f Abs. 1 gilt, ergibt sich aus Wortlaut und Sinn der Sonderregelung des § 6 8 f Abs. 2 und ist unbestritten.
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c) Für die Fälle der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs (§ 6 8 Abs. 1) sind für die Untersuchung drei Fallgruppen zu unterscheiden.
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aa) Soweit der Täter eine unter 5 68f fallende Freiheitsstrafe voll verbüßt, kann Absatz 1 S. 2 nach der hier vertretenen Auffassung ebenfalls nicht gelten, weil der Täter dann nur nach § 6 8 f behandelt wird (näher dazu § 6 8 f Rdn. 9 f). bb) Soweit der Täter Freiheitsstrafe (gleich welcher Höhe) nicht oder nicht voll verbüßt, bestehen gegen die Anwendbarkeit des Absatz 2 S. 2 auch dann keine Bedenken, wenn man (vgl. näher § 68 Rdn. 14 ff) bei Anordnung der Führungsaufsicht nur auf die Gefährlichkeit des Täters zur Zeit des Urteils abstellt. Denn in diesen Fällen steht der Täter mit der Strafaussetzung zur Bewährung oder der Aussetzung des Strafrests unter der mindestens zweijährigen Bewährungszeit des § 5 6 a . Da das Gericht für die Dauer der Bewährungsfrist das Ruhen der Führungsaufsicht anordnen kann (§ 68g Abs. 2) und nach erfolgreichem Ablauf der Bewährungszeit jedenfalls die befristete Führungsaufsicht
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 4; ähnlich Groß MK Rdn. 8; mit Recht ablehnend Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 8.
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kraft Gesetzes endet (§ 68g Abs. 3; s. dort Rdn. 26 f), lässt sich das scharfe Instrumentarium der Führungsaufsicht insoweit auf diese Weise überall dort vermeiden, wo es unverhältnismäßig wäre (ebenso Horn SK § 68 Rdn. 13). 22
cc) Es bleiben die Fälle, in denen der Täter eine durch § 68f nicht erfasste Freiheitsstrafe voll verbüßt. Hier ergibt sich für die erörterte Fallgruppe in der Regel eine ausreichende Rechtfertigung der Mindestfrist, weil es sich um Täter handelt, bei denen das erkennende Gericht die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten bejaht hat (§ 68 Abs. 1) und bei denen später eine Aussetzung nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 nicht „verantwortet werden kann". Wenn aber schon günstiger prognostizierte Täter den Einwirkungen einer Bewährungsaufsicht unterstellt werden dürfen, bestehen für die hier in Frage stehende Tätergruppe, zumal bei den Möglichkeiten, die Führungsaufsicht den Bedürfnissen des Einzelfalles anzupassen, keine Bedenken gegen die Mindestdauer der Führungsaufsicht.
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Dies kann allerdings dann nicht gelten, wenn eine Aussetzung des Strafrests aus Gründen unmöglich ist, die mit einer vermutlich schlechten Prognose nichts zu tun haben. Dies sind die Gründe des § 57 Abs. 1 Nr. 3. Es ist unter den verfassungsrechtlichen Aspekten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit nichts zu begründen, solche Täter ohne Rücksicht auf ihre Entwicklung zwingend mindestens zwei Jahre unter Führungsaufsicht zu halten. Die Bindung an die Mindestdauer widerspricht hier auch der Regelung des § 68g Abs. 2. Der Richter muss daher unter Heranziehung des in dieser Vorschrift enthaltenen Grundgedankens und in Fortführung der Logik des Gesetzes befugt sein, entgegen dem Wortlaut des § 68e Abs. 1 S. 2 die Führungsaufsicht schon früher aufzuheben10 (vgl. schon § 68 Rdn. 15).
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d) Für die Fälle der Führungsaufsicht kraft Gesetzes im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßregeln (also für alle Fälle des § 68 Abs. 2 mit Ausnahme der schon in Rdn. 19 erörterten Vollverbüßer gemäß § 68f) will Horn (SK § 68 Rdn. 14) die Zweijahresfrist des § 68e Abs. 1 S. 2 ebenfalls nicht gelten lassen. Er begründet dies damit, dass hier, anders als in den Fällen der Führungsaufsicht kraft Richterspruchs, eine Prognose, der Täter werde weitere Straftaten begehen, nicht vorausgesetzt werde und der Richter darum „wenigstens die Möglichkeit" haben müsse, die Führungsaufsicht „dann - und zwar mit sofortiger Wirkung" - aufzuheben, wenn er zu dem Ergebnis kommt, Straftaten seien (jetzt) nicht (mehr) zu erwarten. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ( § 6 2 ) ergebe sich danach, dass § 68e Abs. 1 S. 2 insoweit nicht gelten könne, vielmehr der an sich nur auf Vollverbüßer gemünzte § 68f Abs. 2 analog anzuwenden sei.
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Dem ist zu widersprechen (vgl. schon § 68c Rdn. 3). 11 Die genauere Betrachtung der verschiedenen Tätergruppen, die der Führungsaufsicht kraft Gesetzes unterliegen, zeigt nämlich, dass die Führungsaufsicht hier, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, so stark vom Verdacht einer kritischen Prognose oder doch mindestens einer Gefährdung der Täter abhängt, dass es berechtigt ist, sie grundsätzlich (s. aber Rdn. 34) der Zweijahres-Mindestfrist zu unterwerfen.
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Ebenso Horn SK § 68 Rdn. 13; vgl. auch Lackner/Kühl Rdn. L; Fischer Rdn. 9. Ablehnend auch Maier N J W 1 9 7 7 371; Groß
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MK § 68c Rdn. 8; Lackner/Kühl Rdn. 1; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4; Fischer § 68c Rdn. 3.
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aa) Die Fälle des 5 67b (Aussetzung der Unterbringung zugleich mit der Anordnung): 2 6 Es handelt sich hier um psychisch gestörte oder süchtige Täter, die unmittelbar mit dem Urteil, trotz gerade festgestellter Gefährlichkeit, im Vertrauen auf die Erwartung entlassen werden, dass ihrer Gefährlichkeit im Wege einer ambulanten Betreuung begegnet werden kann. Dass der Gesetzgeber diese - kriminalpolitisch gewiss nicht unproblematische - Möglichkeit zwingend an eine mindestens zweijährige Aufsichtsfrist bindet, ist nicht sachfremd oder „voreilig".12 bb) Auch in den Rillen des 5 67c Abs. 1 (Aussetzung der Unterbringung nach vor- 2 7 herigem Strafvollzug) ist die Bindung an die Mindestfrist des § 68c Abs. 1 S. 1 angemessen: Die Vorschrift betrifft nur Sicherungsverwahrte sowie solche Täter, bei denen ausnahmsweise (vgl. § 67 Abs. 2 mit Erl.) die Strafe vor der Maßregel vollstreckt wird, also typischerweise kritische Fälle. Sie setzt analog § 67d Abs. 2 die Erwartung voraus, dass der Täter keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Da die Erwartung keine Sicherheit verlangt (Rdn. 4), ein gewisses Restrisiko also bleibt, ist es nicht „voreilig" und unverhältnismäßig, wenn das Gesetz als zwingende Folge der Aussetzung eine mindestens zweijährige Führungsaufsicht vorschreibt. cc) In den Fällen des § 67c Abs. 2 (dreijährige Verzögerung der Unterbringung) ist 2 8 die Bindung an die Zweijahresfrist schon deswegen berechtigt, weil hier die Führungsauftritt nur eintritt, wenn das Gericht den Zweck der Unterbringung noch nicht als erreicht ansieht (§ 67c Abs. 2 Nr. 5), also eine irgendwie fortbestehende Gefährlichkeit bejaht. dd) Für die Fälle des § 67d Abs. 2 (Aussetzung der Unterbringung nach begonnenem Vollzug) gilt wegen des Bezugs auf die Erwartung, der Täter werde keine rechtswidrigen Taten mehr begehen, das in Rdn. 27 Gesagte entsprechend.
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ee) Fälle des § 67d Abs. 3 (Entlassung aus der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren) sind typischerweise solche mit schlechter Prognose des Täters, der in aller Regel weiteren Schwierigkeiten beim Übergang in die Freiheit ausgesetzt sein wird, so dass die Bindung an die Zweijahresfrist ohne weiteres berechtigt ist.
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ff) Das gilt auch in den Fällen des § 67d Abs. 4 (Entlassung aus der Unterbringung 31 nach Ablauf der Höchstfrist), da hier eine Aussetzung zur Bewährung nach Absatz 2 unterblieben ist, also in der Regel auch bei der Entlassung eine schlechte Prognose gegeben ist. gg) Und ebenso liegt es in den Fällen des § 67d Abs. 5 (Aussichtslosigkeit der weite- 3 2 ren Unterbringung in der Entziehungsanstalt), schon weil hier die gefährliche Sucht des Täters fortbesteht. e) Zweifelsfragen und Sonderfälle. Nach der hier vertretenen Auffassung (Rdn. 15 ff) 3 3 ist die Bindung an die Mindestfrist des Absatz 2 S. 2 im Umfang ihres gesetzlich vorgesehenen Geltungsbereichs nur bei einer einzigen, praktisch seltenen Fallgruppe (Rdn. 23) zu beanstanden und unwirksam.
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Anders Frehsee/OstendorfNK
Rdn. 9.
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Darauf hinzuweisen ist aber, dass für die übrigen untersuchten Fallgruppen der Boden, auf dem die dargelegte Auffassung beruht, zum Teil recht dünn ist, weil ihr zum Teil Rechtsansichten zugrunde liegen, die umstritten sind. 34
Vor allem aber wird es in der Praxis Fälle geben, in denen ein Täter - nach der hier vertretenen Ansicht: immer entgegen dem Gesetz - erst zu einem Zeitpunkt aus der Unterbringung oder dem Strafvollzug zur Bewährung entlassen wird, in dem nicht nur irgendwie „erwartet" werden kann, dass er in Freiheit keine Straftaten mehr begeht, sondern seine Ungefährlichkeit feststeht, z.B. aus gesundheitlichen Gründen (Frehsee/ Ostendorf NK Rdn. 10). In solchen Fällen ist es verfassungsrechtlich unabdingbar (§ 62), dass das Gericht wenigstens die Konsequenz zieht, Absatz 2 S. 2 nicht anzuwenden,13 wozu ihm der Rechtsgedanke des § 62 die Befugnis gibt. Dass damit eine gewisse, vom Gesetz gerade nicht gewollte Relativierung der Bindung an die Mindestdauer des Absatz 2 S. 2 eintritt, ist nicht zu bestreiten, aber auch nicht zu ändern. Es ist Konsequenz der so komplizierten Gesetzesregelungen und der Schwierigkeiten ihrer praktischen Handhabung. 4. Prüfungspflichten und -fristen
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a) Amtspflicht. Eine Pflicht, von Amts wegen innerhalb bestimmter Fristen zu prüfen, ob eine Aufhebung der Führungsaufsicht in Betracht kommt, hat das Gesetz - abgesehen vom Sonderfall des Abs. 3 (unten Rdn. 39 f) und anders als bei den freiheitsentziehenden Maßregeln (§ 67e Abs. 1 S. 2, Abs. 2) - nicht festgelegt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Gericht, insbesondere nach Ablauf der Zweijahresfrist, aufgrund der Auswirkungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von Amts wegen „laufend darauf zu achten hat, ob der Zweck der Maßregel erreicht ist" (Begr. ζ. E 1962, S. 223). 1 4 Diese Pflicht wird auch durch die Festlegung einer Sperrfrist gemäß § 68e Abs. 2 S. 3 nicht berührt (Begr. aaO). Das Gericht kann seiner Prüfungspflicht vor allem durch entsprechende Anweisungen an die Aufsichtsstelle und den Bewährungshelfer (§ 68a Abs. 5) genügen. Im Übrigen sind Aufsichtsstelle und Bewährungshelfer aufgrund ihres Aufgabenbereichs nach § 68a auch von sich aus zur Prüfung und zum Bericht verpflichtet.
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b) Auf Antrag, der bereits in angemessener Zeit vor Ablauf der Mindestfrist gestellt werden kann, 15 muss das Gericht, wie sich mittelbar auch aus Absatz 2 Satz 3 ergibt und im Übrigen aus allgemeinen Grundsätzen folgt, grundsätzlich prüfen, ob die Führungsaufsicht aufzuheben ist. Es kann jedoch Sperrfristen festsetzen (Absatz 2 Satz 3), vor deren Ablauf ein Aufhebungsantrag unzulässig ist.
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Die Sperrfrist des Absatz 2 Satz 3, die festzusetzen auch in den Fällen des Absatz 3 möglich ist, darf nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes sechs Monate nicht übersteigen, kann aber kürzer sein. Die Frist hat - unbeschadet der fortbestehenden Prüfungspflicht von Amts wegen (Rdn. 35) - die prozessuale Konsequenz, dass Anträge des Verurteilten innerhalb der Sperrfrist als unzulässig zu verwerfen sind. Für die Sperrfrist kommt es dabei nicht auf die Rechtskraft des sie aussprechenden Beschlusses an, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung. 16
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AA Fischer Rdn. 9. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 13; Fischer Rdn. I I a ; zurückhaltender Sch/Schröder/ Stree Rdn. 5.
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Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 15; Sehl Schröder/Stree Rdn. 6; aA Fischer Rdn. 11. OLG Hamm MDR 1976 159; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 17; Groß MK Rdn. 19.
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Beendigung oder Ruhen der Führungsaufsicht
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Zweck der Sperrfrist ist - wie bei § 57 Abs. 7 und § 67e Abs. 3 S. 2 - nicht nur, das Gericht „davor zu schützen, dass es nicht ... laufend mit unbegründeten Anträgen überhäuft und dadurch in der Erfüllung seiner eigentlichen Aufgabe gehemmt wird" (so aber die Begr. ζ. E 1962, S. 223); die Frist soll vielmehr vor allem auch im Interesse einer gewissen Kontinuität der Einwirkung zwecklosen Anträgen und erkennbar unberechtigten Hoffnungen des Verurteilten vorbeugen (ebenso Frehsee/OStendorf NK Rdn. 17).
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Die Festsetzung setzt die Prognose voraus, dass innerhalb der Sperrfrist nicht zu erwarten ist, der Verurteilte werde auch ohne Führungsaufsicht die Begehung von Straftaten unterlassen. Aber auch dann liegt sie im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts („kann"). Für die unbefristete Führungsaufsicht (Absatz 3) hat das Gesetz konkrete Prüfungspflichten festgesetzt, die durch Art. 1 Nr. 11 FührAufsRuaÄndG zum Teil ergänzt (Absatz 3 Satz 1 Nr. 2) und zum Teil geändert (Absatz 3 Satz 2, soweit sich die Vorschrift auf die Fälle des Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 bezieht) wurden. „Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit soll ... eine engmaschige Überprüfung von bereits über die Höchstfrist des § 68c Abs. 1 Satz 2 hinaus andauernden Führungsaufsichten gewährleistet werden" (RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 22). Die Prüfung muss gemäß Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 in den Fällen des § 68c Abs. 2 Satz 1 „spätestens" nach Verstreichen der fünfjährigen Höchstfrist des § 68c Abs. 1 erfolgen, gemäß Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 in den Fällen des § 68c Nr. 3 vor Ablauf von zwei Jahren. Die Pflicht zur Prüfung vor dem Fristablauf (Rdn. 35) ist durch Absatz 3 also nicht ausgeschlossen. Die Prüfung ist zwingend. Sie fordert eine förmliche Entscheidung des Gerichts, die auf Aufhebung der Führungsaufsicht oder auf Ablehnung einer solchen Aufhebung lautet.
39
Nach Ablehnung der Aufhebung einer unbefristeten Führungsaufsicht muss das Gerieht vor Ablauf von zwei Jahren von neuem über eine Aufhebung entscheiden (Absatz 3 Satz 2). Für die nun in Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 geregelten Fälle galt hier vor der jüngsten Reform auch hinsichtlich späterer Überprüfungen eine Fünfjahresfrist, deren Verkürzung zu begrüßen ist.
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Fraglich ist, ob mit der „ablehnenden Entscheidung des Gerichts" schon der Erlass der (erstinstanzlichen) Entscheidung gemeint ist, oder ob es auf ihre Bestandskraft ankommt. Da es bei Satz 2 nur um den Anknüpfungspunkt für die Bestimmung einer neuen Frist geht, besteht wohl kein Grund, auf die Bestandskraft abzustellen, weil der Beginn der neuen Frist sonst in sachwidriger Weise von den zeitlichen Unwägbarkeiten eines eventuellen Rechtsmittelverfahrens (sofortige Beschwerde, § 463 Abs. 3 i.V.m. § 454 Abs. 3 StPO) abhinge. Besondere Probleme entstehen bei dieser Sicht nicht. Denn das Gericht der sofortigen Beschwerde entscheidet in aller Regel in der Sache selbst. Bestätigt es die Ablehnung der Aufhebung, besteht kein Grund, auf das Datum seiner Entscheidung abzustellen, hebt es hingegen die Führungsaufsicht auf, ist die Bestimmung einer neuen Frist ohnehin obsolet. Prüfungen vor Ablauf der Höchstfrist sind wiederum nicht ausgeschlossen (Rdn. 35), 4 1 dürften vielmehr oft besonders nahe liegen, weil die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit umso strenger werden, je länger die Maßregel dauert (§ 62 Rdn. 11 f). 5. Verfahren. Für das Verfahren und die Zuständigkeit gilt § 463 Abs. 3, 6 i.V.m. §§ 454, 462a StPO.
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§68f
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
VI. Die sonstige Beendigung der Führungsaufsicht 43
1. Terminologisch zu unterscheiden ist die richterliche Aufhebung der Führungsaufsicht (§ 68e Abs. 2, 3), die Anordnung des Entfallens der Führungsaufsicht (§§ 68e Abs. 1 S. 3, 68f Abs. 2), die in der Sache nur eine besondere Form der Aufhebung darstellt, und die Beendigung der Führungsaufsicht (§§ 68e Abs. 1 S. 1, 68g Abs. 3), die hier ihr Ende kraft Gesetzes bezeichnet. In der Paragraphen-Überschrift des § 68e wird die Beendigung zugleich als Oberbegriff zur Aufhebung verwendet.
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2. Es gibt eine Reihe von Beendigungsgründen (neben der „Aufhebung" bzw. dem „Entfallen" und neben der Beendigung gemäß § 68e Abs. 1 S. 1), die seit der jüngsten Reform nur noch für die befristete Führungsaufsicht gelten (vgl. §§ 68e Abs. 1 S. 1, 68g Abs. 3 S. 2, 79 Abs. 4 S. 1). So kann die befristete Führungsaufsicht weiterhin enden a) durch Ablauf der normalen gesetzlichen Höchstdauer (§ 68c Abs. 1 S. 1); b) durch Ablauf der richterlich abgekürzten Höchstdauer (§§ 68c Abs. 1 S. 2, 68 d); c) durch Straferlass (§ 56g) nach Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56) oder Aussetzung des Strafrests (§ 57) und erfolgreicher Bewährung, wenn die Führungsaufsicht wegen derselben Tat angeordnet war (§ 68g Abs. 3); d) durch Erledigung eines Berufsverbots (§ 70b Abs. 5) nach Aussetzung dieses Verbots (§ 70a), wenn es wegen derselben Tat angeordnet war (68 g Abs. 3); e) durch Widerruf der Aussetzung einer Unterbringung (§ 67g Abs. 1 bis 3), weil dann auch insoweit § 68e Abs. 1 Nr. 1 (wieder) anwendbar ist. f) durch Verjährung gemäß § 79 Abs. 4 S. 2 Nr. 1.
§68f Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes (1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten oder eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten der in $ 181b genannten Art vollständig vollstreckt worden, tritt mit der Entlassung der verurteilten Person aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein. Dies gilt nicht, wenn im Anschluss an die Strafverbüßung eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird. (2) Ist zu erwarten, dass die verurteilte Person auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird, ordnet das Gericht an, dass die Maßregel entfällt. Schrifttum s. die Angaben bei den Vorb. Vor § 68.
Entstehungsgeschichte Die durch das 2. StrRG eingefügte Vorschrift hat ihre endgültige Fassung erst durch Art. 18 II Nr. 33 EGStGB erhalten. Die Absenkung des Mindestmaßes verbüßter Freiheitsstrafen bei den in § 181b genannten Delikten ist durch Art. 1 Nr. 9 SexualdelikteBekG eingeführt worden. Art. 1 Nr. 11 FührAufsRuaÄndG hat die Streitfrage, ob eine Gesamtfreiheitsstrafe wegen vorsätzlicher Taten, die das Mindeststrafmaß erreicht, stets genügt, (bejahend) entschieden. Vgl. auch Rdn. 1-3. 892
Hendrik Schneider
Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes
§68f
Übersicht Rdn.
1 1 2
I. Allgemeines 1. Zur Vorschrift 2. Gesetzgeberische Konzeption . 3. Kriminalpolitische Problematik 4. Rechtsstaatliche Problematik .
4 5
Π. Konkurrenz zur gerichtlich angeordneten Führungsaufsicht
6
ΙΠ. Voraussetzungen für den Eintritt der Führungsaufsicht (Absatz 1) . . . . 1. Erfasste Straftaten 2. Erfasste Freiheitsstrafe 3. Vollständige Vollstreckung . . .
8 9 10
12
Rdn. 4. Kein Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel IV. Gerichtliche Anordnung des Entfallens (Absatz 2) 1. Allgemeines 2. Keine Mindestfrist 3. Voraussetzungen der Aufhebung . . 4 . Befugnis zur Anordnung 5. Verfahrensrechtliches V. Übergangsrecht. Recht des Einigungsvertrages
17 18 18 19
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22 24
I. Allgemeines 1. Die Vorschrift, die auf § 97 E 1962 zurückgeht, betrifft die sog. Vollverbüßer. Sie 1 ist bei den Beratungen der Großen Strafrechtskommission entwickelt worden und war bei den Gesetzesberatungen umstritten. Vgl. dazu insbesondere die folgenden Gesetzesmaterialien: Niederschriften Bd. 3, S. 146 ff, 234 ff, 257 ff, 384, 387; Bd. 12, S. 432; Begr. zum E 1962, S. 223 f; Prot. IV, 330 ff, 964 f; V, 2038, 2214 f, 2908, 3255; 2. Bericht S. 36 f; RegE z. EGStGB (BTDrucks. 7/550) S. 214; BTDrucks. 7/1261 S. 8; Prot. VII, 744. Vgl. zur Reform im Jahre 2 0 0 7 BTDrucks. 16/1993; 16, 4740. 2. Der gesetzgeberischen Konzeption liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Prognose der Vollverbüßer typischerweise besonders ungünstig ist, da ihnen andernfalls regelmäßig ein Teil der Strafe nach § 57 ausgesetzt worden wäre (vgl. auch Stree Anm. in NStZ 1990 455 f). Der Gesetzgeber sah daher ein „kriminalpolitisches Bedürfnis", den Verurteilten nach seiner Entlassung „zum Schutze der Allgemeinheit" der Maßregel zu unterwerfen (2. Bericht S. 36 f). Dieses Bedürfnis bejahte er im SexualdelikteBekG auch für das geringere Mindestmaß bei Delikten gemäß § 181b, und zwar speziell wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit „aufgrund des Rückfallrisikos und der Auswirkungen der Tat auf die Allgemeinheit". 1
2
Der Einbau der Vollverbüßer in die Führungsaufsicht machte dem Gesetzgeber Schwierigkeiten. Die Lösung, die Entscheidung über die Anordnung von der Bewährung des Täters im Vollzug abhängig zu machen und der nachträglichen Entscheidung des Vollstreckungsgerichts zu überlassen, erachtete der Sonderausschuss für rechtsstaatswidrig. Da er es aber auch als unmöglich ansah, die Entscheidung dem erkennenden Gericht zu überlassen, das die Prognose, ob der Täter seine Strafe voll verbüßen werde, schlecht treffen könne, wählte er die heutige Lösung: automatischer Eintritt der Führungsaufsicht im Falle der Vollverbüßung (Absatz 1 S. 1) mit Korrekturmöglichkeit durch die Befugnis der Vollstreckungskammer, die Maßregel entfallen zu lassen, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte auch ohne die Aufsicht keine Straftaten mehr begehen wird (Absatz 2).
3
1
Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 13/9062, S. 11; näher und kritisch dazu Hanack LK 1 1 , Nachtrag zu StGB § 68f
Rdn. 1, 2 m.w.N.; Dessecker Stellungnahme Rechtsausschuss (§ 68a Fn. 24), S. 6 ff.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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3. Eine gewisse kriminalpolitische Problematik der Regelung ergibt sich zunächst daraus, dass das erhöhte Gefahrenpotential, welches die Vollverbüßer gegenüber den nach § 57 Entlassenen angeblich aufweisen, bezweifelt wird (vgl. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 16 vor §§ 6 8 - 6 8 g m.w.N.). Es wäre allerdings widersprüchlich, Personen mit positiver Prognose die Unterstützung der Bewährungshilfe zukommen zu lassen, diese Unterstützung den Vollverbüßern aber vorzuenthalten. Die Führungsaufsicht kann auch als milderes Mittel gegenüber ansonsten drohender Sicherungsverwahrung fungieren (zur Einschätzung und Entwicklung in der Praxis s. zusammenfassend Rasch in Dertinger/ Marks S. 167 f; vgl. auch Neubacher BewH 2 0 0 4 7).
5
4. Zur rechtsstaatlichen Problematik (dazu eingehend Hanack LK 1 1 Rdn. 5 ff) stehen diese kriminalpolitischen Erwägungen in einem gewissen Spannungsverhältnis. Bedenken, dass es unberechtigt sei, einen Täter, der seine Strafe voll verbüßt habe, unter Führungsaufsicht (Sicherungsaufsicht) zu stellen, können angesichts der Regelung des § 68f Abs. 2 den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit aber ohnehin nicht begründen (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit auch BVerfGE 55 28, 30 f). Dass Einwirkungen auf den vermutlich gefährlichen oder gefährdeten Täter auch nach der Strafverbüßung verfassungsrechtlich zulässig sind, kann keinem Zweifel unterliegen (näher Raabe S. 4 0 f). Unberechtigt sind auch Überlegungen, die um eine Verletzung des Axt. 103 GG (vgl. hiergegen BVerfGE 55 28, 30 f) und eine Missachtung der Rechtskraft (dazu näher Hanack aaO Rdn. 8) kreisen.
Π. Konkurrenz zur gerichtlich angeordneten Führungsaufsicht 6
Sehr umstritten ist das Konkurrenzverhältnis zwischen § 68f und einer gerichtlich angeordneten Führungsaufsicht gemäß § 68 Abs. 1. Zum Teil wird, entsprechend der Entstehungsgeschichte, 2 die Auffassung vertreten, dass gegebenenfalls beide Führungsaufsichten mit der Folge zusammentreffen, dass die Maßregel einheitlich nach der jeweils längeren Höchstdauer auszuführen sei. 3 Dabei soll § 68f Abs. 2 neben einer zuvor angeordneten Führungsaufsicht nicht anwendbar sein, weil diese andere Aufsicht nicht vor Ablauf der Mindestdauer des § 68e Abs. 2 S. 2 (Abs. 1 S. 2 a.F.) aufgehoben werden dürfe. Horn SK § 68 Rdn. 12 meint dagegen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 68f Abs. 1 eine vorher gemäß § 68 Abs. 1 angeordnete Führungsaufsicht entfällt, § 68f also vorrangig ist. Und Sch/Schröder/Stree (Rdn. 7, 12) bejahen zwar ein Zusammentreffen beider Aufsichten, entnehmen jedoch der Formulierung des § 68 Abs. 2, wonach die Vorschriften über Führungsaufsicht kraft Gesetzes „unberührt" bleiben, im Wege einer teleologischen Betrachtung, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 68f Abs. 1 dessen Absatz 2 gilt, die richterlich angeordnete Führungsaufsicht also ohne Bindung an die Mindestfrist des § 68e Abs. 2 S. 2 aufgehoben werden kann (Rdn. 12). Diese Ansicht entspricht damit im Ergebnis hinsichtlich der Frage, ob § 68f Abs. 2 der Regelung des § 68e Abs. 2 S. 2 vorgeht, der Auffassung
Horns.
2
Vgl. zur Entstehungsgeschichte und dazu, dass der ursprüngliche Gesetzgeber die Problematik nicht vollständig erkannt hatte, Hanack LK 11 Rdn. 9.
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3
OLG Düsseldorf NStZ 1995 34; im Erg. auch OLG Hamm MDR 1983 953; Groß MK Rdn. 9; Lackner/Kühl Rdn. 4; Fischer Rdn. 6.
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Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes
§68f
Dieser Auffassung ist zu folgen:4 Dass nach der vollständigen Verbüßung einer min- 7 destens zweijährigen Freiheitsstrafe bei mangelnder Gefährlichkeit i.S. des § 68f Abs. 2 die Aufhebung einer Führungsaufsicht ohne Bindung an die Mindestfrist zugelassen werden sollte, ergibt sich schon aus § 62. Zudem enthält § 68e neuerdings eine allgemeine Regelung zum Konkurrenzverhältnis zwischen Führungsaufsichten, die besagt, dass eine befristete Führungsaufsicht mit Eintritt einer neuen Führungsaufsicht endet (§ 68e Abs. 1 S. 1 Nr. 3). Der Reformgesetzgeber wollte möglichst keine parallel laufenden Führungsaufsichten. Auch das spricht dafür, dass eine früher gerichtlich angeordnete Führungsaufsicht in dem Moment entfällt, in dem für den Täter gemäß § 68 f Abs. 1 Führungsaufsicht kraft Gesetzes eintritt. ΙΠ. Voraussetzungen für den Eintritt der Führungsaufsicht (Absatz 1) Die Führungsaufsicht für „Vollverbüßer" tritt unmittelbar kraft Gesetzes mit der Ent- 8 lassung ein, wenn der Täter wegen einer vorsätzlichen Straftat entweder eine mindestens zweijährige oder wegen einer der in § 181b genannten Straftaten eine mindestens einjährige Freiheitsstrafe vollständig verbüßt hat (Absatz 1 S. 1), ohne dass im Anschluss an die Verbüßung eine freiheitsentziehende Maßregel vollzogen wird (Absatz 1 S. 2). Die Führungsaufsicht entsteht dann (vgl. § 68c Rdn. 29) mit dem Ende des Strafvollzugs. 1. Erfasste Straftaten. Eine vorsätzliche Straftat liegt auch bei Verurteilung nach der 9 Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination des § 11 Abs. 2 sowie bei Verurteilung wegen Versuchs, wegen Teilnahme oder wegen versuchter Beteiligung (§ 30) vor. Auch im Übrigen kommt es auf die Art der vorsätzlichen Tat nicht an. So genügt auch eine Straftat, deretwegen Führungsaufsicht nach § 68 Abs. 1 nicht angeordnet werden kann. 2. Ob eine von Absatz 1 S. 1 erfasste Freiheitsstrafe vorliegt, beurteilt sich nach der im Urteil verhängten Strafe. Die Anrechnung von Untersuchungshaft oder sonstigen Freiheitsentzugs ( § 5 1 ) bleibt für die Berechnung der Strafhöhe außer Betracht, macht aber die Frage zweifelhaft, ob eine vollständige Vollstreckung vorliegt (näher Rdn. 13 ff).
10
Dass die Verurteilung zu einer Gesamtstrafe ausreicht, auch wenn keine der Einzel- 11 strafen die Zwei- bzw. Einjahresgrenze erreicht, stellt die Neuregelung des § 68f Abs. 1 klar.5 So erledigt sich eine bisherige Streitfrage (vgl. zu ihr z.B. Groß MK Rdn. 5, 7 m.w.N. und Hanack LK 11 Rdn. 14). Als ratio legis wird man nun ansehen müssen, dass im Falle der vollständigen Verbüßung regelmäßig eine ungünstige Prognose vorliegt und der Täter wegen des langen Freiheitsentzugs gefährdet ist (vgl. RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 23). Dass die einschneidende Führungsaufsicht spezifisch für Taten mit hohem Unrechts- und Schuldgehalt gedacht ist (Begr. ζ. E 1962, S. 244), verliert demgegenüber an Bedeutung. Bei der Einheitsjugendstrafe gem. § 31 JGG wird man die Frage nun ebenso beantworten müssen (vgl. Rdn. 29 Vor § 68).
4
5
Ebenso AG Hamburg MDR 1 9 8 9 180; Simons N J W 1978 985; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 11. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die jetzt von Gesetzes wegen ausdrücklich für zulässig
erklärte Einbeziehung der Gesamtstrafe zu einem regionalen Anstieg der Führungsaufsichtsfälle führen wird (vgl. Koller, Stellungnahme Rechtsausschuss [§ 68a Fn. 24], S. 4; OLG Bamberg NStZ-RR 2 0 0 7 9 4 .
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Beruht die Gesamtstrafe auf Einsatzstrafen sowohl für Vorsatz- als auch für Fahrlässigkeitstaten, sollen die §§ 458 Abs. 1, 463 Abs. 1 StPO den Vollstreckungsbehörden ermöglichen, den Strafanteil der Vorsatztaten gerichtlich klären zu lassen (RegE aaO). 3. Vollständige Vollstreckung liegt vor, wenn der Täter die Strafe voll verbüßt hat.
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Dies ist auch dann der Fall, wenn lediglich der Entlassungszeitpunkt aufgrund des § 16 Abs. 3 StVollzG vorverlegt wird, 6 wenn eine Aussetzung oder ein Straferlass gemäß § 56f oder § 56g Abs. 2 widerrufen worden ist 7 oder wenn der Vollzug aus anderem Anlass lediglich unterbrochen wurde, und sei es auch wiederholt. 8 Wird hingegen ein Teil der Strafe, und sei es ein nur sehr kleiner, durch Gnadenerweis oder Amnestie erlassen, soll es nach KG J R 1979 273 an der vollständigen Vollstreckung fehlen (krit. Groß M K Rdn. 8, der mit Recht darauf hinweist, dass die Landesjustizverwaltungen Gefangene, die § 68f erfasst, in aller Regel von der sog. Weihnachtsamnestie ausschließen). Keine vollständige Vollstreckung liegt vor, wenn der Täter zwar mehr als das in Absatz 1 vorausgesetzte Mindestmaß verbüßt, dann aber eine erfolgreiche Aussetzung des Strafrests (§ 57) erfolgt. 9 In diesem Fall, in dem es an der vorausgesetzten ungünstigen Prognose (Rdn. 2) fehlt, unterliegt der Täter vielmehr ausschließlich den Regelungen der Strafaussetzung (§ 57). Ähnliches gilt, wenn eine Gesamtstrafe nicht vollständig vollstreckt wird: Hier kommt es also nicht darauf an, ob die Strafverbüßung zur vollständigen Verbüßung einer die Zweijahresgrenze erreichenden Einzelstrafe führt. Denn wenn dem Täter überhaupt eine (erfolgreiche) Aussetzung des Strafrests gewährt wird, liegt die schlechte Prognose (Rdn. 2) auch hier nicht vor; dann aber entspricht es wiederum dem Zweck des Gesetzes, die Stützung des Verurteilten auf dem Weg über die mit der Vollstreckungsaussetzung verbundenen Bewährungsmaßnahmen zu verfolgen (übereinstimmend Sch/Schröder/Stree Rdn. 5). 13
Wird gemäß ξ 51 Untersuchungshaft oder anderer Freiheitsentzug auf die Strafe angerechnet, entstehen missliche Probleme, wenn es auf diese Weise zu einer vollständigen Vollstreckung der Strafe kommt. Die herrschende Meinung nimmt an, dass in diesem Falle die Voraussetzung der „vollständigen Vollstreckung" auch i.S. des § 68f vorliegt.10 Soweit dabei auf die entsprechende Regelung in § 66 Abs. 4 S. 2 verwiesen wird, überzeugt dies schon deswegen nicht, weil bei § 68f eine entsprechende Normierung gerade fehlt. Nicht überzeugend ist aber auch das Argument, § 51 solle den Betroffenen nicht begünstigen, sondern nur seine Schlechterstellung verhindern. Denn im Rahmen des § 68f geht es um die Vermutung schlechter Prognose aufgrund fehlender oder erfolgloser Aussetzung der Strafe bzw. des Strafrests (Rdn. 2). Diese Prognose hat jedoch mindestens in den Fällen, in denen die „Vollstreckung" nur in der Anrechnung liegt, gar nicht zur Debatte gestanden. Und auch in den Fällen der Teilanrechnung fehlt es - im Umfang dieser Anrechnung - jedenfalls an der spezifischen Einwirkung des Vollzuges, so dass sich,
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OLG Düsseldorf MDR 1987 603; KG NStZ 2 0 0 4 2 2 8 ; Freh see/Ostendorf NK Rdn. 6; Groß MK Rdn. 8; Horn SK Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 1; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Fischer Rdn. 4. OLG Köln OLGSt 14; OLG München NStZ 1990 454, 4 5 5 ; Stree aaO (vor. Fn.); Fischer aaO. OLG Düsseldorf MDR 1987 603; KG NStZ
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2 0 0 4 2 2 8 ; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 6; Groß MK Rdn. 8; Horn SK Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 1; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Fischer Rdn. 4. Horn SKRdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5; Groß MK Rdn. 8. OLG München NStZ 1990 454, 4 5 5 mit Anm. Stree; Fischer Rdn. 3; Horn SK Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 5.
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Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes
§ 68f
je nach dem Verhältnis zwischen Untersuchungs- und Strafhaft, die im Gesetz vorausgesetzte Situation oft kaum annehmen lässt. Einen überzeugenden Ausweg aus dem Dilemma, das die insoweit ersichtlich nicht 1 4 durchdachte Gesetzesregelung mit sich bringt, gibt es nicht: Anzunehmen, dass § 68f in jedem Fall ausscheidet, in dem auf die Strafe eine Anrechnung nach § 51 erfolgt, verbietet sich nach der ratio legis ohne Zweifel. Lösungen, die je nach der Dauer von Untersuchungs- und Strafhaft differenzieren, sind nach der Struktur des Gesetzes aber ebenfalls unmöglich. Sagen lässt sich nach allem mithin nur, dass dort, wo die vollständige Vollstreckung 1 5 allein in der Anrechnung liegt, die vom Gesetz vorausgesetzte Situation so wenig gegeben ist, dass § 68f Abs. 1 nicht eingreifen kann. 11 Bei allen übrigen Fällen muss das Gericht Unzuträglichkeiten dadurch begegnen, dass es bei Anwendung des Absatz 2, über den Wortlaut dieser Vorschrift hinaus, berücksichtigt, wieweit für die dort geforderte „Erwartung, dass der Verurteilte auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird", nach der Dauer des Strafvollzugs überhaupt eine reale Beurteilungsgrundlage besteht. Anders liegt es bei Anrechnungen eines vorangegangenen Maßregelvollzugs gemäß 1 6 § 67 Abs. 4, wenn also neben der Freiheitsstrafe eine Maßregel nach § 63 oder § 64 angeordnet und - entsprechend der Regel des § 67 Abs. 1 - vor der Strafe vollzogen wird, danach aber eine Aussetzung des Strafrests (§ 67 Abs. 5) nicht erfolgt, sondern der Täter die Strafe, wenn auch u.U. allein in Form des Maßregelvollzugs, im Ergebnis voll verbüßt. Denn hier liegt der typische Fall der schlechten Prognose vor, den § 68f treffen will. Dass der Täter neben der Strafe zusätzlich einem - erfolglosen - Maßregelvollzug unterworfen war, bedeutet nicht, dass er gewissermaßen „genug bestraft" sei und Führungsaufsicht nicht mehr „verdiene". Entscheidend ist vielmehr, dass er nach der ratio legis ein typischer „Vollverbüßer" ist. Die Behandlung in einer Rehabilitationsanstalt gemäß § 35 Abs. 1 BtMG ist mit erheblichen Beschränkungen in der Lebensführung verbunden, ihre Anrechnung gem. § 36 Abs. 1 BtMG daher als Vollstreckung i.S. des § 68f anzusehen (OLG München NStZ 1990 454 mit eingehender Anm. Stree). Die Anrechnung von Leistungen ohne Freiheitsentzug (§§ 56f Abs. 3 S. 2, 58 Abs. 2, 51 Abs. 4; dazu Stree FS Baumann S. 289 ff) ist nach dem Zweck des § 68f für die Berechnung der Strafdauer ohne Bedeutung. 4. Beim nachfolgenden Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel im Anschluss unmittelbar an die Strafverbüßung entsteht keine Führungsaufsicht (Absatz 1 S. 2). Der Grund dafür ist nicht nur, dass die Führungsaufsicht nur beim Verurteilten in Freiheit „wirken" kann (so aber Horn SK Rdn. 6), sondern vor allem, dass mit Beginn des Maßregelvollzugs die Frage einer späteren Führungsaufsicht regelmäßig besonderen Normierungen unterliegt (§ 67d Abs. 2, 3, 5). Insbesondere deswegen ist die Auffassung, Absatz 1 S. 2 gelte nur, wenn der anschließende Maßregelvollzug in derselben Sache erfolgt, 12 nicht überzeugend (vgl. Groß MK Rdn. 11). Kommt es nicht unmittelbar im Anschluss an die Strafvollstreckung zum Vollzug der Maßregel, gilt Absatz 1 S. 2 nicht, weil die Führungsaufsicht dann schon entstanden ist (Sch/Schröder/Stree Rdn. 8). Die Führungsaufsicht endet dann jedoch regelmäßig gemäß § 68e Abs. 1 S. 1 Nr. 1. 11
Hanack LK11 Rdn. 18; zustimmend Frehsee/ Ostendorf NK Rdn. 8.
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So OLG Köln NStZ-RR 1998 123; Fischer Rdn. 6.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
IV. Gerichtliche Anordnung des Entfallens (Absatz 2) 18
1. Allgemeines. Zweck des Absatz 2 ist, im Einzelfall den Eintritt einer nicht erforderlichen Führungsaufsicht schon vor ihrem Beginn abzuwenden (Lackner/Kühl Rdn. 5). Dass nur dies gemeint sein kann, ergibt sich aus der Grundkonzeption (Rdn. 2, 3), aber auch aus § 68e Abs. 2, neben dem Absatz 2 in dieser Form sonst überflüssig wäre. Die Anordnung ist daher schon kurz (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2001 59: „unmittelbar") vor der Entlassung aus dem Strafvollzug zu treffen, allerdings nur, wenn es auch tatsächlich zur Entlassung aus dem Vollzug kommt, nicht also zu einem Anschlussvollzug.13 Untersuchungshaft in einer anderen Sache im Anschluss an die Vollverbüßung steht einer Entscheidung nach Absatz 2 jedoch nicht entgegen.14 Die Strafvollstreckungsbehörde hat dann zur Vorbereitung der Entscheidung die Akten drei Monate vor dem Entlassungstermin der Strafvollstreckungskammer vorzulegen (§ 54a Abs. 2 StVollstrO; vgl. auch Rdn. 22 f). Die Verletzung dieser Pflicht ist nur die Verletzung einer Ordnungsvorschrift, die nicht automatisch zur Unzulässigkeit der weiteren Führungsaufsicht führt (OLG Hamm JMB1NRW 1982 131; s. auch OLG Düsseldorf NStZ 1984 428). Eine allzu frühe Entscheidung über das Fortbestehen ist fehlerhaft; OLG Schleswig SchlHA 1981 161 bejaht das zu Recht bei einer Entscheidung 10 Monate vor Strafende; vgl. auch OLG Hamm NStZ-RR 2001 59. Ist die Entscheidung versehentlich unterblieben, obwohl ihre Voraussetzungen im Entlassungszeitpunkt vorlagen, kann sie nachgeholt werden;15 die nachholende Entscheidung erfolgt dann nach Absatz 2, nicht nach § 68e Abs. 2, weil der Verurteilte sonst nur infolge des Versehens der Mindestfrist des § 68e Abs. 2 S. 2 unterworfen wäre, die für § 68f Abs. 2 nicht gilt. Für die Anwendung von § 68e Abs. 2 ist in den Fällen des § 68f nur Raum, wenn es sich um Aufhebungsgründe handelt, die nach der Strafverbüßung eingetreten sind. In diesen Fällen ist dann aber auch allein § 68e Abs. 2 anzuwenden, weil es anderenfalls zur Umgehung der Mindestdauer des § 68e Abs. 2 S. 2 käme (Lackner/Kühl Rdn. 5); entsprechend den zu § 68e Rdn. 20 ff dargelegten Grundsätzen kann die Bindung an die Mindestdauer insoweit regelmäßig auch nicht als unverhältnismäßig gelten, weil der Täter im Zeitpunkt der Entlassung und trotz der Einwirkungen des Strafvollzugs die günstige Prognose i.S. des Absatz 2 in Wahrheit eben doch nicht aufgewiesen hat. 16
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2. Die Zweijahres-Mindestfrist des § 68e Abs. 2 S. 2 gilt für § 68f Abs. 2, entsprechend dem Gesetzeswortlaut, unstreitig nicht. Der Grund dafür liegt in der Logik der gesetzgeberischen Konzeption (Rdn. 2, 3): Das Gericht soll aufgrund der Entwicklung des Täters im Vollzug über die Frage entscheiden, ob von ihm noch Straftaten zu erwarten sind, Führungsaufsicht also überhaupt erforderlich erscheint; gedacht hat der Gesetzgeber dabei vor allem an die Fälle, in denen die mit der Vollverbüßung verbundene Vermutung der schlechten Prognose nur deswegen nicht stimmt, weil es zur vollen Ver-
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OLG Bremen MDR 1980 512; KG JR 1984 213; OLG Düsseldorf J R 2 0 0 3 169 m. Anm. Dölling; OLG München NStZ-RR 1998 125; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 9; Groß MK Rdn. 10; Fischer Rdn. 5. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2 0 0 2 190; Groß MK Rdn. 10.
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OLG Düsseldorf NStZ 1984 4 2 8 und MDR 1986 2 5 5 ; OLG Hamm JMB1NRW 1982 131; OLG Koblenz NStZ 1984 189. Anders LG Hamburg MDR 1980 419; LG Regensburg MDR 1983 4 2 3 ; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 14; vgl. auch oben Rdn. 11.
Hendrik Schneider
Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes
§ 68f
büßung lediglich infolge einer verweigerten Einwilligung des Verurteilten in die Strafaussetzung (§ 57 Abs. 1 Nr. 3) gekommen ist (vgl. OLG Karlsruhe GA 1987 410). Zur streitigen Frage, ob bei gerichtlich angeordneter Führungsaufsicht (§ 68 Abs. 1) gegebenenfalls § 68f vorgeht, also die Bindung an die Zweijahresfrist entfällt, s. Rdn. 6, 7. 3. Die Voraussetzungen der Aufhebung entsprechen denen des § 68e Abs. 2 S. 1 (vgl. 2 0 dort Rdn. 8 ff). Es handelt sich bei § 68f Abs. 2 nach herrschender Auffassung um eine Ausnahmevorschrift,17 die eine konkrete Erwartung voraussetzt. Verlangt wird eine günstige Sozialprognose, die die mit der Vollverbüßung verbundene Indizwirkung entkräftet (OLG Karlsruhe GA 1987 410; Horn SK Rdn. 7). Die Voraussetzungen sind strenger als bei der Prognose gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2. 1 8 Die Ansicht, die Aufhebung sei schon anzuordnen, wenn Zweifel, ob die Gefahr weiterer Straftaten besteht, nicht auszuschließen seien, weil der Täter bei der Führungsaufsicht kraft Gesetzes nicht schlechter gestellt werden dürfe als bei ihrer gerichtlichen Anordnung,19 entspricht nicht dem Gesetz.20 Die Erwartung, dass der Verurteilte auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird, kann vor allem begründet sein, wenn es zu einer Aussetzung gemäß § 57 nur deswegen nicht gekommen ist, weil der Verurteilte seine Einwilligung verweigert hat (Rdn. 19). Denkbar ist aber immerhin auch, dass im letzten Stadium des Strafvollzugs Umstände eingetreten sind, die die Erwartung begründen, ohne dass eine Aussetzung des Strafrests noch beschlossen werden konnte. 21 Ist die Erwartung begründet, muss das Gericht die Führungsaufsicht aufheben; für eine Ermessensentscheidung ist kein Raum (Sch/Schröder/Stree Rdn. 12). 4. Befugt zu Anordnungen nach Absatz 2 ist nur die Vollstreckungskammer bzw. das 21 von ihr beauftragte Gericht (§ 462a i.V. mit § 463 Abs. 6 StPO). Das erkennende Gericht kann nach der ganzen Konzeption (Rdn. 2, 3) die Anordnung im Zeitpunkt des Urteils selbst dann nicht treffen, wenn es schon zu diesem Zeitpunkt der Überzeugung sein sollte, dass der Täter keine Straftaten mehr begehen wird. Eine solche Zuständigkeit passt hier nicht, weil das Gericht damit gerade in den Fällen mit günstigerer Prognose die Überzeugung zum Ausdruck bringen müsste, dass es zur vollständigen Vollstreckung kommt, was in aller Regel ungereimt wäre. 5. Verfahrensrechtlich ist zu beachten: Die Pflicht der Strafvollstreckungskammer bzw. des von ihr beauftragten Gerichts (§ 462a StPO), unmittelbar vor Vollzugsende zu prüfen, ob Absatz 2 anzuwenden ist (vgl. Rdn. 21), besteht schon im Hinblick auf die anderenfalls zu treffenden Entscheidungen insbesondere nach § 68b (vgl. § 463 StPO) auch ohne Antrag des Verurteilten, also von Amts wegen.22 Verneint das Gericht die
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KG NStZ-RR 2 0 0 5 4 2 , 43; Hanack LK 1 1 Rdn. 2 5 ; Fischer Rdn. 9; kritisch Groß MK Rdn. 13. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 13; Sch/Schröder/Stree Rdn. 11. So Sch/Schröder/Stree Rdn. 11; Stree FS Baumann, S. 293. Ablehnend auch OLG Karlsruhe MDR 1982 595 und GA 1987 410; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 13; Horn SK Rdn. 7, Lackner/Kühl Rdn. 5.
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OLG Karlsruhe Die Justiz 1981 4 4 4 und M D R 1982 595; OLG Koblenz OLGSt Nr. 1; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 12; Fischer Rdn. 9. OLG Bremen MDR 1977 7 7 2 LS; OLG Koblenz NStZ 1984 189; Fischer Rdn. 8; Lackner/Kühl Rdn. 6; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 10; offen gelassen von OLG Saarbrücken MDR 1983 598.
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§ 68g
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Voraussetzungen des Absatz 2, ist es zu einem förmlichen Beschluss darüber verpflichtet, auch wenn kein formeller Antrag vorliegt. 23 Das dient dem Interesse des Betroffenen, auch dann die Entscheidung anfechten zu können, wenn er einen Antrag im Vertrauen auf die Prüfung von Amts wegen nicht gestellt hat (vgl. z.B. Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 14). Die Prüfungspflicht verlangt in aller Regel eine mündliche Anhörung des Verurteilten gemäß §§ 463 Abs. 3 S. 1, 454 Abs. 1 S. 3 StPO. 24 Ausnahmen kommen insoweit nur in Betracht unter den Voraussetzungen des § 454 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 StPO, bei Verzicht oder bei Unerreichbarkeit des Verurteilten (vgl. OLG Hamm M D R 1988 75). Lehnt das Gericht die Voraussetzungen des Absatz 2 ab, hat es zugleich auch die notwendigen Entscheidungen über die Gestaltung der Führungsaufsicht (§§ 68a, 68b, evtl. 68c Abs. 1 S. 2) zu treffen. Im Falle einer nachgeholten Entscheidung (vgl. Rdn. 18) bedarf das insbesondere bei einem längeren Zeitraum zwischen Entlassung und Entscheidung einer sehr sorgfältigen Prüfung (näher OLG Hamm JMB1NRW 1982 131). 23
Probleme können entstehen, wenn das Gericht den Verurteilten nach seiner Einwilligung im Hinblick auf eine beabsichtigte Entlassung gemäß § 57 befragt (vgl. § 57 Abs. 1 Nr. 3), dieser aber, um Bewährungsmaßnahmen bei Aussetzung des Strafrests zu vermeiden, in der Erwartung ablehnt, im Falle der Vollverbüßung auf dem Weg über § 68f Abs. 2 auch von der Führungsaufsicht verschont zu werden. Horn (SK Rdn. 10) meint, hier sei dem Verurteilten, der sich wegen der Anfrage für günstig beurteilt hält, vorher auch Aufklärung darüber zu verschaffen, ob er mit einer positiven Entscheidung nach § 68f Abs. 2 rechnen dürfe, damit er durch die Ablehnung eines entsprechenden Antrags nicht überrascht werde (ähnlich Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 14). Dies ist bedenklich, weil und wenn eine derartig intensive Aufklärung auf eine vorweggenommene Entscheidung hinausläuft. Die Aufklärung kann darum - als Ausdruck der Fürsorgepflicht grundsätzlich nur in dem Hinweis bestehen, dass die Anfrage gemäß § 57 nichts über die Anwendung des § 68f Abs. 2 aussagt.
V. Übergangsrecht. Recht des Einigungsvertrages
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Vgl. Rdn. 30 und Rdn. 32 Vor § 68.
§ 68g Führungsaufsicht und Strafaussetzung zur Bewährung (1) Ist die Strafaussetzung oder Aussetzung des Strafrestes angeordnet oder das Berufsverbot zur Bewährung ausgesetzt und steht der Verurteilte wegen derselben oder einer anderen Tat zugleich unter Führungsaufsicht, so gelten für die Aufsicht und die Erteilung von Weisungen nur die §§ 68a und 68b. Die Führungsaufsicht endet nicht vor Ablauf der Bewährungszeit.
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OLG Koblenz NStZ 1984 189; OLG Zweibrücken MDR 1992, 1166; Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 14; Groß MK Rdn. 18; Fischer Rdn. 9; aA OLG Saarbrücken aaO; Hanack LK 11 Rdn. 27; Lackner/Kühl Rdn. 6;
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 13; offen gelassen von OLG Celle NStZ 1986 238. OLG Celle, OLG Koblenz jeweils aaO; OLG Düsseldorf MDR 1986 2 5 5 ; Fischer Rdn. 9; aA OLG Saarbrücken MDR 1983 598.
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Führungsaufsicht und Strafaussetzung zur Bewährung
§ 68g
(2) Sind die Aussetzung zur Bewährung und die Führungsaufsicht auf Grund derselben Tat angeordnet, so kann das Gericht jedoch bestimmen, dass die Führungsaufsicht bis zum Ablauf der Bewährungszeit ruht. Die Bewährungszeit wird dann in die Dauer der Führungsaufsicht nicht eingerechnet. (3) Wird nach Ablauf der Bewährungszeit die Strafe oder der Strafrest erlassen oder das Berufsverbot für erledigt erklärt, so endet damit auch eine wegen derselben Tat angeordnete Führungsaufsicht. Dies gilt nicht, wenn die Führungsaufsicht unbefristet ist (§ 68c Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3).
Schrifttum s. die Angaben bei den Vorb. Vor § 68.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist durch das 2. StrRG eingefügt worden (vgl. dazu auch Rdn. 1). Von der Beendigung gemäß Absatz 3 hat Art. 1 Nr. 12 FührAufsRuaÄndG im neuen Satz 2 die unbefristete Führungsaufsicht ausgenommen. Eine Anpassung an die sog. geschlechtergerechte Sprache ist in Absatz 1 Satz 1 - wohl versehentlich - unterblieben („der Verurteilte"). Übersicht Rdn. I. Allgemeines
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Π. Konkurrenz mehrerer Führungsaufsichten ΙΠ. Fälle der Konkurrenz zwischen Führungsaufsicht und Aussetzung 1. Allgemeines 2. Konkurrenz aufgrund verschiedener Taten 3. Konkurrenz aufgrund derselben T a t . . IV. Die grundsätzliche Konkurrenzregelung (Absatz 1) und ihre Folgen 1. 2. 3. 4.
Grundsatz Aufsicht und Weisungen Unberührte Folgen Zeitliche Dauer
3 3 5 9 12 12 13 15 16
Rdn. V. Die Ausnahme des Absatz 2 (Ruhen) . . 1. Grundgedanke 2. Beruhen auf derselben Tat 3. Ruhen 4. Pflichtgemäßes Ermessen 5. Verfahrensmäßiges 6. Nichteinrechnung der Bewährungszeit 7. Widerruf der Anordnung VI. Beendigung der Führungsaufsicht nach Bewährung (Absatz 3) 1. Wegen derselben Tat 2. Führungsaufsicht wegen einer anderen Tat 3. Keine Beendigung kraft Gesetzes bei unbefristeter Führungsaufsicht . . . .
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I. Allgemeines Die Vorschrift regelt die Konkurrenz zwischen der Führungsaufsicht einerseits und der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56), der Aussetzung des Strafrests (§§ 57, 57a) und der Aussetzung eines Berufsverbots (§ 70a) andererseits. Für die Regelung solcher Konkurrenzen besteht, wenn auch nicht in der komplizierten Form des § 68g, ein sachliches Bedürfnis, damit der Täter nicht einem überflüssigen oder gar gefährlichen und sinnlosen Nebeneinander verschiedener Einwirkungen ausgesetzt wird. - Nicht einbezogen ist die Aussetzung des Vollzugs einer freiheitsentziehenden Maßregel, weil hier stets Führungsaufsicht kraft Gesetzes eintritt. Entwickelt worden ist die Vorschrift in den Beratungen der Großen Strafrechtskommission; ihre Fassung im E 1962 (§ 98) wurde vom Sonderausschuss nur noch wenig ver-
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ändert. - Zu den Gesetzesmaterialien vgl. im Einzelnen vor allem: Niederschriften Bd. 3, S. 260 f, 266 f, 303 f, 384 f; Bd. 12, S. 528, 586; Begr. ζ. E 1962, S. 224 f; Prot. IV, 982; Prot. V, 16, 2215, 2620, 3255; 2. Bericht S. 37.
Π. Konkurrenz mehrerer Führungsaufsichten 2
Die Konkurrenz mehrerer Führungsaufsichten wird von § 68g nicht erfasst. Sie ist nun in § 68e Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 3 geregelt. Soweit es dazu kommt, dass gegen den Täter mehrere Führungsaufsichten bestehen (s. ξ 68e Rdn. 6, aber auch § 68f Rdn. 6, 7), laufen sie grundsätzlich nebeneinander. Man wird jedoch annehmen müssen, dass die Aufsicht dann einheitlich zu führen ist, soweit sich die Maßregeln zeitlich überschneiden (zustimmend Tröndle/Fischer Rdn. 5). So ist das Gericht insbesondere verpflichtet, unterschiedliche Weisungen oder zu viele Weisungen (§ 68b) zu vermeiden bzw. gemäß § 68d auszugleichen.
ΠΙ. Fälle der Konkurrenz zwischen Führungsaufsicht und Aussetzung 3
1. Allgemeines. Ein Nebeneinander von Führungsaufsicht und Aussetzung ist in mancherlei Formen denkbar (vgl. auch Tröndle/Fischer Rdn. 3; Schwalm Niederschriften Bd. 3, S. 26 f; Begr. ζ. E 1962, S. 224). Es handelt sich dabei auch nicht um besondere Ausnahmefälle. Dass sich Aussetzung und Führungsaufsicht regelmäßig ausschließen, weil die Aussetzung eine gute, die Führungsaufsicht hingegen eine schlechte Prognose voraussetze, trifft nicht zu. Das gilt insbesondere für das Nebeneinander von Führungsaufsicht und Aussetzung des Strafrests (Rdn. 7, 9).
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Eine Bewährungsfrist nach § 59a fällt nicht unter § 68g, weil es sich bei der Verwarnung unter Strafvorbehalt nicht um einen Fall der Strafaussetzung handelt (Groß MK Rdn. 4; aA Tröndle/Fischer Rdn. 1). Im Übrigen ist schon im Hinblick auf § 59 Abs. 1 Nr. 2 die Konkurrenz einer solchen Bewährungsfrist mit Führungsaufsicht kaum vorstellbar (Tröndle/Fischer aaO). Wohl aber kann ein Nebeneinander von Führungsaufsicht und Aussetzung auch im Fall des § 67 Abs. 5 S. 1 entstehen (Sch/Schröder/Stree Rdn. 2; Tröndle/Fischer Rdn. 3); es handelt sich insoweit wegen der Anrechnungsvorschrift des § 67 Abs. 4 nur um eine besondere Form der Aussetzung des Strafrests. Für die Betrachtung der Konkurrenzfälle ist zweckmäßigerweise das Nebeneinander aufgrund verschiedener Taten und aufgrund derselben Tat zu unterscheiden. 2. Konkurrenz aufgrund verschiedener Taten
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a) Konkurrenz mit Strafaussetzung. Möglich ist zunächst (Tröndle/Fischer Rdn. 3), dass gegen einen Täter wegen einer Tat, die nicht schwer wiegt, eine Freiheitsstrafe verhängt, aber nach § 56 zur Bewährung ausgesetzt wird, obwohl der Täter wegen einer anderen Tat unter Führungsaufsicht steht (sei es unter Führungsaufsicht kraft Richterspruchs oder kraft Gesetzes). Denn die Voraussetzungen der Strafaussetzung, dass der Täter sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Vollzugs ein straffreies Leben führen wird (§ 56), werden für sich noch nicht zwingend dadurch ausgeschlossen, dass der Täter die Tat während der Führungsaufsicht begangen hat. Vielmehr ist dies nur ein Umstand im Rahmen der nach § 56
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Führungsaufsicht und Strafaussetzung zur Bewährung
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erforderlichen Gesamtwürdigung. So kann gerade die Gesamtwürdigung ergeben, dass die Vollstreckung deswegen nicht erforderlich ist, weil der Täter unter Führungsaufsicht steht (Horn SK § 68 Rdn. 10). In vielen Fällen freilich wird die Gesamtabwägung - sei es wegen der laufenden Führungsaufsicht, sei es wegen vorhandener Vorstrafen, sei es wegen der Gefahr weiterer Straftaten - zu der Folge zwingen, dass Bewährung zu versagen ist. Ein Nebeneinander von Führungsaufsicht und Aussetzung dürfte daher hier vielfach ein Zeichen dafür sein, dass etwas nicht stimmt: nämlich entweder die günstige Prognose nach § 56 unberechtigt ist oder aber die Führungsaufsicht entgegen den §§ 68e Abs. 2, 68f Abs. 2 nicht aufgehoben wurde; im letzteren Fall wird dabei häufig die fatale Mindestfrist des § 68e Abs. 2 S. 2 der eigentliche Grund der Divergenz sein. - Übrigens nötigt die Begehung einer neuen Straftat auch nicht immer zum Widerruf der Aussetzung einer freiheitsentziehenden Maßregel nach § 67g Abs. 1 Nr. 1, weil durchaus denkbar ist, dass sich aus der Tat noch nicht „ergibt, dass der Zweck der Maßregel (die) Unterbringung erfordert". Die mit der Aussetzung der Unterbringung kraft Gesetzes entstandene Führungsaufsicht kann daher auch insoweit mit einer Strafaussetzung zur Bewährung konkurrieren. Die umgekehrte Situation, dass der Täter wegen einer Tat unter Strafaussetzung mit Bewährung steht und gegen ihn später wegen einer anderen Tat Führungsaufsicht nach § 68 Abs. 1 gerichtlich angeordnet wird oder kraft Gesetzes eintritt, ist schwer vorstellbar, schon weil das Gericht in diesen Fällen regelmäßig vor der Notwendigkeit steht, die Strafaussetzung gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 1 zu widerrufen. Doch ist im Einzelfall immerhin nicht ausgeschlossen, dass das zuständige Gericht von einem Widerruf absieht, weil es Grund hat anzunehmen, der Täter habe durch die Tat „die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag" (§ 56f), noch nicht enttäuscht.
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b) Konkurrenz mit Strafrestaussetzung. Beim Nebeneinander zwischen der AusSetzung des Strafrests (§ 57; § 88 JGG, § 36 Abs. 2 BtMG) und der Führungsaufsicht liegen die Konkurrenzmöglichkeiten ähnlich, werden aber praktisch häufiger sein.
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Es ist möglich, dass ein Täter, gegen den Führungsaufsicht läuft, wegen einer anderen Tat zu Freiheitsstrafe verurteilt wird und wegen dieser Verurteilung später (oder wegen Anrechnungen gemäß § 51 sogar schon mit der Verurteilung) Strafaussetzung nach § 57 erhält. Denn die Aussetzung des Strafrests ist unter leichteren Voraussetzungen möglich als die Aufhebung der Führungsaufsicht (s. § 68e Rdn. 9). Die Führungsaufsicht braucht daher der bedingten Entlassung im Einzelfall nicht entgegenzustehen. Sie endet auch nicht durch einen Strafvollzug wegen der anderen Tat, sondern ruht nur (§ 68e Abs. 1 S. 2). Bei der umgekehrten Situation, dass einem Täter Strafrestaussetzung gewährt worden ist und er später wegen einer anderen Tat unter Führungsaufsicht gestellt wird, liegen die Probleme wegen des § 56f i.V.m. § 57 Abs. 3 S. 1 nicht anders als bei der Strafaussetzung zur Bewährung. c) Aussetzung des Berufsverbots (§ 70a). Hier ist die Möglichkeit einer Konkurrenz mit der Führungsaufsicht vielleicht noch größer, und zwar gleichgültig, ob es erst zur Verhängung des Berufsverbots oder zur Führungsaufsicht kommt. Denn die Aussetzung des Berufsverbots kann nach § 70a Abs. 1 schon erfolgen, wenn die Gefahr nicht mehr besteht, dass der Täter erhebliche rechtswidrige Taten speziell unter Missbrauch seines Berufs oder Gewerbes begeht; und ein Widerruf der Aussetzung erfolgt nur, wenn die neue Tat spezifisch mit dem Missbrauch des Berufs oder Gewerbes zusammenhängt (§ 70b Abs. 1 Nr. 1). Sowohl die Voraussetzungen der Aussetzung wie des Widerrufs sind hier also von den Voraussetzungen für die Aufhebung der Führungsaufsicht recht verschieden.
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3. Konkurrenz aufgrund derselben Tat. Eine Konkurrenz zwischen Führungsaufsicht und Aussetzung wegen derselben Tat ist vor allem dadurch möglich, dass einem Täter, gegen den Führungsaufsicht gerichtlich angeordnet worden ist, gemäß S 57 Aussetzung des Strafrests gewährt wird oder dass noch während des Laufs der Führungsaufsicht ein gleichzeitig angeordnetes Berufsverbot gemäß § 70a zur Bewährung ausgesetzt wird. Denn wie bemerkt (Rdn. 7, 8) sind die Voraussetzungen der Aussetzung nach den §§ 57, 70a einerseits und die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Führungsaufsicht andererseits nicht identisch. Es kann daher sein, dass das Gericht zwar nicht die Erwartung hegt, der Verurteilte werde „auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen" (§§ 68e, 68f), aber sehr wohl der Auffassung ist, eine Reststrafaussetzung könne „verantwortet werden" bzw. dass es der Auffassung ist, er werde weitere Taten nach § 70 Abs. 1 unterlassen.
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Wegen derselben Tat zu einem Nebeneinander von Führungsaufsicht und Bewährungsaussetzung kann es auch in den Fällen der Führungsaufsicht kraft Gesetzes kommen. Dies ist etwa der Fall, wenn der Täter zu Strafe und Unterbringung verurteilt wird, das Gericht jedoch im Urteil die Vollstreckung der Unterbringung zugleich mit der Anordnung nach § 67b aussetzt (womit die Führungsaufsicht kraft Gesetzes eintritt) und weiterhin gleichzeitig die Aussetzung der Strafe zur Bewährung nach § 56 verfügt. Ferner kann etwa der Fall eintreten, dass der Täter gemäß § 68f Abs. 1 unter Führungsaufsicht kraft Gesetzes steht und ein Berufsverbot, das ebenfalls wegen der dieser Aufsicht zugrunde liegenden Straftat angeordnet worden ist, nach § 70a zur Bewährung ausgesetzt wird (Sch/Schröder/Stree Rdn. 10).
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Dass ein Gericht Führungsaufsicht gemäß § 68 Abs. 1 anordnet, gleichzeitig aber die Strafe zur Bewährung aussetzt, wird selten vorkommen, ist jedoch nicht ausgeschlossen (aA Preiser ZStW 81 [1969], S. 916) und im Einzelfall sogar sehr zu erwägen, wenn man (im Ergebnis mit Horn SK § 68 Rdn. 10) bedenkt: Es ist im konkreten Fall möglich, dass bei einem Täter die Gefahr weiterer Straftaten besteht und dieser Gefahr zwar nicht durch die Bewährungsaufsicht, wohl aber durch die intensiveren Einwirkungen der Führungsaufsicht gesteuert werden kann. In einem solchen Fall widerspräche es trotz des engen Wortlauts von § 56 dem Geist des Gesetzes und seinen kriminalpolitischen Zielsetzungen sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem Täter die Strafaussetzung zur Bewährung zu versagen; der Richter wird hier regelmäßig sogar verpflichtet sein, die Anordnung der Führungsaufsicht, die in seinem pflichtgemäßen Ermessen liegt, gerade zur Vermeidung eines Vollzugs der Freiheitsstrafe anzuordnen. IV. Die grundsätzliche Konkurrenzregelung (Absatz 1) und ihre Folgen
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1. Grundsätzlich geht nach Absatz 1 die Führungsaufsicht mit ihren wesentlichen Wirkungen den Wirkungen der Aussetzung vor, und zwar gleichgültig, ob das Nebeneinander von Aussetzung und Führungsaufsicht auf einer oder auf verschiedenen Taten beruht. Der Gesetzgeber steht auf dem Standpunkt, dass die Führungsaufsicht regelmäßig (Ausnahme: Absatz 2) „als die für den Betroffenen einschneidendere Maßnahme die Aufgabe der Bewährungsaufsicht mit übernehmen kann, während das Umgekehrte im allgemeinen nicht zutrifft" (Begr. ζ. E 1962 S. 224). Im Einzelnen wirkt sich die Regelung wie folgt aus.
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2. Aufsicht und Weisungen. Hier „gelten nur" die §§ 68a und 68b. a) Bei der Aufsicht geht also die strengere Normierung des § 68a (Aufsichtsstelle, obligatorische Bestellung eines Bewährungshelfers, Betreuung und Überwachung) der 904
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Führungsaufsicht und Strafaussetzung zur Bewährung
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etwas milderen Normierung des § 56d und des § 453b StPO vor. - Die Aufsicht hat sich jedoch auch auf die Erfüllung von Auflagen oder Anerbieten gemäß § 56b zu erstrecken, weil die Führungsaufsicht die Aufgaben der Bewährungsaufsicht mit übernehmen soll (ebenso Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 2; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4). b) Bei Weisungen besteht ein Vorrang des weitergehenden Katalogs von § 68b gegenüber dem zurückhaltenderen des § 56c. Die Weisungen sind also, soweit nötig, auch auf die notwendige Sicherung der Überwachung auszurichten (Sch/Schröder/Stree Rdn. 5). c) Wollte man die Formulierung „gelten nur" wörtlich verstehen, müsste man wohl annehmen, der Vorrang der §§ 68a, 68b bedeute während der Dauer der Aufsicht mindestens eine Art Suspendierung des § 56c (Weisungen bei der Aussetzung) und der §§ 56d StGB, 453b StPO (Bewährungshelfer und Überwachung während der Aussetzung) mit der Konsequenz, dass Anordnungen nach diesen Vorschriften unzulässig sind und schon getroffene Anordnungen keine Wirksamkeit entfalten, falls sie nicht als Maßnahmen der Führungsaufsicht übernommen werden. Die weitere Konsequenz wäre, dass ein Widerruf der Aussetzung gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 70b Abs. 1 Nr. 2, 3 unmöglich wäre. Denn gegen Anordnungen, die keine Wirksamkeit entfalten oder gar nicht ergangen sind, kann der Täter auch nicht verstoßen. Dass das nicht gewollt ist, liegt auf der Hand. Es spricht nichts dafür, dass es dem Willen des Gesetzes entsprechen könnte, beim Nebeneinander von Führungsaufsicht und Aussetzung den Widerruf der Aussetzung bei Verstößen der genannten Art auszuschließen. Eine solche Regelung wäre vielmehr schon als „Privilegierung" des gleichzeitig mit Führungsaufsicht belasteten Täters sachfremd. Sachfremd wäre sie aber auch, weil dann eine Aussetzung wegen des fehlenden Druckmittels, das mit dem Widerruf verbunden ist, regelmäßig sehr viel schwerer verantwortet werden könnte, was ersichtlich nicht beabsichtigt ist. Dies zeigt auch eine entsprechende Äußerung in der Begründung zum E 1962, wonach „die Voraussetzungen des Widerrufs der Aussetzung ... durch den Vorrang nicht betroffen" werden (S. 224). Dementsprechend nimmt die herrschende bzw. nahezu einhellige Meinung mit Recht an, dass die Widerrufsmöglichkeit nach §§ 56f, 70b vom Vorrang der §§ 68a, 68b unberührt bleibt. 1 Dass der Täter dann eventuell in Gefahr gerät, doppelt zu „büßen", nämlich durch Widerruf der Aussetzung und durch Strafbarkeit gemäß § 145a, ist zwar misslich, vom System her aber nicht einmal unlogisch; im Übrigen hat die Aufsichtsstelle diese Gefahr bei der Frage des Strafantrags für § 145a zu berücksichtigen, falls man nicht überhaupt mit Sch/Schröder/Stree (§ 145a Rdn. 12) eine Bestrafung nach § 145a neben dem Widerruf für unzulässig hält. 2 Es ist danach, entsprechend auch der gesetzgeberischen Grundvorstellung (Rdn. 12), davon auszugehen, dass Verstöße gegen die Aufsicht nach § 68a und gegen Weisungen nach § 68b wie entsprechende Verstöße im Rahmen der Bewährungsaufsicht zu behandeln sind, also - unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen - zum Widerruf der Aussetzung gemäß §§ 56f Abs. 1 Nr. 2, 70b Abs. 1 Nr. 2, 3 führen. Das gilt auch für solche Weisungen, die zwar im Katalog des § 68b, nicht aber in § 56c ausdrücklich genannt sind, weil damit ihre Zulässigkeit nach § 56c („namentlich") nicht ausgeschlossen ist (im Ergebnis ebenso Horn SK Rdn. 2).
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Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 2; Groß MK Rdn. 8; Lackner/Kühl Rdn. 2; Sch/Schröder/ Stree Rdn. 7; Fischer Rdn. 7; vgl. auch Horn SK Rdn. 2.
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Frehsee/Ostendorf NK Rdn. 3 stimmen Stree insoweit zu; abw. Horn SK Rdn. 2.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Über diese möglichen Wirkungen ist der Betroffene ebenfalls nach §§ 268a Abs. 3, 453a, 454 Abs. 4 StPO zu belehren. 15
3. Unberührt vom Vorrang der §§ 68a, 68b bleiben Auflagen (§ 56b), die also auch im Konkurrenzfalle ausgesprochen werden dürfen bzw. erhalten bleiben. Dies folgt klar aus dem Gesetzeswortlaut und erklärt sich aus dem Charakter der Auflagen. Unberührt bleiben nach dem Wortlaut des Gesetzes aber auch die Voraussetzungen der Aussetzung (§§ 56, 57, 57a, 70a), die Dauer der Bewährungszeit (§§ 56a, 70a Abs. 3; vgl. auch Rdn. 16) sowie die Voraussetzungen des Widerrufs nach §§ 56f, 70b.
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4. Für die zeitliche Dauer der Führungsaufsicht und der Aussetzung zur Bewährung gilt das Folgende. Aus Absatz 1 S. 2 ergibt sich mittelbar, dass die zeitlichen Fristen für die Führungsaufsicht und die Bewährungsdauer grundsätzlich nebeneinander laufen (Horn SK Rdn. 5). Der Vorrang der §§ 68a, 68b bedeutet also insbesondere nicht, dass die Bewährungszeit während der Führungsaufsicht ruht. Jedoch besteht nach Absatz 1 S. 2 eine Ablaufhemmung für die Führungsaufsicht: Wenn die Bewährungszeit länger dauert als die Führungsaufsicht, endet diese nicht vor Ablauf der Bewährungsfrist (vgl. auch Mainz NStZ 1989 62). Das Gesetz will damit „die Einheitlichkeit der Aufsicht für die ganze Dauer der Bewährungszeit sicherstellen und ... Gefahren vermeiden, die eine Veränderung der Rechtsnatur und damit zugleich der Einzelausgestaltung der Aufsicht für den Erfolg der Aussetzung zur Bewährung mit sich bringen kann" (Begr. ζ. E 1962, S. 224). In der Sache bedeutet dies eine im Einzelfall problematische Verlängerung des schwerer wiegenden Eingriffs, die das Gericht bei der Entscheidung über die Anwendung des Absatz 2 mit bedenken muss (s. auch Rdn. 23).
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Eine richterliche Abkürzung der Höchstdauer für die Führungsaufsicht gemäß §§ 68c Abs. 1 S. 2, 68d ist mit Rücksicht auf die laufende Bewährungsfrist ausgeschlossen, soweit sie die Dauer der Bewährungszeit unterschreitet.3 Eine schon abgekürzte Höchstfrist verlängert sich kraft Gesetzes bis zum Ablauf der Bewährungsfrist, also ohne dass die Abkürzungsentscheidung ausdrücklich aufgehoben werden müsste. 4 Eine nachträgliche Verlängerung der Bewährungsfrist gemäß § 56a Abs. 2 S. 2 oder auch gemäß § 56f Abs. 2 beeinflusst dementsprechend die Dauer der Führungsaufsicht. Dies gilt wiederum auch für eine richterlich abgekürzte Höchstdauer der Führungsaufsicht. Die richterliche Aufhebung der Führungsaufsicht (§§ 68e Abs. 2, 68f Abs. 2) wird durch die Bestimmung des Absatz 1 S. 2 jedoch nicht berührt. 5 Zur Beendigung der befristeten Führungsaufsicht nach erfolgreicher Bewährung s. Rdn. 26 ff.
V. Die Ausnahme des Absatz 2 (Ruhen) 18
Abweichend von der grundsätzlichen Regelung des Absatz 1 kann das Gericht, wenn Aussetzung und Führungsaufsicht aufgrund derselben Tat angeordnet sind, das Ruhen der Führungsaufsicht bis zum Ablauf der Bewährungszeit anordnen (Satz 1), wobei dann
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OLG Hamm NStZ 1984 188; Horn SK Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6. Horn und Sch/Schröder/Stree aaO.
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OLG Hamm NStZ 1984 188; Fischer Rdn. 6; Horn SK Rdn. 6; Sch/Schröder/Stree Rdn. 6.
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Führungsaufsicht und Strafaussetzung zur Bewährung
§ 68g
die Bewährungsaufsicht in die Dauer der Führungsaufsicht nicht eingerechnet wird (Satz 2). Ob der Gesetzgeber befremdliche Konsequenzen dieser Regelung (Rdn. 2 0 ; Rdn. 25; Rdn. 27) wirklich erkannt hat, ist auch nach dem Bild der veröffentlichten Gesetzesmaterialien nicht sicher. 1. Grundgedanke des Absatz 2 ist, in geeigneten Fällen statt der strengeren Führungsaufsieht ausschließlich die milderen Mittel der Bewährungsaufsicht Platz greifen zu lassen (vgl. Lackner Niederschriften Bd. 3, S. 2 6 7 f).
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Es kann sich dabei wohl nur um Fälle handeln, in denen ein Strafrest oder ein Berufsverbot zur Bewährung ausgesetzt ist ( § § 57, 70a); denn wenn Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 und Führungsaufsicht zusammentreffen, geht es in aller Regel gerade darum, die intensiveren Einwirkungen der Führungsaufsicht auszunutzen (s. Rdn. 11). Hingegen ist nach dem Zweck der Vorschrift und trotz des Wortlauts von Absatz 2 („angeordnet") anzunehmen, dass die Vorschrift auch für die Führungsaufsicht kraft Gesetzes gilt, soweit sie und die Aussetzung auf dieselbe Tat zurückgehen (s. Rdn. 10), so dass auch sie im Falle erfolgreicher Bewährung nach den Regeln des Absatz 3 endet. 6 Die kriminalpolitische Logik des Absatz 2 erscheint nicht sonderlich zwingend. Die Vorschrift ist im Grunde auf die „Sicherungsaufsicht" des E 1962 (s. Rdn. 2 0 f Vor § 68) gemünzt, weil sich die Führungsaufsicht des geltenden Rechts je nach den Bedürfnissen des Einzelfalles ohnedies wie eine Bewährungsaufsicht handhaben lässt. So widerspricht Absatz 2 in gewissem Sinne sogar der Fortentwicklung der Sicherungsaufsicht zur Führungsaufsicht. Doch darf dies den Richter nicht dazu verleiten, die seinem pflichtgemäßen Ermessen (Rdn. 23) anvertraute Vorschrift zu vernachlässigen, weil mit ihrer Anwendung immerhin besondere, wenn auch in sich zwiespältige Wirkungen verbunden sind (Rdn. 25).
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2. Auf derselben Tat beruhen Führungsaufsicht und Aussetzung auch dann, wenn eine Gesamtstrafe gebildet worden ist und die Führungsaufsicht nur auf eine der in die Gesamtstrafe einbezogenen Taten zurückzuführen ist (Sch/Schröder/Stree Rdn. 9).
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3. Das Ruhen der Führungsaufsicht führt dazu, dass deren gesamtes Einwirkungssystem suspendiert ist (OLG Karlsruhe M D R 1989 663). Dies hat Konsequenzen vor allem für bereits erteilte Weisungen nach § 68b: Auch sie sind „nicht in Kraft" (Horn SK Rdn. 9), so dass gegen sie selbst dann nicht verstoßen werden kann, wenn sie mit Weisungen nach § 56c inhaltsgleich sein sollten. Der Verstoß kann daher weder zu einer Verurteilung nach § 145a noch zum Widerruf einer Unterbringungsaussetzung gemäß § 67g Abs. 1 Nr. 2 führen; 7 die Rechtslage ist hier also anders als bei den in Rdn. 13 f behandelten Fälle.
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Das Ruhen der Führungsaufsicht dauert bis zum Ablauf der Bewährungsfrist. Danach setzt sich die Führungsaufsicht automatisch fort (Sch/Schröder/Stree Rdn. 12), falls es nicht zu ihrer Beendigung wegen Bewährung (dazu Rdn. 2 6 f) kommt. 4. Nach pflichtgemäßem Ermessen („kann") wendet das Gericht Absatz 2 an. Angezeigt ist die Anwendung in der Regel, wenn das Gericht der Überzeugung ist, der Ver-
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Eingehend Sch/Schröder/Stree Rdn. 10; ebenso Îreh see/O Stendorf NK Rdn. 6; Horn SK Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 3; Fischer Rdn. 8; aA OLG Hamm OLGSt Nr. 1.
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Ebenso OLG Karlsruhe MDR 1989 663; Dreher/Tröndle Rdn. 6; Horn SK Rdn. 9; vgl. auch Horstkotte LK 1 0 § 67g Rdn. 23 a.E.
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§ 68g
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
urteilte lasse auch ohne die einschneidenderen Möglichkeiten der Führungsaufsicht eine günstige Entwicklung in der Freiheit erwarten.8 Zu eng ist die Ansicht von Tröndle/ Fischer Rdn. 7, die darauf abstellen, ob die reine Bewährungshilfe „besseren Erfolg verspricht" und sich dabei zu Unrecht auf den E 1962 berufen. Das Gericht muss bei seiner Entscheidung mit bedenken, dass bei Anwendung des Absatz 2 der Täter wegen der Nichteinrechnung der Bewährungszeit in die Dauer der Führungsaufsicht u.U. extrem lang unter (Bewährungs- bzw. Führungs-)Aufsicht steht (dazu Rdn. 25). 24
5. Verfahrensmäßig empfiehlt es sich meist, die Entscheidung zugleich mit der Aussetzung zu treffen (Sch/Schröder/Stree Rdn. 11). Entsprechend dem Zweck des Absatz 2 ist es jedoch auch zulässig, sie noch als nachträgliche Anordnung zu treffen (Lackner/ Kühl Rdn. 3), wenn das im Einzelfall angezeigt erscheint.
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6. Die Nichteinrechnung der Bewährungszeit in die Dauer der Führungsaufsicht (Absatz 2 S. 2) kann dazu führen, dass der Täter wegen „derselben Tat" dem Einwirkungssystem der Bewährung bzw. der Führungsaufsicht insgesamt für eine außerordentlich lange Zeit unterliegt. Im ungünstigsten Fall kann diese Dauer bei befristeter Führungsaufsicht fast zehn Jahre betragen, wenn nämlich (Horn SK Rdn. 8) die Aussetzung kurz vor Ablauf einer auf fünf Jahre festgelegten Bewährungszeit widerrufen wird und der Täter dann nach der Entlassung einer fünfjährigen Führungsaufsicht unterliegt. Dieses Ergebnis ist insbesondere dann bedenklich, wenn die Reststrafverbüßung, die sich zwischen die Bewährungszeit und die Führungsaufsicht schiebt, nur kurz ist.
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7. Ein Widerruf der Ruhens-Anordnung ist nach pflichtgemäßem Ermessen möglich, wenn sich zeigt, dass sie der vermuteten Entwicklung des Verurteilten doch nicht entspricht. Dann tritt die Führungsaufsicht wieder in Kraft, wobei für ihre Dauer Absatz 2 S. 2 gilt. Wird die Aussetzung zur Bewährung widerrufen, endet damit auch das Ruhen der Führungsaufsicht. Der Widerruf kann in Anwendung des Grundgedankens von § 56f Abs. 2 u.U. aber gerade dadurch vermieden werden, dass nun wieder die Führungsaufsicht eingreift, wenn dies zur Einwirkung auf die verurteilte Person ausreichend erscheint (Groß MK Rdn. 11). VI. Beendigung der Führungsaufsicht nach Bewährung (Absatz 3)
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1. Eine wegen derselben Tat angeordnete befristete Führungsaufsicht endet gemäß Absatz 3 Satz 1, wenn nach Ablauf der Bewährungsfrist die ausgesetzte Strafe oder der ausgesetzte Strafrest erlassen (§§ 56g, 57 Abs. 3 S. 1) oder das ausgesetzte Berufsverbot für erledigt erklärt wird (§ 70b Abs. 5). Die Vorschrift gilt trotz des zweideutigen Gesetzeswortlauts („angeordnet", vgl. bereits oben Rdn. 19) auch für die Führungsaufsicht kraft Gesetzes, schon weil es im Falle der Bewährung ganz sinnwidrig wäre, sie auszuschließen.9 Die Beendigung tritt kraft Gesetzes ein, also ohne dass es einer besonderen Entscheidung darüber bedarf. Voraussetzung ist jedoch, dass das Gericht den Straferlass
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Begr. ζ. E 1962, S. 225; Lackner/Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Stree Rdn. 11. Ebenso OLG Hamm NStE Nr. 1; Frehsee/ Ostendorf NK Rdn. 10; Horn SK Rdn. 10;
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Lackner/Kühl Rdn. 4; Sch/Schröder/Stree Rdn. 15; aA OLG Hamm OLGSt Nr. 1 und NStZ 1984 188.
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Führungsaufsicht und Strafaussetzung zur Bewährung
§ 68g
gemäß § 56g Abs. 1 förmlich ausgesprochen bzw. das Berufsverbot gemäß § 70b Abs. 5 förmlich für erledigt erklärt hat (Horn SK Rdn. 10). Diese Voraussetzung führt nach dem Wortlaut des Gesetzes zu der ungereimten Konsequenz, dass in den Fällen des Absatz 2 der Täter im Zeitraum zwischen dem Ablauf der Bewährungszeit und der gerichtlichen Entscheidung über den Straferlass bzw. über die Erledigung des Berufsverbots wieder unter Führungsaufsicht steht. Da dies ohne Zweifel nicht gewollt ist, wird man, um Unzuträglichkeiten zu vermeiden, annehmen müssen, dass das Ruhen der Führungsaufsicht über den Gesetzeswortlaut hinaus bis zur gerichtlichen Entscheidung über die erfolgreiche Bewährung andauert. 10 Dies lässt sich in der Sache damit rechtfertigen, dass die Führungsaufsicht im Einzelfall ohnedies praktisch wie eine Bewährungsaufsicht ausgestaltet und gehandhabt werden kann oder muss. Im Einzelfall kommt auch eine Aufhebung der Führungsaufsicht gemäß § 68e in Betracht.
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Ein späterer Widerruf des Straferlasses gemäß § 56g Abs. 2 lässt die Führungsaufsicht nicht wieder aufleben,11 weil eine solche Folgewirkung vom Gesetz ausdrücklich hätte ausgesprochen werden müssen. Der Verurteilte kann im Falle eines solchen Widerrufs jedoch zum „Vollverbüßer" i.S.d. § 68f werden, da die erfolglose Aussetzung der Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegensteht (§ 68f Rdn. 15); er unterliegt dann der (neuen) Führungsaufsicht des § 68f (Horn SK Rdn. 7).
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2. Die wegen einer anderen Tat bestehende Führungsaufsicht wird von der erfolgreichen Bewährung nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht berührt. Dies war beabsichtigt. Es wird in der Begründung zum E 1962, wenig überzeugend, damit erklärt, dass sich andernfalls, „namentlich wenn die Aufsicht im Rahmen der Aussetzung zur Bewährung und die Sicherungsaufsicht (jetzt: Führungsaufsicht) nicht in der Hand desselben Richters liegen, Unzuträglichkeiten ergeben" könnten (S. 225; vgl. auch Schwalm und Lackner Niederschriften Bd. 3, S. 261, 267, 304; kritisch Jescheck ebenda S. 267).
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Die Bewährung in einer anderen Sache begründet jedoch vielfach, wenn auch nicht immer, die Erwartung, dass der Verurteilte keine weiteren Straftaten mehr begehen wird (E 1962, S. 225; nach Lackner/Kühl Rdn. 4 „in der Regel"). 12 Sie ist daher regelmäßig Grund für die besondere Prüfung, ob auch die Führungsaufsicht aufgehoben werden kann (E 1962 aaO; Sch/Schröder/Stree Rdn. 14). Eine solche Aufhebung bedarf aber eben einer besonderen richterlichen Entscheidung nach § 68e Abs. 2 oder § 68f Abs. 2 neben dem förmlichen Straferlass gemäß § 56g bzw. der förmlichen Erledigung des Berufsverbots gemäß § 70b Abs. 5. 3. Unbefristete Führungsaufsicht endet in den Fällen der §§ 56g, 57 Abs. 3 S. 1, 70b Abs. 5 auch dann nicht, wenn die Aussetzung zur Bewährung wegen derselben Tat angeordnet ist. Die mit Art. 1 Nr. 12 FührAufsRuaÄndG eingeführte Gesetzesänderung wird damit begründet, dass in den Fällen des § 68c Abs. 2 S. 1, Abs. 3 unter Umständen eine längerfristige Begleitung der betroffenen Person über das Ende der Bewährungszeit hinaus erforderlich erscheine (RegE, BT-Drs. 16/1993, S. 23). Auch hier sollte die Bewährung jedoch - wie bei einer befristeten (Rdn. 29) oder unbefristeten, wegen einer anderen Tat bestehenden Führungsaufsicht - regelmäßig Anlass für eine besondere Prüfung sein, ob die Führungsaufsicht gemäß § 68e Abs. 2 aufgehoben werden kann. Auf diese Möglichkeit weist auch der Regierungsentwurf (aaO) hin. 10
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 13; zustimmend ¥reh see/O Stendorf NK Rdn. 12. Groß MK Rdn. 16; Horn SK Rdn. 10; Sch/Schröder/Stree Rdn. 16.
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Zustimmend insoweit NK Rdn. 12; vgl. auch Rdn. 14.
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat - Entziehung der Fahrerlaubnis §69 Entziehung der Fahrerlaubnis
(1) 1 W i r d jemand w e g e n einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Z u s a m m e n h a n g mit d e m Führen eines Kraftfahrzeugs o d e r unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers b e g a n g e n hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, s o entzieht i h m das Gericht die Fahrerlaubnis, w e n n sich aus der Tat ergibt, dass er z u m Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. 2 Einer weiteren Prüfung n a c h § 6 2 bedarf es nicht. (2)
1
Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
1. der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), 2 . der Trunkenheit i m Verkehr (§ 316), 3. des unerlaubten E n t f e m e n s v o m Unfallort (§ 142), o b w o h l der Täter w e i ß oder wissen k a n n , dass bei d e m Unfall ein M e n s c h getötet oder nicht unerheblich verletzt w o r d e n oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder 4. des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den N u m m e r n 1 bis 3 bezieht, s o ist der Täter in der Regel als ungeeignet z u m Führen v o n Kraftfahrzeugen anzusehen. (3) 1 D i e Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. 2 E i n v o n einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.
Schrifttum (s. ergänzend auch die Literaturnachweise zu §§ 69a und 69b) a) Allgemein: Arndt Beginn und Ende der Entziehung der Fahrerlaubnis und des Fahrverbots, SchlHA 1969 10; Bandemer Die Regelbeispiele des § 69 Abs. 2 StGB als Erfahrungssätze, N Z V 1988 172; Bode Bedingte Fahreignung und Fahrerlaubnis, DAR 1989 444; ders. Entziehung der Fahrerlaubnis im Strafverfahren und Besserung der Kraftfahreignung auffälliger Kraftfahrer, N Z V 2004 7; Bode/Winkler Fahrerlaubnis. Eignung, Entzug, Wiedererteilung, 1994; Bruns Die Entziehung der Fahrerlaubnis, GA 1954 161; Cierniak Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und Revision, N Z V 1999 324; Cramer Die Austauschbarkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis gegen ein Fahrverbot, NJW 1968 1764; ders. Voraussetzung für eine gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis, M D R 1972 558; Dreher/Fad Entziehung der Fahrerlaubnis und Verhängung eines Fahrverbotes bei Teilnehmern, N Z V 2004 231; Eisele Verzicht auf die Fahrerlaubnis als Instrument zur Beendigung von Strafverfahren, N Z V 1999 232; Frisch Drei Grundprobleme des Verschlechterungsverbotes, M D R 1973 715; Fromm/Roland Schmidt Die Beschränkung der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit nach § 3 Abs. 3 S. 1 StVG - der Vorrang des Strafverfahrens bei der Fahrerlaubnisentziehung, N Z V 2007 217; Geppert Die Bemessung der Sperrfrist bei der Entziehung der Fahrerlaubnis, 1968; ders. Totale und teilweise Entziehung der Fahrerlaubnis, NJW 1971 1857; ders. Neuere Rechtsprechung des BGH zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei Nicht-Katalogtaten, NStZ 2003 288; Görres Noch einmal: Uneinsichtigkeit und Entziehung der Fahrerlaubnis, NJW 1957 1428; Gollner Verschlechterungsverbot bei vorläufiger und endgültiger Entziehung der Fahrerlaubnis, GA 1975 120; Gramse Verkehrsstraftat, Führerscheinbeschlagnahme, Wohnungsdurchsuchung, N Z V 2002 345; ders. Führerscheinbeschlagnahme und Wohnungsdurchsuchung, DAR 2003 156; Granicky Zum Entzug der Fahrerlaubnis insbesondere bei Trunkenheitstätern, SchlHA 1968 153; Grasmüller Fahrverbot und Entzug der Fahrerlaubnis, Blutalkohol 1979 371; Grohmann Sind wirtschaftliche Nachteile bei der Entziehung der Fahrerlaubnis zu berücksichtigen? DAR 1978 63; Gübner/Krumm Verteidigungsstrategien bei drohender Fahrerlaubnisentziehung, NJW 2007 2801; Guelde Die Entziehung der Fahrerlaubnis, 1956; Händel Richterliche Weisung, eine Fahrerlaubnis zu erwerben, DAR 1977 309; Haiecker Das Merkmal der sog. „Zusammenhangstat" beim Fahrverbot (§ 44 Abs. 1 StGB) und der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 1 StGB),
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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Blutalkohol 2005 93; Härtung Entziehung der Fahrerlaubnis und Strafregister, NJW 1964 81; ders. Zweites Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs mit Gesetzesmaterialien und kurzen Anmerkungen, 1965; ders. Das zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, NJW 1965 86; Hentschel Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung und Fahrverbot im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, 10. Aufl. (2006); ders. Fahrerlaubnisentziehung als Strafe für Prozess Verschleppung? DAR 1976 150; ders. Schwächen und Unklarheiten der strafgesetzlichen Regelung der Fahrerlaubnisentziehung, DAR 1976 289; ders. Entziehung einer nicht vorhandenen Fahrerlaubnis? DAR 1977 212; ders. Probleme der Praxis des Führerscheinentzugs, Blutalkohol 1986 1; ders. Fahrerlaubnisentziehung und Sperrfrist in der Rechtsmittelinstanz, DAR 1988 330; ders. Die Voraussetzungen für die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des BGH, N Z V 2004 57; Herlan/Schmidt-Leichner Entziehung der Fahrerlaubnis und Fahrverbot durch Strafrichter und Verwaltungsbehörden, 1972; Himmelreich Befähigung zum Führen eines Kraftfahrzeuges als Teil der Eignung? N J W 1983 603; ders. „Bedeutender Fremd-Sach-Schaden" (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB) und Fahrerlaubnisentziehung, DAR 1994 508; ders. Wegfall der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen (§ 69 StGB) allein durch Zeitablauf? (Stellungnahme zu Schulz N Z V 1997 62), DAR 1997 305; ders. Bindungswirkung einer strafrechtlichen Eignungs-Beurteilung gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde bei einem Trunkenheitsdelikt mit einer BÄK von 1,6 %o, N Z V 2005 337; Hruby Die Entziehung der Fahrerlaubnis in der Berufungsinstanz, NJW 1979 854; Krehl Regel und Ausnahme bei der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 2 StGB), DAR 1986 33; Kropp Z u r Dauer der Ungeeignetheit im Rahmen des § l i l a StPO, N S t Z 1997 471; Krumm Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung bei langer Verfahrensdauer, NJW 2004 1627; ders. Die (Regel-)Beschränkung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf „anlassbezogene" Kraftfahrzeugarten, N Z V 2 0 0 6 234; Kulemeier Fahrverbot nach § 44 StGB und Entzug der Fahrerlaubnis nach §§ 69 ff StGB, 1991; ders. Fahrverbot und Fahrerlaubnisentzug - Sanktionen zur Bekämpfung allgemeiner Kriminalität? N Z V 1993 212; Kunkel Trunkenheitsdelikt und Fahreignung, DAR 1987 38; Lackner Das zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, J Z 1965 92; Lenhart Der „bedeutende Schaden" als Regelbeispielsvoraussetzung einer Entziehung der Fahrerlaubnis, N J W 2004 191; Lienen Uneinsichtigkeit und Entziehung der Fahrerlaubnis, NJW 1957 1140; Lienen/Mohr Abschluss-Betrachtung: Uneinsichtigkeit und Entziehung der Fahrerlaubnis, N J W 1957 1750; Meyer D. Ist eine Berufung, die in der Hoffnung eingelegt wurde, den nach § l i l a StPO beschlagnahmten Führerschein vom Gericht zurückzuerhalten, unzulässig? M D R 1976 629; Michel Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis trotz Sicherstellung des Führerscheins, DAR 1997 393; Mittelbach Die Entziehung der Fahrerlaubnis, 1966; Mögele Langandauernde vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und Reichweite der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB, ZRP 1982 101; Mohr Uneinsichtiges Verhalten als Grund für die Entziehung der Fahrerlaubnis, NJW 1957 941; Molketin Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Tätlichkeiten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern, DAR 1981 380; ders. Die Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 69, 69a StGB) als Reaktion auf Verkehrsstraftaten Jugendlicher und Heranwachsender, DAR 1982 114; ders. Maßnahmen zur Besserung und Sicherung, insbesondere die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Jugendlichen und Heranwachsenden, Blutalkohol 1988 310; ders. Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter bei Sexualdelikten, N Z V 1995 383; ders. Anwendung von § § 4 4 Abs. 1 und 69 Abs. 1 StGB nur bei „Zusammenhangstaten" im öffentlichen Straßenverkehr? DAR 1999 536; Mollenkott Relative Fahruntüchtigkeit, vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und der Grundsatz „in dubio pro reo", DAR 1978 68; ders. Wann rechtfertigt ein „bedeutender Schaden" bei der Verkehrsunfallflucht die Entziehung der Fahrerlaubnis? DAR 1980 328; ders. Ausnahmen vom Vollzug der Fahrerlaubnis und beim Fahrverbot, DAR 1982 217; ders. Fahrlässige Rücksichtslosigkeit bei § 315c StGB und Entziehung der Fahrerlaubnis, Blutalkohol 1985 298; ders. Der „bedeutende Schaden" bei der Verkehrsunfallflucht als Kriterium zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB, ZfS 1995 321; ders. Ist die Verkehrsunfallflucht in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ein „verkapptes Alkoholdelikt"? Blutalkohol 1997 180; Nettesheim Führerscheinentzug und Fahrverbot bei DDR-Führerscheinen nach Vollendung der Deutschen Einheit, D t Z 1991 363; Piesker Fahrverbot statt Entziehung der Fahrerlaubnis auch bei Trunkenheitsdelikten und anderen Katalogtaten des § 69 Abs. 2 StGB, N Z V 2002 297; Pießkalla/Leitgeb Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 Abs. 1 S. 1/2. Alt. auch bei „nicht verkehrsspezifischen" Straftaten? N Z V 2006 185; H. Schäfer Ist auch dann vom Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auszugehen, wenn die Anwendung des § 142 Abs. 4 StGB ausschließlich daran scheitert, dass ein „bedeutender Sachschaden" vorliegt? N Z V 1999 190; Schendel Doppelkompetenz von Strafgericht und Verwal-
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
tungsbehörde, 1974; Scherer Ausnahmen vom Fahrerlaubnisentzug für „bewährte" Kraftfahrer, Blutalkohol 1983 123; Scheufen/Müller-Rath Bindungswirkung strafgerichtlicher Sperrfristverkürzungsbeschlüsse, NZV 2006 353; von Schlotbeim Fragen zur Entziehung der Fahrerlaubnis, Blutalkohol 1973 69; Schmidt W. Fahrerlaubnisentzug beim Beifahrer, DAR 1965 153; Schreiner Begründungszwang bei gerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß §§ 69, 69a StGB, DAR 1978 271; Schulz Wegfall der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 StGB durch Zeitablauf (dagegen Himmelreich DAR 1997 305), NZV 1997 62; Sowada Die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) bei Taten der allgemeinen Kriminalität, NStZ 2004 169; Trupp Widersprüchliches zur Führerscheinbeschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten, NZV 2004 389; Uhlenbruck Strafaussetzung zur Bewährung, Fahrerlaubnisentzug und Fahrverbot im Strafbefehlsverfahren, DAR 1967 156; Wimmer Entziehung der Fahrerlaubnis, Strafe und Strafaussetzung zur Bewährung, NJW 1959 1513; Wölfl Die Geltung der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB im Jugendstrafrecht, NZV 1999 69; Zabel Ausnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis, Blutalkohol 1980 95; ders. Eignungskriterien beim Fahrerlaubnisentzug, Blutalkohol 1980 393; ders. „Unbeanstandete" Fahrpraxis und Regelvermutung, Blutalkohol 1982 269; Zabel/Noss Langjährige unbeanstandete Fahrpraxis - ein Bonus für Alkoholtäter und Unfallflüchtige und seine Begrenzung, Blutalkohol 1989 258; Zabel/Seim Ausnahmen vom Fahrerlaubnisentzug bei alkoholauffälligen Kraftfahrern im Erkenntnisverfahren und beim vorläufigen Entzug, Blutalkohol 1993 109. b) De lege ferenda: Baumann Zur Entziehung und Wiedererteilung der Fahrerlaubnis - Anmerkungen aus der Sicht des Kriminalpolitikers, Forensia 8 (1987) 49; Beck Fahrverbot auch für den Räuber zu Fuß? DAR 1992 439; Beine Zur Problematik der Entziehung der Fahrerlaubnis für die Führung von Kraftfahrzeugen durch die Gerichte und der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörden, Richard Lange-Festschrift (1976) S. 839; ders. Entziehung und Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Plädoyer für die Abschaffung der Doppelkompetenz von Strafrichter und Verwaltungsbehörde, ZRP 1977 295 (dagegen Thielen ZRP 1978 48); ders. Zur Reform des Rechts der Entziehung der Fahrerlaubnis unter besonderer Berücksichtigung der Grundgedanken des § 69 Abs. 2 StGB, Blutalkohol 1978 261; Bode Fahrerlaubnis auf Bewährung - ein Problem des Verwaltungsrechts, DAR 1978 313; Cramer Unfallprophylaxe durch Strafen und Geldbußen? 1975; ders. Zur Reform von Fahrerlaubnisentziehung und Fahrverbot, Schröder-Gedächtnisschrift (1978) S. 533; Denzlinger Der Führerschein als Menschenfalle, ZRP 1988 369 (dagegen A. Mayer ZRP 1989 272); Geppert Schwierigkeiten der Sperrfristbemessung bei vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis, ZRP 1981 85; Gontard Die Reform der Entziehung der Fahrerlaubnis - Argumente für eine Mindestlösung, Rebmann-Festschrift (1989) S. 211; Grohmann Praxis der Fahrerlaubnisentziehung im Spannungsfeld zwischen Sicherungs- und Besserungszweck, Blutalkohol 1986 112; Gronemeyer Zur Reformbedürftigkeit der strafrechtlichen Fahrerlaubnisentziehung und des strafrechtlichen Fahrverbots, 2001; Hentschel Reform der strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung durch Auslegung und Analogie? DAR 1986 248; Hillmann Reformüberlegungen zum Fahrerlaubnisrecht, DAR 2003 546; Himmelreich Reformbedürftigkeit von Fahrerlaubnisentziehung und Fahrverbot? DAR 1977 85; ders. „Bedeutender Fremd-Sach-Schaden" (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB) und Fahrerlaubnisentziehung, DAR 1994 508; Janiszewski Keine Reformbedürftigkeit von Fahrerlaubnisentziehung und Fahrverbot, DAR 1977 312; ders. Entziehung der Fahrerlaubnis - und kein Ende, GA 1981 385; ders. Sinnvollere Behandlung der Entziehung der Fahrerlaubnis - Ausnahmen und Behandlung im Rechtsmittelverfahren, DAR 1989 135; Koch Reformbedürftigkeit von Fahrerlaubnisentzug und Fahrverbot? DAR 1977 90; ders. Nochmals: „Führerschein auf Bewährung", DAR 1977 316; Kürschner Praxis und Reform des Fahrerlaubnisentzuges nach §§ 69, 69a StGB, ZRP 1986 305; Kunkel/Menken Zur Notwendigkeit neuer Maßnahmen gegen die Trunkenheit im Straßenverkehr, Blutalkohol 1978 431; Lohkamp Reformbedürftigkeit von Fahrverbot und Fahrerlaubnisentzug? (2004); Menken Die Aussetzung der Fahrerlaubnisentziehung zur Bewährung - ein juristisches Scheinproblem, DAR 1978 40; Molketin Die Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 69, 69a StGB) als Reaktion auf Verkehrsstraftaten Jugendlicher und Heranwachsender, DAR 1982 114; Mollenkott Führerscheinentzug, Maßregeln der Besserung und Sicherung? Blutalkohol 1980 367; Müller-Metz Zur Reform von Vergehenstatbeständen und Rechtsfolgen im Bereich der Verkehrsdelikte, NZV 1994 89; Oberpottkamp Die Entziehung der Fahrerlaubnis als strafrechtliche Maßregel der Besserung und Sicherung: Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Reform, Diss. jur. Göttingen (1981); Peters Ralf Die Entziehung der Fahrerlaubnis - Maßregel oder Strafe? DAR 1978 184; Piesker Fahr-
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§69
verbot statt Entziehung der Fahrerlaubnis auch bei Trunkenheitsdelikten und anderen Katalogtaten des § 69 Abs. 2 StGB, Blutalkohol 2002 197; Preisendanz Die „Große Reform" von Fahrerlaubnisentziehung und Fahrverbot aus der Sicht der Praxis, DAR 1981 307; Rebmantt Aktuelle Probleme und neue Tendenzen im Deutschen Verkehrsstrafrecht, DAR 1978 296; Riedmeyer Anreiz zur Nachschulung durch ihre Berücksichtigung bei verkehrsstrafrechtlichen Sanktionen, Blutalkohol 2002 208; Scherer Computerrechtsprechung bei Alkoholstraftaten? Reform der Fahrerlaubnisentziehung, DAR 1980 107; Schmid W. Zur Kollision der sog. „§ l i l a StPO-Beschwerde" mit Berufung und Revision, Blutalkohol 1996 357; Schultz Dietrich Überlegungen zur Aussetzung der Entziehung der Fahrerlaubnis zur Bewährung, Blutalkohol 1980 1; ders. Möglichkeiten und Grenzen des bisherigen verkehrsrechtlichen Sanktionensystems, Blutalkohol 1982 315; Sunder Muss den Richtern die Befugnis zum Entzug der Fahrerlaubnis entzogen werden? Blutalkohol 1979 65. c) Aus verkehrsmedizinisch/-psychologischer und kriminologischer Sicht (auszugsweise): Barthelmess Fahreignung nach neuem Recht - ein integratives Konzept, NZV 2000 18; ders./Ehret Fahreignungsbegutachtung in einer Konzeption der Problemlösung, Blutalkohol 1984 71; Berghaus/ Friedel Methadon-Substitution und Fahreignung, NZV 1994 377; Birnbaum/Buhl/Sage/Scheffel Evaluation des Nachschulungskurses „Mainz 77", NZV 2002 164; Driehaus Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bei der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenauffälligkeit, DAR 2006 7; Ehret Der Entzug der Fahrerlaubnis - geniale Erfindung oder Anachronismus? Blutalkohol 1992 89; Eisenmenger/Bouska Sind von einer regelmäßigen und obligatorischen Gesundheitsprüfung aller Fahrerlaubnisinhaber wesentliche Vorteile für die Verkehrssicherheit zu erwarten? NZV 2001 13; Epping Entziehung der Fahrerlaubnis bei Haschischkonsum, NZV 1994 129; Gebert Methadon und Fahrtauglichkeit: Strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Aspekte, MedR 1994 483; Gehrmann Die Eignungsbeurteilung von Drogen konsumierenden Kraftfahrern nach neuem Fahrerlaubnisrecht, NZV 2002 201; ders. Das Sachverständigengutachten von Ärzten und Verkehrspsychologen als Grundlage der Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter, NZV 2004 442; Geiger Fahrerlaubnis und Drogenkonsum - Konsequenzen aus der neueren Rechtsprechung, NZV 2003 272; Heinke Fahruntüchtigkeit aufgrund drogenindizierter Einschränkung der Sehfähigkeit, Blutalkohol 2004 241; Himmelreich Auswirkungen von Nachschulung und Therapie bei Trunkenheitsdelikten im deutschen Strafrecht, DAR 1997 465; ders. Alkoholkonsum - privat und ohne Verkehrsteilnahme: Fahrerlaubnis-Entzug im Verkehrs-Verwaltungsrecht wegen AlkoholMissbrauchs, DAR 2002 60; Jagow Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bei „bedingter" Eignung, DAR 1997 16; Kannheiser Mögliche verkehrsrelevante Auswirkungen von gewohnheitsmäßigem Cannabiskonsum, NZV 2000 57; ders./Maukisch Die verkehrsbezogene Gefährlichkeit von Cannabis und Konsequenzen für die Fahreignungsdiagnostik, NZV 1994 417; Kauert Zur drogen- oder medikamentenbedingten Fahruntüchtigkeit aus medizinisch-toxikologischer Sicht, DAR 2000 438; Kreuzer Verfassungs-, straf- und verwaltungsrechtliche Behandlung des Drogenfahrens - Einigkeiten und Diskrepanzen, NZV 1999 353; Kunkel Trunkenheitsdelikt und Fahreignung, DAR 1987 38; ders. Abstinenz oder Trinkkontrolle als Ziel der Verhaltensänderung bei alkoholauffälligen Kraftfahrern, ZfS 1993 37; Lutze Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Führerscheinentzug wegen Trunkenheit am Steuer, Blutalkohol 1998 366; Maatz Rechtliche Anforderungen an medizinische Befunde zur Beurteilung der Fahrtüchtigkeit bei Fahrten unter Drogeneinfluss, Blutalkohol 1995 97; Mahlberg Langzeitrehabilitation charakterlich „ungeeigneter" Kraftfahrer und frühzeitig-vorläufige Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, NZV 1992 10; Maukisch/Kannheiser/Radwan Die Legalbewährung von alkoholauffälligen Kraftfahrern. Probleme und Ergebnisse einer Bewährungskontrolle, Blutalkohol 2000 411; Möller Drogenkonsum und Drogennachweis bei Verkehrsteilnehmern, DAR 1993 7; Müller Arno Fahrerlaubnisentzug, Eignungsbegutachtung, Nachschulung und Therapie bei Trunkenheitstätern: Ansätze zu einer notwendigen Neuorientierung, Blutalkohol 1993 65; Saiger Drogeneinnahme und Fahrtüchtigkeit, DAR 1994 433; Salger/Maatz Zur Fahruntüchtigkeit infolge der Einnahme von Rauschdrogen, NZV 1993 329; Schöch Verkehrsdelinquenz und allgemeine Kriminalität. Ein empirischer Beitrag zum Problem der Fahreignung bei Vorbestraften, NJW 1971 1857; Wagner Hans-Joachim Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch Drogenkonsum, Forensia-Jahrbuch Band 2 (1991) 57; Werwarth/Bornemann/Wischhusen/Piischel Zur Wiederholungsdelinquenz alkoholisierter Kraftfahrer in Hamburg, Blutalkohol 2000 126; Winkler Die Abkürzung der Sperrfrist beim Entzug der Fahrerlaubnis in der Praxis aus medizinisch-psychologischer Sicht, DAR 1979 323; ders. Maßnahmen zur Förderung und Wiederherstellung der Fahreignung aus verkehrs-
Klaus Geppert
913
§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
psychologischer Sicht, N Z V 1992 4 2 5 ; Zwerger Aktuelle Rechtsfragen beim Entzug der Fahrerlaubnis wegen Drogenauffälligkeit, DAR 2 0 0 5 431.
Entstehungsgeschichte (der § § 6 9 und 69a) Bis zum Inkrafttreten des 1. StraßenVSichG vom 19.12.1952 (BGBl. I 832) konnte die Fahrerlaubnis nur durch die Verwaltungsbehörde entzogen werden, die ihre Entscheidung jedoch erst treffen konnte, wenn das parallel laufende Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen war. Das 1. StraßenVSichG hat dem Strafrichter die Möglichkeit gegeben, einem ungeeigneten Kraftfahrer bereits im Strafverfahren die Fahrerlaubnis zu entziehen, sofern dieser bei oder im Zusammenhang mit der Führung eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der dem Führer eines Kraftfahrzeuges obliegenden Pflichten eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat. Nach damaliger Gesetzeslage ( § § 4 StVG und 15b StVZO je früherer Fassung) blieb die Verwaltungsbehörde aber auch in diesem Fall für die Entziehung einer Fahrerlaubnis zuständig, durfte einen Sachverhalt, der Gegenstand eines Strafverfahrens war und zu einer Fahrerlaubnisentziehung führen konnte, für die Dauer der Anhängigkeit des Strafverfahrens aber nicht berücksichtigen (§ 4 Abs. 2 StVG a.F.). Nach Abschluss des Strafverfahrens war die Verwaltungsbehörde an den festgestellten Sachverhalt gebunden und durfte von den Feststellungen des Strafgerichtes über die Eignung des Täters zur Führung von Kraftfahrzeugen nicht abweichen (§ 4 Abs. 3 StVG a.F.). Bei dieser Regelung ist es auch mit Neufassung des StVG durch Änderungsgesetz vom 24.4.1998 (BGBl. I 7 4 7 x ) geblieben, entsprechen die §§ 3 StVG und 4 6 FeV 2 heutiger Fassung doch im Wesentlichen den vormaligen § § 4 StVG und 15b StVZO. Näheres zum Verhältnis der strafgerichtlichen zur behördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis nachfolgend Rdn. 8 f. Das 1. StraßenVSichG hatte die Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Festsetzung der Sperrfrist und die Behandlung ausländischer Fahrausweise im damaligen § 42m StGB zusammengefasst. 3 In zeitlicher Vorwegnahme der allgemeinen Strafrechtsreform und im Anschluss an §§ 99 bis 100a des StGB-Entwurfes von 1 9 6 2 4 nahm das 2 . StraßenVSichG vom 26.11.1964 (BGBl. I 921) einzelne Änderungen vor, welche die Wirksamkeit der Maßnahme erhöhen und Unklarheiten beseitigen sollten, die sich bei Auslegung des geltenden Rechts ergeben hatten; 5 die bisher in einem Paragraphen zusammengefasste Regelung wurde dabei auf die §§ 42m, 42n und 4 2 o verteilt. Beachtenswert ist dabei vor allem die Einführung eines Regelkatalogs gesetzlich vermuteter
1
2
3
S. dazu auch BRDrucks. 821/96 (speziell zu Änderungen des § 6 9 S. 58) sowie BTDrucks. 13/6914 (Gesetzentwurf der Bundesregierung). Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 18.8.1998 (BGBl. 12214), zuletzt geändert am 31.10.2006 (BGBl. I 2407). Die Amtl. Begründung ist auszugsweise mitgeteilt bei Guelde Die Entziehung der Fahrerlaubnis (1955); s. auch BTDrucks. 1/2674 (Stellungnahme des Bundesrates) sowie BTDrucks. 1/3774 (Bericht des Verkehrsausschusses). Zur Entstehungsgeschichte s. auch Lackner MDR 1953 73, Härtung DRiZ 1953 120 sowie Kulemeier S. 61 ff.
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4
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BTDrucks. IV/650: amtliche Begründung speziell zur Entziehung der Fahrerlaubnis S. 2 2 5 ff. Die amtl. Begründung des 2. StraßenVSichG (BTDrucks. 8/836) ist auch mitgeteilt bei Härtung 2. StraßenVSichG S. 18 ff (speziell zur Fahrerlaubnisentziehung S. 32 ff) sowie in VB1. 1965 20; s. auch den Schriftl. Bericht des Rechtsausschusses (BTDrucks. IV/2161, S. 3 f). Nachweise für weitere Gesetzesmaterialien bei Kulemeier S. 64 und Warda MDR 1965 1 Fn. 1; zur Entstehungsgeschichte s. auch Lackner J Z 1965 92, Härtung NJW 1965 86 und Nüse JR 1965 41.
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§ 6 9
Ungeeignetheit z u m Führen v o n Kraftfahrzeugen (damaliger § 4 2 m Abs. 2) s o w i e die E i n f ü h r u n g e i n e r i s o l i e r t e n S p e r r f r i s t ( d a m a l i g e r § 4 2 n A b s . 1 S. 2 ) . In der F o l g e z e i t b l i e b e n die B e s t i m m u n g e n i m W e s e n t l i c h e n u n v e r ä n d e r t . D a s
l.StrRG
v o m 2 5 . 6 . 1 9 6 9 (BGBl. I 645) bestimmte zu § 4 2 m Abs. 1 durch einen neuen Satz 2 lediglich,
dass
2.StrRG
es vom
einer
besonderen
4.7.1969
(BGBl.
Prüfung I 717)
der passte
Verhältnismäßigkeit die
nicht
bedürfe.
Fahrerlaubnisentziehung
Das
dem
(am
1 . 1 . 1 9 7 5 in K r a f t t r e t e n d e n ) n e u e n A l l g e m e i n e n Teil d e s S t G B a n u n d g a b ihr die
noch
heute gültigen Paragraphennummern 69, 69a und 69b. § 69a Abs. 1 w u r d e durch
den
Z u s a t z ergänzt, dass eine lebenslange Sperre nur a n g e o r d n e t w e r d e n darf, „ w e n n e r w a r t e n ist, d a s s d i e g e s e t z l i c h e H ö c h s t f r i s t z u r A b w e h r d e r v o n d e m T ä t e r Gefahr nicht ausreicht". Spätere N o v e l l e n
zu
drohenden
glichen die genannten B e s t i m m u n g e n
zwi-
schenzeitlich geänderten anderen Vorschriften redaktionell an.6 D i e vorerst letzte redaktionelle Ä n d e r u n g erfolgte im Gesetz zur Ä n d e r u n g des StVG und anderer Gesetze
vom
2 4 . 4 . 1 9 9 8 ( B G B l . I 7 4 7 ) , w o d u r c h i n § 6 9 A b s . 3 S. 2 d a s W o r t „ e r t e i l t e r " d u r c h
das
Wort
69b
„ausgestellter" ersetzt w u r d e .
Zur Entstehungsgeschichte
von
§§
69a
und
s. e r g ä n z e n d a u c h d i e d o r t i g e n E r l ä u t e r u n g e n .
Übersicht Rdn. I. Einleitung 1. Rechtsnatur und Zweck 2. Verfahrensrechtlicher Anwendungsbereich a) Allgemeines b) Speziell im Jugendverfahren . . . . 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . a) Fahrverbot ($ 4 4 StGB) b) Behördliche Fahrerlaubnisentziehung ( § § 3 StVG und 46 FeV) 4. Kriminalstatistische Aspekte 5. Reform-Diskussion Π. Die Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 6 9 Abs. 1) 1. Rechtswidrige Tat a) Verurteilung b) Freispruch wegen Schuldunfähigkeit c) Andere Entscheidungen 2. Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers . . a) Begriff des „Kraftfahrzeuges" . . . b) Z u m „Führen" eines Kraftfahrzeuges aa) N u r Bewegungsvorgänge . . . bb) Benutzung als „Kraft"-Fahrzeug cc) Selbstverantwortliche Leitung . dd) Beginn des „Führens" ee) Ende des „Führens"
6
1
4 5 6 7 8 10 11 15 16 17 19 20
21 22 24 26 27 28 30 31
So ersetzte das E G S t G B v o m 2 . 3 . 1 9 7 4 (BGBl. I 4 6 9 ) die „Verkehrsflucht" in § 6 9 Abs. 2 Nr. 3 durch die F o r m u l i e r u n g „Verkehrsunfallflucht". D a s 13. StrÄndG v o m 1 3 . 6 . 1 9 7 5 (BGBl. I 1 3 4 9 ) w ä h l t e d a n n die n o c h heute
Rdn. c) Zusammenhangstaten aa) Standpunkt der Rechtsprechung bb) Mehrheitsmeinung im Schrifttum cc) Einzelfälle dd) Erfordernis eigenhändigen Lenkens d) Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers 3. Ungeeignetheit zur Führung eines Kraftfahrzeuge a) Begriff der „Ungeeignetheit" . . . . b) Arten der Eignungsmängel aa) Körperliche und geistige Mängel bb) Fahrtechnische Mängel . . . . cc) Charakterliche Mängel . . . . c) „auf Grund der Tat" d) Zeitpunkt der Beurteilung aa) keine zusätzliche „Erforderlichkeits"-Prüfung bb) Möglichkeit gleichzeitiger Strafaussetzung zur Bewährung . . cc) Berücksichtigung nachträglicher bzw. künftiger Umstände . . . e) Richterliche Überzeugungsbildung und „in dubio pro reo"-Prinzip . . 4. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (S 69 Abs. 1 S. 2)
32 33 34 35 44 46 48 49 50 51 53 54 56 58 59 60 61 65 67
gültige F o r m u l i e r u n g des „ u n e r l a u b t e n Entfernens v o m U n f a l l o r t " . D a s 18. S t r Ä n d G v o m 2 8 . 3 . 1 9 8 0 (BGBl. I 3 7 3 ) m a c h t e in § 6 9 A b s . 2 Nr. 4 aus „§ 3 3 0 a " d e n „$ 3 2 3 a " .
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915
§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Rdn.
Rdn. ΙΠ. Feststellung der Ungeeignetheit 1. Gesamtwürdigung von Tat und Täter a) Allgemeines 68 b) Kriterien im Einzelnen 69 aa) Vorstrafen 70 bb) Beanstandungsfreies Fahren . . 71 cc) Wirtschaftliche, berufliche oder sonstige finanzielle Nachteile . 72 dd) Täterverschulden, Pflichtwidrigkeit und Schwere der Tatfolgen 73 ee) Beruf und soziale Stellung . . . 74 ff) Nachträgliche Umstände . . . 75 gg) Prozessverhalten 76 hh) Nachtrank 77 2. Vermutung der Ungeeignetheit (Abs. 2} 78 a) Die einzelnen Regelbeispiele . . . . 79 aa) Straßenverkehrsgefährdung (Nr. 1) 80 bb) Trunkenheit im Verkehr (Nr. 2) 81 cc) Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (Nr. 3) 82 dd) Vollrausch (Nr. 4) 86 b) Widerlegung der Vermutung . . . . 87 aa) Besondere Umstände in der Tat 88 bb) Besonderheiten beim Täter . . 92 cc) Besondere Umstände nach der Tat 94 aaa) vorläufige Führerscheinmaßnahmen 95 bbb) Nachschulung 97 ccc) Tätige Reue 103 c) Regel-Fahrverbot (§ 44 Abs. 1 S. 2) 104 3. Feststellung der Ungeeignetheit bei Nicht-Katalogtaten a) Grundsatz 105 b) Kasuistik aa) Verkehrsdelikte im weiteren Sinn 106 bb) Delikte der allgemeinen Kriminalität 106a IV. Anordnung, Wirkung und Durchsetzung der Fahrerlaubnisentziehung 1. Die gerichtliche Entscheidung a) Kein Ermessen b) Urteilsformel c) Begründung (§267 Abs. 6 StPO) . 2. Wirkung der Entziehung a) Umfang der Entziehung b) Erlöschen der Fahrerlaubnis . . . . c) Zur Bindung der Verwaltung im Wiedererteilungsverfahren 3. Einziehung des Führerscheins 4. Durchsetzung der Maßregel: a) der Entziehung bzw. der Sperre . . b) der Einziehung des Führerscheins V. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ l i l a StPO) 1. Rechtsnatur und Zweck 2. Voraussetzungen a) Dringende Gründe b) „Kann"-Bestimmung 3. Ausnahmen für bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen (Abs. 1 S. 2)
916
107 110 111 113 115 118 120 122 123
124 126 127 129
a) Voraussetzungen b) Wirkung (Abs. 3) 4. Anordnung, Wirkung und Durchsetzung a) Anordnung durch den Richter . . . b) Wirkung des Beschlusses c) Durchsetzung der Maßnahme . . . 5. Aufhebung der Anordnung (Abs. 2) a) Endgültige Nichtentziehung . . . . b) Wegfall des Grundes c) Missachtung des Beschleunigungsgebotes 6. Zuständigkeit a) bis zur Erhebung der Anklage . . . b) nach Erhebung der Anklage . . . . c) Berufungs- und Beschwerdeinstanz d) Revisionsinstanz 7. Beschlagnahme bzw. Sicherstellung sowie Rückgabe des Führerscheins (Abs. 3 bis 5) a) vorläufige Entziehung ohne vorangegangene Beschlagnahme (Abs. 3) b) Beschlagnahme/Sicherstellung zur Sicherung der Einziehung c) Richterliche Entscheidung über die Beschlagnahme (Abs. 4) d) Rückgabe des Führerscheins (Abs. 5) 8. Ausländische Fahrausweise (Abs. 6) a) Anwendungsbereich und Wirkung der vorläufigen Entziehung . . . . b) Eintragung eines Vermerks . . . . c) Aufhebung der Maßnahme . . . . 9. Anfechtung richterlicher Entscheidungen a) Einfache Beschwerde b) Ausschluss einer weiteren Beschwerde c) Besonderheiten des Beschwerdeverfahrens 10. Sonstiges a) Anrechnung vorläufiger Maßnahmen b) Anordnung gegen Abgeordnete und weitere bevorrechtigte Personen c) Kosten- und Auslagenentscheidung d) Entschädigung e) Registrierung f) Folgen der Nichtbeachtung . . . . VI. Entschädigung nach vorläufigen Führerscheinmaßnahmen 1. Generelle Entschädigungspflicht . . . . 2. Ausschluss einer Entschädigung . . . . a) bei unterbliebener Anrechnung auf das Fahrverbot b) bei endgültigem Fahrerlaubnisentzug c) bei nachträglichem Wegfall der Entziehungsvoraussetzungen d) bei vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Selbstverursachung . . . . aa) Allgemeines bb) Nachträgliches Entfallen des Zurechnungszusammenhangs . cc) Kasuistik
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131 133 134 138 139 140 141 142 146 147 148 149 150 156
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§ 6 9
Rdn. 3. Fakultative Versagung der Entschädigung (§ 6 StrEG) a) Vorrang des § 5 StrEG b) Selbstbelastendes Aussageverhalten aa) Wahrheitswidrige Selbstbelastungen bb) Verschweigen wesentlicher entlastender Umstände cc) Widersprüchliche, lückenhafte oder mehrfach wechselnde Angaben 4. Gegenstand der Entschädigung . . . . a) Erstattungsfähiger Schaden . . . . b) Nicht erstattungsfähiger Schaden 5. Verfahren nach dem StrEG a) Grundverfahren aa) bei Gerichtshängigkeit bb) vor Gerichtshängigkeit . . . . cc) Sofortige Beschwerde dd) Bindungswirkung b) Betragsverfahren aa) Geltendmachung bei der Justizverwaltung (§ 10 StrEG) . . . . bb) Rechtsweg zu den Zivilgerichten (§ 13 StrEG) VII. Verfahrensrechtliche Fragen 1. Verfahrensrechtlicher Anwendungsbereich 2. Beiordnung eines Pflichtverteidigers .
I.
Rdn. 3. Allgemeine Besonderheiten a) Hinweis nach § 265 Abs. 2 StPO b) Urteilsberichtigung c) Belehrung 4. Verfahrensrechtliche Besonderheiten im Rechtsmittelzug a) Rechtsmittelbeschränkungen aa) Allgemeines bb) Einzelne Fallgestaltungen . . b) Verschlechterungsverbot aa) Allgemeines bb) Einzelne Fallgestaltungen . . c) Weitere Besonderheiten aa) im Berufungsrechtszug . . . . bb) im Revisionsrechtszug . . . . cc) bei Wiederaufnahme des Verfahrens d) Kosten und Auslagen
204 205 206 207 208
210 211 212 214 216 217 221 222 224 225
230 231 232
233 234 243 244 252 253 254 255
Vm. Sonstiges 1. Strafrechtliche Folgen der Nichtbeachtung 2. Registrierung und Mitteilungspflichten 3. Recht des Einigungsvertrages a) Rechtslage vor dem 3.10.1990 . . b) Rechtslage nach Herstellung der deutschen Einheit aa) Straftaten vor dem 3.10.1990 bb) Straftaten nach dem 3.10.1990
226 227
228 229
257 260 262
263 264
Einleitung
1. R e c h t s n a t u r u n d Z w e c k . N a c h E n t s t e h u n g s g e s c h i c h t e , W o r t l a u t , s y s t e m a t i s c h e r Stellung u n d gesetzlicher A u s g e s t a l t u n g im E i n z e l n e n stellt die E n t z i e h u n g d e r
Fahr-
erlaubnis keine S t r a f e u n d a u c h keine N e b e n s t r a f e , s o n d e r n eine M a ß r e g e l d e r B e s s e r u n g u n d Sicherung d a r ; 7 dies w i r d d u r c h § 6 1 N r . 5 a u c h gesetzlich a u s d r ü c k l i c h
klar-
gestellt. 8 A u s w e i s l i c h d e r a m t l . B e g r ü n d u n g z u m 2 . S t r a ß e n V S i c h G v e r f o l g t die E n t z i e h u n g der F a h r e r l a u b n i s als M a ß r e g e l ausschließlich d e n Z w e c k , n a c h M a ß „ d e r
vom
T ä t e r für den V e r k e h r a u s g e h e n d e n G e f a h r e n " s o w i e „ o h n e R ü c k s i c h t a u f U n r e c h t u n d Schuld jeden u n g e e i g n e t e n F a h r z e u g f ü h r e r s o l a n g e a u s d e m K r a f t v e r k e h r a u s z u s c h a l t e n , als er v o r a u s s i c h t l i c h dessen A n f o r d e r u n g e n n i c h t g e w a c h s e n sein w i r d " 9 . D a s s die M a ß n a h m e v o m B e t r o f f e n e n h ä u f i g als e m p f i n d l i c h e u n d n i c h t selten s o g a r als „ H a u p t s t r a f e " e m p f u n d e n u n d v o n d e r P r a x i s gelegentlich -
obgleich unkorrekterweise -
wie
eine
N e b e n s t r a f e g e h a n d h a b t w i r d , steht d e m nicht e n t g e g e n . 1 0
7
So grundlegend schon BGHSt 7 168; seither ständige Rechtsprechung: so erst jüngst wieder BGH N Z V 2 0 0 3 4 6 = VRS 1 0 4 ( 2 0 0 3 ) 297. Ausführlich Geppert Sperrfrist S. 4 5 ff.
8
Auf Grund des Maßregelcharakters bestimmen sich Voraussetzungen und Folgen der Maßnahme gemäß § 2 Abs. 6 nach dem Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung; deshalb werden auch bereits begangene Taten
von nachfolgenden Gesetzesänderungen ergriffen (OLG Oldenburg V M 1 9 6 5 3 6 ; O L G Schleswig V M 1 9 6 6 6 6 ; dazu auch H. W. Schmidt SchlHA 1 9 6 5 2 2 3 ) . 9 10
Nach Härtung 2. StraßenVSichG S. 3 4 . Cramer (Straßenverkehrsrecht Bd. I, 2. Aufl. 1977, 3 ff zu § 6 9 ) will seine früher (NJW 1 9 6 8 1 7 6 4 ) geäußerte Ansicht, die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaub-
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917
1
§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
2
Zweck der Maßregel ist nicht die Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität, sondern die Sicherung der Allgemeinheit ausschließlich dadurch, dass Kraftfahrer, die ihre mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen durch eine rechtswidrige Tat dargetan haben, für mindestens sechs Monate vom allgemeinen Straßenverkehr ferngehalten werden. 11 Diese tendenziell seit langem gesicherte Rechtsprechung hat in seiner Entscheidung vom 27.4.2005 (BGHSt 50 93 ff) auch der Große Strafsenat nachdrücklich bestätigt. Bezweckt § 69 danach die Sicherung der Allgemeinheit speziell und ausschließlich durch Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs, setzt die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges folgerichtig voraus, dass die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, ob der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen (zum Begriff der „Zusammenhangstat" und den daraus resultierenden Folgen für die Handhabung der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis im Einzelnen nachfolgend Rdn. 32 ff). Bei Ungeeignetheit wegen körperlicher oder geistiger Eignungsmängel bleibt „Sicherung" im Übrigen der ausschließliche Zweck der Maßnahme. Bei Fahrerlaubnisentziehung wegen charakterlicher Mängel wirkt die Maßnahme zugleich bessernd, indem sie den Betroffenen durch ihre für diesen spürbare Übelwirkung positiv zu beeinflussen imstande ist (Spezialprävention in der Spielart der Individualabschreckung). 12 Doch ist Besserung auch hier nicht Endziel, sondern nur Mittel zur Erreichung der erstrebten Sicherung; denn maßregelrechtlich ist ein Täter schon „gebessert", wenn sein Zustand eine Sicherung der Allgemeinheit nicht mehr erfordert. 1 3
3
Angesichts des ausschließlich spezialpräventiven Charakters der Fahrerlaubnisentziehung sind für die Beurteilung der Ungeeignetheit eines Täters zum Führen eines Kraftfahrzeuges (und ihrer voraussichtlichen Dauer) somit nicht die Schwere des Unrechts oder das Maß individueller Schuld, sondern allein die vom Täter für den allgemeinen Straßenverkehr ausgehenden Gefahren maßgebend. 14 Art und Umfang des Verschuldens dürfen nur berücksichtigt werden, soweit sie Rückschlüsse auf Art und Dauer der Ungeeignetheit erlauben. 15 Somit dient die Maßregel auch nicht der Sühne für begangenes Un-
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nis sei nur bei körperlichen oder geistigen Eignungsmängeln eine Maßregel, ansonsten aber Strafe, nur als Kritik an der seiner Ansicht nach nicht immer maßregelgerechten Ausgestaltung des Gesetzes und einer gelegentlich unverkennbar maßregelwidrigen Handhabung der §§ 69 ff durch die Praxis verstanden wissen, doch erklärtermaßen nicht de lege lata (wohl aber de lege ferenda) an der „Maßregel"-Natur der §§ 69 ff und deren Zweckmäßigkeit zweifeln; auf gleicher Linie neuerdings Kulemeier S. 275 ff. Zur entsprechenden Reformdiskussion s. nachfolgend Rdn. 11 ff. Seit langem gesicherte Rechtsprechung: s. für viele nur BGH VRS 16 (1959) 424, NJW 1961 1269 und NJW 1962 1211 sowie OLG Schleswig DAR 1967 21, BayObLG BA 1972 279 und OLG Frankfurt VRS 44 (1973) 184; ausführlich Geppert Sperrfrist S. 78 ff sowie
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Hentschel Trunkenheit Rdn. 566 f: beide mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Ebenso KG VRS 8 (1955) 271; ausführlich Geppert Sperrfrist S. 80 ff. Daher wäre eine Aufrechterhaltung der Maßregel über den Zeitpunkt der Sicherung hinaus und somit allein zum Zwecke weiterer Erziehung/Besserung maßregelwidrig und damit unzulässig: Geppert Sperrfrist S. 77; dem folgend Gontard FS Rebmann, S. 224. So erklärtermaßen auch BGHSt 50 93 ff; wörtlich dort der Große Strafsenat (aaO S. 100): „Maßstab für die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis ist demgemäß die in die Zukunft gerichtete Beurteilung der Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr." So schon die amtl. Begründung zum 2. StraßenVSichG (nach Härtung S. 34); dem folgt auch die Rechtsprechung (BGHSt 15
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§ 69
recht;16 soweit spezialpräventive Wirkungen, die auch von der Strafe ausgehen (und auch ausgehen sollen), auch durch die Fahrerlaubnisentziehung erreicht werden, darf dieser Umstand bei der Strafzumessung zugunsten des Täters berücksichtigt werden, weil er die Strafe insoweit von ihrer sichernden und bessernden Funktion entlastet (dazu nachfolgend auch Rdn. 54 ff zu § 69a). 1 7 Schließlich darf die Fahrerlaubnisentziehung nach Grund und Dauer auch nicht generalpräventiv gehandhabt werden;18 es gilt sich mit der allgemeinabschreckenden Wirkung zu begnügen, die von der (ausschließlich) spezialpräventiv begründeten Maßnahme ausgeht.19 2. Verfahrensrechtlicher Anwendungsbereich a) Die Fahrerlaubnis kann durch Urteil oder durch Strafbefehl entzogen werden; bei Fahrerlaubnisentzug durch Strafbefehl darf die nach § 69a Abs. 1 festzusetzende Sperrfrist, innerhalb deren die Verwaltungsbehörde dem Verurteilten keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf, nicht mehr als zwei Jahre betragen (§ 407 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Obwohl Maßregeln der Besserung und Sicherung im beschleunigten Verfahren (§§ 417 ff StPO) an sich unzulässig sind, gestattet § 419 Abs. 1 S. 3 StPO für die Entziehung der Fahrerlaubnis eine Ausnahme. Auch im Verfahren gegen Abwesende ist die Anordnung der Maßregel zulässig, sofern der Angeklagte in der Ladung auf die Möglichkeit des Fahrerlaubnisentzugs hingewiesen worden ist (§ 232 Abs. 1 S. 3 StPO). 20 Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist auch möglich, wenn der Angeklagte auf seinen Antrag hin von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist (§ 233 Abs. 1 S. 3 StPO). Als „Maßregel" kann die Fahrerlaubnis schließlich im selbständigen Sicherungsverfahren entzogen werden (§ 71 Abs. 2 StGB i.V. mit §§ 413 ff StPO); auch in diesem Fall muss jedoch eine willensgetragene Handlung („wegen einer rechtswidrigen Tat") vorliegen.21 Im Privatklageverfahren sind Maßregeln der Besserung und Sicherung
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393, 3 9 7 sowie BGH StV 1987 20). S. auch Geppert Sperrfrist S. 91, Dencker StV 1988 4 5 4 sowie Mollenkott DAR 1992 316. So schon BGHSt 7 168 sowie BGH VRS 11 (1956) 4 2 5 ; vgl. auch OLG Hamm VRS 12 (1957) 429. Somit war es eindeutig verfehlt, wenn der Fahrerlaubnisentziehung in ihrer Anfangszeit verschiedentlich ein „nebenstrafartiger Charakter" zugesprochen wurde (OLG Stuttgart NJW 1968 1792 und OLG Frankfurt N J W 1968 1793). In dieser Richtung schon die amtl. Begründung zum 2. StraßenVSichG (BTDrucks. IV/651, S. 16); ebenso OLG Hamm DAR 1955 2 2 2 , OLG Zweibrücken MDR 1970 4 3 4 sowie OLG Frankfurt N J W 1971 669. Weithin Zustimmung im Schrifttum (vgl. Hentschel/König Straßenverkehrsrecht Rdn. 1 sowie Koch DAR 1973 14); diesbezügliche Bedenken von Bruns (Strafzumessungsrecht 3. Aufl., S. 87) sind unberechtigt. So auch BGH StV 1990 3 4 9 sowie OLG Düsseldorf N Z V 1993 117 = VRS 84 (1993) 2 8 7 und OLG Hamm StV 1996 4 2 0 .
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Ausführlich Geppert Sperrfrist S. 87 ff. Dies gilt auch bei Anordnung einer (nach § 6 9 a Abs. 1 S. 3 festzusetzenden) „isolierten" Sperrfrist; in diesem Fall bildet die isolierte Sperre die eigentliche Maßregel (OLG Köln N J W 1965 2 3 0 9 ; zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 570). Daher ermöglicht auch § 71 Abs. 2 StGB keine Fahrerlaubnisentziehung gegenüber einem Kraftfahrer, der den tatbestandlichen Erfolg durch „rein physiologische Vorgänge des sensitiv-somatischen Bereichs, die ohne Mitwirkung der Geisteskräfte des Menschen ablaufen und damit der Beherrschbarkeit durch den Willen entzogen sind", verursacht hat: so im Falle eines unvorhersehbaren epileptischen Anfalls (bei dem auch eine schuldhafte „actio libera in causa" nicht in Betracht kam) zutreffend OLG Schleswig VRS 6 4 (1983) 429. Zur Fahruntauglichkeit bei Anfallsleiden auch BGH DAR 1995 114.
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
und damit auch die Entziehung der Fahrerlaubnis schlechterdings ausgeschlossen (§ 3 8 4 Abs. 1 S. 2 StPO). 2 2 5
b) Nach § 7 JGG kann Entzug der Fahrerlaubnis auch im Jugendverfahren angeordnet werden; zuständig ist der Jugendrichter (§ 3 9 Abs. 1 S. 1 JGG). Dies gilt auch für das vereinfachte Jugendverfahren (§§ 76 ff JGG); hier kann jedoch nur eine Sperrfrist von nicht mehr als zwei Jahren festgesetzt werden (§ 76 S. 1 JGG). Auch wenn der Katalog jugendrichterlicher Weisungen in § 10 J G G nicht abschließend ist („insbesondere"), ist die Weisung an einen Jugendlichen/Heranwachsenden, sein Kraftfahrzeug für eine bestimmte Zeit nicht zu benutzen oder - was auf dasselbe hinausläuft - seinen Führerschein für diese Zeit zu den Akten zu geben, jedenfalls dann eine unzulässige Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 6 9 ff StGB, wenn die „Weisung" als Reaktion auf ein Verkehrsdelikt ausschließlich oder ganz überwiegend der Sicherung der Allgemeinheit vor einem ungeeigneten Kraftfahrer dient. Angesichts der besonderen erzieherischen Aufgaben, die das Jugendstrafrecht mit der selbstständigen Sanktion des § 10 JGG im Auge hat, gilt etwas anderes allenfalls dann, wenn die Weisung weniger präventiv dem Schutz der Verkehrssicherheit als vorwiegend dazu dient, rein erzieherisch auf den jugendlichen Täter einzuwirken und seine Lebensführung - etwa bei Verwahrlosungsgefahr wegen übertriebenen Motorsports oder bei Schuldenmachen, Diebstählen oder Betrügereien als Folge übertriebener Auto- oder Motorradleidenschaft - auf Dauer günstig zu beeinflussen. 23 Umgekehrt kann aber gerade bei wiederholtem Fahren ohne Fahr-
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Erscheint z.B. die Entziehung der Fahrerlaubnis nach Lage der Dinge erforderlich, wird das angerufene Gericht die Privatklage nach § 383 Abs. 1 StPO abweisen; nach Eröffnung des Hauptverfahrens stellt das Gericht das Verfahren nach § 206a, in der Hauptverhandlung nach § 389 StPO ein (Meyer-Goßner Rdn. 11 und Senge KK Rdn. 1 - je zu § 384 StPO). Eine Verweisung nach $ 270 StPO ist ausgeschlossen, da die Vorschrift im Privatklageverfahren nicht anwendbar ist (Hilger LR Rdn. 2 und Senge KK Rdn. 1: je zu § 383). Ebenso OLG Köln VRS 27 (1964) 186, OLG Düsseldorf NJW 1968 2156 (zustimmend van Eis aaO) und OLG Braunschweig NdsRpfl 1969 235 - jeweils mit weiteren Nachweisen; auf dieser Linie auch Mrozynski JR 1983 402, Hentschel Trunkenheit Rdn. 575 sowie Eisenberg Rdn. 36 zu § 7 JGG (freilich mit Zweifeln gegenüber Differenzierungsmöglichkeiten im Einzelfall). Anders ist die Rechtslage aber gegenüber erwachsenen Tätern: Eine (der Genugtuung für begangenes Unrecht dienende) „Auflage", für eine bestimmte Zeit kein Kraftfahrzeug zu führen bzw. keine Fahrerlaubnis zu erwerben, scheitert schon am abschließenden Katalog des § 56b StGB. Auch wenn die möglichen „Weisungen" in § 56c nicht
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abschließend aufgezählt sind („namentlich"), wäre jedenfalls die Entziehung der Fahrerlaubnis in Form einer solchen Weisung eine unzulässige Umgehung spezialgesetzlicher Maßregelvoraussetzungen. Die Maßregel der § § 69 ff muss angeordnet werden, wenn ihre Voraussetzungen gegeben sind; sie darf nicht - auch nicht über den „erzieherischen" Umweg des § 56c - angeordnet werden, wenn ihre Voraussetzungen fehlen. „Besserung" ist bei der strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung nur im Rahmen ihrer „Sicherungs"-Aufgabe zulässig (dazu schon Rdn. 2); wie hier OLG Hamm VRS 10 (1956) 49 sowie Härtung DRiZ 1958 51, Mrozynski JR 1983 402 sowie - je zu § 56c Fischer Rdn. 4 und Horn SK 5. Vgl. auch BVerfG StV 1993 465 („lediglich auf Sicherung und Überwachung von Geboten abstellende Weisungen" entsprächen nicht deren spezialpräventiver Zielrichtung); bedenklich daher BGHSt 9 258 (zum Berufsverbot des § 70). Jedenfalls nicht gänzlich ablehnend wohl auch Händel DAR 1977 309 und Sch/Schröder/Stree 12 zu § 56c; so wohl auch Gribbohm LK (Rdn. 25 zu § 56c), der jedenfalls Weisungen nicht gänzlich ausschließen will, „die - wenn auch mit anderer Zielrichtung - auf den Verurteilten in mancher Hinsicht wie eine Maßregel wirken können".
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
erlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) eine jugendrichterliche Weisung, innerhalb einer bestimmten Frist eine Fahrerlaubnis zu erwerben, kriminalpädagogisch und kriminalprophylaktisch sinnvoll sein, um den Verurteilten vor erneuten einschlägigen Straftaten zu bewahren. 2 4 Zu besonderen materiellen Voraussetzungen des Fahrerlaubnisentzuges gegenüber Jugendlichen und Heranwachsenden s. nachfolgend Rdn. 93 sowie die Erläuterungen zu § 69a (dort vor allem Rdn. 29). 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften. Neben der als Maßregel der Besserung und 6 Sicherung ausgestalteten Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 69 ff) gibt es weitere Möglichkeiten, einen verkehrswidrig handelnden oder verkehrsungeeigneten Täter zeitweilig oder für immer vom öffentlichen Straßenverkehr auszuschließen. Zum einen gibt es das strafgerichtliche Fahrverbot (§ 44 StGB), das als Nebenstrafe nur gegenüber schuldfähigen Tätern verhängt werden kann (zu Einzelheiten s. die Erläuterungen zu § 44). Ihm entspricht für den Bereich der straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten das (im Verhältnis zu § 44 StGB teilweise an etwas engere Voraussetzungen geknüpfte) verwaltungsbehördliche Fahrverbot (§ 25 StVG). Nach § § 3 StVG und 46 FeV hat die Verwaltungsbehörde aber auch nach Einführung der strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung die Möglichkeit behalten, unter dort genannten bestimmten Voraussetzungen die Fahrerlaubnis zu entziehen. a) Zum Verhältnis zwischen Fahrerlaubnisentzug und Fahrverbot (§ 44) s. die dortigen Erläuterungen (Rdn. 16 bis 19).
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b) Bezüglich der verwaltungsbehördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis ( § § 3 StVG und 46 FeV) führt die Doppelkompetenz von Strafgericht und Verwaltungsbehörde zu besonderen Anwendungsschwierigkeiten, weil beide Maßnahmen materiell im Wesentlichen an die gleichen Voraussetzungen („ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen") geknüpft sind. 2 5 Um überflüssige Doppelarbeit und widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden, hat der Gesetzgeber ausweislich der Kollisionsnorm des § 3 Abs. 3 und 4 StVG der strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung insoweit Vorrang eingeräumt, als die Verwaltungsbehörde (1) einen Sachverhalt, der Gegenstand eines Strafverfahrens ist, während der Anhängigkeit des Strafverfahrens 26 nicht selbst zur Grundlage einer Entziehung machen (§ 3 Abs. 3 S. 1 StVG) und (2) nach (rechtskräftigem) Abschluss des Strafverfahrens in einem bei ihr anhängigen Entziehungsveiiahren hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhalts, der Schuldfrage und der Eignung zum Fahren von Kraftfahrzeugen von den Feststellungen der strafgerichtlichen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abweichen darf (§ 4 Abs. 3 StVG). 27 Dabei ist gleichgültig, ob der Strafrichter die Eignung des Täters positiv konstatiert oder lediglich negativ keinen Eignungsmangel
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So auch AG Saalfeld StV 2005 65. So auch ausdrücklich der Große Strafsenat in BGHSt 50 93 (100). Somit ab Beginn der polizeilichen Ermittlungen gegen einen bestimmten Beschuldigten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens (Krieger DAR 1963 9). Zum Strafverfahren zählt auch das Sicherungsverfahren nach §§ 413 ff StPO (BGHSt 13 96: dort zu §§ 429a ff StPO a.F.).
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Zur Reichweite der Entziehungskompetenz der Verwaltungsbehörde und zum Vorrang des Strafverfahrens vor dem verwaltungsrechtlichen Entziehungsverfahren weiterführend auch Burmann DAR 2005 61 ff sowie Himmelreich NZV 2005 337 ff und Fromm/Roland Schmidt NZV 2007 217 ff.
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
festgestellt hat. 28 Maßgeblich sind dabei die schriftlichen Entscheidungsgründe (vgl. § 3 Abs. 4 S. 1 StVG: „vom Inhalt der Entscheidung"),29 wobei Strafbefehl sowie Gerichtsbeschlüsse nach § 204 StPO (Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens) einem Urteil gleichstehen (§ 3 Abs. 4 S. 2 StVG). 30 Zur Bindung der Verwaltungsbehörde an die Entscheidung des Strafrichters kommt es aber nur, wenn den schriftlichen Entscheidungsgründen hinreichend sicher zu entnehmen ist, dass der Strafrichter überhaupt und mit welchem Ergebnis er die Eignung des Kraftfahrers beurteilt hat. 31 Eine solche hinreichende Sicherheit ist zu verneinen, wenn sich der strafgerichtlichen Entscheidung nicht entnehmen lässt, aus welchen Gründen - z.B. wegen zu verneinender Ungeeignetheit oder mangels des nach § 69 erforderlichen Zusammenhangs zwischen Anlasstat und Führen eines Kraftfahrzeuges- der Strafrichter von einer Erntziehung der Fahrerlaubnis abgesehen hat 32 oder weshalb der Strafrichter lediglich ein Fahrverbot (§ 44) verhängt, dabei aber nicht näher ausgeführt hat, weshalb er von einem Entzug der Fahrerlaubnis abgesehen hat. 33 Um den Eintritt einer Bindung der Verwaltungsbehörde überprüfen zu können, verpflichten die §§ 267 Abs. 6 S. 2 und 409 Abs. 1 S. 3 StPO den Strafrichter zu besonderer Begründung, weshalb er in Fällen, in denen die Anlasstat eine Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht kommen lässt, von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat. 8a
Die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG ist nur reinen Sacfcentscheidungen eigen; sie entfällt bei Einstellungen z.B. wegen eines Verfahrenshindernisses, nach den §§ 153 ff oder nach § 170 Abs. 2 StPO). 34 Sie gilt im Übrigen nicht nur für die Entziehung der Fahrerlaubnis selbst, sondern für das gesamte verwaltungsbehördliche Entziehungsverfahren, also einschließlich der vorbereitenden Maßnahmen der § § 4 6 Abs. 3 i.V. mit §§ 11 ff FeV (Aufforderung z.B. zur Beibringung eines amtsVfachärztlichen oder eines medizinisch-psychologischen Gutachtens u.a.); 35 sie kann auch von einer rechtsfehlerhaften (doch wirksamen) strafgerichtlichen Entscheidung ausgehen.36 Hat das Strafgericht irrtümlich nur eine „isolierte" Sperrfrist angeordnet, ist darin wohl auch die verbindliche Entscheidung über die Nichteignung des Betroffenen für die Dauer der Sperrfrist enthalten; es bleibt also bei der Bindungswirkung gegenüber der Verwaltungsbehörde.37 Während die Behörde die Kraftfahreignung auf Grund umfassender Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers und seiner daraus folgenden künftigen Gefährlichkeit zu beurteilen hat, darf der Strafrichter eine Würdigung der Persönlichkeit des Täters nur vornehmen, soweit sie in der jeweiligen Anschlusstat („wegen einer rechtswidrigen
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Bedenklich daher VG Frankfurt a.M. VRS 74 (1988) 394. Wie hier BVerwG NJW 1989 116 = N Z V 1988 238; zustimmend Hentscbel N Z V 1989 101. Vgl. BVerwGE 11 272, BVerwG N Z V 1988 37 sowie BVerwG NJW 1 9 8 9 117. Zur grundsätzlich vollen Bindungswirkung auch von Strafbefehlen s. BVerwG VRS 4 9 (1975) 303. Dazu jüngst ausführlich OVG Koblenz NZV 2 0 0 6 5 5 9 und OVG Münster DAR 2 0 0 4 721; s. dazu auch VG München NZV 2 0 0 0 271. Mit ausführlichem Rechtsprechungsmaterial und Beispielen für jeweils ausreichende oder zur Bindungswirkung nicht
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ausreichende Begründungen Himmelreich N Z V 2 0 0 5 3 3 7 ff; bei Bejahung der Bindungswirkung deutlich strenger demgegenüber Scheufen/Müller-Rath N Z V 2 0 0 6 353 ff. VG Frankfurt a.M. NJW 2 0 0 2 80. OVG Münster DAR 2 0 0 4 721; zustimmend Wendlinger N Z V 2 0 0 6 507. Ebenso Fischer Rdn. 59 und Wendlinger N Z V 2 0 0 6 507. BVerwG NJW 1989 116. VG Frankfurt a.M. NJW 1991 3235 = N Z V 1991 2 0 7 ; zustimmend Burmann DAR 2 0 0 5 63. Ebenso OVG Bremen DAR 1975 3 0 7 ; anders aber VG Schwerin N Z V 1998 344.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
Tat") zum Ausdruck gekommen ist. 38 Aus diesem Grund entfällt die Bindungswirkung, soweit die Verwaltungsbehörde einen anderen oder einen umfassenderen Sachverhalt als das Strafgericht oder neu hervorgetretene Tatsachen zu würdigen hat. Dies ist nicht nur der Fall, wenn die strafgerichtliche Entscheidung sich zur Frage der Eignung überhaupt nicht geäußert hat, 3 9 sondern auch dann, wenn die Anlasstat nicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der dem Kraftfahrer obliegenden Pflichten begangen wurde und somit überhaupt keine strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgen durfte. 4 0 Gleiches gilt, wenn die Behörde einen anderen oder jedenfalls einen umfangreicheren Sachverhalt als der Strafrichter zu würdigen hatte; 4 1 dazu ist insbesondere der Fall zu rechnen, dass dem Strafrichter bei seiner Entscheidung maßgebliche Vortaten/-strafen des Täters unbekannt geblieben sind. 4 2 Ausweislich des Gesetzes gelten die Kollisionsnormen des § 3 StVG an sich nur für das verwaltungsbehördliche „Entziehungs"-Verfahren. O b die dazu entwickelten Regeln auch für das Verwaltungsverfahren zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf einer strafgerichtlichen Sperrfrist anwendbar sind, ist eine andere Frage und im Einzelnen heftig umstritten; dazu nachfolgend Rdn. 118 f.
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4. Kriminalstatistische Aspekte. 43 Von allen verkehrsausschließenden Maßnahmen war die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 69 Abs. 1 und 6 9 a Abs. 1 S. 3)
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Allgemein anerkannt: s. statt vieler BVerwGE 77 42 und NJW 1989 116 sowie BGHSt 7 175 und 15 395. Vgl. BGH VRS 20 (1961) 117 f; ausführlich und mit weiteren Nachweisen zur Bindungswirkung der strafgerichtlichen Entscheidung für spätere verwaltungsbehördliche Entziehungsverfahren s. Koblhaas DAR 1962 112 ff, Czermak NJW 1963 1225 ff, Schendel Doppelkompetenz S. 38 ff, Kulemeier S. 142 ff sowie neuerdings vor allem Burmann DAR 2005 61 ff, Himmelreich NZV 2005 337 ff und Fromm/Roland Schmidt NZV 2007 217 ff. - Nicht hierzu ist der Fall zu rechnen, dass der Strafrichter ausweislich seiner schriftlichen Entscheidungsgründe von einer Entziehung der Fahrerlaubnis deshalb abgesehen hat, weil z.B. eine längere Zeit der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf Grund der ihr eigenen spezialpräventiven Wirkung (Individualabschreckung) die frühere Ungeeignetheit des Täters zwischenzeitlich wieder beseitigt hat (dazu nachfolgend Rdn. 94 ff). Bedenklich daher VG Frankfurt a.M. VRS 74 (1988) 394 sowie vor allem BVerwG NJW 1889 116 = NZV 1988 238 = DAR 1988 390 sowie BVerwG NJW 1989 = NZV 1989 125 = DAR 1989 153 = VRS 76 (1989) 316; berechtigte Kritik bei Hentschel NZV 1989 100 ff und Himmelreich DAR 1989 285 ff.
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Vgl. OVG Bremen VM 1963 Nr. 4 und Kulemeier S. 143. Vgl. BVerwGE 14 39 = VRS 23 (1962) 156, BVerwG NJW 1962 1263 (mit Anm. Czermak aaO) sowie BVerwG NJW 1979 2163. Auf dieser Linie erst jüngst zu Recht auch OVG Münster NJW 2007 2938 = DAR 2007 720 und VGH Baden-Württemberg NZV 2007 326 = VRS 112 (2007) 375. BVerwG VRS 29 (1965) 158 sowie BVerwG NZV 1988 37 (zustimmend Steinert aaO) = DAR 1988 247; s. auch OVG Berlin VRS 45 (1973) 146. Weiterführend: Barth Entwicklungen im Straßenverkehr 1975 bis 1988 aus statistischer Sicht, Blutalkohol 1990 80; Emmerich Statistische Daten für die Jahre 1971 bis 1982, Blutalkohol 1984 3; Händel Alkoholbedingte Unfälle im Spiegel der amtlichen Statistik, Blutalkohol 1989 324; Kerner Führerscheinentzug - langjährige Tendenz der Gerichtsurteile, Forensia 7 (1986) 75; Kulemeier S. 138 ff, S. 166 ff und S. 361 ff (im Anhang mit diversen Schaubildern); Kunkel Empirische Belege für eine günstige Entwicklung des Entzugs der Fahrerlaubnis auf das zukünftige Fahrverhalten? Blutalkohol 1979 310; Lutze Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Führerscheinentzug wegen Trunkenheit am Steuer, Blutalkohol 1998 366; Maukisch/ Kannheiser/Radwan Die Legalbewährung
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
nach ihrer Einführung im Jahre 1952 zunächst die mit Abstand am häufigsten angeordnete. Über 6 0 % aller wegen einer Verkehrsstraftat verurteilten Personen erhielten diese Maßregel, 4 4 dabei durchschnittlich rund 9 0 % wegen Trunkenheit im Verkehr (§§ 315c und 316). 4 5 Mitte der 90er Jahre des abgelaufenen Jahrhunderts änderte sich das Verhältnis insbesondere zur Anordnung behördlicher Fahrverbote maßgeblich; nach wie vor waren es aber Verkehrsdelikte mit Alkohol und (zunehmend) mit anderen Rauschmitteln, die mit durchschnittlich rund 90 % zu einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis führten. 4 6 Um die rechtstatsächliche Bedeutung der strafgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis einerseits und der verschiedenen Fahrverbote andererseits vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Gesetzeslage und im Hinblick auf die Reformdiskussion (dazu nachfolgend Rdn. 11 ff) auch zahlenmäßig zu verdeutlichen, auszugsweise auch einige statistische Zahlen: 4 7
§ 6 9 StGB
§ 69a StGB
§ 44 StGB
1974
133.056
30.127
19.136
4.195
28.722
1980
152.523
40.312
34.515
7.331
41.062
1990
129.166
32.635
34.197
11.747
67.160
1994
169.582
51.668
36.026
15.900
271.296
2000
125.088
37.443
35.946
19.974
350.282
2001
121.694
35.328
38.605
24.820
366.892
2002
114.941
34.326
36.609
30.993
393.811
2003
111.900
35.658
36.631
34.113
421.596
2004
109.736
34.696
36.449
43.746
444.014
2005
103.751
31.343
35.468
37.491
462.263
2006
93.791
28.576
32.811
38.571
448.743
von alkoholauffälligen Kraftfahrern. Probleme und Ergebnisse einer Bewährungskontrolle, Blutalkohol 2 0 0 0 4 1 1 ; Werwarth/ Bornemann/Wischhusen/Piischel Zur Wiederholungsdelinquenz alkoholisierter Kraftfahrer in Hamburg, Blutalkohol 2 0 0 0 126. Einschlägiges neueres statistisches Material findet sich vor allem in den Statistischen Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes: Reihe 6 . 44
Zitiert nach Kulemeier S. 1 6 6 mit Fn. 118: danach ist dieser Prozentsatz im Laufe der Jahre ständig gestiegen (von 3 2 , 5 % im Jahre 1 9 5 2 über ca. 5 0 % erstmals im Jahre 1 9 7 2 bis über 6 0 % seit 1981).
45
Zitiert nach Tabelle 3 in Teil E der Statisti-
924
§ 2a, 3 und 4 StVG
§ 25 StVG
schen Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes (für 1 9 9 0 = 9 0 , 7 % , 1 9 8 0 = 93,1 % und 1 9 7 4 = 9 5 , 0 % ) . Im Berichtsjahr 1 9 9 2 erfolgten von insgesamt 1 5 2 6 7 0 strafgerichtlichen Entziehungen der Fahrerlaubnis insgesamt 1 3 9 4 6 5 wegen Trunkenheitsdelikten; das sind 91,3 % . 46
Ausweislich der Tabelle 3 (Entziehungen von Fahrerlaubnissen, Anordnung von isolierten Sperren und Aberkennungen ausländischer Fahrerlaubnisse nach hauptsächlichen Entscheidungsgründen) lag dieser Prozentsatz z.B. im Berichtsjahr 2 0 0 2 bei 8 9 , 3 4 % und 2 0 0 5 bei 9 0 , 8 6 % .
47
Die amtlichen Zahlen (strafgerichtlicher wie verwaltungsbehördlicher) Entziehungen der
K l a u s Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
Ungeachtet dessen scheint die Wirksamkeit der Maßregel begrenzt. Sie findet ihren statistischen Ausdruck in einer Rückfallquote von 30 bis 35 % bei alkoholauffälligen Ersttätern, in mehr als 60 % bei Zweittätern und bei Dritttätern wohl sogar bis zu 90%.48 5. Die Reform-Diskussion um die Entziehung der Fahrerlaubnis ist so alt wie die Sanktion selbst. 49 Es geht dabei letztlich immer wieder um den mehr oder weniger deutlich artikulierten Vorwurf des „Etikettenschwindels", der darin gesehen wird, dass die vom Gesetz ganz bewusst als „Maßregel" ausgestaltete Fahrerlaubnisentziehung (§§ 69 ff) nach Grund und Dauer von der Praxis als (Neben-)„Strafe" gehandhabt und vom Betroffenen im Übrigen denn auch meist als (Haupt-)„Strafe" empfunden würde. Zum Beleg dafür wird vor allem die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 sowie die taxenartige Bemessung der Sperrfrist angeführt, die im Normalfall des schuldhaft handelnden und auf Grund (nicht körperlicher oder geistiger, sondern) charakterlicher Eignungsmängel verkehrsuntauglichen Täters mehr am Tatschuldgedanken und am eingetretenen Verletzungs- oder Gefährdungser/o/g als zukunftsgerichtet und gefährlichkeitsbezogen am Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit ausgerichtet sei. 5 0
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(1) Im Anschluss an Vorschläge aus den 70er Jahren des abgelaufenen Jahrhunderts 5 1 plädierten die Anhänger einer sog. „großen Lösung" für eine umfassende Neugestaltung aller Maßnahmen des (zeitweiligen oder dauernden) Zwangsausschlusses verkehrsuntauglicher Kraftfahrer aus dem öffentlichen Straßenverkehr. Die Ansicht läuft darauf hinaus, die Entziehung der Fahrerlaubnis als Sicherungsmaßnahme wieder ausschließlich den Verwaltungsbehörden vorzubehalten (und damit wieder die Gesetzeslage wie vor dem 1. StraßenVSichG herzustellen), dem Strafrichter hingegen lediglich die Möglichkeit eines (durchaus auch längerfristigen 52 ) Fahrverbotes zur Hand zu geben, das als Neben-
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Fahrerlaubnis und (strafgerichtlicher wie behördlicher) Fahrverbote werden alljährlich in der Reihe 6 (Fahr- und Fahrerlaubnisstatistiken) der „Statistischen Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA)" veröffentlicht. BRDrucks. 540/81, S. 2. Zur Rückfallquote bei Mehrfachtätern s. auch Lutze Blutalkohol 1998 366 ff, Maukisch/Kannheiser/Radwan Blutalkohol 2 0 0 0 411 ff, Hillmann DAR 2 0 0 3 5 5 0 sowie Werwarth/Bornemann/ Wischhusen/Püschel Blutalkohol 2 0 0 0 126 ff. Zur Frage der Reformbedürftigkeit des strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentzugs (einschließlich der Reform des strafgerichtlichen Fahrverbotes nach § 4 4 StGB und der verwaltungsbehördlichen Fahrerlaubnisentziehung nach § 3 StVG) s. die vorangestellte Spezialliteratur. S. statt vieler schon Baumann Forensia 8 (1987) 4 9 und Cramer GedS Schröder S. 533 ff sowie neuerdings nachdrücklich Gronemeyer S. 53 ff und passim. So vor allem Cramer (NJW 1968 1764 und GedS Schröder S. 5 3 2 ff) sowie Beine (FS
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Lange, S. 8 3 9 ff, ZRP 1 9 7 7 2 9 5 ff und BA 1978 261 ff); auf dieser Linie auch Himmelreich DAR 1 9 7 7 85, Koch DAR 1 9 7 7 90 und Rebmann DAR 1978 2 9 6 . Nachdrücklich gegenteiliger Ansicht aber Thielen ZRP 1978 48, Schreiner DAR 1978 271, Sunder Blutalkohol 1 9 7 9 65 und vor allem Janiszeivski DAR 1 9 7 7 312 und GA 1981 385. Diskutiert werden Fahrverbots-Spannen bis maximal einem (Kulemeier S. 3 3 6 ff und S. 357), zwei (Antrag der CDU vom 20.7.79: BTDrucks. 8 / 3 0 7 2 mit Protokoll der 184. Sitzung des Dt. Bundestages vom 9.11.1979: 8/14515 ff), drei (Cramer GedS Schröder S. 545) oder gar fünf Jahren: so etwa - und zwar nicht nur als Neben-, sondern als Hauptstrafe - der Vorschlag der Hessischen Kommission „Kriminalpolitik" (StV 1992 2 0 6 ) und der Niedersächsischen Strafrechtskommission zum Straßenverkehrsrecht (nach DAR 1993 13); zustimmend Beck DAR 1992 4 4 0 und Janker DAR 1993 16. Die strafrechtliche Abteilung des 59. Deutschen Juristentages 1992 plädierte in ihrer abschließenden Abstimmung zwar für die
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strafe auszugestalten sei. Als solche dürfe sie angesichts des rechtsstaatlich zwingenden Verbotes von Verdachtsstrafen (Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 2 MRK) zwar nicht vorläufig angeordnet werden,53 sei aber ggf. zur Bewährung auszusetzen und in spezialpräventiv sinnvoller Weise mit begleitenden Weisungen (etwa in Form von Nachschulungskursen) zu unterstützen. Aus Gründen der Verkehrssicherheit und nicht zuletzt auch aus verfahrensökonomischer Sicht hat sich der Gesetzgeber jedoch mehrfach gegen eine „große" Lösung dieser Art ausgesprochen.54 Er befürchtet überflüssige Doppelarbeit und durch den Verzicht auf eine strafrichterliche Eilmaßnahme wie diejenige des § l i l a StPO (vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis), die aus rechtsstaatlichen Gründen nur bei einer „Maßregel"-Lösung möglich ist, 55 eine deutliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Wenig Aussicht auf parlamentarischen Erfolg hat demzufolge wohl auch der neuerliche Vorschlag von Frank-Roland Hillman (DAR 2003 546 ff), dem Strafrichter nur die Entscheidung zu überlassen, dass bestimmte Strafdelikte erfüllt sind und/oder eine charakterliche Ungeeignetheit festgestellt wird, doch ohne daran verkehrsausschließende Maßnahmen knüpfen zu können; die Frage, wie dann mit diesen Betroffenen umgegangen wird", sei „vollständig und ausschließlich" von der Verwaltungsbehörde zu beantworten, die dafür die geeigneteren Beurteilungsmöglichkeiten habe (MPU oder Begutachtung durch Fachärzte mit verkehrsmedizinischen Zusatzqualifikationen).56 13 (2) Weil eine „große Lösung" dieser oder ähnlicher Art politisch-parlamentarisch seit langem nicht zu verwirklichen und seitens des Gesetzgebers auch derzeit offenbar nicht geplant ist, forderten bzw. fordern die Vertreter einer sog. „kleinen Lösung" jedenfalls punktuelle Verbesserungen der Entziehung der Fahrerlaubnis, die aber als Maßregel beibehalten werden sollte. 57 Als solche an die gefährlichkeitsbezogene und zukunftsgerichtete „Ungeeignetheit" des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen geknüpft, wird eine Aussetzung des Fahrerlaubnisentzugs „zur Bewährung" somit auch de lege ferenda als maßregelwidrig und angesichts hoher Dunkelziffer im Übrigen auch aus Gründen der Verkehrssicherheit als kaum zu verantworten überwiegend abgelehnt.58 Somit laufen die Vorschläge der „kleinen Lösung" im Wesentlichen auf eine verbesserte Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung oder der zwischen den Instanzen verstrichenen Sperrzeit, auf eine mögliche Verkürzung der Mindestsperrfristen des § 69a Abs. 4 S. 2 und Abs. 7 S. 2, auf erweiterte (berufsbezogene, zeitliche und/oder örtliche)
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Ausgestaltung des bisherigen Fahrverbotes zur Hauptstrafe (mit einer Dauer von maximal einem Jahr), mit deutlicher Mehrheit zugleich aber auch für die unveränderte Beibehaltung der Entziehung der Fahrerlaubnis als einer Maßregel der Besserung und Sicherung (NJW 1992 3022). Um der für unverzichtbar gehaltenen „Waffe" des vorläufigen Ausschlusses aus dem Straßenverkehr nicht verlustig zu gehen, wird de lege ferenda eine dem § l i l a StPO entsprechende Vorschrift bei § 4 (dem heutigen § 3) StVG vorgeschlagen: Cramer GedS Schröder S. 5 4 7 und Albrecht (zitiert nach DAR 1993 16). S. insofern schon die Amtl. Begründung zum 1. StraßenVSichG (nach Guelde S. 9) und zum 2. StraßenVSichG (BTDrucks. IV/651,
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S. 16 ff); vgl. ferner die amtl. Begründung zu § 99 E 1962 (S. 225) sowie die Antwort des Parlament. Staatssekretärs de With DRiZ 1978 217. Zur Einführung eines vorläufigen Fahrverbotes (in Parallele zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr nach § 112a StPO) s. neuerdings aber Gronemeyer S. 162 ff. DAR 2 0 0 3 550. Zusammenfassend Gontard Rebmann-Festschrift S. 211 ff. Gegen entsprechende Forderungen von Koch DAR 1977 90 und 316 sowie Himmelreich DAR 1977 85 nachdrücklich schon Hentschel ZRP 1975 209, D. Schultz Blutalkohol 1980 1, Preisendanz DAR 1981 313 sowie Janiszewski GA 1981 3 9 3 sowie in jüngerer Zeit Piesker Blutalkohol 2 0 0 2 197 ff.
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Ausnahmen von der Sperre nach § 69a Abs. 2 sowie vor allem auf eine verstärkte Berücksichtigung der Nachschulung hinaus: sei es schon im gesetzlichen Erkenntnisverfahren (§ 69 Abs. 2) oder aber erst nachträglich im Abkürzungsverfahren (§ 69a Abs. 7) oder schließlich - wenngleich auch nicht als selbstständige Sanktion, so doch - als Auflage (z.B. bei einer Einstellung nach § 153a StPO). 59 Diese Forderungen wurden im Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 24. April 1998 (BGBl. 1/747 ff) jedenfalls teilweise aufgegriffen und mit Wirkung zum 1. Januar 1999 in Kraft gesetzt (s. auch Erl. zur Entstehungsgeschichte des § 69a). So wurde die in § 69a Abs. 7 S. 2 vorgesehene Mindestsperre von sechs Monaten auf drei gesenkt und der gesetzliche Auflagenkatalog des § 153a Abs. 1 StPO durch Einfügung einer neuen Nr. 6 dahin erweitert, dass auch die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einem Nachschulungskurs i.S. des § 2b Abs. 2 S. 2 oder des § 4 Abs. 8 S. 4 StVG zur Einstellung des Verfahrens führen kann. Diese Maßnahmen sollen einen Anreiz dafür schaffen, an derartigen Kursen teilzunehmen und das Gnadenverfahren von solchen Fällen zu entlasten.60 In jüngerer Zeit wird zudem vereinzelt vorgeschlagen, die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 um eine zusätzliche Nr. 5, nämlich um Nötigung im Straßenverkehr zu erweitern.61 (3) Weithin abgelehnt wurde schon in den 90er Jahren des vergangenen Jahrzehnts die im Anschluss an den Vorschlag des Alternativ-Entwurfes aus dem Jahre 1966 6 2 von Schöch (im Rahmen seines Gutachtens zum 59. Deutschen Juristentag 1992) wiederholte Forderung, das Fahrverbot als selbständige Hauptstrafe 63 nicht nur auf ein Jahr zu erweitern und mit der Verwarnung unter Strafvorbehalt zu verbinden,64 sondern auch auf Taten zu erstrecken, die nicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers begangen worden sind.65 Auf den damals weithin abgelehnten Vorschlag läuft auch die Forderung hinaus, die Delia Gronemeyer 2001 erneut zur Diskussion gestellt hat: 66 Auch sie fordert einen Ausbau des strafgerichtlichen Fahrverbotes zur Hauptstraîe, die als solche dann auch zur Bewährung ausgesetzt werden könne, will diese neue Hauptstrafe, die bei einer Mindest-
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Speziell zu Änderungen im Zusammenhang mit einschlägigen Nachschulungsmaßnahmen s. Riedmeyer Blutalkohol 2 0 0 2 2 0 8 ff: Der Vorschlag, dem Katalog des § 61 StGB die Nachschulung als zusätzliche neue Maßregel hinzuzufügen, wird zwar verworfen (weil nur bei Freiwilligkeit erfolgversprechend), wohl aber werden gestaffelte Sperrfristen - je nach Bereitschaft zur Nachschulung oder entsprechender Ablehnung vorgeschlagen. Dazu schon BRDrucks. 5 4 0 / 8 1 , S. 2 und BRDrucks. 1 8 8 / 8 2 (Änderungsentwurf Baden-Württemberg: im Bundesrat zunächst gescheitert). So der Vorschlag von Kropp ZRP 2 0 0 4 4. § 5 5 AE-Allgemeiner Teil (Begründung aaO S. 105: neue Hauptstrafe als kriminalpolitischer Ersatz für die kurzfristige Freiheitsstrafe); ebenso Baumann Forensia 8 (1987) 49.
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Zu entsprechenden Plänen in der Schweiz s. Jescheck FS Lackner S. 912. So ders. schon in J R 1978 74. Schöch Empfehlen sich Änderungen und Ergänzungen bei den strafrechtlichen Sanktionen ohne Freiheitsentzug? Gutachten zum 59. Deutschen Juristentag, S. C 116 f. Deutliche Ablehnung insoweit nicht nur im Plenum der strafrechtlichen Abteilung des 59. Deutschen Juristentages 1992 (NJW 1 9 9 2 3022), sondern auch auf der 26. ADACJuristentagung 1992 (nach Jung DAR 1992 4 0 3 ) sowie überwiegend im Schrifttum (.Kulemeier N Z V 1993 212 und Beck DAR 1992 4 3 9 ) ; ablehnend schon Cramer GedS Schröder Fn. 54 auf S. 544. Zur Reformbedürftigkeit der strafrechtlichen Fahrerlaubnisentziehung und des strafrechtlichen Fahrverbots (2001).
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frist von drei Monaten sogar bis zu zehn Jahren ausgedehnt werden soll, jedoch nur auf Straftaten beschränkt wissen, welche die allgemeine Verkehrssicherheit beeinträchtigen. 67 Neu ist dabei der (doch wohl bedenkliche) Vorschlag, diese Maßnahme zum Schutze der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten auch als Sofortmaßnahme anordnen zu können; unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) 6 8 sei ein solches „vorläufiges Fahrverbot" als präventiv-polizeilich erforderlich jedenfalls dann mit der Verfassung zu vereinbaren, wenn sie auf Wiederholungstäter beschränkt würde, die erhebliche, die Straßenverkehrssicherheit beeinträchtigende Straftaten begangen haben. 69 Als strafgerichtliche Maßregel der Besserung und Sicherung demgegenüber sei die Entziehung der Fahrerlaubnis lediglich auf Fälle körperlicher oder geistiger (also nicht: charakterlicher) Eignungsmängel zu beschränken, solle dann aber auf grundsätzlich unbestimmte Zeit verhängt werden. 70 (4) Nach derzeitigem Stand der Diskussion (Sommer/Herbst 2 0 0 7 ) ist mit maßgeblichen gesetzlichen Veränderungen im Bereich der verkehrsstrafrechtlichen Sanktionen insgesamt und speziell hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis kaum zu rechnen. Wie bereits zum Fahrverbot (§ 44) ausgeführt (dort Rdn. 117 ff), ist parlamentarisch nach wie vor offen, ob das Fahrverbot als erweiterte Hauptstrafe auch zur Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität eingesetzt oder zwar zur Hauptstrafe erweitert (und dann möglicherweise auf sechs Monate ausgedehnt) wird, jedoch auf Verkehrsdelikte und damit zusammenhängende Taten 71 beschränkt bleiben soll. Diese rechtspolitische Grundsatzentscheidung sollte parlamentarisch nicht zuletzt deshalb getroffen werden, weil der Bundesgerichtshof durch Beschluss seines Großen Strafsenates vom 27. April 2 0 0 4 (BGHSt 50 93 ff) klargestellt hat, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69) als präventive Maßregel der Besserung und Sicherung ausschließlich dem Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs und demzufolge nicht dazu dient zu verhindern, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis diese zur Begehung von Straftaten nutzt, bei denen Belange der Verkehrssicherheit an sich nicht berührt werden. In der Großen Koalition zwischen CDU und SPD scheint eine Einigung in dieser Frage nicht herzustellen zu sein; die Entscheidung in dieser Frage steht offenbar nicht auf der Agenda der derzeitigen Regierung. Solange aber nicht geklärt ist, ob und in welchem Umfang das Fahrverbot (und dann zwangsläufig mit Folgerungen für den Bereich des strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentzugs) erweitert wird, dürfte auch im Bereich der §§ 69 und 69a nicht mit gesetzlichen Änderungen zu rechnen zu sein.
Π. Die Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 6 9 Abs. 1) 15
Ausweislich des Gesetzes ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zulässig, wenn der Täter wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers
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Nachdrückliche Ablehnung insoweit aber bei Piesker Blutalkohol 2 0 0 2 197 ff und bei Haiecker Blutalkohol 2 0 0 5 93 ff. Dazu BVerfGE 35 185 ff. Gronemeyer S. 162 sowie S. 129 ff. Berechtigte Ablehnung jedweden vorläufigen Fahrverbotes jedoch schon bei Berz ZRP 1988 207, Müller-Metz N Z V 1994 89 und Albrecht N Z V 1998 399.
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Speziell zur „kritischen Betrachtung der derzeitigen Ausgestaltung des Fahrverbotes" aaO S. 133 ff, zusammenfassend aaO S. 158 ff. Für ein nachdrücklich enges Verständnis der sog. „Zusammenhangstaten" plädiert neuerdings auch Haiecker Blutalkohol 2 0 0 5 93 ff.
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begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt wurde, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, und wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet ist (§ 6 9 Abs. 1 Satz 1). Unter diesen Voraussetzungen bedarf es keiner besonderen Prüfung der Verhältnismäßigkeit (Satz 2). Im Einzelnen ist zu beachten: 1. Der Täter muss eine rechtswidrige Tat begangen haben und wegen dieser entweder verurteilt oder unter Anwendung des § 20 freigesprochen werden. Anlass kann somit nur eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5) sein, die den Tatbestand eines Strafgesetzes (also nicht: einer Ordnungswidrigkeit) verwirklicht und hinsichtlich deren Begehung der Täter sich nicht auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann. Als Maßregel kann die Maßnahme auch gegenüber einem schuldlos handelnden Täter angeordnet werden: doch nur, soweit dieser entweder erwiesenermaßen oder möglicherweise schuld-, d.h. zurechnungsunfähig war. Wird die Schuld aus anderen Gründen verneint, etwa wegen unvermeidbaren Verbotsirrtums, entschuldigenden Notstandes oder altersbedingter Schuldlosigkeit, 72 ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 69 ff ausgeschlossen; in diesem Fall bleibt nur der verwaltungsrechtliche Entzug der Fahrerlaubnis (§ 3 Abs. 1 StVG).
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a) Verurteilung „zu einer Strafe" ist nach heutiger Gesetzeslage nicht mehr erforderlieh (anders noch § 42m Abs. 1 a.F.); es genügt, dass eine rechtswidrige Tat begangen wurde und der Täter ihretwegen schuldig gesprochen wird. Im Jugendverfahren genügt eine Verurteilung zu Zuchtmitteln (§ 13 Abs. 2 J G G ) oder Erziehungsmaßregeln (§ 9 J G G ) . 7 3 Gleiches gilt für eine nur bedingte Verurteilung (§ 2 7 J G G ) . 7 4 Auch das Absehen von Strafe (§ 60 oder z.B. §§ 46a und 320 Abs. 2) hindert die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht, sofern gleichzeitig ein Schuldspruch erfolgt. 75 Wegen einer rechtswidrigen Tat „verurteilt" ist ein Täter schließlich auch dann, wenn die Tat infolge von Gesetzeseinheit nicht im Schuldspruch erscheint. 76
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Strafaussetzung zur Bewährung hindert die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht. In diesem Fall bedarf es jedoch besonderer tatrichterlicher Begründung, weshalb der Täter trotz (i.S. von § 56) günstiger Prognose gleichwohl „ungeeignet" (i.S. von § 69 Abs. 1) ist (dazu nachfolgend auch Rdn. 60). 7 7 Umgekehrt bedeutet Versagung der Aussetzung nicht zwangsläufig Bejahung der „Ungeeignetheit"; 78 die Entziehung darf in diesem Fall aber nicht damit begründet werden, dass dem Täter Strafaussetzung zur Bewährung zugebilligt worden sei und „ohne fühlbare Sühne" mit erneuter Straffälligkeit des Angeklagten gerechnet werden müsse. 79 Wie neben allen anderen Maßregeln ist eine Verwarnung unter Strafvorbehalt auch neben der Entziehung der Fahrerlaubnis gesetzlich ausge-
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OLG Hamm VRS 2 6 (1964) 2 8 0 . So schon BGHSt 6 3 9 4 (zu § 42m Abs. 1 a.F.). Sch/Schröder/Stree Rdn. 19, Fischer Rdn. 7 und Lackner/Kühl Rdn. 4. BayObLG J Z 1972 2 8 7 und OLG Hamm VRS 43 (1972) 19. BGHSt 7 312; ebenso Fischer Rdn. 7. Grundlegend BGHSt 15 316; seither ständige Rechtsprechung: vgl. schon BGH VRS 28 (1963) 4 2 0 und VRS 2 9 (1965) 14 sowie aus jüngerer Zeit auch BGH N Z V 2 0 0 1 4 3 4 (zustimmend Geppert J R 2 0 0 2 114).
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S. ferner OLG Stuttgart NJW 1954 611, OLG Köln N J W 1956 113 und NJW 1 9 5 9 1237, OLG Celle NJW 1956 1648, OLG Braunschweig NJW 1958 679, OLG Karlsruhe DAR 1964 3 4 4 , OLG Hamm VRS 32 (1967) 17 und 33 (1967) 2 2 und OLG Düsseldorf NJW 1961 9 7 9 sowie aus jüngerer Zeit OLG Dresden N Z V 2 0 0 1 4 3 9 und OLG Düsseldorf NStZ 1997 4 9 4 = NJW 1997 2 7 6 5 = N Z V 1997 364. OLG Celle NJW 1956 1684; ebenso Fischer Rdn. 5 und Sch/Schröder/Stree Rdn. 21. OLG Hamm DAR 1957 186.
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schlossen (§ 59 Abs. 3 S. 2); eine Verwarnung unter Strafvorbehalt kommt somit erst in Betracht, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht gegeben sind. 80 19
b) Der Entzug der Fahrerlaubnis ist auch zulässig, wenn der Täter wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit nicht verurteilt wird; der Schuldunfähigkeit (im engen Sinn des § 20) ist die fehlende oder nicht nachweisbare Reife eines Jugendlichen (§ 3 JGG) gleichzustellen.81 Auch in diesem Fall setzt die Anordnung der Maßregel jedoch voraus, dass das Gericht eine (tatbestandsmäßige und) rechtswidrige Tat festgestellt hat. 8 2 Einem Freispruch wegen Unzurechnungsfähigkeit steht es gleich, wenn wegen des die Entziehung rechtfertigenden Tatbestandes (z.B. einer alkoholbedingten Verkehrsgefährdung) mangels Schuldfähigkeit keine Verurteilung möglich ist, wegen einer im schuldfähigen Zustand begangenen und mit jener idealiter konkurrierenden anderen Tat (hier: Fahren ohne Fahrerlaubnis) jedoch Verurteilung zu Strafe erfolgt.83 Seit dem 2. StraßenVSichG ist gesetzlich klargestellt, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis auch möglich ist, wenn der Täter nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" freigesprochen wird: so etwa, wenn zweifelhaft bleibt, ob er völlig schuldunfähig oder nur vermindert schuldfähig ist. 84 Somit kann auf Entziehung der Fahrerlaubnis auch erkannt werden, wenn sich nicht feststellen lässt, ob der Täter den Tatbestand des Vollrausches (§ 323a) erfüllt oder die Tat in schuldfähigem Zustand begangen hat. 85 Da ein förmlicher Freispruch nicht mehr erforderlich ist, ist Entziehung der Fahrerlaubnis - ggf. auch in einem selbstständigen Sicherungsverfahren (§§ 71 Abs. 2 StGB, 413 ff StPO): dazu schon Rdn. 4 - schließlich auch allein oder in Verbindung mit einer anderen Maßregel der Besserung und Sicherung möglich, insbesondere neben der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. 86
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c) Andere Entscheidungen (als Verurteilung oder Freispruch wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit) bieten keine Voraussetzung für eine Entziehung der Fahrerlaubnis. Dies gilt für Freispruch (z.B. wegen Fehlens oder Nichtbeweisbarkeit objektiver oder subjektiver Tatbestandsmerkmale, wegen strafbefreienden Rücktritts 87 o.ä.) ebenso wie für Einstellungen aller Art; so ist Entzug der Fahrerlaubnis bei NichtVorliegen zwingender Verfahrensvoraussetzungen (z.B. bei Exterritorialität oder Verjährung 88 ) ebenso wenig möglich wie bei Einstellung nach § 153 ff StPO, selbst wenn diese durch Urteil (§ 260 StPO) erfolgt. 89 Auch bei Einstellung auf Grund eines Amnestiegesetzes scheidet Fahrerlaubnisentziehung aus, es sei denn, sie werde im betreffenden Straffreiheitsgesetz ausdrücklich zugelassen.90 In allen diesen Fällen bleibt die Entziehung der Fahrerlaubnis der Verwaltung vorbehalten (§ 3 Abs. 1 StVG); § 3 Abs. 4 StVG steht nicht entgegen (dazu schon Rdn. 8). 80 81
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AG Homburg VRS 72 (1987) 186. OLG Hamm VRS 2 6 (1964) 2 8 0 und BayObLG 1958 2 6 3 ; heute unbestritten: vgl. Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 3 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 597. BayObLG VRS 6 7 (1984) 443. LG München DAR 1955 3 0 6 . So für die vormalige Gesetzeslage bereits BGHSt 14 68: dort mit zahlreichen Nachweisen. BayObLG DAR 1982 2 4 8 ; zustimmend Fischer Rdn. 8.
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So auch schon Grethlein DAR 1957 2 5 6 ; ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 4 . BGH DRiZ 1983 183. BayObLG DAR 1955 4 4 und OLG Düssseldorf DAR 1967 87. S. dazu auch § 78 Abs. 1 S. 1 StGB. Ebenso Fischer Rdn. 7. So lag es im Fall von OLG Köln NJW 1954 1456; zustimmend Fischer Rdn. 8 und Sch/Schröder/Stree Rdn. 26 und dort beide zu Recht gegen OLG Köln N J W 1954 611.
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2. Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist nicht nur bei Verkehrsstraftaten im eigentlichen Sinn (einschließlich infolge einer Verkehrsordnungswidrigkeit begangener fahrlässiger Tötungen/Körperverletzungen), sondern auch bei allen anderen mit Strafe bedrohten Handlungen möglich, sofern diese „bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" begangen worden sind. Die Voraussetzungen sind damit die gleichen wie beim Fahrverbot (s. dort Rdn. 5). 9 1 Diesbezügliche frühere Einschränkungen gegenüber Inhabern ausländischer Fahrberechtigungen sind durch das 32. StrÄndG vom 1.6.1995 (BGBl. I 747) mit Wirkung zum 11.6.1995 beseitigt (näher dazu die Erl. zu S 69b).
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a) Ebenso wie beim Fahrverbot (dort Rdn. 43) entspricht der Begriff des „KraftfahrZeuges" nicht der Legaldefinition, wie sie in § 2 4 8 b Abs. 4 speziell für den unbefugten Fahrzeuggebrauch definiert ist und nur dort passt. 9 2 Nach Sinn und Zweck der Maßregel (Rdn. 2) und nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist vielmehr die verkehrsrechtliche Begriffsbestimmung von § 1 Abs. 2 StVG maßgeblich. 93 Danach sind Kraftfahrzeuge i.S. der § § 6 9 und 4 4 alle mit Maschinenkraft angetriebenen und nicht an Gleise gebundenen Landfahrzeuge; schienengebundene Landfahrzeuge scheiden aus. 9 4 Ob es nach § 4 Abs. 1 FeV einer Fahrerlaubnis bedarf oder nicht, ist ohne Bedeutung; daher fällt das fahrerlaubnisfreie Fahrrad mit Hilfsmotor (sog. „Mofa 2 5 " ) 9 5 ebenso darunter wie maschinell angetriebene Krankenfahrstühle (§ 4 Abs.l Nr. 1 FeV), 9 6 motorbetriebene Skateboards (sog. „Motoboards") oder motorbetriebene Roller (sog. „Gopeds"). 9 7 Auf die Art der maschinellen Kraftquelle (z.B. Elektro-, Verbrennungs- oder Batterieantrieb) kommt es ebensowenig an wie auf das Erfordernis von Rädern. Sofern nur maschinell angetrieben und nicht an Gleise gebunden, sind Kraftfahrzeuge im vor-
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So schon BGHSt 2 2 3 2 9 und so zuletzt nachdrücklich auch der Große Strafsenat (BGHSt SO 93, 96 ff). Dort sind auch Wasser- und Luftfahrzeuge mit eigener Antriebsquelle erfasst und nur Landfahrzeuge ausgenommen, die an Bahngleise gebunden sind: Sch/Schröder/Eser Rdn. 3 und Athin MK 30 - je zu S 248b. Statt vieler und heute unbestritten: s. für die Rechtsprechung schon BayObLG NJW 1955 561 und N Z V 1993 239, OLG Stuttgart NJW 1956 1081 und OLG Oldenburg NJW 1969 199 sowie für das Schrifttum Sch/Schröder/Stree Rdn. 11 und Athin MK Rdn. 30. Missverständlich BGHSt 3 9 2 5 0 (wo - wenngleich nicht fallrelevant - „Kraftfahrzeuge" i.S. der §§ 248b StGB und 1 Abs. 2 StVG gleichgesetzt werden). Gegen LG München II N Z V 1993 83 zu Recht BayObLG DAR 1993 3 0 4 = VRS 85 (1993) 328; ebenso Hentschel N Z V 1993 84 und Janiszewski NStZ 1993 274. OLG Hamm VRS 34 (1968) 367, OLG Oldenburg NJW 1969 199, OLG Zwei-
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brücken VRS 71 (1986) 229, LG Oldenburg DAR 1990 72 und AG Lüdringhausen DAR 1992 231; s. auch BGH (nach Martin DAR 1972 119) sowie BGHSt 3 9 249. Ausführlich Grohmann DAR 1987 365 ff. Inzwischen allseits anerkannt: vgl. BayObLG DAR 2 0 0 0 532 sowie DAR 2 0 0 1 173, LG München N Z V 2 0 0 1 385, VG Hamburg N Z V 2 0 0 1 143 und AG Gernsbach DAR 2 0 0 0 421; s. dazu auch BVerwG N Z V 2 0 0 2 2 4 6 (fahrerlaubnisfrei sei ein solches Fahrzeug auch dann, wenn es von einer nichtbehinderten Person geführt werde). Zu motorisierten Krankenfahrstühlen generell s. auch Schäpe DAR 1999 4 2 6 ff, Schlund DAR 2 0 0 0 5 6 2 ff und Huppertz N Z V 2 0 0 3 4 6 0 ff. Als „Kraftfahrzeug" sind demzufolge auch elektrobetriebene Rollstühle anzusehen (AG Löbau NJW 2 0 0 8 530). Speziell zu motorbetriebenen Skateboards als „Kraftfahrzeug" Grams N Z V 1994 172 (gegen AG Tiergarten: Az 323 OWi 1044/92).
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liegenden Sinn somit auch Motorschlitten, Bagger, Straßenwalzen, Raupenfahrzeuge oder ähnliche selbstfahrende Arbeits- oder Zugmaschinen98 sowie schließlich sogar Fahrräder, die der Fahrer nicht durch eigene Muskelkraft, sondern ausschließlich durch einen auf seinen Rücken geschnallten Gleitschirmpropeller fortbewegt." Dazu sind schließlich auch die sog. „Segways" zu rechnen (ebenso Wendrich NZV 2002 214 und Kettler NZV 2008 71). Dabei handelt es sich um elektrobetriebene, einachsige, zweispurige Roller, die optisch an eine Sackkarre erinnern und bei denen der Benutzer Geschwindigkeit, Richtung und Bremsvorgang allein durch Verlagerung seines Körpergewichts bestimmt." 3 Keine „Kraftfahrzeuge" sind somit Schienenfahrzeuge, vor allem Straßen- und Eisenbahnen, 100 sowie Wasser- und Luftfahrzeuge aller Art. 101 Trunkenheitsfahrten eines Motorbootfahrers fallen tatbestandlich ggf. zwar in den Schutzbereich des S 316, können aber jedenfalls nicht zur sfra/gerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis führen; 102 denn § 69 (Gleiches gilt für § 44) ist entstehungsgeschichtlich und nach eindeutiger Schutzrichtung nur auf Sicherung des Straßenverkehrs gerichtet.103 In solchen Fällen bleibt es ggf. aber Aufgabe der Verwaltungsbehörde zu klären, ob aus einem Fehlverhalten außerhalb des Straßenverkehrs auf eine Ungeeignetheit des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen auch im Sira/?e«verkehr zu schließen und die Fahrerlaubnis somit nach § 3 Abs. 1 StVG (i.V. mit § § 1 3 FeV) zu entziehen ist. 104 Betriebsunfähige Kraftfahrzeuge, die abgeschleppt oder geschleppt (§ 33 StVZO) oder von Menschenhand geschoben werden, verlieren damit die Eigenschaft als „Kraft"-Fahrzeug 105 und sind der Entziehung der Fahrerlaubnis demzufolge ebenfalls nicht zugänglich; eine strafgerichtliche Entziehung
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Speziell zu Baggern OLG Düsseldorf VM 1978 34 und GA 1983 275 sowie OLG Hamm BA 1976 375; zu einem ultraleichten Traktor s. BFH DAR 2004 548. Mit weiteren Nachweisen Hentschel Rdn. 2 zu § 1 StVG. So zu Recht OLG Oldenburg NZV 1999 390 = VRS 9 7 ( 1 9 9 9 ) 191. Zu Saarländischen Modellversuchen der Nutzung dieses modernen Verkehrsmittels im öffentlichen Verkehrsbereich s. Kettler NZV 2008 71 ff. BayObLG DAR 1993 304 = NZV 1993 239 (keine Entziehung der Fahrerlaubnis bei Trunkenheitsfahrt mit Lokomotive). Vgl. Schiffahrtsobergericht in Berlin (Urt. v. 12.8.93 - (3) 1 AR 245/93 (12/93) BSch sowie Urt. v. 1.7.87 - (3) 1 AR 606/87 (31/87) BSch). Zur (verwaltungsrechtlichen) Entziehung der Fahrerlaubnis für Sportbootführer s. VO vom 20.12.1973 (BGBl. I 1988), zuletzt geändert durch VO vom 21.3.1983 (BGBl. I 314); zum (ebenfalls verwaltungsrechtlichen) Widerruf diverser Befähigungszeugnisse bei Binnenschiffern s. VO vom 7.12.1981 (BGBl. I 1333). Anders aber LG Kiel DAR 2006 699 = NStZ-RR 2007 59 (mit der Begründung, dass in § 69 die tatbestandliche Beschrän-
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kung auf Lanifahrzeuge fehle und die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 StVG nur „für dieses Gesetz" gelte). Zu Recht gegenteiliger Ansicht insoweit aber LG Oldenburg NZV 2008 50. Ebenso zu Recht Schäpe DAR 2006 700. Auf dieser Linie schon BayObLG NZV 1993 239 = MDR 1993 1100 (dort zur Trunkenheitsfahrt mit einer Lokomotive). Diesbezüglich jedoch mit Bedenken Himmelreich DAR 2002 60 sowie Hillmann ZfS 2004 50; wie hier aber Schäpe DAR 2006 700 und so auch schon Hentschel NZV 1993 84. So unter Hinweis auf den Wortlaut des § 33 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 StVZO ausdrücklich BGHSt 36 345. Zum Abschleppen betriebsunfähiger Fahrzeuge s. statt vieler OLG Bremen VRS 33 (1967) 205, OLG Düsseldorf VM 1977 94, BayObLG NJW 1984 878 und OLG Frankfurt NJW 1985 2961 sowie zu von Menschenhand geschobenen Fahrzeugen OLG Koblenz VRS 49 (1975) 366. Zu strafrechtlichen Aspekten des Schleppens, des An- und des Abschleppens im öffentlichen Straßenverkehr s. im Übrigen Reichart NJW 1994 103 ff und Grohmann DAR 1998 342 ff.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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der Fahrerlaubnis kommt allenfalls über allgemeine Teilnahmeregeln in Betracht, wenn und soweit der Fahrer eines abgeschleppten oder geschleppten (betriebsunfähigen) Fahrzeuges zur maßgeblichen Tat des Fahrers des ziehenden Kraftfahrzeuges einen tatbestandsrelevanten Beitrag leistet (dazu nachfolgend Rdn. 44 f) oder soweit der Fahrer des betriebsunfähigen Fahrzeuges dabei die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verletzt (dazu nachfolgend Rdn. 46 f). Scheidet in solchen Fällen eine sfra/gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis aus Rechtsgründen aus, kommt eine behördliche Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht; 1 0 6 § 3 Abs. 4 StVG steht dann nicht entgegen. 107 Gleiches gilt für Radfahrer; da Fahrräder keine „Kraftfahrzeuge" sind, können selbst typische Verkehrsstraftaten eines Radfahrers nicht zu einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis führen. 108 b) Der Begriff des „Führens" eines Kraftfahrzeuges, wie er inhaltsgleich auch den §§ 44, 315c und 316 StGB sowie § 21 StVG zugrunde liegt (s. auch die dortigen Erläuterungen), ist teils enger, teils weiter als derjenige der „Teilnahme am Verkehr" (§ 2 Abs. 1 FeV). So setzt § 69 nicht notwendig das Führen eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr voraus; somit kann auch das Führen eines Kraftfahrzeuges im nichtöffentlichen Verkehrsraum die Maßregel begründen, sofern nur die dabei begangene Straftat den Schluss auf mangelnde Eignung des Führens von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr rechtfertigt. 109 Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut des Gesetzes, dem eine Einschränkung auf den öffentlichen Verkehrsraum nicht zu entnehmen ist, 110 sondern auch aus Ziel und Zweck der § § 6 9 und 44, denen eine derartige Einschränkung ebenfalls fremd ist. Verfolgen diese Maßnahmen das Ziel, ungeeignete bzw. undisziplinierte Kraftfahrer dem Straßenverkehr fernzuhalten, kann sich der maßgebliche Eignungsmangel sehr wohl auch aus einem Verhalten ergeben, das sich im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes
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Nach Nr. 4 5 Abs. 2 MiStra sind Richter oder Staatsanwälte im Rahmen ihrer Zuständigkeit gehalten, die ihnen in einem Strafverfahren bekannt gewordenen Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, dass ein Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, der nach § 68 StVZO zuständigen Verwaltungsbehörde mitzuteilen. So auch BVerwG N J W 1 9 8 9 1623. OLG Stuttgart VRS 6 3 (1982) 118, OLG Köln VM 1982 80 und LG Mainz NJW 1986 1769. Nochmals: Zum „Kraftfahrzeug wird ein Fahrrad jedoch dann, wenn der Fahrer es nicht durch eigene Muskelkraft, sondern durch einen auf seinen Rücken geschnallten Gleitschirmpropeller fortbewegt (OLG Oldenburg N Z V 1999 390). Gegenteiliger Ansicht Sch/Schröder/Stree Rdn. 12 (Fahrten im nichtöffentlichen Verkehrsraum würden deshalb nicht zum Fahrerlaubnisentzug berechtigen, weil § 69 eine Handlung des Täters voraussetze, für die bei
fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen eine Fahrerlaubnis erforderlich und dies ausweislich von § 2 StVG nur bei Fahrten auf öffentlichen Wegen oder Plätzen der Fall sei); zustimmend Kulemeier S. 68 (in Fn. 7 3 mit Hinweis auf BTDrucks. IV/651, S. 14 und BGHSt 18 9) sowie neuerdings auch LG Leipzig DAR 2 0 0 2 327. Demgegenüber: Die von Kulemeier in Anspruch genommenen Hinweise beziehen sich nicht auf § § 4 4 und 69, sondern auf die Tatbestände der §§ 315a (a.F.) und 316, wo in der Tat das Führen eines Fahrzeuges auf öffentlichen Wegen vorausgesetzt wird. Wie hier OLG Oldenburg VRS 55 (1978) 120 (Fahrt eines Soldaten im Kasernenbereich) sowie LG Stuttgart N Z V 1996 213 (ablehnend aber Janiszewski NStZ 1996 587); zustimmend Lackner/Kühl Rdn. 3 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 579. 110
Im Gegensatz zu den §§ 142, 315b und 315c, wo von (unbestritten: öffentlichem) „Straßenverkehr" die Rede ist.
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ereignet hat (Beispiel: Nötigung mit einem Kraftfahrzeug außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums 1 1 1 ). Damit nicht zu verwechseln ist die Frage, ob die Anlasstat, wie dies etwa bei den in § 6 9 Abs. 2 in Bezug genommenen Tatbeständen der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), der Trunkenheit im Verkehr (§ 316) oder des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142) der Fall ist, zwingend eine Begehung auf öffentlichen Wegen oder Plätzen voraussetzt; sind Anlasstaten dieser Art auf nicht-öffentlichem Verkehrsraum begangen, kommt folgerichtig auch eine Entziehung der Fahrerlaubnis (oder ein Fahrverbot) nicht in Betracht. 25
Nach allgemeinem Sprachgebrauch weist der Begriff des „Führens" eines Kraftfahrzeuges hinsichtlich der Person auf die Eigenverantwortung des jeweiligen Fahrers (eben: „Führer"!) und bezüglich der Betätigung auf die dynamische Komponente des „Führens" im Sinn von Fahren als In-Bewegung-Setzen hin (seit BGHSt 35, 3 9 0 ff unbestritten). Danach „führt" ein Fahrzeug, wer sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, die für dessen Fortbewegung bestimmt sind, und das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte alleinverantwortlich oder jedenfalls unter arbeitsteiliger Mitverantwortung mit anderen in Bewegung setzt und während der Fahrtbewegung leitet; 1 1 2 zur Verdeutlichung dieses Begriffes s. auch die Erläuterungen zu §§ 315c und 316. Im Zusammenhang mit der Fahrerlaubnisentziehung (bzw. der Anordnung eines Fahrverbotes, wo grundsätzlich Gleiches gilt) ist vor allem wichtig:
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aa) Der Begriff der Führung eines Kraftfahrzeuges erfasst grundsätzlich nur Bewegungsvorgänge; ob dabei die Motor- oder eine sonstige technische Antriebskraft in Gang gesetzt worden ist, spielt an sich keine Rolle. Danach führt auch ein Kraftfahrzeug, wer das Fahrzeug unter Ausnutzung der ihm eigenen Schwerkraft ohne Benutzung des Motors auf abschüssiger Fahrbahn abrollen oder nach Benutzung eines Motors ausrollen lässt. 1 1 3 Gleiches gilt für den, der sich selbst anschiebt oder sich durch Dritte anschieben bzw. anziehen lässt, um auf diese Weise den Motor unmittelbar in Gang zu setzen (sog. „Anschleppen"). 1 1 4 Als Führen eines Kraftfahrzeuges ist danach auch anzusehen, wenn das Fahrzeug nach Abschalten des Motors, bei abschüssiger Straße auf Grund des Eigengewichtes oder nach Anschieben einen solchen Schwung erhält, dass es - wenn auch nur über eine Strecke von wenigen Metern - selbsttätig weiterrollt. 1 1 5 In solchen Fällen wird jedoch zu prüfen sein, ob nicht die Regelvermutung des Absatzes 2 widerlegt ist (dazu Rdn. 88). Nach alledem führt ein Kraftfahrzeug schließlich nicht nur derjenige, der ein Kleinkraftrad oder ein Fahrrad mit Hilfsmotor durch Treten der Pedale fortbewegt, um dadurch den M o t o r anspringen zu lassen, 1 1 6 sondern auch bei Treten der Pedale ohne diesen Z w e c k . 1 1 7 In allen diesen Fällen macht es keinen Unterschied, ob der Fahrer mit laufendem, mit ausgekuppeltem oder mit ausgeschaltetem Getriebe fährt,
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So im Fall von LG Stuttgart NZV 1996 213. So zuletzt BGHSt 36 340, 343 sowie zuvor schon BGHSt 35 390 und BGHSt 18 8; ebenso neuerdings OLG Dresden NJW 2 0 0 6 1014. BGHSt 14 185 = VRS 18 (1960) 452; ebenso OLG Köln VRS 15 (1958) 334, BayObLG VRS 16 (1959) 57 und OLG Koblenz VRS 4 9 (1975) 366. OLG Celle VRS 28 (1965) 279, OLG Ham-
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burg VRS 32 (1967) 452 und OLG Karlsruhe DAR 1983 365. Vgl. OLG Hamburg VRS 32 (1967) 452, OLG Koblenz VRS 4 9 (1975) 366 und OLG Karlsruhe DAR 1983 365. OLG Oldenburg VRS 9 (1955) 2 7 und DAR 1962 130 sowie OLG Düsseldorf VM 1975
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OLG Düsseldorf VM 1974 13; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 597.
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bb) sofern das in Bewegung gesetzte Fahrzeug nur grundsätzlich betriebsbereit (also z.B. Motor und Batterie intakt sowie Benzin im Tank) ist: 1 1 8 andernfalls hat das Fahrzeug die Eigenschaft speziell eines „Kraftfahrzeuges verloren. Wer somit ein (betriebsunfähiges) abgeschlepptes oder ein (als Anhänger) geschlepptes Fahrzeug lenkt, 1 1 9 „führt" zwar ein Fahrzeug, benutzt dieses aber nicht als „ K r a f t f a h r z e u g . 1 2 0 Gleiches gilt für den, der ein Kraftfahrzeug mit eigener Körperkraft schiebt oder sich von fremder Hand schieben lässt: dies freilich nur, soweit dies nicht zum Zweck geschieht, den M o t o r anspringen zu lassen oder das Fahrzeug in Eigenbewegung zu versetzen. 1 2 1
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cc) „Führer" eines Kraftfahrzeuges ist (nur), wer das Fahrzeug im Hinblick auf den Bewegungsvorgang selbstverantwortlich leitet, indem er entweder alleinverantwortlich oder unter arbeitsteiliger Mitverantwortung sämtliche oder jedenfalls einen Teil der wesentlichen technischen Verrichtungen ausführt, um auf die Fortbewegung des Fahrzeuges einzuwirken; 1 2 2 für die Fortbewegung wesentliche Teile der Technik eines Kraftfahrzeuges in diesem Sinn sind etwa Lenkrad, Gas, Bremse, Schaltung und Kupplung, nicht jedoch Hupe, Blinkzeichen, Lichtanlage o . ä . 1 2 3 Sind in diesem Sinn mehrere an dem Betriebsvorgang beteiligt, „führt" jeder von ihnen das Fahrzeug, soweit die von ihm vorgenommene Verrichtung den Fortbewegungsvorgang wesentlich mitbeeinflusst; dies ist etwa der Fall, wenn eine Person lenkt und die andere Kupplung, Gas und/oder Bremse bedient. 1 2 4 Lediglich mündliche Anweisungen eines Beifahrers oder einer das Fahrzeug begleitenden Person reichen daher ebenso wenig aus wie ein kurzes Greifen ins Steuer vom Beifahrersitz oder von außerhalb des Fahrzeugs aus; 1 2 5 zur (umstrittenen) Frage, ob dies auch für (einen noch fahrerlaubnislosen Fahrschüler begleitende) Fahrlehrer gilt,
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Vgl. OLG Oldenburg DAR 1962 130 (kein Benzin im Tank); bedenklich OLG Hamburg VRS 32 (1967) 452 (Fahrer lässt nicht betriebsbereites Fahrzeug auf abschüssiger Straße abrollen). 1 1 9 Zu den Begriffen „Schleppen sowie An- und Abschleppen" und ihren verkehrsstrafrechtlichen Konsequenzen s. neben Hentschel! Dauer Rdn. 1 und 4 ff zu § 33 StVZO auch Reichart NJW 1994 103 ff sowie Grohmann DAR 1998 342 ff. 120 £) e r Lenker eines abgeschleppten, doch betriebsunfähigen Kraftfahrzeuges „führt" somit ein Fahrzeug und macht sich ggf. nach § 316 strafbar; da er aber kein „Kraftfahrzeug mehr führt, benötigt er (nach § 2 Abs. 1 StVG) dafür an sich keine Fahrerlaubnis mehr und kann sich somit auch nicht nach § 21 StVG strafbar machen. So zutreffend OLG Hamm VRS 96 (1999) 373. 121 Vgl. OLG Karlsruhe DAR 1983 365, OLG Oldenburg VRS 48 (1975) 356 und OLG Koblenz VRS 49 (1975) 366; zutreffend daher auch BayObLG DAR 1988 (Täter rangiert ein Motorrad bei laufendem Motor vom Fahrersitz aus mit den Füßen aus einer Parklücke heraus: trotz an sich betriebsbereiten Kraftfahrzeuges reine Fremdhilfe, bei
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der weder die technischen Antriebskräfte noch das Eigengewicht des Fahrzeugs in Anspruch genommen werden). Ständige Rechtsprechung: so grundlegend schon BGHSt 13 226; auf dieser Linie dann auch BGHSt 18 6, BGHSt 35 393 sowie BGHSt 36 343. So zu Recht schon KG VRS 8 (1955) 140. BGHSt 13 226; s. auch BGH NJW 1959 1883 (Bedienung allein des Lenkrades) und BGHSt 36 341, 344. Vgl. ferner OLG Schleswig DAR 1956 132, KG VM 1957 26 und OLG Hamm VRS 37 (1969) 280. Vgl. OLG Hamm NJW 1969 1976 sowie OLG Köln NJW 1967 670 und 1971 670. Anderes gilt, wenn der Beifahrer gegen den Willen des Fahrers „für etwas länger" ins Steuer greift, um das Fahrzeug an einen Ort zu lenken, den der Fahrer ganz bewusst nicht ansteuern will (zutreffend OLG Köln DAR 1982 30). Bedenklich OLG Hamm VRS 37 (1969) 281: auch ein Beifahrer „führe" ein Kraftfahrzeug, „wenn die Fahrkenntnisse des Fahrzeuglenkers mangelhaft sind und sich der Lenker im wesentlichen nach den technischen Anweisungen des Halters richtet".
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s. nachfolgend Rdn. 29. Wer bloße Hilfsdienste verrichtet (z.B. Betätigung des Lenkrades nur nach den Anweisungen des verantwortlichen Fahrers, während dieser das Fahrzeug schiebt; 126 Einlegen des Ganges vom Beifahrersitz aus; 127 Einschalten des Lichtes; Ankuppeln des Anhängers 128 ), „führt" ebenfalls kein Fahrzeug. Das „Führen" eines Kraftfahrzeuges ist schließlich überall dort zu verneinen, wo der allein- oder mitverantwortlich ausgeführten Verrichtung der erforderliche Bezug zu einem Bewegungsvorgang fehlt: so etwa, wenn jemand sich bei laufendem Motor, doch ohne Fahrabsicht auf dem Fahrersitz niederlässt 129 oder wenn lediglich das Trieb- oder Schwenkwerk eines Baggers in Gang gesetzt wird. 130 Gleiches gilt, wenn das Fahrzeug unbeabsichtigt in Bewegung gebracht wird; auch hier fehlt das willentliche Beherrschen des Fortbewegungsvorgangs, wie es für den Begriff des „Führens" unverzichtbar ist.131 In diesem Sinn kann das „Führen" eines Kraftfahrzeuges an sich nur eigenhändig erfolgen. Eine andere Frage und umstritten ist jedoch, ob ein „Zusammenhang" der rechtswidrigen Tat mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges auch dann zu bejahen ist, wenn der Täter der Anlasstat das Kraftfahrzeug nicht selbst führt, d.h. Täter der Anlasstat und Führer des Kraftfahrzeuges nicht dieselbe Person sind. Da dies jedoch weniger mit dem Begriff des „Führens" eines Kraftfahrzeuges als mit der Frage zu tun hat, wann ein „Zusammenhang" mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges gegeben ist, wird sie dort erörtert (s. nachfolgend Rdn. 44 f). 29
Bei Übungs- und Prüfungsfahrten, bei denen der Fahrzeuglenker die erforderliche Fahrerlaubnis noch nicht besitzt, gilt nach der Fiktion des § 2 Abs. 15 S. 2 StVG (die erklärtermaßen jedoch nur „im Sinne dieses Gesetzes" - also des StVG! - gilt) zunächst einmal der Fahrlehrer als „Führer" des Kraftfahrzeuges.132 Somit ist er für die Führung des Fahrzeugs durch den Fahrschüler (letzt)verantwortlich und somit im Falle eines Verkehrsverstoßes des Fahrschülers (Neben-)Täter, sofern dessen verkehrswidriges Verhalten für ihn voraussehbar und durch ihn vermeidbar war; 133 an die Pflicht des Fahrlehrers, seinen Fahrschüler ständig im Auge zu behalten und seine Fahrweise sorgfältig zu überwachen, ist ein strenger Maßstab anzulegen.134 Weil selbst ein fortgeschrittener Fahrschüler bei seinen Übungs- und Prüfungsfahrten von einem Fahrlehrer zwingend begleitet sein muss (§ 2 Abs. 15 S. 1 StVG) und bei jeder Fehlleistung seines Schülers einzugreifen hat, „führt" ein Fahrlehrer das Fahrzeug wohl auch dann, wenn er sich während der Fahrt auf die Bestimmung des Fahrtweges und auf mündliche Korrekturen der Fahrweise des Fahrschülers beschränkt, ohne dabei die für ihn vorhandenen technischen Einrichtungen mitzubenutzen.135 Ungeachtet dessen „führt" aber auch der Fahrschüler das
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BGH VRS 52 (1977) 408. KG VRS 12 (1956) 110. Bedenklich OLG Köln DAR 1957 53. OLG Köln NJW 1964 2 0 2 6 = VRS 27 (1964) 235. BayObLG VRS 32 (1967) 127. OLG Stuttgart DAR 1963 358 und OLG Neustadt VRS 2 5 (1963) 2 6 9 - je zu § 21 StVG (Fahren ohne Fahrerlaubnis) - sowie BayObLG VRS 3 9 (1970) 2 0 6 und OLG Frankfurt a. M. N Z V 1990 2 7 7 (versehentliches Inbewegungsetzen durch Betätigung des Anlassers bei eingelegtem Gang); vgl. auch Hentschel/König Rdn. 2 und Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 2 0 - j e zu § 316.
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Zu früheren Gesetzeslage s. schon BGH VRS 10 (1956) 2 2 8 und VRS 37 (1969) 345 sowie KG VRS 15 (1958) 66 und OLG Karlsruhe VRS 64 (1983) 153; zur heutigen Gesetzeslage s. Hentschel/Dauer Rdn. 4 0 ff zu § 2 StVG. Vgl. BGH NJW 1969 2197 sowie OLG Saarbrücken VRS 4 6 (1974) 212 und KG DAR 1955 2 2 5 ; ebenso Hentschel/Dauer Rdn. 4 2 zu § 2 StVG. OLG Koblenz N Z V 2 0 0 4 401. So auch AG Cottbus DAR 2 0 0 3 476 (ablehnend aber Peter König DAR 2 0 0 3 448 ff); anders dann jedoch OLG Dresden NJW 2 0 0 6 1013 = N Z V 2 0 0 6 4 4 0 . Wie hier Blum/Weber N Z V 2 0 0 7 2 2 8 f.
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Fahrzeug, weil (auch) er wesentliche technische Einrichtungen (jedenfalls mit)bedient. 136 Für Fahrfehler, die auf mangelhaftes, d.h. nach dem Ausbildungsstand noch nicht erzieltes Wissen und Können zurückzuführen sind, ist der Fahrschüler aber nicht verantwortlich; bereits mitverantwortlich ist er nur für Fehlleistungen, die er unter Berücksichtigung seiner Ausbildungssituation nach Maßgabe seines individuellen Wissens und Könnens unschwer hätte vermeiden können. 1 3 7 Auch gegen Fahrschüler kommt eine Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. eine isolierte Sperrfrist (§ 69a Abs. 1 S. 3) somit in Betracht, wenn er sich durch die Anlasstat als „ungeeignet" zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist: Wie ausgeführt, wird dies in aller Regel nur ausnahmsweise und erst dann anzunehmen sein, wenn das Fehlverhalten des Fahrschülers weniger auf mangelndem fahrerischen Können und Wissen beruht als vielmehr auf charakterliche Eignungsmängel schließen lässt: so etwa, wenn der Fahrschüler in schuldhafter Weise die Anweisungen des Fahrlehrers nicht beachtet oder ihm Fahrfehler vorzuwerfen sind, die er nach dem Stand seiner Ausbildung und bei Berücksichtigung seines individuellen Könnens hätte vermeiden können; 1 3 8 dazu zählt insbesondere der Fall, dass der Fahrschüler - vom Fahrlehrer unbemerkt - in alkoholisiertem Zustand eine Übungsfahrt antritt. 1 3 9 dd) Der im Schrifttum schon lange herrschenden Ansicht 1 4 0 und einem deutlichen 30 Trend neuerer Judikatur 141 folgend hat inzwischen auch der Bundesgerichtshof für den Beginn des „Führens" eines Kraftfahrzeuges auf den Bewegungsvorgang als solchen abgestellt. Demzufolge „führt" ein Fahrer sein Fahrzeug erst dann, wenn er es in Bewegung setzt (BGHSt 35, 3 9 0 f f 1 4 2 ) . Zutreffend begründet der BGH dies im Wesentlichen mit dem Sprachgebrauch, wonach „führen" sich sprachlich von „fahren" (i.S. von InBewegung-Setzen) ableite, sowie teleologisch mit der Überlegung, dass die verkehrsstrafrechtlich zu bekämpfende Gefährlichkeit „fahr"-untauglicher Kraftfahrer sich vorwiegend in Bewegungsabläufen, nicht jedoch bei (noch) stehénden Fahrzeugen äußert. Danach sind Handlungen, die den Bewegungsvorgang erst einleiten sollen, vom Begriff des „Führens" eines Fahrzeuges (noch) nicht erfasst; insoweit ist gegenüber früheren Entscheidungen Vorsicht angebracht. 1 4 3 Daher ist zwar das Anschieben z.B. eines (an sich betriebsfähigen) Motorrades zum In-Gang-Setzen des Motors bereits als (vollendetes)
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So zu Recht auch OLG Koblenz N Z V 2 0 0 4 401. Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Fahrschülers bei Übungs- und Prüfungsfahrten s. auch den gleichlautenden Beitrag von Rolle in DAR 1957 11 f und neuerdings Blum/Weber N Z V 2 0 0 7 2 2 8 f. So schon OLG Stuttgart N Z V 1 9 9 9 4 7 0 und OLG Koblenz N Z V 2 0 0 4 401; zustimmend Hentschel/Dauer Rdn. 4 3 zu § 2 StVG. BGH N J W 1 9 6 9 2197 sowie OLG Hamm NJW 1 9 7 9 993, OLG Nürnberg NJW 1961 1025 und OLG Saarbrücken VRS 4 6 (1974) 212: je mit weiteren Nachweisen. OLG Hamm VRS 2 3 (1962) 153. Nachweise bei Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 2 0 zu § 316 und Horn/Wolters SK Rdn. 5 und 2 3 zu § 315c.
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Vgl. schon OLG Hamm N J W 1 9 8 4 137 (Betätigung des Blinkerhebels bei laufendem Motor), LG Hamburg VRS 74 (1988) 273, LG Köln DAR 1994 165 und AG Freiburg N J W 1986 3151 (jeweils zum Anlassen des Motors); aA insofern aber AG Homburg/ Saar VRS 72 (1987) 184. = N J W 1989 723 = N Z V 1 9 8 9 32 = J Z 1 9 8 9 100 = MDR 1 9 8 9 174 = J R 1 9 9 0 30: eher kritisch Hentschel J R 1 9 9 0 32. Überholt daher wohl BGHSt 7 316 und BayObLG VRS 32 (1967) 127 sowie OLG Hamm NJW 1954 1780, OLG Hamburg VRS 8 (1955) 2 9 0 , OLG Oldenburg DAR 1962 130, OLG Düsseldorf V M 1971 16, OLG Koblenz DAR 1972 5 0 und VRS 4 6 (1974) 352 sowie OLG Celle NdsRpfl 1973 27.
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„Führen" eines Kraftfahrzeuges anzusehen, 144 nicht (mehr) jedoch das bloße Anlassen des Motors, das Betätigen des Anlassers, das Lösen der Bremsen oder das Einschalten des Abblendlichts, selbst wenn der Fahrer alsbald wegzufahren beabsichtigt. 145 Gleiches gilt für das Einsteigen bzw. Besteigen des Fahrzeugs und das Platznehmen, selbst wenn der Motor schon läuft, 146 das Einführen des Zündschlüssels 147 oder das Öffnen des Zahlenschlosses bei einem Mofa zwecks alsbaldigen Wegfahrens. 148 Erst recht scheiden schließlich alle Tätigkeiten aus, bei denen die alsbaldige Fortbewegung entweder objektiv unmöglich ist 1 4 9 oder vom Täter nicht bezweckt wird. 1 5 0 31
ee) Das „Führen" eines Kraftfahrzeuges endet, sobald der Bewegungsvorgang seinen Abschluss gefunden hat und demzufolge mit dem Abstellen des Fahrzeuges. Wenn nach Ansicht nunmehr auch des Bundesgerichtshofes alle den Bewegungsvorgang erst einleitenden Maßnahmen (noch) nicht als „Führen" eines Fahrzeuges anerkannt werden können, hat folgerichtig Gleiches auch für das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen nach Abschluss des Bewegungsvorganges zu gelten. 151 Unterlässt somit der verantwortliche Fahrer nach diesem Zeitpunkt erforderliche Sicherungsmaßnahmen gegen ein Abrollen des Fahrzeuges auf abschüssiger Straße (z.B. Anziehen der Handbremse, Einlegen eines Ganges oder Unterschieben eines Keiles), gehört dies nicht mehr zum „Führen" des betreffenden Fahrzeuges. 152 Eine Entziehung der Fahrrlaubnis (bzw. ein Fahrverbot) kann in diesen Fällen jedoch wegen „Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" in Betracht kommen (dazu nachfolgend Rdn. 46).
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c) Eine mit Strafe bedrohte Handlung wird bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangen, wenn zwischen ihr und der Fahrzeugbenutzung ein (funktionaler) tatsächlicher Zusammenhang besteht. 153 Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die Tat der Führung des Fahrzeuges nachfolgt, ihr vorausgeht oder gleichzeitig mit ihr begangen wird; wesentlich ist vielmehr, dass das Führen des Kraftfahrzeuges dem Täter für die Vorbereitung oder Durchführung der Straftat oder anschließend für ihre Ausnutzung dient. 154 Wie schon beim Fahrverbot des § 44 (dort
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Bedenklich daher AG Winsen/Luhe NJW 1985 692. BGHSt 35 390; vgl. auch LG Köln DAR 1994 165. OLG Köln NJW 1964 2 0 2 6 . BayObLG DAR 1985 2 4 2 . BayObLG VM 1975 2 0 ; ebenso Janiszewski NStZ 1984 113. BayObLG NJW 1986 1822 (Kfz. saß auf einem Betonsockel auf und konnte mit eigener Motorkraft nicht mehr bewegt werden). OLG Hamm NJW 1984 137 und OLG Düsseldorf VM 1971 16 (Fahrer schlief bei laufendem Motor auf Fahrersitz ein). S. ferner OLG Schleswig VM 1974 56, BayObLG 1979 2 3 9 und OLG Celle VM 1973 19 (Anlassen des Motors, um den Fahrersitz danach einem anderen zu überlassen). Wie hier OLG Stuttgart VM 1 9 5 9 9 und NJW 1960 1484, KG DAR 1961 145 sowie
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BayObLG VM 1970 65 und BayObLG DAR 1980 2 6 6 . Gegenteiliger Ansicht insofern noch BGHSt 19 371 (unterlassene Sicherungsmaßnahmen dieser Art seien notwendige Bestandteile der Beendigung des Bewegungsvorganges); durch BGHSt 35 3 9 0 jedoch wohl überholt. Wie hier Sch/Schröder/Cramer/SternbergLiebeti Rdn. 2 0 zu § 316 (dort mit weiteren Nachweisen). Zum Begriff der „Zusammenhangstat" (und mit ausführlichem Rechtsprechungsmaterial) vor allem Haiecker Blutalkohol 2 0 0 5 93 ff sowie Hentschel NJW 2 0 0 4 659 ff und NJW 2 0 0 6 4 8 2 ff. So in Bestätigung bisheriger Rechtsprechung (vgl. BGHSt 2 2 328, BGHSt 17 218 und BGHSt 5 181) nunmehr ausdrücklich auch der Große Strafsenat in BGHSt 5 0 97 (dort im Anschluss an Vorauflage Rdn. 33).
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
Rdn. 5), wo hinsichtlich des Begriffs der „Zusammenhangstat" grundsätzlich Gleiches gilt, 155 genügt dafür nicht ein bloß äußerliches (zeitlich/örtliches) Zusammentreffen der Anknüpfungstat mit der Benutzung eines Kraftfahrzeuges. Die Anlasstat darf also nicht nur gelegentlich des Führens eines Kraftfahrzeuges erfolgt sein; vielmehr muss das Führen eines Kraftfahrzeuges vom Täter - auch nach seiner Vorstellung - ganz bewusst als Fortbewegungsmittel zur Vorbereitung, Durchführung oder Verdeckung einer Straftat eingesetzt worden sein. Der Begriff des „Zusammenhangs" bestimmt sich somit nur bei engstem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang objektiv, ansonsten maßgeblich subjektiv und somit danach, ob der Täter die Anlasstat zielgerichtet vom Führen eines Kraftfahrzeuges oder umgekehrt das Führen des Fahrzeuges von der zu begehenden Straftat abhängig macht. 156 Ungeachtet dessen ist zusätzlich festzustellen, ob aus der „im Zusammenhang" mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges (oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers) begangenen Straftat im Einzelfall die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen folgt (dazu nachfolgend Rdn. 68 ff). aa) Wie nunmehr auch durch den Großen Strafsenat in BGHSt 50 93 ff jedenfalls im Ergebnis bestätigt (dazu nachfolgend Rdn. 34b), hat die Rechtsprechung den Begriff des „Zusammenhangs" von Anfang an insgesamt (bedenklich) weit gezogen. So hat der Bundesgerichtshof aus der amtl. Begründung zum 1. StraßenVSichG, in der ein solcher Zusammenhang schon bejaht wurde, „wenn der Täter sich mit dem Kraftfahrzeug an den Tatort begeben oder wenn er es benutzt hat, um nach der Tat die Beute wegzuschaffen", 157 schon bald nach Einführung der neuen Maßregel gefolgert, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht auf Verkehrsverstöße im engeren Sinn zu beschränken ist (insofern auch heute noch unbestritten), sondern „über den eigentlichen Verkehrszweck hinaus den Missbrauch von Kraftfahrzeugen durch verantwortungslose Kraftfahrer auch dann verhindern (will), wenn dieser Missbrauch nur gegen andere Rechtsgüter nachteilig wirkt" (so grundlegend schon BGHSt 5 180). Von diesem (schon im älteren Schrifttum nicht unbestrittenen158) Ausgangspunkt aus bejahte die Rechtsprechung einen Zusammenhang in aller Regel bereits dann, wenn das Kraftfahrzeug bewusst zur Tatbegehung eingesetzt wird, wozu nicht nur die eigentliche Durchführung der Tat, sondern auch ihre Vorbereitung und Verdeckung sowie ggf. sogar die Flucht nach begangener Straftat gerechnet wurde.159 Dem wurde sogar der Fall gleichgestellt, bei dem die Anlasstat nur dazu dient, dem Täter die Benutzung eines Kraftfahrzeuges überhaupt erst zu ermöglichen.160 Dass das Führen eines Kraftfahrzeuges für die Begehung der Tat in dem Sinn notwendig ist, ohne die Benutzung des Fahrzeugs wäre die Tat undurchführbar gewesen,
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Ebenso einmal mehr der Große Strafsenat in BGHSt 5 0 98; zustimmend Haiecker Blutalkohol 2 0 0 5 93. In Fortentwicklung von BGHSt 2 2 328 ausdrücklich auch OLG Bremen VRS 4 9 (1975) 102 sowie BGH (2 StR 2 9 / 0 1 ) NStZ 2001 477. Zitiert nach Guelde Entziehung der Fahrerlaubnis, S. 14. Auch die vormalige (alleinige) behördliche Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 3 ff StVG ) wurde extensiv gehandhabt und durchaus nicht auf verkehrsspezifisches Fehlverhalten beschränkt; vgl. Kulemeier NZV 1993 213.
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S. insofern vor allem Härtung J Z 1954 137 und J R 1954 3 0 6 , Schmidt-Leichner NJW 1954 163 und Guelde RdK 1 9 5 4 115; vgl. auch Cramer MDR 1972 558. So jedenfalls BGHSt 5 179, bestätigt durch BGHSt 2 2 328. Damals Zustimmung auch in Teilen des Schrifttums: vgl. Rüth LK 1 0 Rdn. 12 ff, Schulz HK StVR Rdn. 9 ff zu § 69 und Drees/Kuckuk/Werny Rdn. 9 zu § 44. BGHSt 17 218 (betrügerische Erlangung eines Mietwagens) sowie BGH VRS 3 0 (1966) 275 (betrügerisches Tanken von Benzin).
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wurde und wird von der Rechtsprechung jedoch (zu Recht) nicht verlangt. 161 Danach kommt es auch nicht darauf an, ob die Tat auch mit anderen Verkehrsmitteln hätte durchgeführt werden können. 1 6 2 Verneint wurde und wird ein Zusammenhang demzufolge im Wesentlichen nur dann, wenn der Täter die Tat lediglich „bei Gelegenheit der Fahrt" begangen und somit nur eine durch die Fahrt geschaffene Situation ausgenutzt hat. 1 6 3 Ein (örtlich oder zeitlich) nur äußerer, d.h. eher zufälliger und nicht funktionaler Zusammenhang zwischen Straftat und dem Führen eines Kraftfahrzeuges reicht demzufolge auch für die Rechtsprechung nicht aus (nach wie vor unbestritten). 164 Seit rund zehn Jahren mehrten sich jedoch höchstrichterliche Entscheidungen, ausweislich derer auf Grund zunehmender literarischer Kritik (dazu nachfolgend Rdn. 34) nunmehr offenbar auch der BGH von einem deutlich engeren Verständnis der „Zusammenhangstat" auszugehen begann. 165 34
bb) Die weite Interpretation der Rechtsprechung stieß im Schrifttum seit langem und im letzten Jahrzehnt verstärkt auf Kritik. 166 Diese Kritik wurde schon in der Vorauflage weithin als berechtigt bezeichnet. So ist zum einen zu bezweifeln, ob das von BGHSt 5 179 und seither in ständiger Rechtsprechung befürwortete weite Verständnis des „Zusammenhangs" wirklich von der Amtl. Begründung des 1. StraßenVSichG gedeckt ist. 1 6 7 Zum andern hat die Erfahrung nachdrücklich gezeigt, dass die vom BGH vorgeschlagene Abgrenzungsformel häufig nicht zu sicheren Ergebnissen führt. Im Übrigen und vor allem dient die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht der allgemeinen Verbrechensbekämpfung, sondern ausschließlich der Sicherung des Straßenverkehrs (Rdn. 1 f). Setzt danach der nach § 69 erforderliche Zusammenhang zwischen Anlasstat und Führen eines Kraftfahrzeuges zwingend voraus, dass das Verhalten des Täters eine erhöhte Gefahr gerade für andere Verkehrsteilnehmer befürchten lässt, folgt daraus das Erfordernis einer inneren Beziehung zwischen Anlasstat einerseits und Notwendigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung als spezifischer Sanktion zur Sicherung der allgemeinen Verkehrssicherheit andererseits. 168 Da heutzutage mehr Menschen denn je motorisiert sind und in weit größerem Ausmaß als noch bei Einführung der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis im Jahre 1952 auch Kraftfahrzeuge zur Begehung strafbarer Handlungen einzusetzen pflegen, darf die Interpretation des Begriffs „Zusammenhangs" nicht dazu führen, die Ent-
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BGH (2 StR 7 8 2 / 7 5 ) : zit. nach Spiegel DAR 1977 151. BGH (1 StR 401/91) VRS 81 (1991) 369. BGHSt 2 2 3 2 9 (2 StR 5 4 6 / 6 8 ) . Statt vieler BGH NJW 1969 1125 und OLG Stuttgart NJW 1973 2213. S. insofern vor allem BGH (Beschl. v. 3.1.1995 - 4 StR 7 2 3 / 9 4 ) N Z V 1995 156 = NStZ 1995 2 2 9 : Am Zusammenhang einer Vergewaltigung mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges fehle es jedenfalls dann, wenn der Täter den Entschluss zur Begehung der Tat erst nach Beendigung der Fahrt gefasst hat. Siehe ferner BGH (Beschl. v. 8.8.1994 1 StR 2 7 8 / 9 4 ) zum Fall eines strafbaren Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie BGH (Beschl. v. 4 . 1 . 1 9 9 4 - 4 StR 718/93) zum
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Fall eines reisenden Betrügers/Hehlers, wo ein solcher Zusammenhang ebenfalls jeweils verneint wurde: je zitiert nach Tolksdorf DAR 1995 185. Für das ältere Schrifttum s. die Nachweise in Fn. 158. Zu neuerer Kritik s. vor allem Geppert NStZ 2 0 0 3 2 8 8 ff, Haiecker Blutalkohol 2 0 0 5 93 ff, Hentschel NJW 2 0 0 4 659 ff, Kulemeier S. 2 8 2 ff sowie denselben in NZV 1993 212 ff und Sowada NStZ 2 0 0 4 169 ff sowie Athin MK Rdn. 58, Herzog NK Rdn. 4 ff, Horn SK: alle zu § 69 und mit weiteren Nachweisen. Skeptisch daher schon Härtung J Z 1954 139. Hierzu und zum Folgenden vor allem Geppert NStZ 2 0 0 3 2 8 8 ff.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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ziehung der Fahrerlaubnis 169 entgegen ihrer gesetzlichen Konzeption auch zur Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität einzusetzen.170 So hat es auch der 59. Deutsche Juristentag 1992 mit großer Mehrheit abgelehnt, das (auf ein Jahr zu erweiternde) Fahrverbot zur Hauptstrafe umzugestalten und auf Anlasstaten zu beziehen, die nicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges stehen (dazu schon Rdn. 14). Ebenfalls zu Recht hat auch der 42. Deutsche Verkehrsgerichtstag 2004 1 7 1 die Ansicht bekräftigt, dass die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis nach geltendem Recht den Schutz der Verkehrssicherheit bezweckt (und die Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität nur einen Schutzreflex darstellt) und folgerichtig dazu der Strafrichter „auch bei Straftaten der allgemeinen Kriminalität, die bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangen werden", die Fahrerlaubnis nur dann entziehen dürfe, „wenn sich aus der Tat ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen charakterlich ungeeignet ist, weil er bereit ist, seine kriminellen Interessen über die im Verkehr erforderliche Sorgfalt und Rücksichtnahme zu stellen". 172 Somit ist nach geltender Gesetzeslage ein verkehrsspezifischer Zusammenhang zwischen Anlasstat und Führen eines Kraftfahrzeuges dahin zu fordern, dass die Anlasstat nach Willen und Vorstellung des Täters gerade durch das „Führen eines Kraftfahrzeuges" ermöglicht, veranlasst oder jedenfalls unmittelbar gefördert wird. Danach scheiden nicht nur Straftaten aus, die „bei Gelegenheit" einer Fahrt begangen werden, sondern nicht zuletzt auch jene Handlungen, die lediglich den Besitz (also nicht: das „Führen") eines Kraftfahrzeuges ausnutzen oder dazu dienen, überhaupt erst in den Besitz eines Kraftfahrzeuges zu gelangen. Tendenziell in Übereinstimmung mit dieser einschränkenden Linie im Schrifttum (Rdn. 34) und folgerichtig zu eigenen früheren Entscheidungen aus jüngerer Zeit 1 7 3 verlangte insbesondere der für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in seinem Anfragebeschluss vom 16.9.2003 1 7 4 einen verkehrsspezifischen
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Gleiches gilt für die Nebenstrafe des Fahrverbotes (§ 44), wo die Durchsicht einschlägiger Entscheidungen im Übrigen zeigt, dass die Praxis trotz insofern gleicher tatbestandlicher Voraussetzungen („bei oder im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen") hier offenbar seltener bereit ist, bei verkehrsfremden Anlasstaten die Nebenstrafe des Fahrverbotes anzuordnen (dazu auch Kulemeier N Z V 1993 214). Dies verbietet sich gerade bei einer Maßregel der Besserung und Sicherung nicht zuletzt deshalb, weil (über § l i l a StPO) andernfalls eine unzulässige Verdachtsstrafe eingeführt und damit die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 MRK) in bedenklicher Weise umgangen würde. Zum Thema des Arbeitskreises IV („Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter") s. die Referate von Hentschel, Sowada und Burmann in der einschlägigen Veröffentlichung der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft (2004), S. 131 ff, S. 142 und S. 154 ff.
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So die Empfehlung Nr. 1 des damaligen Arbeitskreises IV. Seine nachfolgende Empfehlung Nr. 2, der Gesetzgeber möge de lege ferenda prüfen, „ob dem Strafrichter bei schwerwiegenden Straftaten der allgemeinen Kriminalität, die unter Missbrauch der Fahrerlaubnis begangen werden, die Entziehung der Fahrerlaubnis ermöglicht werden kann", ist bislang nicht aufgegriffen worden (dazu schon Rdn. 14a). S. schon BGH (4 StR 723/94) N Z V 1995 156 (dazu schon obige Fn. 165). Eindeutig hat der Kurswechsel des 4. Strafsenates dann wohl eingesetzt mit Beschluss 4 StR 4 0 6 / 0 2 vom 5.11.2002: veröffentlicht in DAR 2 0 0 3 126 = StV 2 0 0 3 6 9 = NStZ-RR 2 0 0 3 74 = VRS 104 (2003) 214 = VersR 2 0 0 3 3 3 9 ; nachdrücliche Zustimmung zu diesem Kurswechsel bei Geppert NStZ 2 0 0 3 2 8 8 ff. 4 StR 85/03, 155/03 und 175/03: veröffentlicht in DAR 2 0 0 3 5 6 3 = J R 2 0 0 4 119 = NStZ 2 0 0 4 86 = VRS 105 (2003) 4 2 0 .
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Zusammenhang zwischen Anlasstat und Gefährdung der Verkehrssicherheit derart, dass allein die Benutzung eines Kraftfahrzeuges zur Begehung der abgeurteilten Straftaten noch nicht die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen belege. Unter Aufgabe teilweise gegenteiliger eigener Rechtsprechung stimmten dem zwar der 2., der 3. und der 5. Strafsenat, 1 7 5 nicht jedoch der 1. Strafsenat zu, für den es bei der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69) nicht nur um den Schutz der Verkehrssicherheit, sondern auch um den Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten allgemeiner Art ging. 1 7 6 Mit Vorlagebeschluss vom 2 6 . 8 . 2 0 0 4 1 7 7 legte der 4. Strafsenat daraufhin dem Großen Senat für Strafsachen die Rechtsfrage zur Entscheidung vor, ob sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nach Maßgabe von § 6 9 Abs. 1 S. 1 nur dann „aus der Tat (ergibt), wenn aus dieser konkrete Anhaltspunkte dafür zu erkennen sind, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen". 34b
Mit Beschluss vom 2 7 . 4 . 2 0 0 5 (GSSt 2 / 0 4 ) hat sich der Große Strafsenat in BGHSt 5 0 9 3 f f 1 7 8 tendenziell eindeutig für die vom 4. Strafsenat befürwortete (restriktive) Linie entschieden. Zunächst hat er festgestellt, dass der Begriff des „Zusammenhangs" (ebenso wie bei § 4 4 ) auch bei § 6 9 weiterhin extensiv auszulegen ist und es somit zunächst ausreicht, wenn der Täter das Fahrzeug bewusst zur Vorbereitung, Durchführung oder Verdeckung einer Straftat einsetzt. Dann aber hat der Große Strafsenat klargestellt, dass § 6 9 den Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs bezweckt, nicht hingegen der allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung und somit auch nicht dem Zweck dient, den Missbrauch der Fahrerlaubnis zur Begehung von Straftaten zu verhindern. 1 7 9 Im Gegensatz oder jedenfalls zur Klarstellung bisheriger Rechtsprechung 1 8 0 wird der verkehrsspezi-
Zustimmungsbeschluss des 2. Strafsenates vom 26.9.2003 - 2 StR 161/03 (NStZ 2004 144), des 3. Strafsenates vom 13.1.2004 3 ARs 30/03 (zitiert nach BGHSt 50 95) sowie des 5. Strafsenates vom 28.10.2003 5 Ars 67/03 (NStZ 2004 148). 1 7 6 Beschluss vom 14.5.2003 - 1 StR 113/03: NStZ 2003 658 = J R 2004 123; dem erklärtermaßen zwar nicht „eindeutig", wohl aber seinem Ergebnis nach tendenziell zustimmend Kühl J R 2004 125 ff: Es sei ausreichend, „wenn sich aus der sog. Anlasstat eine potentielle Gefahr für die Verkehrssicherheit ergibt, die immer schon dann vorliegt, wenn das Kraftfahrzeug vom Täter zur Begehung nicht nur bagatellhafter Straftaten benutzt wurde und benutzt werden wird" (aaO S. 127). Tendenziell auf der Linie des 1. Strafsenates wohl auch der Generalbundesanwalt: Die zum Fahrerlaubnisentzug führende charakterliche Ungeeignetheit könne sich auch aus einer Anlasstat ergeben, deren Fehlverhalten „kein verkehrsspezifisches" sei (zitiert nach BGHSt 50 96). 1 7 7 4 StR 85/03, 4 StR 155/03 und 4 StR 175/03: veröffentlicht in NJW 2004 3497. 178 NJW 2005 1957 = StV 2005 551 = DAR 175
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2005 452 (Anm. Hentscbel aaO S. 455) = NZV 2005 486 (Besprechungsaufsatz Pießkalla/Leitgeb NZV 2006 185 ff) = JZ 2006 98 (Anm. Duttge aaO S. 102 ff) = NStZ 2005 503 = Blutalkohol 42 (2005) 311 (Anm. Lampe aaO). Zur Begründung dafür stützt sich der Große Strafsenat weniger auf die auch seiner Ansicht nach eher unergiebigen Gesetzesmaterialien als vielmehr auf das Verhältnis des § 69 StGB (strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis) zu den Bestimmungen der SS 2 Abs. 4 S. 1 und 3 Abs. 1 S. 1 StVG i.V. mit S§ 11 Abs. 1 S. 3 und 46 Abs. 1 S. 2 FeV (verwaltungsbehördlicher Fahrerlaubnisentzug), ausweislich dessen der Entzug der Fahrerlaubnis in beiden Fällen an die fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geknüpft und folgerichtig dazu Maßstab für die Entscheidung in beiden Fällen „die in die Zukunft gerichtete Beurteilung der Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr" sei (aaO S. 100). In der Entscheidung des 4. Strafsenates (4 StR 406/02) vom 5.11.2002 (NZV 2003 199), war diese Frage noch offengeblieben.
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fische Gefährdungsbezug dann aber nicht am Zusammenhang zwischen Straftat und Führen eines Kraftfahrzeuges festgemacht, sondern klargestellt, dass mit dessen Vorliegen allein die charakterliche Ungeeignetheit nicht begründet werden könne. Weil die Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht an eine allgemeine Unzuverlässigkeit, sondern an die Ungeeignetheit speziell „zum Führen von Kraftfahrzeugen" geknüpft sei und diese nach ebenfalls klarem Gesetzeswortlaut sich „aus der Tat" ergeben müsse, komme eine Entziehung der Fahrerlaubnis nur in Betracht, „wenn die Anlasstat selbst tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen". Dies anhand konkreter Umstände festzustellen, die sich aus der Tat unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit ergeben, bleibe dem Tatrichter aufgegeben. Der Große Strafsenat stellt in diesem Zusammenhang zugleich klar, dass eine daraus zu folgernde Prognose, der Täter würde „mit Wahrscheinlichkeit auch künftig Zusammenhangstaten begehen und dabei tatsächlich die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigen, nicht erforderlich sei; es genüge, wenn der Täter im Zusammenhang mit der Tat nahe liegend mit einer Situation gerechnet hat oder rechnen musste, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs kommen konnte (BGHSt 50 102 f). 181 Folgerungen (aus der Entscheidung des Großen Strafsenates): Damit dürfte feststehen, 34c dass allein der Umstand, dass ein Straftäter sein Kraftfahrzeug bei der Ausübung von Straftaten benutzt oder seine Fahrerlaubnis zur Begehung von Straftaten missbraucht hat, ebenso wenig zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen kann wie Straftaten, die nur „bei Gelegenheit" und letztlich ohne funktionalen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeuges begangen werden, bei denen der Täter also lediglich den Besitz (doch nicht: das „Führen") eines Kraftfahrzeuges ausnutzt oder die ihm letztlich nur dazu dienen, überhaupt erst in den Besitz eines Kraftfahrzeuges zu gelangen. 182 So führt der Große Strafsenat selbst erläuternd aus, dass z.B. die Benutzung eines Kraftfahrzeuges zur Nötigung (§ 240), der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b) unter Benutzung eines Kraftfahrzeuges 183 oder ein während der Fahrt erfolgter räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§ 316a) durch den Fahrer auf einen Beifahrer den verkehrsspezifischen Gefährdungsbezug der Anlasstat ebenso belegt wie z.B. ein Banküberfall, bei dem (nochmals: auf Grund tatrichterlich festzustellender objektiver Umstände der Tat) mit alsbaldiger Verfolgung und Flucht zu rechnen war und der Täter eine verkehrsgefährdende Verwendung des fluchtbereit tatortnah abgestellten Kraftfahrzeuges somit entweder ersichtlich geplant hat oder mit einer solchen nahe liegend rechnen musste. 184 Umgekehrt folgt für den Großen Strafsenat daraus aber auch, dass die bloße Nutzung eines Kraftfahrzeuges zur Suche nach Tatobjekten/Opfern, zum Transport von Diebesbeute oder zu Kurierdiensten bei Drogenschmuggel für sich allein genommen jedenfalls dann nicht zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen wird, wenn der Täter sein Fahrzeug durch besondere Vor-
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Duttge (JZ 2 0 0 6 102 ff) kritisiert den Großen Strafsenat zwar dafür, dass dieser es beim herkömmlich weiten Verständnis der „Zusammenhangstat" belässt und diesen nicht „rechtsgutsbezogen" und „verkehrsspezifisch" näher präzisiert, ist in seinen praktischen Ergebnissen vom Großen Strafsenat aber kaum entfernt; denn auch Duttge lässt es ausreichen, wenn die Anlasstat ausweislich der vom Tatrichter an Hand des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der
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gesamten Täterpersönlichkeit festzustellenden Umstände „eine Gefährdung der Verkehrssicherheit nicht nur entfernt, sondern auf Grund der je konkreten Situation ernstlich möglich oder gar wahrscheinlich macht" (aaO S. 103). Nachdrücklich zustimmend insoweit auch Duttge J Z 2 0 0 6 104. Fragwürdig und heute wohl nicht mehr haltbar daher OLG Celle N Z V 1998 170. BGHSt 5 0 93 (103).
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kehrungen (z.B. durch präparierte Drogenverstecke) gegen polizeiliches Entdecktwerden abgesichert hat oder sein Fahrzeug bei der Anlasstat ganz bewusst völlig unauffällig führt und damit auch nicht Gefahr läuft, durchschnittlich mehr Gefahren zu produzieren als jeder andere Kraftfahrer auch. 185 Entgegen der in der Vorauflage (Rdn. 38) vertretenen Ansicht führt dies folgerichtig auch dann nicht zum Fahrerlaubnisentzug, wenn das Fahrzeug als Transport- oder Fluchtmittel in den Plänen des Täters eine Rolle gespielt hat. 1 8 6 Da es immer auf den verkehrsspezifischen Gefährdungsbezug der Anlasstat ankommt, wäre es auch rechtsfehlerhaft, wollte man zur Begründung des Fahrerlaubnisentzugs auf Vorstrafen abstellen, die mit der konkreten Anlasstat in keinem Zusammenhang stehen. 1 8 7 35
cc) Weitere Kasuistik. Als taugliche Anlasstaten für eine Entziehung der Fahrerlaubnis kommen somit zunächst und vor allem Verkehrsstraften im engeren (§§ 315b, 315c und 316) ebenso wie in weiterem Sinn (z.B. §§ 142 und 316a) 1 8 8 und die im Straßenverkehr begangenen fahrlässigen Tötungen/Körperverletzungen in Betracht, soweit dabei die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges gesteigert wird. 189 Dies ist etwa zu bejahen, wenn die (gefährliche) Körperverletzung mittels eines Kraftfahrzeuges begangen wurde, 190 mangels verkehrsspezifischen Zusammenhangs jedoch zu verneinen, wenn die Körperverletzung im Steinwurf eines Nichtkraftfahrers gegen einen Kraftfahrer besteht. 191 Ansonsten ist nach der Entscheidung des Großen Strafsenates Vorsicht geboten gegenüber jener früheren Judikatur, die mit ihrem durch BGHSt 50 93 ff nunmehr ausgeschlossenen weiten Interpretationsansatz letztlich lediglich Taten ausgeschieden haben wollte, die gewissermaßen nur „bei Gelegenheit" des Führens eines Kraftfahrzeuges begangen wurden. Schränkt man den Begriff des „Zusammenhangs" der Zielsetzung der Fahrerlaubnisentziehung entsprechend ein, folgt daraus,
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(1) dass der kraftverkehrsspezifische Gefährlichkeitszusammenhang auch dann zu verneinen und somit eine Entziehung der Fahrerlaubnis ausgeschlossen ist, wenn das Kraftfahrzeug lediglich zum Wegschaffen der Beute, 192 zur Durchführung von Fahrten, um mobil zu sein und möglichst schnell an vielen verschiedenen Orten Betrug, Raub oder Erpressung, Sprengstoffanschläge, terroristische Gewalttaten, Landfriedensbruch
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Zustimmend auch Hentschel DAR 2 0 0 5 4 5 6 und Pießkalla/Leitgeb N Z V 2 0 0 6 186. Dem Großen Strafsenat in einem ähnlichen Fall dann folgend auch BGH (1 StR 335/05) StV 2 0 0 6 186. Zutreffend daher Duttge J Z 2 0 0 6 104. Zutreffend Pießkalla/Leitgeb N Z V 2 0 0 6 187. Als typische Verkehrsstraftat als Folge charakterlicher Ungeeignetheit ist auch das Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 StVG) anzusehen: so erst jüngst BGH NStZ-RR 2 0 0 7 40. OLG Hamm VRS 5 7 (1979) 184. BGH N Z V 1998 418 = VRS 95 (1998) 215. BGH DAR 2 0 0 1 81 = N Z V 2 0 0 1 133.
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Überholt daher BGH VM 1967 1 (Wegschaffen des Hehlgutes); OLG Düsseldorf VRS 67 (1984) 2 5 5 (Abtransport der Diebesbeute vom Tatort), OLG Stuttgart NJW 1973 OLG Köln MDR 1972 621 = VRS 41 (1971) 356 (Wegschaffen der Hehlerware). Zu einem Sonderfall, bei dem speziell der Transport der Diebesbeute (ein tonnenschwerer Zigarettenautomat mit Stahlständer und Betonfuß wird mittels eines Gurtes über eine mehrere Kilometer lange Strecke hinter dem Fahrzeug hergeschleift) auch die (charakterliche) „Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen" erweist, erst jüngst AG Lüdingshausen DAR 2 0 0 8 102.
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
o.ä. begehen zu können, 1 9 3 oder auch nur dazu dient, um mit dem Fahrzeug schnell zu einem Tatort gelangen oder von dort wieder wegfahren zu können. Der nach § 69 erforderliche verkehrsspezifische Zusammenhang zwischen Anlasstat und dem „Führen" (!) eines Kraftfahrzeuges ist in solchen Fällen nur dann zu bejahen, wenn gerade das Führen des Fahrzeuges nach den Besonderheiten des Falles eine erhöhte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer mit sich bringen würde. 194 Gleiches gilt folgerichtig nunmehr auch für die Durchführung illegaler Rauschmittelgeschäfte unter planmäßiger Benutzung von Kraftfahrzeugen; die gegenteilige umfangreiche frühere Judikatur, 195 die jedoch bereits vor der Entscheidung des großen Strafsenates vom 27. April 2 0 0 5 zu bröckeln begann, 196 ist durch BGHSt 50 93 ff nunmehr eindeutig überholt. Überholt ist damit auch der Ansatz, den verkehrsspezifischen Gefährdungszusammenhang jedenfalls bei Drogengeschäften größeren Umfangs bejahen zu wollen; 197 zu bejahen ist der Fahrerlaubnisentzug jedoch bei Rauschgiftverkäufen „in und aus einem vom Angeklagten geführten" Fahrzeug heraus jedenfalls dann, wenn damit nach Lage des Falles bei Entdecktwerden des Drogengeschäftes durch absehbare verkehrsrelevante Reaktionen des Täters andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr geraten würden. 198 Kein Zusammenhang bestand jedoch schon nach früherer Rechtsprechung, wenn die deliktische Beute im Kraftfahrzeug lediglich versteckt wird (fehlender Bezug zum „Führen" eines Kraftfahrzeuges) 199 oder das Diebesgut später noch einmal transportiert werden muss (dann allenfalls Ausnutzung einer früheren Fahrt). 2 0 0 (2) Dient die Benutzung des Kraftfahrzeuges dem Transport des Opfers zum Tatort, ist der erforderliche Gefährdungszusammenhang erst gegeben, wenn die Fahrt mit dem Opfer bereits tatbestandlicher Bestandteil des Entführungsaktes ist; ein solcher Zusammenhang ist jedoch zu verneinen, wenn die Fahrt lediglich zur Vorbereitung der geplanten Tat, z.B. im Falle eines Wohnungseinbruchs die Benutzung eines Kraftfahrzeuges lediglich zum Ausspähen des Tatortes dient. 201 Dies gilt auch und vor allem in Vergewaltigungsfällen. Zu Recht verneint wurde der verkehrsspezifische Gefährdungsbezug somit
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Eher restriktiv insoweit aber schon BGH (Beschl. v. 4 . 1 . 1 9 9 4 - 4 StR 718/93: nach Tolksdorf DAR 1995 185) in einem Fall, in dem die Angeklagten zur Vorbereitung und Abwicklung von Straftaten (Betrug und Hehlerei) mit ihrem Pkw quer durch die Bundesrepublik gereist waren. So zutreffend schon BGH N Z V 2 0 0 2 378 = DAR 2 0 0 2 4 6 2 sowie OLG Hamm StV 2 0 0 3 624: jeweils bezüglich der Anfahrt eines Täters zum jeweiligen Tatort. BGH NStZ 1992 5 8 6 = N Z V 1993 35; BGH VRS 81 (1991) 369; BGH bei Holtz MDR 1981 453; OLG Düsseldorf N Z V 1992 331; wohl überholt daher auch BGH NStZ-RR 1997 197 und NStZ-RR 1997 232. S. etwa BGH StV 1999 18 = VRS 95 (1998) 410 (weil nach Lage des Falles - Reue des Drogenhändlers - mit weiteren Betäubungsmitteldelikten nicht zu rechnen war), OLG Düsseldorf DAR 1996 5 0 7 = NStZ 1997 83
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= N Z V 1997 4 7 (Entzug der Fahrerlaubnis verneint bei nur einmaliger Drogeneinfuhr mittels eines Kraftfahrzeugs) sowie OLG Koblenz StV 2 0 0 4 3 2 0 (§ 69 mangels verkehrsspezifischen Zusammenhangs verneint bei bloßem Transport von Drogen in einem Kraftfahrzeug). Vorsichtig zweifelnd zudem BGH (1 StR 4 2 2 / 9 8 ) StV 1998 18 (bei erstmaliger Drogenkurierfahrt, sofern die Benutzung des Kraftfahrzeuges „nur von untergeordneter Bedeutung"). So etwa BGH (2 StR 1 6 7 / 9 9 ) NStZ 2 0 0 0 2 6 und BGH (3 StR 1 6 7 / 0 0 ) NStZ-RR 2 0 0 0 297. BGH (4 StR 2 1 1 / 0 2 ) N Z V 2 0 0 2 5 7 4 = DAR 2 0 0 2 518. OLG Köln VRS 41 (1971) 356 = MDR 1972 621. OLG Stuttgart NJW 1973 2213. BGH (13.7.2005 - 1 StR 153/05): zitiert nach Tepperwien DAR 2 0 0 6 2 4 4 .
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
erst jüngst in einem Fall, bei dem das Opfer eines geplanten Sexualdelikts vom Täter mit einem Kraftfahrzeug zwar bewusst zu einer abgelegenen Stelle gefahren wurde, der Täter dabei aber List anwendete und demzufolge während der Fahrt keine verkehrsgefährdende Situation zu befürchten war. 2 0 2 Gleiches gilt, wenn der Täter sein Opfer mit einem Kraftfahrzeug lediglich zum Tatort bringt und von dort wieder zurückfährt; die tatbestandliche Handlung selbst muss durch das Führen des Kraftfahrzeuges gefördert und andere Verkehrsteilnehmer dadurch gefährdet werden, dass der Täter während der Tat die straßenverkehrsrechtlich gebotenen Sorgfaltspflichten vernachlässigt. 203 Anders liegt der Fall, wenn der äußere Rahmen der (geplanten) Tat Anlass für ein verkehrsgefährdendes Verhalten gibt; so war es in einem vom 1. Strafsenat zu entscheidenden Fall, wo der verkehrsgefährdende Gefährdungsbezug der Anlasstat zu Recht darin gesehen wurde, dass der Täter den Hund des 12-j ährigen Opfers mit in das Kraftfahrzeug nahm und damit rechnen musste, durch ein überraschendes Verhalten des kindlichen Opfers und durch unkontrollierte Reaktionen des ebenfalls verunsicherten Hundes in seiner Aufmerksamkeit als Kraftfahrer beeinträchtigt zu sein. 204 Nach wie vor kein Zusammenhang ist somit anzunehmen, wenn die Tat nur gelegentlich der Fahrt, doch ohne innere Beziehung zur Führung eines Kraftfahrzeuges begangen wird: so etwa, wenn der Täter die Vergewaltigung ausschließlich für einen Zeitraum plant und durchführt, in dem sein Fahrzeug in einem Feldweg geparkt ist, 2 0 5 bei exhibitionistischen Handlungen aus einem stehenden Auto heraus 2 0 6 oder wenn sich der Täter erst nach Beendigung der Fahrt zur Vornahme der sexuellen Handlung entschließt.207 38
(3) Wie bereits erwähnt (Rdn. 34c) und somit wiederum entgegen der Vorauflage (Rdn. 38), ist ein zur Fahrerlaubnisentziehung führender Missbrauch der Fahrerlaubnis auch dann zu verneinen, wenn das Kraftfahrzeug im Tatplan des Täters eine Rolle gespielt hat. 2 0 8 Die Nutzung eines Fahrzeugs als Verkehrsmittel zum Tatort bzw. vom Tatort weg oder zum Transport von Diebesbeute führt somit nur dann zur Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn nach Lage des Falles damit zu rechnen ist, dass der Täter dabei die allgemeinen Regeln des Straßenverkehrs missachten oder zumindest ihre Verletzung in Kauf nehmen würde. 2 0 9 Allein die Benutzung eines Kraftfahrzeuges zum Transport von Rauschgift führt somit insbesondere dann nicht zum Fahrerlaubnisentzug, wenn durch ein präpariertes Versteck besondere Vorkehrungen gegen die Entdeckung des Rauschgifts getroffen worden sind; vielmehr muss die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulassen, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eige-
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BGH (21.6.2005 - 4 StR 28/05) NJW 2005 2933 = N Z V 2005 589 = DAR 2005 520 = N S t Z 2005 687 = StV 2005 520. Eindeutig überholt daher BGHSt 10 336 und BGH NJW 1954 1167 (in beiden Entscheidungen ist der Fahrerlaubnisentzug gerade darauf gestützt worden, dass der Täter das Opfer mit List zur Mitfahrt bestimmt hat). So zu Recht schon BGH (4 StR 536/97) NJW 1998 271 = StV 1998 261. BGH (Beschl. v. 19.9.2005 - 1 StR 296/05) N S t Z 2006 334. BGH (11.3.1981 - 2 StR 75/81): zitiert nach
Janiszewski/Jagow/Burmanti Rdn. 10. 206
BVerwG VM 1982 80.
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BGH N Z V 1995 156 = N S t Z 1995 229 = DAR 1995 208; so letztlich auch schon BGHSt 22 328. Überholt daher auch BGH (Urt. v. 10.3.
1976 - 2 StR 782/75): zit. nach Spiegel DAR
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1977 151 (dort diente das Fahrzeug dem Täter dazu, mit dem Fahrzeug an einen weit entfernt liegenden Tatort oder innerhalb kürzerer Zeitspannen an verschiedene Tatorte gelangen zu können). So zu Recht auch schon OLG Düsseldorf N Z V 1999 172 = DAR 1999 223 = StV 1999 318 = VRS 96 (1999) 268, OLG Hamm StV 2003 624 sowie OLG Koblenz StV 2004 320.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
nen kriminellen Interessen unterzuordnen. 210 Die gleichen Überlegungen gelten für die Benutzung eines Kraftfahrzeuges als Fluchtmittel nach Tatbegehung; auch hier ist eine einschränkende Auslegung dahin geboten, dass es sich um eine geplante Flucht mit einem ggf. eigens dafür bereitgestellten Kraftfahrzeug gehandelt hat und bei der Flucht mit verkehrsgefährdenden Situationen zu rechnen ist. 211 (4) Tätliche oder verbale Auseinandersetzungen zwischen Verkehrsteilnehmern kommen als Zusammenhangstaten somit vor allem dann in Betracht, wenn die Auseinandersetzung ihren Anlass in einem Streit über das Fahrverhalten der Beteiligten hat; da derart unbeherrschte Fahrer vom allgemeinen Kraftfahrzeugverkehr möglichst fernzuhalten sind, 212 ist der äußere und innere Zusammenhang solchen Fehlverhaltens mit dem Führen von Kraftfahrzeugen in Fällen dieser Art auch vor dem Hintergrund des besonderen Maßregelzwecks hinreichend erwiesen. 213 Gleiches gilt hinsichtlich Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (z.B. bei Entnahme einer Blutprobe 2 1 4 ) oder bei unter Benutzung eines Kraftfahrzeuges begangener Nötigung. 215 Der zur Fahrerlaubnisentziehung führende Gefährlichkeitszusammenhang ist jedoch zu verneinen, wo der Streit nur gelegentlich einer Fahrt - etwa in einer Pause - stattfindet und keinen Bezug zu einem vorausgegangenen Verkehrsvorgang aufweist oder jedenfalls in deutlichem zeitlichen Abstand zu einer vorangegangenen Fahrt steht. 216 In folgerichtiger Umsetzung der Entscheidung des Großen Strafsenates zu Recht bejaht wurde der für die Maßregel erforderliche verkehrsspezifische Gefährdungszusammenhang erst jüngst bei einer Sachbeschädigung, weil die Beschädigung von Fahrzeugreifen bei späterer Fahrt ersichtlich und vom Angeklagten gedeckt zu schwersten Unfällen führen konnte. 217
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(5) Geklärt sind nunmehr auch die früher umstrittenen Fälle, bei denen der Täter strafbare Handlungen (meist Betrügereien) unter Ausnutzung des Besitzes eines Kraftfahrzeuges begeht oder bei denen die Anlasstat überhaupt erst zur Erlangung des Besitzes gedient hat. Mit dem Hinweis, dass auch charakterliche Mängel zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen können, sofern sie sich in der Tat offenbart haben (dazu Rdn. 54 f), nahm die Rechtsprechung einen relevanten „Zusammenhang" schon dort an, wo der Täter sein (z.B. lediglich gemietetes) Kraftfahrzeug betrügerisch zur Vortäuschung eige-
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BGH (Beschl. v. 2 4 . 8 . 2 0 0 5 - 1 StR 3 3 5 / 0 5 ) StV 2 0 0 6 186. So andeutungsweise im Übrigen schon BGHSt 10 336 (Flucht in einem „bereitstehenden" Wagen). Verfehlt war insoweit der (zwar nicht entscheidungsrelevante) Hinweis des LG Berlin (NZV 2 0 0 3 151), aus der Belassung der Fahrerlaubnis würden sich „künftig keine Gefahren für die Allgemeinheit" ergeben. Auf dieser Linie zu Recht schon die frühere Judikatur: vgl. OLG Köln NJW 1963 2 3 7 9 = VRS 2 6 (1964) 23 und BayObLG NJW 1959 2126 = VRS 18 (1960) 41 = J R 1959 4 7 0 (zustimmend Härtung aaO); vgl. auch OLG Karlsruhe Justiz 1980 53, OLG Hamm VRS 25 (1963) 186, LG Hannover VM 1991 55 und LG Zweibrücken DAR 1995
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5 0 2 . Zur statistisch gesicherten Wechselbeziehung zwischen krimineller Aggressivität und Verkehrsdelinquenz s. Moser Blutalkohol 1983 465. OLG Hamm VRS 8 (1955) 4 6 . So nachdrücklich auch der Große Strafsenat: BGHSt 5 0 93 (103). Auf dieser Linie zu Recht schon OLG Hamm VRS 25 (1963) 186 und BayObLG NJW 1959 2126 = J R 1 9 5 9 4 7 0 ; zustimmend Härtung J R 1 9 5 9 4 7 0 . Vgl. auch Molketin DAR 1981 3 8 0 . So schon OLG Hamm VRS 2 8 (1965) 2 6 0 und BayObLG VRS 18 (1960) 41 = N J W 1 9 5 9 2126 = JR 1959 4 7 0 ; vgl. auch Kulemeier S. 69. OLG Karlsruhe DAR 2 0 0 5 6 9 5 = N Z V 2 0 0 5 5 9 0 = VRS 109 (2005) 2 7 2 = NStZ-RR 2 0 0 6 57.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ner Kreditwürdigkeit eingesetzt, 218 sich den Besitz des Kraftfahrzeuges auf deliktische Weise verschafft 219 oder Benzin und andere Tankstellenleistungen erschwindelt hat. 2 2 0 Ganz abgesehen davon, dass in der Praxis insoweit häufig nicht deutlich genug zwischen dem „Zusammenhangs"-Erfordernis und der aus der Anlasstat zu folgernden „Ungeeignetheit" des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen unterschieden wurde, lehnte das Schrifttum die von der Rechtsprechung befürwortete weite Interpretation als maßregel(zweck)widrig überwiegend ab. 2 2 1 Zu Recht; denn was in der Vorauflage ausgeführt wurde, wird durch den Großen Strafsenat (BGHSt 50 93 ff) nunmehr bestätigt: So verstieß die Auslegung durch die Judikatur zum einen bereits gegen den Wortlaut des Gesetzes, verlangt dieses doch einen Zusammenhang mit dem „Führen" (und nicht nur mit dem Besitz) eines Kraftfahrzeuges; nach dem Zweck der Vorschrift ist das Kraftfahrzeug nämlich nur Tatmittel, nicht aber schutzwürdiges Tatobjekt. Zum andern wird das extensive Verständnis des „Zusammenhangs"-Erfordernisses dem Zweck der Maßnahme kaum gerecht; andernfalls würde letztlich jede strafbare Handlung, die dem Täter irgendwie dazu dienen soll, ein Kraftfahrzeug führen zu können, die Anwendung des § 69 rechtfertigen. Damit hätte die Maßregel ihren spezifischen Charakter als strafrechtliche Unrechtsfolge im Dienst der allgemeinen Verkehrssicherheit verloren und wäre zu einer Sanktion zur Bekämpfung der Kriminalität im Allgemeinen verfälscht. Anders liegt der Fall jedoch und der erforderliche verkehrsspezifische Gefährdungsbezug somit zu bejahen bei Herbeiführen eines manipulierten „Unfalles" zwecks betrügerischer Geltendmachung angeblicher Unfallschäden; solche Manipulationen sind nur mit Hilfe von Kraftfahrzeugen durchzuführen und verkehrsgefährdende Situationen dabei kaum auszuschließen. 222 41
(6) Die Fälschung von Führerscheinen oder die Verwendung gefälschter Führerscheine erfüllt für sich allein selbst dann nicht den erforderlichen Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges, wenn der Täter schon beim Herstellen des Falsifikats die Absicht verfolgte, sich damit später als Inhaber einer Fahrerlaubnis legitimieren zu können. 2 2 3 Der entziehungsrelevante Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges ist ebenfalls noch nicht hergestellt, wenn ein Kraftfahrer von einem gefälschten Führerschein zum Zweck Gebrauch macht, unter Nachweis seiner Fahrberechtigung ein Kraftfahrzeug anmieten zu können; 2 2 4 auch hier dient die Straftat nicht dem Führen eines Kraftfahrzeuges, sondern erst der Besitzverschaffung (dazu schon Rdn. 40). Schließlich fehlt es am fahrerlaubnisentziehungsrelevanten Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges, wenn ein Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Fahrens ohne Fahrerlaubnis der Polizei auf deren Verlangen seinen früher
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BGHSt 5 179; schon damals ablehnend Härtung J Z 1954 139 und Schmidt-Leichner N J W 1954 159. BGHSt 10 336 (Diebstahl eines Fahrzeugs, um damit fahren oder den Wagen ausplündern zu können); BGH VRS 15 (1958) 112 (betrügerische Erlangung eines Mietwagens); BGHSt 17 218 (betrügerische Besitzverschaffung). BGH VRS 30 (1966) 275. Vgl. schon Härtung J Z 1954 139, Schmidt-
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Leichner N J W 1954 159 und Cramer MDR 1972 5 5 8 für das ältere Schrifttum. So schon BGH StV 1992 64 = VRS 82 (1992) 19 und OLG München NJW 1992 2 7 7 6 ; vgl. auch BGH bei Hürxthal DRiZ 1976 3 7 7 und 1979 149. So zu Recht schon OLG Köln MDR 1972 621 ; wie hier Hentschel Trunkenheit Rdn. 583. Anders, doch nunmehr überholt OLG Köln MDR 1972 621 = VRS 41 (1971) 356.
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verfälschten Führerschein vorlegt 225 oder wenn der Täter mit Hilfe eines gefälschten ausländischen Fahrausweises eine inländische Fahrerlaubnis erschwindelt.226 In allen diesen Fällen bleibt jedoch zu prüfen, ob der Beschuldigte damit nicht die „Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" verletzt (dazu nachfolgend Rdn. 46). (7) Wenn der Täter nach einem von ihm selbst verursachten Unfall bei der Polizei 4 2 wider besseres Wissen eine Diebstahlsanzeige gegen Unbekannt erstattet, um ein Ermittlungsverfahren gegen sich selbst abzuwenden, fehlt es am erforderlichen Zusammenhang nicht erst dann, wenn die Falschanzeige (§§ 164 oder 145d) erst Stunden nach dem Unfall und damit nicht im unmittelbar zeitlich-örtlichen Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges erfolgt ist, 227 sondern generell. Ein derartiges Fehlverhalten hängt allenfalls mittelbar mit dem „Führen eines Kraftfahrzeuges" zusammen, was nicht genügt; es fehlt der verkehrsspezifische Gefährdungsbezug. 228 (8) Ein Zusammenhang fehlte (selbst) nach früherer Rechtsprechung und ist auf der 4 3 vom Großen Strafsenat gewiesenen restriktiven Linie schließlich immer dann zu verneinen, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeuges nur „bei Gelegenheit" der Fahrt und eher beiläufig, doch ohne innere Beziehung zu ihr verübt wird und ohne dass die Straftat nach dem Plan des Täters von der Führung eines Kraftfahrzeuges oder umgekehrt diese in irgend einer Weise von der Anlasstat abhängt. Gleiches gilt, soweit sich die Benutzung des Fahrzeugs lediglich als (ursprünglich nicht beabsichtigte) nachträgliche Ausnutzung einer durch eine bereits beendete Fahrt entstandenen Lage darstellt und nicht mit verkehrsgefährlichen Situationen verbunden ist. So fehlt es am erforderlichen Gefährdungszusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges insbesondere auch dann, wenn der Täter sich zur Notzucht erst nach Beendigung der Fahrt entschlossen hat 2 2 9 oder die Vergewaltigung in einem parkenden Auto erfolgt. 230 Gleiches gilt, wenn die exhibitionistische Handlung in einem Kraftfahrzeug oder aus einem solchen heraus erfolgt. 231 Keinen entziehungsrelevanten Zusammenhang begründen schließlich tätliche Auseinandersetzungen selbst zwischen Fahrer und Beifahrer, sofern ein erkennbarer Bezug des Streits mit einem Verkehrsvorgang und ein verkehrsspezifischer Gefährdungsbezug fehlt. 232 Bloßes Verstecken der Diebes- oder Hehlerbeute in einem Kraftfahrzeug 233 oder ihr
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O L G Celle M D R 1967 1026. Gegenteiliger Ansicht jedoch O V G Bremen VRS 62 (1982) 2 3 0 . Täuscht der Beschuldigte nach einem von seinem betrunkenen Sohn verursachten Unfall a m Unfallort wider besseres Wissen vor, er selbst habe das Fahrzeug gesteuert (vgl. O L G H a m m V R S 13 (1957) 4 5 2 = DAR 1958 16), entfällt der „ Z u s a m m e n hang" nach hier vertretener Rechtsansicht schon deshalb, weil diesbezüglich nur eigenhändiges Führen von Kraftfahrzeugen in Frage kommt; zum Streitstand nachfolgend Rdn. 44. Überholt daher O L G Bremen V R S 4 9 (1975) 184 und O L G H a m m V R S 5 7 (1979)
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184. Eine andere Frage ist jedoch auch hier, o b damit nicht die spezifischen „Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" verletzt werden; dazu nachfolgend Rdn. 4 4 . So schon B G H N Z V 1995 156 = N S t Z 1995 2 2 9 = D A R 1995 208. B G H (Beschl. v. 11.3.81 - 2 StR 75/81). BVerwG V M 1982 80; vgl. auch B G H (Beschl. v. 2 . 1 2 . 6 4 - 2 StR 432/64). So neuerdings auch O L G Köln (Beschl. v. 11.5.2004 - Ss 158/04) N Z V 2 0 0 4 4 2 3 = D A R 2 0 0 4 5 4 0 = V R S 107 (2004) 100. O L G H a m m V R S 2 5 (1963) 186 und V R S 2 8 (1965) 2 6 0 sowie B a y O b L G V R S 18 (1960) 41. O L G Köln M D R 1972 622.
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nachträglicher nochmaliger Transport 234 reicht daher ebenso wenig aus wie die nachträgliche betrügerische Geltendmachung eines angeblichen Wildschadens, 235 die Verletzung der Fürsorgepflicht (§ 170d) durch einen „Autonarren", der damit seiner Leidenschaft fürs Autofahren fröhnen möchte, 2 3 6 oder das strafbare Einschleusen von Ausländern (§ 96 AufenthG) mittels eines Kraftfahrzeuges. 237 44
dd) Ob ein „Zusammenhang" der rechtswidrigen Tat mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges auch dann zu bejahen ist, wenn der Täter der Anlasstat das Fahrzeug nicht eigenhändig selbst gelenkt hat, Täter der Anlasstat und Führer des Kraftfahrzeuges also nicht dieselbe Person sind, wird auch nach der Grundsatzentscheidung BGHSt 50 93 ff nicht einheitlich beantwortet. 238 So verzichtet die höchstrichterliche Rechtsprechung seit BGHSt 10 3 3 3 2 3 9 auf das Erfordernis eigenhändiger Lenkung 2 4 0 und findet für diesen Standpunkt im Schrifttum nach wie vor vereinzelt Zustimmung. 241 Man stützt sich hierbei nicht nur auf den Wortlaut des Gesetzes, wonach Entzug der Fahrerlaubnis nicht nur „beim (zu ergänzen: eigenhändiges Lenken voraussetzenden) Führen" eines Kraftfahrzeuges (1. Alt.), sondern erklärtermaßen auch „beim Zusammenhang" mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges (2. Alt.) gestattet sei, sondern auch auf den Zweck der Vorschrift; danach seien nicht nur Täter aus dem Straßenverkehr auszuschalten, die sich durch verantwortungslose Fahrweise, sondern auch solche, die sich auf Grund allgemeiner charakterlicher Eignungsmängel (dazu nachfolgend Rdn. 54 f) als Gefahr für die Verkehrssicherheit erwiesen haben. Zudem sei es unbillig, einem Teilnehmer an einer Zusammenhangstat nur deshalb die Fahrerlaubnis belassen zu müssen, weil nicht er, sondern - häufig mehr oder weniger zufällig - ein anderer Tatbeteiligter das Fahrzeug gelenkt habe. Von diesem Standpunkt aus ist die Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber einem Beifahrer (gleichgültig, ob Halter oder nicht), der in verkehrswidriger Weise in das Fahrgeschehen eingegriffen 242 oder im Zusammenhang damit einen anderen Verkehrsteilnehmer tätlich angegriffen hat, 2 4 3 ebenso zulässig wie gegenüber einem mitfahrenden
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OLG Stuttgart NJW 1963 1213. Zu einem anders gelagerten Sonderfall s. erst jüngst AG Lüdingshausen NJW 2 0 0 7 636 (o. Fn. 192). BayObLG VRS 6 9 (1985) 281 = ZfS 1985
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Beispiel aus LK 1 1 Rdn. 18. OLG Dresden N Z V 2 0 0 1 439. Ausführlich dazu und mit weiterem Rechtsprechungsmaterial Dreher/Fad NZV 2 0 0 4 231 ff. = NJW 1957 1287 = J Z 1958 130 (ablehnend aber Härtung aaO). S. ferner BGH bei Holtz MDR 1981 4 5 3 und M D R 1978 981 sowie BGH VRS 37 (1969) 350. Auf dieser Linie auch in neuerer Zeit noch BGH (Beschl. v. 9.10.2003 3 StR 3 2 2 / 0 3 ) NStZ-RR 2 0 0 4 57 sowie BGH (Beschl. v. 17.2.2004 - 4 StR 5 8 5 / 0 3 ) NStZ 2 0 0 4 617; ebenso OLG Düsseldorf (Beschl. v. 4 . 4 . 2 0 0 2 - 3 Ws 108/02) VRS 103 (2002) 300: doch erklärtermaßen auf
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der Basis, dass schon die Benutzung eines Kraftfahrzeuges zur Begehung „allgemeiner", d.h. nicht spezifisch verkehrsbezogener Straftaten als Grundlage für eine Maßregel nach § 69 Abs. 1 genügt, und daher heute allein schon deshalb so nicht mehr vertretbar. Zustimmend schon Cramer § 4 4 Rdn. 31, W. Schmidt DAR 1965 153 und Rütb/Berr, Fahrverbot S. 11; so auch heute noch Sch/Schröder/Stree Rdn. 14, Dreher/Fad N Z V 2 0 0 4 2 3 3 und Janker DAR 2 0 0 3 493. Vgl. BGH VRS 18 (1960) 415 4 2 0 (vier Personen fahren auf einem Motorrad), OLG Hamm DAR 1963 218 (unklar, ob der auf dem Motorroller mitfahrende betrunkene Sozius für seine Person eine Straftat verwirklicht hat) sowie erst jüngst LG Ravensburg N Z V 1993 325 (ablehnend Körfer aaO). BayObLG nach Rüth DAR 1966 259.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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Halter, der sein Fahrzeug einem betrunkenen Fahrer oder einer Person ohne Fahrerlaubnis anvertraut hat. 244 Folgerichtig dazu bejaht die Rechtsprechung einen Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges selbst dann, wenn der die vorschriftswidrige Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges anordnende bzw. zulassende Halter bei der fraglichen Fahrt nicht selbst anwesend war. 245 Gleiches gilt bei Beteiligung mehrerer an der im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangenen Tat, auch wenn der betreffende Teilnehmer (der jedoch bei der Fahrt dabei gewesen sein muss) das zur Durchführung von Straftaten missbrauchte Fahrzeug nicht eigenhändig gelenkt hat. 2 4 6 Die vom Großen Strafsenat gewiesene einschränkende Interpretation des verkehrsspezifischen Gefährdungszusammenhangs gilt jedoch selbstverständlich auch für den Beifahrer. In allen diesen Fällen muss der das Fahrzeug also nicht notwendig eigenhändig lenkende Beifahrer in seiner eigenen Person - sei es als Täter oder als Teilnehmer - also eine mit Strafe bedrohte (Anlass-)Tat verwirklicht haben, der „besonders gewichtige Hinweise" darauf entnommen werden können, dass die betreffende Person zum Führen von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr ungeeignet ist. 247 Noch weiter geht demgegenüber die inzwischen wohl herrschende Ansicht im Schrifttum, das mehrheitlich davon ausgeht, dass Täter der Zusammenhangstat und Führer des Kraftfahrzeuges auch bei der 2. Alt. („beim Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges") notwendig identisch sein müssen.248 Zur Begründung hierfür können die Anhänger dieser Rechtsansicht wohl schon auf die Amtl. Begründung des 1. StraßenVSichG hinweisen, wonach die zur Fahrerlaubnisentziehung führende Straftat „in Beziehung zu der Führung eines Kraftfahrzeuges durch den Täter stehen (müsse), gleichviel, ob dieser sie bei oder im Zusammenhang mit der Führung eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der dem Führer eines Kraftfahrzeuges obliegenden Pflichten begangen hat". 2 4 9 Der Zweckrichtung der Vorschrift entsprechend können somit nur solche Charaktermängel eines Betroffenen eine ausreichende Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sein, die sich gerade in seinem Umgang mit einem Kraftfahrzeug und demzufolge gerade anlässlich der „Führung" eines Kraftfahrzeuges erwiesen haben. Eine weitergehende
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OLG Oldenburg VRS 21 (1961) 110 = NdsRpfl 1961 34, OLG Braunschweig VRS 17 (1959) 3 4 2 = NdsRpfl 1959 163 sowie OLG Hamm VRS 12 (1957) 2 7 2 . OLG Stuttgart NJW 1961 6 9 0 (ablehnend Härtung aaO) = DAR 1961 169; ebenso schon die Vorinstanz (LG Tübingen DAR 1960 180). So grundlegend schon BGHSt 10 3 3 3 (Missbrauch des Fahrzeugs zu gemeinschaftlichen Vermögensdelikten); auf dieser Linie ferner BGH bei Holtz MDR 1981 4 5 3 (gemeinschaftliche Rauschgifttransporte), BGH VM 1979 4 (gemeinschaftliche Hehlerfahrten), BGH VRS 37 (1969) 3 5 0 (gemeinschaftliche Entführung einer Frau zur Notzucht) sowie LG Memmingen N Z V 1989 82 (gemeinsame Drogengeschäfte). Im Hinblick auf die spätere Grundsatzentscheidung des Großen Strafsenates (BGHSt 50 93 ff) ist gegenüber allen diesen Entscheidungen höchste Vorsicht allein schon deshalb angebracht, weil
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sie alle unverkennbar von einem inzwischen als zu weit verworfenen Begriff des verkehrsspezifischen „Zusammenhangs mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges" ausgehen. So noch vor der Entscheidung des Großen Strafsenates (BGHSt 50 93 ff) der 3. Strafsenat (Beschl. v. 9.10.2003 - 3 StR 3 2 2 / 0 3 ) in NStZ-RR 2 0 0 4 5 7 sowie der 4. Strafsenat (Beschl. v. 17.2.2004 - 4 StR 5 8 5 / 0 3 ) in NStZ 2 0 0 4 617; auf dieser Linie auch LG Koblenz VRS 100 (2001) 36 ff. Zustimmung auch bei Dreher/Fad N Z V 2 0 0 4 2 3 3 . So schon Härtung (JZ 1954 137, J Z 1958 130 und NJW 1961 690); ebenso auch heute noch Hentschel Rdn. 6 und Janiszewski/ Jagow/Burmann Rdn. 7 - je zu § 69 - , Janiszewski 655a, Hentschel Trunkenheit Rdn. 5 8 8 und Kulemeier S. 285. Nach Guelde Entziehung der Fahrerlaubnis, S. 14.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Interpretation würde einmal mehr dazu führen, die Entziehung der Fahrerlaubnis 250 von einer Unrechtsfolge speziell im Dienst der Verkehrssicherheit zu einer Sanktion zur Bekämpfung der Kriminalität schlechthin umzufunktionieren. Danach kommt eine Entziehung der Fahrerlaubnis gegen andere Personen als den eigenhändigen Lenker des Kraftfahrzeuges ausschließlich unter den weitergehenden Voraussetzungen der 3. Alt. („unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers") in Betracht; dazu nachfolgend Rdn. 46. 46
d) Eine Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers ist zunächst einmal immer dann anzunehmen, wenn der Führer des Kraftfahrzeuges die eigentlichen Fahrvorschriften verletzt; insoweit ist die 3. Alt. Auffangtatbestand für die vorangestellten beiden anderen Tatmodalitäten. Darüber hinaus sind jedoch auch diejenigen Pflichten eines Kraftfahrers erfasst, die ihm über das Lenken eines Fahrzeuges im Verkehr hinaus aus Gründen der Verkehrssicherheit obliegen; nach der Amtl. Begründung zum 1. StraßenVSichG kommen hierfür vor allem Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften in Betracht, „die sich auf die verkehrssichere Beschaffenheit oder auf das Aufstellen des Fahrzeugs vor oder nach der Tat beziehen" (z.B. ungenügendes Absichern eines geparkten Fahrzeugs gegen Abrollen auf abschüssiger Straße, unzulängliche Kenntlichmachung eines haltenden oder liegen gebliebenen Fahrzeugs u.a.). 251 Weitere Beispiele: Unerlaubtes Sichentfernen vom Unfallort (§ 142), Straßenverkehrsgefährdung durch unzureichende Kenntlichmachung eines liegen gebliebenen Fahrzeugs (§ 315c Abs. 1 Nr. 2g StGB), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei der Entnahme einer Blutprobe 252 oder alle jene Verletzungen von Vorschriften im Bereich des StVG, der StVO, der FeV oder der StVZO, soweit sie die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges z.B. infolge eines nicht verkehrssicheren Zustandes des Fahrzeugs oder seiner Ladung steigern und dadurch die allgemeine Verkehrssicherheit gefährden (doch selbstverständlich nur, soweit sie wegen und infolge dieses Fehlverhaltens zu einer kriminalstrafbewehrten Anlasstat führen). 253
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Ebenso wie bei den vorangestellten beiden anderen Tatmodalitäten werden auch hier Pflichten vorausgesetzt, die mit der „Führung" eines Kraftfahrzeuges zusammenhängen und die ein Täter nicht gleichsam am Schreibtisch verletzen kann; insofern gilt Gleiches wie beim Fahrverbot (dazu Rdn. 5 zu § 44). Auszuscheiden sind danach Pflichten, die wie etwa Steuer- oder Versicherungspflichten allein dem Halter des jeweiligen Fahrzeuges obliegen, sich als solche also nicht auf die verkehrssichere Beschaffenheit des Kraftfahrzeuges oder seiner Ladung beziehen und deren Verletzung somit keine spezifischen Belange der Verkehrssicherheit berühren.254 Im Hinblick darauf, dass das Gesetz auch hier von den Pflichten eines Kraftfahrzeug„führers" spricht, wird auch für die 3. Alt. vereinzelt die Identität von Täter der Anlasstat und Führer des Kraftfahrzeuges verlangt;255 andernfalls (so die Vertreter dieser Minderposition) hätte das Gesetz den Worten „unter
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Beziehungsweise das Fahrverbot (§ 44), für das Gleiches gilt. Zitiert nach Arndt/Guelde S. 65. OLG Hamm VRS 8 (1955) 46. Weitere Beispiele bei Guelde, Entziehung der Fahrerlaubnis, S. 15 und Dreher/Fad N Z V 2 0 0 4 233. Cramer 21 zu § 4 4 und Janiszewski 656; ebenso Dreher/Fad N Z V 2 0 0 4 233. Zu Recht abgelehnt wird die 3. Alt. demzufolge
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bei betrügerischer Geltendmachung eines im Straßenverkehr (angeblich) erlittenen Wildschadens; dazu BayObLG VRS 6 9 (1985) 281. So OLG Hamm VRS 13 (1957) 452 und KG VRS 11 (1956) 365 ff sowie LG Köln N Z V 1990 445; in dieser Richtung schon Härtung NJW 1961 6 9 0 (gegen OLG Stuttgart aaO) sowie auf dieser strengen Linie auch heute noch Kulemeier S. 285 f.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§ 6 9
Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" wohl den Zusatz „oder Halters" hinzufügen müssen. 256 Dieser restriktiven Auslegung ist jedoch für die 3. Alt. („unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers") nicht zu folgen. 257 Sie ist nicht nur vom Wortlaut des Gesetzes her nicht zwingend geboten, sondern widerspricht auch (jedenfalls dem Geist) der Amtl. Begründung, wo ausdrücklich von der Verletzung von Vorschriften die Rede ist, die sich auf die „verkehrssichere Beschaffenheit" des Fahrzeugs beziehen, und würde zudem die 3. Alt. (neben den beiden anderen Alternativen) letztlich überflüssig machen. Somit verletzt ein Halter, selbst wenn er nicht selbst mitfährt, die ihm bezüglich der „Führung" eines Kraftfahrzeuges obliegenden Pflichten jedenfalls dann, wenn er sein Fahrzeug einem betrunkenen Fahrer 2 5 8 oder einer Person ohne Fahrerlaubnis anvertraut 259 oder wenn er die Inbetriebnahme eines nicht vorschriftsmäßig ausgerüsteten/beladenen Kraftfahrzeuges anordnet oder zulässt. 260 Keine „Kraftfahrer "pflichten werden jedoch verletzt, wenn ein Betrunkener ein Kraftfahrzeug schiebt 261 oder ein Radfahrer eine Verkehrsunfallflucht verübt; 262 mangels tatbestandlich geeigneter Anlasstat kommt in solchen Fällen nur eine behördliche Entziehung der Fahrerlaubnis (S 3 StVG) in Betracht. 3. Die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen muss sich aus der begangenen Tat ergeben. Soweit Eignungsmängel (im Einzelnen dazu nachfolgend Rdn. 50 ff) in der Anlasstat keinen hinreichenden Ausdruck gefunden haben, ist für eine strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 69 Abs. 1: „wenn sich aus der Tat ergibt") kein Raum. 263 Eignungsmängel, die sich außerhalb oder erst nach der Tat ergeben (z.B. charakterliche Mängel im Verlauf des Strafverfahrens oder eine erst nach der Tat aufgetretene psychische Erkrankung), können im strafgerichtlichen Entziehungsverfahren folglich nicht berücksichtigt werden; 264 in solchen Fällen kommt jedoch eine verwaltungsbehördliche Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht (§ 3 StVG). Stellt der Tatrichter mangelnde Eignung fest, muss er die Fahrerlaubnis entziehen: und zwar auch dann, wenn diese erst nach der Tat erlangt wurde; 265 die Entscheidung liegt nicht in seinem Ermessen. 266 Die Entziehung der Fahrerlaubnis bleibt auch dann zwingend, wenn zugleich mit ihr eine freiheitsentziehende Maßregel angeordnet wird. 267
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So ausdrücklich Härtung N J W 1961 691. Wie hier auch Sch/Schröder/Stree Rdn. 15 sowie Janiszewski Rdn. 656, Hentschel Trunkenheit Rdn. 5 8 7 mit Fn. 95 und nunmehr auch Dreher/Fad N Z V 2 0 0 4 233. OLG Koblenz N J W 1988 152 = DAR 1987 297; so im Ergebnis auch OLG Hamm VRS 12 (1957) 272. Vgl. dazu auch BGHSt 15 316 ff (unklar, ob 2. oder 3. Alt.) und OLG Celle VM 1956 115; mit gleichem Ergebnis (doch über die 2. Alt.) OLG Braunschweig VRS 17 (1959) 342 und OLG Oldenburg VRS 21 (1961) 110. Im Ergebnis ebenso OLG Stuttgart NJW 1961 6 9 0 (so auch schon die Vorinstanz: LG Tübingen DAR 1960 180); s. auch OLG Schleswig V M 1964 90 und SchlHA 1962 148. Vgl. OLG Karlsruhe: nach Cramer/Berzl Gontard § 6 9 Rdn. 2 0 .
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OLG Köln V M 1982 80. So auch ausdrücklich BGHSt 5 0 93 (101). Eignungsmängel, die sich außerhalb oder erst nach der Tat ergeben (z.B. Charaktermängel im Laufe des Strafverfahrens), müssen daher außer Betracht bleiben; in solchen Fällen ist die Fahrerlaubnis ggf. behördlich zu entziehen (§ 3 StGV): OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 1996 235. OLG Frankfurt a.M.: NStZ-RR 1996 235. BGH (Beschl. v. 2 . 6 . 8 7 - 4 StR 253/87): zitiert nach Janiszewski NStZ 1987 546. Statt vieler: so schon BGHSt 5 176 und BGHSt 6 185 (seither unbestritten). BGH VRS 3 0 (1966) 274. Zum zusätzlichen (strafgerichtlichen) Entzug der Fahrerlaubnis gegenüber einem Amokfahrer trotz dessen Einweisung in eine psychiatrische Krankenanstalt erst jüngst LG Meiningen N Z V 2 0 0 7 97.
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§69 49
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
a) Bei der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen (die nicht verwechselt werden darf mit der „Unsicherheit zur Führung eines Kraftfahrzeuges" i.S. von §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 und 316 und auch nicht mit der Nicht-„Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen" i.S. von § 2 Abs. 5 StVG 2 6 8 ) handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der inhaltsgleich auch § 3 StVG sowie § § 3 und 4 6 FeV zugrunde liegt. Ausweislich der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 StVG ist zum Führen von Kraftfahrzeugen „geeignet", wer „die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetzes verstoßen hat". Nach übereinstimmender Rechtsprechung (ebenso langjähriger Verwaltungs- wie) der Strafgerichte ist ein Täter danach „ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen", wenn von ihm nach sorgfältiger Prüfung des Tathergangs und unter hinreichender Würdigung seiner körperlichen, geistigen und charakterlichen Voraussetzungen und der sie wesentlich bestimmenden objektiven und subjektiven Umstände zu erwarten ist, dass seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde; dies kann auf körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen, aber auch auf charakterlichen Mängeln des Täters beruhen, namentlich auf verfestigten Fehleinstellungen, ausweislich derer der Täter dazu neigt, bei der Teilnahme am Straßenverkehr die berechtigten Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer eigenen Zielen in nicht hinnehmbarem Maße unterzuordnen und insoweit die Gefährdung oder Verletzung fremder Rechtsgüter in Kauf zu nehmen. 269 Mit Bejahung der Ungeeignetheit durch den Strafrichter ist zugleich die Feststellung verbunden, dass ohne Entziehung der Fahrerlaubnis von diesem Täter auch in Zukunft weitere Verletzungen der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers und damit Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs zu erwarten sind (näher Rdn. 68 ff). Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung ist der Zeitpunkt der (tatrichterlichen) Urteilsfindung. Daher können auch Umstände berücksichtigt werden, die erst zwischen Tat und Hauptverhandlung bekannt geworden sind; 270 sie müssen aber in der jeweiligen Anlasstat zum Ausdruck gekommen sein (näher dazu Rdn. 75 und insbesondere Rdn. 94 ff). 2 7 1 Im weiteren Unterschied zur Regelung des StVG, das in seinem § 2 Abs. 4 S. 2 eine nur „bedingte" Eignung kennt, 2 7 2 kann die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen im strafgerichtlichen Entziehungsverfahren nur generell bejaht und somit auch nicht auf
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Die in der praktischen und theoretischen Fahrerlaubnisprüfung nachzuweisenden Fähigkeiten und Kenntnisse (Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen i.S. von § 2 Abs. 5 StVG) sind danach nicht identisch mit der „Eignung" zum Führen von Kraftfahrzeugen, können im Einzelfall jedoch auch zur „Ungeeignetheit" führen (weiter dazu Rdn. 5 3 ) .
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So zuletzt B G H (Urt. v. 2 6 . 9 . 2 0 0 3 - 2 StR 1 6 1 / 0 3 ) StV 2 0 0 4 132; auf dieser Linie letztlich schon B G H N J W 1 9 5 4 1 1 6 7 (im Grundsatz seither unbestritten).
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Grundlegend BGHSt 7 1 6 5 ff (heute unbestritten). Der maßgebliche Unterschied zwischen verwaltungsbehördlicher und strafgerichtlicher
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Entziehung der Fahrerlaubnis besteht demzufolge nur darin, dass der Verwaltungsbehörde ausweislich der §§ 2 ff StVG eine umfassende Persönlichkeitsprüfung vorgeschrieben und erlaubt ist, während sich die strafrichterliche Beurteilung des Eignungsmangels nur auf die begangene Straftat und darüber hinaus demzufolge nur auf diejenigen Persönlichkeitszüge des Täters stützen darf, die in der jeweiligen Anlasstat symptomatisch zum Ausdruck gekommen sind. Näher dazu Geppert FS Gössel S. 3 0 5 ff. 272
Z u r behördlichen „Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bei .bedingter' Eignung" s. den gleichlautenden Beitrag von Jagow in DAR 1 9 9 7 16 ff.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
bestimmte Kraftfahrzeuge bzw. Kraftfahrzeugarten beschränkt werden; 2 7 3 die in Literatur und Rechtsprechung früher teilweise vertretene Gegenposition 274 entspricht nicht mehr der geltenden Rechtslage, seit § 69a Abs. 2 die Möglichkeit eröffnet, bestimmte Fahrzeugarten von der Sperre auszunehmen (dazu Rdn. 7 ff zu § 69a). b) Arten der Eignungsmängel. Die Ungeeignetheit kann auf körperlichen oder geistigen Mängeln (Rdn. 51 f) oder auf charakterlicher Unzuverlässigkeit (Rdn. 54 f) beruhen, sofern sie sich beim oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr erwiesen hat. 2 7 5 Darüber hinaus kann sich die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aber auch aus fehlenden Fahrfertigkeiten oder Unkenntnis sicherheitserheblicher Verkehrsvorschriften ergeben (Rdn. 53). In der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV 2 7 6 sind häufiger vorkommende Erkrankungen und körperliche oder geistige Mängel aufgeführt, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können; sie gelten nur für den Regelfall und können ausweislich ihrer Vorbemerkung im Einzelfall „durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere
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Verhaltenssteuerungen und -Umstellungen" kompensiert werden.
aa) Als Beispiele körperlicher Eignungsmängel (i.S. krankhafter Körperzustände) 277 sind in erster Linie Fehlfunktionen der Sinnesorgane und hier vor allem Mängel im Sehvermögen 278 und Hörschwächen, 2 7 9 aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schwere Zuckerkrankheit (Diabetes), 280 Lähmungserscheinungen, das Fehlen von Gliedmaßen u.ä. zu nennen. Bei solchen Eignungsmängeln ist jedoch zu klären, ob sich der Defekt im Einzelfall nicht durch technische Hilfsmaßnahmen (Brille, Prothese u.a.), durch besondere Ausrüstung des Kraftfahrzeuges (Handgas, Handbremse u.ä.), durch Medika-
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So grundlegend schon BGHSt 6 183 sowie zuletzt BGH NStZ 1983 168 und BGH bei Holtz MDR 1982 623 (keine Beschränkung der Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung); vgl. auch OLG Hamm NJW 1971 1193 und BayObLG MDR 1990 745 (Erstreckung auch auf alle Sonderfahrerlaubnisse) und neuerdings VG Berlin N Z V 2001 139. Ebenso die ganz h.M. im Schrifttum: Scb/Schröder/Stree Rdn. 51, Lackner/ Kühl Rdn. 11 und Fischer Rdn. 52; offenbar gegenteiliger Ansicht Bode DAR 1989 447. Zum früheren Streitstand BGHSt 6 183. Aus psychologischer Sicht zur „Fahreignung nach neuem Recht" zusammenfassend und weiterführend Barthelmess N Z V 2 0 0 0 18 ff. Abgedruckt bei Jagow/Burmann/Heß Straßenverkehrsrecht S. 1030 ff. Mit umfangreichem Fallmaterial vor allem Kulemeier S. 96 ff sowie Hentschel/Dauer Rdn. 8 ff zu § 2 StVG; umfassend Peukert/ Nieschke, Die Beurteilung der körperlichen und geistigen Eignungsmängel des Kraftfahrers (1963). Die Häufigkeit der Ungeeignet-
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heit zum Führen von Kraftfahrzeug infolge ärztlich festgestellter Gesundheitsmängel liegt nach neuerem empirischen Materiali „weit unter 1 % " (Eisenmenger/Bouska N Z V 2 0 0 1 14). Hierzu vor allem BGHSt 15 3 9 3 sowie schon BGH VRS 4 (1952) 5 9 7 (dort zur herabgesetzten Dämmerungssehschärfe); vgl. auch BayObLG bei Rüth DAR 1964 2 4 0 , OLG Düsseldorf M D R 1958 621 und OLG Hamm DAR 1957 187. Zu Tauglichkeitsgrenzen beim Dämmerungssehen s. Aulhorn ZVS 1971 196 ff und zur Ungeeignetheit auf Grund drogenindizierter Einschränkung der Sehfähigkeit s. Heinke Blutalkohol 2 0 0 4 241 ff (als Erwiderung auch auf OLG Saarbrücken Blutalkohol 2 0 0 4 72). Zu eignungsrelevanten Anforderungen an das Sehvermögen s. im Übrigen die Anlage 6 zu den § § 1 2 und 48 Abs. 4 und 5 FeV. BayObLG bei Rüth DAR 1964 2 4 0 . Aus verkehrsmedizinischer Sicht s. Metter Blutalkohol 1989 185; vgl. auch OVG Berlin V M 1967 51.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
m e n t e 2 8 1 oder - wie in der Vorbemerkung zur Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV einschränkend ausgeführt ist - „durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerung und -Umstellung" ausgleichen lässt; danach kann die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen schon aus diesen Gründen auszuschließen sein. Unterfälle körperlicher Defekte sind letztlich auch geistige Eignungsmängel. 2 8 2 Dazu zählen nicht nur Hirnschädigungen und Erkrankungen des zentralen Nervensystems, 2 8 3 manische Psychosen, 2 8 4 Epilepsie, 2 8 5 Parkinsonismus, Schwachsinn u . ä . 2 8 6 Zunehmende Bedeutung kommt dabei auch Suchtkrankheiten aller A r t , 2 8 7 insbesondere chronischem Alkoholismus 2 8 8 sowie Medikamenten- und/oder Rauschmittelabhängigkeit 2 8 9 unterschiedlichster Formen zu. Trotz bekannt hoher Dunkelzahl insbesondere suchtbedingt körperlich oder geistig ungeeigneter Kraftfahrer ist die Bedeutung der auf diesen Gründen beruhenden strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis in
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Dazu auch Lewrenz VGT 1985 S. 157. Zur sachkundigen Hilfe von Ärzten und Verkehrspsychologen bei der strafrichterlichen Beurteilung einschlägiger Ungeeignetheit s. Gehrmann NZV 2004 442 ff. BGH bei Martin DAR 1960 70. BayObLG DAR 1985 239; vgl. auch OLG Düsseldorf DAR 1958 241 (endogene Depression) und LG Hannover NdsRpfl 1966 224. Zur Ungeeignetheit bei Verdacht auf paranoide oder schizophrene Psychose VGH München NZV 1999 183 = VRS 96 (1999) 391. Zu fehlender Fahreignung bei Epilepsie und anderen neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen s. aus verkehrsmedizinischer Sicht Laubichler BA 1992 139, Laubichler/ Haberl Blutalkohol 1989 7 und Hebenstreit Blutalkohol 1986 179. Weiterführend Kulemeier S. 97 f. Nach statistischem Material der ausgehenden 80er Jahre muss man von einem Dunkelfeld von (mindestens) 1,5 bis 2 Millionen Alkoholktanken, 500.000 bis 800.00 Medikamentenabhängigen und mindestens 100.000 (heute eher mehr) Rauschgiftabhängigen ausgehen, von denen die Mehrzahl am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen dürfte: nach Kulemeier Fn. 327 bis 329 auf S. 98; vgl. auch BTDrucks. X/5856, S. 5. Zur Eignung bzw. Nichteignung speziell alkoholauffälliger Kraftfahrer aus juristischer Sicht neuerdings Himmelreich DAR 2002 60 ff, aus verkehrspsychologischer Sicht Stephan DAR 1995 41 ff und aus medizinischer Sicht Spazier DAR 1995 54 ff. Zu fahrerlaubnisrelevanten Eignungsfragen bei bzw. nach Drogenkonsum aus „verfassungs-, straf- und verwaltungsrechtlicher Sicht aus jüngerer Zeit vor allem Kreuzer
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NZV 1999 353 ff; aus vorwiegend verwaltungsrechtlicher Sicht s. ferner Bode DAR 2002 24 ff (zur Kraftfahreignung nach „Einnahme von Betäubungsmitteln außer Cannabis"), Himmelreich DAR 2002 26 ff (zu den rechtlichen Folgen für die Fahrerlaubnis nach Cannabis-Konsum) sowie Harald Geiger NZV 2003 272 ff („Fahrerlaubnis und Drogenkonsum: Konsequenzen aus der neueren Rechtsprechung"). Zur „Eignungsbeurteilung drogenkonsumierender Kraftfahrer nach neuem Fahrerlaubnisrecht" s. auch Gehrmann NZV 2002 201 ff sowie zu „aktuellen Rechtsfragen beim Entzug der Fahrerlaubnis wegen Drogenauffälligkeit" Zwerger DAR 2005 431 ff. Dazu schon früher Saiger DAR 1994 433 ff, Saiger/ Maatz NZV 1993 329 ff, Gebert MedR 1994 483 ff und Epping NZV 1994 129 ff. Zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit und zu einschlägigen Eignungsfragen speziell aus verkehrspsychologischer Sicht aus jüngerer Zeit s. vor allem Kannheiser NZV 2000 57 ff sowie aus medizinisch-toxikologischer Warte Kauert DAR 2000 438 ff. Zu Eignung bzw. Ungeeignetheit bei CannabisKonsum s. BVerwG (3 C 13/01) NJW 2002 78 (Fahrerlaubnisentzug verneint nach einmaligem Konsum), aber auch BVerfG (1 BvR 2428/95) NZV 2002 425 (keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Fahreignungsprüfung bei substantiiertem Verdacht der Teilnahme am Straßenverkehr nach Cannabis-Konsum); zur Ungeeignetheit bei (regelmäßigem) Cannabis-Konsum s. auch Hess. VGH StV 1999 23, OVG Lüneburg DAR 2003 432, VGH Mannheim DAR 2004 170 und OVG Koblenz DAR 2004 413.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
der Praxis bislang nach wie vor noch verhältnismäßig gering. 2 9 0 Defekte dieser Art werden erfahrungsgemäß nämlich entweder bereits im behördlichen Fahrerlaubniserteilungsverfahren ermittelt oder lassen sich bei Unfällen bzw. Verkehrsdelikten im strafgerichtlichen Verfahren häufig nur schwer aufdecken und nachweisen; im Übrigen ergeben sich gerade solche körperlichen oder geistigen Eignungsmängel häufig nicht „aus der Tat", sondern werden nur anlässlich der Anknüpfungstat festgestellt, ohne diese nachweisbar beeinflusst zu haben (dazu nachfolgend Rdn. 56). Einzelne dieser körperlichen oder geistigen Eignungsmängel können auch als Folge allgemein verminderter Leistungsfähigkeit durch Altersabbau eintreten; zu denken ist hierbei besonders an generell verminderte Sehfähigkeit, zunehmende Blendempfindlichkeit mit Dämmerungssehschwächen sowie ein Nachlassen der Reaktionsfähigkeit. 2 9 1 Hohes Alter rechtfertigt für sich allein jedoch nicht den Schluss auf Ungeeignetheit als Kraftfahrer; 2 9 2 wie bei allen körperlichen oder geistigen Eignungsmängeln ist auch hier in jedem Einzelfall festzustellen, ob und inwieweit die altersbedingt verminderte Leistungsfähigkeit nicht durch langjährige Erfahrung als Kraftfahrer, durch besondere Vorsicht und verstärktes Verantwortungsbewusstsein des älteren Menschen, auf sonstige Weise (z.B. durch Medikamente) oder durch weitere Kompensationsmechanismen hinreichend ausgeglichen wird. 2 9 3 Zur strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis wird es allenfalls kommen, wenn der Altersabbau so weit fortgeschritten ist, dass er mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit auch künftig zu greifbaren Ausfallerscheinungen von Gewicht zu führen droht und nicht zu kompensieren ist: 2 9 4 dies jedoch wiederum nur dann, wenn sich die altersbedingte Fahrungeeignetheit auch „aus der Tat" ergeben hat. 2 9 5
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bb) Fehlende Fahrfertigkeiten und technisches Nichtkönnen (Fahr„befähigung" i.S. von § 2 Abs. 5 StVG) oder mangelndes Reaktionsvermögen begründen die Ungeeignetheit eines Kraftfahrers nur dann, wenn diese Defizite auch durch weitere Fahrpraxis nicht zu beseitigen sind. Die Rechtsprechung stellt insoweit strenge Anforderungen; so wurde die Ungeeignetheit eines 53jährigen Kraftfahrers selbst nach dreimaligem fahrtechnischen Versagen verneint, weil von ihm durch weitere Fahrpraxis noch eine Verbesserung der bisher mangelhaften Fahrfertigkeiten zu erwarten war. 2 9 6 Belegt die Tat ein besonders hohes Maß von fahrerischem Nichtkönnen oder mangelnder Reaktionsfähigkeit, kann jedoch auch einmaliges Versagen zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen; unter diesen Voraussetzungen wird die (gegenwärtige) Ungeeignetheit auch durch die
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Z u älterem Zahlenmaterial s. Kulemeier Fn. 3 0 3 auf S. 9 6 (wohl höchstens 5 % ) .
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Z u typischen altersbedingten Ausfallerscheinungen s. vor allem Wetterling ZfS 1 9 9 5 161 ff; weiterführend auch Kulemeier S. 9 8 sowie Himmelreich DAR 1 9 8 5 2 0 3 ff und DAR 1 9 9 0 4 4 7 ff („Der ältere Kraftfahrer ein Eignungsrisiko?") sowie vor allem die Referate und Empfehlungen des 3 3 . Deutschen Verkehrsgerichtstages 1 9 9 5 (AK I: „Ältere Verkehrsteilnehmer"). Z u den rechtlichen Konsequenzen einer freiwilligen Rückgabe des Führerscheins Hundertmark MDR 1964 561.
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BVerwG VRS 3 0 ( 1 9 6 6 ) , V M 1 9 7 1 8 3 und D A R 1 9 7 5 1 3 9 ; weitere Nachweise bei Himmelreich DAR 1 9 8 5 2 0 3 . Auf dieser Linie auch BayObLG D A R 1 9 9 6 1 5 2 (im Fall eines 72jährigen Kraftfahrers) sowie erst jüngst LG Düsseldorf D A R 2 0 0 5 2 3 0 .
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Ebenso Eisenmenger/Bouska N Z V 2 0 0 1 14 und Hentschel/Dauer R d n . 2 zu § 2 StVG. Himmelreich DAR 1 9 9 0 451.
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Bedenklich insoweit O L G Düsseldorf V M 1965 50. O L G Düsseldorf V M 1 9 7 6 5 2 ; vgl. auch O L G H a m m VersR 13 ( 1 9 5 7 ) 3 2 .
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Hoffnung auf (künftige) Besserung durch weitere Fahrpraxis nicht ausgeschlossen.297 Größere Strenge ist bei Unkenntnis sicherheitserheblicher Verkehrsvorschriften angebracht. Ein Kraftfahrer, der die wesentlichen Verkehrsregeln nicht kennt, ist für die Sicherheit des allgemeinen Straßenverkehrs ebenso gefährlich wie ein Fahrer, der sein Fahrzeug nicht beherrscht oder in körperlicher, geistiger oder charakterlicher Hinsicht die an ihn gestellten Anforderungen nicht zu erfüllen imstande ist. 298 54
cc) Ebenso wie im Rahmen des behördlichen Fahrerlaubnisentzuges (§ 3 StVG) ist auch bei der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis seit Einführung dieser Unrechtsfolge anerkannt, dass auch charakterliche Mängel die Maßnahme rechtfertigen können; 299 in der Praxis ist dies mit großem Abstand der häufigste Anwendungsfall strafgerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis. In Abgrenzung zu körperlich-geistigen Eignungsmängeln (z.B. chronischem Alkoholismus oder anderen pathologisch nachweisbaren Suchtkrankheiten) sind damit nicht nur abnorme Charakterzüge oder sonstige Verhaltensabnormitäten im Speziellen gemeint, sondern auch mangelnde Persönlichkeitsreife im Generellen, wie sie sich in besonderer Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber ausdrückt.300 Einmaliges und situationsbedingtes Fehlverhalten (selbst mit schwersten Folgen) rechtfertigt somit für sich allein keinen charakterlichen Eignungsmangel.301 Die Schuld des Täters oder die Schwere/die Folgen der Tat spielen insoweit ebenfalls keine Rolle. 302 Auch situationsbedingte Eignungsdefizite wie Alkoholgenuss, Rauschmittelkonsum in Fahrbereitschaft, Einnahme von Medikamenten, Ermüdung u.ä. begründen als solche keinen möglichen dauernden (körperlichen) Eignungsmangel; wohl aber kann sich das in einem solchen Verhalten zum Ausdruck kommende fehlende Verantwortungsbewusstsein als generelle charakterliche Ungeeignetheit erweisen.303 Schließlich darf aus einem (strafprozessual zulässigen) fehlenden Geständnis nicht auf Uneinsichtigkeit und von hier aus auf charakterliche Ungeeignetheit geschlossen werden. 304
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Angesichts des besonderen Maßregelzwecks (Rdn. 2) muss es sich um Charaktermängel handeln, die den Täter gerade in seiner Eigenschaft als Kraftfahrer als unzuverlässig erweisen. Die zur Ungeeignetheit des Kraftfahrers führende Verantwortungslosigkeit offenbart sich insofern zunächst und vor allem in den Regelbeispielen des Abs. 2 und damit bei strafbarer Trunkenheit im Verkehr (§§ 315c und 316), 305 bei unerlaubtem
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In dieser Richtung OLG Düsseldorf VM 1966 60 sowie zuvor schon BGHSt 7 165 (175). BVerwG NJW 1982 2 8 8 5 ; dazu auch Himmelreich NJW 1983 603. Grundlegend und seither im Grundsatz unbestritten: BGHSt 5 179: hierzu und zum Folgenden mit weiterführenden Nachweisen auch Hentschel Trunkenheit Rdn. 601 ff und Kulemeier S. 99 ff. Zur Überprüfung der charakterlichen Eignungsvoraussetzungen s. auch Wendlinger N Z V 2 0 0 6 5 0 5 ff sowie früher schon Böcher ZblVerkMed 1962 215 ff. Weiter Kulemeier S. 99 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 601. So aus jüngerer Zeit LG Düsseldorf DAR
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2 0 0 5 2 3 0 und LG Kaiserslautern NStZ 2 0 0 4 321. BGHSt 15 3 9 7 und VRS 21 (1961) 2 6 2 ; dazu auch Geppert Sperrfristbemessung S. 91 ff. BayObLG VRS 6 (1954) 2 8 8 (zur Ermüdung). So zu Recht OLG Düsseldorf N Z V 1999 172 = StV 1999 318 = DAR 1999 223. Zur fehlenden Fahreignung bei Trunkenheitsdelikten aus psychologischer Sicht vor allem Kunkel DAR 1987 38 ff sowie Artkämper Blutalkohol 2 0 0 0 3 0 8 ff. Zur Anordnung eines Fahrverbotes (§ 44) statt Entziehung der Fahrerlaubnis bei Trunkenheitsdelikten (und anderen Katalogtaten des § 69 Abs. 2) Piesker N Z V 2 0 0 2 2 9 7 ff.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
Sichentfernen vom Unfallort (§ 1 4 2 ) 3 0 6 sowie bei Vollrausch (§ 323a), soweit dieser sich auf die genannten Taten bezieht; 3 0 7 zur Prüfung der Ungeeignetheit in diesen Fällen widerleglich vermuteter Ungeeignetheit im Einzelnen nachfolgend Rdn. 78 ff. Die charakterliche Ungeeignetheit kann sich aber auch aus Verkehrsdelikten außerhalb des Regelkatalogs ergeben: so aus strafbarer Verkehrsunfallflucht, bei der die einschränkenden Voraussetzungen des § 6 9 Abs. 2 Nr. 3 nicht gegeben sind, 3 0 8 bei Eingriffen in den Straßenverkehr (§ 315b), bei (wiederholtem) Fahren ohne Fahrerlaubnis oder (hartnäckiger) Missachtung eines Fahrverbotes (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) 3 0 9 oder bei fahrlässiger Tötung/Körperverletzung durch Verletzung von Verkehrsvorschriften: 310 in allen diesen Fällen jedoch nur, soweit die Taten ihrem Gewicht nach den in Absatz 2 genannten Verkehrsstraftaten gleichkommen und Ausdruck eines grundsätzlich fehlenden Verantwortungsbewusstseins für verkehrsgerechtes Verhalten im öffentlichen Straßenverkehr darstellen (Rdn. 54). Zur Feststellung der Ungeeignetheit außerhalb des Regelkatalogs im Einzelnen nachfolgend Rdn. 104 ff. c) Die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen muss sich „aus der Tat" (oder einer den Gegenstand des Verfahrens bildenden Mehrheit von Taten 3 1 1 ) ergeben. Als Erkenntnisquelle dient der gesamte geschichtliche Vorgang (§ 2 6 4 StPO), wie er der Anklage zugrunde liegt. 312 Wie generell im Maßregelrecht hat das Erfordernis der Anknüpfungstat eine doppelte Bedeutung: Zum einen ist sie äußerer Anlass für das strafrichterliche Eingreifen überhaupt (dazu schon Rdn. 16 ff), zum andern - wie für § 69 als zentraler Auslegungsgrundsatz nunmehr nicht zuletzt durch den Großen Strafsenat in BGHSt 5 0 93 ff nachdrücklich bestätigt (dazu schon Rdn. 34 ff) - gesetzlich vorgeschriebenes Symptom für die Gefährlichkeit des Täters und als solches Anstoß und Indiz zur Entdeckung des hinter der Tat liegenden und diese begründenden Gefahrzustands. 313 Danach dürfen im Zuge des Strafverfahrens festgestellte Eignungsmängel nicht berücksichtigt werden, soweit sie zum Tatgeschehen nicht beigetragen haben und nur aus Anlass und somit letztlich nur gelegentlich der T a t 3 1 4 oder aus anderen Gründen 3 1 5 hervorgetreten sind. Eine bloß zufällige Verknüpfung reicht nicht aus; erforderlich ist echter Ursachenzusammenhang, wobei jedoch Mitverursachung genügt.
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Zum Verzicht auf die Entziehung der Fahrerlaubnis in Fällen des § 142 jedoch LG Gera StV 1997 5 9 6 und StV 2 0 0 1 357 (je in Fällen, in denen der Täter sich zwar alsbald der Polizei gestellt hat, die Voraussetzungen tätiger Reue gemäß Abs. 4 jedoch nicht vorlagen). LG Hof DAR 2 0 0 2 92. LG Köln ZfS 1984 315. BayObLG nach Bär DAR 1 9 9 0 365, OLG Koblenz VRS 6 9 (1985) 298, OLG Hamm VRS 6 3 (1982) 347, OLG Schleswig VM 1966 93 und OLG Hamburg VRS 10 (1956) 355. Zum Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 StVG) als einer typischen Verkehrsstraftat als Folge charakterlicher Ungeeignetheit neuerdings auch BGH (Urt. v. 5.9.2006 - 1 StR 107/06) N Z V 2 0 0 7 212 = DAR 2 0 0 7 338; eher zurückhaltender
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(jedenfalls im Rahmen von § l i l a StPO) aber LG Mühlhausen N Z V 2 0 0 3 2 0 6 = VRS 104 (2003) 359. BGHSt 5 176. BayObLG GA 1967 95 und N J W 1966 2369. OLG Celle VRS 3 0 (1966) 178. Speziell zu dieser Komponente der Anlasstat ausführlich und grundlegend schon Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 36 ff. OLG Hamm VRS 4 8 (1975) 3 3 9 (chronischer Alkoholismus) und OLG Düsseldorf MDR 1958 621 (durch Unfallschock zutage getretene endogene Depression). Grundlegend BGHSt 15 393 (weitgehender Verlust der Sehfähigkeit infolge des Unfalls); vgl. auch LG Hannover NdsRpfl 1966 2 2 4 (Geisteskrankheit, die sich im Tatgeschehen nicht ausgewirkt hat).
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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Zusätzlich zur Kasuistik der Rdn. 35 ff nachfolgend weitere Beispiele: So darf Alkoholgenuss, der sich im Tatgeschehen weder bezüglich des Unfalls noch hinsichtlich der Fahrweise des Angeklagten ausgewirkt hat, 3 1 6 für die (strafgerichtliche) Entziehung der Fahrerlaubnis ebensowenig berücksichtigt werden wie eine anlässlich des Strafverfahrens zutage getretene Neigung zum Alkoholismus, wenn die Tat ansonsten im nüchternen Zustand begangen worden ist. 3 1 7 Körperliche Mängel, die den Tatablauf nicht unmittelbar negativ beeinflusst haben oder die der Täter erst durch die Tat oder später erlitten hat, 3 1 8 können zur Begründung der gerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis daher ebensowenig herangezogen werden wie geistige Störungen, die ohne Einfluss auf das Tatgeschehen geblieben sind. 3 1 9 In allen diesen Fällen bleibt die Fahrerlaubnisentziehung der Verwaltungsbehörde vorbehalten (§§ 3 StVG und 4 6 ff F e V ) . 3 2 0 Aus diesem Grund kann nachträgliches Verhalten des Täters (etwa sein Verhalten im Prozess 3 2 1 oder nachträglicher Alkoholgenuss 3 2 2 ) die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis allenfalls dann rechtfertigen, wenn sich aus dem späterem Verhalten ein genereller Charaktermangel (z.B. rücksichtslose Verkehrsgesinnung, absolute Uneinsichtigkeit oder gar Rechtsfeindschaft) ergibt, der erkennbar die Tat selbst mit verursacht hat und somit einen bereits symptomatisch in der Tat selbst zum Ausdruck gekommenen Eignungsmangel erkennen lässt. Gleiches gilt für Eignungsmängel, die zwischen Tat und Hauptverhandlung hervorgetreten sind; auch sie können (nur) berücksichtigt werden, wenn sie einen Rückschluss auf die Täterpersönlichkeit zur Zeit der Tat und auf einen in dieser Tat zum Ausdruck gekommenen Eignungsmangel zulassen (strenger Maßstab). 3 2 3 Jedoch darf aus einem fehlenden Geständnis (strafprozessual zulässig, weil in der umfassenden Schweigebefugnis der §§ 136 Abs. 1 S. 2 und 2 4 3 Abs. 4 S. 1 StPO mit enthalten) nicht auf grundsätzliche Uneinsichtigkeit und von hier aus dann auch nicht auf charakterliche Ungeeignetheit geschlossen werden. 3 2 4
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d) Als Maßregel der Besserung und Sicherung setzt die Entziehung der Fahrerlaubnis ihrem Wesen und ihrer Zielrichtung nach die künftige Gefährdung der Allgemeinheit voraus, zu deren Beurteilung verständlicherweise auf den Zeitpunkt der letzten (tat)richterlichen Entscheidung abzustellen ist. Daher ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Ungeeignetheit der Augenblick der (tatrichterlichen) Entscheidung; 3 2 5 dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte die Fahrerlaubnis erst nach der Tat erworben h a t . 3 2 6 Weil das Gesetz die Entziehung der Fahrerlaubnis ausdrücklich nur von der „aus der Tat" erwiesenen Ungeeignetheit (nicht aber von der Gefährlichkeit des Täters schlechthin) abhängig macht, war anfänglich umstritten, ob die Gefährlichkeit des Täters und damit die Gefährdung der Allgemeinheit (wenn auch ungeschriebene) zusätzliche Voraus-
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OLG Düsseldorf DAR 1969 24 und OLG Hamm VRS 48 (1975) 339. OLG Celle VRS 30 (1966) 178. BGHSt 15 393 (unfallbedingte Beeinträchtigung des Sehvermögens). OLG Düsseldorf DAR 1958 241. Die befassten Strafverfolgungsorgane („Richter oder Staatsanwalt") sind ausweislich von Nr. 45 Abs. 2 MiStra zu entsprechender Mitteilung an die zuständige Verwaltungsbehörde verpflichtet. Vgl. OLG Celle DAR 1984 93 und OLG Hamm VRS 36 (1969) 95 sowie neuerdings
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vor allem OLG Düsseldorf NZV 1999 172 = DAR 1999 223. OLG Saarbrücken VRS 24 (1963) 33; dazu auch Zabel Blutalkohol 1981 171. Grundlegend BGHSt 7 165 und BGHSt 15 393 (seither im Grundsatz unbestritten). So nachdrücklich OLG Düsseldorf NZV 1999 172 = DAR 1999 223 = StV 1999 172. Grundlegend BGHSt 7 165 175: seither unbestritten, zuletzt BGH VRS 82 (1992) 19. BGH nach Janiszewski NStZ 1987 546.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
Setzung ist 327 oder ob man auf die Prüfung der Gefährlichkeit verzichten und diese für den Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung gewissermaßen unwiderleglich vermuten kann. 328 Unter Aufgabe der missverständlichen These von der „unwiderleglichen Vermutung" 329 ist dieser Streit in Rechtsprechung und Schriftum nunmehr seit langem dahin geklärt, dass die Bejahung der „Ungeeignetheit" zwangsläufig zugleich die weitere Feststellung enthält, bei Nichtentziehung der Fahrerlaubnis sei die Allgemeinheit künftig gefährdet.330 Ist maßgeblich dafür der Zeitpunkt der Hauptverhandlung, folgt daraus: aa) Bedarf es keiner besonderen Feststellung künftiger Gefährlichkeit des Täters, ist folgerichtig auch eine zusätzliche „Erforderlichkeits"-Prüfung nicht vonnöten. Somit stehen der Feststellung der Ungeeignetheit schwere Verletzungen des Täters mit Dauerfolgen auch dann nicht entgegen, wenn sie nach Lage der Dinge die längerfristige oder gar dauernde Fahrunfähigkeit des Täters zur Folge haben (z.B. völlige Erblindung, Querschnittslähmung, Verlust von Armen oder Beinen, schwerwiegende Seh- oder Hörschäden); 331 denn wer die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Augenblick der tatrichterlichen Entscheidung nicht besitzt, ist ungeeignet.332 Abgesehen davon, dass sich mögliche Heilungschancen oder fahrzeugtechnische Mittel zur Ausgleichung solcher Eignungsmängel (zu deren späterer Berücksichtigung nach der Konzeption des Gesetzes die nachträgliche Abkürzung der Sperre vorgesehen ist: dazu § 69a Abs. 7 mit Erläuterungen) im Einzelfall ebensowenig sicher ausschließen lassen wie die Möglichkeit, dass der im Besitz seiner Fahrerlaubnis bleibende Täter trotz fortbestehender körperlicher oder geistiger Mängel versuchen wird, ein Kraftfahrzeug zu führen, liefe die Berücksichtigung solcher Defizite letztlich wieder auf eine zusätzliche „Erforderlichkeits"-Prüfung hinaus. 333 Zudem führte die hier abgelehnte Rechtsansicht zu dem widersinnigen Ergebnis, dass angesichts der Bindungswirkung von § 3 Abs. 4 StVG auch der Verwaltungsbehörde rechtlich verwehrt bliebe, die Entscheidung des Strafrichters (Belassung der Fahrerlaubnis) zu korrigieren. Zu Besonderheiten bei Berücksichtigung vorläufiger Maßnahmen, insbesondere einer vorläufigen Entziehung der Fahgrerlaubnis (§ l i l a StPO) nachfolgend Rdn. 126 ff.
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In dieser Richtung tendenziell schon BGH NJW 1954 4 0 0 und so eindeutig dann auch BGH NJW 1954 1167; ebenso OLG Düsseldorf NJW 1954 165, OLG Celle NJW 1954 652 und OLG Karlsruhe NJW 1954 164. Dazu auch Maassen NJW 1953 202. So BGHSt 5 168 = NJW 1954 159; ebenso OLG Stuttgart NJW 1953 1882, KG VRS 6 (1954) 3 8 4 und OLG Karlsruhe NJW 1954 1945. In dieser Richtung auch Lackner MDR 1953 74 und Bruns GA 1954 166 sowie andeutungsweise auch Härtung (NJW 1954 1337 und J Z 1954 137) und SchmidtLeichner (NJW 1953 1849 und NJW 1954 159). Diesbezüglich berechtigter Widerspruch von Härtung (NJW 1954 1337 und J Z 1954 137) und Schmidt-Leichner (NJW 1953 1849 und NJW 1954 159).
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Grundlegend BGHSt 7 175 = NJW 1955 5 3 7 ; seither unbestritten: vgl. statt vieler noch BGH DAR 1956 190 und zuletzt VRS 82 (1992) 19. Zu früher Zustimmung im Schrifttum s. vor allem Dreher J Z 1954 543, Martin DAR 1955 73 und in der Sache wohl auch Härtung (JZ 1954 137 und NJW 1 9 5 4 1337) und Schmidt-Leichner (NJW 1953 1849 und NJW 1954 159); heute einhellige Ansicht. Gegenteiliger Ansicht Schmidt-Leichner NJW 1954 161 und Dreher J Z 1954 5 4 3 ; so nach wie vor auch Sch/Schröder/Stree Rdn. 52 sowie Jescheck/Weigend Strafrecht: Allg. Teil (5. Aufl.) S. 827 mit Fn. 34. So schon KG VRS 6 (1954) 384. Wie hier BGHSt 7 174 sowie BGHSt 15 395; ebenso Lackner/Kühl Rdn. 6.
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bb) Somit steht auch die Bewilligung einer Strafaussetzung zur Bewährung der gleichzeitigen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen fortbestehender Ungeeignetheit nicht entgegen; es bedarf jedoch besonderer tatrichterlicher Begründung, weshalb ein Angeklagter trotz i.S. von § 5 6 günstiger Prognose gleichwohl „ungeeignet" i.S. von § 6 9 und damit für die Allgemeinheit auch künftig gefährlich sein soll (dazu schon Rdn. 18). Trotz dieses scheinbaren Gegensatzes schließen sich die Feststellung fortbestehender gegenwärtiger Ungeeignetheit und die Annahme einer künftigen günstigen Sozialprognose nicht unbedingt a u s . 3 3 4 Abgesehen davon, dass beide Maßnahmen nach Zweck und Voraussetzungen im Einzelnen unterschiedlich sind, wird der Tatrichter die für den Täter vorteilhafte Bewährungs-Prognose häufig nur unter der Voraussetzung abgeben können, dass der Angeklagte unter dem Druck der zur Bewährung ausgesetzten Strafe und in Verbindung mit dem zeitweiligen Ausschluss aus dem öffentlichen Straßenverkehr zu einer Haltungsänderung kommt und erst von hier aus die Erwartung künftigen Wohlverhaltens garantiert. 3 3 5 Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn es sich bei der Anlasstat nicht um ein typisches Verkehrsdelikt handelt. 3 3 6 Bietet der Täter (obgleich für eine günstige Sozialprognose nach § 5 6 an sich die bloße „Erwartung" künftigen Wohlverhaltens ausreicht 3 3 7 ) ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen jedoch die „Gewähr" und damit die hinreichend sichere Gewissheit, dass er in Zukunft derartige Straftaten nicht mehr begehen wird, wäre es ein Widerspruch und damit rechtsfehlerhaft, Strafaussetzung zur Bewährung zu bewilligen und gleichzeitig damit die zur Fahrerlaubnisentziehung führende Ungeeignetheit festzustellen; in diesem Fall ist für eine Entziehung der Fahrerlaubnis kein R a u m . 3 3 8 J e gewichtigere Gründe der Tatrichter somit für die Strafaussetzung zur Bewährung anführt, umso ausführlicher hat er zu erläutern, weshalb gleichwohl die fortbestehende Ungeeignetheit bejaht wird. 3 3 9
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cc) Kommt es für die Entziehung der Fahrerlaubnis auf den Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung an, ist Gegenstand der Eignungsbeurteilung nicht nur die Frage, ob der Täter sich auf Grund der Anlasstat überhaupt als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erwiesen hat, sondern darüber hinaus auch, ob die aus der Tat erwiesene Ungeeignetheit noch fortbesteht, der Angeklagte im Augenblick der tatrichterlichen Entscheidung also noch ungeeignet ist:
334 Wenig überzeugend OLG Düsseldorf NZV 2000 51, das zwischen Entzug der Fahrerlaubnis und Strafaussetzung zur Bewährung jedenfalls „in der Regel ... einen sachlichen Widerspruch" sieht und beide daher jedenfalls „in der Regel (für) sachlich unvereinbar" hält. 335
So schon BGHSt 15 316 = NJW 1961 683 und so auch früher schon OLG Koblenz VRS 45 (1973) 348, OLG Köln NJW 1956 113 und OLG Stuttgart NJW 1954 611; diese Linie bekräftigend neuerdings auch BGH NZV 2001 434 = JR 2002 113 (zust. Geppert aaO S. 114 ff) sowie OLG Düsseldorf NJW 1997 2765 (teilweise widersprüchlich dazu aber in NZV 2000 51) und
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OLG Dresden NZV 2001 439. Ausführlich Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 165; zusammenfassend ders. in JR 2002 114 ff. 336 Nicht überzeugend daher O L G Karlsruhe
DAR 2002 87 = VRS 101 (2001) 430 mit
der These, dass sich Eignungs- und Sozialprognose i.S. der § § 6 9 und 5 6 jedenfalls dann nicht „gegensätzlich beantworten" lassen, wenn es sich bei der Anlasstat nicht um ein typisches Verkehrsdelikt handelt. 337 338 339
BGHSt 15 320. BGH VRS 25 (1963) 428. Zu den Anforderungen an die tatrichterliche Begründung in solchen Fällen auch OLG Dresden NZV 2001 439; vgl. dazu auch schon BGH VRS 29 (1965) 15.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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(1) Aus diesem Grund ist die Berücksichtigung künftiger Ereignisse im Rahmen der Entziehung der Fahrerlaubnis grundsätzlich unzulässig; zukünftige Entwicklungen können allenfalls bei Bemessung der Sperrfrist, nämlich bei der prognostischen Beurteilung der voraussichtlichen Dauer der aus der Tat erwiesenen Ungeeignetheit berücksichtigt werden (s. Erläuterungen zu § 69a). Das Gericht muss daher die Fahrerlaubnis auch dann entziehen, wenn es zugleich Sicherungsverwahrung oder eine andere länger dauernde freiheitsentziehende Maßregel anordnet. 340 Ist maßgebend für die Beurteilung der Eignungsfrage die Zeit der Urteilsfindung (und nicht das Ende der Verbüßung einer gleichzeitig verhängten Freiheitsstrafe), steht der Entziehung der Fahrerlaubnis auch nicht entgegen, wenn der Verurteilte auf Grund gleichzeitig verhängter Freiheitsstrafe in den nächsten Jahren ohnehin nicht am Straßenverkehr teilnehmen kann und durch die (eben: nur künftige) Strafverbüßung voraussichtlich so günstig beeinflusst sein wird, dass er bei Entlassung wieder „geeignet" sein dürfte. 341 Daher liefert auch die Bereitschaft des Angeklagten, sich künftig einem Nachschulungskurs für auffällig gewordene Trunkenheitstäter zu unterziehen, (jedenfalls im Erkenntnis verfahren) in aller Regel noch keinen ausreichenden Hinweis für den Wegfall der Ungeeignetheit schon im Augenblick der tatrichterlichen Entscheidung; näher dazu nachfolgend Rdn. 75 und Rdn. 97 ff. Zur Berücksichtigung der Teilnahme an solchen Kursen im nachträglichen Abkürzungsverfahren (S 69a Abs. 7) s. die dortigen Rdn. 83 ff, speziell Rdn. 88.
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Wirtschaftliche, berufliche oder sonstige finanzielle Nachteile (Gefährdung oder Verlust des Arbeitsplatzes, Einkommensverluste oder sonstige gravierende Erschwernisse der Berufsausübung), die der Verurteilte auf Grund der Fahrerlaubnisentziehung erst künftig zu erwarten hat, bleiben grundsätzlich unberücksichtigt; denn nur drohende Härten dieser Art üben in aller Regel noch keinen nachhaltigen bessernden Eindruck auf den Täter aus. 3 4 2 Gleichermaßen unbeachtlich ist demzufolge auch das Interesse, das ein Arbeitgeber/Dienstherr am Fortbestehen der Fahrerlaubnis des Verurteilten haben mag. 3 4 3 Etwas anderes kann im Ausnahmefall - etwa bei einmaligem und nicht allzu schwerwiegendem Versagen im Verkehr, doch kaum bei den im Regelkatalog des § 69 Abs. 2 aufgeführten Delikten - allenfalls dann gelten, wenn der Täter schon unter dem drohenden Gewicht akuter Existenzgefährdung künftiges Wohlverhalten garantiert; diesbezüglich sind jedoch strenge Anforderungen angebracht. 344 Weiter dazu nachfolgend Rdn. 72.
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(2) Etwas anderes gilt hinsichtlich wirtschaftlich/finanziell oder sonst nachteiliger Auswirkungen, die etwa auf Grund vorläufiger Fahrerlaubnismaßnahmen oder bereits erlittener längerer Untersuchungshaft 345 bereits eingetreten sind; diese können den Täter so nachhaltig beeinflusst haben, dass seine frühere (charakterliche) Ungeeignetheit zwi-
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Zur gleichzeitigen Anordnung einer Sicherungsverwahrung BGH VRS 3 0 (1966) 274; zustimmend Lackner/Kühl Rdn. 10. BGH bei Dallinger MDR 1954 15 sowie BGH bei Holtz MDR 1978 986. Zur Berücksichtigung der Inhaftierung jedenfalls bei Sperrfristbemessung Molketin N Z V 2001 65 ff. Seit langem gefestigte Rechtsprechung: vgl. BGH NJW 1954 1167 sowie OLG Köln MDR 1967 514, OLG Stuttgart N J W 1953 1882 und VM 1955 6 7 und OLG Oldenburg NdsRpfl 1954 232. Zu frühen Nach-
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weisen im Schrifttum schon Bruns GA 1954 176 (mit Warnung vor diesem „gefährlichen Einfallstor für unangebrachte Milde"), Berger DAR 1954 52, Warda MDR 1965 2 und Grohmann DAR 1978 63; s. dazu auch Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 95 ff sowie denselben in N J W 1971 2154. OLG Köln M D R 1967 514. OLG Celle DAR 1956 248. OLG Köln StV 2 0 0 0 261 (dort in Verbindung mit einer Strafmilderung wegen § 31 BtmG).
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
schenzeitlich wieder behoben ist. 346 Hier wie auch sonst bei der Eignungsprüfung sind somit auch Umstände zu berücksichtigen, die zwar erst nach der Tat hervorgetreten sind, jedoch indizielle Rückschlüsse darauf erlauben, dass der ursprünglich zur Anlasstat führende Eignungsmangel auf Grund zwischenzeitlicher (und nicht nur künftiger!) Umstände im Augenblick der letzten tatrichterlichen Entscheidung nicht mehr vorhanden und somit auch keine künftige Rückfallgefahr mehr zu befürchten ist. Hierfür kommen nicht nur die Berücksichtigung vorläufiger Maßnahmen (Beschlagnahme bzw. Sicherstellung des Führerscheins oder vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § l i l a StPO) sowie die Teilnahme an einem Nachschulungskurs in Betracht (dazu nachfolgend Rdn. 75 und 97 ff), sondern auch andere Konstellationen, insbesondere außerhalb des Regelkatalogs von § 69 Abs. 2: so etwa, wenn ein Täter durch ein volles Geständnis und durch Angaben, die zur Aufklärung des deliktischen Geschehens, zur Ermittlung weiterer Tatbeteiligter und zur Sicherung der zuvor noch nicht sichergestellten Beute geführt haben, den Tatrichter nachhaltig und hinreichend sicher (strenge Anforderungen) davon überzeugt haben, dass von diesem quasi geläuterten Täter künftig (auch) keine verkehrsbezogene Gefahr mehr ausgeht. 347 Trotz ggf. erheblichen verkehrsrechtlichen Fehlverhaltens kann Gleiches gelten, wenn die Anlasstat in einer erheblichen psychischen Ausnahmesituation begangen wurde, die mit der Verwirklichung der Anlasstat jedoch ihr Ende gefunden hat und somit nach der sicheren Überzeugung des Tatrichters kein weiteres Fehlverhalten im öffentlichen Straßenverkehr mehr zu erwarten ist. 348 Dass der Täter seit Begehen der Anlasstat bis zur tatrichterlichen Entscheidung unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen, rechtfertigt für sich allein in aller Regel noch keine günstige Prognose (dazu nachfolgend Rdn. 75). 65
e) Die Annahme der „Ungeeignetheit" setzt nicht die sichere Gewissheit des erkennenden Gerichts voraus, dass der Angeklagte die Allgemeinheit durch weitere Straftaten gefährden wird. Es genügt vielmehr die „Wahrscheinlichkeit" eines Rückfalles i.S. naheliegender, gesteigerter Möglichkeit; die bloße Möglichkeit weiterer Straftaten reicht zur Bejahung der Ungeeignetheit jedoch nicht aus. 349 Der erforderliche gesteigerte Grad der Möglichkeit („Wahrscheinlichkeit") weist zwar in die Zukunft, muss aber für die Gegenwart (Zeitpunkt letzter tatrichterlicher Entscheidung) zur vollen persönlichen Überzeugung des Gerichts erwiesen sein. Gegenstand richterlicher Überzeugungsbildung ist somit nicht die Feststellung, dass der Angeklagte künftig wieder rückfällig wird, sondern dass die Umstände im Augenblick der tatrichterlichen Entscheidung so liegen, dass ein Rückfall als wahrscheinlich zu erwarten ist.
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Das kann im Einzelfall auch im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit gelten, die ein Betroffener seit Begehung der Anlasstat bis zur tatrichterlichebn Hauptverhandlung bereits erlitten hat (OLG Dresden N Z V 2001 4 3 9 für die Situation eines Taxifahrers). BGH StV 1999 18 (Anlasstaten waren dort Straftaten nach dem BtmG); zustimmend Sch/Schröder/Stree Rdn. 52. So neuerdings zu Recht LG Zweibrücken DAR 2 0 0 3 575 = VRS 105 (2003) 4 3 0 (zur einer extremen psychischen Ausnahmesituation als Endpunkt einer damit eindeutig ausgestandenen Beziehungskrise, zu deren
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Bewältigung auch keine nachfolgende dauernde Medikation für erforderlich gehalten wurde) und LG Oldenburg Blutalkohol 2 0 0 4 85 (Vorliegen eines nachdrücklich positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens). Ausführlich dazu Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 118: dort im Anschluss an die grundlegenden Ausführungen von Bruns J Z 1958 6 4 7 („Richterliche Überzeugungsbildung bei Prognose-Entscheidungen über Sicherungsmaßregeln"); vgl. auch Bruns, Strafzumessungsrecht, S. 173 ff.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
Von diesem Ausgangspunkt aus lässt sich klären, inwieweit der Grundsatz „in dubio pro reo" auch bei der Entscheidung nach § 69 zu berücksichtigen ist. Wenn das Prinzip in Literatur und Rechtsprechung wegen der jeder Prognose zukünftiger Geschehensabläufe zwangsläufig eigenen Unsicherheit gelegentlich für schlechthin unanwendbar gehalten wird, 350 ist dies jedenfalls missverständlich. Denn der Grundsatz „in dubio pro reo", wonach ein nicht völlig aufgeklärter Sachverhalt nicht zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden darf, entfaltet volle Wirksamkeit, soweit es um die Feststellung der Tatsachen geht, die der richterlichen Diagnose bestehender bzw. der Prognose fortdauernder künftiger Ungeeignetheit als Beurteilungsmaterial zugrunde liegen. Zur vollen Überzeugung des Gerichts müssen daher nicht nur Prognosetatsachen jeder Art erwiesen, 351 sondern auch Eignungsmängel müssen als solche durch erwiesene Tatsachen belegt sein; ein nicht eindeutig geklärter Sachverhalt darf nicht zu Ungunsten des Angeklagten verwertet werden (unbestritten). Was jedoch die richterliche Prognose künftiger Gefährlichkeit als solche angeht, wird ihrer zwangsläufigen Unsicherheit bereits auf materiellrechtlicher Ebene dadurch Rechnung getragen, dass das erkennende Gericht bei Annahme künftiger Gefährlichkeit und daraus folgender Ungeeignetheit sich mit der hinreichenden „Wahrscheinlichkeit" weiterer Straftaten begnügen darf (Rdn. 65). Steht nicht zur völligen Gewissheit des erkennenden Gerichts fest, ob der in der Tat zum Ausdruck gekommene Eignungsmangel „wahrscheinlich" oder nur „möglicherweise" weitere Rückfälle erwarten lässt, muss im Zweifel zugunsten des Angeklagten von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden. 352
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4. Einer besonderen (zusätzlichen!) Prüfung der Verhältnismäßigkeit, wie sie nach § 62 bei Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung im Allgemeinen erforderlich ist, bedarf es bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes (§ 69 Abs. 1 Satz 2) nicht. 353 Da unbedeutende Verkehrsverstöße nicht zur Annahme der Ungeeignetheit führen, die Feststellung der Ungeeignetheit darüber hinaus in vielfacher Weise von Art und Grad der vom Täter ausgehenden Gefahren abhängig gemacht ist und selbst die Regelvermutung nach § 69 Abs. 2 im Einzelfall widerlegbar ist (dazu nachfolgend Rdn. 87 ff), geht das Gesetz ersichtlich davon aus, dass die Maßregel bei festgestellter Ungeeignetheit des Täters stets verhältnismäßig ist. 3 5 4 Liegen somit die Voraussetzungen des § 69 vor, ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne dass es weiterer Prüfung der Verhältnismäßigkeit bedarf. Daran hat sich auch durch die Entscheidung des Großen Strafsenates (BGHSt 50, 93 ff) nichts geändert; gerade weil es ausweislich von Abs. 1 Satz 2 keiner „weiteren Prüfung nach § 6 2 " bedarf, erfordert schon die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis als solche, d.h. die Prüfung der Voraussetzungen des Satzes 1 von Abs. 1 - nicht zuletzt im Hinblick auf das Vorliegen einer „Zusammenhangstat" oder bezüglich der Feststellung der Ungeeignetheit
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So etwa von OLG Schleswig DAR 1954 139, OLG Karlsruhe VRS 17 (1959) 120 und OLG Hamm NJW 1971 1620 (dagegen Geppert NJW 1971 2156) sowie Weihrauch NJW 1971 831 und Lienen DAR 1957 122. Ausführlich Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 112 und S. 117 f; vgl. denselben auch in NJW 1971 2156. Ausführlich Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 118 ff; zusammenfassend ders. in NJW 1971 2156. Ebenso Sch/Schröder/Stree
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Rdn. 5 5 (zu § 69) und 9 Vor § 61, Hentschel Trunkenheit Rdn. 621 und Fischer Rdn. 3 Vor § 61. Offenbar etwas strenger Montenbruck In dubio pro reo (1985), S. 131. Kritisch zum Ausschluss einer solchen zusätzlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung Herzog NK Rdn. 36; skeptisch wohl auch Kühl J R 2 0 0 4 127. OLG Zweibrücken VM 1976 76; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 650 und Sch/Schröder/Stree Rdn. 56.
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als solcher 355 - die sorgfältige Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 356 Rechtsfehlerhaft wäre es daher, die Entziehung der Fahrerlaubnis trotz festgestellter Ungeeignetheit etwa im Hinblick auf besonders schwerwiegende wirtschaftliche Folgen (Verlust des Arbeitsplatzes) 357 oder im Hinblick auf den Bagatellcharakter der Anlasst a t 3 5 8 als unverhältnismäßig abzulehnen; denn wenn die „Ungeeignetheit" gesetzeskonform festgestellt ist, kann die daraus folgende Entziehung der Fahrerlaubnis niemals unverhältnismäßig sein. 3 5 9 Das entbindet das Gericht jedoch keineswegs davon, das Verhältnismäßigkeitsgebot bei Bemessung der Sperrfrist (dazu Rdn. 2 4 zu § 69a) sowie bei Zulassung möglicher Ausnahmen von der Sperre nach § 69a Abs. 2 (dazu dortige Rdn. 9 ff) angemessen zu berücksichtigen.
ΠΙ. Feststellung der Ungeeignetheit im Einzelnen 1. Gesamtwürdigung von Tat und Täter 68
a) Während der Verwaltungsbehörde im Rahmen der Eignungsprüfung ausweislich von § 3 Abs. 1 StVG eine umfassende Persönlichkeitsprüfung vorgeschrieben ist, erwähnt Absatz 1 von § 69 als Erkenntnisgrundlage zur Beurteilung der mangelnden Eignung nur die begangene Tat. Damit hat das Gesetz zum Ausdruck bringen wollen, dass sich die Beurteilung des Eignungsmangels in erster Linie auf die begangene Tat und darüber hinaus nur auf diejenigen Züge der Persönlichkeit des Täters stützen darf, die in der jeweiligen Tat symptomatisch zum Ausdruck gekommen sind. 360 Soweit der Eignungsmangel nicht in unbehebbaren körperlichen oder geistigen Eignungsmängel besteht (die jedoch ebenfalls in der Anlasstat zum Ausdruck gekommen sein müssen), folgt für den Tatrichter hieraus, zur Beurteilung der (ursprünglich erwiesenen und zum Zeitpunkt der Entscheidung noch fortbestehenden) Ungeeignetheit zunächst und vor allem auf die konkrete (begangene) Tat abzustellen und von hier aus zu fragen, ob allein schon der durch
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S. dazu etwa BGH VRS 107 (2005) 365 sowie BGH N Z V 2 0 0 3 199 (unter Hinweis auf VerfG N Z V 2 0 0 2 424). So zu Recht auch Hentschel Trunkenheit Rdn. 650. So aber AG Homburg NJW 1 9 8 4 2 8 4 0 in einem Fall drohenden Arbeitsplatzverlustes; dagegen zu Recht Kürschner ZRP 1986 308, Sch/Schröder/Stree Rdn. 56 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 650. So offenbar auch AG Bremen-Blumenthal StV 2 0 0 2 372, nach dessen Ansicht in § 69 Abs. 1 S. 2 nur „eine Befreiung, jedenfalls aber kein Verbot" zum Ausdruck kommt und das daher „im Einzelfall auf den in § 62 StGB normierten Grundsatz" zurückgreifen will. Auf dieser Linie liegt ersichtlich auch das BVerfG, wenn es in DAR 2 0 0 0 565 eine (vorläufige) strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis trotz drohenden Verlusts der Arbeitsstelle als verkehrssichernde Präven-
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tionsmaßnahme verfassungsrechtlich als unbedenklich bestätigt. Ebenso BVerfG N Z V 2 0 0 2 4 2 2 ff zur verwaltungsbehördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis. Ausweislich der Amtl. Begründung zum 2. StraßenVSichG wird „auch künftig im Allgemeinen eine sorgfältige Abwägung aller Umstände, welche die Persönlichkeit des Täters mit einbezieht, unerlässlich sein. Nur ist eine Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit, die sich auf alle ihre Eigenschaften erstreckt, weder geboten noch überhaupt zulässig" (BTDrucks. IV/651, S. 17). Unzutreffend danach die Ansicht von Czermak (NJW 1963 1225), auch bei der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis sei die Anknüpfungstat nur der äußere Anlass für eine ansonsten umfassende Prüfung der charakterlichen Eignung; jedenfalls missverständlich insoweit auch Jagusch DAR 1955 99 und Schmidt-Leichner NJW 1953 1850.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
die Tat vermittelte ungünstige Eindruck ein hinreichend sicheres Indiz für die künftige Gefährlichkeit des Täters im Straßenverkehr ist. Inwieweit daneben noch das Persönlichkeitsbild des Täters zu berücksichtigen ist, hängt von Art und Schwere der jeweiligen Tat ab. Seit der Gesetzgeber die mit der Feststellung der Ungeeignetheit verbundene diagnostisch-prognostische Aufgabe des Tatrichters durch den Regelkatalog des Absatzes 2 erleichtert hat, 3 6 1 lassen sich zwei Konstellationen unterscheiden: Auszugehen ist von dem durch das 2. StraßenVSichG (1964) eingefügten Regelkatalog des Absatzes 2, bei dem die Indizwirkung der abzuurteilenden Tat nach der Konzeption des Gesetzes so stark ist, dass eine umfassende Würdigung der Gesamtpersönlichkeit entbehrlich ist; hier kann sich der Tatrichter also darauf beschränken zu prüfen, ob besondere Gründe in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters die Eignung ausnahmsweise rechtfertigen (näher dazu Rdn. 87 ff). In allen anderen Fällen ist eine von den Umständen des Einzelfalles abhängige umfassende Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Täters, soweit sie in der Tat zum Ausdruck gekommen ist, erforderlich: 362 es sei denn, es handle sich bei der abzuurteilenden Tat um ein den Katalogtaten vergleichbares, für die Sicherheit des Straßenverkehrs also ähnlich gefährliches Fehlverhalten; in diesem (seltenen) Fall bedarf es ebenfalls keiner umfassenden Persönlichkeitsprüfung. Näher dazu nachfolgend Rdn. 104 ff. b) Als Kriterien zur Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit des Täters kommen vor allem sein Vorleben und hier insbesondere frühere Auffälligkeiten im Straßenverkehr, ggf. auch langes unfallfreies Fahren, ferner sein Verhalten nach der Tat (z.B. nachträgliches Verkehrsverhalten, Prozessverhalten oder Teilnahme an Nachschulungskursen für alkoholauffällige Ersttäter) sowie alle sonstigen Persönlichkeitsmerkmale und Umstände in Betracht, aus denen Rückschlüsse auf mangelndes Verantwortungsbewusstsein im Straßenverkehr gezogen werden können. Äußerungen und Angaben des Beschuldigten, die wegen fehlender Belehrung nicht verwertet werden dürfen, können auch bei der Gesamtwürdigung nicht zum Nachteil des Täters verwertet werden. 363 Zur Kasuistik im Einzelnen:
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aa) Von größter Bedeutung sind einschlägige Vorstrafen 3 6 4 sowie ggf. auch ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorbelastungen. 365 Entgegen dem grundsätzlichen Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG dürfen ausweislich von § 52 Abs. 2 B Z R G 3 6 6 bei der maßregelbezogenen Eignungsprüfung (nicht jedoch bei der Strafbemessung) auch getilgte sowie tilgungsreife Eintragungen berücksichtigt werden, sofern die Verurteilung wegen dieser Tat im Verkehrszentralregister nach § 28 StVG einzutragen war und gemäß § 29
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Dies ersichtlich im Anschluss an die grundlegende Entscheidung BGHSt 7 165 ff; vgl. insofern auch OLG Braunschweig DAR 1958 193. Langjährig gefestigte Rechtsprechung: vgl. aus jüngerer Zeit nur BGH (3 StR 560/96) NStZ-RR 1998 43, BGH (1 StR 328/98) StV 1999 18 und BGH (4 StR 100/04) VRS 107 (2004) 172. LG München I StV 1999 143 und LG Koblenz DAR 2002 326 = N Z V 2002 422. Ebenfalls langjährig gefestigte Rechtspre-
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chung: vgl. schon BGH VRS 13 (1957) 212; BGH VRS 14 (1958) 286; BGH VRS 15 (1958) 114; BGHSt 29 62 (früheres strafgerichtliches Fahrverbot); KG VRS 6 (1954) 384; OLG Düsseldorf NJW 1961 979 und VRS 54 (1978) 50; OLG Frankfurt VRS 50 (1976) 416,419. Vgl. auch BGH VRS 14 (1958) 286 und VRS 15 (1958) 114. Gegen diese Regelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerwG N J W 1977 1164).
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StVG noch verwertet werden darf. 3 6 7 Aufschlussreich können auch Vorstrafen aus dem Bereich der allgemeinen Kriminalität sein: dies nicht nur im Hinblick auf einschlägige „Zusammenhangstaten" (wobei seit der durch den Großen Strafsenat in BGHSt 50 93 ff vorgegebenen einschränkenden Linie Vorsicht gegenüber früherer Rechtsprechung angebracht ist: s. bereits Rdn. 32 ff), sondern auch bezüglich sonstiger Vorstrafen, sofern daraus Rückschlüsse auf einen rücksichtslosen Charakter des Täters möglich sind und Anlass zu der Befürchtung besteht, dass solche Rücksichtslosigkeit sich auch im Straßenverkehr nachteilig auswirken wird. 3 6 8 Das Punktsystem des § 4 StVG und der §§ 4 0 ff FeV, 3 6 9 wie es „zum Schutz vor Gefahren, die von wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführern und -haltern ausgehen", im Interesse einheitlicher Behandlung gleich liegender Fälle als allgemeine Verwaltungsvorschrift bei der behördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis zu beachten ist, ist für die Strafgerichte an sich nicht bindend; ebenso wie einschlägige ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorbelastungen ist jedoch auch das Punktsystem für die strafgerichtliche Beurteilung der Ungeeignetheit im Rahmen der Persönlichkeitswürdigung des Täters von indiziellem Wert und von hier aus auch bei der strafgerichtlichen Entziehung nicht bedeutungslos. 71
bb) Langjähriges unfallfreies Fahren und (vor allem) sonst beanstandungsfreies Verkehrsverhalten 370 spricht an sich für lediglich einmaliges Versagen im Verkehr, was den Täter für die Zukunft nicht unbedingt als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist. 371 Zu Recht strenger ist die Rechtsprechung jedoch, soweit es sich um eine Katalog- oder eine vergleichbar schwere andere Straftat handelt; hier ist selbst langjährige Unfall- und beanstandungsfreie Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr für sich allein in aller Regel nicht geeignet, die durch die Anlasstat belegte Vermutung der Ungeeignetheit zu entkräften (näher dazu Rdn. 87 ff). 3 7 2 Ebenfalls nur geringe Bedeutung misst die
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Dazu schon OLG Düsseldorf VRS 54 (1978) 5 0 und OLG Frankfurt VM 1977 31 sowie aus jüngerer Zeit VG Regensburg N Z V 2 0 0 0 223. Zur Verwertbarkeit getilgter, vor dem 1. Januar 1999 Verurteilungen im Verfahren über Erteilung oder Entziehung der Fahrerlaubnis s. Hentschel NJW 2 0 0 0 1905. Missverständlich wohl BVerwG N Z V 1988 3 7 (dagegen zu Recht Steinert aaO S. 38). Wohl zu weit aber OLG Hamm DAR 1961 2 3 0 ; nicht streng genug indes BGH bei Martin DAR 1966 92. Zum Zusammenhang zwischen allgemeiner Kriminalität und Fahreignung aus kriminologischer Sicht Sauer GA 1956 2 5 3 ; zu „Verkehrsdelinquenz und allgemeiner Kriminalität" aus empirischer Sicht auch Schock N J W 1971 1857. Amtl. Begründung: BRDrucks. 821/96 S. 5 2 ff und BRDrucks. 321/00 S. 19 ff. Näher zum Punktesystem des vormaligen § 15b StVZO, das weitgehend inhaltsgleich durch § 4 StVG i.V. mit § § 4 0 ff FeV ersetzt wurde, Jagow N Z V 1 9 8 9 7 ff. Fehlende Registervermerke liefern nach OLG Köln JR 1955 3 0 9 (zustimmend Härtung aaO) für sich allein kein unbedingt
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zuverlässiges Bild; dies gilt wegen des möglichen Dunkelfeldes auch nach Einrichtung des Verkehrszentralregisters (§§ 28 ff StVG). Speziell zur Berücksichtigung langjährig unbeanstandeter Fahrpraxis im Rahmen der Regelvermutung vor allem Zabel Blutalkohol 1982 2 6 9 ff und Zabel/Noss Blutalkohol 1989 2 5 8 ff: je mit ausführlichem Rechtsprechungsmaterial. Vgl. auch BGH VRS 7 (1954) 3 5 6 und VRS 7 (1954) 359. Für viele: BGH VRS 17 (1959) 2 5 und BGH bei Holtz MDR 1992 17 sowie OLG Karlsruhe VRS 68 (1985) 360, KG VRS 60 (1981) 109, OLG Stuttgart VRS 4 2 (1972) 357, OLG Düsseldorf VM 1971 5 9 und BayObLG bei Rüth DAR 1967 2 9 0 ; ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 43, Hentschel/ König Rdn. 19a, Kunkel DAR 1987 4 2 und Scherer Blutalkohol 1983 126. Wohl zu großzügig LG Zweibrücken StV 1989 250, LG Saarbrücken DAR 1981 395 und Blutalkohol 1 9 9 9 311, AG St. Ingbert ZfS 1998 153 (einschränkend aber LG Saarbrücken ZfS 1998 152), AG Homburg ZfS 1996 354, AG Köln DAR 1987 2 3 3 und AG Esslingen DAR 1982 382.
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Rechtsprechung der Tatsache zu, dass der Täter (sofern er seinen Führerschein behalten durfte oder ihn vorzeitig zurückerhalten hat) nach der Anlasstat bis zur tatrichterlichen Entscheidung verkehrsmäßig nicht erneut negativ aufgefallen ist. 3 7 3 Dies gilt nicht nur bei (an sich verkehrsfremden) Zusammenhangstaten, wo sich der zur Fahrerlaubnisentziehung führende Charaktermangel ohnehin nicht zwingend im alltäglichen Verkehrsgeschehen auswirken muss, 3 7 4 sondern auch sonst. 3 7 5 So liefert das durch den Druck eines anhängigen Verfahrens beeinflusste Wohlverhalten eines Kraftfahrers für sich allein 3 7 6 in aller Regel keinen ausreichenden Anhaltspunkt für die Beseitigung eines durch die Tat indizierten Charaktermangels. 3 7 7 Auch wenn diese Strenge nicht zuletzt durch die hohe Dunkelziffer bei Verkehrsstraftaten und Verkehrsordnungswidrigkeiten im Allgemeinen gerechtfertigt sein dürfte, 3 7 8 ist seit einiger Zeit auf Bemühungen im neueren Schrifttum 3 7 9 und dem folgend auf vorsichtige Ansätze meist unterinstanzlicher Gerichte hinzuweisen, jedenfalls bei länger dauernder (jedenfalls mehr als der normalen Mindestzeit von sechs Monaten) beanstandungsfreier weiterer Teilnahme am Straßenverkehr (und verstärkt, wenn weitere Umstände gegen eine fortbestehende Ungeeignetheit sprechen 3 8 0 ) im Einzelfall auch ohne diesen Druck gleichzeitig wirksamer vorläufiger Führerscheinmaßnahmen von einer Entziehung der Fahrerlaubnis absehen zu können. 3 8 1
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... dies selbst bei verhältnismäßig großer km-Leistung: OLG Frankfurt VRS 55 (1978) 181, OLG Stuttgart VRS 46 (1974) 103) und OLG München NJW 1992 2776 (dagegen nachdrücklich Uwe Schulz NZV 1997 65). Zu Recht streng BGH bei Holtz MDR 1986 986. Zu dieser insgesamt recht strengen Linie der Rechtsprechung schon BGH VRS 14 (1958) 286 und KG VRS 6 (1954) 386; so aber auch OLG Hamm JMB1 NW 1963 158, OLG Köln DAR 1966 271, OLG Koblenz VRS 67 (1984) 254 und NZV 1997 369 (trotz beanstandungsfreier Zeit über 15 Monate), OLG München NJW 1992 2776, OLG Düsseldorf DAR 1996 413 (dagegen Schulz NZV 1997 63), OLG Stuttgart NZV 1997 316 und LG Hamburg Blutalkohol 1986 453. Generelle Zustimmung wohl bei Hentschel Trunkenheit Rdn. 619. Anderes mag gelten, wenn der Täter gleichzeitig durch vorläufige Führerscheinmaßnahmen längerfristig aus dem allgemeinen Straßenverkehr ausgeschlossen wird: dazu Rdn. 95 ff. OLG Koblenz VRS 68 (1985) 119, OLG Karlruhe VRS 68 (1985) 360, OLG Düsseldorf NJW 1971 59 und NZV 1997 92 (dagegen Uwe Schulz aaO S. 62 ff) sowie OLG Köln DAR 1966 271. OLG Hamm JMB1 NW 1963 158: kritisch Schulz ZfS 1998 362, zustimmend jedoch Hentschel Trunkenheit Rdn. 619. Zu Fragen
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der Dunkelziffer insbesondere bei Trunkenheitsdelikten Kunkel Biographische Daten und Rückfallprognose bei Trunkenheitstätern im Straßenverkehr (1977); vgl. auch Müller Blutalkohol 1979 357 und 1982 276. Weitere Nachweise zur Dunkelziffer der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss bei Hentschel Trunkenheit Rdn. 264 zu Rdn. 619. So vor allem von Uwe Schulz („Wegfall der Ungeeignetheit i.S. des § 69 StGB durch Zeitablauf") in NZV 1997 62 ff; dagegen partiell (obgleich tendenziell in der gleichen Richtung) Himmelreich DAR 1997 305 ff. Vgl. etwa BGH (4 StR 189/00) DAR 2000 532 sowie OLG Karlsruhe DAR 2001 469 sowie NZV 2004 537 = VRS 107 (2004) 190. So etwa LG Münster DAR 2005 702 (18 Monate, davon jedoch 14 mit vorläufigem Fahrerlaubnisentzug), LG Hannover StV 1988 521 (sogar nur fünf Monate, doch große km-Leistung: eher bedenklich), LG Wuppertal NJW 1986 1769 (knapp 14 Monate bei etwa 23.000 km), LG Trier VRS 63 (1982) 210 (ebenfalls ca. 14 Monate beanstandungsfreier Teilnahme am Verkehr nach Anlasstat) sowie LG Düsseldorf ZfS 1980 187; eher skeptisch noch Hentschel Trunkenheit Rdn. 619; Zustimmung jedoch bei Sch/Schröder/Stree Rdn. 43. Deutliche Ablehnung dieser vorsichtigen Richtungsänderung jedoch durch OLG Düsseldorf NZV 1997 92 (einjährige beanstandungs-
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Auch einzelne Strafsenate des Bundesgerichtshofes scheinen dieser Entwicklung jedenfalls in krassen Fällen nicht mehr unbedingt widersprechen zu wollen. 382 Demgegenüber fällt der „gute Eindruck", den ein Angeklagter in der Hauptverhandlung hinterlassen hat (und wie ihn wohl die meisten Täter zu machen bestrebt und häufig auch in der Lage sind), gegenüber der mit der Tat bewiesenen charakterlichen Fehlhaltung (einzeln oder auch zusammen mit weiteren Umständen) nicht entscheidend ins Gewicht. 3 8 3 72
cc) Wie bereits ausgeführt (Rdn. 63), ist es dem Gericht nur in engen Grenzen erlaubt, wirtschaftliche, berufliche oder sonstige finanzielle Nachteile für den Betroffenen bei der Entziehung der Fahrerlaubnis mitzuberücksichtigen. Von solchen Nachteilen geht eine nachhaltige spezialpräventive Wirkung in aller Regel erfahrungsgemäß nur aus, wenn der Betroffene sie eine gewisse Zeit am eigenen Leib verspürt hat; lediglich drohende Härten dieser Art sind bei der Entziehung der Fahrerlaubnis somit in aller Regel nicht zu berücksichtigen. Etwas anderes kann für die Bemessung der Sperrfrist (dazu die dortige Rdn. 24) sowie ausnahmsweise schon im Rahmen der Fahrerlaubnise«iz»eAiM«g gelten, soweit der Täter auf Grund vorläufiger Führerscheinmaßnahmen schon für eine gewisse Zeit zwangsweise aus dem Straßenverkehr ausgeschlossen worden war (dazu nachfolgend Rdn. 95 ff).
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dd) Zurückhaltung ist auch angebracht bei Berücksichtigung des Täterverschuldens, des Maßes der Pflichtwidrigkeit sowie der Schwere der dadurch eingetretenen Tatfolgen. 384 Hierbei handelt es sich an sich um typische Strafzumessungsaspekte, die auf Tatunrecht und Täterschuld ausgerichtet und als solche zwar für § 4 6 gültig, bei ausschließlich gefahrorientierten Maßregeln und damit auch bei Entziehung der Fahrerlaubnis jedoch nur eingeschränkt anwendbar sind. 385 So kann es (zwar nicht bei körperlich-geistigen, wohl aber) bei charakterlichen Eignungsmängeln Fälle geben, wo aus Art und Grad des Verschuldens bzw. der Pflichtwidrigkeit und der daraus resultierenden Tatfolgen geeignete Hinweise für die Persönlichkeit des Täters und von hier aus Indizien zur Feststellung künftiger Gefährlichkeit (und ihrer voraussichtlichen Dauer) zu gewinnen sind; die erkennenden Gerichte haben sich aber davor zu hüten, hinter maßregelkonformer Begründung der Sache nach an Schuld und Unrecht orientierte „Strafzumessung praktizieren zu wollen. In höherer Schuld zwangsläufig größere (und ggf. länger dau-
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freie Zeit) sowie OLG Koblenz N Z V 1997 369 (ca. 15 Monate); dagegen aber mit beachtlichen Gründen Uwe Schulz NZV 1997 62 ff und Himmelreich DAR 1997 305 ff. BGH (3 StR 3 4 5 / 9 1 ) VRS 82 (1992) 19 (fast vier Jahre beanstandungsfreier weiterer Teilnahme am Straßenverkehr) einerseits sowie BGHR (1 StR 4 5 5 / 9 0 ) , StGB § 69 Entziehung 2 andererseits (rund zweieinhalb Jahre unauffälligen Verkehrsverhaltens nach Anlasstat). OLG Stuttgart VRS 4 2 (1972) 358; ebenso Krehl DAR 1986 37. Vorsicht ist gegenüber der Amtl. Begründung zum 2. StraßenVSichG (BTDrucks. IV/651, S. 16) angebracht, wenn diese davon
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spricht, „dass Unrecht und Schuld häufig als Indiz für den Eignungsmangel herangezogen werden müssen". Ausführlich (und einschränkend) Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 91 ff (zur Berücksichtigung von Schuldaspekten) und S. 93 ff (zur Berücksichtigung der Tat und der Schwere ihrer Folgen). Dass das Maß der Schuld bei Entzug der Fahrerlaubnis und Bemessung der Sperrfrist grundsätzlich unbeachtlich ist, wird heute nicht mehr bestritten; s. für viele schon BGH J Z 1954 165, BGH VRS 21 (1961) 2 6 3 und VRS 2 3 (1962) 4 4 3 sowie BGH bei Martin DAR 1964 100. Eindeutig verfehlt LG Bielefeld DAR 1953 97.
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ernde) Gefährlichkeit zu erblicken und beides einander unbesehen gleichzustellen, 386 wäre ebenso sachwidrig wie aus der Schwere der eingetretenen Tatfolgen auf erhöhte künftige Gefährlichkeit schließen zu wollen. 387 Die Berücksichtigung solcher Aspekte darf also keinesfalls schablonenhaft erfolgen. 388 Auch das grob verkehrswidrige Mitverschulden eines anderen Verkehrsteilnehmers liefert kein brauchbares Indiz für mangelnde charakterliche oder fahrtechnische Eignung des Täters, kann aber ein (nicht allzu schweres) Fehlverhalten als einmaliges Versagen in einer besonderen Gefahrensituation ausweisen, das als solches eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht rechtfertigt. 389 ee) Auch Beruf und soziale Stellung des Täters dürfen im Rahmen der Persönlichkeitswürdigung nur zum Nachteil des Betroffenen berücksichtigt werden, soweit daraus Hinweise für eine besondere Verantwortungslosigkeit des Täters zu gewinnen sind, was eher selten anzunehmen sein dürfte. Gelegentlich neigt die Rechtsprechung dazu, bei entsprechendem Fehlverhalten aus besonderer beruflicher Verantwortung auch besondere Verantwortungslosigkeit abzuleiten und im Rahmen der Eignungsfrage zu Lasten des Betroffenen zu berücksichtigen. 390 Dies entspricht nicht der Konzeption des Gesetzes; insbesondere Berufskraftfahrer (Fahrlehrer, Taxi- oder Busfahrer) oder mit Fragen des Verkehrsstrafrechts befasste Personen (z.B. Verkehrs)uristen bei Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht, Behörde oder Anwaltschaft) würden damit maßregelwidrig gegenüber anderen Berufsträgern benachteiligt, zumal heutzutage nicht nur die genannten Berufsträger z.B. um die Gefahren des Alkohols im Straßenverkehr wissen. Wenn solchen Personen im Hinblick auf ihren Beruf oder ihre damit verbundene Vorbildrolle erhöhte Verantwortungslosigkeit vorgeworfen und die Entziehung der Fahrerlaubnis im Wesentlichen darauf gestützt wird, handelt es sich in Wahrheit um „Strafe" für erhöhte Schuld oder jedenfalls um eine generalpräventive Verschärfung der Maßregel (dazu Rdn. 3); beides wäre gleichermaßen unstatthaft. 391
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ff) Wenn für die Beurteilung der Ungeeignetheit der Zeitpunkt der letzten tatrichterliehen Entscheidung maßgebend ist (Rdn. 58), können bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit auch Vorgänge/Umstände berücksichtigt werden, die sich erst nach Begehung der Tat verwirklicht haben (dazu bereits Rdn. 61 ff): dies aber nur, soweit die Umstände geeignet sind, die in der Anlasstat symptomatisch hervorgetretenen Eignungsbedenken zu verstärken oder die durch die Tat an sich bereits erwiesene Ungeeignetheit nachträglich wieder entfallen zu lassen. Belastend wirkt sich daher vor allem aus, wenn der Täter trotz laufenden Strafverfahrens erneut einschlägige Verfehlungen begeht und damit unter
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So etwa BayObLG VRS 15 (1958) 41 (zur Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber einer Schwangeren nach Verkehrsunfallflucht), wo Straf- und Maßregelaspekte nicht deutlich genug auseinandergehalten werden. Bedenklich daher OLG Braunschweig VRS 14 (1958) 356; ähnlich (wenngleich etwas vorsichtiger formulierend) OLG Karlsruhe VRS 17 (1959) 118. Ausführlich dazu Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 91 ff; vgl. auch Kulemeier S. 105 f und Hentschel Trunkenheit Rdn. 606.
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BGH VRS 10 (1956) 216. Vgl. BGH VRS 13 (1957) 212, OLG Oldenburg NJW 1964 1333 (betrunkener Taxifahrer auf Heimfahrt und ohne Gäste!) und OLG Braunschweig NJW 1960 1074; weitere Nachweise bei H.}. Baum Die Entziehung der Fahrerlaubnis im LG-Bezirk Bonn in den Jahren 1957 bis 1959 (Diss. jur. Bonn) S. 51 und Blum Die Entziehung der Fahrerlaubnis im AG-Bezirk Bonn (Diss. jur. Bonn 1961) S. 51. Näher Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 93 und S. 112; dazu auch Kulemeier S. 232 f.
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Beweis stellt, dass es sich bei dem abzuurteilenden Fehlverhalten keineswegs um ein einmaliges Versagen gehandelt hat. Zur Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Ungeeignetheit nachträglich entfallen kann, wenn die zu beurteilende Tat ein Jahr oder länger zurückliegt und der Täter in der Zeit zwischen Tat und Hauptverhandlung nicht mehr nachteilig aufgefallen ist, bereits Rdn. 71 und nachfolgend Rdn. 94 zum Fall, dass der Täter in dieser Zeit seinen Führerschein behalten und weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen konnte, sowie nachfolgend Rdn. 95 ff zur Konstellation einer zugleich wirksamen vorläufigen Führerscheinmaßnahme. Zur Auswirkung der Teilnahme an Nachschulungskursen für alkoholauffällige Kraftfahrer nachfolgend Rdn. 97 ff. 76
gg) Nachträgliches Prozessverhalten des Täters kann die Entziehung der Fahrerlaubnis nur rechtfertigen, wenn sich daraus absolute Uneinsichtigkeit oder gar Rechtsfeindschaft ergibt und damit ein Charaktermangel verdeutlicht wird, wie er bereits zu der abzuurteilenden Tat geführt hat. 3 9 2 Zu Recht lehnt es die Rechtsprechung überwiegend ab, aus legitimem Verteidigungsvorbringen, bloßem Leugnen der Tat oder auch nur aus dem Versuch, den Anklagevorwurf zu bagatellisieren, eine besonders rücksichtslose Verkehrsgesinnung ableiten und von hier aus die Eignung des Kraftfahrers wegen charakterlicher Defizite in Frage stellen zu wollen; 3 9 3 es muss sich auf jeden Fall um eine „über das normale Leugnen hinausgehende Uneinsichtigkeit" handeln. 3 9 4 Somit verbietet es sich, schon eine bloße Uneinsichtigkeit, das ständige Nichtbefolgen polizeilicher Vorladungen oder die Weigerung, auf Aufforderung der Polizei den Führerschein am Unfallort freiwillig auszuhändigen, als Indizien dafür anzusehen, den aus der Tat erwiesenen Eindruck charakterlicher Ungeeignetheit (wenn auch nicht für sich allein zu begründen, so doch) maßgeblich zu verstärken. 395 Bedenklich ist danach das Bemühen einzelner Autoren, die Fahrerlaubnisentziehung auf den Vorwurf „schuldhafter" Verfahrensverzögerung zu stützen und dies mit dem Hinweis rechtfertigen zu wollen, der Angeklagte habe ausschließlich in der Hoffnung und Erwartung Berufung eingelegt, unter Berücksichtigung der bis dahin wirksamen vorläufigen Führerscheinmaßnahmen im Zeitpunkt der berufungsgerichtlichen Entscheidung nicht mehr für ungeeignet befunden zu werden. 3 9 6 Zu Recht hat es daher das OLG Köln abgelehnt, im bewussten Hinauszögern des Hauptverhandlungstermins (mit dem Ziel, vom Berufungsgericht wegen des bereits
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In dieser Richtung vor allem Mohr NJW 1 9 5 7 941 und Lienen N J W 1957 1140; gegenteiliger Ansicht, d.h. (aus unterschiedlichsten Gründen) jede Berücksichtigung des Prozessverhaltens ablehnend jedoch Görres N J W 1 9 5 7 1428. S. dazu auch das Schlusswort von Lienen und Mohr N J W 1957 1750. Auf deren (insgesamt strenger) Linie heute auch Hentschel/König Rdn. 12, Hentschel Trunkenheit Rdn. 620, Janiszewski Rdn. 710 und Kulemeier S. 106 und 241. OLG Celle DAR 1984 93 sowie OLG Hamm VRS 3 6 ( 1 9 6 9 ) 95. Lienen N J W 1957 1750. Auf dieser Linie neuerdings zu Recht auch OLG Karlsruhe N Z V 2 0 0 4 537: dort mit den zusätzlichen Hinweisen, 1. dass ein pauschales Bestreiten eines Tatvorwurfs nicht als Teileinlassung,
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sondern als Schweigen zu verstehen sei, das auch bei der Maßregelentscheidung nicht zum Nachteil des Beschuldigten verwertet werden dürfe, und 2. dass Gleiches auch für den - zeitweiligen - Verzicht auf Antritt eines Entlastungsbeweises zu gelten habe. Bedenklich daher OLG Braunschweig VRS 14 (1958) 3 5 7 und OLG Hamm VM 1958 Nr. 140; Zustimmung bei Scherer Blutalkohol 1983 128. Zu Recht strenger OLG Schleswig DAR 1957 274. So etwa Werner DAR 1976 8 und D. Meyer MDR 1976 6 3 3 ; dagegen zu Recht Hentschel DAR 1976 150, Geppert ZRP 1981 89, Mogele ZRP 1982 102 und Janiszewski DAR 1 9 8 9 137. Berechtigte Ablehnung auch bei OLG Koblenz VRS 5 9 (1980) 415 und Kulemeier S. 241.
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wirksamen vorläufigen Fahrerlaubnisentzugs als wieder „geeignet" eingeschätzt zu werden) ein die Maßregel tragendes Indiz künftiger Gefährlichkeit sehen zu wollen. 3 9 7 Die Entziehung der Fahrerlaubnis darf nicht als Instrument zur Belohnung oder Bestrafung von „Wohlverhalten vor Gericht" missbraucht werden; folglich hat die Berücksichtigung prozesstaktischen Vorgehens und des Verhaltens vor Gericht auf jene höchst seltenen Fälle beschränkt zu bleiben, bei denen das Prozessverhalten Ausdruck absoluter Uneinsichtigkeit oder Rechtsfeindschaft ist und der Täter dadurch unmissverständlich zum Ausdruck bringt, auch künftig die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer missachten zu wollen: so etwa, wenn er trotz erwiesenen Fehlverhaltens in der Hauptverhandlung dabei bleibt, sich im Verkehr richtig verhalten zu haben, oder nachdrücklich bekundet, dass die anderen Verkehrsteilnehmer sich nach ihm und nicht er sich nach ihnen zu richten hät-
hh) Unzulässig ist es danach auch, aus dem Nachtrank eines Angeklagten dessen besondere Rücksichtslosigkeit ableiten und damit die Befürchtung begründen zu wollen, von einem derart verantwortungslosen Verkehrsteilnehmer seien auch künftig schwerwiegende Gefährdungen des Straßenverkehrs zu erwarten. 3 9 9 Wenn ein Beschuldigter mit Hilfe eines Nachtrunkes die Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration auf den Tatzeitpunkt unmöglich macht oder jedenfalls erschwert und damit den Nachweis einer Trunkenheitsfahrt zu vereiteln sucht, erschwert das zwar die Ermittlungen, 4 0 0 hat jedoch mit der durch die Tat manifestierten Verkehrsgefährlichkeit nichts zu tun 4 0 1 und sollte daher auch nicht als Ausdruck einer bereits bei Begehung der Tat vorhandenen Rechtsfeindschaft begriffen werden, um auf diesem Umweg aus dem Persönlichkeitsbild des Beschuldigten auch dessen allgemeine charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ableiten zu können. 4 0 2
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VRS 9 0 (1996) 123 (125). Dazu LG Köln N J W 1 9 5 7 1772; zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 620. Die Rechtsprechung sieht im Nachtrunk den Ausdruck genereller Rechtsfeindlichkeit und von hier aus seit langem jedenfalls einen legitimen Stra/schärfungsgrund: vgl. BGHSt 17 143 (aus der Sicht des Selbstbegünstigungsprivilegs ablehnend Baumann NJW 1962 1793); ebenso OLG Oldenburg NJW 1968 1294 und OLG Saarbrücken VRS 24 (1963) 33. Zur Ermittlungspflicht des Ermittlungsrichters hinsichtlich eines möglichen Nachtrunks auch im summarischen Verfahren nach § l i l a StPO AG Bad Säckingen DAR 2 0 0 3 186. ... ist aber keineswegs durch das strafrechtliche Selbstbegünstigungsprivileg gedeckt. Denn der aus dem Kernbereich der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 2 0 Abs. 3 GG abgeleitete Grundsatz, dass niemand zu strafrechtlicher Selbstbelastung gezwungen werden darf („nemo tenetur se ipsum accusare"),
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garantiert dem Beschuldigten lediglich die globale Garantie negativer Mitwirkungsfreiheit, schließt jedoch die Pönalisierung aktiver Selbstbegünstigungshandlungen nicht aus. Der Bereich erlaubter Selbstbegünstigung wird verlassen, wo der Beschuldigte aktiv gegen ihn sprechende Beweise trübt. Weiterführend Geppert FS Spendel, (1992) S. 6 6 7 ff und Hartmut Schneider Grund und Grenzen des strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzips (1991) S. 2 7 ff. So zu Recht OLG Saarbrücken VRS 24 (1963) 33; gegenteiliger Ansicht jedoch OLG Oldenburg (NJW 1968 1294), das im Nachtrunk eines Beschuldigten einen Ausdruck besonderer „Rücksichtslosigkeit zu Lasten der anderen Unfallbeteiligten" sieht und daraus die Befürchtung herleitet, dass von diesem Täter „auch künftig Gefährdungen des Straßenverkehrs zu erwarten sind" (eher bedenklich). Wie hier auch Kulemeier S. 238.
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2. Zur gesetzlichen Vermutung der Ungeeignetheit (Absatz 2). Der durch das 2. StraßenVSichG (1964) eingefügte Regelkatalog des Absatzes 2 zählt eine Reihe von Tatbeständen auf, deren Begehung den Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Der Gesetzgeber ging dabei von der Überlegung aus, dass die hier aufgeführten (schweren sowie gefährlichen und teilweise noch durch weitere erschwerende Umstände ergänzten) Zuwiderhandlungen in aller Regel einen solchen Grad des Versagens oder der Verantwortungslosigkeit des Täters offenbaren, dass damit zugleich dessen Ungeeignetheit feststeht (gesetzliche Vermutung der Ungeeignetheit). 403 In diesen Fällen ist die Indizwirkung der abzuurteilenden Tat so stark, dass eine umfassende Würdigung der Gesamtpersönlichkeit entbehrlich ist. Weil die gesetzliche Vermutung des Absatzes 2 jedoch widerlegbar ist, ist der Richter gehalten zu prüfen, ob im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die entweder den seiner allgemeinen Natur nach schweren Verstoß in einem weniger gefährlichen Licht als den dem Gesetzgeber vorschwebenden Regelfall erscheinen lassen oder aber die charakterliche Eignung nach Begehung der Tat günstig beeinflusst haben. 4 0 4 Für die erste Gruppe (besondere Tatumstände) nennt die Amtl. Begründung (BTDrucks. IV/651, S. 17) beispielhaft notstandsähnliche Lagen, die das Verhalten des Täters zwar nicht entschuldigen, aber immerhin als begreiflich erscheinen lassen. Als besondere Umstände in der Person des Angeklagten, die im Einzelfall gegen eine (fortbestehende) Ungeeignetheit angeführt werden können, führen die Gesetzesmaterialien den Fall an, dass der Führerschein schon vor dem Urteil in amtliche Verwahrung genommen worden ist und das Verfahren schon so lange gedauert hat, dass der Sicherungszweck der Maßregel schon durch die vorläufige Maßnahme erreicht wurde. Danach liegt die praktische Bedeutung des Abs. 2 maßgeblich darin, dass bei Vorliegen seiner Voraussetzungen die sonst gebotene Gesamtabwägung der für oder gegen die Fahreignung des Täters sprechenden Umstände unterbleiben kann und an ihre Stelle die Prüfung der Frage tritt, ob ausnahmsweise besondere Gründe die Annahme der Eignung rechtfertigen. Nach den Gesetzesmaterialien muss die Annahme solcher besonderer Umstände auf Ausnahmen beschränkt bleiben. 405
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a) Da Absatz 1 auch im Rahmen des Absatzes 2 gilt, sind die einschränkenden Voraussetzungen des Absatzes 1 auch für die Regelbeispiele des Absatzes 2 anzuwenden. Somit kommt die Entziehung der Fahrerlaubnis auch als Regelmaßnahme nur dann in Betracht, wenn der Täter die Tat als Führer eines Kraftfahrzeuges (Rdn. 24 ff) 4 0 6 oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges (Rdn. 32 ff) begangen hat. Die vom Großen Strafsenat in BGHSt 50 93 ff gewiesene restriktive Linie zum Verständnis der „Zusammenhangstaten" und der daraus folgenden Konsequenzen bei Feststellung der Ungeeignetheit ist auch hier zu beachten; auf die Rdn. 34b und 34c wird verwiesen. Die Führung eines Fahrzeuges, das kein Kraftfahrzeug ist, genügt nicht (Rdn. 2 3 ) . 4 0 7 Im Einzelnen sind im Gesetz folgende Regelbeispiele genannt: 403
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Skeptisch zur Auswahl der Indiztaten Kulemeier S. 298. Kritisch zur Lösung über eine Regelvermutung überhaupt Schiinemann DAR 1998 4 3 0 : die Feststellung des Eignungsmangels beruhe letztlich allein auf „bloßen Fiktionen" Gegen eine allzu schematische Anwendung der Regel aber auch in diesen Fällen Piesker Blutalkohol 2 0 0 4 2 0 3 ff. BTDrucks. IV/651, S. 17. Zusammenfassend und weiterführend: Krehl DAR 1986 33,
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Scherer Blutalkohol 1983 123, Zabel Blutalkohol 1982 2 6 9 und Zabet/Noss Blutalkohol 1989 258. Zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei Teilnehmern einer Katalogtat s. Dreher/Fad N Z V 2 0 0 4 231 ff. Zu Recht hat daher das LG Potsdam den Entzug der Fahrerlaubnis gegen einen betrunkenen Radfahrer abgelehnt (NStZ-RR 2 0 0 3 19.
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aa) Ausweislich der Nr. 1 werden alle (täterschaftlichen) Begehungsformen der Stra- 8 0 ßenverkehrsgefährdung nach § 315c erfasst, sofern dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert (konkret) gefährdet werden; dabei ist grundsätzlich gleichgültig, ob der Täter vorsätzlich oder fahrlässig (§ 315c Abs. 3) gehandelt hat oder die Tat im Versuchsstadium stecken geblieben ist (§ 315c Abs. 2). Erfasst ist auch die Tatbegehung mittels eines führerscheinfreien Kraftfahrzeugs. Weil § 315c ebenso wie § 69 Abs. 1 das „Führen" eines Fahrzeuges bzw. eines „Kraftfahrzeuges voraussetzt, betrifft die Nr. 1 an sich nur den Täter, nicht jedoch Teilnehmer einer Straßenverkehrsgefährdung;408 im Einzelfall bleibt zu prüfen, ob gegenüber bloßen Teilnehmern einer Straßenverkehrsgefährdung die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 nicht wegen „Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" (z.B. des Halters) in Betracht kommen kann (dazu schon Rdn. 44 ff). Erfasst sind nicht nur die Fälle des § 315c Abs. 1 Nr. 1 (Führen eines Kraftfahrzeuges im Zustand der Fahrunsicherheit), sondern auch der Nr. 2 („sieben Todsünden im Straßenverkehr"). Diesbezüglich drängt sich die Frage auf, ob manche Fahrlässigkeitsfälle dieser Nr. 2 nicht bereits unterhalb jener Grenze liegen, die der Gesetzgeber in § 69 Abs. 2 im Auge gehabt haben dürfte; daher ist jedenfalls bei leichter Fahrlässigkeit zu prüfen, ob nicht ausnahmsweise die Widerlegung der gesetzlich vermuteten Ungeeignetheit angebracht ist. 409 bb) Nach Nr. 2 indiziert auch eine folgenlose Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316) 81 die Ungeeignetheit; somit kann auch eine nur fahrlässige Begehung zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters die gesetzliche Regelvermutung widerlegen (dazu nachfolgend Rdn. 87 ff). Auch hier ist an sich nur der Täter eines Vergehens nach § 316 erfasst, nicht aber Anstifter oder Gehilfe;410 letzterenfalls bleibt jedoch zu prüfen, ob die Fahrerlaubnis z.B. des Fahrzeughalters, der wesentliche Mitursachen für die Trunkenheitsfahrt des Täters gesetzt hat, nicht wegen „Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" (§ 69 Abs. 1) zu entziehen ist.411 Eine Entziehung der Fahrerlaubnis kommt auch beim Führen eines führerscheinfreien Fahrzeuges in Betracht, wenn es sich um ein „Kraftfahrzeug (zu dessen Begriff Rdn. 22) handelt; somit kann auch eine Trunkenheitsfahrt mit dem Mofa 25 (Fahrrad mit Hilfsmotor: § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 FeV) im Wege der Regelvermutung zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen 412 und bedarf als gesetzlicher Regelfall somit keiner zusätzlichen besonderen Prüfung des Tathergangs und der Persönlichkeit des Täters. 413 Die nach § 316 („wer im Verkehr ein Fahrzeug führt") strafbare Trunkenheitsfahrt eines Radfahrers kann jedoch nicht zur Entziehung der Fahr-
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OLG Koblenz DAR 1987 297 sowie LG Koblenz VRS 100 (2001) 36. Im Einzelfall bleibt zu prüfen, ob gegenüber bloßen Teilnehmern einer Straßenverkehrsgefährdung die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht wegen „Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" (§ 69 Abs. 1) in Betracht kommen kann; s. dazu obige Rdn. 44 ff. Ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 35 mit 40 ff. Speziell zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei Teilnehmern einer Katalogtat Dreher/ Fad NZV 2004 231 ff. Vgl. OLG Koblenz DAR 1987 297 sowie LG Koblenz VRS 100 (2001) 36.
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Verfehlt daher LG Oldenburg DAR 1990 72 (ein solches Mofa würde seiner Gefährlichkeit nach eher einem Fahrrad als einem Kraftfahrzeug ähneln); dagegen zu Recht Janiszewski NStZ 1990 272 und Sch/Schröder/Stree Rdn. 36. Davon zu trennen ist die Frage, ob speziell bei der Mofa-Fahrt eines jugendlichen oder heranwachsenden Täters die Regelvermutung des Absatzes 2 nicht aus jugendstrafrechtlichen Gründen außer Kraft zu setzen ist (dazu nachfolgend Rdn. 93).
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
erlaubnis führen, da dieser die Tat nicht „bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges" (§ 69 Abs. 1) begangen hat. 4 1 4 Alkoholgenuss, der sich nicht im Tatgeschehen ausgewirkt hat, ist nicht „aus der Tat" erwiesen und kann somit nicht für eine strafgerichtliche (wohl aber für die behördliche) Entziehung der Fahrerlaubnis berücksichtigt werden (dazu bereits Rdn. 5 6 f). 82
cc) Nach Nr. 3 kommt unerlaubtes Sichentfernen vom Unfallort (§ 142) als Indiztat nur in Betracht, soweit der unfallflüchtige Täter „weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist". Im Gegensatz zu § 142, der für die innere Tatseite Vorsatz erfordert (wobei bedingter Vorsatz ausreicht), genügt im Rahmen von § 69 Abs. 2 Nr. 3 hinsichtlich der Schadensfolgen bloße Fahrlässigkeit („wissen kann"). 4 1 5 Dabei ist zu beachten, dass sich die fahrlässige Verkennung der Unfallfolgen nicht auf einen „Unfall" als solchen (der bekanntlich bereits bei nicht ganz unerheblichem Bagatellschaden zu bejahen ist: dazu Rdn. 31 ff zu § 142), sondern erklärtermaßen auf die Tötung oder die nicht unerhebliche Verletzung eines Menschen oder auf einen „bedeutenden" Sachschaden an fremder Sache zu beziehen ist. Daher sind mit der Bejahung einer (vorsätzlichen) Verkehrsunfallflucht nicht zwangsläufig auch die subjektiven Voraussetzungen der Nr. 3 von § 69 Abs. 2 erfüllt; denn bei Annahme eines auch nur bedingten Vorsatzes bezüglich eines nicht völlig belanglosen Schadens wird der Unfallflüchtige in aller Regel keineswegs wissen müssen, dass es sich um einen „bedeutenden" Fremdschaden handelt. 416 Hierzu reicht es jedoch aus, dass für den Täter die objektiven Umstände (z.B. Art/Intensität des Schadens oder Neuwertigkeit des Fahrzeugs) erkennbar waren, die die rechtliche Bewertung des Schadens als „bedeutend" begründen; nicht erforderlich ist es hingegen, dass er nach seinen persönlichen Kenntnissen auch in der Lage gewesen wäre, diese Wertung selbst vorzunehmen. 417 Geht auch die Polizei vor Ort von einem in diesem Sinn nicht „bedeutenden" Fremdschaden aus, wird man einem Täter aber wohl nicht vorwerfen können, die für die Anwendung von § 69 Abs. 2 Nr. 3 maßgebliche Grenze fahrlässig verfehlt zu haben. 418 Wie bei anderen Fahrlässigkeitstaten bedarf es jedenfalls bei leicht-fahrlässiger Nichtkenntnis der schweren Unfallfolgen besonderer Prüfung, ob die Indizwirkung noch gegeben ist (dazu nachfolgend auch Rdn. 90). 4 1 9 Ist bei dem Unfall weder ein Mensch getötet noch erheblich verletzt worden und an fremden Sachen auch kein bedeutender Schaden entstanden, entfallen die Voraussetzungen (jedenfalls) für die gesetzliche Regelvermutung auch dann, wenn der Täter irrigerweise den Eintritt eines erheblichen Schadens annimmt; in solchen Fällen bedarf es zur Entziehung der Fahrerlaubnis einer umfassenden Gesamtwürdigung wie bei NichtKatalogtaten.
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OLG Köln V M 1982 80, LG Mainz NJW 1986 1769 und LG Potsdam NStZ-RR 2 0 0 3 19. Zur entziehungseinschränkenden Bedeutung dieser Regelung vor allem Himmelreich DAR 1994 5 0 8 (dagegen teilweise Mollenkott ZfS 1995 321). Verfehlt insoweit Herbert Schäfer N Z V 1999 190. OLG Naumburg DAR 1996 108 = NZV 1996 2 0 4 : zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 6 2 7 und auf dieser Linie nunmehr
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auch AG Saalfeld VRS 101 (2002) 194. Demgegenüber verlangt Himmelreich DAR 1997 83 f die Mitberücksichtigung auch der „subjektiven Laienwertung hinsichtlich der Schadenshöhe"; ebenso offenbar Sch/Schröder/Stree Rdn. 38 (in das Wissenkönnen einzubeziehen sei auch die „betragsmäßige Wertung des Verursachten") und Lenhart NJW 2 0 0 4 192. Ebenso AG Saalfeld VRS 106 (2004) 2 8 0 (282) und AG Oschersleben DAR 2 0 0 2 369. Ebenso Sch/Schröder/Stree Rdn. 38.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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Ein schwerer Fall unerlaubten Sichentfernens vom Unfallort liegt vor, wenn bei dem Unfall „ein Mensch getötet" oder eine andere Person (als der unfallflüchtige Täter 4 2 0 ) „nicht unerheblich verletzt" worden ist. Körperliche Bagatellschäden (geringfügige Hautabschürfungen, harmlose Prellungen oder sonstige Schmerzen leichter/ersichtlich vorübergehender Art 4 2 1 oder aber Beschmutzung von Gesicht und Händen nur durch starke Schmutzspritzer aus einer Straßenpfütze 422 ) führen überhaupt nicht zu einem tatbestandsrelevanten „Unfall" und reichen somit schon zur Tatbestandserfüllung nach § 142 nicht aus (s. dazu Rdn. 31 ff zu § 142). Soll die in § 69 Abs. 2 Nr. 3 gesetzlich getroffene Einschränkung nicht überflüssig sein, genügt danach nur ein Personenschaden, der deutlich („nicht unerheblich") über der für den „Unfall"-Begriff des § 142 gültigen Bagatellgrenze liegt. In diesem Sinn ist eine körperliche Verletzung jedenfalls wohl dann erheblich, wenn das Unfallopfer vernünftigerweise ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt oder die durch den Unfall verursachten Schmerzen nicht nur geringfügig oder ersichtlich nur vorübergehender Art sind. Maßgeblich ist ein objektiver Maßstab; individuelle Überempfindlichkeit des Opfers hat ebenso außer Betracht zu bleiben wie besondere Sorglosigkeit. Führen Verletzungen etwa zu starken Blutverlusten, muss ebenso von einem „nicht unerheblichen" Personenschaden ausgegangen werden wie bei einem durch den Unfall erlittenen Schock; denn in beiden Fällen können unvorhergesehene Folgen nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
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Ein schwerer Fall der Verkehrsunfallflucht, der zur Unanwendbarkeit der Regelvermutung (Abs. 2) führt, liegt ferner vor, wenn „bei dem Unfall ... an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist". Welche Schadenspositionen im Einzelnen dabei zu berücksichtigen sind und wann der Schaden in diesem Sinn „bedeutend" ist, beurteilt sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der für die Behebung des Schadens (zur Tatzeit) erforderlichen Kosten. Im Hinblick auf das durch § 142 geschützte Rechtsgut (privates Interesse der Unfallbeteiligten und -geschädigten an möglichst umfassender Aufklärung des Unfallgeschehens, um mögliche eigene Schadensersatzansprüche zu sichern oder fremde abzuwehren: Rdn. 1 zu § 142) umfasst der „Schadens"-Begriff des § 69 Abs. 2 Nr. 3 alle Positionen, die bei vernünftigem wirtschaftlichem Verhalten erforderlich sind, um den Geschädigten so zu stellen, wie wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. 4 2 3 Somit gehören zum „Schaden" nicht nur die unmittelbar mit dem Unfall zusammenhängenden Ausgaben wie insbesondere Reparatur- sowie Bergungs- oder Abschleppkosten 424 einschließlich daraus entstandener Mehrwertsteuer (ausgenommen bei Vorsteuerabzugsberechtigten) 425 und ein möglicher merkantiler Minderwert, 4 2 6 sondern auch erstattungsfähige Mietwagenkosten oder Nut-
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Die Verletzung des unfallflüchtigen Täters selbst führt jedenfalls nicht zur Regelentziehung nach § 69 Abs. 2 Nr. 3: ganz abgesehen davon, dass bei Verletzung allein des Täters überhaupt kein „Unfall" vorliegt und damit bereits die Tatbestandsmäßigkeit nach § 142 zu verneinen ist. OLG Hamm DAR 1958 308. BayObLG VRS 15 (1958) 4 2 . OLG Schleswig VRS 5 4 (1978) 35, OLG Stuttgart VRS 62 (1982) 124 und OLG Naumburg N Z V 1996 2 0 4 ; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 6 2 6 und Lenhart NJW 2 0 0 4 192.
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Darin eingeschlossen auch die Fahrzeug„Verbringungskosten" (ohne Begründung anders aber LG Hamburg DAR 2 0 0 5 168; zu Recht aber auch für die Berücksichtigung der Bergungskosten AG Saalfeld DAR 2 0 0 5 52. Den „Schadens"-Begriff auf diese Positionen beschränkend jedoch Mollenkott DAR 1980 328 und Bär DAR 1991 2 7 2 . Vgl. OLG Schleswig VRS 5 4 (1978) 35 und DAR 1984 122, OLG Hamburg VRS 76 (1989) 2 8 4 , OLG Naumburg N Z V 1996 2 0 4 sowie OLG Dresden N Z V 2 0 0 6 104.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
zungsausfallentschädigungen sowie zur Rechtsverfolgung (vernünftigerweise) in Anspruch genommene Gutachter- oder Anwaltsgebühren.427 Ausgenommen ist ein möglicher Verdienstausfall; denn auch unter Berücksichtigung des durch § 142 geschützten Rechtsgutes kann hier von einem Sachschaden nicht mehr die Rede sein. „Bedeutend" in diesem Sinn ist ein Sachschaden, wenn er nicht unerheblich über den für die Tatbestandsmäßigkeit der Verkehrsunfallflucht (§ 142) erforderlichen Minimalschaden (dazu Rdn. 31 ff zu § 142) hinausgeht. 428 Der Gesetzgeber (von 1964) hat bewusst darauf verzichtet, für den Umfang des „bedeutenden Schadens" starre Schadensgrenzen festzulegen. 429 Die im Rahmen der §§ 315 Abs. 1, 315a Abs. 1, 315b Abs. 1 und 315c Abs. 1 zu Begriff und Umfang des „bedeutenden Wertes" entwickelten Grundsätze können auch vorliegend herangezogen werden; zu beachten ist dabei jedoch, dass § 69 Abs. 2 Nr. 3 (insofern anders als §§ 315 ff) nicht auf den Wert der gefährdeten Sache, sondern auf den tatsächlich eingetretenen Schaden abstellt. 430 Die Grenze, ab der ein bedeutender Sachschaden anzunehmen ist, ist eine veränderliche Größe (bei der es nicht auf die Vermögensverhältnisse des Geschädigten und somit nicht darauf ankommt, wie dieser den Schaden subjektiv empfindet 431 ) und als solche abhängig von der allgemeinen Preis- und Einkommensentwicklung. Vor diesem Hintergrund können derzeit (Herbst 2007) erst Schäden ab ca. 1.300 € (tendenziell wachsend) als „bedeutend" angesehen werden; gegenüber Betragsgrenzen früherer Judikatur ist Vorsicht angebracht. 432 In Anlehnung an den Preisindex für die allgemeinen Lebenshaltungskosten sowie insbesondere wegen des erheblichen Lohn- und Preisanstiegs auf dem Gebiet der Kfz-Anschaffung und -Unterhaltung scheint sich die in den letzten Jahren von der strafgerichtlichen Praxis befürwortete Grenze der Gesamt-Sachschadenshöhe von etwa 1 . 0 0 0 € 4 3 3 über den Betrag von rund 1.200.- € 4 3 4 hinaus derzeit (Herbst 2007) auf (mindestens) 1.300 € 4 3 5 verscho-
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Mit dem Hinweis, derartige Folgekosten seien nach Grund und Höhe am Unfallort kaum kalkulierbar, gegenteiliger Ansicht jedoch OLG Hamburg VRS 76 (1989) 282 284 und ihm (für die Nutzungsausfallentschädigung) folgend LG Hamburg DAR 1994 127 = NStZ 1995 91 (ablehnend Notthoff NStZ 1995 92) RS 86 (1994) 279 und zuvor bereits in NZV 1993 326. Wie hier jedoch OLG Stuttgart VRS 62 (1982) 124 sowie LG Hildesheim DAR 1988 65 und LG Berlin NStZ-RR 2007 281; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 626 und Lenhart NJW 2004 192. Ausweislich neuerer Judikatur liegt dieser derzeit (Herbst 2006) etwa bei 30 bis 40 Euro (Rdn. 34 zu § 142). Bericht des Rechtsausschusses: BTDrucks. IV/2161, S. 3. So zutreffend auch Lenhart NJW 2004 192 mit Fn. 3. Zutreffend OLG Dresden NZV 2006 104. Ausführliche (derzeit aber schon nicht mehr allerneueste) Rechtsprechungsbelege bei Himmelreich/Halm NStZ 2004 319 und Janker DAR 2002 569; aus neuerer Zeit ist vor
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allem auf die Zusammenstellung von Himmelreich in DAR 2006 289 hinzuweisen. Auf dieser Linie in jüngerer Zeit nur noch LG Köln DAR 2006 289 (von Himmelreich aaO aber wohl zu Recht nur noch als „krasse Mindermeinung" bezeichnet) sowie LG Berlin NZV 2006 106; auf dieser Linie vormals noch LG Hamburg DAR 1999 280 und AG Köln DAR 2002 569 (vom OLG Köln in einem anderen Verfahren aber ausdrücklich offengelassen: DAR 2002 278). Für eine Grenze bei ca. 1.200 € (2.400 DM) LG Hamburg DAR 2001 521, LG Kaiserslautern DAR 2003 185 sowie AG Oschersleben DAR 2002 369. Für LG Hamburg DAR 2005 168 und LG Braunschweig DAR 2002 469 liegt (oder lag) die Grenze bei etwa 1.250 € (2.500 DM). So in jüngerer Zeit vor allem OLG Jena NZV 2005 434 = DAR 2005 289 und OLG Dresden NZV 2006 104 = VRS 109 (2005) 20 (mit Geltung auch für die neuen Bundesländer); auf dieser Linie nunmehr auch LG Berlin NZV 2005 434 und NStZ-RR 2007 281, LG Düsseldorf NZV 2003 103, LG Braunschweig ZfS 2005 100, LG Paderborn
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
ben zu haben.436 Auch im Hinblick auf die Zielrichtung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 (nämlich: Kraftfahrer aus dem Straßenverkehr auszuscheiden, die sich trotz erkennbar hohen Schadens dem zivilrechtlichen Schadensersatz entziehen wollen) findet diese Entwicklung im neueren Schrifttum zunehmend Zustimmung.437 Zudem sollte die Wertgrenze für bedeutende Sachschäden auch deshalb nicht zu niedrig bemessen werden, um dem Sachschaden gegenüber dem Körperschaden, der „nicht unerheblich" sein muss, innerhalb der Regelbeispiele des § 69 Abs. 2 Nr. 3 nicht unangemessen hohes Gewicht beizulegen.438 Werden durch den Unfall mehrere Sachen beschädigt, ist die Summe aller Schäden maßgebend.439 Bei einem „bedeutenden" Sachschaden bleibt es auch dann, wenn der Schaden gutachterlich zunächst über der maßgeblichen Grenze liegt, die beteiligten Parteien sich dann aber auf einem darunter liegenden Betrag einigen.440 Fremd ist eine Sache für den Täter schließlich, wenn er an ihr nach bürgerlichem Recht kein Alleineigentum hat und die Sache auch nicht herrenlos ist. Eigener Sachschaden scheidet bei der Schadensberechnung somit aus, während der an einem unbefugt benutzten fremden Fahrzeug entstandene Schaden (auch unter Berücksichtigung des durch § 142 geschützten Rechtsgutes) bei Ermittlung der Schadenshöhe in Anrechnung zu bringen ist. 441 Hat der Täter das fremde Fahrzeug mit Zustimmung des Berechtigten benutzt, kommt es darauf an, ob jener sich durch die Entfernung von der Unfallstelle überhaupt nach § 142 strafbar gemacht hat (dazu Rdn. 30 zu § 142); im Fall eines geleasten Fahrzeuges hängt die Anwendbarkeit des § 69 Abs. 2 Nr. 3 davon ab, wer nach dem Leasingvertrag das Risiko einer Beschädigung des Fahrzeuges im Innenverhältnis zu tragen hat. 442 dd) Vollrausch (§ 323a) 4 4 3 genügt zur Anordnung der Fahrerlaubnisentziehung als 8 6 Regelmaßnahme nur, soweit die im Rauschzustand begangene Tat ein Vergehen der Straßenverkehrsgefährdung, der Trunkenheit im Verkehr oder der Verkehrsunfallflucht nach schweren Unfallfolgen ist (Nr. 4). Der (erwiesene oder nicht ausschließbare) Vollrausch muss vorsätzlich oder fahrlässig verursacht sein; ist dem Täter diesbezüglich nicht einmal leichte Fahrlässigkeit anzulasten, fehlt es an einer tatbestandsmäßigen Anlass-
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VRS 109 (2005) 3 4 4 sowie LG Gera N Z V 2 0 0 6 105 und LG Wuppertal DAR 2 0 0 7 660. Einzelne Untergerichte wollen diese Grenze (auch „im Interesse einer auch zukünftig eingängigen Abgrenzung, die für einen gewissen Zeitraum Bestand zu haben vermag") sogar schon auf 1.500 € anheben: so AG Saalfeld DAR 2 0 0 5 52; dem offenbar zustimmend Sch/Schröder/Stree Rdn. 37 (derzeit etwa „ab 1.200 bis 1.500 € " ) . Vgl. Lackner/Kühl Rdn. 7 und Fischer Rdn. 2 9 - je zu § 69 - sowie Hentschel NJW 2 0 0 6 483, Himmelreich DAR 2 0 0 6 2 8 9 und Himmelreich/Halm NStZ 2 0 0 5 320. Gegen die Sinnhaftigkeit der Regelung überhaupt, die Höhe des eingetretenen Sachschadens zur Voraussetzung eines Regelfalles zu machen, jedoch Mollenkott ZfS 1995 321.
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OLG Düsseldorf VRS 81 (1991) 187. Ebenso Fischer Rdn. 29. Zutreffend LG Paderborn DAR 2 0 0 6 2 9 0 . Die von BGHSt 2 7 4 0 für § 315c entwickelte Überlegung, dass das vom Täter selbst gelenkte, doch einem anderen gehörende Fahrzeug als gewissermaßen notwendiges Tatmittel nicht in den tatbestandlichen Schutzbereich der Straßenverkehrsgefährdung fällt, trifft teleologisch für § 69 Abs. 2 Nr. 3 nicht zu: zutreffend HansOLG Hamburg NStZ 1987 228. OLG Hamm NJW 1 9 9 0 1925; zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 6 2 6 und Hembach ZfS 2 0 0 5 167. Zum „strafrechtlichen Vollrausch (§ 323a StGB) speziell im Straßenverkehrsrecht" s. die gleichnamige Münchener jur. Dissertation von Hartl (1988).
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
tat. 4 4 4 Davon zu trennen ist die Frage, ob bei nur leicht fahrlässig verursachtem Vollrausch die Indizwirkung der Tat aufgehoben ist (dazu Rdn. 90). Handelt es sich bei der Rauschtat um einen Fall unerlaubten Entfernens vom Unfallort, ist natürliches Wissen oder fahrlässiges Nichtwissen von den schweren Unfallfolgen erforderlich; letzteres ist zu bejahen, wenn die allgemeinen Fahrlässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind und der Täter die erheblichen Unfallfolgen im nüchternen Zustand hätte erkennen können. 4 4 5 87
b) Wie bereits ausgeführt (Rdn. 78), ist die gesetzliche Vermutung des Absatzes 2 widerlegbar. Danach ist der Tatrichter gehalten zu prüfen, ob besondere Umstände in der Tat (nachfolgend Rdn. 88 ff) oder in der Persönlichkeit des Täters vorliegen, die den seiner generellen Natur nach schweren Verstoß in einem weniger gefährlichen Licht als den dem Gesetzgeber vorschwebenden Regelfall erscheinen lassen (nachfolgend Rdn. 92 ff) oder die die Eignung nach der Tat günstig beeinflusst haben (zur Nachtatsituation nachfolgend Rdn. 94 ff). 4 4 6 Wie aus dem Regelungszweck des Absatzes 2 ersichtlich und durch BTDrucks. IV/651, S. 17 nachdrücklich betont, sind die Anforderungen an die Annahme eines Ausnahmefalles streng; die eine Ausnahme von der Regel des Absatzes 2 rechtfertigenden Gegengründe müssen umso stärker sein, je schwerer die zur Aburteilung stehende Tat in ihrer Bedeutung zu der vom Täter zu befürchtenden Gefährdung wiegt. 4 4 7
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aa) Als besonderen Umstand in der Tat, der die Regeltat gegenüber dem entsprechenden Durchschnittsfall in einem günstigeren Licht erscheinen lässt, nennt die Amtl. Begründung notstandsähnliche Lagen, die das Verhalten des Täters zwar nicht entschuldigen, doch begreiflich erscheinen lassen. 4 4 8 Diesbezüglich ist an Fälle zu denken, dass ein (betrunkener) Kraftfahrer aus Furcht vor körperlichen Auseinandersetzungen die Flucht ergreift 4 4 9 oder in Not befindlichen anderen Personen helfen will: etwa wenn ein alkoholisierter Arzt zu einem Patienten gerufen wird 4 5 0 oder ein Kraftfahrer, der am Feierabend zu Hause Alkohol zu sich genommen hat, nach Benachrichtigung vom Unfall eines nahen Angehörigen zur Unfallstelle fährt. 4 5 1 Dass ein Berufskraftfahrer, der am Feierabend nicht mehr mit einer Fahrt rechnen musste, von seinem Arbeitgeber überraschend zu einer Fahrt aufgefordert (und vielleicht sogar gedrängt) wird, dürfte jedoch nicht genügen. 4 5 2
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Zu einem solchen Fall LG Hof DAR 2 0 0 2 92: Verneinung der Regelvermutung (§ 69 Abs. 2 Nr. 4) wegen nicht nachweisbarer Volltrunkenheit (§ 323a), wohl aber Entziehung der Fahrerlaubnis nach Abs. 1, weil bezüglich der Anlasstat (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) die Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen war. Sch/Schröder/Stree Rdn. 3 9 und Fischer Rdn. 31. Zu „Regel und Ausnahme bei der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 6 9 Abs. 2 ) " s. ausführlich (doch teilweise zu streng) Krehl DAR 1986 33 ff. Zur rechtstheoretischen Bedeutung und zum praktischen Wert der „Regelbeispiele des § 6 9 Abs. 2 als Erfahrungssätze" Bandemer N Z V 1988 172 ff.
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Speziell zur Ausnahme von der Regelvermutung bei Trunkenheitsdelikten Ptesker Blutalkohol 2 0 0 2 197 ff (identisch mit N Z V 2 0 0 2 2 9 7 ff) und vorwiegend im Hinblick auf unerlaubtes Sichentfernen vom Unfallort Mollenkott Blutalkohol 1997 180 ff. OLG Stuttgart VRS 4 2 (1972) 357. BTDrucks. IV/651, S. 17. Vgl. Nüse J R 1965 4 3 und Sch/Schröder/ Stree Rdn. 4 2 . OLG Hamm JMB1 N W 1958 80. LG Heilbronn DAR 1987 2 9 und LG Potsdam N Z V 2 0 0 1 360; zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 631 und Sch/Schröder/ Stree Rdn. 4 2 . Bedenklich OLG Hamm DAR 1957 77.
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
Die Indizwirkung der Regelbeispiele kann auch bei Bagatelltaten entfallen. Hierzu rechnet die Rechtsprechung vor allem folgenlos gebliebene Trunkenheitsfahrten, bei denen der Fahrer sein Fahrzeug mit geringer Geschwindigkeit und oft nur im Schritttempo auf der Straße oder einem öffentlichen Parkplatz lediglich um wenige Meter versetzt: 4 5 3 z.B. um einen ordnungswidrigen Zustand zu beseitigen/vermeiden, 454 das Fahrzeug an besserer Stelle zu parken oder einem ungeübten Fahrer beim Rangieren zu helfen. 4 5 5 Die geringe Wegstrecke oder die bewusst verhaltene Geschwindigkeit für sich allein spricht dabei aber nicht gegen den Ausnahmecharakter der Trunkenheitsfahrt, kann vielmehr sogar ein Beleg für besondere Verantwortungslosigkeit sein, wenn der Täter nach Lage des Falles nicht einmal zu geringfügigem Fahrverzicht bereit i s t ; 4 5 6 maßgeblich ist in solchen Fällen vor allem, ob der Täter mit einer solchen Fahrt rechnen musste oder nicht. 4 5 7 Wenn ein betrunkener Fahrer für seine (nächtliche) Heimfahrt bewusst verkehrsarme Straßen auswählt und dabei besonders vorsichtig fährt, rechtfertigt dies folglich ebenso wenig eine Ausnahme vom Regelfall gesetzlich vermuteter Ungeeignetheit 4 5 8 wie bewusst langsames Weiterfahren nach vergeblichem Bemühen um einen nüchternen Ersatzfahrer. 459 Bagatellcharakter hat die Rechtsprechung früher häufig auch jenen Fällen zugesprochen, bei denen der betrunkene Fahrer z.B. lediglich den Motor angelassen oder die Bremsen gelöst, das Kraftfahrzeug jedoch noch nicht in Bewegung gesetzt h a t ; 4 6 0 seit die Rechtsprechung (BGHSt 35 3 9 0 ff) im Anschluss an die schon früher h.M. im Schrifttum für den Beginn des „Führens" eines Fahrzeuges jedoch auf den Bewegungsvorgang als solchen abstellt (dazu schon Rdn. 30), fehlt es in solchen Fällen, da der Versuch in § 316 nicht strafbewehrt ist, bereits an einer tatbestandsmäßigen Anknüpfungstat. Verfehlt ist es auch, der Trunkenheitsfahrt z.B. eines Mofa-Fahrers im Hinblick auf die (angeblich) geringere Gefährlichkeit eines solchen Kraftfahrzeuges Bagatellcharakter zusprechen und mit dieser Begründung von der Regelentziehung absehen zu wollen. 4 6 1
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Fahrlässigkeit der Begehung (sofern tatbestandlich ausreichend) für sich allein steht der Indizwirkung der Anlasstat in aller Regel nicht entgegen. Wegen der besonderen Gefährlichkeit speziell der Trunkenheit im Verkehr gilt dies in den Fällen der §§ 315c
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Dazu aus jüngerer Zeit: LG Gera DAR 1 9 9 9 4 2 0 sowie AG Lüneburg StV 1996 4 3 9 und AG Saalfeld VRS 108 (2005) 366. OLG Köln DAR 1991 191 (ca. 15 m); OLG Karlsruhe N Z V 1990 2 7 2 (ca. 5 0 m); OLG Düsseldorf DAR 1990 354 (mit Anm. Berr), NZV 1988 2 9 sowie VRS 73 (1987) 142 (zur vergleichbaren Problematik beim RegelFahrverbot des § 2 5 Abs. 1 S. 2 StVG); BayObLG bei Janiszewski NStZ 1988 543 sowie schon früher bei Rüth DAR 1974 177; OLG Stuttgart N J W 1987 142 (ca. 15 bis 20 m); OLG Hamm VRS 52 (1977) 2 4 ; LG Köln DAR 1 9 8 9 115; AG Regensburg ZfS 1985 123; AG Bonn DAR 1980 52; so vor Einführung des § 69 Abs. 2 im Übrigen schon OLG Hamburg VRS 8 (1955) 2 9 0 . OLG Düsseldorf StV 1991 21. So zutreffend Piesker N Z V 2 0 0 2 301. Vgl. LG Gera DAR 1999 4 2 0 und AG Lüneburg StV 1996 439.
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Zu großzügig LG Darmstadt DAR 1953 97; trotz Einschränkung bedenklich wohl auch OLG Stuttgart N J W 1955 431 und KG DAR 1956 104 (jeweils zustimmend jedoch Cramer 48). Bei OLG Karlsruhe DAR 2 0 0 1 4 6 9 lag der Fall anders: Es ging hier nicht nur um eine nächtliche Fahrt (nur ca. 3 0 0 m) auf verkehrsarmer Strecke, sondern auch um einen nicht vorbestraften und viele Jahre beanstandungsfreien Kraftfahrer, dem die Fahrerlaubnis bereits ein halbes Jahr vorläufig entzogen war. OLG Hamm VRS 12 (1957) 278. Dazu aus früherer Zeit OLG Hamburg VRS 8 (1955) 2 9 0 , LG Darmstadt DAR 1953 97 sowie AG Homburg VRS 72 (1987) 184. So aber LG Oldenburg Blutalkohol 1 9 9 0 136 (bedenkliche Parallele zum Fahrrad); zustimmend jedoch Grohmann aaO S. 137.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Abs. 1 Nr. l a und 316 sowie angesichts der gesetzlich erforderlichen „grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen" Begehungsweise wohl auch in den Fällen des § 315c Abs. 1 Nr. 2 („sieben Todsünden") grundsätzlich auch bei leichter Fahrlässigkeit. 462 Etwas anderes kann dort gelten, wo die (insbesondere leicht-) fahrlässige Begehungsweise nicht mehr dem Grad der Verantwortungslosigkeit entspricht, wie ihn der Gesetzgeber bei Aufstellung des Regelkataloges wohl im Auge hatte. Dies kann z.B. bei Straßenverkehrsgefährdung infolge fahrlässig verkannter Übermüdung (§ 315c Abs. 1 Nr. l b ) 4 6 3 oder unter den Voraussetzungen von § 69 Abs. 2 Nr. 3 dort der Fall sein, wo die schweren Unfallfolgen leichtfahrlässig verkannt wurden (dazu schon Rdn. 82). Gleiches gilt bei fahrlässiger Volltrunkenheit (§ 323a): dies nicht nur, soweit es sich bei den im Rausch begangenen Taten um die genannten Fälle der Verkehrsunfallflucht mit fahrlässig verkannter schwerer Unfallfolge oder der Straßenverkehrsgefährdung infolge fahrlässig verkannter Übermüdung handelt, sondern auch dann, wenn die Rauschtat eine alkoholbedingte Straßenverkehrsgefährdung oder eine folgenlos gebliebene Trunkenheit im Straßenverkehr ist; denn die Gefährlichkeit eines fahrlässig verursachten Vollrausches, bei dem der Täter im Zustand der letzten Nüchternheit nicht unbedingt mit einer Teilnahme im allgemeinen Straßenverkehr zu rechnen brauchte, dies aber fahrlässig verkannt hat, 4 6 4 (muss nicht zwangsläufig, doch) kann hinter der „Durchschnitts"-Gefährlichkeit eines Trunkenheitstäters zurückbleiben (Parallele zur leichtfahrlässigen Verkennung der schweren Unfallfolgen im Fall von § 69 Abs. 2 Nr. 3: dazu bereits Rdn. 82). 91
Weitere Ausnahmesituationen, wonach die Tat so aus dem Rahmen des „Durchschnitts" fällt, dass sie nicht mehr als gesetzlicher Regelfall anzusehen ist, sind eher selten (unbestritten: strenger Maßstab); in den einschlägigen Entscheidungen kommen meist mehrere Umstände zusammen, die gemeinsam dafür sprechen, dass die Tat ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Begehungsweise herausfällt. Dass es sich um den erstmaligen Verstoß gehandelt hat, reicht (jedenfalls für sich allein) zur Widerlegung der gesetzlich vermuteten Ungeeignetheit in den Fällen des Regelkataloges grundsätzlich ebenso wenig aus wie der Umstand, dass der Täter nach der Anlasstat im Straßenverkehr nicht mehr erneut negativ aufgefallen ist (dazu bereits Rdn. 71) oder der Entzug der Fahrerlaubnis für den Verurteilten eine besondere wirtschaftlich-berufliche Härte darstellen würde (dazu bereits Rdn. 63). Keinen Anlass zur Widerlegung der gesetzlichen Regelvermutung nach Nr. 2 bietet jedoch die Konstellation, dass der Täter nur auf Grund rückwirkender Anwendung geänderter Rechtsprechung zum Grenzwert absoluter Fahrunsicherheit nach § 316 bestraft werden konnte; denn schon das Herantrinken an den (früheren) Grenzwert mit nachfolgender Fahrt belegt die besondere Verantwortungslosigkeit des Täters. 465
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Weniger streng offenbar Sch/Schröder/Stree Rdn. 42; speziell zur Indizwirkung der Straßenverkehrsgefährdung unter den Voraussetzungen des § 315c Abs. 1 Nr. 2 Mollenkott Blutalkohol 1985 2 9 8 ff. Insbesondere wenn der Fahrer nur noch eine kurze Strecke vor sich hatte und glaubte, diese noch bewältigen zu können: vgl. BayObLG nach Janiszewski NStZ 1988 543 sowie LG Ingolstadt DAR 1989 354.
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Etwa wenn dem Täter heimlich Schnaps ins Bierglas geschüttet wird oder die Alkoholwirkung durch Medikamente verstärkt wird: vgl. OLG Oldenburg DAR 1956 2 5 3 und OLG Celle NJW 1963 2385. Bedenklich LG Düsseldorf VM 1990 56; wie hier Hentschel/König Rdn. 19a.
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
bb) Auch besondere Umstände in der Persönlichkeit des Täters erlauben es nur ausnahmsweise, im Bereich des gesetzlichen Regelkataloges von der Entziehung der Fahrerlaubnis absehen zu dürfen. Dies kann vor allem dort der Fall sein, wo die Tat eher persönlichkeitsfremde Züge aufweist oder vor allem situationsbedingt war und demzufolge mit hinreichender Sicherheit erwartet werden darf, dass der Täter gleiche oder ähnliche Taten künftig nicht mehr begehen wird. Ebenso wie eine Fahrerlaubnisentziehung ausscheidet, wenn die zur Tat führenden geistig-körperlichen Eignungsmängel im Augenblick der tatrichterlichen Entscheidung beseitigt sind, wird von der Regelentziehung abgesehen werden können, wenn der Täter z.B. im Fall der §§ 315c und 316 die auf einen Schicksalsschlag zurückzuführende Depression, einen exzessiven „Beziehungsstress" oder eine (damit ggf. in Verbindung stehende) Alkoholabhängigkeit überwunden und seine Lebensführung erwiesenermaßen schon nachhaltig verändert hat und die Wiederholung einer solchen Ausnahmesituation hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann. 4 6 6 Vorsicht ist gegenüber gerichtlichen Entscheidungen vor Einführung des gesetzlichen Regelkataloges angebracht. So ist in einem Fall, in dem der Genuss von Alkohol auf den Täter wegen eines auf ein Drittel resezierten Magens eine „überfallartige" Wirkung ausübte, angesichts der Gefährlichkeit betrunkener Kraftfahrer sowie aus Gründen der Wiederholungsgefahr ein Absehen von der Regelentziehung wohl ebenso wenig angebracht 467 wie in einem Fall, bei dem sich der nach Alkoholgenuss fast schon unzurechnungsfähige Täter ganz überraschend ans Steuer eines Kraftfahrzeuges gesetzt hat. 4 6 8 Anders kann der Fall zu beurteilen sein, wenn die Tat von einer Schwangeren begangen worden ist und das Fehlverhalten der Frau nach sicherer Überzeugung des Tatrichters maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführen ist. 4 6 9 Da eine Verkehrsunfallflucht häufig auf eine „Panikreaktion" zurückzuführen ist, kommt ein Absehen vom Regelbeispiel der Nr. 3 mit dieser Begründung jedoch allenfalls dann in Betracht, wenn weitere entlastende Umstände hinzukommen. 470
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Jugendstrafrechtliche Besonderheiten.471 Das LG Oldenburg 472 hat in der Vergangenheit wiederholt die Ansicht vertreten, im Verfahren gegen Jugendliche oder Heranwachsende würde dem Jugendrichter auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 eine weithin freie Ermessensentscheidung zustehen. 473 Unter Berufung auf einschlägige Äußerungen im jugendstrafrechtlichen Schrifttum 474 und Nr. 6.1 der Mindestgrundsätze
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Dazu schon BayObLG nach Rüth DAR 1 9 8 4 2 3 9 sowie aus jüngerer Zeit L G Potsdam StV 2 0 0 4 4 9 1 und AG Lüneburg StV 1996 439.
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Bedenklich KG V R S 2 6 ( 1 9 6 4 ) 198. O L G H a m m VRS 2 6 ( 1 9 6 4 ) 2 8 1 ; bedenklich großzügig für den Fall einer Ehekrise auch O L G Frankfurt V M 1 9 7 7 3 0 . Dazu auch AG Lüneburg StV 1 9 9 6 4 3 9 (Überraschungsfahrt nach Beziehungsstress).
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BayObLG VRS 15 ( 1 9 5 8 ) 4 1 . So lag es im Fall von AG Göttingen StV 2 0 0 2 3 7 2 (freiwillige nachträgliche Meldung, kein Alkohol im Spiel sowie heranwachsender Täter, der aus diesem Fehler „viel für sein Leben gelernt" hat). Speziell zur „Geltung der Regelvermutung des ξ 6 9 StGB im Jugendstrafrecht" Wölfl N Z V 1 9 9 9 6 9 ff; generell zur „Entziehung
der Fahrerlaubnis ( § § 69, 6 9 a StGB) als Reaktion auf Verkehrsstraftaten Jugendlicher und Heranwachsender" Molketin D A R 1 9 8 2 1 1 4 ff. 472
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Erstmals in Blutalkohol 1 9 8 5 1 8 6 , bestätigt in Blutalkohol 1 9 8 8 1 9 9 und 1 9 9 0 136. So tendenziell dann wohl auch O L G Zweibrücken N Z V 1 9 8 9 4 4 2 sowie BezG Meiningen (zitiert bei Janiszewski N S t Z 1 9 9 2 2 6 9 ) und AG Saalfeld N S t Z 1 9 9 4 8 9 (dagegen aber Hentschel N J W 1 9 9 5 6 3 5 und Molketin Blutalkohol 1 9 9 4 2 6 9 ) ; so wohl auch schon AG Winsen/Luhe N J W 1 9 8 3 353. S. vor allem Eisenberg § 7 J G G Rdn. 5, 3 5 ff sowie Albrecht, Jugendstrafverfahren (3. Aufl.), S. 1 4 7 : je mit weiteren N a c h weisen.
Klaus Geppert
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
der Vereinten Nationen für die Jugendgerichtsbarkeit47·5 hält das genannte Gericht den Jugendrichter für nicht an die Regelwirkung des § 69 Abs. 2 gebunden; eine derartige Beweisregel sei mit dem das jugendgerichtliche Verfahren beherrschenden Erziehungsgedanken und zudem mit dem Wortlaut des § 7 JGG („können ... angeordnet werden") nicht vereinbar. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden: 476 Wie der BGH (wenn auch nicht für die Entziehung der Fahrerlaubnis, so doch für die in § 7 JGG ebenfalls aufgeführte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) zu Recht ausgeführt hat, 4 7 7 hat die genannte Vorschrift nur die Aufgabe zu bestimmen, welche Maßregeln im jugendgerichtlichen Verfahren überhaupt zulässig sind (frühere Fassung: „dürfen nur"), ohne damit die Entziehung der Fahrerlaubnis gegen Jugendliche und Heranwachsende an andere Voraussetzungen knüpfen zu wollen. Dies ist nicht zuletzt deshalb richtig, weil die gesetzliche Regelvermutung des § 69 Abs. 2 im Hinblick auf die besondere Risikogruppe der Jungfahrer gerade aus Verkehrs- und jugendkriminologischer Sicht ihre besondere Berechtigung hat. 4 7 8 Spielen somit Erziehungs- oder Entwicklungsdefizite für die Feststellung der „Ungeeignetheit" jedenfalls primär keine Rolle, gilt die Regelvermutung des Absatzes 2 an sich grundsätzlich auch gegenüber Jugendlichen oder Heranwachsenden; doch weisen die hier aufgeführten Regelbeispiele ihnen gegenüber „nur einen mehr oder weniger starken Indizcharakter" auf, so dass sich jedenfalls eine „schematische Handhabung" der Regelvermutung verbietet. 479 Der dem erkennenden Gericht durch § 69 Abs. 2 gewährte Beurteilungsspielraum ermöglicht es diesem indes, auf die Besonderheiten in der Reifung des Jugendlichen/Heranwachsenden einzugehen und auch bei Vorliegen eines Regelbeispieles prüfen zu können, ob die Tat, die dieses Regelbeispiel erfüllt, im Hinblick auf die Sprunghaftigkeit der Entwicklung junger Menschen und die teilweise Episodenhäufigkeit ihrer Taten 4 8 0 wirklich Ausdruck einer charakterlichen Ungeeignetheit ist. 481 94
cc) Weil für die Beurteilung der Ungeeignetheit der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung maßgeblich ist (Rdn. 58), hat das erkennende Gericht auch zu prüfen, ob die Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht durch besondere Umstände nach der Tat günstig beeinflusst worden ist. Dies wird vor allem dort der Fall sein, wo körperlich-geistige Eignungsmängel, die zur Tat geführt haben, zwischenzeitlich beseitigt wurden (unbestritten). Unter welchen Voraussetzungen die „Ungeeignetheit"
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Danach ist dem Jugendrichter „mit Rücksicht auf die sich wandelnden besonderen Bedürfnisse Jugendlicher sowie auf die Vielfalt der möglichen Maßnahmen ... ein angemessener Ermessensspielraum einzuräumen": zitiert nach ZStW 9 9 (1987) 2 6 2 . S. vor allem Brunner/Dölling Rdn. 13 und Ostendorf Rdn. 15: je zu § 7; ebenso Molketin Blutalkohol 1985 310 und 1994 269, Janiszewski NStZ 1985 112 und 1988 5 4 3 sowie Hentschel N J W 1986 1314 und NJW 1995 635 und nunmehr ausführlich auch Wölfl N Z V 1 9 9 9 70. NStZ 1991 384. Ausführlich dazu Brunner/Dolling Rdn. 13 und Ostendorf Rdn. 3: je zu S 7 JGG.
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So wörtlich und auch zum Folgenden überzeugend Wölfl N Z V 1 9 9 9 70; auf dieser Linie auch schon Janiszewski NStZ 1988 543. Zu nennen wäre hier etwa die (allerdings) Nicht-Katalogtat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis ($ 21 Abs. 1 StVG), bei der eine jugendrichterliche Weisung, eine Fahrerlaubnis zu erwerben, kriminalpädagogisch und kriminalprophylaktisch oft sinnvoller wäre als z.B. die Anordnung einer isolierten Sperrfrist: so auch AG Saalfeld StV 2 0 0 5 65. In dieser Richtung zu Recht schon mehrfach AG Saalfeld DAR 2 0 0 2 137 und StV 2 0 0 5 65; vgl. auch LG Gera StV 1999 661 sowie AG Göttingen StV 2 0 0 2 372 und AG Rudolfstadt VRS 112 (2007) 35.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
des weiteren allein durch Zeitablauf, d.h. dadurch entfällt, dass der Täter im Zeitraum zwischen Begehung der Anlasstat und der (letzten) tatrichterlichen Entscheidung im Straßenverkehr nicht mehr negativ aufgefallen ist, wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt (Rdn. 71): Ein beanstandungsfreies Verkehrsverhalten reicht danach allenfalls dann zur Widerlegung der Regelvermutung aus, wenn dieser Zeitraum sechs Monate deutlich überschreitet und weitere entlastende Umstände hinzutreten. In solchen Fällen kann auch bei Vorliegen eines Regelbeispiels wohl kaum mehr von dem in § 6 9 Abs. 2 konzeptionell gedachten typischen „Normalfall" ausgegangen werden, was zur Folge hat, dass angesichts jedenfalls abgeschwächter oder bei längerer (z.B. mehrjähriger) beanstandungsfreier Zeit ggf. völlig beseitigter Indizwirkung eine Gesamtwürdigung angebracht ist, wie sie bei Nicht-Katalogtaten erforderlich ist. Für den Bereich speziell der charakterlichen Ungeeignetheit ist darüber hinaus vor allem die spezialpräventive Wirkung zu beachten, die von vorläufigen Führerscheinmaßnahmen ausgeht (nachfolgend Rdn. 95 f ) 4 8 2 und die durch das Zusammenwirken solcher Maßnahmen mit der Teilnahme an Nachschulungskursen zur Behandlung alkoholauffälliger Kraftfahrer (nachfolgend Rdn. 97 ff) im Einzelfall nachhaltig verstärkt werden kann. Speziell für das Regelbeispiel der Nr. 3 (unerlaubtes Sichentfernen vom Unfallort) ist schließlich zu fragen, inwieweit eine (gegebenenfalls auch missglückte, weil die Voraussetzungen von § 142 Abs. 4 nicht erfüllende) „tätige Reue" zur Widerlegung der Regelvermutung imstande ist (nachfolgend Rdn. 103): aaa) Dass der Täter auf Grund einer Sicherstellung bzw. Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 Abs. 3 StPO) oder infolge vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis (§ l i l a StPO) längere Zeit zwangsweise von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen war, beseitigt für sich allein in aller Regel (zu Ausnahmen im Hinblick auf das rechtsstaatliche Übermaßverbot nachfolgend Rdn. 96) nicht zwangsläufig den ursprünglichen Eignungsmangel. 483 Dies wird nur der Fall sein, wenn der Täter - was das erkennende Gericht nachprüfbar darzutun hat - durch die verhältnismäßig lange Dauer der vorläufigen Maßnahme in seiner charakterlichen Einstellung nachhaltig günstig beeinflusst worden ist und somit erwartet werden kann, dass Gefährdungen gleicher oder ähnlicher Art künftig mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen sind. 4 8 4 Es handelt sich dabei nicht um eine „Anrechnung" im förmlichen Sinn, sondern um die diagnostisch-prognostische Berücksichtigung der genannten Führerscheinmaßnahmen im Rahmen der Eignungs- bzw. deren Dauerprüfung. 485 Danach ist der Tatrichter und somit auch jedes Berufungsgericht (zu den Auswirkungen des strafprozessualen Verschlechterungsverbotes nachfolgend Rdn. 2 4 3 ff) und jeder vorinstanzliche Richter, an den die Sache zurückverwiesen wird, gehalten, unter Würdigung möglicher Besonderheiten der Tat (Rdn. 88 ff) und/oder Besonderheiten in der Person des Täters (Rdn. 92 f) sowie nicht zuletzt unter Berücksichtigung individuell unterschiedlicher beruflich-wirtschaftlicher Folgen sorgfältig zu prüfen, ob von der Entziehung der Fahrerlaubnis völlig abgesehen oder die Sperrfrist entsprechend verkürzt werden kann (dazu auch Rdn. 45 ff zu
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Dazu auch BTDrucks. IV/651, S. 17. Im Ansatz unbestritten: OLG Koblenz VRS 71 (1986) 2 8 0 sowie erst jüngst auch N Z V 2 0 0 8 4 7 ; KG VRS 60 (1981) 110; OLG Stuttgart VRS 4 6 (1974) 103; OLG Bremen VRS 31 (1966) 454. Für viele: BGH StV 1992 64 und OLG Zweibrücken StV 1 9 8 9 2 5 0 .
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Ausführlich dazu Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 127 ff. Speziell zur Beurteilung der „Ungeeignetheit" bei vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis aus jüngerer Zeit Kropp NStZ 1 9 9 7 471 ff und Carsten Krumm NJW 2 0 0 4 1627 ff.
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§ 69a). Je länger die vorläufige Führerscheinmaßnahme dauert, desto mehr kann (nicht: muss) sie geeignet sein, einen Ausnahmefall zu begründen. Je kürzer die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gedauert hat oder je schwerer die Tat in ihrer Bedeutung zu der vom Täter künftig zu erwartenden Gefährdung wiegt, umso stärker müssen die Gegengründe sein, die eine Ausnahme von der Regel zu rechtfertigen geeignet sind. 4 8 6 Die erkennenden Gerichte sind zu sorgfältiger Einzelfallbegründung angehalten (unbestritten). Kasuistik. Aus diesen Gründen kann ein Regelfall im Hinblick auf die bessernde Wirkung einer länger dauernden vorläufigen Führerscheinmaßnahme im Einzelfall auch dann verneint werden, wenn die vorläufige Maßnahme noch nicht die Dauer der sich aus § 69a Abs. 1 S. 1 oder Abs. 3 ergebenden Mindestsperrfrist erreicht hat; diese Vorschriften bestimmen nur das Mindestmaß der Sperre für den Fall, dass die Fahrerlaubnis wegen fortbestehender Ungeeignetheit entzogen wird, sind jedoch für die Frage, ob die in der Anlasstat hervorgetretene Ungeeignetheit noch fortbesteht, an sich ohne Bedeutung. Demzufolge dürfen sie auch nicht als Beweisregel dahin missverstanden werden, dass der ursprüngliche charakterliche Eignungsmangel vor Ablauf der gesetzlich bestimmten Mindestsperrfrist nicht beseitigt werden kann. 4 8 7 Da für die Regelfälle des Absatzes 2 jedenfalls kein generell strengerer Maßstab als in den übrigen Fällen der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis gilt, 4 8 8 verbietet sich jeglicher Schematismus. Weil eine vorläufige Führerscheinmaßnahme auf jeden Täter anders wirken und die diagnostischprognostische Berücksichtigung derartiger Maßnahmen von zusätzlichen Besonderheiten in der Tat und/oder in der Person des Täters abhängig sein kann, lassen sich einschlägige Entscheidungen und die dort genannten Zeitangaben nur schwer verallgemeinern. So gibt es Entscheidungen, die z.B. bei strafbarer Trunkenheit eines Ersttäters schon einen vorläufigen Zwangsausschluss aus dem allgemeinen Straßenverkehr von ca. sechs Monate oder knapp darüber zur Bejahung des Ausnahmefalles für ausreichend erachten, 4 8 9 während andere Obergerichte im Einzelfall selbst eine vorläufige Führerscheinmaßnahme von zehn Monaten oder mehr offenbar noch nicht für ausreichend anzusehen bereit sind. 4 9 0
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KG VRS 6 0 (1981) 110; O L G Saarbrücken N J W 1 9 7 4 1 3 9 3 ; OLG Stuttgart VRS 4 2 (1972) 358. BayObLG N J W 1971 2 0 6 ; ebenso OLG Zweibrücken StV 1 9 8 9 2 5 0 sowie tendenziell schon B G H VRS 4 5 ( 1 9 7 3 ) 177. Weithin Zustimmung im Schrifttum: Lackner/ Kühl Rdn. 8, Sch/Schröder/Stree Rdn. 52, Gebhardt DAR 1981 111 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 616. Eher bedenklich daher OLG Stuttgart VRS 4 6 (1974) 1 0 3 ; dagegen zu Recht Hentschel Trunkenheit Rdn. 616. Bedenklich auch LG Köln ZfS 1 9 8 0 3 8 1 ; zu Recht ablehnend Beck aaO. O L G Stuttgart VRS 35 ( 1 9 6 8 ) 19 (6 M o nate: 1,5 %o; Berufskraftfahrer). Weitere Kasuistik zur Bejahung einer Ausnahme (meist vom Regelfall des § 316): OLG Köln VRS 41 (1971) 101 (knapp über 10 Monate: 1,5 %o, Ersttäter), BayObLG N J W 1971 2 0 6
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(fast 7 Monate: Ersttäter; kurze und verkehrsarme Strecke), BayObLG N J W 1 9 7 7 4 4 5 (mehr als 9 Monate: Ersttäter), OLG Hamm N J W 1 9 7 7 2 0 7 (etwas mehr als 10 Monate: Ersttäter) sowie LG Saarbrücken DAR 1981 3 9 5 (6 Monate: nach 25-jähriger beanstandungsfreier Fahrpraxis) und LG Rankfurt a.M. DAR 2 0 0 5 109 (6 Monate). Die Grenze bei rund einem Jahr sieht in jüngerer Zeit wohl auch der BGH (DAR 2 0 0 0 5 3 2 : sofern der Angeklagte einsichtig ist und Reue zeigt); ähnlich LG Nürnberg-Fürth DAR 2 0 0 0 3 7 4 . Für eine diesbezügliche Grenze bei 15 Monaten: LG Zweibrücken VRS 9 9 ( 2 0 0 0 ) 2 6 6 . Für eine tendenzielle Grenze von 10 bis 12 Monaten Krumm N J W 2 0 0 4 1 6 3 0 . 490
KG VRS 6 0 (1981) 109 (11 Monate: die BÄK von 4 , 6 %o spricht aber weniger für eine charakterliche Ungeeignetheit als vielmehr - vom Tatrichter jedoch nicht näher
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In den einschlägigen Entscheidungen bleibt häufig unklar, wie diese Grenzziehung im Einzelnen begründet wird. Denn von der diagnostisch-prognostischen Berücksichtigung bereits erlittener vorläufiger Führerscheinmaßnahmen bei Beurteilung noch fortbestehender „Ungeeignetheit", deren spezialpräventive Wirkung sich ohnehin schematischer Beurteilung entzieht, ist die Frage zu unterscheiden, ob der staatlich angeordnete Zwangsausschluss aus dem öffentlichen Straßenverkehr jedenfalls bei längerer Dauer nicht aus Gründen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips und im Hinblick auf die ebenfalls in Art. 2 0 Abs. 3 G G begründete Pflicht zur beschleunigten Erledigung derartiger präventiver Verdachtsmaßnahmen 491 aufzuheben ist. So hat das BVerfG erst jüngst klargestellt, dass es zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, wenn die Strafgerichte bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ l i l a StPO) im Einzelfall unter Berücksichtigung der verwirklichten Anlasstaten und der Schwere des Fehlverhaltens der Sicherheit des Straßenverkehrs den Vorrang gegenüber dem eingetretenen Zeitablauf und der bei den Strafverfolgungsorganen zu beobachtenden Verfahrensverzögerung einräumen, dabei aber auch darauf hingewiesen, dass bei Verfahrensverzögerungen im Hinblick auf das rechtsstaatlich gebotene Beschleunigungsgebot im Einzelfall auch eine Beendigung der Verdachtsmaßnahme geboten sein kann. 4 9 2 In einem weiteren Beschluss hat das BVerfG diese seine Position bekräftigt und darauf hingewiesen, dass die Aufhebung des vorläufigen Fahrerlaubnisentzuges nicht schematisch mit der Überschreitung einer bestimmten Verfahrensdauer oder dem Vorliegen vermeidbarer Verfahrensverzögerungen begründet werden dürfe, sondern die Sicherheitsbelange der Allgemeinheit und die weiteren Umstände des Einzelfalles auch dabei mit in den Blick zu nehmen seien; zugleich aber hat die Kammer nochmals darauf hingewiesen, dass bei zunehmender Verfahrensdauer das Beschleunigungsverbot dabei immer größeres Gewicht erlangt. 4 9 3 Das BVerfG hat verfassungsrechtlich aus guten Gründen keine zahlenmäßig festen Grenzen vorgegeben, aus verfassungsrechtlicher Sicht aber auch nicht beanstandet, dass die Strafgerichte diesbezüglich kein einheitliches Bild liefern. So gibt es unterinstanzliche Entscheidungen, die diesen Zeitraum im Hinblick auf den Charakter der Eilmaßnahme recht eng begrenzen. 4 9 4 Auch obergerichtlich bietet sich
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erwähnt - für eine Alkoholabhängigkeit mit Krankheitswert und damit für einen geistigkörperlichen Eignungsmangel) sowie OLG Bremen VRS 31 (1966) 4 5 4 (fast anderthalb Jahre: ebenfalls Ersttäter). Eindeutig zu streng OLG Düsseldorf DAR 1999 324 = NZV 1 9 9 9 3 8 9 = VRS 9 7 (1999) 124 (Aufhebung verneint auch nach fast zwei Jahren). Dazu aus jüngerer Zeit OLG Hamm N Z V 2 0 0 7 639, OLG Karlsruhe StV 2 0 0 6 63, OLG Nürnberg StV 2 0 0 6 685, OLG Hamm NZV 2 0 0 2 380, OLG Düsseldorf StV 1994 233 und OLG Köln StV 1991 2 4 8 sowie LG Würzburg StV 2 0 0 5 545 und LG Frankfurt a.M. StV 2 0 0 3 69. Beschl. v. 15.3.2005 - 2 BvR 364/05 (NZV 2 0 0 5 379): In dieser Entscheidung ging es aber nicht um die Frage, ob eine bereits angeordnete vorläufige Maßnahme im Hinblick auf das Übermaßverbot nach einer
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bestimmten Zeit aufzuheben ist, sondern ob eine solche Maßnahme erst verspätet angeordnet werden darf. Beschl. v. 3 . 6 . 2 0 0 5 - 2 BvR 4 0 1 / 0 5 (NZV 2 0 0 5 537): In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob eine bereits laufende vorläufige Führerscheinmaßnahme aus Gründen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips nach einer bestimmten Zeit aufgehoben werden muss. Jedenfalls sechs Monate (wohl zu eng) sind dem LG Frankfurt a.M. (DAR 2 0 0 5 109: sofern keine weiteren belastenden Umstände hinzutreten) und acht Monate dem LG Zweibrücken (NZV 2 0 0 0 54) zu lang: beide unter ausdrücklicher Berufung auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip. S. dazu aber auch LG Münster DAR 2 0 0 5 7 0 2 (14 Monate zu lang) und AG Lüdinghausen DAR 2 0 0 7 2 2 2 (zwei Jahre zu lang).
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kein einheitliches Bild: Dass das OLG Düsseldorf (NZV 2 0 0 1 3 5 4 ) die vorläufige Maßnahme gegenüber einem Ersttäter, gegen den keine weiteren belastenden Umstände zu berücksichtigen waren, nach einer Dauer von fast 2 7 Monaten aufgehoben war, verdient nachdrückliche Zustimmung. Ob die gleiche Billigung auch der Entscheidung des OLG Karlsruhe (StV 2 0 0 6 63) zukommt, das den vorläufigen Fahrerlaubnisentzug bereits nach acht Monaten aufgehoben hat, weil die diesbezüglichen Ermittlungen bereits nach zwei Monaten abgeschlossen waren, soll vorsichtig bezweifelt werden. Im Schrifttum wird eine Zeitspanne von zehn bis zwölf Monaten vorgeschlagen. 4 9 5 Weithin Übereinstimmung besteht jedoch dahin, dass alle diese Zeitspannen keine festen taxenmäßigen Größen darstellen, diese Werte vielmehr immer zugleich von möglichen zusätzlichen im Einzelnen be- oder entlastenden Umständen abhängig sind. 97
bbb) Verstärkte Bedeutung bei der Beurteilung noch fortbestehender Ungeeignetheit hat seit Ende der 70-er Jahre die Teilnahme von Trunkenheitstätern an Nachschulungskursen erlangt. Damit sind jene Kurse (meist) für alkoholauffällige Ersttäter gemeint, für die damals beispielhaft das vom TÜV Rheinland entwickelte Modell „Mainz 7 7 " 4 9 6 und die ihm nachgebildeten Modelle „Hamburg 7 9 " 4 9 7 und „ L e e r " 4 9 8 sowie das Modell „ I V T - H ö " 4 9 9 zu nennen sind. 5 0 0 Zum verkehrspsychologischen und kriminologischen Hintergrund, zu organisatorischem Ablauf und Inhalt sowie zur Frage der Legalbewährung solcher Kurse im Einzelnen s. zunächst die nachfolgende Schrifttumsübersicht: Birnbaum/Biehl/Sage/Scbeffel Evaluation des Nachschulungskurses, NZV 2002 164; Bode Kurse für auffällige Kraftfahrer: Modellversuche in der Bundesrepublik Deutschland, Blutalkohol 1979 36; ders. Fortentwicklung des Fahrerlaubnisrechts durch Differenzierung sowie Integration von Weiterausbildung und Nachschulung, Blutalkohol 1983 39; ders. Berücksichtigung der Nachschulung von Alkohol-Verkehrsstraftätern durch Strafgerichte (Rechtsprechungsübersicht), DAR 1983 33; ders. Nachweis der Nachschulung im Strafverfahren, Blutalkohol 1984 31; ders. Rechtsgrundlagen für die Zuweisung von Kursen für auffällige Kraftfahrer, Blutalkohol 1987 73; ders. Beratung, Begutachtung und Schulung alkoholauffälliger Kraftfahrer während der Sperrfrist, DAR 1994 348; Bussmann/Gerhardt Die Nachschulung alkoholauffälliger Kraftfahrer als Weisung aus dem Jugendrecht, Blutalkohol 1980 117; dieselben Legalbewährung junger Alkoholverkehrsstraftäter, Blutalko-
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So vor allem von Krumm NJW 2004 1630. Dazu vor allem Kunkel Blutalkohol 1979 1 und DAR 1981 348; vgl. auch Bode Blutalkohol 1979 36 und 1984 39, Hentschel NJW 1979 965 und Himmelreich Blutalkohol 1983 91 sowie OLG Köln DAR 1980 251 sowie VRS 60 (1981) 375. Speziell zu den Rückfallquoten bei Teilnehmern dieser Kurse Utzelmann Blutalkohol 1979 1 ff und DAR 1981 348 ff. Dazu OLG Hamburg VRS 60 (1981) 192 und LG Hamburg Blutalkohol 1981 53; eher kritisch Hentschel DAR 1981 83 und OLG Köln DAR 1982 26. Dazu insbesondere Winkler Blutalkohol 1974 178 sowie Bode Blutalkohol 1979 43 und 1984 39; vgl. auch LG München I DAR 1981 229. Modell „Individualpsychologische Verkehrstherapie": Namensgebung nach dem
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Diplompsychologen und Psychotherapeut German Höchen dazu ders. in DAR 1985 36 ff und Blutalkohol 1992 265 ff. Die Teilnahme an einem solchen Kurs wurde als sperrfristverkürzend im Rahmen von § 69a Abs. 7 anerkannt vom AG Stadtroda DAR 2004 543 sowie vom LG Köln DAR 2005 702. Ein ausführlicher Überblick über die in der Bundesrepublik angebotenen diversen Nachschulungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten findet sich bei Spoerer/Ruby Nachschulung und Rehabilitation verkehrsauffälliger Kraftfahrer (1987); vgl. auch OLG Hamburg VRS 60 (1981) 194. Einen ausführlichen Überblick neuesten Standes liefert verdienstvollerweise Himmelreich DAR 2005 130 ff und zuvor partiell schon in DAR 2004 8 ff.
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hol 1984 214; Dittmer Die Nachschulung: ein Mittel zur Behebung von Eignungsmängeln alkoholauffälliger Kraftfahrer? Blutalkohol 1981 281; Gebhardt Die Nachschulung alkoholauffälliger Kraftfahrer und die gerichtliche Praxis, DAR 1981 107 (zugleich in Verkehrsgerichtstag 1981, S. 38); Geppert Nachschulung alkoholauffälliger Ersttäter, Blutalkohol 1984 55; Gontard/Janker Die Nachschulung alkoholauffälliger Kraftfahrer - Ein Beitrag zur Neugestaltung des Sanktionensystems im Bereich des Verkehrsrechts, DAR 1992 8; Himmelreich Nachschulung alkoholauffälliger Kraftfahrer, Blutalkohol 1983 91; ders. Bundeseinheitliche Nachschulungskurse - Neue Gesetzesinitiativen? DAR 1989 5; ders. Auswirkung von Nachschulung und Therapie bei Trunkenheitsdelikten im deutschen Strafrecht, DAR 1997 465; ders. Sperrfrist-Abkürzung für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis (§ 69a Abs. 7 Satz 1 StGB) durch eine Verkehrstherapie, DAR 2003 110; ders. Nachschulung, Aufbau-Seminar, Wieder-Eignungs-Kurs und Verkehrs-Therapie zur Abkürzung der strafrechtlichen Fahrerlaubnis-Sperre bei einem Trunkenheitsdelikt - im Blickpunkt der neueren Rechtsprechung, DAR 2004 8; ders. Psychologische oder therapeutische Schulungs-Maßnahmen zwecks Reduzierung oder Aufhebung der Fahrerlaubnis-Sperre (§ 69a StGB) - ein Irrgarten für Strafrichter? DAR 2005 130; Höcher Verkehrspsychologische Nachschulung, ihre Ziele und Wirksamkeit sowie eine exemplarische Darstellung des Modells IVT-Hö, DAR 1985 36; ders. Langzeitrehabilitation alkoholauffälliger Kraftfahrer. Individualpsychologische Verkehrstherapie (IVT-Hö), Blutalkohol 1992 265; Hundhausen Sollten Kurse für alkoholauffällige Kraftfahrer rechtsförmlich eingeführt werden? Blutalkohol 1989 329 (dagegen Jensch Blutalkohol 1990 85 und Stephan/Kunkel Blutalkohol 1989 347); Jensch Kurse für alkoholauffällige Kraftfahrer sind wirksam! Blutalkohol 1990 285; Jensch/Spoerer Nachschulung: ein psychologisches Mittel zur Behebung von Eignungsmängeln alkoholauffälliger Kraftfahrer, Blutalkohol 1982 1; Kunkel Mainz 77: Maßnahme zur Verhaltensänderung bei Trunkenheitsersttätern, Blutalkohol 1979 1; ders. Zur Kontrolle der Wirksamkeit einer Nachschulungsmaßnahme bei Kraftfahrern, die erstmals durch Trunkenheit am Steuer aufgefallen sind (Modell Mainz 1977), DAR 1981 348; ders. Die Nachschulung alkoholauffälliger Kraftfahrer und die gerichtliche Praxis, in: Verkehrsgerichtstag (VGT) 1981, S. 54; ders. Die Rückfallwahrscheinlichkeit als Kriterium der Fahreignung bei alkoholauffälligen Kraftfahrern, Blutalkohol 1984 385; Kunkel/Menken Zur Notwendigkeit neuer Maßnahmen gegen die Trunkenheit im Straßenverkehr, Blutalkohol 1978 431; Kürschner Die Berücksichtigung von Nachschulungsmaßnahmen im Strafverfahren, Blutalkohol 1981 387; Legat Rechtsprechung oder „operational research"? Kritische Anmerkungen zur rechtlichen Bedeutung der sogenannten Nachschulungsmodelle, Blutalkohol 1981 17; ders. Die Nachschulung: ein Kommunikationsproblem zwischen Richter und Psychologen, Blutalkohol 1985 130; Menken Notwendigkeit und Möglichkeit der Nachschulung alkoholauffälliger Kraftfahrer, DAR 1978 245; ders. Die Möglichkeiten des Verkehrsrichters zur Beeinflussung alkoholauffälliger Kraftfahrer, Blutalkohol 1979 233; ders. Verhaltensänderung durch Intensivierung polizeilicher Verkehrsüberwachung oder durch Einführung von Selbstkontrolle? Blutalkohol 1980 81; Middendorf Nochmals: Die Nachschulung von Alkoholtätern, Blutalkohol 1982 129; Molketin Teilnahme an einer Nachschulung für alkoholauffällige Kraftfahrer, Blutalkohol 1982 50; Arno Müller Neue Maßnahmen gegen Trunkenheit im Straßenverkehr, Blutalkohol 1979 357; ders. Fahrerlaubnisentzug, Eignungsbegutachtung, Nachschulung und Therapie bei Trunkenheitstätern: Ansätze zu einer notwendigen Neuorientierung, Blutalkohol 1993 65; Ostermann Das Rückfallgeschehen bei Alkoholersttätern - Folgerungen für die Nachschulung, Blutalkohol 1987 11; Preisendanz Nachschulung alkoholauffälliger Kraftfahrer und ihre Berücksichtigung im Rahmen des Verkehrsstrafrechts de lege lata und de lege ferenda, Blutalkohol 1981 87; Riedmeyer Anreiz zur Nachschulung durch ihre Berücksichtigung bei verkehrsstrafrechtlichen Sanktionen, Blutalkohol 2002 208; Schreiber Die Zuweisung von Verkehrsstraftätern zur „Nachschulung" im Strafverfahren, Blutalkohol 1979 19; Seib Vor- und Nachschulung, eine vorbeugende Erziehungsarbeit der Verkehrsverbände, Blutalkohol 1975 283; ders. Nachschulung als Alternative zum Fahrerlaubnisentzug, Blutalkohol 1980 39; ders. Die Nachschulung alkoholauffälliger Kraftfahrer und die gerichtliche Praxis, DRiZ 1981 161 (zugleich in VGT 1981, S. 43); Spoerer/Kratz Vier Jahre Erfahrungen mit der Nachschulung von alkoholauffälligen Fahranfängern (Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe), Blutalkohol 1991 333; Spoerer/Ruby Nachschulung und Rehabilitation verkehrsauffälliger Kraftfahrer, 1987; Stephan Die Legalbewährung von nachgeschulten Alkoholtätern in den ersten zwei Jahren unter Berücksichtigung ihrer BAK-Werte, ZVS 1986 2; ders. Unangemessene Folgerungen für die Nachschulung, Blutalkohol 1987 297 (gegen Ostermann Blutalkohol 1987 11); Stephan/Kunkel Ver-
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kehrspsychologische Stellungnahme zu einer „Kosten-Nutzen-Analyse der Kurse für wiederholt alkoholauffällige Kraftfahrer", Blutalkohol 1989 347 (gegen Hundhausen Blutalkohol 1989 329); Utzelmann Rückfallquote von Teilnehmern an Kursen nach dem Modell „Mainz 7 7 " , Blutalkohol 1983 449; ders. Die Bedeutung der Rückfallquote von Teilnehmern an Kursen nach dem Modell „Mainz 7 7 " , Blutalkohol 1984 396; ders. Der unwiderlegte Nutzen von Kursen für alkoholauffällige Kraftfahrer, Blutalkohol 1990 106; Winkler Gruppengespräche nach wiederholter Trunkenheit am Steuer, Blutalkohol 1974 178; ders. Die sogenannte „Nachschulung" alkoholauffälliger Kraftfahrer, NZV 1988 41; Winkler/Jacobshagen/Nickel Zur Langzeitwirkung von Kursen für wiederholt alkoholauffällige Kraftfahrer, Blutalkohol 1990 154; Zabel Nachschulung - neue Modelle und Anwendungsmöglichkeiten, Blutalkohol 1981 113; ders. Nachschulung für Alkoholtäter im Erstund Wiederholungsfall, Blutalkohol 1985 115; Zabel/Zabel Zur Fahreignung von Alkoholtätern Eignungstests und verkehrspsychologische Nachschulung, Blutalkohol 1991 65. 98
Inhalt. Erklärtes Ziel der Nachschulungskurse war es von Anfang an, die Rückfallwahrscheinlichkeit erneuter Trunkenheitsdelikte zu vermindern. Den Kursen geht meist ein vorbereitendes Einzel- und Aufnahmegespräch voraus, dem sich unter verantwortlicher Leitung von Verkehrspsychologen in der Regel vier Gruppensitzungen von je etwa drei Stunden anschließen, in denen den Probanden in gruppentherapeutischen Gesprächen die Alkoholgefahr im Straßenverkehr bewusst gemacht und insbesondere das allseits bekannte „Pechvogel"-Argument aufgelöst werden soll; anschließend werden Verhaltenstechniken zur Bewältigung alkoholrelevanter Situationen im Straßenverkehr trainiert. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wurde der verhaltenstherapeutische und gruppentheoretische Ansatz insbesondere der Kurse „Mainz 7 7 " , „Hamburg 7 9 " und „Leer" schon bald als ernsthafter, auf wissenschaftlicher Grundlage beruhender und vom Staat geförderter Versuch anerkannt, der grundsätzlich geeignet sei, die Rückfallquote bei Trunkenheitstätern zu reduzieren. 5 0 1
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Grundsätzliche Anerkennung. Nach anfänglicher Skepsis in Teilen des Schrifttums 5 0 2 zeigten sich die Tatgerichte 5 0 3 verhältnismäßig schnell bereit, im Kampf gegen den Alkohol die in den bis dahin noch weithin unerprobten Nachschulungskursen liegende Chance zur Verbesserung der Verkehrssicherheit zu nutzen. 5 0 4 Die Berücksichtigung der Nach501
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Für das Modell „Mainz 77" s. vor allem OLG Köln DAR 1980 251; vgl. auch OLG Köln VRS 60 (1981) 375 sowie DAR 1982 26. Zum Modell „Hamburg 79" s. OLG Hamburg DAR 1981 122 und LG Hamburg Blutalkohol 1981 53. Zum Modell „Leer" s. LG München I DAR 1981 229. Besonders skeptisch Seib (Blutalkohol 1975 283, 1980 39 und DRiZ 1981 161); s. aber auch Middendorf Blutalkohol 1978 111 und 1982 129, Arno Müller Blutalkohol 1979 357, Legat Blutalkohol 1981 17 und 1985 130 sowie Schneble Blutalkohol 1980 290. Eher zurückhaltend zunächst auch Janiszewski NStZ 1981 470 und D. Schultz Blutalkohol 1982 333. Die Vielzahl einschlägiger amts- und landgerichtlicher Entscheidungen Ende der 70er und anfangs der 80er Jahre ist kaum zu überblicken; s. daher die Rechtsprechungsübersichten in DAR 1983 230 sowie DAR 1989 234 und bei Bode DAR 1983 33.
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S. insofern vor allem LG Baden-Baden DAR 1981 232 (ausdrückliche Zubilligung eines „gewissen Vertrauensvorschusses"); besonders skeptisch demgegenüber aber AG Freising DAR 1980 252 („Ablasshandel") und LG Kassel DAR 1981 28 (Verbot der Berücksichtigung sogar im Rahmen von § 69a Abs. 7). Deutlich zurückhaltend zunächst auch OLG Düsseldorf DAR 1982 26 sowie LG Dortmund DAR 1981 28. Nach LG Göttingen und AG Neustadt am Rübenberge (nach Bode DAR 1983 38) würde die Berücksichtigung einer Nachschulung finanzkräftige Täter in unzulässiger Weise gegenüber solchen Kraftfahrern bevorzugen, die sich derartige Kurse nicht leisten können; so auch wiederum AG Würzburg VM 1995 32. Dagegen aus maßregelrechtlicher Sicht OLG Köln DAR 1980 251; berechtigte Kritik auch bei Hentschel NJW 1996 638.
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Schulung erfolgte zunächst (nur) über eine nachträgliche Abkürzung der Sperrfrist nach § 69a Abs. 7 5 0 5 (dazu Rdn. 88 zu § 69a), dann aber vermehrt auch im Wege der Sperrfristverkürzung (dazu Rdn. 2 8 zu § 6 9 a ) 5 0 6 und vereinzelt über die Aufhebung einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis im Verfahren nach § l i l a S t P O . 5 0 7 Trotz anfänglicher fortdauernder Skepsis in Teilen des Schrifttums 5 0 8 ging die (vor allem: amts- und landgerichtliche) Praxis dann aber bald dazu über, die Teilnahme an einer (anerkannten) Nachschulung auch im Erkenntnisverfahren als Umstand anzuerkennen, der bei günstigem Persönlichkeitsbild und nicht zuletzt im Zusammenwirken mit vorläufigen Führerscheinmaßnahmen dazu geeignet sein kann, die Regelvermutung des § 6 9 Abs. 2 zu widerlegen. 5 0 9 Die obergerichtliche Rechtsprechung demgegenüber hat von Anfang an hervorgehoben, dass die Kursteilnahme für sich allein das Absehen von der Regelentziehung in aller Regel nicht zu rechtfertigen imstande sei, sondern weitere Umstände (insbesondere eine längere vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und ein günstiges Persönlichkeitsbild) hinzukommen müssen. 5 1 0 Nachdem zwischenzeitlich auch statistisches Material zur Legalbewährung vorliegt, das durch einen Vergleich der Rückfallhäufigkeit von Kursteilnehmern und Nichtkursteilnehmern vorsichtige Erfolge erkennen lässt, 5 1 1
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Soweit ersichtlich wohl erstmals LG Köln DAR 1978 322; vgl. auch AG Recklinghausen DAR 1980 26, AG Pirmasens DAR 1980 122 sowie LG München I DAR 1980 283. Soweit ersichtlich erstmals LG Krefeld DAR 1980 63; vgl. im Folgenden auch AG Köln DAR 1980 222 (keine Berücksichtigung bei der Regelvermutung des § 69 Abs. 2, sondern nur bei Bemessung der Sperrfrist), AG Brühl DAR 1981 233, LG Bielefeld ZfS 1984 159, AG Köln ZfS 1984 159, AG Bersenbrück DAR 1982 374 und LG Oldenburg ZfS 1984 159. LG Hanau DAR 1980 25 sowie LG Köln Blutalkohol recht streng: nur in eindeutigen Fällen minderen Gewichts und erheblicher Auswirkungen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis). Nach Seib (DRiZ 1981 166) verstößt die Berücksichtigung der Nachschulung schon im Erkenntnisverfahren gegen das Gesetz, weil die gesetzliche Regelvermutung für Kursteilnehmer damit in ihr Gegenteil verkehrt und die Maßregel der Fahrerlaubnis letztlich auf ein Fahrverbot reduziert würde; dagegen zu Recht Hentschel Trunkenheit Rdn. 636. Soweit ersichtlich im Berufungsverfahren erstmals LG Kleve DAR 1978 321 sowie im erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren zum ersten Mal AG Bergisch Gladbach DAR 1980 23. Vgl. statt vieler auch LG Krefeld VRS 56 (1979) 283, AG Hanau VRS 58 (1980) 137 („nach Ablauf einer nicht zu kurz bemessenen Zeit der vorläufigen Ent-
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ziehung", hier: ca. sechs Monate), LG Köln ZfS 1980 254 (fünf Monate vorläufiger Fahrerlaubnisentziehung), LG Duisburg DAR 1980 349, LG Köln ZfS 1980 255, AG Fulda DAR 1980 349, LG Baden-Baden DAR 1981 231, AG Homburg/Saar DAR 1980 252, AG Langenfeld ZfS 1980 382, LG Essen ZfS 1982 63 und AG Leverkusen ZfS 1982 159. Zunächst noch ablehnend OLG Düsseldorf DAR 1982 26, die Berücksichtigungsmöglichkeit generell bejahend dann aber OLG Köln DAR 1980 251. S. ferner OLG Köln VRS 60 (1981) 375, OLG Hamburg VRS 60 (1981) 192, OLG Hamm Blutalkohol VRS 61 (1981) 42, OLG Köln VRS 61 (1981) 118, BayObLG ZfS 1982 347, OLG Koblenz VRS 66 (1984) 40 und OLG Düsseldorf VRS 66 (1984) 347. Zu ersten statistischen Vergleichszahlen vor allem Stephan ZVS 1986 (bei einer zweijährigen Legalbewährung und 467 überprüften Kursteilnehmern Verringerung der Rückfallquote um rund 10 %) sowie Utzelmann Blutalkohol 1983 449 und 1984 396 (ähnliche Werte). Kritisch dazu Ostermann Blutalkohl 1987 11 (Erwiderung durch Stephan aaO S. 297) und Hundhausen Blutalkohol 1989 329 (dagegen Stephan/Kunkel aaO S. 347 und Jensch Blutalkohl 1990 85). Der Modellversuch der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) für alkoholauffällige Wiederholungstäter erreichte in einem Beobachtungszeitraum von drei Jahren und 1569 überprüften Kursteilnehmern eine Rückfall-
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wird die Wirkung solcher Nachschulungskurse auf den alkoholauffälligen Kraftfahrer in der tatrichterlichen ebenso wie in der obergerichtlichen Rechtsprechung512 und (selbst) im (juristischen) Schrifttum513 inzwischen weithin als wertvoll und sehr positiv eingeschätzt. Die Kurse dienen danach zwar nicht als Ersatz, wohl aber als sinnvolle Ergänzung zur Entziehung der Fahrerlaubnis und ihr dienenden vorläufigen Maßnahmen. 99a
Davon ging ersichtlich auch das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 24. April 1998 5 1 4 aus, das erklärtermaßen aus diesem Grund die in § 69a Abs. 7 S. 2 vorgesehene Mindestsperre von sechs Monaten auf drei herabgesenkt und den gesetzlichen Auflagenkatalog des § 153 a Abs. 1 StPO durch Einfügung einer neuen Nr. 6 dahin ergänzt hat, dass auch die Teilnahme an einem „Aufbauseminar" zur Einstellung nach § 153a StPO führen kann. Die Verkürzung der Mindestsperrfrist und die Einführung der zusätzlichen Nr. 6 in § 153a StPO erfolgten ausweislich der amtlichen Begründung ausdrücklich zu dem Zweck, die Bereitschaft von alkoholauffälligen Verkehrsteilnehmern zur Teilnahme an solchen Kursen zu stärken.515 Nach Inkrafttreten und in Folge des StVG-Änderungsgesetzes vom 24. April 1998, das im Wesentlichen an sich aber nur Regelungen für die verwaltungsbehördliche Erteilung oder Entziehung der Fahrerlaubnis betraf, sind heute gewissermaßen drei Gruppen von Nachschulungskursen zu unterscheiden:516 (1) Die in § 153a StPO genannten „Aufbauseminare nach § 2b Abs. 2 S. 2 oder § 4 Abs. 8 S. 4 StVG" (im Folgenden: „besondere Aufbauseminare") sind ausweislich des Gesetzes zum einen für Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe gedacht, die innerhalb der Probezeit eine Zuwiderhandlung begangen haben (§§ 2a Abs. 2 Nr. 1 und 2b StVG), sowie des Weiteren für Kraftfahrer, die nach dem Punktesystem zur Verantwortung zu ziehen sind und denen dabei speziell alkoholbedingtes Fehlverhalten im Straßenverkehr vorzuhalten ist (§§ 4 Abs. 8 S. 4 StVG i.V. mit § § 4 3 und 36 FeV). Das didaktische Konzept dieser „besonderen Aufbauseminare" ist in § 36 FeV spezialgesetzlich besonders geregelt ist; ihre Leiter müssen nach Absatz 6 dieser Vorschrift besondere Qualifikationen aufweisen.517
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minderung von etwa 2 7 % (nach Winkler N Z V 1988 44). Weiterführend: Winkler N Z V 1988 41 ff, Winkler/Jacobshagen/ Nickel Blutalkohol 1990 154, Utzelmann Blutalkohol 1990 106 und Jensch Blutalkohol 1990 2 8 5 ; deutlich kritisch Arno Müller BA 1993 65. Neueres statistisches Material liefern Birnbaum/Biehl/Sage/Scheffel NZV 2 0 0 2 164 ff (12,5 % Rückfallquote bei Teilnehmern des Modells „Mainz" innerhalb von fünf Jahren gegenüber 17,5 % bei Nichtgeschulten ). S. etwa OLG Düsseldorf DAR 1991 4 6 6 (zur nachträglichen Abkürzung einer lebenslangen Sperre), LG Köln DAR 1 9 8 9 109 (zur Verringerung der Sperrfrist bei einem Wiederholungstäter) sowie AG Delmenhorst ZfS 1989 141, AG Köln DAR 1989 2 3 4 und AG Homburg DAR 1991 4 7 2 (jeweils Ausnahmen von der Regel-Entziehung); vgl. auch AG Ratingen DAR 1991 156 („deut-
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liche" Verringerung der bei Wiederholungstätern sonst üblichen Sperrfrist nach individual-psychologischer Verkehrstherapie). Statt vieler: Bode Blutalkohol 1984 37, Gebhardt DAR 1981 111, Geppert Blutalkohol 1984 5 7 und passim, Hentschel DAR 1981 83, Himmelreich Blutalkohol 1983 91, Krehl DAR 1986 37, Kürschner Blutalkohol 1981 3 4 8 und Zabel Blutalkohol 1995 115. BGBl. 1/747 ff. BRDrucks. 821/96, S. 96. Ausführlich dazu Himmelreich DAR 2 0 0 4 8 ff und DAR 2 0 0 5 130 ff; zusammenfassend Hentschel Trunkenheit Rdn. 636 und 795. Hochschulabschluss als Diplompsychologe, akademische Zusatzausbildung als Verkehrspsychologe sowie praktische Erfahrungen als Fahrlehrer und weitere Anforderungen.
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(2) Daneben nennt § 70 FeV „Kurse zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung" (im Folgenden: „Wiedereignungskurse"), auch deren Leiter besondere Qualifikationserfordernisse erfüllen müssen, deren Wirksamkeit einem strengen wissenschaftlichen Evaluationsverfahren unterzogen wird und die durch die BASt (nach § 72 FeV) akkreditiert sein müssen. Ein Großteil der althergebrachten bisherigen Nachschulungsmodelle („Mainz 77", „Leer", IVT-Hö u.a.) ist zu dieser Gruppe zu rechnen. 518 (3) Schließlich gibt es noch Nachschulungskurse in einem weiteren Sinn (z.B. das Modell „IVT-Hö" 519 oder auch neuere wie z.B. das Modell „Freyung" des TÜV Süddeutschland 520 oder der Dortmunder Kurs des „Kreuzbundes" 521 ), die zwar ebenfalls verkehrspsychologisch oder verkehrstherapeutisch konzipiert sind, aber bislang noch nicht förmlich evaluiert wurden oder förmlich akkreditiert sind. 522 Literatur und Rechtsprechung sind sich weithin dahin einig, dass die strengen Anforderungen der § § 3 6 und 70 FeV nur für den verwaltungsbehoTàìichen, nicht aber für den sfra/richterlichen Bereich gelten und die Strafgerichte demzufolge nicht nur im Rahmen der nachträglichen Sperrfristverkürzung (§ 69a Abs. 7), sondern auch im Erkenntnisverfahren bei Beurteilung der noch fortbestehenden Ungeeignetheit (§ 69 Abs. 1 und Abs. 2) ebenso wie bei der prognostischen Festsetzung der Sperrfristdauer (§ 69a Abs. 1) nach Maßgabe der strafrichterlichen Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) und im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) auch die Teilnahme der Probanden an solchen altbewährten oder auch neueren Nachschulungskurse bei ihrer Eignungsprognose selbstverantwortlich mitberücksichtigen können. Für den Strafrichter müssen die Leiter solcher Nachschulungskurse also nicht die staatliche Anerkennung nach § 36 Abs. 6 FeV besitzen. 523 Folgerichtig können auch einschlägige ausländische Nachschulungskurse als berücksichtigungsfähig anerkannt werden, wenn sie in ihrer Qualität einschlägigen deutschen Kursen entsprechen. 524 Gegenüber vielfältigen privattherapeutischen Hilfen (Selbsthilfegruppen oder Einzeltherapie) ist größere Vorsicht angebracht; hier wird sich meistenfalls eine Individualprognose als unverzichtbar erweisen. 525 Einzelheiten. (1) Ob die spezialpräventiv günstige Wirkung durch die Teilnahme an 1 0 0 einer Nachschulung eingetreten ist, unterliegt im Rahmen gebotener Gesamtwürdigung allein tatrichterlicher Beurteilung und ist vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler zu
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Mit weiteren Nachweisen vor allem Himmelreich DAR 2005 8 ff. Im Rahmen von § 69a Abs. 7 anerkannt vom LG Köln DAR 2005 702 und vom AG Stadtroda DAR 2004 543. Im Rahmen von § 69a Abs. 7 anerkannt z.B. von LG Hof NZV 2001 92 und AG Hof DAR 2002 328. AG Lüdinghausen DAR 2004 470. Dazu mit weiteren Nachweisen Himmelreich DAR 2004 9 f. Anderer Ansicht bislang offenbar nur LG Hildesheim NStZ-RR 2003 312; dagegen aber zu Recht Bode ZfS 2003 372, Hentschel Trunkenheit Rdn. 795 mit Fn. 411 und Himmelreich DAR 2004 12. Zur Anerkennung und zum didaktischen
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Konzept eines oesterreichischer Nachschulungskurses (der staatlicherseits sogar akkreditiert war: vgl. §§ 2 und 3 FSG-NV) AG Eggenfelden N Z V 2005 545 und DAR 2 0 0 7 408. Mit weiterführenden (auch: Rechtsprechungs-) Nachweisen schon Bode DAR 1983 34; vgl. auch LG Heilbronn Justiz 1982 338 (zur Privattherapie) und LG Köln ZfS 1982 158 sowie AG Frankfurt am Main Blutalkohol 1981 271 (Nachschulung durch Fahrschule) und AG Köln ZfS 1982 158. Recht streng (allerdings gegenüber einem Mehrfachtäter) insoweit KG DAR 2004 657 (zur Berliner „Drogenhilfe Tannenhof"); dazu aus neuerer Zeit auch OLG Dresden DAR 2002 280.
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überprüfen. 5 2 6 Weil nicht die Kursteilnahme als solche zur Widerlegung der gesetzlich vermuteten Ungeeignetheit führt, hat der Tatrichter in den Gründen seiner Entscheidung in revisionsgerichtlich nachprüfbarer Weise darzulegen, in welcher Weise die Nachschulung (meist im Zusammenwirken mit vorläufigen Führerscheinmaßnahmen) entgegen der Regel des Absatzes 2 zur Wiederherstellung der Eignung geführt oder im Hinblick auf welche besonderen Umstände in der Tat und/oder in der Persönlichkeit des Täters sogar eine Nachschulung die aus der Anlasstat erwiesene Ungeeignetheit nicht beseitigt hat. 5 2 7 Eine solche Gesamtwürdigung kann in aller Regel nur in einer Hauptverhandlung, nicht im Strafbefehlsverfahren geleistet werden. 5 2 8 Handelt es sich um allseits anerkannte erprobte Nachschulungskurse (wie etwa das Modell „Mainz 7 7 " , „Leer", „Hamburg 7 9 " oder „Freyung" 5 2 9 ) , genügt es, wenn der Tatrichter den Kurs als solchen benennt sowie Kursinhalt und organisatorischen Ablauf formelhaft andeutet. 5 3 0 Soweit Träger der Kurse privatwirtschaftlich tätige und auf Gewinnerzielung gerichtete Organisationen sind, trifft den Tatrichter hinsichtlich des ordnungsgemäßen Ablaufs des Kurses jedenfalls so lange eine besondere Prüfungspflicht, wie der Kurs keiner staatlichen Kontrolle unterliegt. 531 Der Nachweis der Nachschulung als solcher kann mit den üblichen Beweismitteln geführt werden; es genügt die den Kursteilnehmern nach Durchführung der Kurse ausgehändigte Bescheinigung, die ihnen üblicherweise eine „erfolgreiche und regelmäßige Teilnahme" attestiert. 5 3 2 Davon zu trennen ist die Frage, wann eine Kursteilnahme „erfolgreich" ist und ob der Tatrichter zusätzlich zur bloßen Teilnahmebescheinigung weitere Feststellungen zu den individuellen Auswirkungen des Kurses auf den Täter treffen muss. 5 3 3 Bei nur „vorsichtiger" Berücksichtigung der Kursteilnahme (was ausweislich einschlägiger obergerichtlicher Entscheidungen bei Ersttätern üblicherweise der Fall ist, wenn die Sperrfrist um etwa drei Monate verkürzt oder von der Regelentziehung nach vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis von mindestens sechs Monaten abgesehen wird) reicht im Allgemeinen der Hinweis des Tatrichters auf die ihm vorgelegte Teilnahmebescheinigung aus; 5 3 4 die bloße Feststellung regelmäßiger Teilnahme ist insoweit hinreichender Ausdruck für das Bemühen des Täters um Verbesserung seiner Eignungs-
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OLG Düsseldorf DAR 1982 2 6 sowie OLG Köln VRS 5 9 (1980) 2 7 und VRS 61 (1981) 118; vgl. auch BayObLG VRS 4 0 (1971) 12. OLG Koblenz VRS 6 6 (1984) 4 0 ; OLG Köln VRS 6 0 (1981) 375; OLG Hamburg VRS 6 0 (1981) 192. So auch AG Hanau VRS 58 (1980) 139 und AG Homburg/Saar ZfS 1983 283. Speziell zum Modell „Freyung" aus jüngerer Sicht LG Hof N Z V 2 0 0 1 92 (bei förmlicher Teilnahmebescheinigung sei ein positives medizinisch-psychologisches Individualgutachten nicht erforderlich). Soweit Träger der Kurse privatwirtschaftlich tätige und auf Gewinnerzielung gerichtete Organisationen sind, trifft den Tatrichter hinsichtlich des ordnungsgemäßen Ablaufs des Kurses jedenfalls so lange eine besondere Prüfungspflicht, wie der Kurs keiner staatlichen Kontrolle unterliegt (OLG Hamburg VRS 60 (1981) 192 = DAR 1981 122 = Blutalkohol 1981 104).
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OLG Köln DAR 1982 2 6 und OLG Hamburg VRS 6 0 (1981) 192; zur Darlegungspflicht bei Anzeichen eines reinen „Gefälligkeitsgutachtens" OLG Düsseldorf VRS 6 6 (1984) 347. Vgl. OLG Hamburg VRS 6 0 (1981) 192. Zur strafprozessualen Frage, wie solche Bescheinigungen in die Hauptverhandlung eingeführt werden können, Bode DAR 1983 36. Ausführlich und mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen Bode Blutalkohol 1984 31 ff und Himmelreich Blutalkohol 1983 91 (101 ff). Zu streng wohl LG Oldenburg DAR 2 0 0 2 327 (allein Zeitablauf und Nachschulung reiche nicht aus für das Abweichen von der Regelvermutung des Absatzes 2; ein fachspezifisches Zusatzgutachten sei erforderlich).
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Voraussetzungen. 535 Da es um den Nachweis der Kursteilnahme als solcher und nicht um ein gutachterliches Attest geht, kann die Bescheinigung über eine regelmäßige und erfolgreiche Kursteilnahme als feststellende Urkunde im Wege des Augenscheinsbeweises in die Hauptverhandlung eingeführt werden; 5 3 6 soweit nach § 2 4 4 Abs. 2 StPO geboten, kann auch die Vernehmung des verantwortlichen Kursleiters (als sachverständiger Zeuge) erforderlich sein. 5 3 7 Sofern die durchgeführte Nachschulung jedoch in weitergehendem Umfang zugunsten des Täters berücksichtigt wird, verlangt die Rechtsprechung zwecks revisionsgerichtlicher Überprüfbarkeit besondere tatrichterliche Feststellungen zur Frage, weshalb die Nachschulung auf den betreffenden Täter besonders günstig gewirkt hat. 5 3 8 In gleicher Weise bedarf es besonderer tatrichterlicher Feststellungen, wenn der Täter sich einer individuellen therapeutischen Behandlung unterzogen hat (Privattherapie) oder die Nachschulung in Kursen/Selbsthilfegruppen erfolgt ist, deren Konzept noch nicht allgemein bekannt und erprobt ist (noch nicht allseits erprobte Nachschulungskurse); hier sind nicht nur zu den individuellen Auswirkungen der Behandlung/Schulung, sondern auch zu Inhalt und Ablauf der Schulung/therapeutischen Behandlung sowie zur fachlichen Kompetenz des Kursleiters/Therapeuten besondere tatrichterliche Feststellungen und Darlegungen erforderlich. 5 3 9 (2) Da generalisierende Erwägungen mit der Rechtsnatur der Maßregel unvereinbar sind, sind feste Taxen nicht möglich, zumal individuell unterschiedlich großer finanzieller/zeitlicher Aufwand zur regelmäßigen Teilnahme am Nachschulungskurs für die spezialpräventive Wirksamkeit der Nachschulung von maßgeblicher indizieller Bedeutung sein kann (dazu schon Rdn. 95 f). Ausweislich umfangreicher tatrichterlicher Judikate wird die Sperrfrist im Hinblick auf eine Nachschulung durchschnittlich etwa um drei Monate verkürzt (dazu auch Rdn. 2 8 zu § 6 9 a ) ; 5 4 0 eine Berücksichtigung der Nachschulung um mehr als drei Monate erfolgt erfahrungsgemäß nur ausnahmsweise und bedarf zusätzlicher Begründung. 541 Somit kommt ein Verzicht auf die Regelentziehung im Hinblick auf Nachschulung (insbesondere bei Zusammenwirken mit vorläufigen Führerscheinmaßnahmen) in der Berufungsinstanz, in der die vorläufige M a ß n a h m e die sechsmonatige Mindestsperre des § 69a Abs. 1 S. 1 in aller Regel überschritten haben dürfte, 5 4 2 häufiger vor als im erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren. Es gibt aber sowohl
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OLG Köln DAR 1981 26, OLG Hamburg DAR 1981 122 und OLG Düsseldorf VRS 66 (1984) 347; vgl. auch LG Krefeld DAR 1979 337, LG Duisburg DAR 1980 349 und AG Bergisch Gladbach DAR 1980 23. Eindeutig zu streng OLG Koblenz VRS 66 (1984) 40. Zu Recht gegen eine Verlesung nach § 256 Abs. 1 StPO daher OLG Hamm Blutalkohol 1981 274. OLG Hamm Blutalkohol 1981 276 und Legat Blutalkohol 1981 27. OLG Hamburg DAR 1981 122 (zum Modell „Hamburg 7 9 " ) sowie OLG Köln DAR 1982 26 (zum Modell „Mainz 77"); vgl. auch AG Köln DAR 1980 222. Die Rechtsprechung ist diesbezüglich zu Recht streng: vgl. LG Heilbronn Justiz 1982
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338, LG Köln ZfS 1982 158 und ZfS 1980 381, AG Frankfurt am Main Blutalkohol 1981 271 (Nachschulung durch eine Fahrschule) und AG Köln ZfS 1981 31; weiterführende Nachweise bei Bode DAR 1983 33. Statt vieler: OLG Köln DAR 1982 26 und AG Bersenbrück DAR 1982 374 sowie Bode Blutalkohol 1984 36. OLG Hamburg DAR 1981 122 (Berücksichtigung um fünf Monate). LG Essen ZfS 1982 63, AG Köln DAR 1989 2 3 4 und AG Homburg/Saar VRS 67 (1984) 22 (je ca. sieben Monate) sowie LG BadenBaden DAR 1981 231, LG Köln ZfS 1980 126 und AG Delmenhorst ZfS 1989 141 (je ca. acht Monate).
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zweit- wie sogar erstinstanzliche Entscheidungen, bei denen die vorläufige Maßnahme nur sechs M o n a t e 5 4 3 oder noch weniger gedauert h a t , 5 4 4 doch gleichwohl von der Regelentziehung abgesehen wurde. Eine derart „großzügige" Handhabung der Ausnahmemöglichkeiten des Absatzes 2 bedarf als deutliche Ausnahme zwar besonderer Begründung, ist mit dem Gesetz jedoch noch zu vereinbaren; dies lässt auch § 69a Abs. 4 erkennen, wonach eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (sogar) ohne Nachschulung zur Verringerung der Mindestsperrfrist von sechs auf drei Monate führen kann. 102
(3) Bei einem Wiederholungstäter 5 4 5 sind ebenfalls strenge Anforderungen an den Verzicht auf die Regelentziehung angebracht; dies gilt besonders für Mehrfachtäter, gegen die bereits in den letzten drei Jahren vor der Tat eine Sperre angeordnet wurde und für die § 69a Abs. 3 eine Mindestsperrfrist von einem Jahr vorsieht. 5 4 6 Auch in diesen Fällen bestehen jedoch keine generellen rechtlichen Bedenken, im Hinblick auf Nachschulung oder sonstige individual-psychologische Behandlung auch bei vorläufigen Führerscheinmaßnahmen unterhalb der Ein-Jahres-Grenze des § 6 9 a Abs. 3 von der Regelentziehung absehen zu können; dies wird aber seltene und besonders zu begründende Ausnahme bleiben. 5 4 7 Im Übrigen ist der Tatrichter in diesen Fällen nicht nur gehalten, Inhalt, organisatorischen Ablauf und verkehrstherapeutische/-psychologische Kompetenz des Kursleiters im Einzelnen darzustellen, sondern - ggf. mit sachkundiger Hilfe eines Sachverständigen oder des als sachverständigen Zeugen zu vernehmenden KursleitersFeststellungen auch zu den individuellen Auswirkungen der verkehrstherapeutischen Behandlung zu treffen.
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ccc) Im Fall unerlaubten Sichentfernens vom Unfallort war bereits vor Einführung der „tätigen Reue" (§ 142 Abs. 4) im Jahre 1 9 9 8 anerkannt, dass von einer Regelentziehung (§ 6 9 Abs. 2 Nr. 3) abgesehen werden konnte, wenn der Täter z.B. bereits bei Verlassen des Unfallortes entschlossen war, sich beim Geschädigten zu melden und den Schaden zu ersetzen, und dies dann auch alsbald getan h a t 5 4 8 oder nach Überwindung
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LG Kleve DAR 1978 321, LG Krefeld VRS 56 (1979) 283, LG Hanau DAR 1980 25 und LG Hamburg DAR 1983 60 sowie AG Hanau VRS 58 (1980) 137, AG Homburg/ Saar DAR 1980 230 (je rund sechs Monate). LG Köln ZfS 1980 254 sowie AG Fulda DAR 1980 349 (je ca. fünf Monate), LG Duisburg DAR 1980 349 (viereinhalb Monate), AG Homburg/Saar DAR 1980 252 und DAR 1991 472 und AG St. Ingbert Blutalkohol 1983 168 (je etwa vier Monate) sowie schließlich AG Bergisch Gladbach DAR 1980 23, wo die vorläufige Führerscheinmaßnahme nur drei Monate und eine Woche dauerte. Zu Nachschulungskursen für Mehrfachtäter s. Winkler Blutalkohol 1974 178 und Bode Blutalkohol 1984 39. Zu verkehrstherapeutischen Maßnahmen individual-psychologischer Art, wie sie für Alkoholkranke erforderlich sind, s. vor allem das sog. Modell „IVT-Hö" (nach Höcker)·, zu dessen Zielen,
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Inhalt und therapeutischem Programm im Einzelnen sowie zu seiner Wirksamkeit s. denselben in DAR 1985 36 und Blutalkohol 1992 265. Kurse nach diesem Modell wurden (im Rahmen von § 69a Abs. 7) anerkannt vom LG Köln DAR 2005 702 und vom AG Stadtroda DAR 2004 543. So mehrfach vor allem LG Köln (ZfS 1982 348, ZfS 1982 158 und ZfS 1981 30) sowie AG Köln ZfS 1981 31, AG Homburg/Saar ZfS 1983 283 und AG Ratingen DAR 1991 156; auf dieser zu Recht strengen Linie auch Hentschel Trunkenheit Rdn. 642. Aus jüngerer Zeit auch KG DAR 2004 657. Zu einem solchen Ausnahmefall AG Homburg/Saar Blutalkohol 1984 187; deutlich strenger LG Köln ZfS 1981 30. BayObLG (Beschl. v. 13.4.1967 - lb St 112/67): zit. nach Rüth DAR 1968 225; zustimmend Sch/Schröder/Stree Rdn. 42. So auch schon LG Gera StV 1997 596.
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des ersten Schrecks nach ca. einer Stunde wieder an den Unfallort zurückgekehrt ist. 5 4 9 Auch nach Einführung der tätigen Reue, die unter den (wohl: zu) engen Voraussetzungen des § 142 Abs. 4 allenfalls zur Strafmilderung oder zum Absehen von Strafe führen kann, scheinen die Untergerichte bereit, auch bei gescheiterter „tätiger Reue" (z.B. wenn der Sachschaden nicht nur unerheblich war oder es sich um Unfall im fließenden Verkehr handelte) im Einzelfall von der Regelentziehung (§ 69 Abs. 2 Nr. 3) abweichen zu dürfen, wenn ansonsten die Voraussetzungen des Absatzes 4 erfüllt waren (strenge Anforderungen). 550 Dies muss folgerichtig (erst recht) auch unter den Voraussetzungen des § 142 Abs. 4 möglich sein. Auf diese Weise kann ein freiwilliger „Rücktritt" des Täters, der unter den Voraussetzungen des § 142 Abs. 4 zwar einem Schuldspruch wegen vollendeter Verkehrsunfallflucht nicht entgegensteht, kriminalpolitisch sinnvoll genutzt werden, zumal die vom Gesetzgeber in § 142 Abs. 4 getroffene Regelung angesichts wohl zu enger Voraussetzungen und auf Grund der für den reuigen Täter zu unsicheren Aussichten (allenfalls Strafmilderung oder Absehen von Strafe, was aber eine Maßregel nicht ausschließt: dazu schon Rdn. 17) in der Praxis erfahrungsgemäß sehr wenig zur Anwendung kommt (weiter dazu die Erl. zu § 142). c) Wird bei Verurteilungen nach §§ 315c Abs. 1 Nr. l a und Abs. 3 oder 316 die Fahrerlaubnis ausnahmsweise nicht entzogen, ist in der Regel ein Fahrverbot anzuordnen (§ 4 4 Abs. 1 S. 2). 5 5 1 In diesem Fall ist der Richter - anders als bei Anordnung eines Fahrverbotes (§ 4 4 Abs. 1 S. 1) - nicht gehalten, besonders zu begründen, weshalb zusätzlich zur Hauptstrafe auch ein Fahrverbot erforderlich ist und dieses nicht durch eine verschärfte Hauptstrafe ersetzt werden kann; die Ermessensbeschränkung des § 4 4 Abs. 1 S. 2 bezieht sich nur auf die Anordnung des Fahrverbotes als solche, nicht jedoch auf Dauer und Umfang des Fahrverbotes. Letzterenfalls bleibt zu prüfen und besonders darzulegen, für wie lange das Fahrverbot zu verhängen ist und ob es nicht auf bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen beschränkt werden kann (hierzu bereits Rdn. 32 bis 4 0 zu §44).
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3. Feststellung der Ungeeignetheit bei Nicht-Katalogtaten a) Grundsatz. Wenn ein Eignungsmangel auf Grund anderer als der im Regelkatalog aufgeführten Tatbestände in Betracht kommt, hat das Gericht zu prüfen, ob die Anlasstat, die auch bei Nicht-Katalogtaten Grundlage der Eignungsbeurteilung ist, ihrem Gewicht und ihrer Art nach den in Absatz 2 genannten Taten entspricht; 552 denn diese Vorschrift gibt nicht nur die Schutzrichtung (Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs) an, der die Maßregel dienen soll, sondern zugleich einen allgemeinen Bewertungsmaßstab
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BayObLG VRS 15 (1958) 41 (mit zusätzlicher Besonderheit: die Täterin war im 3. Monat schwanger). So etwa LG Gera StV 2 0 0 1 357 und LG Zweibrücken DAR 2 0 0 3 2 3 6 sowie AG Göttingen StV 2 0 0 2 372 (dort zusätzlich: Panikreaktion) und AG Saalfeld ZfS 2 0 0 4 232. Ausführlich dazu Herbert Schäfer N Z V 1999 190 ff; auf dieser Linie auch Lenhart NJW 2 0 0 4 193. Dabei ist zu beachten, dass § 4 4 Abs. 1 S. 2 für alle Fälle der §§ 315c Abs. 1 Nr. l a und
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316 und nicht nur für die alkohol-, sondern auch für die sonstige rauschbedingte Fahrunsicherheit und entgegen insoweit verunglückten Gesetzeswortlautes auch für eine Verurteilung wegen Volltrunkenheit (§ 323a) gilt, sofern sich diese auf eine rauschbedingte Straßenverkehrsgefährdung bzw. Trunkenheitsfahrt bezieht. Weiter dazu Rdn. 34 zu § 4 4 . So schon OLG Hamm VRS 57 (1979) 186; ebenso Kulemeier S. 105.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
für einen Eignungsmangel, der die Anordnung der Maßregel rechtfertigen kann. 5 5 3 Selbst wenn die abzuurteilende Tat ebenso wie die Katalogtaten ein besonders hohes Maß an fehlendem Verantwortungsbewusstsein aufweist, darf sich das erkennende Gericht nicht darauf beschränken auszuführen, weshalb die abzuurteilende Nicht-Katalogtat ihrem Gewicht nach einer Regeltat entspricht, und es darf sich danach auch nicht damit begnügen, lediglich zu prüfen, ob ausnahmsweise besondere Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters den Schluss rechtfertigen, dass die Ungeeignetheit zwischenzeitlich wieder beseitigt ist; 5 5 4 an der noch in der Vorauflage (dort Rdn. 104) vertretenen gegenteiligen Auffassung wird nicht mehr festgehalten: Seit der Große Strafsenat mit seiner Entscheidung vom 27. April 2 0 0 5 (BGHSt 5 0 93 ff) den bereits ausführlich dargestellten Richtungswechsel vollzogen und klargestellt hat, dass § 69 als Maßregel dem Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs dient, ist zugleich klargestellt, dass die Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Nicht-Katalogtaten strafgerichtlich nur entzogen werden darf, wenn die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen; auf die Ausführungen in den Rdn. 32 ff wird verwiesen, zur Position des Großen Strafsenates insbesondere auf Rdn. 34b sowie zu den daraus folgenden Konsequenzen auf Rdn. 34c. Anders als bei der Begehung einer in Abs. 2 aufgeführten Katalogtat begründet also allein der Umstand, dass der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung der Straftat benutzt hat, keine Vermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Es bedarf vielmehr einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Täters unter Mitberücksichtigung aller Umstände der konkreten Tat; an Hand konkreter Umstände, die sich in der jeweiligen Anlasstat gezeigt haben, muss also festgestellt werden, dass sich der Täter gerade in seiner Eigenschaft als Kraftfahrer als unzuverlässig erwiesen und die Bereitschaft gezeigt hat, sich auch künftig über die im öffentlichen Straßenverkehr gebotene Sorgfalt und Rücksichtnahme hinwegzusetzen. 555 Auch in diesen Fällen bleibt zu prüfen, ob es sich nicht um eine einmalige Fehlleistung z.B. aus Leichtsinn handelt, zu deren Ahndung die Denkzettelstrafe des Fahrverbotes ( § 4 4 ) ausreicht (zum Zusammenspiel bzw. zur Abgrenzung von Fahrverbot und Fahrerlaubnisentzug insbesondere Rdn. 16 ff und zur Beschränkung des Ermessens bei Vorliegen eines dortigen Regelfalles Rdn. 34 ff: je zu § 44), oder ob Umstände nach Begehung der Tat gegen eine noch fortbestehende Ungeeignetheit sprechen (dazu bereits Rdn. 94 ff). b) Kasuistik 106
aa) Verkehrsstraftaten im weiteren Sinn. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen ist eine Parallele zum Regelkatalog (Absatz 2) auch im Bereich der Verkehrsstraftaten im weiteren Sinn nur in engen Grenzen erlaubt und diese somit nur zulässig, wenn eine zusätzliche Gesamtwürdigung der Tat und diese der Persönlichkeit des Täters auch künftig dessen für die Sicherheit des Straßenverkehrs gleiche gefährliche Verantwortungslosigkeit befürchten lässt. Nach dem Richtungswechsel durch den Großen Strafsenat (BGHSt 5 0 93 ff) ist es danach kaum mehr vertretbar, jedenfalls bei „verkehrsspezifischen Anlass-
So letztlich schon BTDrucks. IV/651, S. 17 f. In dieser Richtung ersichtlich noch OLG Stuttgart N J W 1954 1657 und OLG Braunschweig DAR 1958 193. 555 Vgl. für viele schon vor der Entscheidung des Großen Strafsenates (BGHSt 5 0 93 ff): 553 554
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BGH VRS 106 (2004) 448, VRS 107 (2004) 172 und VRS 107 (2005) 4 2 7 ; auf dieser Linie auch nach BGHSt 50 93 ff Herzog NK Rdn. 30, Athin MK Rdn. 81 und Fischer Rdn. 37.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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taten" wie z.B. § 21 StVG (Fahren ohne Fahrerlaubnis oder trotz Fahrverbotes), § 6 PflVersG (Fahren ohne Haftpflichtversicherung) oder Urkundenfälschung durch Verwendung gefälschter Führerscheine einen charakterlichen Eignungsmangel für „eher nahe liegend" anzunehmen, „wenn nicht erhebliche Umstände dagegen sprechen". 5 5 6 Auch bei Verkehrsdelikten außerhalb des Regelkatalogs lassen allein die äußeren Tatumstände noch keinen sicheren Schluss auf die Ungeeignetheit zu; daher ist auch hier eine Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller Umstände der Tat und der Täterpersönlichkeit erforderlich, wobei den außerhalb der Tat liegenden Umständen um so größere Bedeutung zukommt, je geringer die Indizwirkung der Tat im konkreten Einzelfall ist. 5 5 7 Die Missachtung eines Fahrverbotes (§ 21 Abs. 1 StVG), 5 5 8 das Fahren ohne Haftpflichtversicherung (§ 6 PflVersG) oder ein verkehrsfremd-verkehrsfeindlicher Einsatz eines Kraftfahrzeuges nach § 3 1 5 b 5 5 9 wird eine strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis somit nur nach sich ziehen, wenn die Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit ergibt, dass das in der Anlasstat zum Ausdruck gekommene Fehlverhalten Ausdruck einer auch künftig zu befürchtenden Verantwortungslosigkeit ist, und auf Grund der in der Anlasstat zum Ausdruck gekommenen Verantwortungslosigkeit bei gegebener Situation demzufolge mit einer Wiederholung dieses verkehrsgefährlichen Fehlverhaltens zu rechnen ist. Für § 145d (Vortäuschung einer Straftat) ist dies trotz gewisser Parallelen zu § 142 zu verneinen, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen der Verkehrsunfallflucht, wie sie in § 69 Abs. 2 Nr. 3 genannt sind, nicht gegeben sind. 5 6 0 Bei fahrlässiger Tötung/Körperverletzung ist für die Entziehung der Fahrerlaubnis aus maßregelrechtlicher Sicht nicht auf die schwere Folge als solche, sondern auf die besondere Gefährlichkeit abzustellen, die zu der schweren Folge geführt hat; in Anlehnung an den Regelfall des § 315c Abs. 1 Nr. 2 („sieben Todsünden") wird eine fahrlässige Tötung/Körperverletzung nur dann als dem Gewicht eines Regelfalles entsprechend anzusehen sein, wenn „grobe Verkehrswidrigkeit" oder „Rücksichtslosigkeit" zu der schweren Folge geführt hat. 5 6 1 Zu weiterer Kasuistik s. bereits Rdn. 35. bb) Delikte der allgemeinen Kriminalität. Unter Berücksichtigung der gleichen Überlegungen bedarf es auch (und erst recht) bei an sich verkehrsfremden Anlasstaten einer umfassenden Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit. Wie bereits ausgeführt (Rdn. 32 ff, speziell zum Richtungswechsel durch den Großen Strafsenat vor allem Rdn. 34b und 34c), vermag allein die Gefahr, dass der Täter unter Benutzung eines Kraftfahrzeugs weitere Delikte der allgemeinen Kriminalität begeht, den strafgerichtlichen Entzug der Fahrerlaubnis nicht zu rechtfertigen; denn § 69 bezweckt nach Wortlaut und Konzeption des Gesetzes den Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs, dient hingegen nicht der allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung. Weil die strafgerichtliche Ent-
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So aber Fischer Rdn. 38 (bedenklich). Sch/Schröder/Stree Rdn. 5 0 und Athin MK Rdn. 82. Eher zu weit wohl OLG Schleswig VM 1966 93; zu Recht deutlich strenger OLG Hamm VRS 6 3 (1982) 3 4 7 und LG Mühlhausen N Z V 2 0 0 3 2 0 6 (verneinend bei nur einmaligem Verstoß gegen § 21 StVG). Auf gleicher Linie Sch/Schröder/Stree Rdn. 4 6 und Athin MK Rdn. 82. Sch/Schröder/Stree Rdn. 4 6 . Eher bedenklich wohl LG Zweibrücken ZfS 1994 386
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(Absehen von Entziehung der Fahrerlaubnis in einem Fall, in dem der Täter wegen Zufahrens auf einen Fußgänger nach § 315b freigesprochen und nur wegen Nötigung verurteilt wurde). So zu Recht schon OLG Hamm VRS 5 7 (1979) 184. Vgl. OLG Koblenz VRS 6 4 (1983) 125 und OLG Zweibrücken VRS 3 8 (1970) 2 6 3 ; in dieser Richtung offenbar schon BGH DAR 1955 91. Vgl. auch Mollenkott Blutalkohol 1985 2 9 8 ff.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ziehung der Fahrerlaubnis im Übrigen nicht an eine allgemeine Unzuverlässigkeit, sondern an die Ungeeignetheit speziell „zum Führen von Kraftfahrzeugen" geknüpft ist und diese sich wiederum „aus der Tat" ergeben muss, kommt eine Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter bei Delikten der allgemeinen Kriminalität nur in Betracht, „wenn die Anlasstat selbst tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen". 5 6 2 Demzufolge kann der Umstand, dass ein Straftäter sein Kraftfahrzeug bei der Ausübung von Straftaten benutzt oder seine Fahrerlaubnis zur Begehung von Straftaten missbraucht, ebenso wenig zum Entzug der Fahrerlaubnis führen wie Straftaten, die letztlich nur „bei Gelegenheit" des Führens von Kraftfahrzeugen, doch ohne den erforderlichen verkehrsspezifischen Gefährdungsbezug zwischen Anlasstat und Sicherheit des Straßenverkehrs begangen wurde. Zur Kasuistik im Einzelnen s. bereits die Rdn. 35 bis 43; auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.
IV. Anordnung, Wirkung und Durchsetzung der Fahrerlaubnisentziehung 1. Die gerichtliche Entscheidung 107
a) Liegen die Voraussetzungen des § 69 vor, ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend vorgeschrieben; 563 es liegt somit nicht im Ermessen des Richters, ob er die Fahrerlaubnis entzieht oder nur ein Fahrverbot verhängt. 564 Dies gilt auch dann, wenn das Gericht zusätzlich zur Maßregel des § 69 auch Sicherungsverwahrung oder eine andere freiheitsentziehende Maßregel/Maßnahme gegen den Angeklagten anordnet (dazu schon Rdn. 6 2 ) 5 6 5 oder ein anderes Entziehungsverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist. 5 6 6 Im Hinblick auf den Vorrang des Strafverfahrens (§ 3 Abs. 3 und 4 StVG) wird ein vorhandener Eignungsmangel auch nicht dadurch hinfällig, dass die Verwaltungsbehörde in Unkenntnis der Tat zwischenzeitlich - rechtsfehlerhaft - eine Fahrerlaubnis erteilt hat; es bleibt auch hier bei der dem Strafrichter zwingend vorgeschriebenen Entziehung der Fahrerlaubnis. 567 Mit Rücksicht auf die weiterreichenden Folgen einer Fahrerlaubnisentziehung kann auch der Ablauf der (vorgesehenen) Sperrfrist während der Haftzeit kein zulässiger Grund sein, von der Maßregel des § 69 abzusehen. 568 Hat das erkennende Gericht die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen bejaht, darf die Entziehung der Fahrerlaubnis auch nicht durch eine Bewährungsauflage ersetzt werden. 5 6 9 Die gleichzeitige Anordnung eines Fahrverbotes (§ 44), zu der es aber nur in seltenen Ausnahmefällen kommen wird (dazu bereits Rdn. 18 zu § 44), steht der Entziehung der Fahrerlaubnis ebenso wenig entgegen wie die Bewilligung von Strafaussetzung zur Bewährung; doch bedarf es besonderer Begründung, weshalb der Täter trotz nach § 56 günstiger Prognose noch „ungeeignet" ist (dazu bereits Rdn. 18 und 60). Die
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BGHSt 5 0 9 3 ( 1 0 2 / 1 9 3 ) . Dies auch dann, wenn die Fahrerlaubnis erst nach der Tat erlangt ist: so wegen § 3 Abs. 3 und 4 StVG (Vorrang des Straf- vor dem Verwaltungsverfahren) zutreffend BGH (2.6.87 - 4 StR 2 5 3 / 8 7 ) , zit. nach ]aniszewski NStZ 1987 546. Statt vieler: so schon BGHSt 5 176, 6 185 und 7 165 (seither unbestritten).
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BGH VRS 3 0 (1966) 274. Fischer Rdn. 51. So zu Recht BGH (2.6.1987 - 4 StR 2 5 3 / 8 7 ) : zit. nach Janiszewski NStZ 1987 546; zustimmend Fischer Rdn. 51. BGH (8.1.87 - 1 StR 6 7 4 / 8 8 6 ) : zit. nach Spiegel DAR 1988 227. Verfehlt AG Berlin-Tiergarten DAR 1971 21.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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Entziehung der Fahrerlaubnis „zur Bewährung" auszusetzen ist nach geltender Gesetzeslage ausgeschlossen; 570 zu diesbezüglichen Forderungen de lege ferenda s. Rdn. 13. Die Entziehung einer Fahrerlaubnis setzt das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis voraus; das erkennende Gericht hat somit stets festzustellen, ob der Angeklagte eine - von einer deutschen Behörde erteilte (zu ausländischen Fahrausweisen s. die Erläuterungen zu § 69b) - Fahrerlaubnis besitzt. 571 Hat der Täter eine Fahrerlaubnis noch nie besessen oder wurde sie ihm bereits anderweit (d.h. im Verwaltungsweg 572 oder durch einen anderen Strafrichter 5 7 3 ) wirksam entzogen (und ist sie zwischenzeitlich auch nicht wieder neu erteilt worden), kommt eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht in Betracht; in diesen Fällen bleibt es nach § 69a Abs. 1 S. 3 bei der Festsetzung einer isolierten Sperrfrist (dazu und besonders zur Frage einer Anschlusssperrfrist Rdn. 2 ff zu § 69a). 5 7 4 Gleiches gilt, wenn der Täter auf die Fahrerlaubnis verzichtet hat; 5 7 5 ein solcher Verzicht kann wirksam auch vor dem Strafgericht erklärt werden. 5 7 6 Hat der Angeklagte den Führerschein verloren oder verlegt (und ist ihm auch keine Ersatzausfertigung ausgehändigt worden), bleibt es bei der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Einziehung des Führerscheins im Urteil (§ 69 Abs. 3 S. 2).577 Auch die in einem anderen Verfahren erfolgte Beschlagnahme oder Sicherstellung des Führerscheins steht der Entziehung der Fahrerlaubnis (und der Einziehung des Führerscheins: dazu Rdn. 120) nicht entgegen.
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Hat das Gericht nur eine Sperrfrist festgesetzt, die Entziehung der Fahrerlaubnis als solche aber irrtümlich unterlassen, kann die Sperre als (neben der Fahrerlaubnisentziehung selbstständige und von dieser grundsätzlich) unabhängige Maßnahme bestehen bleiben. Da die festgesetzte Sperre aber nur für die Erteilung einer künftigen Fahrerlaubnis gilt und die bestehende somit unberührt lässt, 5 7 8 kann der Täter mit der ihm belassenen Fahrerlaubnis weiterhin straffrei Kraftfahrzeuge der entsprechenden Klasse führen. Wurde umgekehrt nur die Fahrerlaubnis entzogen, doch die Festsetzung einer Sperrfrist übersehen, ist der Verwaltungsbehörde rechtlich nicht verwehrt, sofort eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen; da insoweit eine für sie verbindliche gerichtliche Entscheidung fehlt, kann sie nicht von der gesetzlich vorgegebenen Mindestsperrfrist ausgehen. Hat der Tatrichter die Festsetzung einer Sperre ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe bewusst unterlassen (etwa mit der Begründung, die frühere Ungeeignetheit des Angeklagten sei auf Grund vorläufiger Führerscheinmaßnahmen zwischenzeitlich beseitigt), mag dies de lege ferenda erwägenswert sein, 5 7 9 ist nach geltender Gesetzeslage jedoch rechts-
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So mit Nachdruck auch Hentschel Z R P 1975 209. O L G Karlsruhe V R S 5 9 ( 1 9 8 0 ) 111. B G H bei Dallinger M D R 1 9 5 4 16 und BayObLG N J W 1 9 6 3 3 5 9 . BGHSt 6 3 9 8 . Verfehlt O L G Bremen V R S 51 ( 1 9 7 6 ) 2 7 8 ; dagegen zu Recht Hentschel D A R 1 9 7 7 212. Dazu schon Bussfeld D Ö V 1 9 7 6 767. Speziell zum „Verzicht auf die Fahrerlaubnis als Instrument zur Beendigung von Strafverfahren" (Einstellung des Verfahrens nach SS 1 5 3 und 1 5 3 a StPO? Zuständigkeit und Bindungswirkung der Verzichtserklärung? Umfang des Strafklageverbrauchs?) Eisele N Z V 1 9 9 9 2 3 2 ff. VG Berlin N Z V 1 9 9 8 176.
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O L G Köln V R S 2 6 ( 1 9 6 4 ) 199.
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O L G Braunschweig NdsRpfl 1 9 6 1 2 3 0 ; O L G Karlsruhe VRS 5 9 ( 1 9 8 0 ) 111. Wenn - wie häufig vor allem im Berufungsrechtszug - von einer endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen zwischenzeitlich beseitigter „Ungeeignetheit" abgesehen wird, hat dies für den Angeklagten erhebliche Vorteile (z.B. Entlastung v o m ggf. mühevollen Weg der Neuerteilung durch die Verwaltung; kein Eintrag im Bundeszentralregister; im Wiederholungsfall keine SperrRahmenverschärfung nach § 6 9 a Abs. 3 ) ; näher dazu Geppert Z R P 1 9 8 1 8 9 f. Die Forderung, den Richter in derartigen Fällen lediglich die Entziehung der Fahrerlaubnis aussprechen zu lassen, hingegen auf die
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fehlerhaft 580 und führt auf Rechtsmittel des Angeklagten zur Aufhebung auch des Ausspruchs über die Fahrerlaubnisentziehung.581 Zur Frage, wann in den genannten Konstellationen das Verschlechterungsverbot (§§ 331 und 358 Abs. 2 StPO) einer Korrektur der fehlerhaften Entscheidung entgegensteht, nachfolgend Rdn. 243 ff. 110
b) Auch wenn die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts obliegt (§ 260 Abs. 4 S. 5 StPO), empfiehlt es sich, der in den §§ 69 und 69a vorgegebenen gesetzestechnischen Dreiteilung der Maßregel auch bei Formulierung der Urteilsformel zu folgen. Von hier aus hat das Urteil zunächst die Entziehung der Fahrerlaubnis als solche auszusprechen (§ 69 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1). Da die mögliche Befristung sich ausschließlich auf die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis bezieht, hat die Entscheidung des weiteren entweder eine (Sperr-)Frist zu bestimmen, vor deren Ablauf die Verwaltungsbehörde dem Verurteilten keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf (§ 69a Abs. 1 S. 1), oder die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis für immer zu untersagen (§ 69a Abs. 1 S. 2). Einer kalendermäßigen Festsetzung des Fristbeginns im Urteil bedarf es nicht; diese scheidet aus, weil die Sperre (erst) „mit der Rechtskraft des Urteils" beginnt (§ 69a Abs. 5 S. 1) und dieser Termin dem Tatrichter naturgemäß noch unbekannt ist. Schließlich hat der Urteilsspruch die Einziehung des (von einer deutschen Behörde ausgestellten) Führerscheins zu enthalten (§ 69 Abs. 3 S. 2). Somit hat sich in der Praxis folgende Urteilsformel durchgesetzt: „Dem Angeklagten wird die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen. Der ihm von ... am ... ausgestellte Führerschein wird eingezogen. Dem Angeklagten darf für die Dauer von ... keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden."
Zu weiteren Tenorierungsfragen nachfolgend Rdn. 135 (bei vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis), je zu § 69a Rdn. 13 (dort zu Ausnahmen von der Sperre nach § 69a Abs. 2), Rdn. 61 f und 67 f (bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung), Rdn. 78 (hinsichtlich der Einrechnungsregelung von § 69a Abs. 5 S. 2) und Rdn. 90 (bei vorzeitigem Aufhebungsbeschluss). Zu Möglichkeiten der Urteilsberichtigung nachfolgend Rdn. 231. 111
c) Begründung der Entscheidung (§ 267 Abs. 6 StPO). Wie bei jeder Maßregel muss auch im Fall des § 69 in den Gründen der Entscheidung ausgeführt sein, weshalb die Maßregel angeordnet oder entgegen einem in der Verhandlung gestellten Antrag nicht angeordnet worden ist (Satz 1 von § 267 Abs. 6 StPO); 582 auf diese Weise soll es dem Revisionsgericht ermöglicht werden zu prüfen, ob die Entscheidung in den festgestellten tat- und täterbezogenen Umständen eine tragfähige Grundlage findet. 583 Formelhafte oder nur pauschale Wendungen ohne Bezug zu den Besonderheiten des Falles genügen
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Festsetzung einer Sperrfrist zu verzichten (so Werner DAR 1976 10, Hruby N J W 1979 855, Schmid DAR 1968 8 und Gollner GA 1975 147), ist mit der geltenden Gesetzeslage jedoch unvereinbar (ebenso R. Peters DAR 1978 186, Hentschel DAR 1976 2 9 2 sowie Brockelt und Mollenkott, 18. Verkehrsgerichtstag 1980, S. 2 8 8 und S. 299). OLG Düsseldorf MDR 1 9 7 9 602. Ebenso BayObLG (6.6.1972 - 1 St. 74/72).
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Außer im Fall des § 4 0 9 Abs. 1 S. 3 StPO (dazu nachfolgend Rdn. 112) ist eine Begründung des Rechtsfolgenausspruchs bei Entziehung der Fahrerlaubnis durch Strafbefehl (bei dem die Sperrfrist jedoch nicht mehr als zwei Jahre betragen darf: § 4 0 7 Abs. 2 Nr. 2 StPO) zwar gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben, wohl aber zulässig (Meyer-Goßner § 4 0 9 StPO Rdn. 7). BGHSt 50 93 (105).
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ebenso wenig wie bloße Wiederholungen des Gesetzeswortlautes; 584 zudem müssen die Entscheidungsgründe erkennen lassen, dass die Ungeeignetheit des Angeklagten im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung noch bestanden hat. 5 8 5 Die Gründe dürfen nicht in unvereinbarem Widerspruch zu den Strafzumessungsgründen oder zur Begründung sonstiger Rechtsfolgen stehen; 5 8 6 zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei gleichzeitiger Strafaussetzung zur Bewährung s. bereits Rdn. 18 und 60. Im Übrigen ist zu unterscheiden: (1) Sind in den Fällen des § 69 Abs. 2 (Regelkatalog) keine Gründe ersichtlich, die eine Ausnahme von der Regel rechtfertigen könnten, kann sich das Gericht darauf beschränken, summarisch darzutun, in welcher Weise die Voraussetzungen des Regelfalles gegeben sind; 5 8 7 das Gericht muss jedoch erkennen lassen, dass es ihm bewusst war, bei möglichen Ausnahmen abweichend vom Regelfall von der Entziehung der Fahrerlaubnis absehen zu dürfen. 5 8 8 (2) Wenn das Gericht trotz der gesetzlichen Vermutung des Abs. 2 von einer Fahrerlaubnisentziehung absieht, muss es begründen, weshalb es den Angeklagten trotz der Indiztat weiterhin zum Führen von Kraftfahrzeugen im Verkehr für geeignet hält. 5 8 9 (3) Außerhalb des Regelkatalogs bedarf es einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Gesamtwürdigung aller Umstände, die nach den Feststellungen zur Tat und zur Persönlichkeit des Angeklagten für und gegen die Eignung sprechen (dazu schon Rdn. 87 ff). Ordnet der Tatrichter bei Zusammenhangstaten Maßregeln nach § § 6 9 oder 69a an, muss sich aus den Urteilsgründen seine Überzeugung ergeben, dass die festgestellten Umstände den konkreten Anhalt begründen, der Täter stelle eine Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs dar; doch wird an Begründungsaufwand nicht mehr verlangt als bei jeder anderen Rechtsfolgenentscheidung, der prognostische Elemente innewohnen. 5 9 0 Diesbezügliche Fehler und Lücken der Urteilsbegründung sind sachlichrechtlicher Art und führen auf die allgemeine Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Rechtsfolgenausspruchs. 591 Begründungspflicht bei Nichtentziehung. Wenn die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 S. 3 nicht angeordnet worden ist, „obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam", müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb es zu dieser Entscheidung gekommen ist (§ 2 6 7 Abs. 6 S. 2 StPO); dies gilt auch für Strafbefehle (§ 4 0 9 Abs. 1 S. 3 StPO). Die Begründungspflicht hat den Zweck, den (nach § 3 Abs. 4 StVG hinsichtlich des gleichen Sachverhaltes an die Beurteilung der Eignungsfrage durch das erkennende Gericht gebundenen) Verwaltungsbehörden hinreichende Klarheit über den Umfang der Bindungswirkung zu verschaffen. 5 9 2 Der Begründungszwang des § 2 6 7 Abs. 6 S. 2 StPO betrifft nicht nur die Ausnahmen von der Regel des § 69 Abs. 2, son-
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BGH VRS 7 (1954) 359 und VRS 8 (1955) 2 8 9 sowie KG DAR 1957 102 und OLG Hamm DAR 1 9 5 9 212; gegen rein pauschale Begründungen (wie z.B. „allein durch sein Verhalten") erst jüngst auch BGH DAR 2 0 0 4 36. BGH VRS 4 5 (1973) 177. BGH (13.12.59 - 4 StR 446/58): zit. nach Bode DAR 1960 70. OLG Zweibrücken VRS 54 (1978) 115, OLG Braunschweig NdsRpfl 1 9 6 9 214 und OLG Köln DAR 1966 271. OLG Düsseldorf VRS 74 (1988) 2 5 9 und JMB1 N W 1986 11, OLG Koblenz VRS 71 (1986) 2 8 0 , OLG Köln DAR 1966 271,
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OLG Hamm VRS 52 (1977) 2 4 sowie OLG Frankfurt VM 1 9 7 7 30. OLG Koblenz VRS 71 (1986) 2 8 0 und KG VRS 6 0 (1981) 109. Zu den Begründungserfordernissen im Falle der § § 6 9 und 6 9 a auch Schreiner DAR 1978 271 f. So ausdrücklich der Große Strafsenat: BGHSt 5 0 93 (105). OLG Koblenz VRS 71 (1986) 2 8 0 . Dazu schon Warda MDR 1965 6 und Lackner J Z 1965 125; zur Notwendigkeit einer ausführlichen Begründung im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG s. erst jüngst Himmelreich N Z V 2 0 0 5 3 3 7 (340 ff) und Lenkart DAR 2 0 0 2 3 0 2 ff.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
dern alle Fälle, in denen die Tat „bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" begangen worden ist. 593 Das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Begründung führt auf die allgemeine Sachrüge hin zur Aufhebung des die Maßregel betreffenden Teils des Rechtsfolgenausspruchs.594 Wird eine nur lückenhaft begründete Entscheidung des erkennenden Gerichts rechtskräftig, wird die Verwaltungsbehörde daran nicht gebunden; es ist ihr insoweit nicht verwehrt, die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG zu entziehen.595 2. Wirkung der Entziehung 113
a) Die Fahrerlaubnis wird für immer und in vollem Umfang entzogen. Vereinzelte anfängliche Versuche, neben der „totalen" auch eine umfang- oder zeitmäßig „beschränkte" Entziehung der Fahrerlaubnis zu entwickeln, 596 konnten sich zu Recht nicht durchsetzen. Sie widersprechen dem Gesetz; 597 denn nach § 69 Abs. 1 S. 1 ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn (und nicht: soweit) die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen festgestellt ist. Zum andern widerspräche eine nur teilweise Entziehung der Fahrerlaubnis dem (durch das 2. StraßenVSichG eingeführten) neuen § 69a Abs. 2, wonach dem Gericht lediglich gestattet ist, unter näher genannten Voraussetzungen (dazu nachfolgend Rdn. 7 ff zu § 69a) von einer mit der (nach dem Gesamtzusammenhang zu ergänzen: in vollem Umfang entzogenen) Entziehung der Fahrerlaubnis verbundenen Sperre für die Neuerteilung durch die Verwaltungsbehörde bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen auszunehmen. Wie aus der Amtl. Begründung ersichtlich, hat sich der Gesetzgeber für die Konzeption der unbeschränkten Entziehung der Fahrerlaubnis zwecks Einheitlichkeit des straf- und des verwaltungsrechtlichen Entziehungsverfahrens und somit nicht zuletzt deshalb entschieden, um den mit der Maßregel verfolgten Sicherungszweck nicht zu gefährden.598 Die Beurteilung einer nur bedingten Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen kann zudem eine eingehende medizinische, psychiatrisch-psychologische, charakterologische oder fahrtechnische Begutachtung erforderlich machen, auf die das unter geringerem Zeitdruck stehende behördliche Verfahren zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis angesichts der Möglichkeiten der §§ 11 ff FeV insgesamt besser geeignet erscheint als das Strafverfahren. Ungeachtet dessen sollte der Strafrichter in den Urteilsgründen auf die möglicherweise nur partielle Ungeeignetheit599 des Verurteilten hinweisen, damit die Verwaltung bei Neuerteilung der Fahrerlaubnis ggf.
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OLG Hamm VRS 43 (1972) 21; ebenso nunmehr auch der Große Strafsenat: BGHSt 5 0 93 (105). OLG Düsseldorf VRS 6 6 (1984) 360. Eine Anfechtung des Urteils ausschließlich zum Zweck, diesen Mangel in den Urteilsgriinden zu beheben, ist dem Angeklagten verwehrt; insoweit fehlt es an der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels erforderlichen Beschwer, die sich nach h.M. und Rechtsprechung aus dem Entscheidungstenor und nicht nur aus den Urteilsgründen ergeben muss (BGHSt 16 374). Zur Bindungswirkung (nur) der schriftlichen Entscheidungsgründe OVG Münster VRS 12 (1957) 309. Vgl. etwa OLG Celle NJW 1954 1170, LG
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Mönchengladbach DAR 1953 158 und LG Gießen NJW 1954 612 sowie Händel NJW 1954 139 und Härtung J Z 1954 137. So grundlegend schon BGHSt 6 183; s. dazu auch OLG Karlsruhe VRS 63 (1982) 2 0 0 , OLG Hamm NJW 1971 1193, OLG Celle NJW 1961 133 sowie OLG Köln NJW 1960 2 2 5 5 : heute nicht mehr umstritten. Insofern völlig auf der Linie von BGHSt 6 183 auch BTDrucks. IV/651, S. 19. Weiterführend Stephan DAR 1989 1 ff und 125 ff („Bedingte Eignung, eine Chance für die Verkehrssicherheit und den alkoholauffälligen Kraftfahrer") sowie Bode DAR 1989 4 4 4 ff („Bedingte Fahreignung und Fahrerlaubnis").
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
von den Möglichkeiten der § § 2 3 Abs. 2 und 46 Abs. 2 FeV (beschränkte Fahrerlaubnis, zeitliche Begrenzungen in Form von Auflagen u.ä.) Gebrauch machen kann. Entziehung der Fahrerlaubnis nur für eine bestimmte Dauer ist somit ebenso unzulässig wie eine auf bestimmte Fahrzeugarten, bestimmte Tages-, Wochen- oder gar Jahreszeiten, 6 0 0 bestimmte Fahrzwecke (z.B. Berufs- oder Privatverkehr) oder bestimmte räumliche Gebiete beschränkte Teilentziehung der Fahrerlaubnis. Hat das Gericht in seinem Rechtsfolgenausspruch (rechtsfehlerhaft) gleichwohl bestimmte Kraftfahrzeugarten von der Entziehung der Fahrerlaubnis ausgenommen, darf dies nicht in eine unbeschränkte Entziehung mit entsprechenden Ausnahmen von der Sperre umgedeutet werden; die für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis (allein) zuständige Verkehrsbehörde kann nicht gezwungen werden, dem Verurteilten ohne eigene Prüfung sofort eine neue Fahrerlaubnis mit dem von der Sperre ausgenommenen Inhalt erteilen zu müssen (zu Aspekten des Verschlechterungsverbotes nachfolgend Rdn. 243 ff). 6 0 1 Ungeachtet dessen entfaltet auch eine teilweise Fahrerlaubnisentziehung die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 S. 1 StVG; denn eine solche Teilentziehung widerspricht zwar dem Gesetz, macht das Urteil aber nicht nichtig. 602 b) Die Fahrerlaubnis erlischt kraft Gesetzes (und zwar in vollem Umfang) mit Rechtskraft des Urteils (§ 69 Abs. 3 S. 1) bzw. der ihr gleichgestellten Entscheidungen. Bei Entscheidungen, die außerhalb der Hauptverhandlung ergehen (z.B. Beschlussverwerfung nach § 349 Abs. 2 StPO), ist dies der Erlass des Beschlusses mit Außenwirkung, was nach wohl herrschender (doch nicht unbestrittener) Ansicht nicht erst der Zeitpunkt der Zustellung, 603 sondern bereits der Tag ist, an dem die Entscheidung den räumlichen Bereich des Gerichts verlassen hat und damit unabänderlich geworden ist. 6 0 4 Erfasst ist jede Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (§ 2 StVG), 605 die der Angeklagte besitzt, also grundsätzlich auch ausländische Fahrerlaubnisse (zur Entziehung ausländischer Fahrerlaubnisse s. die Erläuterungen zu § 69b). Die Mofa-Prüfbescheinigung nach § 5 Abs. 4 S. 1 FeV (dazu bereits Rdn. 22) ist in diesem Sinn aber ebenso wenig eine Fahrerlaubnis wie der Sportbootführerschein oder die diversen Binnenschifferpatente, die alle nicht strafgerichtlich, sondern nur durch die zuständigen Wasser- und Schiffahrtsämter entzogen werden können. 606
Gegen AG Gießen NJW 1954 612 (Fahrerlaubnisentziehung nur für die Dauer einer alljährlich wiederkehrenden allergischen Gesundheitsbeeinträchtigung eines Kraftfahrers) somit zu Recht Booß NJW 1954 612. 6 0 1 BGH NStZ 1983 168. 602 V G Frankfurt a.M. VRS 81 (1991) 64. 6 0 3 So aber Graalmann-Scheerer LR § 33 Rdn. 12: dort mit weiteren Nachweisen. 604 Meyer-Goßner Rdn. 9 Vor § 33 und Maul KK Rdn. 4 zu § 33 StPO: je mit weiteren Nachweisen. 6 0 5 Die Mofa-Prüfbescheinigung nach § 5 Abs. 4 S. 1 FeV (dazu bereits Rdn. 22) ist in diesem Sinn ebenso wenig eine Fahrerlaubnis wie der Sportbootführerschein, der gemäß § 8 VO über die Eignung und Befähigung zum Führen von Sportbooten auf den 600
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Seeschifffahrtsstraßen vom 20.12.1973 (BGBl. I 1988), zuletzt geändert durch die 1. ÄndVO vom 21.3.1983 (BGBl. I 314), nur durch die zuständige Wasser- und Schifffahrtsbehörde entzogen werden kann. Gleiches gilt für die diversen Binnenschifferpatente; auch diese können nicht strafgerichtlich, sondern nur im Wege des Widerrufs durch die zuständigen Wasser- und Schifffahrtsämter entzogen werden: § 2 6 VO über Befähigungszeugnisse in der Binnenschifffahrt (Binnenschifferpatentverordnung - BinSchPatentV) vom 7.12.1981 (BGBl. 1 1333). So kann der Sportbootführerschein nach § 8 der VO über die Eignung und Befähigung zum Führen von Sportbooten auf den Seeschifffahrtsstraßen vom 20.12.1973 (BGBl. I
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Mit der Entziehung der allgemeinen Fahrerlaubnis erlöschen auch alle dem Täter erteilten Sonderfahrerlaubnisse, wie sie nach § 26 FeV etwa bei der Bundeswehr, bei Bundesbahn oder Bundespost, bei Bundesgrenzschutz oder bei der Polizei für die Dauer des Dienstverhältnisses erteilt werden können. 607 Gleiches gilt für die Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung (§§ 48 ff FeV), so dass mit der (auch insoweit unteilbaren) Entziehung der allgemeinen Fahrerlaubnis auch die Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung erlischt (§ 48 Abs. 10 S. 2 FeV). 6 0 8 Die Entziehung nur der Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung ohne gleichzeitigen Entzug der allgemeinen Fahrerlaubnis ist dem Strafgericht nicht gestattet; eine solche Maßnahme obliegt allein der Verkehrsbehörde (vgl. § 48 Abs. 10 S. 1 FeV sowie Umkehrschluss aus § 3 Abs. 3 S. 2 StVG).
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Ist die Fahrerlaubnis erloschen, lebt sie auch nach Ablauf oder vorzeitiger Abkürzung der Sperrfrist nicht wieder auf (unbestritten). Wie aus § 20 Abs. 1 FeV folgt, bedarf es hierzu einer neuen Fahrerlaubnis, die beantragt werden muss und deren Wiedererteilung (SS 2 ff StVG i.V. mit SS 7 bis 19 FeV) davon abhängt, dass die in § 20 Abs. 3 FeV genannten Voraussetzungen erfüllt sind. 609 Hat die Verkehrsbehörde in Unkenntnis einer noch laufenden Sperrfrist eine neue Fahrerlaubnis erteilt, ist der darin liegende Verwaltungsakt zwar fehlerhaft, doch nicht nichtig; bis zu ihrer Rücknahme ist die irrtümlich erteilte Fahrerlaubnis gültig, so dass der Inhaber einer solchen Fahrerlaubnis sich nicht nach § 21 StVG strafbar machen kann. 610 Wird ein rechtskräftiges Urteil, das die Fahrerlaubnis entzogen hat, im Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben, ist der Verurteilte nach BayObLG (NJW 1992 1120) so zu behandeln, wie wenn ihm die Fahrerlaubnis nie entzogen worden wäre. Von diesem Ausgangspunkt aus könnte der zu Unrecht Verurteilte rückwirkend auch nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (S 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) bestraft werden, wenn er in der Zeit zwischen Rechtskraft des Urteils und dessen rechtskräftiger Aufhebung im Wiederaufnahmeverfahren ein Kraftfahrzeug geführt hat, das er auf Grund dieser Fahrerlaubnis führen durfte.611 Dem ist jedoch zu widersprechen: Die im Schrifttum 612 überwiegend mit Zustimmung aufgenommene Entscheidung verkennt, dass die frühere Fahrerlaubnis mit ihrer rechtskräftigen Entziehung endgültig erloschen ist und nach der Systematik des Gesetzes nur durch die Verwaltungsbehörde
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1988), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 27.8.2007 (BGBl. I 21193), nur durch die zuständige Wasser- und Schittfahrtsbehörde entzogen werden. Gleiches gilt für die Binnenschifferpatente; auch diese können ausweislich von § 2 3 VO über Befähigungszeugnisse in der Binnenschifffahrt (BinSchPatentV) in der Fassung vom 15.121997 (BGBl. I 3066), zuletzt geändert durch Art. 501 der VO vom 31.10.2006 (BGBl. I 2407), nur im Wege des Widerrufs durch die zuständigen Wasser- und Schifffahrtsämter entzogen werden. BayObLG N Z V 1990 3 6 4 ; vgl. auch Ebert VD 1985 106. So schon vor der Klarstellung durch § 48 Abs. 10 S. 1 FeV zutreffend BGHSt 6 183 sowie BGH VRS 4 0 (1971) 2 6 3 und OLG Stuttgart VRS 5 0 (1976) 28. Dazu jüngst auch VG München VRS 103 (2003) 315 ff.
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Gleiches gilt bei Begnadigung: Auch ein Gnadenerweis kann die erloschene Fahrerlaubnis nicht rückwirkend wieder zur Geltung bringen, sondern nur die Sperre beseitigen, die einer Neuerteilung im Wege steht; ebenso Hentschel/König 25. OLG Hamm VRS 2 6 (1964) 345. Anders ist die Rechtslage in der Zeit zwischen Rechtskraft des Urteils und Wirksamwerden des Beschlusses nach § 370 Abs. 2 StPO; weil der endgültige Ausgang des Wiederaufnahmeverfahrens hier noch offen ist, beseitigt dieser Beschluss die Wirkung des rechtskräftigen Urteils lediglich für die Zukunft (BayObLG N J W 1992 1120). Zustimmung vor allem bei Asper NStZ 1994 171 (gegen Groß NStZ 1993 221; s. auch die Entgegnung von Groß in NStZ 1994 173); ebenso Hentschel/König 6 zu § 21 StVG und Janiszewski 6 2 2 .
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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neu erteilt werden kann. Sie lebt auch dann nicht wieder auf, wenn das die Fahrerlaubnis entziehende Urteil im Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben wird; zum Ausgleich für zu Unrecht auferlegte strafrechtliche Rechtsfolgen sieht das StrEG (nur) entsprechende Entschädigungen vor. Zudem handelt es sich bei der Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht um eine direkte Folgewirkung des später aufgehobenen Urteils, sondern um neues Unrecht des Verurteilten, der bewusst gegen ein (damals) rechtskräftiges Urteil, das aus Rechtssicherheitsgründen bis zu seiner Aufhebung in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu respektieren ist, verstoßen hat. 6 1 3 Die Fahrerlaubnis bleibt nach Abs. 3 S. 1 mit Rechtskraft des die Entziehung aussprechenden Urteils auch dann erloschen, wenn ein späteres Urteil die Maßnahme in Anwendung von § 5 5 Abs. 2 zwar nicht ausdrücklich im Tenor der neuen Entscheidung aufrecht erhält, in den Gründen aber hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, dass insoweit nicht in die Rechtskraft des früheren Urteils eingegriffen werden sollte. 6 1 4 S. dazu auch Rdn. 6 0 ff zu § 6 9 a . c) Zur Bindung der Verwaltung im Wiedererteilungsverfahren. O b die Verkehrsbehörde in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 4 StVG (Bindung der Verwaltung danach an sich nur für die Entziehung der Fahrerlaubnis) auch bei Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist an die Beurteilung des Strafrichters gebunden ist, ist nach wie vor umstritten: 6 1 5 (1) Die in Rechtsprechung und Schrifttum wohl noch immer herrschende Ansicht geht davon aus, dass die Verwaltungsbehörde in der Beurteilung der Eignungsfrage grundsätzlich frei ist und unabhängig von der früheren strafgerichtlichen Entscheidung völlig selbstverantwortlich zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis im Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegen, d.h. ob nach Ablauf der Sperrfrist die erforderliche Eignung nunmehr wieder vorhanden ist oder nicht: 6 1 6 Da der Strafrichter wegen seiner auf die Tat (§ 6 9 Abs. 1: „wenn sich aus der
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Wie hier Groß NStZ 1993 221 und 1994 173 (hier gegen Asper NStZ 1994 171). BayVGH NZV 1995 205. Weiterführende Literatur: Beine Zur Problematik der Entziehung der Fahrerlaubnis für die Führung von Kraftfahrzeugen durch die Gerichte und der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörden, Festschrift Richard Lange (1976) 839 (845 ff); Friedrich Erteilung einer Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist, DVB1 1957 523; Krieger Die Bindung der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte durch den Strafrichter bei Entscheidungen über die Fahrerlaubnis, DAR 1963 7; Martens Verweigerung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist? NJW 1963 139; Schmid Die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der strafgerichtlichen Sperrfrist, DAR 1968 1; Theuerkauf Erteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist, DÖV 1964 446. Nachweise aus jüngerer Zeit: Himmelreich Bindungswirkung einer strafgerichtlichen Eignungs-Beurteilung gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde bei einem
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Trunkenheitsdelikt mit einer BÄK ab 1,6 %o, NZV 2005 337; Geiger Entziehung und Wiedererteilung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde - dargestellt am Beispiel von alkoholauffälligen Kraftfahrern, NZV 2005 623; Burmann Das Fahrerlaubnisrecht: Schnittstellen zwischen Verwaltungs- und Strafrecht, DAR 2005 61; Scheufen/Müller-Rath Bindungswirkung strafgerichtlicher Sperrfristverkürzungsbeschlüsse, NZV 2006 353. Für die Rechtsprechung: BVerfGE 20 365 (krit. Rupp NJW 1968 147), BVerwG NJW 1964 608, NJW 1964 1686 und NJW 1987 2246, BGHSt 15 399, OVG Münster NJW 1956 966, KG VM 1957 41, OVG Bremen DÖV 1963 621 und VRS 70 (1986) 307, VGH Kassel NJW 1965 125, BayObLG DAR 1970 78 sowie OVG Hamburg und OVG Lüneburg: je nach Krieger DAR 1963 11; aus jüngerer Zeit s. VG Frankfurt a.M. DAR 2003 384 (zustimmend Scheufen/Müller-Rath NZV 2006 355, dagegen aber Lenhart DAR 2003 385). Auf dieser Linie auch in allerjüngster Zeit OVG Münster, NJW
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Tat ergibt . . . " ) und auf den Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidungsfindung beschränkten Prüfung nicht in der Lage und auch nicht gehalten sei, Feststellungen hinsichtlich der Eignung nach Ablauf der Sperrfrist zu treffen, könne und dürfe seine Beurteilung auch nicht in das allein der Verwaltung obliegende Erteilungsveriahren hineinwirken. (2) Demgegenüber will eine andere Auffassung (Minderansicht) der strafrichterlichen Beurteilung durch analoge Anwendung von § 3 Abs. 4 StVG auch für das Wiedererteilungsverfahren nach abgelaufener Sperrfrist den Vorrang einräumen: 617 Die Versagung der Neuerteilung komme einer nachträglichen Verlängerung der Sperrfrist gleich und bedeute demzufolge letztlich eine unzulässige Urteilskorrektur. Zudem sei es Sinn und Zweck des § 3 Abs. 4 StVG, im Hinblick auf die bei Entziehung der Fahrerlaubnis gesetzlich bewusst beibehaltene Doppelkompetenz von Strafgericht und Verwaltung aufwendige und unökonomische Doppelprüfungen und widersprüchliche Entscheidungen möglichst zu vermeiden, 618 was gleichermaßen für das Entziehungs- wie für das Wiederertetlungsverfahren richtig sei. (3) Eine vermittelnde Ansicht schließlich bejaht eine Bindungswirkung nach Vorbild des § 3 Abs. 4 StVG zwar nicht generell, wohl aber bei nachträglicher Abkürzung der Sperrfrist: 619 Die nach § 69a Abs. 7 zulässige nachträgliche Entscheidung des Gerichts hebe nicht nur das frühere Verbot der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auf, sondern bejahe - insofern anders als die frühere Entscheidung - auf Grund neu festgestellter Tatsachen nunmehr die Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen und sei demzufolge für die Verwaltung bindend. 119
(4) Eigene Stellungnahme. Das bloße Ende der - gleichgültig, ob regulären oder nach § 69a Abs. 7 abgekürzten - Sperrfrist verpflichtet die Verwaltungsbehörde nicht automatisch zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis; dies liefe auf ein Modell der Befristung hinaus, das der Gesetzgeber (zwar für die kurzfristige Denkzettelstrafe des Fahrverbotes, doch) aus guten Gründen für die länger wirkende Maßregel der Fahrerlaubnisentziehung ganz bewusst nicht gewollt hat. Da der Strafrichter nicht über die Eignung des Täters nach Ablauf der Sperrfrist zu befinden hat, liegt in seiner Prognoseentscheidung folgerichtig auch keine positive Aussage über die Geeignetheit des Verurteilten nach Fristablauf; nach Fristablauf ist die Verwaltungsbehörde vielmehr verpflichtet, zur Beurteilung der Eignung unter allen (und nicht nur auf die „Tat" beschränkten!) rechtlich relevanten
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2007 2938 = DAR 2007 720 sowie VGH Baden-Württemberg NZV 2007 326 = VRS 112 (2007) 375: je mit dem Hinweis fehlender Bindungswirkung vor allem dann, wenn es im behördlichen Verfahren um einen anderen Fall/Sachverhalt geht. Für das Schrifttum: Beine FS Lange, S. 845 ff, Härtung NJW 1965 88, Krieger DAR 1963 11, Kulemeier S. 144, Mögele ZRP 1982 102; Schendel Doppelkompetenz S. 51 (insb. S. 56 ff), Sch/Schröder/Stree § 69a Rdn. 2 sowie Theuerkauf DÖV 1964 447; auf dieser Linie nachdrücklich auch Scheufen/Müller-Rath NZV 2006 353 ff. So im Anschluss an Friedrich DVB11957 523 vor allem OVG Berlin VRS 24 (1963) 149 sowie tendenziell wohl auch BayVGH VRS 53 (1977) 477. Ebenso Czermak NJW
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1962 1265, Martens NJW 1963 139, Schmid DAR 1968 8 und Seiler DAR 1974 265; auf dieser Linie neuerdings wohl auch Lenhart DAR 2003 385. S. hierzu auch BTDrucks. 1/2674, S. 8 und S. 24 (zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr). So vor allem Schendel Doppelkompetenz S. 60 ff; dem folgend Beine FS Lange S. 849 f und Oberpottkamp Diss. jur. Göttingen S. 138 sowie tendenziell offenbar auch Fischer § 69a Rdn. 47. Nachdrücklich gegenteiliger Ansicht jedoch BVerfGE 20 371; ebenso VGH Kassel NJW 1965 125, OVG Bremen DÖV 1963 620 und VG Würzburg VRS 18 (1960) 77.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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Gesichtspunkten eine umfassende Gesamtwürdigung der Person des Fahrerlaubnisbewerbers vorzunehmen und dabei grundsätzlich eigenverantwortlich zu prüfen, ob im Augenblick ihrer Entscheidung die Voraussetzungen für eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gegeben sind. Davon zu trennen ist die Frage, in welchem Umfang die Verkehrsbehörde dabei an die frühere Beurteilung des Strafgerichtes gebunden ist. 6 2 0 Diesbezüglich hat das BVerfG, auch wenn es das gesetzliche Nebeneinander von strafgerichtlicher Maßregel und schutzrichtungsgleicher behördlicher Präventivmaßnahme verfassungsrechtlich für grundsätzlich unbedenklich erklärt, deutlich gemacht, dass das präventive Erlaubnisverfahren den Grundsätzen rechtsstaatlichen Verwaltungshandelns und damit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss, es jedoch „nicht unverhältnismäßig (ist), wenn die Behörde früheres Verhalten der Betroffenen in ihre Prüfung einbezieht, um zu einer sachgerechten Beurteilung zu kommen" (BVerfGE 20 365 372 f). Vor diesem Hintergrund hat auch das BVerwG die Verwaltungsbehörde für den Fall, dass im Wiedererteilungsverfahren keine für die Beurteilung der Eignung maßgeblichen neuen Umstände hervortreten, für verpflichtet erklärt, bei ihrer Entscheidung über die Eignung eines Kraftfahrers immerhin „besonderes Gewicht" jener Beurteilung beizumessen, die der Strafrichter im Entziehungsverfahren vorgenommen hat. 621 Demzufolge besteht für die Verwaltungsbehörde eine Art „Achtungspflicht" (Hentschel DAR 1979 320) gegenüber der Beurteilung durch den Strafrichter, derzufolge jene sich bei ihrer Entscheidung auch mit den Gründen der strafrichterlichen Beurteilung auseinandersetzen muss und aus Gründen rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes bei ansonsten unverändertem Sachverhalt die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nicht aus Gründen versagen darf, die der Strafrichter bei seiner Entscheidung bereits berücksichtigt hat. 6 2 2 Ihrem umfassenden Prüfungsauftrag entsprechend ist die Verwaltungsbehörde jedoch nicht auf die Prüfung nur neuer Tatsachen beschränkt; dies würde dem Schutzzweck des § 2 Abs. 1 StVG nicht gerecht. 623 3. Zugleich mit der Entziehung der Fahrerlaubnis hat das Gericht im Urteil auch die -J20 Einziehung des Führerscheins (der anschließend vernichtet wird) anzuordnen (Abs. 3 S. 2); zur Fassung der Urteilsformel s. bereits Rdn. 110. Auch die Einziehung des Führerscheins kann nicht auf bestimmte Kraftfahrzeugarten beschränkt werden. 624 Von der Einziehungsentscheidung erfasst werden alle von einer deutschen Behörde ausgestellten Führerscheine, also allgemeine Führerscheine ( § § 4 und 6 FEV), Sonderführerscheine des öffentlichen Dienstes (§ 26 FeV) und der Führerschein zur Fahrgastbeförderung (§ 48 FeV) ebenso wie die von einer deutschen Behörde ausgestellten internationalen Führerscheine (§ 11 Abs. 3 IntVO). Hat der Verurteilte mehrere solcher Führerscheine oder
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Hier liegen die Rechtspositionen aber nicht so weit auseinander, wie der Streitstand im Schrifttum gelegentlich vermuten lässt. Selbst die Anhänger der oben dargestellten Minderansicht plädieren für eine Bindung der Verwaltung an die Beurteilung des Strafrichters nur dann, „wenn sich im Erteilungsverfahren keine neuen Tatsachen ergeben, die das Strafgericht nicht berücksichtigen konnte oder nicht berücksichtigt h a t " (OVG Berlin V R S 2 4 ( 1 9 6 3 ) 1 5 6 ) . BVerwG N J W 1 9 6 4 6 1 0 ; ähnlich BayVGH
V R S 5 3 ( 1 9 7 7 ) 4 7 8 und V G H Kassel N J W 1 9 6 5 125. Auf dieser Linie jedenfalls tendenziell neuerdings offenbar auch O V G Münster N J W 2 0 0 7 2 9 3 8 und V G H BadenWürttemberg N Z V 2 0 0 7 3 2 6 . 622
Auf dieser Linie erklärtermaßen auch Himmelreich N Z V 2 0 0 5 3 4 3 ; so auch Bode/ Winkler, Fahrerlaubnis (4. Aufl. 2 0 0 3 ) , Rdn. 2 4 zu § 13.
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V G H Kassel N J W 1 9 6 5 1 2 6 . B G H (1 StR 6 0 1 / 6 5 ) : zit. nach Martin 1967 96.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
besitzt er neben einem Originalführerschein eine Ersatzausfertigung, 6 2 5 erstreckt sich der Ausspruch über die Einziehung auf alle diese Fahrnachweise; eines besonderen Ausspruchs im Tenor bedarf es nicht. 6 2 6 Auch ein nach § 9 4 Abs. 3 StPO bereits sichergestellter oder beschlagnahmter Führerschein ist (nicht etwa nur „einzubehalten", sondern) im Urteil „einzuziehen". 6 2 7 Gleiches gilt für (angeblich?) verlorene oder verlegte Führerscheine. Ist in einem solchen Fall noch keine Ersatzausfertigung ausgehändigt worden, muss auf Entziehung der Fahrerlaubnis (und nicht etwa nach § 69a Abs. 1 S. 3 auf eine isolierte Sperrfrist) und auf Einziehung des Führerscheins erkannt werden; andernfalls bestünde keine Möglichkeit, den nachträglich aufgefundenen Führerschein einzuzieh e n . 6 2 8 Abs. 3 S. 2 setzt den Besitz eines gültigen Führerscheins voraus. Somit unterliegen (nicht mehr durch eine gültige Fahrerlaubnis gedeckte, also kraftlos gewordene und eine Fahrerlaubnis somit nur vortäuschende) „Scheinführerscheine" nicht der Einziehung nach Abs. 3 S. 2; als Tatwerkzeuge können solche Scheinführerscheine jedoch nach § 74 Abs. 1 eingezogen werden. 6 2 9 Ausländische Führerscheine sind grundsätzlich nicht einziehungsfähig (Umkehrschluss aus Absatz 1 von § 69b); in diesen Fällen werden die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperre in den ausländischen Führerscheinen vermerkt (§ 6 9 b Abs. 2 S. 2). Etwas anderes gilt nur bezüglich von Führerscheinen, die von einer Behörde eines Mitgliedsstaates der Europ. Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europ. Wirtschaftsraum ausgestellt worden sind und deren Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat; solche Führerscheine sind im Urteil einzuziehen und an die ausstellende Behörde zurückzusenden (§ 6 9 b Abs. 2 S. 1). S. hierzu auch die Erläuterungen zu § 69b. Da Führerscheine der ehemaligen D D R nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages im innerdeutschen wie im internationalen Verkehr den von Behörden der Bundesrepublik ausgefertigten Fahrnachweisen gleichgestellt sind, gelten DDR-Führerscheine seit dem 3. Oktober 1990 als von einer deutschen Behörde ausgestellt; somit können auch sie nach § 6 9 Abs. 3 S. 2 eingezogen werden. 121
Die Einziehung des Führerscheins (Abs. 3 S. 2) ist (weder Strafe noch selbstständige Maßregel, sondern) unselbstständige Vollzugsmaßnahme polizeilicher Art, der als solcher keine konstitutive Wirkung zukommt; sie soll vor Missbrauch des Führerscheins schützen und dem Verurteilten die Zuwiderhandlung gegen die Fahrerlaubnisentziehung erschweren. 6 3 0 Somit unterliegt die Einziehung des Führerscheins nicht dem Verschlechterungsverbot (dazu nachfolgend Rdn. 251); anders als die Fahrerlaubnisentziehung oder die isolierte Sperre kann der Ausspruch über die Einziehung des Führerscheins im Rechtsmittelzug also auch dann nachgeholt werden, wenn das Rechtsmittel nur vom Angeklagten eingelegt worden ist. 6 3 1 Analog §§ 4 6 3 Abs. 5 und 4 6 2 StPO kann die Einziehung des Führerscheins folglich durch gerichtlichen Beschluss nachgeholt werden, wenn im Urteil (zwar nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis als solche, wohl aber) die Einziehung des Führerscheins versehentlich unterblieben ist. Dies bedeutet für den Verur-
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OLG Köln VRS 26 (1964) 201. Daher geht ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 StPO (zwecks Urteilsergänzung oder -berichtigung) aus Rechtsgründen fehl (AG Wuppertal DAR 1961 340). BGH VRS 65(1983)361. OLG Köln VRS 26 (1964) 199 sowie OLG Karlsruhe VRS 59 (1980) 111. BayObLG VRS 51 (1976) 26.
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BGHSt 5 168 (178). So grundlegend BGHSt 5 168 (178); ebenso BGH NStZ 1983 168 sowie OLG Karlsruhe NJW 1972 1634 und OLG Köln NJW 1965 2310. Erst jüngst bestätigt durch BGH (15.1.1999 - 2 StR 602/98): zit. nach Kusch NStZ-RR 2000 39 (nachträgliche Einziehung des Führerscheins durch das Revisionsgericht).
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
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teilten keine rechtsrelevante Beschwer; denn da der Führerschein nur eine Urkunde zum Nachweis einer gültigen Fahrerlaubnis ist, hat ein Kraftfahrer, dem die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, keinen Anspruch auf weitere Belassung des Ausweispapiers. Bei Untätigkeit des Gerichts kann auch die Verwaltungsbehörde die Ablieferung des Führerscheins anordnen (§ 3 Abs. 2 S. 2 StVG). 4. Durchsetzung der Maßregel a) Da die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Rechtskraft der Entscheidung automatisch wirksam wird (Abs. 3 S. 1), bedarf sie zu ihrer Durchsetzung keiner förmlichen Vollstreckung. Gleiches gilt für die isolierte Sperrfrist (§ 69a Abs. 1 S. 3). Aus diesem Grund unterliegt die Maßregel auch nicht der Vollstreckungsverjährung.632 Dem Zweck, die Durchführung der Maßregel in der Praxis zu sichern, dienen verschiedene Registrierungs- und Mitteilungspflichten (dazu nachfolgend Rdn. 260 f).
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b) Hinsichtlich der Durchsetzung der Einziehung ist zu unterscheiden: (1) Wird der Führerschein vom Verurteilten freiwillig herausgegeben (und zwar in aller Regel - über die Polizei - an die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde), regelt sich das Verfahren nach § 56 Abs. 1 StVollstrO 633 . Danach übersendet die Staatsanwaltschaft den ihr übergebenen Führerschein an die Behörde, die für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis am Wohnsitz des Verurteilten zuständig ist (Satz 1). Hat der Verurteilte im räumlichen Geltungsbereich der StPO keinen Wohnsitz, wird der Führerschein zu den Strafakten genommen (Satz 2). Sonderführerscheine (§ 26 FeV) werden der betreffenden Dienststelle zugeleitet (Satz 3). In allen diesen Fällen ist der Führerschein mit einem Vermerk über die Einziehung zu versehen und durch Einschneiden unbrauchbar zu machen (Satz 4) und der Behörde der nach § 69a Abs. 5 und 6 zu berechnende Zeitraum mitzuteilen (Satz 5). (2) Wird der im Urteil eingezogene Führerschein nicht freiwillig herausgegeben, wird die Einziehung durch Wegnahme der Führerscheinurkunde vollstreckt (§ 459g Abs. 1 S. 1 StPO). 634 Die Durchführung der Wegnahme wird in § 61 StVollstrO näher geregelt; 635 es gelten dabei die Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung (§ 459g Abs. 1 S. 2 StPO). Für die Wegnahme des Führerscheins nach vorangegangener strafgerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis ist somit nicht der Gerichtsvollzieher, sondern die Polizei als Vollzugsorgan der Staatsanwaltschaft zuständig.636 Als Hilfsmaßnahme der Vollstreckung richtet sich die auch gegen den Willen des Verurteilten durchzuführende Wegnahme des Führerscheins demzufolge nicht nach den Beschlagnahmevorschriften (§§ 94 ff StPO), sondern nach den Vorschriften über die Strafvollstreckung (§§ 449 ff StPO); da bereits im Urteil angeordnet, bedarf sie keiner weiteren richterlichen Bestätigung. Folglich ist auch die Durchsuchung der Wohnung des rechtskräftig Verurteilten (nicht jedoch eines Dritten, in dessen Wohnung der Führerschein vermutet wird) allein
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Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 und Fischer Rdn. 2 : je zu § 79. In der Fassung vom 1. April 2 0 0 1 (Bundesanzeiger Nr. 87, S. 9 1 5 7 ) . Dies verbietet sich jedoch, wenn trotz Vorhandenseins einer Fahrerlaubnis irrtümlich nur eine isolierte Sperrfrist ausgesprochen wurde, die Entziehung der Fahrerlaubnis
und die Einziehung des Führerscheins aber unterblieben sind (LG Mannheim StV 1 9 9 5 460). 633
Z u „Fallstricken", die sich aus dieser Vorschrift im Berufungsrechtszug ergeben können, aus der Sicht des Verteidigers Tondorf DAR 1992 160.
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AG Berlin-Schöneberg D G V Z 1 9 9 5 123.
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auf Grund der strafrichterlichen Entscheidung als solcher zulässig; 6 3 7 eines zusätzlichen richterlichen Beschlusses bedarf es trotz des Richtervorbehaltes in Art. 13 Abs. 2 G G somit nicht. Weiter dazu schon Rdn. 5 5 zu § 4 4 . (3) Wird der Führerschein bei dem Verurteilten nicht vorgefunden, hat dieser auf Antrag der Vollstreckungsbehörde beim Amtsgericht eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib des Führerscheins abzugeben (S 4 5 9 g Abs. 1 StPO i.V. mit §§ 5 6 Abs. 3 und 6 2 StVollstrO und 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO).
V. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ l i l a S t P O ) 124
1. Rechtsnatur und Zweck. Liegen dringende Gründe für die Annahme vor, dass einem Täter durch Urteil oder Strafbefehl nach § 69 die Fahrerlaubnis entzogen werden wird, kann der zuständige Richter dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen (§ l i l a Abs. 1 S. 1 StPO); im Unterschied zur endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis, die nur ungeteilt erfolgen kann (dazu bereits Rdn. 113 ff), können bei der vorläufigen Entziehung bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen werden (Satz 2 ) . 6 3 8 Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 6 3 9 ist weder vorweggenommene Strafe (daher auch gegen schuldunfähige Täter statthaft) noch verfolgt sie verfahrensoder beweissichernde Zwecke; sie dient vielmehr ausschließlich dem Ziel, im Interesse der Verkehrssicherheit den ungeeigneten und deshalb gefährlichen Kraftfahrer durch
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Ob die Durchsuchung der Wohnung eines Betroffenen zur Vollstreckung eines behördlichen Fahrverbotes (§ 25 StVG) zusätzlich eines richterlichen Beschlusses bedarf, ist umstritten, wird aber von der wohl h.M. verneint: so zuletzt auch LG Berlin NZV 2006 385 und LG Limburg Blutalkohol 2004 546 (zustimmend Bräutigam aaO); ebenso Hentschel NZV 1996 506 und den. Trunkenheit Rdn. 1033. Dazu ausführlich auch Gramse NZV 2002 345 ff und DAR 2003 156 ff. Da über die Eignung jedenfalls im Rahmen des § l i l a StPO noch nicht abschließend befunden wird und die Fahrerlaubnis selbst vorerst unberührt bleibt, stellt diese Regelung als bloß vorläufiges Verbot, von der Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Unteilbarkeit der Eignung dar (ebenso ]aniszewski 752e). Zur Entstehungsgeschichte ausführlich Linß Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis S. 1 ff: Die Vorschrift wurde durch Art. 3 Nr. 1 des 1. StraßenVSichG vom 19.12.1952 (BGBl. I 832) eingefügt und durch Art. 2 Nr. 1 des 2. StraßenVSichG vom 26.11.1964 (BGBl. I 921) neu gefasst und teilweise erweitert (Absätze 3 bis 5). Art. 2 Nr. 5 EGOWiG vom 25.5.1968 (BGBl. I 503) hat
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dem Abs. 1 den Satz 2 beigefügt. Art. 21 Nr. 28 EGStGB vom 2.3.1974 (BGBl. I 469 und 502) hat die Vorschrift dem StGB in seiner ab 1.1.1975 geltenden Fassung angepasst und Abs. 6 S. 2 neugefasst. Zur Amtl. Begründung s. BTDrucks IV/651, S. 31. Zwecks gegenseitiger Anerkennung von EUFührerscheinen, wie sie durch die Zweite EU-Führerschein-Richtlinie (91/439/EWG) innerstaatlich bis zum 1. Juli 1996 umgesetzt werden musste, hat das Gesetz zur Änderung des StVG und anderer Gesetze vom 24.4.1998 (BGBl. I 747) dem bisherigen Absatz 3 von § l i l a StPO den Satz angefügt: „Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaften oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat." Im gleichen Gesetz wurde der abschließende Abs. 6 von § l i l a StPO wie folgt geändert: „In anderen als in Absatz 3 Satz 2 genannten ausländischen Führerscheinen ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu vermerken. Bis zur Eintragung dieses Vermerkes kann der Führerschein beschlagnahmt werden."
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
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Vorwegnahme der in § 6 9 vorgesehenen Maßregel schon vor Rechtskraft dieser Entscheidung von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen. 6 4 0 Insofern den Präventivmaßnahmen der §§ 1 1 2 a , 1 2 6 a und 1 3 2 a StPO ähnlich, stellt sie im System der strafprozessualen Z w a n g s m a ß n a h m e n als rein vorbeugende M a ß n a h m e zwar einen F r e m d k ö r p e r dar; doch hat das BVerfG Bedenken aus der Sicht des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips im Hinblick auf die Gefahren, die der Verkehrssicherheit durch einen ungeeigneten Kraftfahrer drohen, zu Recht ebenso zurückgewiesen 6 4 1 wie angesichts von Art. 7 4 Nr. 2 2 G G (Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Fragen des Straßenverkehrsrechts) den Einwand fehlender Gesetzgebungskompetenz. 6 4 2 Als S o f o r t m a ß n a h m e hat die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (einschließlich der ihr meist vorausgehenden Sicherstellung/Beschlagnahme des Führerscheins: dazu nachfolgend R d n . 1 5 8 ff) erhebliche kriminalpolitische Bedeutung; nicht zuletzt wegen ihrer individual- und allgemeinabschreckenden Wirkung wird sie im Interesse der Verkehrssicherheit allenthalben für unverzichtbar gehalten. Die Notwendigkeit einer präventiven Sofortmaßnahme ist wohl maßgeblicher Grund dafür, dass der Gesetzgeber die Entziehung der Fahrerlaubnis (nicht nur bei körperlich-geistigen oder fahrtechnischen Eignungsmängeln, sondern) auch bei charakterlich begründeter Ungeeignetheit nicht als langfristiges Fahrverbot, sondern als Sicherungsmaßregel konzipiert hat; denn eine vorweggenommene Strafe w ä r e mit der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung schlechterdings nicht zu v e r e i n b a r e n . 6 4 3 Literatur (speziell zu § l i l a StPO): Angerbauer Nochmals: Ausnahmen für bestimmte Fahrzeugarten bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis, NJW 1966 2 0 0 3 ; Bender Die Bedeutung der Sicherstellung und Beschlagnahme von Führerscheinen ohne vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis, DAR 1959 260; von Bubnoff Der vorläufige Fahrerlaubnisentzug und die Möglichkeit von Ausnahmen für bestimmte Kraftfahrzeugarten, J Z 1968 318; Cierniak Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und Revision, NZV 1999 324; Cloppenburg Vorläufige Fahrerlaubnisentziehung bei Abgeordneten? M D R 1961 826; Dahs Ausnahmen für bestimmte Fahrzeugarten bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § l i l a StPO, N J W 1966 238; Engel Vorläufige Maßnahmen gegen Täter von Verkehrsdelikten, die nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis sind, DAR 1984 108; Geppert Schwierigkeiten der Sperrfristbemessung bei vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis, ZRP 1981 85; Gollner Verschlechterungsverbot bei vorläufiger und endgültiger Entziehung der Fahrerlaubnis, GA 1975 129; Grohmann § l i l a StPO in der Revisionsinstanz ungelöste Probleme, DRiZ 1989 138; Guelde Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins nach dem Straßenverkehrs-Sicherungsgesetz, RdK 1953 57; Hentschel Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis - Zurückweisung an den iudex a quo wegen nicht ausreichender Begründung? DAR 1975 265; ders. Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § l i l a Abs. 2 StPO, DAR 1976 9; ders. Fortbestand der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung trotz Ablaufs der Führerscheinsperre in der Revisionsinstanz? M D R 1978 185; ders. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, DAR 1980 168; ders. Vorläufige Ent-
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Dazu auch OLG Karlsruhe VRS 6 8 (1985) 360 und BayObLG N J W 1980 1860. S. insofern vor allem BVerfG NStZ 1982 78 sowie neuerdings auch BVerfG NZV 1995 77, NJW 2001 357 und NJW 2 0 0 5 1767. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit trägt zudem auch § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO zusätzlich Rechnung (dazu nachfolgend Rdn. 131). Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit präventiver Haft bei Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) s. BVerfGE 19 349 und 35 185 ff.
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Gegen entsprechende Bedenken von Seebode (ZRP 1969 25) zu Recht LG Heidelberg NJW 1969 1636. Unberechtigt sind somit auch die Bedenken, die Loos (JR 1990 438) aus der Sicht der Unschuldsvermutung gegen § l i l a StPO vorbringt; speziell zum Spannungsverhältnis der Unschuldsvermutung zu § l i l a StPO auch Linß Vorl. Entziehung der Fahrerlaubnis S. 52 ff.
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Ziehung der Fahrerlaubnis - eine Übersicht zur Anwendung des § l i l a StPO, DAR 1988 89; Hering Zweifelsfragen bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis, DAR 1954 178; Hillmann III/Eger Probleme der Vorsatzverurteilung bei Trunkenheitsdelikten und der Anrechenbarkeit vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis, ZfS 2000 376; Koch Die Anhörung des Beschuldigten im Rahmen des § l i l a StPO, besonders bei Alkoholdelikten, DAR 1968 178; Kropp Zur Dauer der Ungeeignetheit im Rahmen des § l i l a StPO, NStZ 1997 471; Krumm Die (Regel-)Beschränkung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf „anlasstatbezogene" Kraftfahrzeugarten, NZV 2006 234; Lienen Fragen der Praxis zur Anwendung des § l i l a StPO, DAR 1958 261; Linß Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, Diss, jur Göttingen (1991); Maatz Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf das Fahrverbot, StV 1988 84; D. Meyer Ist das Gericht an einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gebunden? DAR 1986 47; Michel Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis trotz Sicherstellung des Führerscheins? DAR 1997 393; Mollenkott Relative Fahruntüchtigkeit, vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und der Grundsatz „in dubio pro reo", DAR 1978 68; W. Schmid Zur Kollision der sog. „llla-Beschwerde" mit Berufung und Revision, Blutalkohol 1996 357; Trupp Widersprüchliches zur Führerscheinbeschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten, NZV 2004 389; Vogel Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach freiwilliger Herausgabe des Führerscheins? NJW 1954 1921; Wittschier Antrag der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis im Ermittlungsverfahren, NJW 1985 1324. 126
2 . Voraussetzungen. Nach § l i l a Abs. 1 S. 1 StPO setzt die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis dringende Gründe für die Annahme voraus, dass dem Beschuldigten nach § 6 9 die Fahrerlaubnis entzogen werden wird. Da die Maßnahme schon begrifflich das Vorhandensein einer (gültigen) Fahrerlaubnis voraussetzt, kann sie nicht die Anordnung einer isolierten Sperrfrist (§ 6 9 a Abs. 1 S. 3) sichern; eine analoge Anwendung von § 6 9 a Abs. 1 S. 3 ist somit ausgeschlossen. Bei Fehlen einer Fahrerlaubnis ist der Verwaltungsbehörde demzufolge verwehrt, unter den Voraussetzungen des § l i l a StPO die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis mit Hilfe einer isolierten Sperrfrist durch Beschluss vorläufig zu unterbinden. 6 4 4 Während die endgültige Entziehung bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen angeordnet werden muss (Rdn. 107), liegt der vorläufige Entzug der Fahrerlaubnis im pflichtgemäßen Ermessen des Richters („kann"). Anders als bei der endgültigen Fahrerlaubnisentziehung können von der vorläufigen Entziehung somit auch bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen werden (Abs. 1 S. 2); davon macht die Praxis jedoch nur verhalten Gebrauch. Im Einzelnen:
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a) Da die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis dringende Gründe für die Annahme voraussetzt, dass dem Beschuldigten nach § 6 9 die Fahrerlaubnis im Urteil entzogen wird (Abs. 1 S. 1), ist ihre Anordnung grundsätzlich an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie die endgültige Fahrerlaubnisentziehung. Ist nur die Verhängung eines Fahrverbotes zu erwarten, kommt vorläufiger Fahrerlaubnisentzug ebenso wenig in Betracht, wie wenn die Voraussetzungen für eine spätere Entziehung der Fahrerlaubnis nicht gegeben sind (etwa mangels Zusammenhangs der Anlasstat mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges, mangels Führens eines „ K r a f t f a h r z e u g e s 6 4 5 oder weil sich die Ungeeig-
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Gegenteiliger Ansicht LG München I DAR 1956 249; ebenso Engel DAR 1984 108 und Müller KMR § l i l a StPO Rdn. 7. Wie hier jedoch OLG Hamm VRS 51 (1976) 43; dem folgend Meyer-Goßner Rdn. 1 und G. Schäfer LR Rdn. 8 - je zu § l i l a StPO - und Hentschel Trunkenheit Rd. 859.
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Da § 69 eine Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines „Kraftfahrzeuges" voraussetzt, ist ein vorläufiger Fahrerlaubnisentzug wegen Führens einer Eisenbahn unter Alkohol (§ 315a) ausgeschlossen: gegen LG München II NZV 1993 83 zu Recht BayObLG DAR 1993 304.
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netheit nicht „aus der Tat" ergibt); auf die obigen Erläuterungen (Rdn. 15 ff) wird verwiesen. Seit die (endgültige) Entziehung der Fahrerlaubnis auch gegenüber Inhabern einer ausländischen Fahrerlaubnis nicht mehr davon abhängig ist, dass die Anlasstat gegen Verkehrsvorschriften verstößt, ist eine derartige Einschränkung folgerichtig auch im Rahmen von § l i l a StPO entfallen; gegenüber früherer Judikatur ist insoweit Vorsicht angebracht. Zum andern müssen „dringende Gründe" für die Annahme vorhanden sein, dass die Fahrerlaubnis endgültig entzogen wird. Dieser Begriff entspricht dem „dringenden Verdacht" i.S. von § 112 StPO; 6 4 6 ein lediglich „genügender" oder nur „hinreichender" Verdacht (§§ 170 Abs. 1 oder 2 0 3 StPO) genügt nicht. Ebenso wie beim Erlass eines Haftbefehls muss folgerichtig auch bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Ermittlungsstand im Zeitpunkt der Entscheidung ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass die Fahrerlaubnis im späteren Urteil/Strafbefehl entzogen wird. 6 4 7 Daraus folgt ein Doppeltes: (1) Zum einen muss der Beschuldigte auf Grund bestimmter Tatsachen dringend verdächtig sein, die Anlasstat begangen zu haben. 6 4 8 Während der Grundsatz „in dubio pro reo" im endgültigen Entziehungsverfahren hinsichtlich der die Eignungsprognose tragenden Tatsachen volle persönliche Überzeugung des erkennenden Gerichts verlangt (dazu schon Rdn. 66), genügt für die Überzeugungsbildung des Gerichts im Rahmen des § l i l a StPO bereits ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit. 649 Die Annahme, die Fahrerlaubnis werde endgültig entzogen werden, kann jedoch nicht auf Angaben gestützt werden, die der Beschuldigte ohne vorherige Belehrung über sein Schweigerecht gemacht hat. 6 5 0 Die Verfolgung von Anlasstaten, die ein Konsulatsangehöriger bei Privatfahrten begangen hat, ist durch das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (WÜK) nicht eingeschränkt; denn anders als Diplomaten ist diesem Personenkreis ausweislich von Art. 4 3 I WÜK keine persönliche, sondern nur eine „funktionelle" Immunität eingeräumt. Für deren Wirksamkeit reicht nicht aus, dass der Konsulatsangehörige die Anlasstat im Zusammenhang mit dienstlichen Tätigkeiten begangen hat; diese müssen vielmehr in engem sachlichen Zusammenhang mit der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben erfolgt sein. 651 (2) Zum andern muss eine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass das Gericht dem Beschuldigten auf Grund der Tat die Fahrerlaubnis entziehen wird; insoweit gilt für
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Die unterschiedliche Terminologie ist darauf zurückzuführen, dass die Maßnahme nach § l i l a StPO sich auch gegen einen schuldunfähigen Täter richten kann. Ebenso Meyer-Goßner Rdn. 2, G. Schäfer LR Rdn. 13 und Müller KMR Rdn. 8 - je zu § l i l a - sowie Janiszewski Rdn. 752a und Trupp N Z V 2 0 0 4 389. Wohl zu streng Hentschel Trunkenheit Rdn. 8 4 9 („hohe, fast an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit"). Zutreffend LG Zweibrücken VRS 88 (1995) 436. Zur Anwendung von „in dubio pro reo" im Rahmen von § l i l a StPO vor allem Mollenkott DAR 1978 68 und Hentschel DAR 1980 168; zusammenfassend ders. Trunkenheit Rdn. 852.
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Zutreffend AG Homburg ZfS 1994 2 9 : im Anschluss an BGHSt 38 214 (zur Unverwertbarkeit einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung bei unterlassener Belehrung). Fragwürdig jedoch OLG Karlsruhe VRS 9 4 (1998) 2 6 8 : derartige Beweisverbote würden sich „unmittelbar nur auf den Nachweis des strafrechtlichen Schuldvorwurfs" beziehen, jedoch keine Fernwirkung hinsichtlich einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis und der im Rahmen des StrEG diesbezüglich zu treffenden Annexentscheidung entfalten. Von OLG Düsseldorf DAR 1996 413 = N Z V 1997 9 2 zu Recht verneint für die Heimfahrt eines Konsularbeamten nach Beendigung seines Dienstes.
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die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nichts grundsätzlich anderes als für den endgültigen Entzug. Weil die Verurteilungsprognose vom jeweiligen Ermittlungsstand auszugehen hat, werden die Anforderungen an die Beweisdichte zu Beginn der Ermittlungen in aller Regel geringer sein als in der Hauptverhandlung;652 mögliche Fehler bei der provisorischen Beweiswürdigung müssen durch Aufhebung der vorläufigen Maßnahme korrigiert werden (dazu nachfolgend Rdn. 140 ff). 129
b) Obgleich § l i l a StPO dem Wortlaut des Gesetzes nach eine „Kann"-Bestimmung enthält, bleibt dem Richter nur wenig Raum für eine Ermessensausübung. Dem Sicherungszweck der Vorschrift entsprechend wird sich das Ermessen besonders in den Fällen des § 69 Abs. 2 weithin auf Null reduzieren: und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob die vorläufige Maßnahme (was die Regel sein dürfte) alsbald nach der Tat oder erst später angeordnet wird (zu Besonderheiten im Berufungsrechtszug Rdn. 151 ff). Da es für die Beurteilung der Ungeeignetheit auf den Zeitpunkt der (tatrichterlichen) Entscheidung ankommt, muss zwar auch bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis das Verhalten des Beschuldigten nach der Tat und damit der Umstand berücksichtigt werden, dass der Angeklagte längere Zeit und ggf. über eine beträchtliche km-Fahrleistung hinweg unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen hat. Daher gilt für die Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nichts grundsätzlich anderes als wie für den endgültigen Fahrerlaubnisentzug; besonders was berücksichtigungsfähige Umstände nach Begehung der Anlasstat angeht, kann auf die Rdn. 94 ff verwiesen werden. Auch wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis also erst deutlich später angeordnet wird, besteht jedenfalls kein grundsätzliches „Vertrauen" des Beschuldigten darauf, dass eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nun nicht mehr zu erwarten ist und demzufolge auch nicht mehr angeordnet werden darf. 653 Es entspricht daher nicht dem Gesetz, in solchen Fällen - wie tatrichterlich schon seit längerem vereinzelt propagiert 654 und zunehmend verstärkt vertreten, 655 doch obergerichtlich zu Recht widersprochen wird 6 5 6 - von einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis allein mit der Begründung absehen zu wollen, eine Entziehung mehrere Monate nach Begehung der Anlasstat sei mit dem Zweck des § l i l a StPO als einer Eil- oder Sofortmaßnahme nicht zu vereinbaren. Wie auch das BVerfG erneut betont, gebührt der Sicherheit des Straßenverkehrs grundsätzlicher Vor-
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Vgl. G. Schäfer LR Rdn. 14 und Rudolphi SK Rdn. 5 - je zu § l i l a StPO; ausführlich Linß Vorl. Entziehung der Fahrerlaubnis S. 94 ff. So aber in einem Fall, in dem die Anlasstat 14 Monate vor der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis lag, LG Trier VRS 6 3 (1982) 210; dagegen Janiszewskt NStZ 1982 505. Deutlich zurückhaltend auch OLG Hamm N Z V 2 0 0 7 6 3 9 und OLG Koblenz N Z V 2 0 0 8 47. So schon LG Mainz DAR 1974 5 3 (acht Monate unbeanstandeter Teilnahme am Straßenverkehr); auf dieser Linie auch LG Darmstadt StV 1982 415 (sogar nur vier Monate) und DAR 1 9 8 9 473, LG Trier VRS 63 (1982) 210 (14 Monate), LG Hannover
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StV 1988 521 (fünf Monate bei ca. 5 6 . 0 0 0 gefahrenen km), LG Hagen N Z V 1994 334, LG Ravensburg ZfS 1995 314 sowie AG Homburg ZfS 1991 214 (acht Monate); dagegen Janiszewskt NStZ 1991 578. LG Tübingen ZfS 1998 4 8 4 , LG Dresden ZfS 1999 122, LG Zweibrücken NZV 2 0 0 0 54, LG Kiel StV 2 0 0 3 325 (vier Monate), LG Cottbus StraFo 2 0 0 4 353, LG Lüneburg ZfS 2 0 0 4 38 sowie AG Cottbus StV 2 0 0 6 521. OLG Hamm N Z V 2 0 0 2 3 8 0 (zulässig noch nach zehn Monaten) und OLG Düsseldorf NStZ-RR 2 0 0 2 314 (zulässig sogar noch nach rund drei Jahren); vgl. auch schon OLG München NJW 1992 2 7 7 6 .
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
rang gegenüber der Bedeutung von Zeitablauf und möglicher Verfahrensverzögerung. 657 Die Dringlichkeit der im Interesse der Verkehrssicherheit gebotenen Maßnahme wird nicht dadurch aufgehoben, dass die präventive Maßnahme eigentlich schon früher hätte erfolgen müssen. 6 5 8 Wenn die Gesamtwürdigung eine endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigt und nicht etwa besondere Umstände in oder nach der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters den seiner generellen Natur nach schweren Verstoß in einem weniger gefährlichen Licht erscheinen lassen (dazu bereits Rdn. 87 ff), sind auch für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis grundsätzlich die gleich strengen Maßstäbe wie bei der endgültigen Maßregel angebracht. 6 5 9 Aus diesem Grund ist auch bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die diagnostisch-prognostische Einschätzung der noch fortbestehenden Ungeeignetheit von der Frage zu trennen, ob der staatlich angeordnete Zwangsausschluss aus dem Straßenverkehr jedenfalls bei längerer Dauer nicht aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsprinzips ausgeschlossen ist; das in Rdn. 96a Gesagte gilt somit folgerichtig (angesichts des Verdachtscharakters der Maßnahme: erst recht) auch hier. Somit hat das Gericht jedenfalls die Pflicht, für eine Beschleunigung des Verfahrens Sorge zu tragen; geschieht dies nicht, kann der Verzicht auf die Anordnung wegen Unverhältnismäßigkeit geboten sein. 6 6 0 Außerhalb der Regelfälle des § 69 Abs. 2 legt die Kann-Bestimmung des § l i l a Abs. 1 S. 1 StPO einen zurückhaltenderen Einsatz des scharfen Instruments der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nahe. Hier ist generell und nicht zuletzt im Hinblick auf die Ausnahmemöglichkeit des § l i l a Abs. 1 S. 2 (dazu nachfolgend Rdn. 131 ff) zu prüfen, ob der Sicherungszweck der Maßnahme eine Ausschaltung des Kraftfahrers aus dem Straßenverkehr schon vor Rechtskraft der Entscheidung rechtfertigt. 661
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Die Anordnung einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung ist entbehrlich, wenn der Ausschluss des Kraftfahrers aus dem Straßenverkehr auf andere Weise hinreichend sichergestellt ist. Anders als bei der endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der es keiner zusätzlichen „Erforderlichkeits"-Prüfung bedarf (Rdn. 59), wird dies besonders dort der Fall sein, wo tatsächliche Hindernisse (z.B. länger dauernde Krankheit, schwere Verletzungen mit Dauerfolgen oder langjährige Inhaftierung, nicht aber nur vorübergehende Krankheiten, kurzfristiger Freiheitsentzug oder das bloße Abmelden des Fahrzeugs) es dem Berechtigten nach Lage der Dinge unmöglich machen, von seiner Fahrerlaubnis über längere Zeit hinweg Gebrauch zu machen; 6 6 2 dabei ist ein strenger
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NZV 2 0 0 5 3 7 9 ; so auch schon BVerfG NStZ 1982 78, DAR 1998 4 6 6 sowie DAR 2 0 0 0 565. So nachdrücklich auch Hentschel Trunkenheit Rdn. 849. So tendenziell auch OLG Koblenz N Z V 2 0 0 8 47. Vgl. OLG Karlsruhe VRS 5 9 (1980) 432, OLG München N J W 1992 2 7 7 6 , OLG Düsseldorf DAR 1992 187 sowie NStZ-RR 2 0 0 2 314 und OLG Hamm N Z V 2 0 0 2 380; ebenso Janiszewski NStZ 1982 506, NStZ 1984 115 und NStZ 1991 578, Hentschel Trunkenheit Rdn. 8 4 9 sowie ders. NJW 1990 1463 und N J W 1995 636, Kulemeier S. 129 sowie Nack KK § l i l a StPO Rdn. 4. Ebenso Gübner/Krumm N J W 2 0 0 7 2 8 0 4 . Vgl. OLG Düsseldorf N Z V 1992 331; ähnlich liegt der Fall, wenn im Fall unerlaubten
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Entfernens vom Unfallort die Erheblichkeitsgrenze des § 6 9 Abs. 2 Nr. 3 nicht erreicht wird (LG Baden-Baden N Z V 1989 405). Auf dieser Linie deutlicher Zurückhaltung jedenfalls bei Zusammenhangstaten (und wenn die Anlasstat verhältnismäßig lange vor erstmaliger Antragstellung nach § l i l a StPO liegt) zu Recht auch LG Hagen N Z V 1994 3 3 4 (ablehnend Hentschel N J W 1995 636). Anderer Ansicht Cramer Rdn. 62 sowie Nack KK Rdn. 4 und G. Schäfer LR Rdn. 15 (je zu § l i l a StPO), da nicht hinreichend sicher auszuschließen sei, dass derartige Hindernisse über Monate hinweg gewährleistet seien. Wie hier Rudolphi SK Rdn. 6, Meyer-Goßner Rdn. 3 - je zu § l i l a StPO sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 855.
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Maßstab angebracht. Ferner kann eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis entbehrlich sein, wenn der Beschuldigte den Führerschein nach § 94 StPO freiwillig herausgegeben (näher dazu nachfolgend Rdn. 162) oder der Beschlagnahme nicht widersprochen und später auch keine gerichtliche Entscheidung beantragt hat (dazu nachfolgend Rdn. 1 6 6 ) . 6 6 3 Denn die nach § 94 Abs. 3 StPO erfolgte Sicherstellung durch freiwillige Herausgabe ist der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis und der Beschlagnahme des Führerscheins rechtlich weithin gleichgestellt; 664 eine Zuwiderhandlung ist ausweislich von § 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG („nach § 94 StPO in Verwahrung genommen") auch bei freiwilliger Herausgabe des Führerscheins strafbewehrt. Verzichtet das Gericht in diesem Fall auf die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, wird es von der Pflicht zur Rückgabe des Führerscheins (§ l i l a Abs. 5 S. 1 StPO) befreit; dem Wortlaut der Vorschrift und ihrem Sinn entsprechend (dazu nachfolgend Rdn. 168) trifft die dort geregelte Rückgabepflicht das Gericht nur, wenn die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis „wegen Fehlens der in Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen" abgelehnt wurde. Damit ist nur eine Sachentscheidung, nicht aber der Fall der freiwilligen Herausgabe des Führerscheins zwecks Abwendung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemeint. 6 6 5 Verlangt der Beschuldigte seinen Führerschein später zurück, ist eine gerichtliche Sachentscheidung nach § l i l a Abs. 1 geboten. 6 6 6 3. Ausnahmen für bestimmte Kraftfahrzeugarten (Abs. 1 S. 2). 131
a) Während die Fahrerlaubnis endgültig nur im Ganzen entzogen werden kann (dazu bereits Rdn. 113), sieht § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO die Möglichkeit vor, bestimmte Kraftfahrzeugarten von der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auszunehmen; damit soll dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden. 6 6 7 Ausnahmen in diesem Sinn sind nur gestattet, „wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßnahme dadurch nicht gefährdet wird". Dies wird zu bejahen sein, wenn sich aus Umständen (die besonders zu erläutern sind) ergibt, dass eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs auch dann nicht zu befürchten ist, wenn der Beschuldigte ein Kraftfahrzeug der freizugebenden Art benutzt; dabei ist nicht nur an körperliche Eignungsmängel zu denken, die sich nur beim Führen bestimmter Kraftfahrzeugarten auswirken, sondern (unter anerkanntermaßen strengen Voraussetzungen) auch an Fälle charakterlicher Ungeeignetheit. Allein wirtschaftliche Härten für den Betroffenen reichen zur Widerlegung der Ungeeignetheit in aller Regel aber auch hier nicht aus; anders kann es (ausnahmsweise) sein, wenn der Eignungsmangel (z.B. die Neigung zum Alkoholgenuss) sich nur im privaten Lebensbereich ausgewirkt hat, nach Lage der Dinge (z.B. langjährige unbeanstandete Teilnahme am Straßenverkehr als Berufskraftfahrer) und nicht zuletzt unter wirtschaftlichem Druck (z.B. drohender Arbeitsplatzverlust oder
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So nunmehr auch OLG Karlsruhe DAR 1 9 9 9 86 und AG Saalfeld VRS 107 (2004) 189. Davon scheint auch die Amtl. Begründung zum 2. StraßenVSichG auszugehen (BTDrucks. IV/651, S. 3 0 . Gegenteiliger Ansicht Schulz HK StVR Rdn. 3 und Nack KK Rdn. 4 (wegen der im Vergleich zu § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG geringeren Strafdrohung) - je zu § l i l a StPO; wie hier jedoch G. Schäfer LR Rdn. 14, Rudolphi SK Rdn. 6 und Meyer-Goßner Rdn. 3 - je zu § l i l a
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StPO - sowie Kulemeier S. 128, Hentschel Trunkenheit Rdn. 855 und Michel DAR 1997 393. Dazu G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 64. Ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 856 und G. Schäfer LR Rdn. 76 - je zu § l i l a StPO (aA noch Meyer L R 2 4 Rdn. 51 zu § l i l a StPO). So schon Vogel NJW 1954 1921; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 856. BVerfG NStZ 1982 78.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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berufliche Existenzvernichtung) jedoch gewährleistet ist, dass der Beschuldigte seinen Beruf als Berufskraftfahrer 6 6 8 oder landwirtschaftlicher Treckerführer 6 6 9 auch weiterhin ohne Beanstandungen ausüben wird. 6 7 0 Die Voraussetzungen zur Beschränkung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung entsprechen im Übrigen den Umständen, unter denen bei der (endgültigen) Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 2 Ausnahmen von der Sperre möglich sind; in beiden Fällen sind im Interesse der Verkehrssicherheit strenge Anforderungen angebracht. 6 7 1 Auf die dortigen Erläuterungen wird verwiesen (Rdn. 9 ff zu S 69a). Nur bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen können von der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ausgenommen werden. Damit sind vor allem solche Kraftfahrzeugarten gemeint, auf die nach § 6 Abs. 1 S. 2 FeV die Fahrerlaubnis beschränkt werden kann; Fahrzeugari ist dabei mit Fahrerlaubnisklasse nicht identisch. Maßgeblich für den Begriff der Kraftfahrzeug-„Art" sind nicht technisch-konstruktive Besonderheiten und auch nicht unterschiedliche Antriebsarten, sondern allein der Verwendungszweck, soweit er sich in bauartlichen Unterschieden auswirkt. Ausführlich dazu schon die Erläuterungen zu § 44 (dort Rdn. 4 7 ff); vgl. nachfolgend auch Rdn. 8 zu § 69a. Ebenso wie dort sind somit andere Beschränkungen (etwa auf bestimmte Zeiten, Orte, Zwecke oder Fahrzeuge bestimmter Eigentümer/Halter) auch im Rahmen des § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO unzulässig. 672 Eine Beschränkung der Ausnahme z.B. auf Bundeswehr-Fahrzeuge ist danach nur zulässig, wenn das Fahrzeug (nicht nur durch interne Kontrollpapiere, sondern auch) nach außen als solches gekennzeichnet ist. 6 7 3
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b) Auch wenn nach § l i l a Abs. 1 S. 2 bestimmte Kraftfahrzeugarten vom vorläufigen Fahrerlaubnisentzug ausgenommen werden, wirkt die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis als Anordnung oder Bestätigung der Beschlagnahme des (von einer deutschen Behörde ausgestellten) Führerscheins (§ l i l a Abs. 3 S. 1 StPO). Gleiches gilt, „wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz 6 7 4 im Inland hat" (Satz 2). Der Führerschein muss in beiden Fällen in amtliche Verwahrung
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Statt vieler: OLG Düsseldorf VRS 6 6 (1984) 42, OLG Köln VRS 68 (1985) 278, LG Nürnberg DAR 1982 26 (Trunkenheitsfahrt eines Lkw-Fahrers: im rein privaten Bereich und unter dem Eindruck familiärer Schwierigkeiten), LG Kempten DAR 1984 127, LG Bielefeld N Z V 1 9 8 9 366 (Panzerfahrer der Bundeswehr), LG Hamburg DAR 1996 108, LG Dessau DAR 2 0 0 0 87 (Führerscheinklasse 5) und LG Halle Blutalkohol 2 0 0 4 84 sowie AG Neuss ZfS 1984 160, AG Dortmund DAR 1987 30, AG Monschau DAR 1990 310 und AG Bitterfeld DAR 2 0 0 0 227. Vom LG Zweibrücken (NZV 1992 499) zu Recht verneint für den Lieferwagen eines Bäckers, weil keine unterschiedliche Gefahrenlage für Privat- wie berufliche Fahrten. LG Köln DAR 1982 275, LG Dessau DAR 1999 133, LG Frankenthal DAR 1 9 9 9 3 7 4 sowie AG Miesbach DAR 2001 138 und
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NStZ-RR 2 0 0 4 2 6 (je Ausnahmen für Führerscheinklasse L und T). Deutlich strenger als die tatrichterliche Praxis insoweit meist die Position der Obergerichte: vgl. OLG Hamm N J W 1971 1618, OLG Karlsruhe VRS 55 (1978) 122, OLG Koblenz VRS 6 0 (1981) 4 4 sowie BayObLG VRS 63 (1982) 271 und N Z V 2 0 0 5 5 9 2 . So zu Recht erst jüngst BayObLG N Z V 2005 592. OLG München N J W 1992 2 7 7 7 (keine Ausnahme nur für bestimmte Probe- und Kontrollfahrten); ebenso BayObLG N Z V 2 0 0 5 5 9 2 (keine Beschränkung auf bestimmte Fahrzeuge oder auf bestimmte Tageszeiten). Eher fragwürdig daher AG Lüdinghausen DAR 2 0 0 3 328. Zum Begriff des „ordentlichen Wohnsitzes" s. § 7 FeV.
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genommen werden. Anders als bei § 69a Abs. 2, wo die Fahrerlaubnis endgültig und in vollem Umfang entzogen wird, bleibt sie unter den Voraussetzungen des § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO in dem Umfang erhalten, in dem bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen sind. Anders als bei § 69a Abs. 2 (näher dazu Rdn. 14 zu § 69a) bedarf es hier also keiner Neuerteilung der Fahrerlaubnis im je beschränkten Umfang; dies folgt allein schon aus dem unterschiedlichen Wortlaut in § 69a Abs. 2 („das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten ... ausnehmen") einerseits und § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO (danach können „von der vorläufigen Entziehung ... bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen werden") andererseits. Demzufolge ist die Verwaltungsbehörde gehalten, im Umfang der beschränkten Fahrerlaubnis einen Ersatzführerschein auszustellen, worauf der Beschuldigte bis zur Rechtskraft eines die Fahrerlaubnis dann endgültig entziehenden Urteils einen Rechtsanspruch hat. 675 § 9 S. 1 FeV (mit seinen stufenweisen Zulassungsvoraussetzungen bei Neuerteilung einer behördlichen Fahrerlaubnis) steht dem nicht entgegen, weil es sich bei der Ausfertigung eines solchen Ersatzführerscheins nicht um die (Neu-)Erteilung einer Fahrerlaubnis handelt. 676 Zum Streit um die Auswirkungen des § 9 FeV auf § 69a Abs. 2 nachfolgend Rdn. 7 zu § 69a. Nach Aufhebung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung oder bei Rechtskraft der endgültigen Entscheidung ist der Ersatzführerschein wieder einzuziehen;677 zur Rückgabe des Führerscheins nachfolgend auch Rdn. 166 ff. 4. Anordnung, Wirkung und Durchsetzung 134
a) Die Anordnung erfolgt (nur) durch richterlichen Beschluss (Abs. 1 S. 1 ); eine Notzuständigkeit der Staatsanwaltschaft oder der Polizei gibt es nicht. Sofern die Voraussetzungen des § l i l a Abs. 1 gegeben sind, können Staatsanwaltschaft und Polizei den Führerschein jedoch am Tatort oder alsbald danach in der Wohnung des Beschuldigten sicherstellen (§ 94 Abs. 3 StPO), (nur) bei „Gefahr im Verzug" notfalls auch beschlagnahmen (§§ 94 Abs. 3 mit Abs. 1 und 98 Abs. 1 S. 1 StPO); dazu nachfolgend auch Rdn. 160 ff. Ermittlungsverfahren, in denen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet wurde, sind mit besonderer Beschleunigung zu führen; 678 zu den Folgen eines Verstoßes bereits Rdn. 129 sowie nachfolgend Rdn. 146. Die richterliche Anordnung ist grundsätzlich während des ganzen Verfahrens möglich, also vom Beginn der Ermittlungen bis zur Rechtskraft der Entscheidung (zu Besonderheiten im Rechtsmittelzug nachfolgend Rdn. 150 ff). Da es sich bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis um eine Untersuchungshandlung (§ 162 StPO) handelt, ist im Ermittlungsverfahren ein entsprechender Antrag der Staatsanwaltschaft nötig; 679 nach Erhebung der Anklage kann das zuständige Gericht die Fahrerlaubnis ohne einen solchen Antrag von Amts wegen vorläufig entziehen. Zu Fragen der Zuständigkeit im Einzelnen nachfolgend Rdn. 147 ff.
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Weil der Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis mit der Beschwerde angegriffen werden kann (nachfolgend Rdn. 173 ff), ist er ausweislich von § 34
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VG Mainz NJW 1986 3158; ebenso MeyerGoßner § l i l a StPO Rdn. 4 sowie Janiszewski Rdn. 753 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 858. Anders Dencker DAR 2 0 0 4 54 ff; wie hier jedoch Hentschel Trunkenheit Rdn. 858. Janiszewski Rdn. 753. So erklärtermaßen schon BVerfG NZV 1995
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77 sowie erst jüngst wieder in DAR 2 0 0 0 565 und NJW 2 0 0 5 1767; vgl. auch OLG Köln N Z V 1991 2 4 3 sowie OLG Düsseldorf ZfS 1994 186; so erst jüngst nachdrücklich wiederum OLG Hamm N Z V 2 0 0 7 351. Zustimmend Janiszewski NStZ 1994 577. LG Gera MDR 1996 731; ebenso MeyerGoßner § l i l a StPO Rdn. 6.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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StPO zu begründen. In den Regelfällen des § 69 Abs. 2 kann die Begründung verhältnismäßig knapp und nur durch mehr oder weniger summarische Angaben der Tatsachen erfolgen, aus denen sich der dringende Tatverdacht für die Anlasstat ergibt; es genügt aber nicht, letztlich bloß den Wortlaut des Gesetzes zu wiederholen. 680 Auch in diesen Fällen muss der Beschluss, soll er nicht unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbotes (Art. 3 Abs. 1 GG) sogar verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen, jedenfalls nachvollziehbar begründet sein. 681 Außerhalb der Regelfälle und bei Einschränkungen nach § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO ist eine ausführlichere Begründung geboten; sie hat sich vor allem auf die Umstände zu erstrecken, aus denen sich die Annahme ergibt, dass es in der späteren Entscheidung zur endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis kommen werde. Eine fehlende/unzureichende Begründung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 304 Abs. 1 StPO); dabei muss das Beschwerdegericht in der Sache selbst entscheiden (§ 309 Abs. 2 StPO) und darf die Sache nicht an den iudex a quo zurückverweisen.682 Das Fehlen einer Begründung ist unschädlich, wenn der Beschluss zugleich mit einem die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis aussprechenden Urteil ergeht. 683 Im Hinblick auf den dem Beschuldigten (ggf.) auszuhändigenden Ersatzführerschein ist in der Beschlussformel eine möglichst detaillierte Beschreibung der nach § l i l a Abs. 1 S. 2 von der vorläufigen Entziehung ausgenommenen Kraftfahrzeugart angebracht. 684 Wird die Entscheidung außerhalb einer Hauptverhandlung getroffen, ist - jeweils vor Erlass des Beschlusses - sowohl die Staatsanwaltschaft zu hören (§ 33 Abs. 2 StPO) als auch dem Beschuldigten rechtliches Gehör zu gewähren (§ 33 Abs. 3 StPO). Zwar sieht § 33 Abs. 4 StPO eine Ausnahme vom Grundsatz vorheriger Anhörung vor, wenn diese den Zweck der Maßnahme gefährden würde; doch weil in Eilfällen die Beschlagnahme des Führerscheins möglich (§§ 94 Abs. 3, 98 und l i l a StPO) und erfahrungsmäß auch erfolgversprechend ist, 685 wird der nur für Notfälle vorgesehene Ausweg des § 33 Abs. 4 StPO von der in Rechtsprechung und Schrifttum h.M. vorliegend zu Recht abgelehnt. 686
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OLG Hamm DAR 1954 63. Ausführlich Hentschel DAR 1975 2 6 5 sowie zusammenfassend ders. Trunkenheit Rdn. 860; vgl. auch Lienen DAR 1958 261. BVerfG VRS 9 0 (1996) 1. Ausführlich Hentschel DAR 1975 265. So für den Fall eines Berufungsurteils OLG Koblenz VRS 71 (1986) 3 9 und VRS 73 (1987) 2 9 2 ; zustimmend Meyer-Goßner § l i l a StPO Rdn. 6. In der Praxis hat sich folgende Tenorierung bewährt: „Dem Beschuldigten wird die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen vorläufig entzogen. Ihm wird gestattet, im öffentlichen Straßenverkehr weiterhin ... (dann folgt eine möglichst detaillierte Beschreibung der jeweiligen Kraftfahrzeugart: z.B. einen landwirtschaftlichen Traktor, ein Sanitätsfahrzeuge zum Transport von Behinderten, einen Panzer der Bundeswehr, Container- und Müllfahrzeuge über 7,5 t o.ä.) zu fahren." Zu den einzelnen Beispielen s. LG
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Köln DAR 1982 2 7 5 (landwirtschaftlicher Traktor), LG Hamburg NJW 1987 3211 (Sanitätsfahrzeug), LG Bielefeld N Z V 1 9 8 9 3 6 6 (Panzer der Bundeswehr) sowie AG Homburg ZfS 1994 185 (Müllfahrzeuge über 7,5 t: dazu auch Janiszewski NStZ 1994 577). Sofern der Beschuldigte noch im Besitz des Führerscheins ist, gegenteiliger Ansicht G. Schäfer LR § l i l a Rdn. 50 (mit der Begründung, dass bei vorherigem rechtlichen Gehör die Beschlagnahme des Führerscheins in der Praxis häufig durch angeblichen „Verlust" vereitelt oder zeitlich maßgeblich verzögert werden könne); in dieser Richtung auch Wendisch L R 2 5 § 3 3 Rdn. 4 0 . Beide fordern aber jedenfalls nachträgliches rechtliches Gehör. LG Mainz N J W 1968 414. Ebenso Koch DAR 1968 178, Dahs N J W 1968 414 und Hentschel DAR 1988 90; zustimmend auch Meyer-Goßner § l i l a StPO Rdn. 6.
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Auch wenn die Anforderungen an die Durchführung rechtlichen Gehörs angesichts der Eilnatur der Maßnahme nicht überzogen werden dürfen, muss das Verfassungsgebot rechtlichen Gehörs angesichts der bekannt strengen Judikatur des BVerfG zu Art. 103 Abs. 1 G G 6 8 7 auch bei einfachen Sachverhalten ernst genommen werden; es darf jedenfalls nicht nur als „sinnloser, das Verfahren unnötig verzögernder und damit für den Beschuldigten selbst nachteiliger leerer Formalismus" abgetan werden. 688 Selbst wenn das rechtliche Gehör nicht unbedingt durch das Gericht selbst erfolgen muss, sondern von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft „vor Ort" gewährt werden kann, 6 8 9 muss sichergestellt sein, dass der Beschuldigte in Kenntnis des ihm vorgeworfenen Unrechts sich zu allen maßgeblichen Tatsachen und Beweisergebnissen äußern kann, auf die sich das Gericht bei seiner Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis stützen will. Umgekehrt muss das Gericht aus den Akten erkennen können, in welcher Weise sich der Beschuldigte gegen die ihm gemachten Vorwürfe eingelassen hat. 6 9 0 Daher wird allein die polizeiliche Vernehmung nach einem Verkehrsunfall, bei der dem Beschuldigten das positive Ergebnis eines Alcotests mitgeteilt und ihm die Möglichkeit gegeben wurde, Angaben über den Alkoholgenuss und den Tathergang zu machen, die Anhörung vor dem zur Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis berufenen Richter in aller Regel nicht ersetzen können; dem Beschuldigten wird vielmehr auch die Möglichkeit einzuräumen sein, zum (späteren) Ergebnis der Blutuntersuchung Stellung nehmen zu können. 6 9 1 Der bloße Vermerk der Polizei, der Betroffene sei mit der Sicherstellung des Führerscheins einverstanden, genügt selbst in einfach gelagerten Fällen den Anforderungen rechtlichen Gehörs nicht. 6 9 2
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b) Wirkung des Beschlusses. Die Bezeichnung „vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis" ist missverständlich; denn die richterliche Anordnung hebt nicht die Fahrerlaubnis als solche auf (die ausweislich von § 69 Abs. 3 S. 1 erst mit Rechtskraft der Hauptentscheidung erlischt: dazu bereits Rdn. 115 ff), sondern begründet nur ein durch § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbewehrtes Gebot, von ihr Gebrauch zu machen (zu den straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Folgen der Nichtbeachtung nachfolgend Rdn. 184 f). 6 9 3 Wird die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vor Rechtskraft der Entscheidung wieder aufgehoben, bedarf es somit keiner neuen Fahrerlaubnis. Sofern die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis in Abwesenheit des Beschuldigten verkündet wird, wird sie erst mit Bekanntgabe des Beschlusses an ihn wirksam; 6 9 4 die Zustellung des Beschlusses wird vom Gericht veranlasst (§ 36 Abs. 1 StPO). Obgleich nach § 35 Abs. 2 S. 2 StPO an sich eine formlose Mitteilung genügt, empfiehlt sich (nicht zuletzt im
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S. dazu vor allem BVerfGE 5 7 2 5 0 (273). So aber LG Mainz N J W 1968 414 (berechtigte Kritik von Dahs aaO). So im Ergebnis auch LG Mainz NJW 1968 414. In dieser Richtung jedenfalls im Ergebnis wohl auch LG Mainz N J W 1968 414; insoweit zustimmend Dahs NJW 1968 414. Mit weiteren Einzelheiten hierzu Koch DAR 1968 178 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 854. Weniger streng LG Mainz NJW 1968 414 und dem zustimmend Hentschel Trunken-
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heit Rdn. 854. Wie hier jedoch G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 54. Koch DAR 1968 178, Dahs N J W 1968 414 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 854. Vgl. auch Meyer-Goßner § l i l a StPO Rdn. 8. BGHZ 3 8 86 = NJW 1962 2104 = VRS 2 3 (1962) 4 3 3 ; ebenso OLG Köln NZV 1991 360 und VRS 52 (1977) 271, OLG Stuttgart VRS 7 9 (1990) 303, KG VRS 4 2 (1972) 210, BayObLG bei Rüth DAR 1966 2 6 2 sowie OLG Hamm DAR 1957 25. Vgl. auch Hentschel DAR 1988 91.
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Hinblick auf Beweisfragen zu § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) die förmliche Zustellung; 6 9 5 dabei sollte der Beschuldigte zweckmäßigerweise zugleich über das damit verbundene strafbewehrte Fahrverbot belehrt werden. 6 9 6 Erforderlich ist eine schriftliche Mitteilung; die bloß mündliche Information durch Dritte (etwa durch einen Polizeibeamten anlässlich einer Verkehrskontrolle) genügt nicht. 6 9 7 c) Durchsetzung der Maßnahme. Da die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ihre Wirkung (als strafbewehrtes Fahrverbot) bereits mit Zustellung des EntziehungsBeschlusses an den Beschuldigten entfaltet (Rdn. 138), bedarf sie zu ihrer Durchsetzung an sich keiner weiteren Vollstreckung; der Sicherung des Fahrverbotes dient insofern allein § 21 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 2 StVG sowie zur Absicherung dieses Straftatbestandes die Einziehung des Führerscheins, die unter den Voraussetzungen des § l i l a Abs. 1 StPO auch im vorläufigen Entziehungsverfahren zulässig ist (§ l i l a Abs. 3 StPO). Zur Sicherung der Einziehung kann der Führerschein nach § 9 4 Abs. 3 StPO bereits vor der richterlichen § l i l a StPO-Entscheidung sichergestellt werden (dazu nachfolgend Rdn. 1 6 4 f ) . Ist der Führerschein bereits beschlagnahmt 6 9 8 oder durch freiwillige Herausgabe an die Polizei sichergestellt worden, erübrigen sich weitere Vollstreckungsmaßnahmen durch die Staatsanwaltschaft. 6 9 9 Andernfalls ist der Entziehungs-Beschluss der Staatsanwaltschaft zur Veranlassung der erforderlichen Vollstreckungsmaßnahmen zuzuleiten (§ 36 Abs. 2 S. 1 StPO); dies geschieht zweckmäßigerweise auch dann, wenn der Führerschein (wie in der Praxis meist der Fall) bereits vorher nach § 9 4 Abs. 3 StPO in Verwahrung genommen worden ist. 7 0 0 Zur Durchsetzung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber Inhabern ausländischer Fahrberechtigungen nachfolgend Rdn. 169 ff; zu besonderen Registrierungs- und Mitteilungspflichten nachfolgend Rdn. 182 f.
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5. Aufhebung der Anordnung. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist von Amts wegen aufzuheben (§ l i l a Abs. 2 StPO), wenn ihr Grund weggefallen ist (dazu nachfolgend Rdn. 142 ff) oder die Fahrerlaubnis in der späteren Hauptentscheidung endgültig nicht entzogen wird (dazu Rdn. 141); unter strengen Voraussetzungen kann auch das aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip herzuleitende Beschleunigungsgebot zu einer vorläufigen Aufhebung führen (dazu Rdn. 146). Bestimmte Prüfungsfristen sind im Gesetz nicht vorgesehen. Da das nach jeweiligem Verfahrensstand mit der Sache befasste und damit grundsätzlich auch für die Aufhebung zuständige Gericht (zu Zuständigkeitsfragen im Einzelnen nachfolgend Rdn. 147 ff) das gesamte
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LG Hildesheim NdsRpfl 1988 251 = NStE Nr. 1 zu § 35 StPO; ebenso Meyer-Goßner Rdn. 6 und Schulz HK StVR Rdn. 6 - je zu § l i l a StPO. Meyer-Goßner § l i l a StPO Rdn. 8. OLG Hamm VRS 57 (1979) 125, OLG Stuttgart VRS 79 (1990) 303 und VRS 35 (1968) 138 sowie OLG Karlsruhe VRS 53 (1977) 461. Eine vom Ermittlungsrichter ohne Antrag der Staatsanwaltschaft angeordnete Führerschein-Beschlagnahme ist - abgesehen von
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der ohnehin seltenen Konstellation des Notstaatsanwalts (§ 165 StPO) - unwirksam, kann aber im Beschwerdeverfahren geheilt werden: LG Gera MDR 1996 731. Zu Widersprüchlichkeiten (im einschlägigen Schrifttum) zur Führerscheinbeschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten (Ermittlungspersonen) s. Trupp NZV 2004 389 ff. Vgl. Nack KK Rdn. 6 und G. Schäfer LR Rdn. 58: je zu § l i l a StPO.
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Verfahren mit besonderer Dringlichkeit zu betreiben hat, 701 hat es auch die Frage einer vorzeitigen Aufhebung der Maßnahme in jedem Stadium des Verfahrens im Auge zu behalten; eine solche Prüfungspflicht obliegt auch der Staatsanwaltschaft.702 Ungeachtet dessen ist umstritten, ob das Gericht an Aufhebungsanträge gebunden ist, die die Staatsanwaltschaft vor Erhebung der öffentlichen Klage gestellt hat: Während die einen die Frage mit Rücksicht auf die Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft jedenfalls für dieses Stadium bejahen und für eine entsprechende Anwendung von § 120 Abs. 3 S. 1 StPO plädieren,703 lehnt die h.M. eine solche Bindung mit Recht ab: 7 0 4 dies vor allem deshalb, weil die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis - insofern anders als die Untersuchungshaft - nicht der Sicherung des Verfahrens, dessen „Herrin" ausweislich von § 156 StPO bis zur Erhebung der öffentlichen Klage die Staatsanwaltschaft ist, sondern als vorweggenommene Maßregel der Sicherheit des Verkehrs dient und damit ausschließlich zum Verantwortungsbereich des für Anordnung und Aufhebung allein zuständigen „Richters" (§ l i l a Abs. 1 S. 1) gehört. Danach darf die Staatsanwaltschaft auch nicht von sich aus (etwa durch Rückgabe des beschlagnahmten/sichergestellten Führerscheins) die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung „faktisch" aufheben. 705 Etwas anderes hat zu gelten, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt; denn jetzt kann es nicht mehr zur endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Gericht kommen. 706 Da mit Rechtskraft der verfahrensbeendenden Entscheidung automatisch auch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erlischt, bedarf es diesbezüglich an sich keines besonderen Beschlusses; soweit die abschließende Hauptentscheidung jedoch keine (endgültige) Entziehung der Fahrerlaubnis ausspricht, empfiehlt es sich aus Klarstellungsgründen, (mit deklaratorischer Wirkung) durch getrennten Beschluss zugleich auch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben.707 Zu den Auswirkungen des § l i l a Abs. 2 StPO auf die (erstmalige oder erneute) Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis in der Rechtsmittelinstanz nachfolgend Rdn. 151 ff. 141
Folgende Aufhebungsgründe kommen in Betracht: a) Ausweislich der 2. Alt. von § l i l a Abs. 2 (diese insofern Spezialfall der vorangestellten 1. Alt.) muss die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben werden, „wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht" (Aufhebung bei Nichtentziehung der Fahrerlaubnis); weil mit Rechtskraft der verfahrensbeendenden Entscheidung automatisch auch die Wirkung einer vorläufigen Entziehung erlischt (dazu bereits Rdn. 140), kann damit nur der Fall eines noch nicht rechtskräftig gewordenen Urteils (dem gleichzustellen: eines Strafbefehls) 7 0 8 gemeint sein, in dem der Angeklagte entweder freigesprochen oder aber (und zwar möglicherweise sogar zu einem Fahrverbot) verurteilt, von einer Entziehung der
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So immer wieder nachdrücklich auch das BVerfG: NStZ 1982 178, DAR 1998 4 6 6 , DAR 2 0 0 0 565 und zuletzt NJW 2 0 0 5 1767; vgl. auch OLG Düsseldorf NZV 1994 291 und OLG Köln N Z V 1991 243. Kohlhaas HK StVR § l i l a StPO Rdn. 8. So vor allem Wittschier NJW 1985 1324; dem folgend LG Bückeburg NdsRpfl 1987 2 0 0 sowie Nack KK § l i l a StPO Rdn. 7 und Janiszewski 755. AG Münster MDR 1972 166; auf dieser Linie (und nachdrücklich gegen Wittschier
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NJW 1985 1324) vor allem D. Meyer DAR 1986 47. Ebenso G. Schäfer LR Rdn. 49, Müller KMR Rdn. 20, Meyer-Goßner Rdn. 14 - je zu § l i l a StPO - sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 864. D. Meyer DAR 1986 48. Zutreffend Hentschel Trunkenheit Rdn. 864. OLG Karlsruhe NJW 1960 2113; ebenso G. Schäfer LR Rdn. 33 und Nack KK Rdn. 8: je zu § l i l a StPO. LG Stuttgart StV 1986 427.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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Fahrerlaubnis aber endgültig abgesehen worden i s t . 7 0 9 Diese Regelung bedeutet eine Art gesetzlicher Vermutung dafür, dass die „dringenden Gründe" für eine spätere (endgültige) Entziehung der Fahrerlaubnis nach instanzabschließender gerichtlicher Überprüfung entfallen sind. 7 1 0 Folglich zwingen auch alle verfahrensbeendenden Beschlüsse (einschließlich der Einstellungen nach §§ 153 ff StPO) zur Aufhebung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung; denn auch insoweit kann es nicht mehr zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 6 9 Abs. 1 kommen (dazu schon Rdn. 2 0 ) . 7 1 1 b) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist ferner aufzuheben, „wenn ihr Grund weggefallen ist" (1. Alt.), d.h. wenn auf Grund weiterer Aufklärung des Sachverhalts jedweder Verdacht oder jedenfalls der „dringende" Verdacht für die Anlasstat entfallen ist oder angesichts abgeschwächter Prognosegrundlagen keine ausreichende Wahrscheinlichkeit (dazu bereits Rdn. 128) für eine endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis mehr besteht. Dies kann vor allem in Betracht kommen, wenn die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis schon verhältnismäßig lange gedauert hat und demzufolge (ggf. im Zusammenwirken mit der Teilnahme an einem Nachschulungskurs) keine „dringende" Erwartung mehr aufrechtzuerhalten ist, dass es in der Hauptverhandlung zu einer endgültigen Fahrerlaubnisentziehung kommen wird; 7 1 2 die Ausführungen zu den Rdn. 9 4 ff und hier insbesondere zu Rdn. 96a (Pflicht zur beschleunigten Erledigung präventiver Verdachtsmaßnahmen nicht zuletzt im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip) gelten entsprechend auch hier. Dies gilt auch dann, wenn die Verzögerung des Verfahrens durch Beweisanträge oder das Prozessverhalten des Angeklagten verursacht worden ist; der gegenteilige Rechtsstandpunkt wäre nicht maßregelgerecht und liefe auf eine unstatthafte „Prozessstrafe" hinaus. 7 1 3 Wenn die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis sich auf den Beschuldigten nach Lage der Dinge jedoch nicht belastend ausgewirkt hat und ihre spezialpräventive Wirkung somit überhaupt nicht entfalten konnte (etwa bei langem Auslandsaufenthalt, Krankheit oder Verbüßung einer Strafe 7 1 4 ) oder jedenfalls nachweisbar nicht entfaltet hat (so etwa bei permanenter Verletzung eines Fahrverbotes 7 1 5 ), führt auch die lange Dauer der vorläufigen Entziehung für sich allein nicht zur Aufhebung der M a ß n a h m e . 7 1 6 Angesichts der nur summarischen Prüfungsmöglichkeiten im Verfahren nach § l i l a StPO wird die Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis außerhalb einer Hauptverhandlung im Übrigen nur in Aus-
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G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 33 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 871. Dies entspricht der Regelung im Haft- und Unterbringungsverfahren, wonach die Einlegung eines Rechtsmittels zuungunsten des Angeklagten nach instanzabschließender gerichtlicher Prüfung die Beseitigung der zuvor nur vorläufig getroffenen Anordnung nicht verzögern darf (§§ 120 Abs. 3 S. 1 und 126a Abs. 3 StPO). AG Münster MDR 1972 166; zustimmend Wittschier NJW 1985 1324. Dazu auch Janiszewski 755 sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 865 ff; vgl. auch Schneble Blutalkohol 1980 290 und Gebhardt DAR 1981 111.
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AG Emmerich DAR 1969 247; ebenso Hentschel DAR 1976 9 und Janiszewski DAR 1989 137. LG Hamburg MDR 1973 1034. OLG Düsseldorf NZV 1988 194. Gegenteiliger Ansicht jedoch offenbar LG Hamburg MDR 1973 1034 (langjähriger Auslandsaufenthalt des Beschuldigten); zustimmend Linß S. 106 ff. Wie hier OLG Düsseldorf NZV 1988 194 (bei permanenter Verletzung eines Fahrverbotes) und OLG Koblenz NZV 2008 47; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 870.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
nahmefällen zugelassen; 717 die Rechtsprechung stellt insoweit zu Recht strenge Anforderungen. 718 143
Besondere Schwierigkeiten entstehen, wenn die Zeit, innerhalb derer die vorinstanzlich festgesetzte Sperrfrist (bei Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung) bereits abgelaufen wäre, während des Rechtsmittelverfahrens verstreicht (Aufhebung bei Zeitablauf im Rechtsmittelverfahren). 719 Diesbezüglich ist zwischen Berufung und Revision zu unterscheiden: (1) Auch die besondere Länge des Berufungsverfahrens zwingt nur dann zur Aufhebung des vorläufigen Fahrerlaubnisentzugs, wenn unter prognostischer Berücksichtigung der Dauer der vorläufigen Entziehung (ggf. unterstützt durch zwischenzeitliche Nachschulung) zu erwarten ist, dass es im Berufungsurteil nicht zu einer endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis kommt; der „Zeitablauf" als solcher ist für sich allein also nicht maßgeblich. 7 2 0 In aller Regel hat das Berufungsgericht somit auch keinen Anlass, in dem nur summarischen Verfahren nach § l i l a die vorinstanzlich (unter den Kautelen einer Hauptverhandlung) getroffene Entscheidung zu korrigieren, wenn seit Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung eine der dort festgesetzten Sperrfrist entsprechende Zeit überhaupt noch nicht verstrichen ist. 721 Dabei bleibt es auch dann, wenn die im angefochtenen Urteil festgesetzte Sperrfrist zwischenzeitlich „abgelaufen" ist. 7 2 2 Ein Schematismus scheidet schon deshalb aus, weil das Gesetz selbst die spezialpräventive Wirkung der vorläufigen Entziehung derjenigen der endgültigen nicht gleichsetzt; sonst hätte es der Regelung in § 69a Abs. 4 S. 2 nicht bedurft. 723 Ungeachtet dessen hat das Berufungsgericht in einem solchen Fall besonders sorgfältig zu prüfen, ob der frühere Eignungsmangel entgegen ursprünglicher Prognose noch andauert. Es darf sich der Prüfung, ob noch immer „dringende Gründe" für die Annahme einer Fahrerlaubnisentziehung vorhanden sind, jedenfalls nicht mit dem nicht näher substantiierten Hinweis entziehen, bloßer Zeitablauf während des Berufungsverfahrens rechtfertige die Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht; 7 2 4 in gleicher Weise darf es nicht maßgeblich darauf abstellen, dass jeder, der gegen ein die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnendes Urteil Berufung einlegt, zwangsläufig mit einer Verlängerung der erstinstanzlich festgesetzten Dauer des Zwangsausschlusses aus dem Straßenverkehr
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Vgl. LG Hanau DAR 1980 2 5 sowie LG Köln Blutalkohol 1 9 8 0 2 8 9 (zustimmend Gebhardt DAR 1981 111) und Blutalkohol 1982 3 7 7 (nur „in eindeutigen Fällen minderen Gewichts und objektiv erheblicher Auswirkungen" des vorläufigen Zwangsausschlusses aus dem Straßenverkehr: für den Fall einer folgenlosen Trunkenheit im Verkehr bei einer BÄK von 2 , 0 3 %o verneint). Speziell zur (damals noch recht zurückhaltenden) Berücksichtigung zwischenzeitlicher Teilnahme an Nachschulungskursen schon LG Köln Blutalkohol 1980 2 8 9 (zustimmend Schneble aaO 2 9 0 ) und Blutalkohol 1982 3 7 7 sowie LG Hanau DAR 1980 2 5 ; vgl. auch Himmelreich DAR 1989 9. Weiterführend Hentschel DAR 1976 9 und Linß Die vorl. Entziehung der Fahrerlaubnis S. 104 ff. Bedenklich daher OLG Hamm JMB1 N W
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1964 191; zutreffend jedoch OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 1998 76 (unter ausdrücklicher Aufhebung gegenteiliger früherer eigener Rechtsprechung). Auf dieser Linie ersichtlich auch OLG Düsseldorf NZV 1999 219 sowie N Z V 2 0 0 1 354. So zu Recht OLG Hamburg NJW 1966 2 3 7 3 und OLG München DAR 1977 50; so im Ergebnis auch OLG Koblenz VRS 67 (1984) 2 5 6 . Ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 868. Vgl. statt vieler OLG Hamburg NJW 1966 2373, OLG München DAR 1977 49 sowie OLG Koblenz VRS 67 (1984) 2 5 6 und VRS 68 (1985) 4 2 ; so nunmehr auch OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 76. Ebenso Hentschel DAR 1976 9. Vgl. G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 39. Bedenklich OLG Düsseldorf VRS 79 (1990) 23.
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rechnen müsse. 7 2 5 Die Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ist somit nur dann zwingend geboten, wenn die endgültige Entziehung in der Berufungsverhandlung wegen erheblichen Zeitablaufs unwahrscheinlich w i r d ; 7 2 6 da es sich dabei jedoch nicht um eine Billigkeitsgrenze handelt, 7 2 7 bleibt es dem Berufungsgericht unbenommen, substantiiert darzulegen, weshalb es trotz erheblicher Überschreitung der vorinstanzlich vorgesehenen Dauer der Fahrerlaubnisentziehung in der bevorstehenden Hauptverhandlung vermutlich bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis bleibt. 7 2 8 Z u Ausnahmen aus der Sicht des Verhältnismäßigkeitsprinzips bereits Rdn. 9 6 a sowie nachfolgend Rdn. 1 4 6 . (2) Im Revisionsverfahren führt § 6 9 a Abs. 5 S. 2 an sich dazu, dass die seit Verkündung des angefochtenen Urteils verstrichene Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis in die Sperrfrist eingerechnet wird (dazu nachfolgend Rdn. 71 ff zu § 69a). Ungeachtet dessen bleibt zu klären, ob die vorläufige Entziehung jedenfalls dann nach § l i l a Abs. 2 StPO aufgehoben werden muss, wenn jene Zeit abgelaufen ist, bevor über die Revision entschieden ist und die Sperre damit zu laufen beginnen kann (§ 6 9 a Abs. 5 S. 1). In dieser nach wie vor umstrittenen F r a g e 7 2 9 mehren sich seit Beginn der 80er Jahre vor allem in der Rechtsprechung die Stimmen, die sich insoweit gegen eine (obligatorische) Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis aussprechen (inzwischen wohl h . M . ) : 7 3 0 Eine Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis in diesem Stadium des Verfahrens komme letztlich einer Neuerteilung der Fahrerlaubnis gleich, für die nicht das Gericht, sondern ausweislich von § 2 Abs. 1 StVG und § § 2 0 i.V. mit 4 ff FeV ausschließlich die Verwaltungsbehörde zuständig sei; 7 3 1 zudem habe der Strafrichter mit Festsetzung der Sperrfrist gerade keine Ent-
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Bedenklich daher KG NJW 1960 2112 und OLG Hamm JMB1 NW 1964 191. S. statt vieler KG NJW 1960 2112 („ungewöhnlich lange": im konkreten Fall mehr als doppelt so lange), OLG Hamm JMB1 NW 1964 191 (fast doppelt so lang), OLG Hamburg NJW 1966 2373, OLG Bremen VRS 31 (1966) 454 (rund zehn Monate länger), OLG München DAR 1975 133, OLG Koblenz VRS 67 (1984) 256 und VRS 68 (1985) 41 sowie OLG Zweibrücken NZV 1989 442; s. dazu aus jüngerer Zeit auch OLG Düsseldorf NZV 2001 354. Auf dieser Linie weithin auch das Schrifttum: vgl. Janiszewski DAR 1989 137 sowie Hentschel (DAR 1976 9, DAR 1988 331 und ders. Trunkenheit Rdn. 867) sowie Nack KK Rdn. 10, Meyer-Goßner Rdn. 11 und G. Schäfer LR Rdn. 39: je zu S l i l a StPO. Zur Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis im Berufungsrechtszug (dort: nach 17-monatiger Dauer) nachdrücklich auch BVerfG NZV 1995 77; auf dieser Linie aus Gründen des Verhälötnismäßigkeitsprinzips auch BVerfG DAR 2000 565 und NJW 2005 1767. So im Anschluss an die berechtigte Kritik von Hentschel DAR 1976 10 (an OLG Mün-
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chen DAR 1975 132) zutreffend OLG München DAR 1977 50 (seine frühere Entscheidung korrigierend). Hierzu auch KG VRS 35 (1968) 292 und OLG Düsseldorf NZV 1988 194. Weitere Nachweise bei Hentschel Trunkenheit Rdn. 872 ff, Janiszewski 757, Linß aaO S. 108 ff sowie Grohmann DRiZ 1989 138 ff. So im Einklang mit der damals noch h.M. im Schrifttum OLG Celle NdsRpfl 1967 182, OLG Karlsruhe VRS 34 (1968) 347 und NJW 1975 455, OLG Saarbrücken MDR 1972 533, OLG Frankfurt (2. Senat) NJW 1973 1335 sowie VM 1978 47 (3. Senat), OLG Bremen DAR 1973 332, OLG Zweibrücken NJW 1977 448, OLG Hamburg DAR 1978 256, OLG Koblenz MDR 1978 337 sowie OLG Köln ZfS 1981 188: je mit Nachweisen auch für die einschlägige Kommentarliteratur. So die inzwischen wohl herrschende Position in der obergerichtlichen Judikatur: s. im Anschluss an OLG Schleswig VRS 53 (1977) 121 und KG VRS 53 (1977) 278 auch OLG München NJW 1980 1860, OLG Frankfurt (4. Strafsenat) VRS 58 (1980) 419 (insoweit gegen den 3. Strafsenat: VRS 55, 42), OLG
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Scheidung darüber zu treffen gehabt, dass der Angeklagte nach Ablauf der Sperre wieder geeignet sei. 7 3 2 Etwas anderes ergebe sich (ausnahmsweise) allenfalls dort, wo sich das Revisionsverfahren außergewöhnlich in die Länge zieht und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Aufhebung der vorläufigen Entziehung verlangt; dazu nachfolgend Rdn. 1 4 6 . 7 3 3 145
Von der hier befürworteten Gegenposition aus, die vorwiegend im Schrifttum vertreten w i r d , 7 3 4 vereinzelt aber auch in der Rechtsprechung Zustimmung findet, 7 3 5 ist darauf hinzuweisen, dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis mit Ablauf der der tatrichterlichen Sperre entsprechenden Zeit ihre Berechtigung verloren hat. Es bleibt somit auch bei Verstreichen der Sperrfrist vor Rechtskraft bei der Pflicht des Revisionsgerichtes, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (jedenfalls analog) nach § l i l a Abs. 2 StPO aufzuheben; denn ein Angeklagter darf auch über den Weg des § l i l a StPO insgesamt nicht länger aus dem Verkehr ausgeschlossen werden, als der letztentscheidende Tatrichter dies für geboten gehalten h a t . 7 3 6 Nach dem Erfordernis der geringstmöglichen Beeinträchtigung erlaubt die vorläufige Maßnahme zudem keinen weitergehenden Eingriff in die Rechtsposition des Betroffenen als die endgültige Maßnahme, die zu sichern ihre alleinige Aufgabe i s t . 7 3 7 Die hier befürwortete Rechtsansicht bedeutet auch keineswegs einen unzulässigen Eingriff in die Kompetenz der Verwaltungsbehörde; denn hat die Revision des Angeklagten Erfolg und bestätigt das Revisionsgericht die tatrichterlich angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis nicht, kommt mangels strafgerichtlich entzogener Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 4 StVG auch keine behördliche Entziehung in Betracht. Bestätigt das Revisionsgericht jedoch die tatrichterliche Entscheidung, bleibt es bei der rechtskräftigen Entziehung, selbst wenn das Revisionsgericht die vorläufige Entziehung zwischenzeitlich durch Beschluss (analog § l i l a Abs. 2 StPO) aufgehoben hat. In diesem Fall folgt die Neuerteilung der Fahrerlaubnis durch die Verkehrsbehörde wiederum § 2 Abs. 1 StVG i.V. mit § § 2 0 und 4 ff FeV; die Kompetenz der Verwaltung ist also auch bei dieser Variante nicht beeinträchtigt.
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Hamburg NJW 1981 2590 (zustimmend Rüth JR 1981 338), OLG Düsseldorf VRS 64 (1983) 262, OLG Stuttgart VRS 63 (1982) 363, OLG Hamm VRS 69 (1985) 221 und OLG Koblenz VRS 71 (1986) 40 sowie MDR 1986 871 (unter Aufgabe seiner gegenteiligen früheren Ansicht: vgl. MDR 1978 337). Auf dieser Linie neuerdings auch OLG Düsseldorf VRS 98 (2000) 190 (193), OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 1998 76, OLG Naumburg Blutalkohol 2000 378 sowie OLG Karlsruhe DAR 2003 235 (dagegen jedoch Hetitschel Trunkenheit Rdn. 874) sowie im Schrifttum Sch/Schröder/Stree Rdn. 17a und Fischer Rdn. 13 - je zu § 69a - sowie G. Schäfer LR Rdn. 41, Meyer-Goßner Rdn. 12 und Nack KK Rdn. 11 - je zu § l i l a StPO; s. ferner Grohmann DRiZ 1989 138 ff. G. Schäfer LR Rdn. 37 zu § l i l a StPO. So schon KG VRS 53 (1977) 278. So vor allem Hentschel (DAR 1980 172,
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NJW 1981 1081, DAR 1988 92 sowie ders. Trunkenheit Rdn. 872 ff), Janiszewski (Rdn. 757, NStZ 1981 471, NStZ 1983 111 und DAR 1989 139), Dencker NStZ 1982 461, Rudolphi SK Rdn. 20 - je zu § l i l a StPO; vgl. auch Linß S. 108 ff. So schon LG Oldenburg DAR 1967 50 und neuerdings auch LG Neuruppin StV 2004 125 sowie vor allem OLG Köln VRS 57 (1979) 126 und VRS 105 (2004) 343. Das OLG Frankfurt a.M. hat seine diesbezügliche frühere Rechtsprechung (zuletzt in DAR 1990 311) inzwischen ausdrücklich aufgehoben (NStZ-RR 1998 76). So zu Recht OLG Köln VRS 105 (2004) 343. Im Übrigen darf die Revision nicht zu einem „Strafzuschlag" für den Angeklagten führen, der sich zu diesem in sein Belieben gestellten Rechtsmittel entschieden hat (Achenbach AK/StPO § l i l a StPO Rdn. 16).
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c) Ebenso wie Haftsachen sind auch Verfahren, in denen die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wurde, mit besonderer Dringlichkeit durchzuführen.738 Ungeachtet dessen zwingt der (selbstverständlich auch im Rahmen von § l i l a StPO gültige 739 ) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit über das bisher Gesagte hinaus nur dann zur Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn zur erheblichen zeitlichen Verzögerung des Verfahrens eine gravierende Missachtung des rechtsstaatlichen Beschleunigungsgebotes (Art. 20 Abs. 3 GG, 6 Abs. 1 MRK) hinzukommt. 740 Vor diesem Hintergrund geht auch das BVerfG von einer Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 GG ausgeprägten Willkürverbotes aus, wenn das Berufungsgericht lediglich nach Aktenlage und ohne neue Erkenntnisse noch vor der Berufungsverhandlung (wiederum) eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis anordnet, ohne dabei die zwingende Aufhebungsvorschrift des § l i l a Abs. 2 StPO zu beachten, nachdem und obwohl der erstinstanzlich entscheidende Richter die Fahrerlaubnis bewusst nicht entzogen und die vormals angeordnete vorläufige Entziehung (im konkreten Fall: nach insgesamt 17 Monaten) ausdrücklich aufgehoben hat. 741
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6. Zuständigkeit. Sachlich zuständig zur Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ist ausweislich von § l i l a Abs. 1 S. 1 StPO „der Richter"; vorbehaltlich von Ausnahmen, die sich aus Besonderheiten im Rechtsmittelzug ergeben (dazu nachfolgend Rdn. 150 ff), ist dies im Vorverfahren der Ermittlungsrichter und nach Anklageerhebung im Allgemeinen das Gericht, das nach dem jeweiligen Stand des Verfahrens mit der Sache befasst ist, mag auch die Entscheidung über die Anordnung der Maßnahme durch ein anderes Gericht erfolgt sein. 742 Dies gilt nicht nur bei einem Wechsel der Zuständigkeit zu einem anderen Gericht, sondern auch dann, wenn sich die Zuständigkeit bei demselben Amtsgericht lediglich vom Ermittlungs- zum Strafrichter verschiebt. 743 Dies gilt grundsätzlich auch für die Aufhebung der vorläufigen Entziehung.744 Im Übrigen ist zu unterscheiden:
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So schon LG Hannover DAR 1969 2 4 7 und LG Hildesheim NStZ 1988 569. So mit Nachdruck auch BVerfG NJW 2 0 0 1 357 und NJW 2 0 0 5 1767 sowie die gefestigte obergerichtliche Judikatur: vgl. für viele nur OLG Hamm VRS 102 (2002) 56, OLG Düsseldorf StV 1994 2 3 3 und OLG Köln StV 1991 248. Ebenso G. Schäfer LR Rdn. 3, Meyer-Goßner Rdn. 10 - je zu § l i l a StPO - sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 851 und Janiszewski NStZ 1994 577. Vgl. aus jüngerer Zeit OLG Hamm VRS 102 (2002) 56, OLG Düsseldorf StV 1994 233, OLG Köln StV 1991 248, OLG Zweibrücken N Z V 1989 4 4 2 und OLG Koblenz VRS 71 (1986) 4 0 sowie früher schon KG NJW 1960 2112. Vgl. OLG Köln N Z V 1991 2 4 3 = StV 1991 2 4 8 sowie OLG Düsseldorf N Z V 1994 291 = VRS 87 (1994) 36 = StV 1994 233. So in allerjüngster Zeit ausdrücklich auch OLG Hamm N Z V 2 0 0 7 6 3 9 (Aufhebung nur bei „groben Pflichtverletzungen" der Justiz).
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N Z V 1995 77 = DAR 1995 104 = VRS 88 (1995) 159; auf gleich strenger Linie dann auch in NJW 2 0 0 1 3 5 7 = DAR 2 0 0 0 565 und in NJW 2 0 0 5 1767. S. statt vieler OLG Celle NJW 1961 1417, OLG Hamm N J W 1 9 6 9 149, OLG Karlsruhe VRS 6 8 (1985) 360, OLG Düsseldorf VRS 72 (1987) 3 7 0 und LG Zweibrücken N Z V 1994 2 9 3 ; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 840, Meyer-Goßner § l i l a StPO Rdn. 7 und Werner Schmid Blutalkohol 1996 357. OLG Düsseldorf VRS 9 9 (2000) 2 0 3 mit dem Hinweis, dass die an sich unzulässige weitere Beschwerde gegen den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubn in einem solchen Fall in den - jederzeit zulässigen - Antrag auf Aufhebung der vorläufigen Maßnahme zu behandeln ist. Hentschel Trunkenheit Rdn. 8 4 0 und Meyer-Goßner § l i l a StPO Rdn. 14.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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a) Bis zur Erhebung der öffentlichen Klage ist sachlich zuständig der Ermittlungsrichter des Amtsgerichtes; als „Untersuchungshandlung" i.S. von § 162 Abs. 1 StPO gelten auch Maßnahmen, die der Förderung des Verfahrens durch präventive Vorwegnahme einer zu erwartenden Sanktion dienen. 745 Ist der Führerschein (von Polizei oder Staatsanwaltschaft) bereits beschlagnahmt oder sichergestellt, wirkt die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis als Bestätigung der Beschlagnahme (§ l i l a Abs. 3 StPO), für die nach § 98 Abs. 2 S. 3 StPO örtlich zuständig das Gericht ist, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat. 7 4 6 Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, welches Gericht für die Anordnung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung im Vorverfahren örtlich zuständig ist, wenn der Führerschein des Beschuldigten noch nicht sichergestellt/ beschlagnahmt ist. Im Hinblick darauf, dass die vorläufige Entziehung strukturell mit der Beschlagnahme/Sicherstellung des Führerscheins zusammenhängt und § 162 Abs. 1 S. 1 StPO für ermittlungsrichterliche Maßnahmen einen ausschließlichen Gerichtsstand (mit Vorrang vor den allgemeinen Gerichtsstandsregeln der §§ 7 ff StPO) begründet, 747 geht die wohl h.M. auch in diesem Fall von der Zuständigkeit allein des Amtsgerichtes aus, in dessen Bezirk der Führerschein beschlagnahmt werden soll. 748 Ist unklar, in welchem Bezirk die Beschlagnahme durchzuführen ist, gelten ergänzend zu § 162 Abs. 1 S. 1 StPO die allgemeinen Gerichtsstandsregeln (§§ 7 ff StPO). 749 Zuständig für die Aufhebung der Maßnahme bleibt das Gericht, das die Anordnung getroffen hat; 750 wohin der Führerschein nach der Beschlagnahme gelangt ist, spielt keine Rolle. 751 Die Entscheidung eines örtlich unzuständigen Gerichts ist aufzuheben. 752
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b) Nach Anklageerhebung (und den ihr gleichstehenden Anträgen der Staatsanwaltschaft) trifft die nach § l i l a StPO erforderlichen Entscheidungen das nach dem Stand des Verfahrens befasste Gericht; ob der Führerschein bereits beschlagnahmt ist oder nicht oder wo er sich gerade befindet, ist dabei unerheblich. Ergeht die Entscheidung zu
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Zu eng LG München II NJW 1963 1216 sowie (für den gleichgelagerten Fall des vorläufigen Berufsverbotes) wohl auch Hanack LR § 132a Rdn. 9; wie hier G. Schäfer LR Rdn. 45 zu § l i l a sowie Meyer-Goßner Rdn. 4 sowie Wache KK Rdn. 4 - je zu § 162 StPO. LG Siegen NJW 1955 274, LG Braunschweig DAR 1975 132 sowie LG Zweibrücken N Z V 1994 293; zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 847, G. Schäfer LR § l i l a Rdn. 45 und Müller KMR § 98 StPO Rdn. 7. Dazu vor allem AG Gemünden NJW 1978 770. LG Siegen NJW 1955 274 (Tatort des Wohnsitzes) sowie mit besonders ausführlicher Begründung AG Gemünden NJW 1978 770 (durch LG Würzburg mit Beschl. v. 30.11.1977 bestätigt: zit. nach NJW 1978 771); ebenso LG Köln Blutalkohol 1982 89 sowie wohl auch LG Heilbronn Justiz 1982 139 (teilweise kritisch Janiszewski NStZ 1982 239). Zustimmung im Schrifttum bei
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G. Schäfer LR Rdn. 45, Müller KMR Rdn. 19 sowie Hentschel/König 6 - je zu § l i l a StPO - sowie bei demselben Trunkenheit Rdn. 847. Offengelassen bei LG Zweibrücken NZV 1994 293. Ebenso LG Bochum VRS 78 (1990) 355; auf dieser Linie auch Meyer-Goßner Rdn. 7 und Rudolphi SK/StPO Rdn. 12 zu § l i l a StPO. Verfehlt LG München II (NJW 1963 1216), das von einem zu engen Begriff der „Untersuchungshandlung" (§ 162 Abs. 1 StPO) aus nur die § § 7 ff StPO für einschlägig hält; dagegen zu Recht Rüth NJW 1963 1216 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 847 (dort mit weiteren Nachweisen). Meyer-Goßner § l i l a StPO Rdn. 14. LG Zweibrücken NZV 1994 293 und LG Braunschweig DAR 1975 132; ebenso Hentschel DAR 1988 90. Bedenklich Nack KK 6 zu § l i l a (maßgeblich sei der Verwahrungsort des beschlagnahmten Führerscheins). LG Braunschweig DAR 1975 132 und LG Köln Blutalkohol 1982 89; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 848.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§ 69
§ l i l a StPO als Anhangbeschluss zusammen mit dem Urteil, muss sie in der für die Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung (§ 76 Abs. 2 GVG) und somit unter Mitwirkung der Schöffen erfolgen. 753 Als Gericht der Hauptsache kann auch das Landgericht für die Entscheidungen nach § l i l a StPO zuständig werden, wenn bei ihm Anklage erhoben oder c) Berufung eingelegt worden ist. Als Berufungsgericht wird das Landgericht jedoch erst zuständig, wenn die Akten ihm (je zu Händen des Vorsitzenden) nach § 321 S. 2 StPO vorgelegt sind; 754 gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist dann wieder die Beschwerde statthaft. 755 Bis dahin entscheidet der erstinstanzliche Richter, selbst wenn gegen sein Urteil bereits Berufung eingelegt worden ist. 7 5 6 Das Landgericht kann mit der Sache aber auch als Beschwerdegericht befasst sein; in diesem Fall kann seine Entscheidung ausweislich von § 310 Abs. 2 StPO aber nicht mehr angefochten werden. Diesbezüglich ist jedoch zu beachten, dass die Strafkammer nach ganz herrschender Ansicht jedenfalls dann ausschließlich als Gericht der Hauptsache (und somit nicht als Beschwerdegericht!) tätig wird, sobald die Anklage bei ihr eingegangen ist oder die Akten ihr nach § 321 S. 2 StPO vorgelegt worden sind. Dies wiederum hat zur Folge, dass ihre Entscheidung (als originäre Entscheidung des für die Hauptsache zuständigen Berufungsgerichts) nach §§ 304 und 305 S. 2 StPO (erneut) beschwerdefähig wird; denn durch die Vorlage der Akten an das Berufungsgericht tritt eine Zäsur mit Zuständigkeitswechsel ein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beschwerde vor oder nach Vorlage der Akten nach § 321 S. 2 StPO eingelegt wurde; so ist gewährleistet, dass divergierende Entscheidungen von Berufungs- und Beschwerdegericht vermieden werden. 757 Wegen des engen Sachzusammenhangs zwischen vorläufiger und endgültiger Fahrerlaubnisentziehung gilt dies selbst dann, wenn die Strafkammer an sich als Beschwerdegericht tätig werden wollte; es wäre unzuträglich, wenn eine Beschwerdekammer noch in einer Sache entscheiden müsste, die als Teil der Hauptsache bereits bei einer (nach Geschäftsverteilungsplan möglicherweise) anderen Kammer anhängig ist. 758 In diesem Fall ist die
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OLG Karlsruhe VRS 6 8 (1985) 3 6 0 und OLG Oldenburg N Z V 1992 124; ebenso Meyer-Goßner § l i l a StPO Rdn. 7. OLG Hamm NJW 1 9 6 9 150, OLG Frankfurt NJW 1981 1680, OLG Zweibrücken VRS 61 (1981) 38 und OLG Stuttgart DAR 2 0 0 2 279. OLG Stuttgart DAR 2 0 0 2 279. OLG Düsseldorf N Z V 1992 2 0 3 und OLG Naumburg Blutalkohol 2 0 0 4 79; ebenso G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 4 7 und Hetttschel Trunkenheit Rdn. 845. So unter Aufgabe seiner gegenteiligen früheren Ansicht (NZV 1990 122 = NStZ 1990 14: andernfalls sei entgegen dem Verbot des § 310 Abs. 2 StPO letztlich eine vom Gesetz nicht gewollte dritte Beschwerdeinstanz eingeführt) nunmehr auch das OLG Stuttgart (DAR 2 0 0 2 2 7 9 = VRS 102 (2002) 381): im Anschluss an die schon früher h.M. (vgl. OLG Celle StraFo 2 0 0 1 134, OLG Düsseldorf MDR 1987 6 9 4 , OLG Karlsruhe MDR
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1974 159, OLG Hamm N J W 1 9 6 9 149 und LG Zweibrücken N Z V 1992 499). Auf dieser Linie auch die h.M. im Schrifttum: vgl. Hetttschel Trunkenheit Rdn. 846, G. Schäfer LR Rdn. 94 und Meyer-Goßner Rdn. 19 - je zu § l i l a ; dagegen aber nach wie vor Nack KK 2 0 zu § l i l a und Plöd KMR Rdn. 2 zu § 310. Zu einer ähnlichen Konstellation auch OLG Braunschweig N Z V 1996 122. OLG Hamm VRS 21 (1961) 283, N J W 1 9 6 9 149 und VRS 4 9 (1975) 111, OLG Celle N J W 1961 133 und NJW 1961 1417 (jeweils 3. Senat; aA der 1. Senat: GA 1956 358), OLG Karlsruhe MDR 1974 159, OLG Frankfurt a.M. N J W 1981 1680, OLG Düsseldorf VRS 72 (1987) 3 7 0 und N Z V 1992 2 0 2 sowie LG Zweibrücken N Z V 1992 4 9 9 ; weithin zustimmend auch das Schrifttum: vgl. Bender DAR 1958 2 0 2 , Hentschel DAR 1988 90, Meyer-Goßner Rdn. 7 und 19, G. Schäfer LR Rdn. 94 sowie Rudolphi SK/StPO 12 - je zu § l i l a StPO.
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„Beschwerde" als Antrag an das mit der Hauptsache befasste Gericht auf Aufhebung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung zu behandeln. 759 Da die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zulässig ist und im Rahmen ihrer Zuständigkeit alle Gerichte von Amts wegen zur Prüfung nach § l i l a Abs. 1 StPO verpflichtet sind, stellt sich für das Berufungsgericht die Frage, ob ihm durch den zwingenden Gesetzesbefehl des § l i l a Abs. 2 StPO verwehrt ist, die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen, wenn die Vorinstanz von einer Entziehung der Fahrerlaubnis im Urteil abgesehen hat. Diesbezüglich ist zu unterscheiden: (1) Soweit die Fahrerlaubnis im angefochtenen Urteil nicht entzogen worden ist, ist entgegen vereinzelter (meist früherer) Judikatur 760 weithin anerkannt, dass dem Berufungsgericht (jedenfalls) bei unveränderter Sachlage eine vorläufige Entziehung verwehrt ist; bei anderer Auslegung wäre die Bindungswirkung der 2. Alternative von § l i l a Abs. 2 StPO letztlich überflüssig. Die (erstmalige oder erneute) Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ist dem Berufungsgericht somit nur gestattet, wenn neue, d.h. nach Verkündung der angefochtenen Entscheidung entstandene oder bekannt gewordene Tatsachen oder Beweismittel die besondere Dringlichkeit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen.761 Dabei bleibt es, auch wenn die vorinstanzliche Nichtentziehung der Fahrerlaubnis nach Ansicht des zweitentscheidenden Gerichtes fehlerhaft war. 762 Gleiches gilt für die Beschlagnahme des Führerscheins; auch diese ist nur zulässig, soweit die Voraussetzungen des § l i l a Abs. 1 StPO gegeben sind und der Gesetzesbefehl des § l i l a Abs. 2 StPO einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung nicht entgegensteht.763 Demzufolge trifft die Sperr- und Bindungswirkung des § l i l a Ab. 2 StPO auch das Gericht selbst, das die Fahrerlaubnis im Urteil/Strafbefehl nicht entzogen hat; 7 6 4 so ist es dem Amtsrichter, der bei Erlass eines Strafbefehls Gründe für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht gesehen hat, nach Einspruch gegen den Strafbefehl ver-
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OLG Hamm VRS 21 (1961) 2 8 3 und so nunmehr auch OLG Stuttgart DAR 2 0 0 2 2 7 9 sowie OLG Naumburg Blutalkohol 2 0 0 4 79; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 8 4 6 und G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 94. So jeweils im Hinblick auf den Sicherungszweck der Vorschrift und weil bei § l i l a Abs. 2 eine dem § 120 Abs. 2 StPO entsprechende Regelung fehle etwa OLG Oldenburg N J W 1953 1883 (jedoch in NJW 1963 826 aufgegeben), OLG Karlsruhe DAR 1954 3 0 2 und NJW 1957 1247 (jedoch aufgegeben in N J W 1960 2113) und OLG Saarbrücken DAR 1 9 5 9 214; so offenbar auch OLG Hamm (Beschl. v. 20.7.83 - 1 Ws 103/83), zitiert nach Janiszewski NStZ 1984 115. So schon OLG Frankfurt N J W 1955 1043, OLG Hamm DAR 1 9 5 7 190, OLG Hamburg DAR 1 9 5 9 129, OLG Bamberg DAR 1 9 5 9 215, OLG Karlsruhe NJW 1960 2113, OLG Schleswig SchlHA 1962 2 2 2 , OLG
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Köln N J W 1964 1287, OLG Düsseldorf VRS 41 (1971) 285 sowie LG Heidelberg DAR 1975 3 3 4 ; auf dieser Linie neuerdings nach wie vor OLG Stuttgart VRS 101 (2002) 4 0 , OLG Hamm Blutalkohol 2001 124 und LG Zweibrücken DAR 1998 30, auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bestätigt durch BVerfG NJW 1995 124. Weithin Zustimmung im Schrifttum: mit weiteren Nachweisen vor allem Hentschel Trunkenheit Rdn. 875 und Nack KK 8 zu § l i l a ; vgl. auch Schmid Blutalkohol 1996 360. Anderer Ansicht OLG Koblenz VRS 73 (1987) 2 9 0 und VRS 55 (1978) 45. Wie hier jedoch Hentschel Trunkenheit Rdn. 876 und Schmid Blutalkohol 1996 361. OLG Köln DAR 1954 64, OLG Hamm DAR 1957 190 und OLG Hamburg DAR 1 9 5 9 129. So zutreffend schon LG Heidelberg DAR 1975 3 3 4 .
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
wehrt, bei unveränderter Sachlage eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auszusprechen.765 (2) Anders liegt es, wenn das Berufungsgericht nach eigenverantwortlicher Prüfung (unter Aufhebung des angefochtenen Urteils) nunmehr selbst die Fahrerlaubis (endgültig) entzieht. In diesem Fall ist das Berufungsgericht nicht gehindert, mit der urteilsmäßigen endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis durch Beschluss (bis zur Rechtskraft der Entscheidung) die Fahrerlaubnis zugleich auch vorläufig zu entziehen.766
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(3) Umstritten ist der Fall, dass die Vorinstanz die Fahrerlaubnis zwar urteilsmäßig entzogen, es dabei aber (bewusst oder irrtümlich) unterlassen hat, (bis zur Rechtskraft der Entscheidung) die Fahrerlaubnis durch Beschluss zugleich auch vorläufig zu entziehen. Mit Rücksicht auf § l i l a Abs. 2 StPO wollen einige Obergerichte einen nachträglichen Beschluss zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auch hier nur zulassen, wenn neue Tatsachen die besondere Dringlichkeit der Maßnahme rechtfertigen. 767 In Fällen dieser Art ergibt die Bindungswirkung des § l i l a Abs. 2 aber keinen Sinn, schafft die Vorschrift für den Beschuldigten doch keinen Vertrauenstatbestand nach Art einer Rechtskraftgarantie, sondern stellt lediglich eine gesetzliche Vermutung dahin auf, dass die „dringenden Gründe" für die Annahme einer späteren urteilsmäßigen (endgültigen) Entziehung der Fahrerlaubnis entfallen sind (dazu bereits Rdn. 141). Wenn aber die Vorinstanz unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten und unter Verwertung der in einer Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme die Fahrerlaubnis wegen festgestellter Ungeeignetheit entzogen hat, sind die erwähnten „dringenden Gründe" gerade nicht entfallen, sondern nachdrücklich bekräftigt. Angesichts der Ähnlichkeit dieser Fallgruppe mit den in Rdn. 153 beschriebenen Fällen ist das Berufungsgericht somit selbst bei unveränderter Sachlage nicht gehindert, die Fahrerlaubnis noch während des Rechtsmittelverfahrens durch Beschluss vorläufig zu entziehen.768
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(4) Hat das Revisionsgericht das angefochtene Urteil aufgehoben und nach § 354 1 5 5 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, spielt somit ebenfalls keine Rolle, ob die Vorinstanz die Fahrerlaubnis entzogen hat oder nicht. Da der neue Tatrichter sich insoweit überhaupt nicht mit einem Urteil in Widerspruch setzen kann, darf er die Fahrerlaubnis nach pflichtgemäßem Ermessen auch dann vorläufig entziehen, wenn keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorliegen.769 d) Auch in der Revisionsinstanz bleibt für die Anordnung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung der letzte Tatrichter zuständig. Dies gilt selbst dann, wenn die Akten dem Revisionsgericht bereits nach § 347 Abs. 2 StPO vorgelegt sind; denn nur der
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LG Stuttgart StV 1986 4 2 7 ; zustimmend Nack KK § l i l a StPO Rdn. 8. OLG Karlsruhe NJW 1960 2113 sowie VRS 68 (1985) 360, OLG Zweibrücken NJW 1981 775 und OLG Koblenz VRS 65 (1983) 34, VRS 67 (1984) 2 5 4 und VRS 71 (1986) 39; ebenso Nack KK Rdn. 8 und G. Schäfer LR Rdn. 2 0 - je zu § l i l a StPO - sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 877. OLG Hamm JMB1 N W 1962 158 und OLG Oldenburg N Z V 1992 124 (unter Hinweis
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auf OLG Oldenburg OLGSt 4 zu § l i l a StPO, S. 15). So zu Recht OLG Frankfurt NJW 1981 1680, OLG Koblenz VRS 65 (1983) 4 4 8 und OLG Karlsruhe VRS 68 (1985) 361; ebenso Hentschel DAR 1988 3 3 3 und ders. Trunkenheit Rdn. 877, Janiszewski NStZ 1981 4 7 2 sowie Nack KK § l i l a StPO Rdn. 8. Wie hier Meyer-Goßner Rdn. 13, G. Schäfer LR Rdn. 2 2 sowie Nack KK Rdn. 8: je zu § l i l a StPO.
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Tatrichter kann die genuin tatrichterlichen Feststellungen dazu treffen, ob eine Präventivmaßnahme dieser Art erforderlich ist. 7 7 0 Umstritten ist jedoch, ob der Verurteilte die Aufhebung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung während eines laufenden Revisionsverfahrens durch Anfechtung mit der Beschwerde erreichen kann: 7 7 1 (1) Mehrere Oberlandesgerichte 7 7 2 und gewichtige Stimmen im Schrifttum 7 7 3 sehen für eine isolierte Anfechtung des vom Berufungsgericht nach § l i l a StPO angeordneten vorläufigen Fahrerlaubnisentzugs keinen Raum für eine dagegen gerichtete Beschwerde, wenn gegen das Berufungsurteil gleichzeitig Revision eingelegt sei (keine Beschwerde im Revisionsrechtszug). Mit dem Erlass des Berufungsurteils, mit dem nach der Konzeption des Gesetzes letztmalig eine Prüfung des Sachverhaltes in tatsächlicher Hinsicht stattgefunden habe, seien die von § l i l a Abs. 1 S. 1 StPO geforderten „dringenden" Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Fahrerlaubnis (endgültig) entzogen wird; nach diesem Zeitpunkt sei dann aber für eine im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens nach § l i l a StPO an sich erforderliche umfassende Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kein Raum mehr. Daraus folge, dass in diesem Verfahrensstadium eine Überprüfung nur auf die Gesichtspunkte zu beschränken sei, nach denen auch über die Revision zu befinden sei. Aus diesem Grund wird eine Beschwerde gegen einen im Berufungsverfahren außerhalb der Hauptverhandlung ergangenen Beschluss nach § l i l a StPO schlechterdings für unzulässig gehalten: zum einen, weil auf diesem Weg keine inzidente Vorabentscheidung über die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision erreicht werden soll; dann aber vor allem, weil sonst die Gefahr widersprechender Entscheidungen im Beschwerde· und im Revisionsverfahren unausweichlich wäre und die Entscheidungskompetenz des Revisionsgerichts in unzuträglicher Weise unterlaufen würde, wenn während eines laufenden Revisionsverfahrens über ein selbstständiges Beschwerdeverfahren letztlich eine erneute Tatsachenprüfung vorgenommen werden könnte. 7 7 4 (2) Einzelne Oberlandesgerichte 775 und ihnen folgend vereinzelte Stimmen im Schrifttum 7 7 6 sehen hingegen keine Bedenken, neben der Revision zugleich auch eine Beschwerde
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So schon OLG Hamm VRS 21 (1961) 284 und OLG Stuttgart Justiz 1969 256; ebenso Janiszewski 754 sowie G. Schäfer LR Rdn. 48, Meyer-Goßner Rdn. 7 und Rudolphe SK/StPO Rdn. 12: je zu § l i l a StPO. Zur (nachträglichen) Einziehung des Führerscheins durch das Revisionsgericht BGH (2 StR 137/97): zitiert nach Kusch NStZ-RR 2000 39. Ausführlich dazu Werner Schmid Blutalkohol 1996 357 ff (für eine gleichzeitige Zulässigkeit von Revision und Beschwerde gegen den vorläufigen Fahrerlaubnisentzug) sowie Cierniak NZV 1999 324 ff (für die Gegenposition, d.h. für eine grundsätzliche Unzulässigkeit der Beschwerde neben der bereits eingelegten Revision). So schon KG VRS 38 (1970) 127 und so dann vor allem OLG Düsseldorf (3 Ws 925/90) NZV 1991 165 sowie dessen gleicher Senat (3 Ws 436/95) in NZV 1995 459 = DAR 1995 456; dieser apodiktisch
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strengen Linie folgend dann OLG Brandenburg NStZ-RR 1996 170 = VRS 91 (1996) 267 und OLG Hamm VRS 92 (1997) 23 = NStZ-RR 1996 267. So vor allem Cierniak NZV 1999 324 ff; auf dieser Linie schon Meyer-Goßner Rdn. 19 und G. Schäfer LR Rdn. 92 - je zu § l i l a sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 880 und Schwarzer NZV 1995 239 (dort gegen OLG Schleswig NZV 1995 238). OLG Düsseldorf NZV 1995 459 (gegen OLG Schleswig NZV 1995 239 mit Anm. Schwarzer). So vor allem OLG Schleswig NZV 1995 345 (ablehnend jedoch Schwarzer aaO S. 239); ebenso OLG Düsseldorf (2 Ws 348/99) NZV 2000 383 = VRS 98 (2000) 190, OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 1996 205 sowie OLG Koblenz NZV 1997 369 = VRS 93 (1998) 343. So vor allem Werner Schmid Blutalkohol 1996 357 ff (hier die gleichgerichtete Ent-
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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gegen die durch das Berufungsgericht angeordnete vorläufige Fahrerlaubnisentziehung zuzulassen. Sie berufen sich für die Zuständigkeit auf den ausdrücklichen Gesetzeswortlaut des § 304 Abs. 1 S. 1 StPO („Die Beschwerde ist gegen alle ... im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse ... zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht") und für eine eigene Sachentscheidungskompetenz auf § 309 Abs. 2 StPO; diese folge zudem daraus, dass § l i l a StPO als Kann-Vorschrift ausgestaltet und dem Beschwerdegericht somit - im Unterschied zur Entscheidung des erkennenden Gerichts nach § 69 Abs. 1 - ein Entscheidungsermessen eingeräumt sei, das vom Beschwerdegericht kraft seiner eigenen Sachentscheidungskompetenz auch eigenständig ausgeübt werden könne 7 7 7 (3) Zustimmung verdient wohl jene vermittelnde neuere Ansicht, die neben der Revision nur eine eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeit zulässt, damit dem Beschwerdegericht jedenfalls die Prüfung der Ungeeignetheit i.S. von § 69 Abs. 1 entzogen bleibt. Mit der Beschwerde gegen die Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ l i l a StPO) soll keine inzidente Vorabentscheidung über die gegen das (tatrichterlich abschließend bestätigte) Berufungsurteil eingelegte Revision erreicht werden können; 7 7 8 an der in der Vorauflage vertretenen Ansicht wird insoweit nicht mehr festgehalten. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass zwischen der Zulässigkeit der Beschwerde (die sich ausweislich der §§ 3 0 4 Abs. 1 und 305 S. 2 StPO eindeutig aus dem Gesetz ergebe) und der Sachentscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts (die ggf. zur Unbegründetheit der Beschwerde führe) zu unterscheiden sei. Aus Zielsetzung und Prüfungsmaßstab des Rechtsbehelfs der Beschwerde (Überprüfung einer ins Ermessen des Richters gestellten Verdachtmaßnahme) einerseits und der Revision (Überprüfung eines tatrichterlichen Schuld- und Sanktionsspruchs auf Rechtsfehler) andererseits ergebe sich jedoch, dass während eines laufenden Revisionsverfahrens in einem parallelen Beschwerdeverfahren zwecks Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen eine erneute (tatrichterliche!) Nachprüfung der tatsächlichen Voraussetzungen des Fahrerlaubnisentzugs durch das Beschwerdegericht ausgeschlossen sein müsse; damit beschränke sich die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts auf die „eingeschränkte Kontrolle der rechtlichen Voraussetzungen des § 69 StGB auf der Grundlage der vom Tatrichter dazu getroffenen Feststellungen" 7 7 9 . Diese vermittelnde Rechtsposition scheint auch die Bestätigung durch das BVerfG gefunden zu haben; denn ein völliger Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit nach eingelegter Revision wäre nach Ansicht des BVerfG allein deshalb verfassungsrechtlich bedenklich, weil eine im Gesetz vorgesehene Rechtsschutzmöglichkeit nicht völlig leer laufen dürfe. 7 8 0 Nach nicht unbedenklicher vereinzelter Ansicht hat der letztzuständige Tatrichter auch über die Aufhebung des vorläufigen Fahrerlaubnisentzuges zu entscheiden, und zwar selbst dann, wenn das Revisionsgericht bereits mit der Revision gegen das die (end-
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scheidung des OLG Schleswig N Z V 1995 345 ff ausführlich bekräftigend); ebenso wohl Müller KMR 19 zu § l i l a StPO. So ausdrücklich OLG Koblenz VRS 9 3 (1998) 344. So erstmals OLG Köln (1 Ws 32/96) VRS 93 (1997) 3 4 8 und später auch noch VRS 105 (2004) 3 4 3 (1 Ws 9/03); auf dieser Linie dann auch OLG Karlsruhe (2 Ws
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247/98) VRS 9 6 (1999) 2 0 5 und DAR 2 0 0 4 4 0 8 (1 Ws 35/04) sowie KG (3 Ws 198/01) VRS 100 (2001) 4 4 3 . OLG Köln VRS 9 3 (1997) 3 4 9 ; ebenso OLG Karlsruhe VRS 9 6 (1999) 2 0 6 und KG VRS 100 ( 2 0 0 1 ) 4 4 3 . BVerfG NStZ-RR 2 0 0 2 377: dort unter Berufung auf BVerfGE 9 6 2 7 (39).
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§ 69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
gültige) Entziehung der Fahrerlaubnis aussprechende Urteil befasst ist. 7 8 1 Zuständig für die Entscheidung über die Aufhebung einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis soll das Revisionsgericht auch für die Anhänger dieser Rechtsansicht nur dann sein, wenn es analog § 126 Abs. 3 StPO vorgeht, d.h. die endgültige Aufhebung der Fahrerlaubnisentziehung aus der Sicht des Revisionsgerichtes entscheidungsreif ist. 7 8 2 Demzufolge verdient den generellen Vorzug demgegenüber wohl jene Ansicht, die aus Gründen der Prozessökonomie und zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen jedenfalls ab Vorlage der Akten (§ 3 4 7 Abs. 2 StPO) von einer (weithin) uneingeschränkten Zuständigkeit des Revisionsgerichtes ausgeht. 7 8 3 In analoger Anwendung von § 126 Abs. 3 StPO steht nämlich auch für die Vertreter der Gegenansicht außer Streit, dass zur Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ab Vorlage der Akten ausschließlich das Revisionsgericht und nicht das letztentscheidende Tatgericht jedenfalls dann zuständig ist, wenn die Notwendigkeit der Aufhebung nicht auf tatrichterlichen Überlegungen, sondern auf Rechtsgründen beruht. 7 8 4 Dies ist etwa anzunehmen, wenn das Revisionsgericht nach § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst entscheidet und die vorinstanzlich angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Entscheidung des Revisionsgerichtes endgültig in Wegfall kommt 7 8 5 oder das Verfahren eingestellt wird. 7 8 6 Dem gleichzustellen ist der Fall, dass das Revisionsgericht die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips oder wegen Missachtung des Beschleunigungsgebotes aufzuheben verpflichtet ist (dazu bereits Rdn. 146). Umstritten ist somit letztlich nur noch die Frage, ob die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis überhaupt und von welchem Gericht aufzuheben ist, wenn die (tatrichterlich festgesetzte) Sperrfrist auf Grund der Einrechnungsvorschrift des § 69a Abs. 5 S. 2 schon vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung verstrichen ist. Zu diesem Streit: Wer von dem hier abgelehnten Rechtsstandpunkt aus die Notwendigkeit zur Aufhebung mehr an tatrichterlichen Überlegungen ausrichtet (Rdn. 144), wird folgerichtig dazu neigen, den (letzten) Tatrichter auch über die Aufhebung der vorläufigen Maßnahme entscheiden zu lassen. 7 8 7 Wer von der hier befürworteten Gegenposition aus der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis
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So vor allem BGH N J W 1978 3 8 4 und so zuvor schon OLG Celle N J W 1977 160, OLG Frankfurt a.M. (2. Strafsenat) DAR 1973 161 und N J W 1973 1335 sowie OLG Hamm VRS 21 (1961) 285. Dem folgend OLG Düsseldorf VRS 6 4 (1983) 262, OLG Zweibrücken VRS 6 9 (1985) 2 9 3 - unter Aufgabe von VRS 51 (1976) 110 - und OLG Stuttgart VRS 74 (1988) 188; auf dieser Linie auch G. Schäfer LR Rdn. 48, Rudolphi SK/StPO Rdn. 2 2 , Meyer-Goßner Rdn. 14 sowie Nack KK Rdn. 12: alle je § l i l a StPO. Noch offen gelassen durch BGH NJW 1978 384; so dann aber BayObLG N Z V 1993 2 4 0 und OLG Naumburg DAR 1999 4 2 0 . Zustimmung dazu auch bei Meyer-Goßner Rdn. 14 und Nack KK Rdn. 12: je zu § l i l a StPO. So schon OLG Frankfurt (Beschl. v. 27.3.69 - 3 Ss 95/69: auszugsweise veröffentlicht bei Hentschel Trunkenheit Rdn. 842), OLG Bre-
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men VRS 4 6 (1974) 4 3 und OLG Köln ZfS 1981 188 (zustimmend Hentschel aaO); in dieser Richtung auch OLG Koblenz MDR 1978 337 und MDR 1986 871 (jedenfalls dann, wenn mit einer „alsbaldigen Sachentscheidung" des Revisionsgerichtes zu rechnen sei). Auf dieser Linie im Schrifttum: Janiszewski 756 sowie ders. DAR 1989 139, Mollenkott Blutalkohol 1985 74 sowie vor allem Hentschel aaO Rdn. 843 (ebenso ders. in DAR 1988 89). Statt vieler: Meyer-Goßner Rdn. 14, Nack KK Rdn. 12, G. Schäfer LR - Rdn. 48 und Müller K M R Rdn. 19 - alle je zu § l i l a StPO. BayObLG N Z V 1993 2 4 0 und zuvor das selber Gericht schon bei Rüth DAR 1980 2 6 8 sowie OLG Bremen DAR 1973 332. Vgl. Rüth J R 1975 338. So denn auch weitgehend die in Fn. 781 genannten Nachweise.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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mit Ablauf der der tatrichterlichen Sperre entsprechenden Zeit jedoch die innere Berechtigung abspricht (dazu Rdn. 145), wird das Revisionsgericht auch in diesem Fall zur Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis für befugt halten; denn insofern wird von dem Revisionsrichter keine nur dem Tatrichter zustehende „Erforderlichkeits"Diagnose, sondern letztlich nur eine einfache Berechnung abverlangt, die vorzunehmen auch einem Revisionsgericht nicht untersagt sein kann. Somit ist es nur vernünftig, wenn das Revisionsgericht (bei dem sich die Akten ohnehin befinden) die im Interesse des Angeklagten beschleunigt gebotene Maßnahme selbst trifft. 7 8 8 Zur Aufhebung einer Beschlagnahme (ohne vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis) s. nachfolgend Rdn. 167. 7. Beschlagnahme bzw. Sicherstellung und Rückgabe des Führerscheins (§ l i l a Abs. 3 bis 5) a) Ist die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden, ohne dass der Führerschein des Beschuldigten zuvor durch amtliche Inverwahrungnahme sichergestellt oder beschlagnahmt worden ist (was in der Praxis eher selten vorkommt), „wirkt" die (durch den Richter) angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ausweislich von § l i l a Abs. 3 S. 1 StPO zugleich als Anordnung oder Bestätigung der Beschlagnahme des von einer deutschen Behörde ausgestellten Führerscheins, ohne dass dies in der Beschlussformel oder in den Gründen des Beschlusses besonders ausgesprochen werden müsste. 7 8 9 Daher bedarf es in der Formel des Entziehungsbeschlusses keiner besonderen Erwähnung der Beschlagnahme (§ l i l a Abs. 3 StPO). 7 9 0 Gleiches gilt, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist: dies jedoch nur, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat (Abs. 3 S. 2); zu Besonderheiten bei sonstigen ausländischen Fahrausweisen s. nachfolgend Rdn. 169 ff. Der Sache nach handelt es sich dabei um die Fiktion einer Sicherstellung/Beschlagnahme, die als solche der Durchsetzung des durch die vorläufige Maßnahme bewirkten Fahrverbotes (dazu Rdn. 138) sowie der Sicherung der späteren Einziehung des Führerscheins (Umkehrschluss aus § l i l a Abs. 5 S. 1 StPO) dient. Die in dem Beschluss nach § l i l a Abs. 1 enthaltene Beschlagnahmeanordnung kann nicht für sich allein, sondern nur zusammen mit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis angefochten werden 7 9 1 und ist von der Staatsanwaltschaft nach § 36 Abs. 2 S. 1 StPO zu vollstrecken, indem diese den Führerschein (entweder selbst oder durch die Polizei) in amtliche Verwahrung nimmt. 7 9 2
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b) Ausweislich des Gesetzes ist die Sicherstellung/Beschlagnahme des Führerscheins nicht nur zur Beweissicherung (§ 94 Abs. 1 StPO), sondern auch zur Sicherung seiner späteren Einziehung zulässig ( § § 9 4 Abs. 3 StPO i.V. mit 69 Abs. 3 S. 2 StGB). Die Sicherstellung des Führerscheins erfolgt durch seine amtliche Inverwahrungnahme (§ 94 Abs. 1 StPO); wird der Führerschein nicht freiwillig herausgegeben, bedarf es der Be-
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Zutreffend OLG Frankfurt (Beschl. v. 27.3.69 - 3 Ss 95/69): zitiert nach Hentschel Trunkenheit Rdn. 842; nachdrücklich in dieser Richtung mehrfach denn auch Hentschel (aaO, ZfS 1981 188 und DAR 1988 89). G. Schäfer LR Rdn. 5 9 und Müller KMR Rdn. 2 2 : je zu § l i l a StPO.
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Trupp N Z V 2 0 0 4 389. Müller K M R 2 2 zu S l i l a StPO. Nack KK Rdn. 13, Müller K M R Rdn. 2 2 und G. Schäfer LR Rdn. 61: je zu § l i l a StPO.
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schlagnahme (§ 94 Abs. 2 StPO). Anders als die Beweismittelsicherstellung (§ 94 Abs. 1 StPO) 7 9 3 ist die Sicherstellung/Beschlagnahme des Führerscheins zur Sicherung seiner Einziehung nur zulässig, wenn zugleich die Voraussetzungen des § l i l a Abs. 1 S. 1 erfüllt, d.h. dringende Gründe für die Annahme der endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis vorhanden sind (dazu bereits Rdn. 126 ff). 7 9 4 Dies folgt nicht nur daraus, dass die nach § 98 Abs.2 StPO erforderliche nachträgliche richterliche Bestätigung einer bei „Gefahr im Verzug" (dazu nachfolgend Rdn. 160) auch durch die Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungspersonen angeordneten Beschlagnahme nur unter den Voraussetzungen des § l i l a Abs. 1 S. 1 erfolgen darf, 7 9 5 sondern ergibt sich auch aus einem Umkehrschluss aus § l i l a Abs. 5; denn wenn der Führerschein unter den dort genannten Voraussetzungen zurückgegeben werden muss (näher dazu Rdn. 166 ff), darf richtigerweise schon seine Beschlagnahme nicht erfolgen. 796 Auch für die Anordnung der Beschlagnahme ist an sich der Richter zuständig ( § 9 8 Abs. 1 S. 1 StPO); seine Primärzuständigkeit hat jedoch keine praktische Bedeutung. 797 „Bei Gefahr im Verzug" (und demzufolge zeitlich meist vor der gerichtlichen Entscheidung nach § l i l a Abs. 1) darf der Führerschein jedoch auch durch die Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungspersonen beschlagnahmt werden (§ 98 Abs. 1 S. 1 StPO). 7 9 8 Mit BGHSt 22 385 f f 7 9 9 und der h.M. im Schrifttum 8 0 0 ist der Begriff „Gefahr im Verzug" in diesem Zusammenhang nicht auf die Fälle zu beschränken, in denen ohne sofortige Beschlagnahme des Führerscheins dessen Vernichtung oder sein Beiseiteschaffen zu besorgen ist; 8 0 1 die Beschlagnahme des Führerscheins z.B. eines bei einer Trunkenheitsfahrt betroffenen Kraftfahrers ist vielmehr auch dann zulässig, wenn andernfalls die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte ohne die sofortige Abnahme des Führerscheins (durch Staatsanwaltschaftschaft oder ihre Ermittlungspersonen) weitere Trunkenheitsfahrten unternimmt oder sonst in schwerwiegender Weise Verkehrsvorschriften verletzt. Die Gegenansicht ist zu eng, würde sie doch nicht nur die Notkompetenz der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen in der Praxis zur Bedeutungslosigkeit verkümmern lassen, sondern auch Sinn und Zweck des Gesetzes weitgehend verfehlen. Wie die
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Für diese reicht einfacher Tatverdacht aus; zudem ist sie auch bei ausländischen Fahrausweisen möglich und nicht nach § 21 Abs. 2 StVG strafbewehrt: näher Müller KMR Rdn. 2 5 und G. Schäfer LR Rdn. 62 und 64 - j e zu § l i l a StPO. OLG Stuttgart NJW 1969 760. Müller KMR Rdn. 2 6 und G. Schäfer LR Rdn. 64: je zu § l i l a StPO. Dazu schon BTDrucks. IV/651, S. 31; vgl. auch Nack KK Rdn. 14 und Meyer-Goßner Rdn. 15: je zu § l i l a StPO. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § l i l a Abs. 1 S. 1 StPO wird der Richter sinnvollerweise sofort die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen, die dann zugleich auch als Beschlagnahme des Führerscheins wirkt (Rdn. 158). Zur Führerscheinbeschlagnahme durch Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungspersonen ausführlich Gramse N Z V 2 0 0 2 345 ff sowie Trupp N Z V 2 0 0 4 389 ff.
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= NJW 1969 1308 (ablehnend Hruschka NJW 1969 1634); auf gleicher Linie OLG Stuttgart NJW 1969 760, OLG Karlsruhe Justiz 1969 255, OLG Hamm VRS 36 (1969) 66 sowie LG Münster NJW 1974 1008. Vgl. Rudolphi SK/StPO Rdn. 25, G. Schäfer LR Rdn. 67, Nack KK Rdn. 15, Meyer-Goßner Rdn. 15 und Müller KMR Rdn. 26 - je zu § l i l a StPO - sowie Meier Polizei 1964 2 3 4 , Hentschel Trunkenheit Rdn. 892, Gramse N Z V 2 0 0 2 3 4 6 und Trupp N Z V 2 0 0 4 3 9 0 ff. So aber OLG Köln NJW 1968 666 (ablehnend Schweichel NJW 1968 1486) und NJW 1969 441; auf dieser Linie auch Fritz MDR 1967 723, Dahs NJW 1968 632, Hruschka NJW 1969 1634 und Ehlers MDR 1969 1023.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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Entstehungsgeschichte des § l i l a sowie der Zusammenhang dieser Vorschrift mit § § 9 4 Abs. 3 und 98 StPO belegen und auch der Gesetzgeber des 2. StraßenVSichG durch die weitgehende Gleichbehandlung von Führerscheinbeschlagnahme und vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ l i l a Abs. 3 bis 5 StPO und 69a Abs. 4 bis 6 StGB) zum Ausdruck gebracht hat, 8 0 2 geht die Konzeption des Gesetzes dahin, mit Hilfe der §§ 94 Abs. 3 und 98 Abs. 1 S. 1 auch im präventiven Eilverfahren nach § l i l a StPO sicherzustellen, dass kein „verkehrsuntüchtiger Kraftfahrer, dem im Strafverfahren voraussichtlich die Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen abgesprochen werden wird, weiterhin am Verkehr teilnimmt und zum Nachweis seiner Berechtigung hierzu den Führerschein vorzeigt". 8 0 3 Unter diesen Voraussetzungen dürfen Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungspersonen die Durchführung der Beschlagnahme auch in der Wohnung des Beschuldigten durchführen, ohne dafür eine zusätzliche richterliche Genehmigung einholen zu müssen. 8 0 4 Wirksam wird die Beschlagnahme erst, wenn der Führerschein dem Berechtigten weggenommen worden ist; die bloße Anordnung oder (mündliche oder schriftliche) Mitteilung der Beschlagnahme an den Betroffenen ist somit nicht geeignet, eine Bestrafung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG zu begründen. 805 Rechtmäßig ist die Anordnung der Beschlagnahme nur, wenn der handelnde Amtsträger nach der Sachlage von „Gefahr im Verzug" sowie von „dringenden Gründen" für die Annahme ausgehen konnte, dass es zunächst zu einer vorläufigen und dann zu einer endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis kommt. 8 0 6 Dabei ist dem Beamten ein grundsätzlich weiter Bereich pflichtgemäßer Beurteilung einzuräumen; in aller Regel werden nur grobe (tatsächliche oder rechtliche) Fehlbeurteilungen die Anordnung unwirksam machen. 8 0 7 Ist eine Beschlagnahme des Führerscheins im Eilverfahren somit nur bei Vorliegen wirklich „dringender Gründe" für den nachfolgenden (richterlichen) vorläufigen Fahrerlaubnisentzug statthaft, wird sie bei einem positiv ausgefallenen Alco-Test nur dann rechtens sein, wenn die Möglichkeit einer bloßen Ordnungswidrigkeit (§ 24a StVG) hinreichend sicher auszuschließen ist. 8 0 8 Steht zu erwarten, dass der Richter von der Ausnahmemöglichkeit des § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO Gebrauch machen wird, ist die Beschlagnahme im Wege des Eilverfahrens nur zulässig, wenn der dringende Verdacht besteht, dass der Beschuldigte bis zur Entscheidung des Gerichts die ihm unbeschränkt erteilte Fahrerlaubnis nutzen werde. 8 0 9 Liegt bereits eine die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ablehnende richterliche Entscheidung vor, entfällt bei unveränderter Sachlage folgerichtig auch die Berechtigung zu einer Beschlagnahme. 8 1 0 Ein vom Ermittlungsrichter ohne Antrag der Staatsanwaltschaft angeordneter
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Ausführlich zur Entstehungsgeschichte auch BGHSt 2 2 387. BGHSt 2 2 393. Gramse N Z V 2 0 0 2 3 5 0 ff; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 8 9 2 und Meyer-Goßner Rdn. 15. Auf dieser Linie auch Trupp N Z V 2 0 0 4 393 ff (wenngleich nur unter der Voraussetzung, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Beschuldigte werde trotz der Strafbedrohung durch § 21 StVG künftig weiterhin ein Kraftfahrzeug führen und den Führerschein zum Vortäuschen einer uneingeschränkten Berechtigung missbrauchen). OLG Schleswig VRS 34 (1968) 4 6 0 sowie
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OLG Stuttgart VRS 35 (1968) 138 und VRS 7 9 (1990) 3 0 3 ; zustimmend G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 61 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 890. OLG Köln N J W 1968 6 6 6 und OLG Stuttgart N J W 1 9 6 9 7 6 0 . Weiterführend Meyer-Goßner Rdn. 7 und G. Schäfer LR Rdn. 3 4 ff: je zu § 98; speziell zu Verkennung von „Gefahr im Verzug" Geppert DRiZ 1992 414. Ebenso G. Schäfer L R § l i l a StPO Rdn. 68. Zutreffend Nack KK § l i l a StPO Rdn. 15. Zutreffend Müller K M R § l i l a StPO Rdn. 26.
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Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist - abgesehen vom Ausnahmefall des § 165 StPO (Notstaatsanwalt) - unwirksam (weil als Untersuchungshandlung i.S. von § 162 Abs. 1 S. 1 StPO angesichts der Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft nur auf deren Initiative erlaubt), kann aber im Beschwerdeverfahren geheilt werden. 8 1 1 162
Der Beschlagnahme bedarf es nicht, wenn der Beschuldigte den Führerschein dem Amtsträger (ausdrücklich oder in schlüssiger Weise) zur Sicherstellung der Einziehung freiwillig herausgibt (Umkehrschluss aus § 94 Abs. 2 StPO). Die Beschlagnahme ist jedoch auch dann zulässig, wenn an sich auch eine formlose Sicherstellung nach Abs. 1 möglich gewesen wäre. 8 1 2 Anderes gilt für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis; diese ist unzulässig, wenn der Beschuldigte den Führerschein freiwillig herausgegeben hat (und solange er ihn nicht zurückverlangt); dazu bereits Rdn. 130.
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Von der Sicherstellung/Beschlagnahme des Führerscheins zur Sicherung seiner Einziehung zu unterscheiden ist seine Sicherstellung zwecks Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr (etwa um zu verhindern, dass ein betrunkener Kraftfahrer seine Fahrt fortsetzt). Maßnahmen dieser Art richten sich nicht nach der StPO, sondern nach den einschlägigen Polizei- und Ordnungsgesetzen der Länder. 813 In derartigen Fällen ist der Führerschein dem Berechtigten alsbald nach Beseitigung der akuten Gefahr zurückzugeben. 8 1 4 Wer einen ihm nur zur Gefahrenabwehr weggenommenen Führerschein nicht mit sich führt, begeht nur eine Ordnungswidrigkeit ( § § 4 Abs. 2 S. 2 und 75 Nr. 4 FeV i.V. mit 2 4 StVG). 8 1 5
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c) Kommt es wegen „Gefahr im Verzug" im Wege der Eilkompetenz (§ 98 Abs. 1 S. 1 StPO) zunächst nur zur Beschlagnahme des Führerscheins durch Staatsanwaltschaft oder ihren Ermittlungspersonen (was in der Praxis die Regel ist), hat der die Beschlagnahme anordnende/durchführende Amtsträger binnen drei Tagen die richterliche Bestätigung zu beantragen, sofern bei der Beschlagnahme weder der Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Fall seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat (§ 98 Abs. 2 S. 1 StPO). Dabei handelt es sich jedoch nur um eine Sollvorschrift (Wortlaut des Gesetzes; Umkehrschluss aus Abs. 3 S. 1); ein Verstoß gegen die Drei-TageFrist führt daher ebenso wenig zur Unwirksamkeit der Beschlagnahme wie die Nichteinholung der richterlichen Bestätigung. 816 Ungeachtet dessen ist die Herbeiführung der richterlichen Bestätigung nach § 98 Abs. 2 S. 1 StPO in der Praxis meist entbehrlich, weil der Beschuldigte bei der Beschlagnahme des Führerscheins meist selbst anwesend ist und damit die Möglichkeit hat, vor, bei oder nach Durchführung der Beschlagnahme Widerspruch zu erheben. Zu diesem Zweck gibt § 98 Abs. 2 S. 2 StPO dem Beschuldigten das Recht, jederzeit die richterliche Entscheidung zu beantragen; dies auch dann, wenn er
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LG Gera MDR 1996 731. BGH N J W 1956 1806 sowie BGH StV 1992 308 311; ebenso Nack KK Rdn. 15 und Meyer-Goßner Rdn. 13 - je zu § 94. Weiterführend: G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 68 und Janiszewski 837; speziell zu (zulässigen und unzulässigen) Beispielen polizeilicher „Sicherstellung von Kraftfahrzeugen im Rahmen der Verkehrsüberwachung" Geppert DAR 1988 12 ff.
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Dahs NJW 1968 6 3 3 und Meyer-Goßner Rdn. 16 zu § l i l a StPO. OLG Köln NJW 1968 6 6 6 (zur früheren Gesetzeslage). KG VRS 4 2 (1972) 210; ebenso Müller KMR Rdn. 12 f und Meyer-Goßner Rdn. 14: je zu § 98 StPO. Etwas strenger G. Schäfer LR Rdn. 46 (Unwirksamkeit der Beschlagnahme nur bei „außergewöhnlicher" Fristüberschreitung).
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
zunächst mit der formlosen Sicherstellung des Führerscheins einverstanden war und diesen freiwillig herausgegeben hat. 817 Zuständig ist auch hier das Gericht, das nach dem Stand des Verfahrens die Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen hat (dazu bereits Rdn. 147 ff). 818 Kommt es auf einem dieser Wege zur richterlichen Entscheidung über die Beschlagnähme, tritt an die Stelle der im Beschlagnahmeverfahren erforderlichen richterlichen Bestätigung die Entscheidung des Gerichts über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ l i l a Abs. 4 StPO). Der Beschluss nach § l i l a Abs. 1 wirkt wiederum ohne besonderen Ausspruch als Bestätigung oder Aufhebung der vorangegangenen Beschlagnahme; ebenso wie in Abs. 3 (dazu schon Rdn. 158) stellt das Gesetz auf diese Weise eine einheitliche Beurteilung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis und der zu ihrer Sicherung erlaubten Beschlagnahme des Führerscheins sicher.
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d) Rückgabe des Führerscheins. An dieser Koppelung hält das Gesetz auch für den Fall der nach § 94 Abs. 3 StPO getroffenen Eilmaßnahmen fest. Daher ist ein zur Sicherung der Einziehung (bei freiwilliger Herausgabe: durch Sicherstellung, andernfalls durch Beschlagnahme) in amtliche Verwahrung genommener Führerschein dem Beschuldigten zurückzugeben (§ l i l a Abs. 5 S. 1 StPO), wenn das zuständige Gericht die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ablehnt oder nach § l i l a Abs. 2 nachträglich aufhebt (dazu bereits Rdn. 140 ff) oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis endgültig nicht entzieht. Ungeachtet insoweit missglückter Gesetzesfassung819 ist anerkannt, dass die Rückgabepflicht des § l i l a Abs. 5 S. 1 StPO nur Fahrausweise erfasst, die von einer deutschen Behörde ausgestellt, der Verfügungsgewalt des Berechtigten zur Sicherung möglicher Einziehung entzogen und (gleichgültig, ob nach freiwilliger Herausgabe oder durch Beschlagnahme) in amtliche Verwahrung genommen wurden. Wie bereits erläutert (Rdn. 130), wird § l i l a Abs. 5 S. 1 nur anwendbar, wenn die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis „wegen Fehlens der in (§ l i l a ) Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen", d.h. aus Sachgründen abgelehnt wurde, nicht aber bei freiwilliger Herausgabe des Führerscheins zur Abwendung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis. In allen diesen Fällen enthält die Aufhebung des vorläufigen Fahrerlaubnisentzugs zugleich die Aufhebung der Beschlagnahme (Umkehrschluss aus § l i l a Abs. 3); eines besonderen Ausspruchs bedarf es nicht. Zur Beschlagnahme des Führerscheins und zu Ausstellung und Rückgabe eines Ersatzführerscheins im Fall von § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO s. bereits Rdn. 133.
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Die Rückgabe ist kein förmlicher Vollstreckungsakt; somit ist § 36 Abs. 2 S. 1 StPO nicht anwendbar. 820 Bis zu Anklageerhebung bzw. Strafbefehlsantrag ist die Staatsanwaltschaft zuständig, danach das nach Stand des Verfahrens mit der Hauptsache befasste Gericht; nach Rechtskraft der Entscheidung wird wiederum die Staatsanwaltschaft zuständig. Die Rückgabe des Führerscheins darf durch ein zu Ungunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel nicht verzögert werden. 821 Ist der Führerschein beschlagnahmt worden, eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis jedoch nicht erfolgt und gegen das die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis anordnende Urteil zugunsten des Angeklagten Revision eingelegt worden, ist die Beschlagnahme (durch das Revisionsgericht) aufzuheben, wenn zur Zeit der revisionsgerichtlichen Entscheidung die Zeit verstrichen
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So offenbar auch BGH NJW 1956 1806; vgl. auch Müller KMR § l i l a StPO Rdn. 30. Vgl. auch Nack KK S l i l a StPO Rdn. 16. Dazu G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 74.
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Meyer-Goßner § l i l a StPO Rdn. 17. Ebenso G. Schäfer LR Rdn. 78 und Müller KMR Rdn. 33: je zu § l i l a StPO.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ist, die der Sperrfrist des angefochtenen Urteils entspricht, und Anhaltspunkte dafür fehlen, dass im Fall der Aufhebung und Zurückverweisung nochmals auf die Mindestfrist der Sperre erkannt wird 822 (zur Begründung s. schon Rdn. 157). Eine erneute Beschlagnahme kommt nur bei neuer Sachlage in Betracht; 823 auf die Ausführungen in Rdn. 151 ff wird verwiesen. 168
Sofern das Gericht der Hauptsache die Entziehung der Fahrerlaubnis endgültig ablehnt und stattdessen nur ein Fahrverbot ( § 4 4 ) verhängt, kann die Rückgabe des Führerscheins aufgeschoben werden, sofern der Betroffene nicht widerspricht (Satz 2 von § l i l a Abs. 5 StPO). Damit soll vermieden werden, dass der Führerschein bis zur Rechtskraft des Fahrverbotes dem Berechtigten zunächst zurückgegeben werden muss, nur um ihn (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist oder nach allseitigem Rechtsmittelverzicht) nach § 44 Abs. 2 S. 2 alsbald doch wieder in amtliche Verwahrung nehmen zu müssen (dazu schon Rdn. 54 ff zu § 44). Ein Nachteil für den Verurteilten entsteht daraus nicht; denn die Zeit der amtlichen Verwahrung bis zur Rechtskraft der Entscheidung wird unverkürzt auf das Fahrverbot angerechnet (§ 450 Abs. 2 StPO). 824 Die Rückgabepflicht entfällt auch dann, wenn die das Fahrverbot anordnende Entscheidung sofort rechtskräftig wird und der Führerschein nach § 44 Abs. 2 S. 2 StGB amtlich zu verwahren ist. 825 8. Ausländische Fahrausweise (Abs. 6)
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a) Auch ausländische Fahrberechtigungen können vorläufig entzogen werden (Umkehrschluss aus § l i l a Abs. 3 S. 2 und Abs. 6 S. 1 StPO). DDR-Führerscheine sind durch den Einigungsvertrag jedoch inländischen Führerscheinen gleichgestellt (dazu schon Rdn. 84 zu § 44). Seit die (endgültige) Entziehung der Fahrerlaubnis auch gegenüber Inhabern ausländischer Fahrberechtigungen nicht mehr davon abhängig ist, dass die Anlasstat gegen Verkehrsvorschriften verstößt, ist eine solche Einschränkung folgerichtig auch im Verfahren nach § l i l a StPO entfallen. Im Übrigen ist bei ausländischen Fahrberechtigungen zu unterscheiden: (1) Handelt es sich um einen EU- oder einen EWRFührerschein und hat der Beschuldigte seinen ordentlichen Wohnsitz 826 im Inland, wirkt die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ausweislich von § l i l a Abs. 3 S. 2 StPO wie bei deutschen Führerscheinen, d.h. zugleich als Anordnung oder Bestätigung der Beschlagnahme. Auf die dortigen Ausführungen kann verwiesen werden (Rdn. 158 ff).
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(2) In allen anderen Fällen (d.h. bei Führerscheinen aus der EU oder dem EWKRaum, deren Inhaber ihren ordentlichen Wohnsitz nicht im Inland haben, oder bei Führerscheinen aus einem Drittstaat) hat die Beschlagnahme des außerdeutschen Fahrausweises nur die in § 69b Abs. 1 geregelte beschränkte Wirkung. Weil solche Fahrausweise nicht eingezogen werden können (Umkehrschluss aus § § 6 9 Abs. 3 S. 2 und 69b Abs. 2 S. 2), hat die vorläufige Entziehung insoweit also nur die Wirkung eines auf das Inland beschränkten Fahrverbotes; der Inhaber dieses Führerscheins verliert demzufolge nur das
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OLG Köln VRS 5 9 (1980) 43; zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 899. Vgl. auch Müller KMR Rdn. 33 und 17 sowie G. Schäfer LR Rdn. 78 und 19: je zu § l i l a StPO. Zur amtl. Begründung durch das 2. StraßenVSichG s. Hentschel/König § l i l a
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StPO Rdn. 14; vgl. auch Warda MDR 1965 1 ff. Ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 878 und Warda MDR 1965 2. Dazu §§ 2 Abs. 2 Nr. 1 StVG und 7 Abs. 1 FeV.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
Recht, von der Fahrberechtigung im Inland Gebrauch zu machen (dazu schon Rdn. 41 zu § 44). Zuständig bleibt das Gericht, das bei einer deutschen Fahrberechtigung die Entscheidung nach § l l l a Abs. 1 StPO zu treffen hätte. Wer überhaupt keinen Führerschein besitzt oder nur einen EU-/EWR-Führerschein, doch die Voraussetzungen des § 4 IntVO nicht (mehr) erfüllt, besitzt überhaupt keine im Inland gültige Fahrerlaubnis (mehr); da aber mit der Unmöglichkeit einer endgültigen Entziehung zwangsläufig auch eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ausscheidet, kommt in diesem Fall nur eine isolierte Sperre in Betracht (§ 69a Abs. 1 S. 3 StGB). 8 2 7 b) In den in Rdn. 170 genannten Fällen wird die Maßnahme dadurch vollzogen, dass sie in dem ausländischen Fahrausweis vermerkt wird (Satz 1 von § l i l a Abs. 6 StPO); zur entsprechenden Regelung beim endgültigen Entzug der Fahrerlaubnis s. § 69b Abs. 2 S. 2 sowie § 4 4 Abs. 2 S. 4 beim Fahrverbot (dazu bereits Rdn. 88 f zu § 44). Die Eintragung des Vermerks ist Vollstreckungshandlung und als solche von der Staatsanwaltschaft zu veranlassen (§ 36 Abs. 2 StPO). 8 2 8 Zu Besonderheiten der Durchsetzung und zu denkbaren technischen Schwierigkeiten bei Anbringung des Vermerks s. die Erläuterungen zu § 4 4 (dort Rdn. 88). Da § 94 Abs. 3 StPO nur die Beschlagnahme von Führerscheinen erlaubt, die der Einziehung unterliegen, und diese Möglichkeit bei anderen als in § l i l a Abs. 3 S. 2 StPO genannten ausländischen Führerscheinen nicht gegeben ist, 8 2 9 wäre eine Beschlagnahme des außerdeutschen Führerscheins ohne eine Vorschrift wie diejenige des Satzes 2 von § l i l a Abs. 6 StPO, wonach eine Beschlagnahme des ausländischen Führerscheins bis zur Eintragung des Vermerks (doch nur zu diesem Zweck und nicht darüber hinaus: vgl. auch § 4 6 3 b Abs. 2 StPO) erlaubt wird, rechtlich nicht möglich. Bei „Gefahr im Verzug" kann die Beschlagnahme notfalls auch durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen angeordnet werden (§ l i l a Abs. 6 S. 2 mit Verweis auf § § 9 4 Abs. 3 und 98 StPO); in diesem Fall ist unverzüglich die richterliche Bestätigung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis einzuholen. 8 3 0 War der Führerschein nicht beschlagnahmt, muss die richterliche Entscheidung zusätzlich auch die Beschlagnahme des Führerscheins zwecks Eintragung des Vermerks bestätigen; denn die Fiktion des § l i l a Abs. 3 StPO bezieht sich nur auf die dort genannten Führerscheine.
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c) Für die Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gelten keine Besonderheiten; auf die Ausführungen in den vorangegangenen Rdn. 140 ff kann Bezug genommen werden. An die Stelle der Rückgabe des Führerscheins tritt bei Inhabern außerdeutscher Fahrausweise die Tilgung des Vermerks; somit ist die Eintragung (unverzüglich) zu löschen, wenn ein deutscher oder ein EU- bzw. ein EWR-Führerschein dem Berechtigten nach Maßgabe von § l i l a Abs. 5 S. 1 StPO zurückgegeben werden müsste; auf die Rdn. 166 ff wird verwiesen. 831
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Ebenso Hentschel/König § l i l a StPO Rdn. 15; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 879 und 828 (dort gegen BGHSt 4 4 194 ff). G. Schäfer LR Rdn. 80 und Nack KK Rdn. 2 0 : je zu § l i l a StPO. Verfehlt insoweit LG München II DAR 1997 80 (berechtigte Kritik bei Ludovisy aaO).
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Hierzu und zum Folgenden vor allem G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 82 ff. Vgl. auch G. Schäfer L R Rdn. 85, Nack KK Rdn. 19 und Rudolphi SK/StPO Rdn. 3 3 je zu § l i l a StPO - sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 879.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
9. Anfechtung richterlicher Entscheidungen 173
a) Richterliche Entscheidungen nach § l i l a StPO sind grundsätzlich in jeder Lage des Verfahrens (zu möglichen Ausnahmen nachfolgend vor allem Rdn. 174) mit der einfachen Beschwerde (§ 304 StPO) anfechtbar.832 Nach §§ 304 Abs. 1 und 305 S. 2 StPO gilt dies nicht nur für die Entscheidungen des Amtsgerichts im Vorverfahren (§ 162 Abs. 1 S. 1 StPO) und als erstinstanzliches Gericht sowie für die Entscheidungen des Landgerichts im ersten oder zweiten Rechtszug, sondern ausweislich von § 304 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 und Abs. 5 StPO auch für Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichtes sowie für Entscheidungen des erstinstanzlich tätigen Oberlandesgerichts: letzteres deshalb, weil dem vorläufigen Fahrerlaubnisentzug wegen der ihm durch § l i l a Abs. 3 gesetzlich zugewiesenen Wirkung (dazu schon Rdn. 158) die rechtliche Qualität einer Beschlagnahme zukommt.833 Ausgeschlossen ist eine Beschwerde demzufolge, wenn das erstinstanzlich tätige OLG oder der Ermittlungsrichter bei BGH oder OLG die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung gegenüber einem Täter mit außerdeutschem Fahrausweis angeordnet hat; da diesem gegenüber die Fiktion des § l i l a Abs. 3 nicht gilt, ist allenfalls die nach § l i l a Abs. 6 besonders anzuordnende Beschlagnahme anfechtbar. 834 Ausweislich von § 304 Abs. 4 S. 2 StPO ausgeschlossen ist die Beschwerde ferner, wenn der angefochtene Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis von einem Strafsenat als Rechtsmittelgericht erlassen worden ist. 835 Zu der noch immer umstrittenen Frage, ob der Verurteilte die Aufhebung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auch noch während eines laufenden Revisionsverfahrens durch Anfechtung mit der Beschwerde erreichen kann, s. bereits Rdn. 156: 8 3 6 Nach dort befürworteter vermittelnder Position ist neben der Revision nur eine eingeschränkte Anfechtung des vorläufigen Fahrerlaubnisentzugs durch Beschwerde zulässig; denn damit während eines laufenden Revisionsverfahrens in einem parallelen Beschwerdeverfahren dem Beschwerdegericht jedenfalls die Nachprüfung der Ungeeignetheit entzogen bleibt, beschränkt sich die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts auf die „eingeschränkte Kontrolle der rechtlichen Voraussetzungen des § 69 StGB auf der Grundlage der vom Tatrichter getroffenen Feststellungen". 837 Eine tatrichterliche Prüfung der Erforderlichkeit („Ungeeignetheit") der vorläufigen Maßnahme soll im Revisionsrechtszug somit nicht mehr stattfinden.
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b) Eine weitere Beschwerde ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 310 Abs. 2 StPO). Somit ist eine Entscheidung des Landgerichts als Beschwerdegericht nicht nochmals beschwerdefähig und eine weitere Anfechtung damit ausgeschlossen, wenn die angefochtene Ent-
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Zur nachträglichen richterlichen Kontrolle erledigter staatsanwaltschaftlicher oder polizeilicher Maßnahme s. die einschlägigen Erläuterungen zu § 98 StPO. Vgl. G. Schäfer LR Rdn. 87 und MeyerGoßner Rdn. 19: je zu § l i l a StPO. Vgl. G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 87. Wie bereits erläutert (obige Rdn. 158), kann die im Beschluss nach § l i l a Abs. 1 StPO enthaltene Beschlagnahmeanordnung nur zusammen mit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis angefochten werden. Analog § 126 Abs. 3 StPO hebt der Senat in
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diesem Fall zusammen mit dem Urteil auch den Beschluss nach § l i l a auf; vgl. G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 83. Ausführlich dazu (mit je unterschiedlichen Rechtspositionen) Werner Schmid Blutalkohol 1996 3 5 7 ff (für eine gleichzeitige Zulässigkeit von Revision und Beschwerde) sowie Cierniak N Z V 1999 3 2 4 ff (für die grundsätzliche Unzulässigkeit der Beschwerde). OLG Köln VRS 93 (1997) 3 4 9 ; auf gleicher Linie OLG Karlsruhe VRS 9 6 (1999) 2 0 6 und KG VRS 100 (2001) 443.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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Scheidung ihrerseits auf eine Beschwerde hin ergangen ist: dies jedenfalls, solange die Akten dem Landgericht nach § 321 S. 2 StPO noch nicht zur Berufung vorgelegt sind. Wie bereits ausgeführt (Rdn. 150), entscheidet die Strafkammer nach hier vertretener (doch nicht unbestrittener) Ansicht nach Aktenvorlage jedoch selbst dann als mit der Hauptsache befasstes, d.h. als Berufungsgericht, wenn es an sich als Beschwerdegericht tätig werden wollte; in diesem Fall wird seine Entscheidung (nach §§ 3 0 4 und 3 0 5 S. 2 StPO) wiederum beschwerdefähig. Ein Antrag, nach welchem die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben und der Führerschein herausgegeben werden soll, kann entweder als Aufhebungsantrag an das Amtsgericht oder als Beschwerde zum Landgericht erscheinen. Wird jedoch in der Begründung des Begehrens klargestellt, dass keine Beschwerde, sondern ein selbstständiger Aufhebungsantrag nach § l i l a Abs. 2 StPO gemeint sei, wird eine ßrsientscheidung begehrt, die wiederum beschwerdefähig ist; in diesem Fall kommt § 310 Abs. 2 StPO nicht zur Anwendung. 838 Auch eine an sich unzulässige weitere Beschwerde ist, wenn vor der Entscheidung hierüber ein Zuständigkeitswechsel eintritt, von dem nunmehr zuständigen Gericht als - jederzeit zulässiger Antrag auf Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlauibnis zu behandeln; dies gilt nicht nur in den Fällen des Zuständigkeitswechsels von einem anderen Gericht, sondern auch dann, wenn bei demselben Gericht sich die Zuständigkeit lediglich vom Ermittlungs- zum Strafrichter verschiebt. 839 c) Besonderheiten des Beschwerdeverfahrens. Im Umfang seiner Beschwer beschwerdeberechtigt ist der Beschuldigte selbst sowie die Staatsanwaltschaft, sofern ihr Antrag auf Anordnung der vorläufigen Maßnahme abgelehnt oder nach § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO nur beschränkt bestätigt worden ist. Kein Beschwerderecht steht dem Nebenkläger zu, da die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ausschließlich dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Kraftfahrern und nicht den Individualinteressen des Nebenklägers dient. 8 4 0 Das Beschwerdegericht muss in der Sache selbst entscheiden (§ 309 Abs. 2 StPO) und darf die Sache nicht (etwa wegen mangelhafter Begründung des angefochtenen Beschlusses 841 ) an das Gericht zurückverweisen, dessen Beschluss angefochten wird. 8 4 2 Durch Einlegung der Beschwerde wird der Vollzug der Maßnahme nicht gehemmt (§ 3 0 7 Abs. 1 StPO). 8 4 3 Ob kraft ausdrücklicher Anordnung des zuständigen Gerichts nach § 307 Abs. 2 StPO eine Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung möglich ist, 8 4 4 wird unterschiedlich beurteilt. Nach Ansicht insbesondere des LG K ö l n 8 4 5 wird dies wegen des Sicherungscharakters der Maßnahme und nicht zuletzt deshalb zu Recht generell ausgeschlossen, weil die Wirkung der gerichtlichen Entscheidung kraft Gesetzes eintrete und somit keiner besonderen „Vollziehung" bedürfe.
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OLG Braunschweig N Z V 1996 122. OLG Düsseldorf VRS 9 9 (2000) 2 0 3 = DAR 2001 375. Ebenso G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 89 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 881. BGH NJW 1964 2119; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 8 8 0 und G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 91. OLG Karlsruhe VRS 68 (1985) 360; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 880. Zur Abwendung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gegen Sicherheitsleistung (nach dem Vorbild des § 116 StPO) de lege
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ferenda Linß Vorl. Entziehung der Fahrerlaubnis, S. 145 ff. So auch für § llla-Beschlüsse nachdrücklich Dencker ZfS 1984 2 9 (Parallele zu § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO); differenzierend D. Meyer ZfS 1984 3 0 und ihm folgend Hentschel DAR 1988 92 und Müller K M R S l i l a StPO Rdn. 21. ZfS 1984 2 9 und ZfS 1986 124; ebenso G. Schäfer LR § l i l a StPO Rdn. 90 (mit Hinweis auf den Sicherungscharakter der Maßnahme).
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Dies ist jedenfalls dann richtig, wenn über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis im Wege der richterlichen Bestätigung der vorangegangenen Beschlagnahme entschieden wird (Konstellation von § l i l a Abs. 4 StPO); hier würde sich an der bereits erfolgten Beschlagnahme ohnehin nichts ändern. 846 Anders liegt der Fall, wenn der Führerschein noch nicht beschlagnahmt worden ist und der Beschluss nach § l i l a Abs. 1 (auch) zur Anordnung der Beschlagnahme dient (Konstellation von § l i l a Abs. 3); hier kann es sinnvoll sein, die aufschiebende Wirkung der Entscheidung anzuordnen, was den Vollzug der nach § l i l a Abs. 3 fingierten Beschlagnahmeanordnung und damit die Strafbarkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG bis zur Entscheidung über die Beschwerde hinausschiebt. 847 10. Sonstiges 176
a) Anrechnung vorläufiger Maßnahmen. Kommt es nicht zu einer endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern nur zu einem Fahrverbot (§ 44), ist die Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis und der ihr gleichgestellten (bei freiwilliger Herausgabe: durch Sicherstellung, andernfalls durch Beschlagnahme erfolgten) amtlichen Verwahrung des Führerscheins zur Sicherung der Einziehung auf die Dauer des Fahrverbotes (§ 44) anzurechnen (§§ 51 Abs. 5 S. 1 und 2 i.V. mit Abs. 1 S. 1). Von der Ausnahme des § 51 Abs. 1 S. 2 abgesehen (dazu schon Rdn. 75 zu § 44), steht die Anrechnung nicht im Ermessen des Gerichts. Sie ist auch nicht auf die Entziehung einer (anderen als in § l i l a Abs. 3 S. 2 genannten) ausländischen Fahrerlaubnis 848 zu erstrecken, auch wenn diese nach § 69b Abs. 1 nur die Wirkung eines Fahrverbotes hat; 8 4 9 dazu schon obige Rdn. 170 sowie Rdn. 66 ff zu § 44. Auf die Sperre einer endgültig entzogenen Fahrerlaubnis wird die Dauer einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung im Übrigen nicht „angerechnet", sondern ausweislich von § 69a Abs. 5 S. 2 lediglich in die Sperre „eingerechnet", d.h. von ihr abgezogen, soweit sie nach Verkündung des letzten tatrichterlichen Urteils oder zwischen der Entscheidung und ihrer Rechtskraft verstrichen ist (dazu nachfolgend Rdn. 71 ff zu § 69a). In allen anderen Fällen kann die bisherige Zeit einer vorläufigen Führerscheinmaßnahme im Hinblick auf ihre Denkzettelwirkung nur diagnostisch-prognostisch berücksichtigt werden: so vor allem bei Beurteilung der Frage, ob der Beschuldigte im Augenblick der letzten tatrichterlichen Entscheidung noch „ungeeignet" ist (dazu schon Rdn. 94 ff), darüber hinaus aber auch bei Bemessung der Sperrfrist (dazu Rdn. 45 ff zu § 69a) sowie unter den Voraussetzungen des § 69a Abs. 7 im Wege nachträglicher Sperrfristverkürzung (dazu Rdn. 83 ff zu § 69a).
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b) Als Strafverfolgungsmaßnahme fällt die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (Gleiches gilt für die Beschlagnahme des Führerscheins zur Sicherung seiner Einziehung) trotz ihres präventiven Charakters unter das Verfolgungsverbot des Art. 4 6 Abs. 2 bis 4 GG und der entsprechenden Vorschriften der Länderverfassungen. 850 Danach setzen diese Maßnahmen bei Abgeordneten die Aufhebung ihrer Immunität selbst dann voraus,
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So auch ausdrücklich Hentschel Trunkenheit Rdn. 883. Ausführlich dazu D. Meyer ZfS 1984 30; ihm folgend Hentschel DAR 1988 92 sowie Müller KMR § l i l a StPO Rdn. 21. Gemeint sind damit EU-/EWR-Führerscheine, deren Inhaber keinen ordentlichen Wohnsitz im Inland haben, oder Führerscheine aus Drittstaaten.
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LG Köln nach Janiszewski NStZ 1982 107. Gegenteiliger Ansicht jedenfalls für die Rechtslage vor Inkrafttreten der Nr. 192a RiStBV („vereinfachte Handhabung: Allgemeine Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsverfahren" gegen Abgeordnete) Nau NJW 1958 1668; dagegen schon damals Reh NJW 1959 86 und Cloppenburg MDR 1961 826.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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wenn der Abgeordnete „bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen" wird (Art. 46 Abs. 2 GG); denn als Flagranz-,,Festnahme" in diesem Sinn sind wohl nicht alle freiheitsentziehenden/-beschränkenden Maßnahmen strafprozessualer Art zu verstehen,851 sondern nur Festnahmen im engen Sinn der §§ 112 ff und 127 StPO. 8 5 2 Die verfassungsrechtliche Streitfrage hat jedoch kaum praktische Bedeutung; denn die allgemeine Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete, wie sie der Deutsche Bundestag und die gesetzgebenden Körperschaften der Länder (mit Ausnahme von Ermittlungen wegen Beleidigungen politischen Charakters) zu Beginn einer Wahlperiode im Voraus zu erteilen pflegen, umfasst nach Nr. 192a Abs. 2 Nr. e S. 2 RiStBV ausdrücklich auch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und somit wohl auch (argumentum a maiore ad minus) die zu ihrer Sicherung gedachte Beschlagnahme.853 Die Immunität der Mitglieder des Europäischen Parlaments bestimmt sich ausweislich von § 5 des Europaabgeordnetengesetzes (EuAbgG) 854 nach Art. 9 und 10 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften; 855 danach steht den Europaabgeordneten im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die Immunität in dem Umfang zu, den der Staat seinen eigenen Parlamentariern zuspricht (Art. 10 S. 1 Nr. a). Bei „Ergreifung auf frischer Tat", wie dies bei Beschlagnahme des Führerscheins zur Sicherung späterer Fahrerlaubnisentziehung häufig vorkommen dürfte, kann die Unverletzlichkeit jedoch nicht geltend gemacht werden (Art. 10 S. 3). Mitglieder des Europ. Parlaments, die zugleich Mitglieder des Deutschen Bundestages sind, verlieren ihre Immunität nur, soweit das Europäische Parlament und der Deutsche Bundestag die Immunität aufheben. 856 Bei diplomatisch oder konsularisch bevorrechtigten Personen entscheidet sich nach § § 1 8 bis 20 GVG und den dort genannten internationalen Übereinkommen, wann ihnen gegenüber die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. die Beschlagnahme des Führerscheins möglich ist (s. diesbezüglich auch die Nrn. 193 bis 200 RiStBV zur „Behandlung der von der deutschen Gerichtsbarkeit befreiten Personen"). Für Mitglieder der in der Bundesrepublik stationierten Nato-Truppen einschließlich ihres zivilen Gefolges und ihrer Angehörigen enthält Art. 9 Abs. 6b des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut 8 5 7 eine Sonderregelung. Soweit diese eingreift, bleiben die Vorschriften des deutschen Strafrechts über die Entziehung der Fahrerlaubnis auf die nach Art. 9 Abs. 2 und 3 des Zusatzabkommens ausgestellten Nato-Sonderführerscheine anwendbar; entsprechend Gleiches (argumentum a maiore ad minus) gilt für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins. Da es sich bei den genannten Zusatzbescheinigungen um ausländische Fahrausweise handelt, ist auch bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis eine amtliche Inverwahrungnahme ausgeschlossen; die
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So aber (je zur Blutentnahme nach § 81a StPO) OLG Bremen N J W 1966 743 und OLG Oldenburg N J W 1966 1764: beide mit dem Hinweis, dass daraufhin auch das weitere Verfahren genehmigungsfrei sei. Wie hier G. Schäfer LR Rdn. 100 und Meyer-Goßner Rdn. 2 0 : je zu § l i l a StPO; so offenbar auch Maunz in Maunz/Dürig/ Herzog, Fn. 1 bei Art. 4 6 GG Rdn. 53. Ebenso G. Schäfer LR Rdn. 100, Rudolphi SK/StPO Rdn. 37 und Meyer-Goßner Rdn. 20: je zu § l i l a StPO. Vom 6. April 1979 (BGBl. I 413).
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Vom 8. April 1965 (BGBl. II 1453 und 1482). Zur Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Europ. Parlaments s. auch Nr. 192b RiStBV. Diesbezüglich ist zu beachten, dass das Europ. Parlament eine allgemeine Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen eigene Mitglieder (bisher) nicht erteilt hat (Nr. 192b Abs. 2 RiStBV). Vom 18. August 1961 (BGBl. II 1 1 8 3 , 1 1 9 0 und 1218).
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(vorläufige) Entziehung ist auf dem (dem Inhaber zu belassenden) Führerschein zu vermerken (Art. 9 Abs. 6b S. 2 des Zusatzabkommens). Entsprechend Gleiches gilt nach Maßgabe des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs vom 12. Oktober 1990 (BGBl. II 1256) auch für die Mitglieder der (ehemals) sowjetischen Truppen. 858 Art. 18 Abs. 1 dieses Vertrages unterwirft auch strafbare Handlungen (und Ordnungswidrigkeiten), die von (militärischen wie zivilen) Mitgliedern der ehemals sowjetischen Truppen oder deren Familienangehörigen auf dem Gebiet der Bundesrepublik begangen werden, der deutschen Gerichtsbarkeit; da Art. 11 Abs. 4 S. 3 darüber hinaus die Vorschriften des deutschen Rechts über die Entziehung der Fahrerlaubnis „uneingeschränkt" auch für das Führen dienstlicher und privater Kraftfahrzeuge durch Mitglieder der sowjetischen Truppen und deren Familienangehörigen für anwendbar erklärt, sind auch die §§ l i l a und 94 Abs. 3 StPO anwendbar.859 Nach Satz 4 von Art. 11 Abs. 4 wird der Entzug der dienstlichen und privaten Fahrerlaubnis (auf Antrag der deutschen Behörden) durch die militärische Kraftfahrzeuginspektion (Feldjäger) der ehemals sowjetischen Truppen vorgenommen. Da es sich um einen außerdeutschen Führerschein handelt, wird die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis durch Eintragung eines Vermerks vollzogen (§ l i l a Abs. 6 S. 1 StPO). Bis zur Eintragung des Vermerks kann der Führerschein beschlagnahmt werden (Satz 2); die Beschlagnahme (auf Antrag der deutschen Behörden) durchzuführen ist der militärischen Kraftfahrzeuginspektion der ehemals sowjetischen Truppen vorbehalten (Art. 11 Abs. 4 S. 4 des sog. Aufenthaltsvertrages). Durch das Gesetz über die Rechtsstellung ausländischer Streitkräfte bei vorübergehenden Aufenthalten in der Bundesrepublik Deutschland vom 20. Juli 1995 8 6 0 (Streitkräfteaufenthaltsgesetz) wird die Bundesregierung ermächtigt, mit dem in Art. 2 des Gesetzes geregelten Inhalt Vereinbarungen mit ausländischen Staaten über die Regelungen des Aufenthaltes ihrer Streitkräfte auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zu treffen. Ausweislich von Art. 2 dieses Gesetzes sollen gemäß dessen § 13 Abs. 1 S. 1 auch Fahrberechtigungen ausländischer Streitkräfte, die von einer Behörde des ausländischen Staates zum Führen dienstlicher Land-, Wasseroder Luftfahrzeuge erteilt worden sind, auch zum Führen solcher Fahrzeuge im Bundesgebiet berechtigen. Derartige Vereinbarungen wurden bislang nur mit EU-Mitgliedsstaaten getroffen: so etwa zur Beteiligung spanischer Streitkräfte an den auf Bundesgebiet stattfindenden Übungen „Pegasus 9 6 " (VO der Bundesregierung vom 30.5.1996: BGBl. II 858 f) und „Pegasus 9 8 " (VO der Bundesregierung vom 29.5.1998: BGBl. II 993 f).
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Trotz Auflösung der Union der Sozialistischer Sowjetrepubliken (UdSSR) gilt der Vertrag durch die sog. Alma-Ata-Deklaration der Staatschefs aller damaligen Sowjetrepubliken vom 21. Dezember 1991 (zitiert nach Bundesgesetzblatt II, Fundstellennachweis B, ausgegeben am 2. Februar 2007: dort S. 165) fort, da die Mitglieder der Gemeinschaft „gemäß ihren verfassungsmäßigen Vorschriften die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen und Vereinbarungen der
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früheren UdSSR ergeben", übernommen haben. S. dafür beispielhaft für Armenien die Bekanntmachung vom 18.1.1993 (BGBl. II 169), für Kasachstan vom 19.10.1992 (BGBl. II 1120), für Kirgistan vom 14.8.1992 (BGBl. II 1015) und für die Russische Föderation die Bekanntmachung vom 14.8.1992 (BGBl. II 1016). Ebenso Schulz HK-StVR § l i l a StPO Rdn. 18. BGBl. II 554.
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c) Die gerichtliche Entscheidung, mit der die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet bzw. aufgehoben wird, bedarf keiner Kosten- und Auslagenentscheidung. 861 Dies folgt aus § 4 6 4 Abs. 1 und 2 StPO, wonach nur rechtszugbeendende Entscheidungen mit einer Kosten- und Auslagenentscheidung zu versehen sind; 8 6 2 dazu gehören Maßnahmen nach § l i l a StPO nicht, da sie das Ermittlungsverfahren gerade nicht abschließen, sondern endgültig erst durch Urteil/Strafbefehl oder aber durch instanzbeendenden Einstellungsbeschluss entschieden werden.
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Anders ist die Rechtslage im Beschwerdeverfahren. 863 Dass auch in diesen Fällen (jedenfalls) über die Gerichtskosten zu entscheiden ist, entspricht allgemeiner Ansicht, handelt es sich insoweit doch um ein in sich abgeschlossenes und vom Ergebnis des Hauptverfahrens unabhängiges Zwischenverfahren (§ 4 6 4 Abs. 1 StPO). 8 6 4 Angesichts der etwas engeren Formulierung in Abs. 2 dieser Vorschrift („Beschluss, der das Verfahren abschließt") ist umstritten, ob insoweit auch eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen zu treffen ist; bei erfolgreicher Beschwerde wäre dann § 4 6 7 StPO entsprechend anzuwenden: Eine Minderansicht lehnt dies ab, da die Beschwerdeentscheidung den Entzug der Fahrerlaubnis nicht endgültig regele, sondern lediglich die Sicherungswirkung der vorläufigen Anordnung unterbreche und man demzufolge nicht von einem vom Ausgang des Hauptverfahrens unabhängigen Zwischenverfahren sprechen sprechen könne. 8 6 5 Demgegenüber ist im Interesse des mit der Beschwerde erfolgreichen Beschuldigten mit der inzwischen wohl h.M. von der Notwendigkeit auch einer Auslagenentscheidung auszugehen. 866 Das Beschwerdeverfahren ist ein in sich abgeschlossenes Zwischenverfahren, dessen Kosten- und Auslagenentscheidung vom späteren Ausgang des Hauptverfahrens grundsätzlich unabhängig und insoweit auch endgültig ist, so dass auch die gesetzliche Konzeption einer notwendig einheitlichen Kostenentscheidung nicht beeinträchtigt wird. Zu Recht ist demzufolge schon das LG Hamburg (NJW 1973 719) in einem Fall, in dem das Amtsgericht die von ihm angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auf Beschwerde des Beschuldigten aufgehoben hat und das Verfahren daraufhin noch vor Erhebung der öffentlichen Klage eingestellt worden ist, von der Notwendigkeit einer Auslagenentscheidung (für die dann § 4 7 3 StPO entsprechend angewendet wurde) ausgegangen. § 4 6 7 a Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, handelt es sich insoweit doch um eine Art von Rechtsmittelveiiahren.867 Hat jedoch kein Rechtsmittelverfahren stattgefunden, sondern ist nur (mit Erfolg) ein Antrag gestellt worden, von
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LG Mönchengladbach JurBüro 1978 1356; ebenso Huber NStZ 1985 18 Fn. 5. Ebenso Stockei KMR Rdn. 15 und Franke KK Rdn. 2: je zu § 4 6 4 StPO. Weiterführend Huber NStZ 1985 18 ff; vgl. auch Hilger LR § 4 7 3 Rdn. 13 ff, Franke KK § 4 6 4 Rdn. 3 sowie (speziell zu § l i l a StPO) Hentschel Trunkenheit Rdn. 884. Mit weiteren Nachweisen Hilger LG § 4 7 3 Rdn. 13 sowie Huber NStZ 1985 19; aA OLG Frankfurt MDR 1982 954. So vor allem OLG Frankfurt MDR 1982 954 und LG Osnabrück JurBüro 1978 1351; ebenso Schulz HK-StVR S l i l a StPO Rdn. 18. Auf dieser Linie auch KG J R 1976 2 9 7 und StV 1985 4 4 9 ; offengelassen bei OLG Hamm NJW 1973 1515.
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So zunächst vor allem LG Hamburg N J W 1973 719 (S 4 7 3 StPO analog), LG Flensburg JurBüro 1977 2 3 0 und LG Mönchengladbach JurBüro 1978 1356; ebenso Hilger LR § 4 7 3 StPO Rdn. 14, Meyer-Goßner Rdn. I I a und Franke KK Rdn. 3 - je zu § 4 6 4 StPO - sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 8 8 4 und Huber NStZ 1985 18 ff. Auf dieser Linie nun auch BayObLG StV 2 0 0 6 6 (zu Beschwerdeentscheidungen im Rahmen einer Pflichtverteidigerbestelltung: dort mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 884.
Klaus Geppert
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
einer Maßnahme nach § l i l a StPO abzusehen (mit der Folge, dass der sichergestellte/ beschlagnahmte Führerschein wieder herausgegeben wurde), liegt nur ein Erfolg im Ermittlungsverfahren vor, für den nach der Konzeption des Gesetzes (§ 467a StPO) notwendige Auslagen nicht gesondert erstattet werden. 868 181
d) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die zur Sicherung der Einziehung erfolgte Beschlagnahme bzw. Sicherstellung des Führerscheins gehören zu den nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3 StrEG entschädigungsfähigen Strafverfolgungsmaßnahmen. Die Entschädigungspflicht kann vor allem dort von großer Bedeutung sein, wo der Betroffene auf die Fahrerlaubnis beruflich angewiesen ist und durch den vorübergehenden Zwangsausschluss aus dem Straßenverkehr (nachweisbaren) besonderen wirtschaftlichen Schaden erlitten hat. Näher dazu nachfolgend Rdn. 186 ff.
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e) Registrierung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist im Verkehrszentralregister des Kraftfahrt-Bundesamtes einzutragen (§ 28 Abs. 3 Nr. 2 StVG) und zu tilgen, sobald der Beschluss nach § l i l a StPO aufgehoben wird (§ 63 Abs. 2 FeV). Wird die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht aufgehoben, sondern durch endgültige Entziehung in der abschließenden Entscheidung bestätigt, erlischt sie ohne besonderen Ausspruch allein mit Rechtskraft der Entscheidung zur Hauptsache (dazu bereits Rdn. 140). Für diesen Fall hat das Gesetz früher vorgeschrieben, mit dem Vermerk über die rechtskräftige (endgültige) Entziehung der Fahrerlaubnis zugleich die Eintragung über die vorläufige Entziehung zu tilgen (so Satz 2 von § 13a Abs. 6 StVZO: inzwischen aufgehoben); daran hat sich auch nach Einführung der diese Vorschrift ersetzenden § § 2 8 und 29 StVG nichts geändert.
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Die im Verkehrszentralregister einzutragenden richterlichen Entscheidungen sind unverzüglich dem Kraftfahrt-Bundesamt mitzuteilen (§ 28 Abs. 4 StVG). Nach Nr. 45 Abs. 1 Nr. 1 MiStra sind die Beschlüsse nach § l i l a StPO zudem der nach § 68 Abs. 1 und 2 StVZO zuständigen Verwaltungsbehörde sowie nach Abs. 3 der für die Wohnung des Beschuldigten zuständigen Polizeidienststelle mitzuteilen, sofern diese die Ermittlungen nicht selbst geführt hat. Ist der Betroffene Inhaber eines Sonderführerscheins (§ 26 FeV), sind die Mitteilungen auch den betreffenden Dienststellen gegenüber zu machen (Nr. 45 Abs. 4 MiStra).
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f) Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Folgen der Nichtbeachtung. Zuwiderhandlungen gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die zu ihrer Sicherung erfolgte Beschlagnahme/Sicherstellung des Führerscheins sind nach § 21 StVG strafbewehrt. So macht sich nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar, wer vorsätzlich (Abs. 1) oder fahrlässig (Nr. 1 von Abs. 2) ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat. 869 In diesem Sinn fehlt die Fahrerlaubnis auch bei ihrer nur „vorläufigen" Entziehung, obgleich sie im Fall des § l i l a StPO an sich bestehen bleibt (Rdn. 138). 870 Wie bei der endgültigen kommt es auch bei der vorläufigen Entziehung
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LG Hamburg NJW 1974 4 6 9 ; zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 885. Die gleiche Strafe trifft nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG denjenigen, der als Halter eines Kraftfahrzeuges anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug ohne die erforderliche Fahrerlaubnis führt.
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OLG Koblenz VRS SO (1976) 34, OLG Karlsruhe VRS S3 (1977) 461, OLG Hamm VRS 5 7 (1979) 125, BayObLG bei Rüth DAR 1966 2 6 2 und LG Braunschweig NJW 1953 1238.
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
nicht darauf an, ob der Führerschein beschlagnahmt/sichergestellt ist oder sich noch im Besitz des Beschuldigten befindet, sofern der gerichtliche Entziehungs-Beschluss dem Beschuldigten nur wirksam bekanntgemacht worden ist. Erforderlich (und ausreichend) ist eine (ggf. sogar formlose) schriftliche Bekanntgabe; die bloß mündliche Mitteilung, etwa durch einen Polizeibeamten, genügt jedoch nicht (auch dazu schon Rdn. 138). § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG ist auch verwirklicht, wenn der Beschuldigte eine Beschränkung nach § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO nicht beachtet hat; im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG muss aber eindeutig erkennbar sein, ob es sich um eine Beschränkung der Fahrerlaubnis im (strengen) Sinn der §§ l i l a Abs. 1 S. 2 StPO und 23 Abs. 2 S. 2 FeV oder nur um eine Auflage nach § 23 Abs. 2 S. 1 FeV handelt; letzterenfalls liegt nur eine Ordnungswidrigkeit vor (§ 75 Nr. 9 FeV). 871 Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG macht sich auch strafbar, wer mehrere (von verschiedenen Behörden zu verschiedenen Zeiten ausgestellte) Führerscheine besitzt, von denen aber nur einer beschlagnahmt worden ist. 872 Ob Fehlvorstellungen des Beschuldigten, auf Grund des noch nicht beschlagnahmten anderen Führerscheins weiterfahren zu dürfen, als Verbots- oder als Tatbestandsirrtum zu behandeln sind, ist Tatfrage. 873 Umso wichtiger ist es, dass der Beschuldigte bei der förmlichen Zustellung des Beschlusses (nach § 35 Abs. 2 StPO zwar nicht geboten, zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten jedoch zu empfehlen) über die strafrechtlichen Folgen der Nichtbeachtung einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis belehrt wird (dazu schon Rdn. 138). Nur nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG (gegenüber § 21 Abs. 1 StVG mit einer geringeren Strafe bedroht) macht sich strafbar, wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Kraftfahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 StPO durch Sicherstellung oder Beschlagnahme in amtliche Verwahrung genommen worden ist. 874 Ungeachtet des insofern zu weiten Gesetzeswortlauts ist damit nur der Fall des Absatzes 3 (von § 94 StPO) gemeint; die amtliche Verwahrung des Führerscheins muss also gerade zur Sicherung der Einziehung erfolgt sein. 875 Andernfalls ist nur von einer Ordnungswidrigkeit wegen Fahrens ohne Mitführen des Führerscheins auszugehen (§§ 4 Abs. 2 S. 2 und 75 Nr. 4 FeV). 876 Sicherstellung und Beschlagnahme setzen die körperliche Wegnahme des Führerscheins voraus; die lediglich mündliche oder schriftliche Anordnung oder auch Mitteilung der erst noch vorzunehmenden Beschlagnahme/Sicherstellung genügt nicht. 877 Auch wer mehrere Führerscheine besitzt, macht sich nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG strafbar, wenn er nach Sicherstellung nur eines Führerscheins mit dem ihm verbliebenen weiterfährt. 878 Die Möglichkeit zur Einziehung des Kraftfahrzeuges, die § 21 Abs. 3 StVG in den Vorsatzfällen des Abs. 1 (unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 74 ff StGB)
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BGHSt 28 72 (zur Vorgängervorschrift § 69a Abs. 1 Nr. 6 StVZO). LG Köln VRS 15 (1958) 115; zustimmend Janiszewski 624. Für einen Verbotsirrtum LG Köln VRS 15 (1958) 115 (im Anschluss an OLG Hamm DAR 1957 25); in dieser Richtung wohl auch BayObLG VM 1975 91 (Fehlvorstellung über eine Betriebserlaubnis nach § 19 Abs. 2 S. 2 StVZO a.F.) und OLG Düsseldorf V M 1976 2 6 sowie Janiszewski 624. Für einen Tatbestandsirrtum jedoch BayObLG NStZ 1982 371. Die gleiche Strafe trifft nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 StVG den Halter eines Kraftfahrzeu-
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ges, der anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, obwohl der Führerschein sichergestellt oder beschlagnahmt worden ist. KG VRS 4 2 (1972) 210 und OLG Karlsruhe VRS 53 (1977) 461. OLG Köln NJW 1968 6 6 6 (mit Anm. Schweichel aaO S. 1486): zur Vorgängervorschrift (SS 4 Abs. 2 S. 2 und 69a Abs. 1 Nr. 5a StVZO a.F.). OLG Schleswig DAR 1968 135 sowie OLG Stuttgart DAR 1 9 6 8 2 4 7 und VRS 7 9 (1990) 303. OLG Köln N Z V 1991 3 6 0 sowie OLG Düsseldorf V M 1972 5 6 .
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§ 69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
zulässt, gilt zwar auch für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, 8 7 9 ist jedoch bei amtlicher Inverwahrungnahme (nur) durch Sicherstellung oder Beschlagnahme ausgeschlossen.
VI. E n t s c h ä d i g u n g n a c h vorläufigen F ü h r e r s c h e i n m a ß n a h m e n Schrifttum Grohmann Zur grob fahrlässigen Verursachung der Sicherstellung des Führerscheins i.S. von § 5 Abs. 2 StrEG, MDR 1976 541; ders. Führerscheinmaßnahmen im Lichte des Strafrechtsentschädigungsgesetzes, Blutalkohol 1985 233; Händel Zur Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Strafverfclgungsmaßnahmen, Blutalkohol 1972 281; ders. Zur Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, Zeitschrift für Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht (VOR) 1973 243; ders. Die Rechtsprechung zum Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, Blutalkohol 1975 238; Hentschel Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot (10. Aufl. 2006), Rdn. 1053 ff; Koch Entschädigung bei unbegründeter Beschlagnahme im Strafverfahren? JR 1959 293; Kurz Die Entschädigungspflicht nach einer erfolgreichen Berufung des Angeklagten, Blutalkohol 1976 250; Loewe Keine Entschädigung bei vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis für den Kfz-Nutzungsentgang als solchen, DAR 1972 272; Dieter Meyer Strafrechtsentschädigung. Kommentar zum Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) mit Erläuterungen der Entschädigung für Verfolgungsmaßnahmen nach dem OWiG und für Freiheitsentzug nach der ERK, (6. Aufl. 2005); ders. Wann ist bei Trunkenheitsfahrten grobe Fahrlässigkeit i.S. von § 5 Abs. 2 StrEG anzunehmen? DAR 1976 67; ders. Zur Frage der Entschädigung, wenn eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis sich durch Zeitablauf erledigt hat, aber unverhältnismäßig lange dauerte (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 StrEG), DAR 1977 68; ders. Ausschluss der Entschädigung nach dem StrEG bei einem Wegfall der Strafbarkeit im Laufe des Verfahrens, MDR 1978 367; ders. Die Regel des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG: Versagen der Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen bei Verschweigen eines wesentlichen entlastenden Umstandes trotz Zumutbarkeit der Offenbarung, DAR 1978 238; ders. Zum Ausschluss der Strafrechtsentschädigung bei Alkohol am Steuer, Blutalkohol 1980 276; ders. Ausschluss und Versagung von Entschädigung nach dem StrEG wegen Aussageverhaltens eines Beschuldigten, MDR 1981 109; ders. Zum Umfang der Entschädigung für vorläufige Führerscheinmaßnahmen (§ 7 StrEG), JurBüro 1990 685; ders. Strafverfolgungsentschädigung für vorläufige Führerscheinmaßnahmen bei einer BÄK von weniger als 0,8 Prozent? DAR 1992 235; Nickel Nutzungsentschädigung bei vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis, DAR 1972 181; Sandherr Der Entschädigungsausschluss bei Trunkenheitsfahrten, insbesondere nach § 5 Abs. 2 StrEG, DAR 2007 420; Schätzler/Kunz Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (Kommentar), 3. Aufl. 2003; Sieg Teilweiser Ausschluss der Entschädigung nach dem StrEG bei leicht fahrlässiger Verursachung von Strafverfolgungsmaßnahmen, DAR 1976 11; ders. Ausschluss und Versagung der Entschädigung wegen Aussageverhaltens eines Beschuldigten, MDR 1980 907. 186
1. Generelle Entschädigungspflicht. War die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden (§ l i l a StPO) und hat der Beschuldigte dadurch einen Vermögensschaden erlitten, ist er aus der Staatskasse zu entschädigen (gesetzlicher Aufopferungsanspruch), wenn er freigesprochen wird oder das zuständige Gericht von der endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen, das Verfahren gegen ihn eingestellt 8 8 0 oder die Eröffnung des
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OLG Hamm NJW 1966 2373. Ausweislich eines Umkehrschlusses aus § 3 StrEG (Billigkeitsentschädigung bei Einstellung nach Ermessen) sind entschädigungspflichtig nur obligatorische Einstellungen
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(z.B. §§ 170 Abs. 2, 206a oder 260 Abs. 3 StPO): gleichgültig, ob aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, sofern nur als endgültig gewollt: näher D. Meyer 28 ff zu § 2 StrEG.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
Hauptverfahrens abgelehnt hat (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 StrEG). Da zu den entschädigungspflichtigen Strafverfolgungsmaßnahmen nach § 2 Abs. 4 Nr. 4 StrEG 881 auch die zur Sicherung der Einziehung erfolgte Sicherstellung/Beschlagnahme eines (inländischen) Führerscheins gehört, 882 kommt eine Entschädigung auch in Betracht, wenn der Beschuldigte den Führerschein zur Vermeidung einer zwangsweisen Sicherstellung freiwillig herausgegeben883 oder der zwangsweisen Sicherstellung nicht widersprochen und auch keine richterliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 StPO begehrt hat. 8 8 4 Voraussetzung einer Entschädigung ist in jedem Fall der Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis; besitzt der Beschuldigte trotz nicht vorhandener Fahrerlaubnis (noch) einen Führerschein, begründet dessen Beschlagnahme oder die in Unkenntnis der fehlenden Fahrerlaubnis angeordnete vorläufige Entziehung keine Entschädigungspflicht.885 Da auch eine ausländische Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden kann (dazu 1 8 7 bereits Rdn. 169), ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auch gegenüber Inhabern eines ausländischen Führerscheins grundsätzlich entschädigungspflichtig. Gleiches gilt für die auf § l i l a Abs. 6 S. 2 StPO gestützte (vorübergehende) Beschlagnahme/ Sicherstellung solcher Fahrausweise zwecks Eintragung eines Vermerkes über den vorläufigen Fahrerlaubnisentzug; auch wenn diese Maßnahme nur der Kontrolle der eigentlichen Strafverfolgungsmaßnahme (§ l i l a Abs. 1 StPO) dient, bleibt sie der Sache nach „Strafverfolgungsmaßnahme" und führt als solche (nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG) zur Entschädigungspflicht.886 Umstritten ist die Entschädigungspflicht bei Beschlagnahme/ Sicherstellung eines von einer inländischen Behörde ausgestellten Internationalen Führerscheins (zu dessen Erteilung s. § 8 IntVO). Weil ein solcher Führerschein nur zur Führung fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge im Ausland berechtigt und anders als die Sonderführerscheine des § 26 FeV im Inland nicht an die Stelle eines amtlichen Führerscheins (i.S. der § § 4 Abs. 2 und 26 FeV) tritt, 887 rechnet das AG Kassel (NZV 1992 499) die Sicherstellung eines (neben einem inländischen Führerschein ausgestellten) Internationalen Führerscheins nicht zu den entschädigungsfähigen Maßnahmen nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG. 888 Aus dem Gesamtzusammenhang der §§ 94 und l i l a StPO und
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Insofern subsidiär zu § 2 Abs. 2 Nr. 5 StrEG, wobei für Nr. 4 (Sicherstellung/ Beschlagnahme) der Vollzug der Maßnahme und nicht ihre bloße Anordnung maßgeblich ist: OLG Hamburg MDR 1982 519 und LG Flensburg GA 1978 341; ebenso MeyerGoßner § 2 StrEG Rdn. 7. OLG Stuttgart VM 1983 45. Nicht anwendbar ist § 4 Abs. 2 Nr. 4 StrEG auf die (in der Praxis eher seltene) präventiv-polizeiliche Beschlagnahme (D. Meyer S 2 StrEG Rdn. 64); vgl. LG Köln NJW 1987 1836 (zu einem präventiv-polizeilichen Schlachtverbot). BGHZ 65 170 = NJW 1975 3 4 8 = DAR 1975 79, OLG Hamm VRS 4 7 (1974) 201 und NJW 1972 1477, LG Frankfurt StV 1986 116 sowie AG Osnabrück DAR 1984 94; ebenso Janiszewski 764, Hentschel Trunkenheit Rdn. 1054 und Meyer-Goßner § 2 StrEG Rdn. 7. LG Memmingen NJW 1977 3 4 7 ; ebenso
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Janiszewski 764, Hentschel Trunkenheit Rdn. 1054 und D. Meyer § 2 StrEG Rdn. 63. OLG Zweibrücken VRS 5 4 (1978) 2 0 3 ; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 1054, Janiszewski 764 und D. Meyer M D R 1980 721. Gegenteiliger Ansicht Schätzler/Kunz Rdn. 66 und Meyer-Goßner Rdn. 8 - je zu § 2 StrEG - sowie Janiszewski 764; jedenfalls im Ergebnis wie hier (doch offenbar nur auf § 2 Abs. 2 Nr. 5 StrEG abstellend) D. Meyer § 2 StrEG Rdn. 70. So schon OLG Celle VRS 51 (1976) 3 0 0 : unter Hinweis auf eine amtl. Mitteilung des Bundesverkehrsministers (VB1 1962 146 Nr. 73); ebenso Hentschel N Z V 1992 5 0 0 . Weil es sich nicht um einen für das Inland „vorgeschriebenen" Führerschein handele, führen ein Verstoß gegen die Sicherstellung eines derartigen Fahrausweises demzufolge auch nicht zu den rechtsfolgen des § 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG.
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ihrem Zusammenspiel mit § 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG einerseits und den Vorschriften der IntVO andererseits hat Hentschel (NZV 1992 500) demgegenüber überzeugend ausgeführt, dass die Beschlagnahmewirkung des § l i l a Abs. 3 StPO alle von einer deutschen Behörde ausgestellten Führerscheine erfasst, so dass als (i.S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG) „vorgeschriebener" Führerschein jeder von einer zuständigen deutschen Behörde ausgestellte (noch gültige) Fahrausweis anzusehen ist. Hindert somit auch die Beschlagnahme (nur) eines inländischen Internationalen Führerscheins den Beschuldigten an der weiteren legalen Teilnahme am Straßenverkehr, führt dies folgerichtig dazu, dass bei Anordnung einer Sperre durch den Strafrichter nach § 69a Abs. 5 S. 2 auch die Zeit der Beschlagnahme eines Internationalen Führerscheins in die Sperre einzurechnen ist und bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen demzufolge auch eine Entschädigungspflicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG besteht. Zur Anwendung des StrEG auf Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden der ehemaligen DDR s. § 16a StrEG. 889 188
2. Der Ausschluss einer Entschädigung richtet sich nach § 5 StrEG. Soweit danach eine Entschädigung versagt ist, kommt auch eine Teil- und eine Billigkeitsentschädigung nicht in Betracht (Alles-oder-nichts-Prinzip).890 Im Gesetz sind abschließend folgende Fälle genannt:
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a) Obligatorisch ausgeschlossen ist eine Entschädigung zum einen immer dann, wenn die „Anrechnung auf die verhängte Strafe unterbleibt" (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 StrEG). Damit ist der Fall gemeint, dass das Gericht die Anrechnung der vorläufigen Führerscheinmaßnahme auf das nach § 44 verhängte Fahrverbot im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach § 51 Abs. 5 (i.V. mit Abs. 1 S. 2) im Entscheidungstenor ausdrücklich ausgeschlossen hat (dazu Rdn. 66 ff und Rdn. 75: je zu § 44); auf diese Weise ist bereits gerichtlich dokumentiert, dass der Beschuldigte sich die Strafverfolgungsmaßnahme selbst zuzuschreiben hat. In diesem wie in den nachfolgenden Fällen ist auch eine Billigkeitsentschädigung (§ 4 StrEG) ausgeschlossen.891
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b) Ausgeschlossen ist eine Entschädigung ferner, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis endgültig angeordnet worden ist (1. Alt. von § 5 Abs. 1 Nr. 3 StrEG). Dieser gesetzliche Ausschlussgrund ist erforderlich, weil die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis auch bei Freispruch wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit in Betracht kommen kann (dazu bereits Rdn. 19); auch hier ist die vorläufige Maßnahme durch die abschließende gerichtliche Entscheidung gedeckt.
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c) Eine Entschädigung ist des Weiteren ausgeschlossen, wenn von der endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen nachträglichen Wegfalls ihrer Voraussetzungen abgesehen wird (2. Alt. von § 5 Abs. 1 Nr. 3 StrEG). Dies ist der Fall, wenn die ursprüngliche Anordnung der vorläufigen Maßnahme zwar rechtens war, der Zweck der Maßregel durch nachträgliche Ereignisse und Entwicklungen (nicht zuletzt durch die Wirkung vorläufiger Führerscheinmaßnahmen, aber auch durch Nachschulung oder sonstige Ereig-
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Dazu auch D. Meyer JurBüro 1991 899; vgl. auch BGH NStZ 1991 245. Meyer-Goßner Rdn. 1 und D. Meyer Rdn. 5 - je zu § 5; speziell zum Ausschluss auch einer Billigkeitsentscheidung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 StrEG) bei Ausschluss einer Entschädigung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 StrEG
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OLG Düsseldorf N Z V 2 0 0 1 177 = DAR 2 0 0 1 38. OLG Düsseldorf DAR 2001 38 = NZV 2 0 0 1 177; ebenso Meyer-Goßner Rdn. 2 und D. Meyer Rdn. 4 - je zu § 5 StrEG - sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 1058.
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
nisse) im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung aber als erreicht anzusehen ist (Rdn. 94 f f ) ; 8 9 2 dabei macht es keinen Unterschied, ob von der endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis erst in der Hauptverhandlung (erster oder zweiter Instanz) abgesehen wurde oder die vorläufige Maßnahme wegen vorzeitiger Zweckerreichung außerhalb der Hauptverhandlung aufgehoben worden ist (dazu bereits Rdn. 140 ff). 8 9 3 Auf den Fall, dass das Berufungsgericht nur durch das Verschlechterungsverbot (§ 331 StPO) an der Anordnung der Maßregel gehindert worden ist, findet § 5 Abs. 1 Nr. 3 StrEG seinem Wortlaut nach keine unmittelbare und wegen seines Ausnahmecharakters auch keine entsprechende Anwendung; in diesem Fall ist an eine Versagung der Entschädigung analog § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG (Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses) zu denken. 894 Ob unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 StrEG eine Entschädigung auch dann ausgeschlossen ist, wenn die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erwiesenermaßen über den Wegfall des bei der Tat zunächst in Erscheinung getretenen Eignungsmangels hinaus angedauert hat, ist umstritten. Eine literarische Minderansicht hält eine Entschädigung auch in diesem Fall für ausgeschlossen und den Schutz für ausreichend, wie er vom Gesetzesbefehl des § l i l a Abs. 2 StPO (Pflicht zu unverzüglicher Aufhebung) ausgeht. 895 Demgegenüber verneint die in Rechtsprechung und Literatur wohl überwiegende Ansicht eine Entschädigung nur für die bis zum Wegfall des Eignungsmangels verstrichene Zeit, hält dem Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 3 StrEG entsprechend eine Entschädigung jedoch hinsichtlich der „überschießenden" Dauer der vorläufigen Führerscheinmaßnahme jedenfalls dann für möglich, wenn die Dauer der vorläufigen Maßnahme gemessen am endgültigen Ausgang des Verfahrens und der tatsächlichen Dauer des Eignungsmangels - unverhältnismäßig lange bestanden hat (zur Aufhebung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung wegen Unverhältnismäßigkeit s. Rdn. 146). 8 9 6 Ob die Überdauer „unverhältnismäßig" war, ist eine Frage des Einzelfalles und nach strengem Maßstab zu beurteilen. 897 Ungeachtet dessen bleibt auch bei Nichtanwendung von § 5 Abs. 1 Nr. 3 StrEG zu prüfen, ob die Entschädigung nicht aus anderen Gründen (etwa im Hinblick auf die Generalklausel des § 5 Abs. 2 StrEG: dazu nachfolgend Rdn. 193 ff) ausgeschlossen ist und ob die Entschädigung - sofern an sich möglich - nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 StrEG auch der Billigkeit entspricht. 898
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d) Eine Entschädigung ist schließlich vor allem ausgeschlossen, soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig selbst verursacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG); 8 9 9 ein solcher Entschädigungsausschluss ist jedoch zu verneinen, wenn der Beschuldigte sich darauf beschränkt hat, nicht zur Sache auszusa-
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Näher dazu Händel Blutalkohol 1972 2 8 3 ; vgl. auch Hentschel Trunkenheit Rdn. 1059 und D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 22. D. Meyer 2 3 zu § 5 StrEG. OLG Stuttgart NJW 1977 641; ebenso Schätzler/Kunz Rdn. 2 7 und Meyer-Goßner Rdn. 4 - je zu § 5 StrEG - sowie Hentschel Trunkenheit 1059. Schätzler/Kunz Rdn. 2 6 und Meyer-Goßner Rdn. 4 - je zu § 5 StrEG; offen gelassen durch OLG Düsseldorf N Z V 2 0 0 1 177. So vor allem BayObLG VRS 71 (1986) 386
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= DAR 1987 89 und LG Bochum NJW 1 9 7 2 501; zustimmend D. Meyer DAR 1977 68 und 2 4 zu ξ 5 StrEG sowie Janiszeivski 7 6 6 . OLG Düsseldorf JMB1 N W 1982 184 und LG Hamburg MDR 1973 957; s. auch D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 2 4 . BayObLG VRS 71 (1986) 388 (gegen D. Meyer DAR 1977 69). Dazu ausführlich und mit umfangreichen Rechtsprechungsbnachweisen neuerdings vor allem Sandherr DAR 2 0 0 7 421 ff.
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
gen, 9 0 0 oder es unterlassen hat, ein Rechtsmittel einzulegen (Satz 2). Da sich die Schweigebefugnis des Beschuldigten ausweislich von § 136 Abs. 1 S. 2 StPO nicht auf Angaben zur Person erstreckt, 9 0 1 gilt § 5 Abs. 2 S. 2 StrEG nur für das Schweigen des Beschuldigten zur Sache, allerdings nur für völliges Schweigen; 9 0 2 völligem Schweigen ist dabei gleichzusetzen, wenn der Beschuldigte die Vorwürfe nur pauschal bestreitet. 903 Beruht die Strafverfolgungsmaßnahme aber darauf, dass der Beschuldigte seine Identität ganz oder teilweise verschwiegen hat, führt dies in aller Regel zum Ausschluss einer Entschädigung. 904 Nach der 2. Alt. dieses Satzes 2 wird eine Entschädigung auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beschuldigte von einer Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis oder die Beschlagnahme des Führerscheins abgesehen hat; dem steht gleich, wenn der Beschuldigte die Sicherstellung des Führerscheins widerspruchlos hinnimmt, ohne durch entsprechenden Antrag eine für ihn günstigere gerichtliche Entscheidung zu § l i l a StPO herbeizuführen. 905 Die Beweiswürdigungs- und die daraus folgende Entschädigungssperre des § 5 Abs. 2 S. 2 StrEG hat nach alledem keinen Sinn, wenn sich der Beschuldigte aus freien Stücken entschließt, von seiner prozessualen Schweigebefugnis keinen Gebrauch zu machen. 9 0 6 Dann aber ist es nur konsequent, dass entsprechende Belehrungsfehler (insbesondere solche nach §§ 136 Abs. 1 S. 2 i.V. mit 163a Abs. 3 und 4 StPO) Fernwirkung auch für die im Rahmen des StrEG zu treffenden Annexentscheidungen haben. 9 0 7 194
aa) Die Generalklausel des § 5 Abs. 2 StrEG beruht auf dem Gedanken mitwirkenden Verschuldens (§ 2 5 4 BGB). Danach kann vom Staat keine Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, die sich im Nachhinein als unberechtigt herausstellen, beanspruchen, wer die Maßnahme ihrem Grund und/oder ihrer Dauer nach in schuldhafter und zurechenbarer Weise selbst verursacht hat; 9 0 8 dabei ist zwischen Verursachung und Zurechenbarkeit einerseits und Verschulden andererseits zu unterscheiden. 909 Das für die
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Dahinter steht das „Nemo-tenetur-Prinzip" ( § § 1 3 6 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 S. 2 und 2 4 3 Abs. 4 StPO), demzufolge das dem Beschuldigten eingeräumte umfassende Schweigerecht nicht unterlaufen und die gewünschte Verteidigungsstrategie nicht aus Rücksichtnahme auf die Entschädigungsfrage beeinflusst werden darf; dazu D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 83 ff zu). Vgl. auch LG Flensburg JurBüro 1984 1860 (mit Anm. D. Meyer). S. dazu BGHSt 2 5 13 und 21 3 6 4 sowie OLG Düsseldorf N J W 1970 1088 (zum OWi-Verfahren). Zum Ausschluss der Entschädigung bei Teileinlassung bzw. teilweise Schweigen s. D. Meyer 83 und 84 zu § 5 StrEG; zur Abgrenzung von völligem Schweigen und Teileinlassung s. Kühl JuS 1986 115 ff. KG (Beschl. v. 2 0 . 3 . 2 0 0 0 - 4 Ws 41/00): zitiert nach Schätzler/Kunz § 5 StrEG Rdn. 98. D. Meyer 82, Schätzler/Kunz Rdn. 101 und Meyer-Goßner Rdn. 7 - je zu § 5 StrEG.
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Zur Zubilligung einer Entschädigung, wenn ein Verdächtiger freiwillig den Führerschein bei der Polizei vorlegt, nachdem er von gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen Kenntnis erlangt hat, der Sicherstellung jedoch nicht widerspricht, s. LG Frankfurt a.M. N Z V 1995 164. Vgl. dazu auch Händel Blutalkohol 1972 2 8 4 sowie neuerdings Sandherr DAR 2 0 0 7 421. So im Ausgangspunkt zu Recht auch D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 83 (S. 195 oben). Anders jedoch OLG Karlsruhe VRS 9 4 (1998) 2 6 8 = NStZ 1998 211 sowie zuvor schon LG Flensburg VRS 68 (1985) 46; dem zustimmend auch D. Meyer Rdn. 83 und Schätzler/Kunz Rdn. 75: je zu § 5 StrEG. Wie hier jedoch LG Krefeld DAR 1972 2 4 7 und Abramenko NStZ 1998 176 ff. BGH (Z) NJW 1975 350; s. dazu auch den Bericht des Rechtsausschusses (BTDrucks. VI/1512, S. 3) sowie D. Meyer Rdn. 35 ff und Schätzler/Kunz Rdn. 38 ff - je zu § 5 StrEG - sowie Sandherr DAR 2 0 0 7 421. Näher dazu Schätzler NStZ 1989 234.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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Strafverfolgungsmaßnahme ursächliche Verhalten wird meist in der Tat selbst zu finden sein (z.B. alkoholbedingte Fahrfehler oder grob verkehrswidriges Verkehrsverhalten), kann aber auch zeitlich vor der Anlasstat liegen (z.B. trunkenheitsbedingtes Fehlverhalten vor Fahrtantritt) oder ihr erst nachfolgen (Nachtrunk, Unfallflucht, Verdunklungshandlungen u.ä.). 9 1 0 Da es sich um Schadensersatzansprüche handelt, gelten für Vorsatz und Fahrlässigkeit zivilrechtliche Haftungsmaßstäbe (§§ 276 ff und 827 BGB). 9 1 1 Kommt es somit auf objektive Kriterien und nicht auf persönliche Fertigkeiten/Fähigkeiten des Beschuldigten an, muss dieser sich Handlungen eines Dritten (z.B. seines Verteidigers) ebenso zurechnen lassen 912 wie eigenes Verhalten im Zustand alkoholbedingter Schuldunfähigkeit. 913 Vorsätzlich ist die Strafverfolgungsmaßnahme herbeigeführt, wenn sie (nicht etwa die Anlasstat!) vom Wissen und Wollen des Beschuldigten gedeckt ist. 914 Bedingter Vorsatz (als Mehr gegenüber der groben Fahrlässigkeit) genügt ebenfalls 9 1 5 und ist zu bejahen, wenn der Beschuldigte ernsthaft mit der Möglichkeit der Strafverfolgungsmaßnahme rechnet und sich dadurch nicht von seinem Verhalten abbringen lässt. 916 Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße außer acht lässt, d.h. diejenige Sorgfalt vermissen lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen, 917 oder wer nicht bedenkt, was im gegebenen Fall jedem verständigen Menschen einleuchten müsste. 918 Mutwilliges, missbräuchliches oder sonst unlauteres Verhalten ist nicht erforderlich. 919 Leichte Fahrlässigkeit bleibt im Rahmen von § 5 Abs. 2 StrEG unberücksichtigt; hier bleibt die Entschädigung von Billigkeitskeitserwägungen abhängig (näher Rdn. 2 0 4 ff). 9 2 0 Da es sich bei § 5 Abs. 2 StrEG um einen Ausnahmetatbestand handelt, ist bei seiner Anwendung ein strenger Maßstab angebracht; in Zweifelsfällen ist von einer Entschädigungspflicht auszugehen. 921 Die Schuldhaftigkeit des Verhaltens ist nicht aus der Warte späteren Wissens („ex tunc"), sondern nach dem Zeitpunkt zu beurteilen, an dem die Strafverfolgungsmaß-
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Vgl. OLG Düsseldorf J Z 1985 4 0 0 , OLG Stuttgart NStZ 1981 4 8 4 , OLG Karlsruhe MDR 1975 251 und BayObLG NJW 1973 1939. OLG Düsseldorf J Z 1985 4 0 0 und OLG Karlsruhe MDR 1975 251. KG JR 1979 128; ausführlich D. Meyer JurBüro 1991 745 und 4 6 zu § 5 StrEG. OLG Frankfurt MDR 1978 514; zustimmend D. Meyer 4 6 zu § 5 StrEG. Zur Beweislast hinsichtlich der Behauptung des Beschuldigten, sein Verhalten sei ihm wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit nicht zuzurechnen, OLG Zweibrücken VRS 6 9 (1985) 2 8 7 = NStZ 1986 129. Bei Geisteskranken oder sinnlos Betrunkenen genügt der natürliche Vorsatz (OLG Hamburg NStZ 1983 30). OLG Frankfurt NJW 1975 1895; vgl. auch D. Meyer Rdn. 4 7 und Schätzler/Kunz Rdn. 66 - je zu § 5 StrEG - sowie Sandherr DAR 2 0 0 7 421. D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 47.
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Statt vieler: BGH (17.7.1974 - 2 StR 9 4 / 7 4 ) , nach D. Meyer Blutalkohol 1980 277, BayObLG NJW 1994 2 4 2 8 , OLG Düsseldorf J Z 1985 400, OLG Frankfurt N J W 1978 1017 und OLG Hamm NJW 1975 790. OLG Düsseldorf MDR 1977 866; ebenso Sandherr DAR 2 0 0 7 421. Überholt (da auf den später nicht verwirklichten Regierungsentwurf BTDrucks. V I / 4 6 0 verweisend) daher OLG Schleswig Blutalkohol 1972 285; dagegen bereits Händel Blutalkohol 1975 241). So inzwischen allgemeine Ansicht: vgl. OLG Düsseldorf J Z 1985 4 0 0 , OLG Stuttgart NStZ 1981 4 8 4 und BayObLG VRS 4 5 (1973) 195 sowie Grohmann Blutalkohol 1985 235. BGH (Z) N J W 1975 351; vgl. auch Sieg DAR 1976 11. OLG Düsseldorf StV 1988 4 4 6 , LG Freiburg StV 1990 80 und LG Krefeld DAR 1972 2 4 7 ; ebenso Händel Blutalkohol 1975 2 4 0 und D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 39.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
nähme angeordnet/vollzogen oder ab dem sie aufrechterhalten wurde („ex ante"). 9 2 2 Aus diesem Grund ist eine Entschädigung bei nachträglicher Gesetzesänderung (jedenfalls) für den Zeitraum der früheren Gesetzeslage ausgeschlossen; soweit gegen den Beschuldigten unter Geltung des früheren Rechts eine vorläufige Führerscheinmaßnahme angeordnet worden ist, war dies rechtens und dem Beschuldigten somit kein entschädigungspflichtiges Sonderopfer zugemutet worden. 9 2 3 Eine Entschädigungspflicht tritt in diesem Fall erst ab dem Zeitpunkt ein, an dem die vorläufige Maßnahme wegen nachträglichen Wegfalls ihrer Voraussetzungen von Amts wegen hätte aufgehoben werden müssen; (erst) ab diesem Zeitpunkt ist die Fortdauer der Maßnahme dem Beschuldigten nicht mehr zuzurechnen. Anders liegt die Rechtslage bei Änderung der Rechtsprechung (z.B. veränderte BAK-Grenzwerte). Wird jemand wegen einer Handlung verfolgt, die nach (verbindlicher) späterer Rechtsprechung nicht strafrechtlich geahndet werden kann, darf dem Beschuldigten eine Entschädigung für die vorläufige Führerscheinmaßnahme nicht mit der Begründung versagt werden, im Tatzeitpunkt sei das festgestellte Verhalten von der weitaus überwiegenden Rechtsprechung als tatbestandsmäßig erachtet worden. 9 2 4 Selbst wenn der Beschuldigte nach vormaliger Rechtsprechung durch eigenes Verschulden in den Verdacht einer strafbaren Handlung geraten ist und jedenfalls damals in grob fahrlässiger Weise eine Strafverfolgungsmaßnahme auf sich gezogen hat, kann ihm diese insgesamt nicht zugerechnet werden, wenn sich später herausstellt, dass das Anlassverhalten (nochmals: ohne Änderung des Gesetzes!) überhaupt nicht als Straftat zu werten ist; man kann einem Beschuldigten nicht den Vorwurf machen, sich nicht darauf eingestellt zu haben, dass das Strafgesetz (zu seinem Nachteil) fehlerhaft angewendet wird. 9 2 5 196
bb) Der Zurechnungszusammenhang kann auch durch spätere Ereignisse wieder aufgehoben werden (nachträgliches Entfallen des Zurechnungszusammenhangs); ab diesem Zeitpunkt entfällt für die nachfolgende Zeit der Ausschluss einer Entschädigung (§ 5 Abs. 2 S. 1 StrEG: „soweit"). Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn das zuständige Gericht es versäumt, die vorläufige Maßnahme wegen Wegfalls ihrer Voraussetzungen (etwa bei Ablauf der festgesetzten Sperrfrist zwischen den Instanzen oder bei unverhältnismäßig langer Dauer des Verfahrens) zu überprüfen und ggf. von Amts wegen aufzuheben (dazu Rdn. 140 ff); soweit die Fortdauer der Führerscheinmaßnahme nicht mehr rechtens ist, ist sie dem Beschuldigten nicht mehr zuzurechnen und demzufolge zu
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Statt vieler: OLG Düsseldorf J Z 1985 400, KG VRS 64 (1983) 3 7 3 (hier mit Hinweis auch auf BGH: Beschl. v. 17.7.1974 - 2 StR 92/74), OLG Stuttgart NStZ 1981 484, OLG Frankfurt MDR 1978 514, OLG Karlsruhe MDR 1975 251 und OLG Braunschweig NdsRpfl 1971 2 8 5 ; vgl. auch Schätzler/Kunz Rdn. 4 8 und D. Meyer Rdn. 4 9 - je zu § 5 StrEG - sowie Grohmann Blutalkohol 1985 235. Bedenklich OLG Hamm VRS 4 7 (1974) 201; zutreffend OLG Zweibrücken VRS 4 7 (1974) 4 4 3 und LG Verden DAR 1975 48. Zusammenfassend Händel Blutalkohol 1975 2 4 2 ff. Auf dieser Linie auch BVerfG N J W 1996 1049 (zur Entschädigung wegen U-Haft).
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So auch Schätzler GA 1990 3 7 sowie D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 4 3 und MDR 1978 367; so im Ergebnis auch KG JR 1977 3 3 4 (analoge Anwendung von Art. 9 des 4. StrRG). Gegen eine Entschädigungspflicht auch Meyer-Goßner Vor § 1 StrEG Rdn. 1. So zutreffend OLG Düsseldorf NZV 1989 2 0 4 = NStZ 1990 3 9 (ablehnend D. Meyer aaO S. 40) = GA 1990 34 (ablehnend Scbätzler aaO S. 36); zustimmend jedoch Hentschel JR 1990 33 und Meyer-Goßner § 5 StrEG Rdn. 10. Gegenteiliger Ansicht obiter dictu offenbar auch OLG Frankfurt N Z V 1990 277. Zutreffend Hentschel JR 1990 33.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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entschädigen. 9 2 6 Gleiches gilt, wenn die Strafverfolgungsmaßnahme (allein oder jedenfalls überwiegend) infolge unrichtiger Angaben von Zeugen oder Mitbeschuldigten oder infolge anderer sich nicht als tragfähig erweisender Beweismittel angeordnet/vollzogen oder aufrechterhalten worden ist: dies jedoch nur, wenn diese unrichtigen Angaben bzw. nicht tragfähigen Beweismittel nicht ihrerseits auf das Verhalten des Beschuldigten zurückgehen und demzufolge von ihm mitzuverantworten sind. 9 2 7 Bei der generellen Entschädigungspflicht infolge nachträglichen Entfallens des Zurechnungszusammenhangs bleibt es schließlich auch dann, wenn Anordnung bzw. Fortdauer der Maßnahme (allein oder überwiegend) auf groben Bearbeitungsfehlern der zuständigen Strafverfolgungsorgane beruhen. Davon ist aber nur bei schlechthin unvertretbarer Beurteilung der Sach- oder Rechtslage auszugehen, nicht jedoch bei („normalen") Fehlern, wie sie nicht nur bei Eilmaßnahmen vor Ort oder bei vorläufigen Führerscheinmaßnahmen außerhalb einer Hauptverhandlung, sondern letztlich auch in einer Hauptverhandlung selbst bei sorgfältiger Arbeitsweise nie ganz zu vermeiden sind. 9 2 8 Aus diesem Grund kann der Ansicht nicht gefolgt werden, die einem Angeklagten, der nach erstinstanzlicher (die vorläufige Entziehung bestätigender) endgültiger Entziehung der Fahrerlaubnis auf Grund im Wesentlichen gleicher tatsächlicher Feststellungen im Berufungsrechtszug mangels Beweises freigesprochen wird, jedenfalls ab erstinstanzlicher Verurteilung mit der Begründung eine Entschädigung zubilligt, als Angeklagter habe er das von ihm „grob fahrlässig" verursachte Risiko einer Strafverfolgungsmaßnahme nicht bis zum Abschluss des gesamten Verfahrens, sondern nur bis zur ersten Instanz zu tragen. 9 2 9 Mit der h.M. ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beschuldigte das Risiko der von ihm grob fahrlässig verschuldeten vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis in aller Regel für das gesamte Verfahren zu tragen hat und die Entschädigungspflicht somit erst wieder einsetzt, wenn im Ermittlungs- oder auch im Verfahren erster oder zweiter Instanz erhebliche Versäumnisse in der Beweisermittlung, grobe Fehler in der Beweiswürdigung oder gravierende Fehlleistungen in der rechtlichen Beurteilung des Geschehens vorgekommen sind und bei rechtlich zutreffender Behandlung der Sache demzufolge schon deutlich früher zutage getreten wäre, dass die Fortdauer der vorläufigen Führerscheinmaßnahme nicht rechtens war. 9 3 0
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cc) Kasuistik. Der Ausschluss der Entschädigung infolge mindestens grob fahrlässiger Selbstverursachung (§ 5 Abs. 2 StrEG) kommt in der Praxis hauptsächlich bei Alkohol-
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Weiterführend D. Meyer % 5 StrEG Rdn. 77 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 1075 ff; vgl. auch D. Meyer Blutalkohol 1980 281 und Schätzler/Kunz § 5 StrEG Rdn. 56 ff. Statt vieler B G H N S t E Nr. 5 zu § 5 StrEG sowie O L G Düsseldorf StV 1988 4 4 6 , O L G Oldenburg N d s R p f l 1983 253 und L G Freiburg StV 1990 80; vgl. auch Meyer-Goßner § 5 StrEG Rdn. 7. K G VRS 44 (1973) 124, O L G H a m m M D R 1975 167 und M D R 1984 253, O L G Karlsruhe Justiz 1976 376 und O L G Stuttgart N J W 1977 641; vgl. auch Schätzler/Kunz Rdn. 59 und Meyer-Goßner Rdn. 7 - je zu § 5 StrEG - sowie Kurz Blutalkohol 1976 253 und Sandherr D A R 2 0 0 7 421.
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So aber O L G Celle V R S 45 (1973) 371 = N d s R p f l 1973 2 6 6 (weil die erstinstanzliche Hauptverhandlung der Zeitpunkt sei, in welchem die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis erstmals umfassend geprüft werden könnten); zustimmend Sieg M D R 1975 515 und wohl auch Hentschel Trunkenheit Rdn. 1079 und V M 1976 Nr. 98; zweifelnd Händel V O R 1973 245. O L G H a m m V R S 4 9 (1975) 56 und Blutalkohol 1976 2 9 0 , O L G Karlsruhe Justiz 1976 367 und O L G Koblenz V R S 5 0 (1976) 3 0 3 ; ebenso Kurz Blutalkohol 1976 2 5 0 ff sowie D. Meyer Rdn. 73 und Meyer-Goßner Rdn. 10 - je zu § 5 StrEG.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
delikten im Straßenverkehr in Betracht. 931 Maßgebliches Abgrenzungskriterium für grobe Fahrlässigkeit ist dabei der Grad der Alkoholisierung und die objektiv festgestellte Auffälligkeit des Verhaltens. 932 Lagen „dringende Gründe" für eine Maßnahme nach § l i l a StPO vor (Rdn. 126 ff), wird man im Allgemeinen davon ausgehen können, dass eine Entschädigung ausgeschlossen ist. 9 3 3 Gleiches gilt für den Ausschluss der Entschädigung nach dem Genuss von Rauschmitteln: Wer in so engem zeitlichen Zusammenhang etwa mit dem Genuss von Cannabisprodukten (Haschisch) im Verkehr ein Fahrzeug führt, dass in einer ihm entnommenen Blutprobe Tetrahydrocannabinol (THC) nachgewiesen werden kann, hat eine allein darauf gestützte vorläufige Führerscheinmaßnahme „grob fahrlässig" verursacht; dass der Beschuldigte (derzeit) mangels wissenschaftlich begründbaren absoluten Grenzwertes oder mangels nicht nachweisbarer rauschbedingter Ausfallerscheinungen später nicht verurteilt werden kann, steht dem nicht entgegen. 934 An dieser Einschätzung hat sich auch dadurch nichts geändert, dass ausweislich zwischenzeitlich verbesserter Messmethoden die Wirkungs- und Nachweisdauer bei den verschiedenen Rauschmitteln nicht mehr zwingend übereinstimmen und das BVerfG z.B. für die verfassungskonforme Handhabung des § 24a Abs. 2 StVG (dort: „unter der Wirkung" eines in der Anlage aufgeführten Rauschmittels) einen erhöhten Gefahrengrenzwert verlangt, demzufolge eine Gefährdung des Straßenverkehr immerhin „als möglich" erscheint; 935 denn bis dieser tatbestandsrelevante Gefahrengrenzwert sicher festgestellt ist, muss sich der Betroffene präventive Untersuchungsmaßnahmen als von ihm zu vertreten zurechnen lassen. 199
Nicht selten fällt die später festgestellte Blutalkoholkonzentration (BÄK) geringer aus als auf Grund entsprechender Vortests („Alcotests" u.ä.) zunächst vermutet. 936 Diesbezüglich ist zu unterscheiden: (1) Wird nach zunächst positivem Alkoholtest später eine BÄK über dem Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit (von derzeit schon lange 1,1 Promille) festgestellt, hat der Beschuldigte den vorläufigen Fahrerlaubnisentzug selbst dann „grob fahrlässig" verursacht, wenn er später aus subjektiven Gründen freigesprochen wird 9 3 7 oder nur eine Verurteilung wegen Volltrunkenheit (§ 323a) erfolgen kann. 9 3 8 Zu dieser ersten Fallgruppe ist auch die Konstellation zu rechnen, dass eine wahlweise Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316) und Volltrunkenheit (§ 323a) aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist. 9 3 9 (2) „Grob fahrlässige" Selbstverursachung der vor-
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Näher dazu schon D. Meyer DAR 1992 235, Blutalkohol 1980 2 7 6 und DAR 1976 67 (zusammenfassend ders. 60 ff zu § 5 StrEG), Schätzler/Kunz § 5 StrEG Rdn. 76 ff, Grohmann Blutalkohol 1985 233, Händel Blutalkohol 1975 2 4 6 und 1972 2 8 5 sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 1064 ff; s. auch die Rechtsprechungs-Übersicht in DAR 1989 312 sowie neuerdings vor allem bei Sandherr DAR 2 0 0 7 4 2 0 ff. Schätzler/Kunz § 5 StrEG Rdn. 77, Janiszewski 768 und Sandherr DAR 2 0 0 7 421. D. Meyer Blutalkohol 1980 281 und Janiszewski 768. BayObLG NJW 1994 2 4 2 7 = N Z V 1994 2 8 5 = DAR 1994 3 3 0 sowie OLG Düsseldorf N Z V 1994 4 9 0 (zustimmend Janiszewski NStZ 1994 574) = VRS 88 (1995) 139.
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BVerfG NJW 2 0 0 5 3 4 9 ff. Zu Folgerungen daraus für die Handhabung des neuen § 24a Abs. 2 StVG s. Geppert DAR 2 0 0 8 125 ff. Zu den Gründen hierfür und zu einschlägigem Zahlenmaterial Grohmann Blutalkohol 1985 233. Zu den einzelnen Fallgruppen nach entsprechenden Trunkenheitsfahrten neuerdings auch Sandherr DAR 2 0 0 7 421 ff. OLG Hamburg MDR 1972 4 4 3 ; zustimmend D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 61. OLG Oldenburg MDR 1972 3 4 9 und OLG Hamburg MDR 1972 4 4 3 ; zustimmend D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 61. Zu einem solchen Fall „grob fahrlässiger" Verursachung des vorläufigen Fahrerlaubnisentzugs OLG Karlsruhe NJW 2 0 0 4 3356; zustimmend Sandherr DAR 2 0 0 7 422.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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läufigen Führerscheinmaßnahme liegt aber auch dann vor, wenn die Auswertung der Blutprobe eine BÄK unter dem Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit ergibt, der Beschuldigte jedoch durch sein Fahr- oder sonstiges Verhalten begründeten Anlass zur Annahme alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit gegeben hat (zweite Fallgruppe). 940 An die Gewichtigkeit solcher Indizien für die Annahme relativer Fahruntüchtigkeit sind dabei desto geringere Anforderungen zu stellen, je näher der tatsächliche BAK-Wert dem absoluten Grenzwert kommt. 9 4 1 (3) Letztlich umstritten ist nur die entschädigungsrechtliche Behandlung der dritten Fallgruppe, dass nämlich ein positiver Alkoholtest zunächst zwar einen hinreichenden Anlass für eine vorläufige Führerscheinmaßnahme ergeben hat, die Auswertung der Blutprobe dann aber eine BÄK unter dem Gefahrengrenzwert des § 24a StVG ausweist und aussagekräftige Indizien für ein alkoholbedingtes Fehlverhalten, d.h. für eine relative Fahrunsicherheit i.S. der §§ 315c und 316 nicht feststellbar sind. 9 4 2 Nach Ansicht verschiedener Instanz- und auch einiger Obergerichte ist eine grob fahrlässige Selbstverursachung in dieser Konstellation selbst dann zu verneinen, wenn die später festgestellte BÄK nur geringfügig unter dem bußgeldrelevanten Gefahrengrenzwert liegt. Denn da es von Gesetzes wegen nicht verboten sei, mit einer BÄK unterhalb von (derzeit) 0,5 Promille im öffentlichen Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug zu führen, dürfe ein Beschuldigter, der diese Grenze einhält und mangels zusätzlicher Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte („relative") Fahrunsicherheit noch als fahrtüchtig anzusehen ist, nicht auf Grund ungenauer Alcotestverfahren Nachteile erleiden. In solchen Fällen könne das Verhalten des Beschuldigten, sich auch nach Alkoholgenuss an das Steuer eines Kraftfahrzeuges gesetzt zu haben, im Hinblick auf die dadurch verursachten vorläufigen Führerscheinmaßnahmen allenfalls als (leicht) „fahrlässig" angesehen werden, was ausweislich des Gesetzes für einen generellen Ausschluss der Entschädigung jedoch gerade nicht ausreiche. 9 4 3 Dieser Ansicht ist aber zu widersprechen: Sie verkennt, dass es für die Beurteilung der „groben Fahrlässigkeit" entschädigungsrechtlich auf die Tatsachenlage ankommt, wie sie
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Ebenfalls im Wesentlichen unbestritten: Für die Rechtsprechung s. OLG Celle N J W 1971 2322 sowie VRS 4 5 (1973 ) 375, OLG Hamm NJW 1972 1477 (4. Strafsenat), DAR 1972 165 (3. Strafsenat) und MDR 1975 167 (2. Strafsenat), OLG Stuttgart MDR 1972 539, KG VRS 4 4 (1973) 122, BayObLG NJW 1973 1938 = VRS 4 5 (1973) 195 und N Z V 1990 37 = JR 1990 4 3 6 (mit Anm. Loos S. 438), OLG Koblenz DAR 1973 3 0 5 und OLG Düsseldorf DAR 1977 246. Für das Schrifttum s. D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 62 und Blutalkohol 1980 278, Hentschel Trunkenheit Rdn. 1067, MeyerGoßner § 5 StrEG Rdn. 12, Janiszewski 768, Händel Blutalkohol 1975 2 4 7 und Grohmann NJW 1977 1114 sowie Blutalkohol 1985 2 3 6 ; so nun auch Sandherr DAR 2007 422. D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 62: hier auch mit einer ausführlichen Übersicht über einschlägige Rechtsprechung.
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Zu dieser Fallgruppe vor allem D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 63 und Blutalkohol 1 9 8 0 2 7 8 und Grohmann Blutalkohol 1985 2 3 6 sowie neuerdings Sandherr DAR 2 0 0 7 4 2 4 . Für die Rechtsprechung s. insofern vor allem OLG Hamm NJW 1975 7 9 0 (ablehnend D. Meyer NJW 1975 1791), OLG Schleswig bei Ernesti/Jiirgensen SchlHA 1975 168 und SchlHA 1986 121, OLG Köln DAR 1976 81, OLG Düsseldorf DAR 1 9 7 7 2 4 6 , OLG Zweibrücken (1. Strafsenat) VRS 53 (1977) 2 8 4 , LG Frankfurt DAR 1975 306, LG Memmingen N J W 1977 1114 (ablehnend Grohmann aaO), LG Aachen DAR 1977 219, LG Düsseldorf DAR 1978 166, LG Passau JurBüro 1987 5 5 9 und AG Osnabrück DAR 1984 94. Dem folgend im Schrifttum u.a. Schmidt NJW 1973 1662, Sieg N J W 1976 1163, Schätzler/Kunz Rdn. 7 9 und Meyer-Goßner § 5 StrEG.
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sich im Zeitpunkt der Anordnung/des Vollzugs der Maßnahme darstellt. Heutzutage weiß aber jeder gewissenhafte Kraftfahrer oder muss es wissen, dass er bei „positivem" Alkoholtest auch ohne zusätzliche Anzeichen alkoholbedingter Fahrunsicherheit jedenfalls bis zur sicheren Aufklärung des dringenden Verdachts strafbarer Trunkenheit mit Sicherstellung/Beschlagnahme des Führerscheins rechnen muss. Folglich hat er in grob schuldhafter Weise auch ohne weitere Feststellungen alkoholbedingten Fehlverhaltens eine gegen ihn sprechende Verdachtslage geschaffen, wenn er mit immerhin so viel Alkohol im Blut (oder im Körper) am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt, dass ein Alcotest „positiv" ausfällt. Bei solcher Sachlage verdient ein Betroffener nach den Grundsätzen mitwirkenden Verschuldens keine Entschädigung für ein ihm im Interesse der allgemeinen Verkehrssicherheit zugemutetes (angebliches) Sonderopfer.944 Zu diesem Ergebnis kommt neuerdings wohl auch Sandherr mit seinem Versuch eines arithmetisierenden Mittelwegs, der darauf hinausläuft, dass sich die alkoholbedingte Fahrunsicherheit bei BAK-Werten unter 0,5 Promille durch „erheblich verkehrswidriges Verhalten oder andere eindeutige und belastbare Beweisanzeichen" nachgerade aufdrängen muss. 945 Diese Einschränkung ist letztlich wiederum nur Ausdruck des auch hier befürworteten Grundsatzes, ausweislich dessen an das Gewicht der Beweisanzeichen umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je weiter sich der tatsächlich festgestellt Alkohol- oder Drogenwert vom gesetzlich zugelassenen Gefahrengrenzwert entfernt. 946 201
(4) Ebenfalls „grob fahrlässig" selbstverursacht ist die vorläufige Führerscheinmaßnahme schließlich auch dann, wenn die Auswertung der Blutprobe zwar eine BÄK von mehr als 0,5 Promille, doch deutlich unter dem Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit ergibt, doch konkrete Anzeichen für eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit nicht feststellbar sind (4. Fallgruppe).947 Ausweislich der Einschränkung „soweit" in § 5 Abs. 2 StrEG ist eine Entschädigung in den beiden zuletzt genannten Fällen jedoch nur solange ausgeschlossen, wie die vom Beschuldigten schuldhaft gesetzte Ursache in einer ihm zu-
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Für die Rechtsprechung s. insofern OLG
Zweibrücken VRS 55 (1979) 2 0 0 , LG Berlin VRS 4 2 (1972) 2 2 0 , LG Nürnberg-Fürth NJW 1973 1661 (ablehnend Schmidt S. 1662, zustimmend jedoch Bode aaO S. 2 0 3 9 und D. Meyer S. 2 0 4 0 ) , LG Münster NJW 1974 1008, LG Essen NJW 1975 2 2 5 7 (ablehnend Sieg N J W 1976 1163), LG Krefeld DAR 1975 2 5 und DAR 1979 337, LG Mainz MDR 1975 601, LG Göttingen DAR 1976 166, LG Flensburg MDR 1976 954 (zustimmend D. Meyer aaO), LG Osnabrück DAR 1985 94, LG Düsseldorf DAR 1991 272, AG Alzenau Blutalkohol 1978 380 und AG Flensburg DAR 1980 281. Auf dieser Linie im Schrifttum D. Meyer 63 und 64 zu § 5 StrEG (s. denselben auch in DAR 1992 235, JurBüro 1987 1607, Blutalkohol 1980 279, MDR 1976 954 und DAR 1976 67), Hentscbel Trunkenheit Rdn. 1067 (mit Ausnahmen allenfalls bei Zweifeln an der ordnungsgemäßen Durchführung des Alcotests: dazu AG Cottbus Blutalkohol DAR
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2 0 0 0 88 mit Anm. Scheffler aaO S. 384), Grohmann Blutalkohol 1985 2 3 6 und Händel Blutalkohol 1972 2 9 4 . DAR 2 0 0 7 4 2 4 . Auf dieser Linie schon BGH VRS 36 (1969) 174. Dass im Ergebnis hier nur eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit ( § 24a StVG) möglich ist (was eine endgültige und damit zwangsläufig auch eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die zu ihrer Sicherung vollzogene Beschlagnahme/ Sicherstellung des Führerscheins ausschließt), steht dem nicht entgegen: OLG Zweibrücken VRS 55 (1978) 2 0 0 . Gegenteiliger Ansicht diesbezüglich jedoch Sandherr (DAR 2 0 0 7 423), der für diese Fälle eine Entschädigungspflicht bejaht, wenn sich der im Ermittlungsverfahren angenommene Fahrfehler oder das sonstige alkoholtypische Fehlverhalten sich in der späteren Hauptverhandlung nicht bestätigt.
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rechenbarer Weise fortwirkt. Sobald feststeht, dass die BÄK unter dem absoluten Gefahrengrenzwert liegt (andererseits aber auch weiterhin keine Anzeichen für eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit feststellbar sind) und demzufolge mit einer Verurteilung und einer endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr zu rechnen ist, ist die Maßnahme von Amts wegen aufzuheben. Geschieht dies nicht unverzüglich, ist die Fortdauer der vorläufigen Führerscheinmaßnahme nicht mehr dem Beschuldigten zuzurechnen und somit ab diesem Zeitpunkt entschädigungspflichtig. Ist eine solche Klärung aber erst in der Hauptverhandlung möglich, bleibt es beim generellen Ausschluss der Entschädigung auch dann, wenn im Ergebnis nur eine Verurteilung nach § 24a StVG herauskommt. 948 Grob fahrlässig verursacht ist eine vorläufige Führerscheinmaßnahme schließlich, wenn der Beschuldigte sich durch Nachtrank in einen alkoholisierten Zustand versetzt: 949 dies jedenfalls, wenn und soweit er zum Zeitpunkt des Nachtrunks mit polizeilichen Ermittlungen rechnen musste; 950 dies wird insbesondere nach Beteiligung an einem nicht ganz unbedeutenden Unfall,951 nach auffälligem Fehlverhalten im Straßenverkehr oder verkehrsbezogenen Auseinandersetzungen mit anderen Verkehrsteilnehmern 952 und nicht zuletzt nach einer Verfolgungsjagd durch Polizei oder andere Verkehrsteilnehmer anzunehmen sein. 953 In solchen Fällen musste der Beschuldigte erkennen, dass sein Verhalten in hohem Maße geeignet war, ihn dem Verdacht strafbarer Trunkenheit im Verkehr auszusetzen und damit auch strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen, besonders vorläufige Führerscheinmaßnahmen, geradezu heraufzubeschwören. Umgekehrt stellt ein Nachtrunk (ausnahmsweise) keine grob fahrlässige Verursachung einer vorläufigen Führerscheinmaßnahme dar, soweit das Verhalten des Beschuldigten allenfalls als (leicht) fahrlässig zu bewerten ist: etwa wenn der Beschuldigte mangels ärztlicher Hilfe zur Schmerzbetäubung mehrere Schnäpse zu sich genommen hat 9 5 4 oder nach Lage des Falles (z.B. unbedeutender Unfall oder eher harmlose verkehrsbezogene Auseinandersetzung) nicht (mehr) mit polizeilichen Ermittlungen rechnen musste. 955 Grob fahrlässig ist die vorläufige Führerscheinmaßnahme bei Nachtrunk schließlich auch dann nicht verursacht, wenn der Beschuldigte bei Erscheinen der Polizei sofort Art und Menge des Alkoholkonsums vor und nach dem ihm als Straftat vorgehaltenen Ereignis mitteilt; denn hier ist den Ermittlungsbehörden ohne weiteres möglich, die für eine Entscheidung nach § l i l a StPO erhebliche BÄK zu errechnen. 956 Das Verschweigen eines Nachtrunkes ist entschädigungsrechtlich unschädlich, wenn der Beschuldigte sich über-
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OLG Zweibrücken VRS 55 (1978) 2 0 0 , ebenso D. Meyer 64 zu § 5 StrEG und Hentschel Trunkenheit 1068: je mit weiteren Nachweisen. Dies nicht nur, soweit der Nachtrunk zu einer BÄK in der Nähe des absoluten Gefahrengrenzwertes (so offenbar OLG Stuttgart MDR 1972 539; zustimmend Händel Blutalkohol 1975 2 4 4 ) oder gar zu einem „hochgradig alkoholisierten Zustand" führt (OLG Braunschweig NdsRpfl 1971 285), sondern vor dem Hintergrund des soeben Ausgeführten (Rdn. 199 ff) schon dann, wenn der Nachtrunk so erheblich ist, dass er zu einem „positiven" Alkoholtest führt (ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 1071 ). D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 65, Hentschel
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Trunkenheit Rdn. 1071, Grohmann Blutalkohol 1985 2 3 7 und Händel Blutalkohol 1975 2 4 4 : je mit weiteren Nachweisen; dazu neuerdings auch Sandherr DAR 2 0 0 7 4 2 4 . OLG Stuttgart MDR 1972 539, KG VRS 44 (1973) 122 sowie aus jüngerer Zeit auch OLG Nürnberg NStZ-RR 1997 189. OLG Braunschweig VRS 4 2 (1972) 50 und LG Flensburg Blutalkohol 1984 89. OLG Karlsruhe Justiz 1978 373 und OLG Hamm VRS 58 (1980) 69. OLG Stuttgart Justiz 1973 182. OLG Schleswig bei Ernesti/Jiirgensen SchlHA 1986 221. LG Flensburg Blutalkohol 1984 90; ebenso Grohmann Blutalkohol 1985 237.
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haupt nicht zur Sache äußert (Umkehrschluss aus Satz 2 von § 5 Abs. 2 StrEG). 9 5 7 Zum Verschweigen eines Nachtrunkes, wenn sich der Beschuldigte jedenfalls teilweise zur Sache einlässt, nachfolgend Rdn. 208; zur Frage, ob die Entschädigung in diesem Fall nach § 5 Abs. 2 StrEG kraft Gesetzes zwingend völlig ausgeschlossen ist oder unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG nur eine fakultative (ggf. teilweise) Versagung in Betracht kommt, s. Rdn. 204 ff. 203
Weitere Einzelfälle. Grob fahrlässig handelt ein unter dem Verdacht eines Trunkenheitsdelikts (§§ 315c Abs. 1 Nr. l a , 316) stehender Kraftfahrer, wenn er diesen Verdacht durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142) verstärkt. 9 5 8 Gleiches gilt für einen Kraftfahrer, der sich in übermüdetem Zustand an das Steuer seines Fahrzeuges setzt, sein Radio übermäßig laut einstellt und infolge dieser Umstände nicht nur schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht, sondern sich dadurch außerstande setzt, die Unfallgeräusche aufzunehmen und zuverlässig einzuordnen. 959 Grob fahrlässig verursacht ist die Sicherstellung eines Führerscheins zwecks vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis schließlich, wenn der Kraftfahrer durch besonders schwere Verletzung der im Straßenverkehr üblichen Sorgfalt den Verdacht auf sich lenkt, den Straßenverkehr durch grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 gefährdet zu haben. 9 6 0 Bei Volltrunkenheit (§ 323a) genügt für den Ausschluss der Entschädigung, dass sich der Beschuldigte grob fahrlässig in den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit versetzt hat; hinsichtlich des Verdachts, in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, genügen Handlungen des Volltrunkenen, die diesen Verdacht zu bestärken objektiv geeignet sind. 9 6 1
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3. Fakultative Versagung der Entschädigung. Unter den Voraussetzungen des § 6 StrEG kann das Gericht eine Entschädigung aus Billigkeitsgründen (ganz oder teilweise 9 6 2 ) versagen; ob dies in Betracht kommt, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Auch die Versagungstatbestände des § 6 StrEG beruhen auf dem Gedanken mitwirkenden Verschuldens; 963 somit kommt es auch hier maßgeblich darauf an, ob und inwieweit die Anordnung/Fortdauer der Führerscheinmaßnahme durch den Beschuldigten selbst verschuldet wurde oder der jeweils zuständigen Strafverfolgungsbehörde zuzurechnen ist. Die Ausführungen zu Rdn. 196 ff (nachträgliches Entfallen des Zurechnungszusammenhangs) gelten entsprechend.
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a) Sind die Voraussetzungen des § 5 StrEG (und vor allem dessen Absatz 2) erfüllt, ist für eine Versagung der Entschädigung nach § 6 StrEG kein Raum; erst wenn feststeht, dass eine Entschädigung nicht schon nach § 5 StrEG gesetzlich ausgeschlossen ist, bleibt Raum für die Erwägung, ob die Entschädigung nicht nach § 6 StrEG aus Billigkeitsgrün-
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Ebenso D. Meyer § 5 StrEG Rdn. 66 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 1073. KG VRS 6 4 (1983) 3 7 3 ; ebenso Händel Blutalkohol 1975 2 4 4 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 1072. OLG Düsseldorf N Z V 1 9 8 9 3 6 4 = DAR 1 9 8 9 312; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 1072. S. auch die redaktionelle Übersicht mit zahlreichen Rechtsprechungsbelegen zum Ausschluss der Entschädigung nach § 5 Abs. 2 StrEG in DAR 1989 312. OLG Stuttgart VRS 5 0 (1976) 376.
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OLG Oldenburg MDR 1972 3 4 9 und LG Verden MDR 1974 512; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 1074. Die Tei/versagung kann sich auf einzelne Maßnahmen oder Teile von ihnen, auf bestimmte Zeitabschnitte oder auf Bruchteile des Schadens beziehen: vgl. D. Meyer Rdn. 5, Schätzler/Kunz Rdn. 41 und MeyerGoßner Rdn. 1: alle je zu § 6 StrEG. Dazu auch D. Meyer 2 zu § 6 StrEG.
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den zu versagen ist (Vorrang des § 5 vor § 6 StrEG). 9 6 4 Wie durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes belegt, 965 besteht der Unterschied zwischen beiden Möglichkeiten ausschließlich im Grad des Verschuldens. 966 Während „grobe Fahrlässigkeit" nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip des § 5 eine Entschädigung kraft Gesetzes schlechthin ausschließt, kann mitwirkendes Verschulden des Beschuldigten unterhalb der Haftungsschwelle grober Fahrlässigkeit nach den Vorstellungen des Gesetzgebers immerhin zu einer Versagung nach Ermessen des Gerichts, nach Lage des Einzelfalles aber ebenfalls zu einem völligen Ausschluss der Entschädigung oder immerhin zu einer Quotelung führen. Gegenüber den Versagungstatbeständen der § § 3 und 4 S t r E G 9 6 7 ist § 6 die speziellere Vorschrift. 968 b) Selbstbelastendes Aussageverhalten. 969 Die Entschädigung kann insbesondere dann (ganz oder teilweise) versagt werden, wenn der Beschuldigte die gegen ihn gerichtete Führerscheinmaßnahme „dadurch veranlasst hat, dass er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat" (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG). Die der Kostenvorschrift des § 4 6 7 Abs. 3 StPO nachgebildete Bestimmung erfasst wahrheitswidrige Selbstbelastungen (nachfolgend Rdn. 207) und das Verschweigen wesentlicher entlastender Umstände (nachfolgend Rdn. 208) ebenso wie widersprüchliche, lückenhafte oder mehrfach wechselnde Einlassungen (nachfolgend Rdn. 210). Die Vorschrift gilt für das gesamte Verfahren, 970 doch nur, wenn sich der Beschuldigte (mindestens teilweise) zur Sache eingelassen hat; sein gänzliches Schweigen (dem gleichzustellen: pauschales Bestreiten) darf ihm (auch) entschädigungsrechtlich nicht zum Nachteil gereichen (Umkehrschluss aus § 5 Abs. 2 S. 2 StrEG). 9 7 1 Die Selbstbelastung muss aber einen „wesentlichen", d.h. für die Anordnung der Führerscheinmaßnahme entscheidungserheblichen Punkt betreffen und für die Strafverfolgungsmaßnahme (jedenfalls: mit-)-
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So jedenfalls für das Verhältnis von § 5 Abs. 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 (und demgemäß wohl auch für Nr. 1) BGHSt 2 9 168. Auf dieser Linie auch OLG Düsseldorf M D R 1988 887 (zu § 6 Abs. 1 Nr. 2) sowie - je zum Verhältnis von § 5 Abs. 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 - KG GA 1987 405, OLG Karlsruhe MDR 1977 1041 und LG Flensburg VRS 68 (1985) 4 6 . Zustimmung bei D. Meyer MDR 1978 368 und demselben Vor § 5 StrEG Rdn. 16 ff, Schätzler/Kunz $ 5 Rdn. 8 und § 6 Rdn. 4, Meyer-Goßner ξ 6 StrEG Rdn. 1 sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 1082. Zur Gegenposition, die den § 6 als abschließende Sonderregelung (mit Vorrang Vor § 5 Abs. 2 StrEG) versteht, s. (je zu ξ 6 Abs. 1 Nr. 1) OLG Schleswig NJW 1976 1467 und KG GA 1975 177 (wohl überholt durch KG GA 1987 405). Nachweise bei D. Meyer § 6 Rdn. 2 (dort mit Hinweis auf BTDrucks. 6/1512, S. 3). Ausführlich D. Meyer Vor « 5 Rdn. 16 ff und § 6 StrEG Rdn. 6, 7 f. OLG Frankfurt DAR 1973 161 (keine Ent-
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schädigung nach § 4 StrEG bei nur geringfügig verspäteter Rückgabe des Führerscheins) sowie LG Flensburg MDR 1 9 7 9 76 mit Anm. D. Meyer (bei Einstellung nach § 153 StPO). Vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997 159 und N Z V 2 0 0 1 177 sowie LG Flensburg JurBüro 1976 1407; ebenso D. Meyer § 4 Rdn. 11 und Meyer-Goßner Rdn. 1 zu § 6 StrEG. Weiterführend vor allem D. Meyer DAR 1978 2 3 8 und MDR 1981 109 sowie Sieg MDR 1980 9 0 7 ; zusammenfassend D. Meyer § 6 Rdn. 9 ff und Schätzler/Kunz § 5 Rdn. 58 und S 6 StrEG Rdn. 5 ff. Also bereits ab Aufkommen des ersten Verdachts, soweit dieser zur Begründung der „Beschuldigten"-Eigenschaft führt (weiterführend Geppert, FS F. C. Schroeder, 2 0 0 6 , S. 275 ff): ebenso Schätzler/Kunz Rdn. 5 und D. Meyer Rdn. 6: je zu § 6 StrEG. Insoweit wohl unbestritten: OLG Hamm M D R 1977 1042 und OLG Bremen (nach Janiszewski NStZ 1989 259).
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ursächlich geworden sein; dabei genügt es, wenn die Anordnung/Fortdauer der Maßnahme auf der wahrheitswidrigen Einlassung bzw. dem Verschweigen des entlastenden Umstandes „beruht" (Anforderungen wie bei § 337 StPO). 9 7 2 Auch hier kann der Zurechnungszusammenhang nachträglich entfallen, soweit das jeweils zuständige Strafverfolgungsorgan die Maßnahme bei rechtsfehlerfreiem Vorgehen hätte aufheben müssen (s. dazu bereits Rdn. 196 ff). 207
aa) Wahrheitswidrige Selbstbelastungen führen (meist) bereits nach § 5 Abs. 2 StrEG zum obligatorischen Ausschluss der Entschädigung; denn insoweit ist die Führerscheinmaßnahme vom Beschuldigten (jedenfalls) grob fahrlässig meist selbst verursacht worden. 9 7 3 Dies ist auch dann der Fall, wenn die Selbstbelastung auf (verschuldete) alkoholbedingte Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit zurückzuführen ist. 974
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bb) Das Verschweigen wesentlicher entlastender Umstände (durch den jedenfalls teilweise aussagebereiten Beschuldigten) kann nur zur Versagung einer Entschädigung führen, wenn dieser Umstand dem Beschuldigten bekannt war und es sich um einen für seine Verteidigung wesentlichen Punkt handelte; 975 dies wird beim Verschweigen eines Nachtrunkes in aller Regel zu bejahen sein. Hat sich ein der Trunkenheit am Steuer verdächtiger Beschuldigter also teilweise zur Sache eingelassen (zum Verschweigen eines Nachtrunkes bei völligem Schweigen des Beschuldigten s. bereits Rdn. 202), dabei aber einen ihn entlastenden Nachtrunk verschwiegen, hat er die daraufhin gegen ihn angeordnete Führerscheinmaßnahme in grob fahrlässiger Weise selbst verursacht; nach hier vertretener Ansicht ist er demzufolge bereits nach § 5 Abs. 2 S. 1 StrEG kraft Gesetzes von einer Entschädigung ausgeschlossen. 976
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Bei Verkehrs- und hier besonders bei Trunkenheitsdelikten behaupten verdächtige Kraftfahrer häufig, eine andere Person habe das Fahrzeug gefahren, ohne dabei aber den Namen des angeblichen Fahrers zu nennen. Ganz abgesehen von der rechtstheoretisch umstrittenen Frage, ob die entschädigungsrechtliche Lösung in Fällen dieser Art vorrangig über § 5 Abs. 2 S. 1 und nur subsidiär über § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG zu suchen ist (so die hier vertretene Ansicht: dazu bereits Rdn. 205) oder ausschließlich in § 6 StrEG, hat die Rechtsprechung diesbezüglich auch im Ergebnis noch zu keiner einheitlichen Linie gefunden. Einzelne Oberlandesgerichte (Minderposition) wollen eine Entschädigung des Beschuldigten bei späterem Freispruch nur dann ausschließen, wenn es dem Betroffenen zuzumuten gewesen wäre, den Namen des angeblichen Fahrers zu nennen: Dies sei aber nur der Fall, wenn der Betroffene missbräuchlich oder sonst in unlauterer Weise (gegen diese Kriterien bereits Rdn. 194), auf jeden Fall aber ohne verständlichen oder gar billigenswerten Grund gehandelt habe; letzteres sei allenfalls bei einer Berufung auf den „großen Unbekannten" zu bejahen, doch zu verneinen, wenn der Verdächtige den
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Dazu D. Meyer Rdn. 11 und Scbätzler/Kunz Rdn. 9: je zu § 6 StrEG. OLG Karlsruhe MDR 1977 1041 (zum wahrheitswidrigen Geständnis einer Brandstiftung). OLG Zweibrücken VRS 6 9 (1985) 2 8 7 (ausgenommen sonstige krankhafte Beeinträchtigungen der Geistestätigkeit) sowie LG Flensburg MDR 1986 689; vgl. auch OLG Karlsruhe Justiz 1977 4 3 8 und OLG Hamburg NStZ 1983 30.
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OLG Stuttgart MDR 1984 4 2 7 und OLG Hamm StV 1984 4 7 2 ; ebenso Meyer-Goßner Rdn. 4 und D. Meyer Rdn. 19: je zu § 6 StrEG. OLG Frankfurt NJW 1978 1017 und KG VRS 4 4 (1973) 122 (jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Nachtrunkzeugen erstmals hätten vernommen werden können); vgl. auch KG VRS 72 (1987) 382 (hier: Versagung der Entschädigung über § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG).
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Namen z.B. eines langjährigen Freundes oder einer guten Freundin (möglicherweise sogar aus persönlicher Rücksichtnahme auf deren Ehe) oder gar eines Angehörigen verschweige.977 Demgegenüber gewährt die in Rechtsprechung und Schrifttum wohl zu Recht herrschende Ansicht bei dieser Sachlage in aller Regel keine Entschädigung:978 Sofern menschlich einleuchtende Gründe wie persönliche Rücksichtnahme auf Angehörige oder gute langjährige Freunde/Freundinnen fehlen, wird die Entschädigung schon nach § 5 Abs. 2 S. 1 StrEG ausgeschlossen sein (grobe Fahrlässigkeit). Unterhalb dieser Haftungsschwelle hat das Gericht über Berechtigung und Umfang einer Entschädigung ausweislich von § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG nach pflichtgemäßen Ermessen zu befinden, wobei strenge Anforderungen angebracht sind; die Bewilligung einer Entschädigung wird in aller Regel die Ausnahme bleiben. 979 Im Übrigen geht es bei dieser Ermessensentscheidung weniger um Billigkeits- und „Zumutbarkeits"-Erwägungen als um die Berücksichtigung mitwirkenden Verschuldens und somit um „Zurechenbarkeits"-Aspekte. Mag es daher auch menschlich verständlich sein, einen guten Freund strafrechtlich nicht belasten zu wollen, und sogar ausdrückliches strafprozessuales Recht einer Aussageperson, gegen Angehörige nicht aussagen zu müssen; gleichwohl kann dies alles (entschädigungsrechtlich) jedoch nicht dazu führen, dass der Beschuldigte seine menschlich durchaus verständliche (wenngleich nicht unbedingt „billigenswerte") Konfliktentscheidung auf Kosten der Staatskasse und damit des Steuerzahlers trifft. Somit ist dieses sein Verhalten ausschließlich ihm allein und keinesfalls dem strafverfolgenden Staat zuzurechnen. cc) Die gleichen Überlegungen gelten für den Fall, dass der Beschuldigte während des 2 1 0 Verfahrens (z.B. über Art, Menge und Zeitpunkt von Alkohol-, Drogen- oder Medikamentengenuss) widersprüchliche, lückenhafte oder mehrfach wechselnde Angaben macht. Geschieht dies ausschließlich zur Selbstentlastung, wird die Anordnung bzw. Fortdauer der Führerscheinmaßnahme in aller Regel schon „grob fahrlässig" von ihm selbst verursacht und die Entschädigung demzufolge bereits nach S 5 Abs. 2 S. 1 StrEG ausgeschlossen sein; 980 andernfalls bleibt es bei einer Versagung der Entschädigung nach
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OLG Hamm MDR 1977 1042 (Lösung über § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG); zustimmend Götz MDR 1977 1042, ablehnend D. Meyer DAR 1978 238. Auf dieser Linie offenbar auch OLG Schleswig (4.2.81 - 1 Ws 423/80), zitiert nach Ernesti/Jürgens SchlHA 1982 105, OLG Düsseldorf JurBüro 1983 1849 und OLG Stuttgart Justiz 1987 116. OLG Karlsruhe (24.4.73 - 2 Ws 62/73), zitiert nach Händel Blutalkohol 1975 2 4 5 (Beschuldigter verschweigt den Namen seiner anderweitig verheirateten Freundin), OLG Hamm (8.6.79 - 1 Ws 146/79), zitiert nach Schätzler/Kunz § 6 Rdn. 13 (Berufung auf den „großen Unbekannten") und OLG Bremen (5.10.88 - Ws 138/88), zitiert nach Janiszewski NStZ 1 9 8 9 2 5 9 (persönliche Rücksichtnahme auf die Ehe der angeblichen Fahrerin) sowie LG Frankenthal MDR 1 9 7 9 165 (analoge Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 1 in einem OWi-Fall), LG Flensburg VRS 68 (1985) 4 6 (Lösung über
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§ 5 Abs. 2 StrEG im Fall eines langjährigen guten Freundes) und LG Aachen MDR 1992 2 8 8 (Lösung über § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG wiederum im Fall eines „großen Unbekannten"). Auf dieser Linie auch die wohl h.M. im Schrifttum: s. Hentschel Trunkenheit Rdn. WS3, Janiszewski NStZ 1 9 8 9 2 5 9 und D. Meyer DAR 1978 2 3 8 sowie MDR 1981 109. Für eine Ausnahme nur bei Rücksichtnahme auf nahe Angehörige sprechen sich Schätzler/Kunz § 6 StrEG Rdn. 13 aus. Weiterführend Scbätzler/Kunz Rdn. 13 und D. Meyer Rdn. 19 (mit Hinweisen auch auf einschlägige Gesetzesmaterialien): je zu § 6 StrEG. So OLG Hamm Blutalkohol 1974 130, OLG Karlsruhe M D R 1977 1041 und LG Flensburg Blutalkohol 1984 90; vgl. auch LG Flensburg M D R 1 9 7 9 76 (mit Anm. D. Meyer aaO). Auf dieser Linie auch Hentschel Trunkenheit Rdn. 1073.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG. 9 8 1 Unter diesen Voraussetzungen kommt eine (nach Lage des Einzelfalles ggf. nur teilweise) Entschädigung somit in aller Regel nur in Betracht, wenn der Beschuldigte irrtümlich nicht erkannt hat, dass es sich bei dem verschwiegenen Umstand um einen für seine Entlastung „wesentlichen" Punkt gehandelt hat oder seine Aussage in einem für die Anordnung/Fortdauer der Führerscheinmaßnahme erheblichen Punkt unwahr, lückenhaft oder widersprüchlich war. Somit ist der Grad der Vorwerfbarkeit des Irrtums von entscheidender Bedeutung für die Ausübung des Ermessens, ob und in welchem Umfang eine Entschädigung zuzubilligen ist. 211
4. Gegenstand der Entschädigung ist bei Führerscheinmaßnahmen nur der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden (§ 7 Abs. 1 StrEG), sofern dieser den Betrag von 2 5 Euro übersteigt (Abs. 2). 9 8 2 Der Begriff des Vermögensschadens bestimmt sich nach bürgerlichem Recht (§§ 2 4 9 ff BGB). Erfasst ist somit jede durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, soweit sie sich in Geld ausdrücken lässt. 983 Die vermögensrechtlichen Folgen müssen also durch den Vollzug der Maßnahme entstanden sein; 9 8 4 wäre der Schaden auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten, wird keine Entschädigung geleistet. 985 Die Beweislast für Entstehung und Umfang des Schadens trägt der Antragsteller. 986
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a) Erstattungsfähig ist bei (unberechtigten) vorläufigen Führerscheinmaßnahmen vor allem der Verdienstausfall einschließlich aller damit zusammenhängender wirtschaftlicher Nachteile (z.B. entgangene Naturalbezüge, sozialversicherungsrechtliche Nachteile, 987 entgangenes Urlaubsgeld, Verdienstausfall wegen erhöhten Zeitbedarfs durch Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Mehrkosten für doppelte Haushaltsführung), sofern diese Nachteile ihren Grund nachweisbar im (vorübergehenden) Verlust der Fahrerlaubnis haben. 9 8 8 Der Verlust des Arbeitsplatzes gehört nur dann zu den entschädigungspflichtigen wirtschaftlichen Nachteilen, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber gerade wegen der gegen den Arbeitnehmer gerichteten Führerscheinmaßnahme unzumutbar geworden ist; 9 8 9 als ersatzfähiger Vermögensschaden kommt
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OLG Schleswig NJW 1976 1467 und KG VRS 4 4 (1973) 122 (teilweise kritisch Hentschel Trunkenheit Rdn. 1084). S. diesbezüglich auch die Ausführungsvorschriften zum StrEG in Anlage C zu den RiBStV. Vgl. BTDrucks. 6 / 4 6 0 , S. 8 sowie grundlegend BGHZ 63 2 0 3 (= NJW 1975 347) und BGHZ 65 170 (= NJW 1975 2341 = DAR 1975 79); vgl. auch LG Stuttgart NJW 1973 631; s. dazu auch D. Meyer Rdn. 11 und Schätzler/Kunz Rdn. 8: je zu § 7 StrEG. LG Flensburg DAR 1999 279. Gemeint ist damit die „haftungsausfüllende" Kausalität; die „haftungsbegründende" Kausalität steht durch die rechtskräftige Grundentscheidung des Gerichts bereits fest: BGHZ 103 113 (= NJW 1988 1041 = DAR 1988 135 = StV 1988 444); s. dazu auch D. Meyer § 7 StrEG Rdn. 12 f. Insoweit unbestritten: vgl. D. Meyer
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Rdn. 28 f und Schätzler/Kunz Rdn. 13 ff: je zu § 7 StrEG. Speziell dazu Teil I/B II Nr. 2d der Anlage C zu RiStBV. BGHZ 63 2 0 9 (= NJW 1975 350), OLG Celle NdsRpfl 1973 103, OLG Düsseldorf MDR 1974 4 0 und VersR 1976 1134 sowie LG Flensburg N Z V 1990 3 9 6 ; s. auch GStA Nürnberg MDR 1973 2 4 9 (speziell zum Verlust des Urlaubsgeldes). Weiterführend D. Meyer Rdn. 12 ff und Schätzler/Kunz Rdn. 10 f: je zu § 7 StrEG. BGHZ 103 113 (= NJW 1988 1141 = DAR 1988 135 = StV 1988 444) zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber einem im Außendienst tätigen Vertriebsbeauftragten; zum Verlust des Arbeitsplatzes bei einem Berufskraftfahrer s. OLG Düsseldorf VersR 1976 1134. Vgl. auch Hentschel Trunkenheit Rdn. 1088 und D. Meyer § 7 StrEG Rdn. 12 (dort: S. 232). Zum entschä-
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aber auch in diesem Fall nur der erlittene Verdienstausfall als solcher in Betracht. 9 9 0 An dem auch im Rahmen von § 7 StrEG erforderlichen adäquaten Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis nur gelegentlich eines Strafverfahrens aufgelöst wird: so etwa, wenn ein ausländischer Arbeitnehmer nach rechtskräftiger Verurteilung in sein Heimatland flüchtet und dadurch seinen Arbeitsplatz verliert, weil der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen Fernbleibens vom Arbeitsplatz gekündigt hat. 9 9 1 Entschädigungspflichtig ist auch entgangener Gewinn, sofern er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen des Falles ohne die Führerscheinmaßnahme zu erwarten w a r ; 9 9 2 Spesen und Auslösungen eines Fernfahrers rechnen somit nur dann zum erstattungsfähigen entgangenen Gewinn, wenn und soweit der Betroffene die Gelder nicht für typische durch Ortsabwesenheit bedingte Mehraufwendungen verbraucht, sondern als Teil seines regelmäßigen Einkommens verplant hat. 9 9 3 Nach weithin herrschender 994 und nicht zuletzt durch mehrere Entscheidungen des Bundesgerichtshofes 995 unter Hinweis auf Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des StrEG nachdrücklich bekräftigter Ansicht schließt die nach § 7 StrEG zu leistende Entschädigung auch die Erstattung von Anwaltskosten ein, soweit sie zur Aufhebung oder Abwendung der Strafverfolgungsmaßnahme entstanden sind. Nicht durchgesetzt hat sich der Rechtsstandpunkt, wonach in den Kostenvorschriften der StPO (§§ 4 6 5 ff) eine für alle Anwaltsgebühren und -auslagen abschließende Sonderregelung zu sehen ist, die nicht auf dem „Umweg" über das StrEG erweitert werden dürfe. 9 9 6 Nach zutreffender Ansicht enthalten die prozessualen Auslagenerstattungsvorschriften der StPO demzufolge nur insoweit eine abschließende Regelung, als eine Erweiterung durch das StrEG nicht erforderlich ist; nimmt daher z.B. der Beschuldigte für die Teilnahme am Hauptverhandlungstermin Urlaub, so kann er dafür keine Entschädigung nach dem StrEG, sondern nur nach der Kosten- und Auslagenregeluing der §§ 4 6 5 ff StPO erlangen. 9 9 7 Soweit die StPO die Möglichkeit einer Auslagenerstattung jedoch nicht vorsieht, ist eine Entschädigung unter den Voraussetzungen des StrEG nicht ausgeschlossen. Nach Maßgabe des StrEG zu entschädigen ist somit nicht nur die Geltendmachung des Honoraranspruches als solchen, 9 9 8 sondern auch die notwendigen Auslagen für einen Verteidiger, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren ohne Anklageerhebung eingestellt hat und
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digungsfähigen Schaden durch Verlust des Arbeitsplatzes neuerdings auch OLG Schleswig NJW-RR 2 0 0 4 599. OLG Düsseldorf NJW-RR 1993 35. OLG Köln VersR 1989 1207. BGHZ 65 170; dazu auch Schätzler/Kunz Rdn. 38 und D. Meyer Rdn. 12 (dort: S. 233) - je zu § 7 StrEG - sowie Grohmann Blutalkohol 1985 238. LG Flensburg DAR 1991 4 6 0 . Für die Judikatur s. OLG Nürnberg NJW 1975 352, LG Köln MDR 1973 6 0 7 und LG Braunschweig N J W 1973 1661; vgl. auch GStA Karlsruhe JurBüro 1974 210. Auf dieser Linie die schon lange h.M. im Schrifttum: vgl. D. Meyer Rdn. 16 (dort: S. 2 2 8 f), Schätzler/Kunz Rdn. 2 4 ff und Meyer-Goßner Rdn. 5 - alle zu § 7 StrEG - sowie H. Schmidt N J W 1973 1167 und Hentscbel Trunkenheit Rdn. 1089.
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S. insofern vor allem BGHZ 65 170 (= NJW 1975 2341 = J Z 1976 278) sowie BGHZ 68 86 (= N J W 1977 957); vgl. zuvor schon BGHZ 6 3 2 0 3 (= N J W 1975 3 4 7 = DAR 1975 79). So vor allem GStA Nürnberg M D R 1973 160 und GStA Hamm, mitgeteilt bei Händel VOR 1973 259, OLG München M D R 1976 56 und LG München N J W 1973 2 3 0 5 ; auf dieser Linie im Schrifttum Händel aaO und Blutalkohol 1975 251 sowie offenbar auch Stoll J Z 1976 2 8 4 . So zutreffend LG Flensburg DAR 1 9 9 9 279. S. dazu RiStBV (Anlage C: dort Teil I/B II Nr. 2g zur Beauftragung eines Rechtsanwalts); s. dazu auch Schätzler/Kunz Rdn. 2 4 , D. Meyer Rdn. 16 (dort: S. 2 2 8 f) und Meyer-Goßner Rdn. 5: alle zu § 7 StrEG.
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eine strafprozessuale Kostenerstattung nach § 4 6 7 a StPO ausscheidet 9 9 9 oder das Bußgeldverfahren nach § 4 7 O W i G eingestellt wird. Im Übrigen sind nur solche Auslagen für die Verteidigung zu erstatten, die in ausscheidbarer Weise gerade für die Abwehr bzw. Aufhebung des Vollzuges der nach S 8 Abs. 2 StrEG in der Entschädigungsentscheidung bezeichneten Strafverfolgungsmaßnahme entstanden sind. 1 0 0 0 Dies macht keine Schwierigkeit, w o der Beschuldigte den Verteidiger ausschließlich zum ξ l i l a StPO-Verfahren bestellt hat, was in der Praxis jedoch eher selten vorkommt. Ist der Verteidiger auch mit der Verteidigung gegen die Anklage insgesamt beauftragt, kann der lediglich auf die Abwehr/Aufhebung der Führerscheinmaßnahme entfallende Anteil der Verteidigertätigkeit nur nach S 2 8 7 Z P O geschätzt werden (umstritten). 1 0 0 1 214
b) Nicht erstattungsfähig ist nach ganz überwiegender Ansicht der Nutzungsausfall eines führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeuges: 1 0 0 2 Die Nutzungsmöglichkeit ist insoweit nicht durch unmittelbare Einwirkung auf den Nutzungsgegenstand selbst vereitelt worden; der Grund für die Nichtbenutzbarkeit des Fahrzeugs liegt vielmehr ausschließlich im persönlichen (und daher allein diesem zuzurechnenden!) Bereich des Beschuldigten/Nutzungsberechtigten. 1 0 0 3 Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Kraftfahrzeug zur (auch privaten) ausschließlichen Benutzung überlassen h a t . 1 0 0 4 Eine Entschädigung ist in diesen Fällen nur angebracht, wenn und soweit dem Beschuldigten infolge des vorübergehenden Entzuges der Fahrerlaubnis/des Führerscheins tatsächlich finanzielle Mehrbelastungen entstanden sind: etwa Taxi- oder Mietwagenkost e n , 1 0 0 5 Kosten für die Anstellung eines Ersatzfahrers, 1 0 0 6 entgeltliche Mitnahme durch
9 9 9 BGHZ 65 170 (= NJW 1975 2343). 1000 V g l D M e y e r DAR 1992 236. 1001 So jedenfalls BGHZ 68 87(= NJW 1977 957); ebenso Scbätzler/Kunz § 7 StrEG Rdn. 27. Demgegenüber will D. Meyer diese Frage nach den allgemeinen Kriterien der sog. „Differenzierungsmethode" beantworten (näher dazu ders. § 7 StrEG Rdn. 16 f: dort S. 228 f); in dieser Richtung auch LG Duisburg JurBüro 1984 244 und LG Flensburg JurBüro 1978 250. 1002 Nicht durchgesetzt hat sich die Ansicht von Nickel (DAR 1972 181; dagegen aber Loewe DAR 1972 272), der die Rechtsprechung der Zivilgerichte, wonach dem Geschädigten in Fällen objektiver Unbenutzbarkeit des beschädigten Kraftfahrzeuges im Hinblick auf die entgangene Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeuges Geldersatz („Karenzschaden") zugebilligt wird (BGHZ 45 212 = NJW 1966 1260 und BGH NJW 1968 1778 und 1970 1120), auf den Fall übertragen will, dass dem Berechtigten die Nutzung des Fahrzeuges aus rein persönlichen Gründen (hier: fehlende Fahrerlaubnis) versagt ist; auf dieser Linie auch OLG Karlsruhe (10.8.73 - 10 U 82/73), zitiert nach Händel Blutalkohol 1975 251. -
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Davon zu trennen ist die Frage, ob bei (unberechtigter) Beschlagnahme des Kraftfahrzeuges eine Entschädigung nach den Vorschriften des StrEG in Betracht kommt; s. dazu OLG Schleswig NJW-RR 1986 775 sowie OLG Düsseldorf NJW-RR 1993 36 (dort zur Entschädigung bei entgangener Nutzung eines zwecks Reparatur über einen Zeitraum von zwei Jahren sichergestellten „Oldtimers"). 1 0 0 3 Grundlegend BGHZ 63 203 (= NJW 1975 347 = DAR 1975 79); ebenso OLG Düsseldorf MDR 1974 40 sowie LG Stuttgart NJW 1973 631 und LG München I DAR 1973 98. Zustimmend Loewe DAR 1972 272, D. Meyer JurBüro 1990 685 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 1085; s. ferner Meyer-Goßner Rdn. 4, Schätzler/Kunz Rdn. 58 und D. Meyer Rdn. 16 (dort: S. 237): alle zu § 7 StrEG. 1004 BGHZ 65 170 (= NJW 1975 2341 = J Z 1976 278: dort teilweise kritisch Stoll aaO S. 281). 1 0 0 5 OLG Celle NdsRpfl 1973 103. 1006 Zur Einstellung eines Aushilfsfahrers BGH NJW-RR 1991 551 und zum Sonderfall einer vorübergehend als Fahrerin des Betroffenen (und persönlich haftenden Gesell-
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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Dritte 1 0 0 7 oder wirtschaftliche Nachteile durch nachweisbaren gravierenden Zeitverlust. 1 0 0 8 Führt die Ehefrau des Beschuldigten das Fahrzeug, kann die Entschädigung in Anlehnung an die Sätze des ZSEG bemessen werden; dies jedoch nur, wenn eine solche Hilfe der (nicht selbst berufstätigen) Ehefrau im Rahmen ehelicher Lebensgemeinschaft nicht als unentgeltlich zuzumuten ist (was bei einer täglichen Hin- und Rückfahrt zur Arbeitsstelle von je ca. 15 Minuten der Fall sein dürfte 1 0 0 9 ). Aus dem auch im Rahmen des § 7 StrEG gültigen Grundsatz des § 254 BGB folgt im Übrigen die Pflicht des Geschädigten, mögliche Vermögensschäden in zumutbarer Weise so gering wie möglich zu halten; daher ist in allen diesen Fällen zu prüfen, ob und inwieweit nach Lage des Einzelfalles die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für den Betroffenen zumutbar und kostengünstiger gewesen wäre. Ist dies der Fall, können insgesamt nur die fiktiven Kosten erstattet werden, die bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstanden wären; die Unbequemlichkeit allein, mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu müssen, ist jedenfalls kein erstattungsfähiger Vermögensschaden. Folglich bilden die fiktiven Kosten für öffentliche Verkehrsmittel in solchen Fällen häufig die Erstattungsobergrenze. 1010 Weitere Kasuistik. Nicht erstattungsfähig sind die allgemeinen Betriebskosten des Fahrzeugs, entstehen diese doch unabhängig davon, ob der Betroffene das Fahrzeug benutzt oder nicht; 1 0 1 1 für erforderliche zusätzliche Fahrtstrecken (zur und von der Arbeitsstelle) kann der Beschuldigte somit nur die nachweisbaren Mehrkosten ersetzt verlangen. Nicht erstattungsfähig sind ferner reine Unterhaltskosten, wie sie vom Beschuldigten aufgewendet werden müssen, um das Fahrzeug während der Dauer der Führerscheinmaßnahme fahrbereit zu halten (z.B. Garagenmiete); solche Kosten wären auch ohne die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis/Sicherstellung des Führerscheins entstanden. 1012 Nutzt der Beschuldigte wegen des Vollzugs einer vorläufigen Führerscheinmaßnahme sein Fahrzeug nicht, sind die ersparten Betriebskosten ihm auf den Auslagenersatz für die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen. 1013 Nicht erstattungsfähig sind z.B. die Kosten für die Fahrschule der Ehefrau, die das Familienauto fahren soll, 1 0 1 4 anteilige Versicherungs- und Steuerbeträge für die Dauer der Führerscheinmaßnahme 1015 oder Trinkgelder für den Taxifahrer. 1016 Nicht erstattungsfähig ist schließlich eine allgemeine Unkostenpauschale; Nebenkosten (z.B. Porto-, Telephon- oder Telefax-Kosten) können nur dann ersetzt werden, wenn sie ausscheidbar durch die Abwehr gegen den Vollzug der Führerscheinmaßnahme entstanden sind (z.B. bei Anwaltskorrespondenz). 1017
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schafters einer KG) eingesetzten Sekretärin BGH DAR 1 9 7 9 171; s. dazu auch OLG Düsseldorf M D R 1974 40. Überwiegende Zustimmung im Schrifttum: vgl. Loewe DAR 1972 273, Händel VOR 1973 244, Sto//JZ 1976 2 8 2 sowie D. Meyer Rdn. 16 (dort S. 238) und Schätzler/Kunz Rdn. 4 4 : beide je zu § 7 StrEG. Ebenso Händel Blutalkohol 1975 252. Schätzler/Kunz 4 4 zu S 7 StrEG. So jedenfalls LG Flensburg DAR 1991 62; zustimmend D. Meyer JurBüro 1990 685. LG Flensburg N Z V 1990 3 9 6 ; ebenso
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D. Meyer JurBüro 1990 685 sowie Händel Blutalkohol 1975 2 5 2 . LG Flensburg N Z V 1990 396. OLG Düsseldorf VersR 1973 1148; s. zu diesem Zusammenhang auch BGHZ 55 146. LG Flensburg DAR 1 9 9 9 279. D. Meyer 16 zu § 7 StrEG (dort: S. 234). BGHZ 55 146, OLG Düsseldorf VersR 1973 1148 und LG Flensburg JurBüro 1985 379. LG Flensburg DAR 1999 2 8 0 . Zutreffend LG Flensburg DAR 1 9 9 9 2 8 0 .
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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5. Das Verfahren nach dem StrEG gliedert sich in zwei Abschnitte: in das Grundverfahren, in dem durch Entscheidung des Strafrichters die Entschädigungspflicht der Staatskasse dem Grunde nach festgestellt wird, und das anschließende Betragsverfahren, in dem die Höhe der Entschädigung durch Geltendmachung des Anspruchs vor der Justizverwaltungsbehörde und bei einem etwaigen Rechtsstreit vor den Zivilgerichten bestimmt wird. S. hierzu auch die Ausführungsvorschriften zum StrEG (Anlage C zu RiStBV).
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a) Das Grundverfahren ist im Wesentlichen in den § § 8 und 9 StrEG geregelt: aa) Bei Gerichtshängigkeit des Verfahrens entscheidet über die Verpflichtung zur Entschädigung das Gericht, welches das Verfahren abschließt (§ 8 Abs. 1 S. 1 StrEG). Zuständig ist der zuletzt entscheidende Tatrichter, das Berufungsgericht (bzw. das erkennende Gericht im Einspruchsverfahren gegen einen Strafbefehl) jedoch nur dann, wenn es (nach zulässigem Rechtsmittel) auch eine Sachprüfung in der Hauptsache vorzunehmen berechtigt ist. Dies folgt nicht nur aus dem eigenständigen Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 8 Abs. 3 StrEG), mit der ein Beschuldigter die Entschädigungsentscheidung gesondert überprüfen lassen kann, sondern auch aus dem Annexcharakter der Entschädigungsentscheidung; danach macht die Aufhebung/Abänderung der Entscheidung in der Hauptsache auch eine Neuentscheidung der Entschädigungsfrage notwendig, sofern dieser durch die neue Hauptentscheidung die Grundlage entzogen ist. 1 0 1 8 Zu der davon zu trennenden Frage, ob das gegen die Hauptsachenentscheidung gerichtete Rechtsmittel (Berufung/ Revision) zwangsläufig auch die Entscheidung über die Entschädigungsverpflichtung erfasst und welche Folgen die Aufhebung/Abänderung der Hauptentscheidung auf den Fortbestand der Entschädigungsentscheidung hat, s. nachfolgend Rdn. 223. Ist das Rechtsmittel unzulässig bzw. wird es nicht angenommen (§§ 313 und 322a StPO) oder ist das Rechtsmittelgericht trotz an sich zulässigen Rechtsmittels gehindert, eine Sachprüfung vorzunehmen (§§ 329 Abs. 1 oder 412 StPO), ist es auch an einer sachlichen Überprüfung der Entschädigungsentscheidung gehindert. Daraus folgt umgekehrt, dass das Berufungsgericht (oder das Gericht im Einspruchsverfahren gegen einen Strafbefehl) nach durchgeführtem Rechtsmittel (von Amts wegen) auch die Entschädigungsentscheidung zu überprüfen und ggf. neu zu entscheiden hat; dies jedoch nur, wenn das Rechtsmittel mindestens teilweise Erfolg hat und die Sachentscheidung ganz oder teilweise geändert wird. 1019 Als teilweiser Erfolg ist auch die Einstellung nach § 153a StPO im Berufungsrechtszug zu werten. 1 0 2 0
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Somit muss auch das Revisionsgericht (von Amts wegen) über die Entschädigungspflicht entscheiden, wenn es in der Sache selbst erkennt und das Verfahren ohne weitere tatrichterliche Feststellungen durch Freispruch oder Einstellung zum Abschluss bringt (§ 354 Abs. 1 StPO); sofern der Entschädigungsentscheidung dadurch die Grundlage entzogen ist, darf das Revisionsgericht die Entscheidung der Entschädigungsfrage nicht dem Tatrichter überlassen, 1021 sondern hat ohne Bindung an die rechtliche Würdigung der 1018 j-jierzu und zum Folgenden vor allem D. Meyer Vor §§ 8 Rdn. 8 und § 8 Rdn. 9, 11 f. 1 0 1 5 So auch die gefestigte Rechtsprechung der Oberlandesgerichte: vgl. BayObLG VRS 43 (1972) 369, OLG Karlsruhe N J W 1972 2 3 2 3 sowie OLG Celle VRS SO (1976) 122 und VRS 51 (1976) 4 4 0 ; ebenso MeyerGoßner 15 zu § 8 StrEG. Gegenteiliger Ansicht D. Meyer Rdn. 35 und offenbar
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auch Schätzler/Kunz Rdn. 32: je zu § 8 StrEG. OLG Düsseldorf NStE Nr. 2 zu § 8 StrEG. So aber noch OLG Hamm NJW 1977 2 0 9 (mit dem Hinweis, andernfalls ginge dem Angeklagten im Hinblick auf § 3 0 4 Abs. 4 S. 2 StPO gemäß § 8 Abs. 3 StrEG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde verloren) sowie OLG Düsseldorf VRS 54 (1978) 4 4 .
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Vorinstanz neu zu entscheiden. 1 0 2 2 Ist das Verfahren in der Hauptsache zu weiteren Feststellungen an den Tatrichter zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO), ist dieser auch für die abschließende Entscheidung über die Entschädigungsfrage zuständig (unbestritten). Nach Freispruch im Revisionsrechtszug ist die Sache schließlich auch dann zur Entscheidung über die Entschädigungspflicht an das Landgericht zurückzugeben, wenn und soweit die aufgehobene Strafverfolgungsmaßnahme durch eine vom Vorgericht ausgesprochene Strafverfolgungsbeschränkung (§ 154a StPO) nicht Gegenstand des angefochtenen Urteils und damit auch nicht Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung geworden ist. 1 0 2 3 Umstritten ist, ob das Revisionsgericht die Sache zur Entscheidung der Entschädigungsfrage auch an das Tatgericht zurückverweisen darf, wenn nur noch tatsächliche Umstände aufzuklären sind, die ausschließlich die Entschädigungsfrage betreffen. Mit der Begründung, es handle sich hierbei um eine vorrangig tatrichterliche Aufgabe, bejaht insbesondere der BGH diese Frage. 1 0 2 4 Dies ist jedoch mit dem Grundanliegen des StrEG, die Entscheidung der Entschädigungsfrage als Annex der Hauptsache möglichst in eine richterliche Hand zu geben und diese Entscheidung zweckmäßigerweise in der verfahrensabschließenden Entscheidung zu treffen, kaum zu vereinbaren; zudem ist sie wenig prozessökonomisch. Daher sind die Revisionsgerichte gehalten, die Entschädigungsfrage auch dann selbstverantwortlich zu entscheiden, wenn dafür weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sind, was auch im Rahmen des Revisionsrechtszuges unschwer im Nachverfahren nach § 8 Abs. 1 S. 2 StrEG (dazu nachfolgend Rdn. 219) geschehen kann. 1 0 2 5 Bei Wiederaufnahme des Verfahrens trifft die (ggf. nachträgliche) EntschädigungsentScheidung das nach §§ 373 StPO i.V. mit 140a GVG zuständige Gericht; denn selbst wenn das frühere (freisprechende) Urteil aufrechterhalten wird, handelt es sich bei der Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren um die nunmehr das Gesamtverfahren abschließende Entscheidung i.S. von § 8 Abs. 1 S. 1 StrEG. 1 0 2 6
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Die Entscheidung über die Verpflichtung der Staatskasse zur Entschädigung erfolgt in aller Regel nicht durch besondere Entscheidung, sondern (als Annexentscheidung zur Hauptsache) in dem das Verfahren abschließenden Urteil oder Beschluss (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG), 1 0 2 7 und zwar von Amts wegen. Da auch die Einstellung nach § 154 Abs. 2
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Insoweit heute wohl unbestritten: vgl. BGH bei Holtz MDR 1980 9 8 8 und MDR 1983 450, BGH StV 1984 475, OLG Frankfurt DAR 1973 161, OLG Schleswig bei ErnestH Jürgens SchlHA 1973 194, KG GA 1973 379, OLG Hamm VRS 5 7 (1979) 186 sowie zuletzt OLG Düsseldorf NStZ 1990 3 9 (zustimmend D. Meyer NStZ 1990 4 0 und Schätzler GA 1990 36) und VRS 81 (1991) 127. Weithin Zustimmung im Schrifttum: D. Meyer § 8 StrEG Rdn. 38 und MDR 1978 2 8 4 , Meyer-Goßner Rdn. 16 und Schätzler/Kunz Rdn. 33: alle zu § 8 StrEG. BGH N J W 1988 2 4 4 (a.E.); zustimmend Meyer-Goßner § 8 StrEG Rdn. 1. BGH bei Holtz MDR 1977 811 und MDR 1978 2 8 2 , J Z 1980 241, NJW 1984 1312, NJW 1990 2 0 7 3 sowie NJW 1991 1840
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(a.E.); auf dieser Linie schon früher OLG Celle VRS 51 (1976) 4 4 0 und OLG Düsseldorf VRS 5 4 (1978) 44. Zustimmung im Schrifttum bei Kuckein KK Rdn. 2 6 und Paulus KMR Rdn. 4: je zu § 354 StPO. In diesem Sinn ausführlich D. Meyer M D R 1978 2 8 4 ; ebenso ders. Rdn. 3 7 f sowie Schätzler/Kunz Rdn. 35: je zu § 8 StrEG. OLG Köln GA 1992 180; zustimmend Meyer-Goßner § 8 StrEG Rdn. 16a. Selbst wenn die Entschädigungsentscheidung außerhalb der Hauptverhandlung durch isolierten Beschluss (§ 8 Abs. 1 S. 2 StrEG) ergeht, bedarf sie als Teil der Hauptentscheidung keiner selbstständigen Entscheidung über Kosten und Auslagen: OLG Bremen MDR 1975 6 0 2 ; zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 1104.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
StPO eine verfahrensabschließende Entscheidung ist, 1 0 2 8 muss ggf. auch ein solcher Einstellungsbeschluss eine Entschädigungsentscheidung enthalten. 1029 Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich (z.B. wegen weiterer Beweiserhebungen über die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung oder über das Vorliegen von Ausschlussoder Versagungsgründen), kann das Gericht nach Anhörung der Beteiligten auch außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 StrEG). Von dieser (im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden) Möglichkeit macht die Praxis häufigen Gebrauch, 1 0 3 0 gelegentlich auch ohne zu bedenken, dass die Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung nach dem Sinn der Vorschrift Ausnahme bleiben sollte. 1031 Sofern die Entschädigungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Staatsanwaltschaft somit darauf hinzuwirken, dass die Entschädigungsentscheidung möglichst bereits in der Hauptverhandlung ergeht. 1032 Ist eine Entscheidung über die Entschädigungspflicht in der verfahrensabschließenden Entscheidung (wenn auch versehentlich) unterblieben, folgt daraus nicht zwangsläufig eine (konkludente) Ablehnung der Entschädigung, die nur durch sofortige Beschwerde zu beseitigen wäre: 1 0 3 3 vor allem deshalb nicht, weil (ausweislich von § 4 6 4 StPO zwar jede verfahrensabschließende Entscheidung eine Kosten- und Auslagenentscheidung enthalten muss) eine solche Pflicht im Verfahren nach § 8 StrEG gerade nicht vorgesehen ist. Hier kann die Entscheidung über die Entschädigungspflicht im isolierten Beschlussverfahren nachgeholt werden, was die Beteiligten durch formlosen Antrag oder ggf. auch (doch nicht nur) mittels sofortiger Beschwerde 1034 (dazu Rdn. 222) erreichen können; eine gesetzliche Frist läuft hierfür nicht. 1 0 3 5 Gleiches gilt, wenn über die Entschädigung in der abschließenden Entscheidung nur teilweise entschieden worden ist
Ebenso OLG Düsseldorf AnwBl 1979 40 und VRS 73 (1987) 457, OLG Celle NStZ 1983 329 sowie LG Hamburg NJW 1974 373; auf dieser Linie auch Plöd KMR § 154 StPO Rdn. 17, Meyer-Goßner § 8 StrEG Rdn. 2 sowie Schätzler/Kunz § 2 StrEG Rdn. 2 5 ff. 1 0 2 9 Gegenteiliger Ansicht KG GA 1973 243, OLG Bremen NJW 1976 2 3 5 7 und LG Berlin MDR 1983 159; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 1091. 1 0 3 0 Vgl. etwa OLG Stuttgart Justiz 1972 327, OLG Düsseldorf NJW 1973 1660 und OLG Hamm Blutalkohol 1974 353; zustimmend Händel Blutalkohol 1975 238. 1031 Schätzler/Kunz Rdn. 23 und D. Meyer Rdn. 18: je zu § 8 StrEG. Gegen den obergerichtlich tolerierten (s. die Nachweise in der vorangehenden Fußnote) extensiven Gebrauch des isolierten Beschluss-Verfahrens nach § 8 Abs. 1 S. 2 StrEG auch Hentschel Trunkenheit Rdn. 1092. 1032 Yg] feil I/A I der Anlage C (Ausführungsvorschriften zum StrEG) zu den RiStBV. 1 0 3 3 So aber Naton NJW 1973 4 7 9 (gegen LG Braunschweig NJW 1973 210) und ihm folgend Seier GA 1980 4 0 9 ; auf dieser strengen Linie nunmehr auch D. Meyer § 8 1028
1074
Rdn. 2 4 f: Nachholung im isolierten Beschlussverfahren nur zur Berichtigung offenbarer Schreib- und Fassungsfehler; nachträgliche Berichtigung nur auf sofortige Beschwerde. 1034 Nach vereinzelter Ansicht (OLG München NJW 1977 2 0 9 0 und OLG Koblenz GA 1985 461) ist für eine sofortige Beschwerde vor Erlass der ergänzenden Entscheidung im isolierten Beschlussverfahren jedoch kein Raum (fraglich). 1 0 3 5 So die ersichtlich großzügige (nicht ganz unbedenkliche) Praxis: vgl. OLG Stuttgart Justiz 1972 327 und NStZ 2 0 0 1 496, OLG Düsseldorf NJW 1973 1660 und MDR 1980 958 (Leitsatz), BayObLG bei Rüth DAR 1973 211, OLG Hamm NJW 1974 374, OLG Zweibrücken VRS 4 7 (1974) 443, OLG Karlsruhe StV 1984 4 7 4 und OLG Koblenz GA 1985 461 sowie LG Braunschweig NJW 1973 210 (dagegen aber Naton NJW 1973 479), LG Bonn MDR 1975 76 und LG Flensburg DAR 1982 338; ebenso Meyer-Goßner Rdn. 7 und Schätzler/Kunz Rdn. 28 - je zu § 8 StrEG - sowie Händel Blutalkohol 1975 238 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 1094.
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
(z.B. nur wegen vorläufiger Festnahme, nicht jedoch wegen vorläufiger Führerscheinmaßnahmen oder umgekehrt); auch in diesem Fall kann die Entschädigungsentscheidung nachgeholt werden. 1 0 3 6 O b bei Verzicht des Beschuldigten auf Entschädigung (der nach allgemeinen Regeln an sich in jedem Stadium des Verfahrens zulässig ist 1 0 3 7 ) auch eine Entscheidung nach § 8 Abs. 1 StrEG entbehrlich ist, ist umstritten. 1 0 3 8 Im Hinblick auf mögliche Ersatzansprüche unterhaltsberechtigter Personen ( § 1 1 StrEG) ist diesbezüglich zu differenzieren: (1) Sind keine unterhaltsberechtigten Personen vorhanden (was das Gericht festzustellen und nach Möglichkeit aktenkundig zu machen hat), kann eine Entscheidung nach § 8 Abs. 1 StrEG bei erklärtem Entschädigungsverzicht des Beschuldigten als überflüssig unterbleiben. Sofern unterhaltsberechtigte Personen später dennoch Entschädigungsansprüche geltend machen, kann die Entscheidung im (isolierten) Beschlussverfahren (§ 8 Abs. 1 S. 2 StrEG) nachgeholt werden. 1 0 3 9 (2) Sind Unterhalts berechtigte Personen vorhanden (deren Unterhaltsersatzanspruch im Fall - unberechtigter - vorläufiger Führerscheinmaßnahmen praktisch aber kaum relevant sein wird), kann eine Entscheidung des Gerichts nach § 8 Abs. 1 StrEG trotz Entschädigungsverzichtes des Beschuldigten im Hinblick darauf zweckmäßig sein, dass eine solche Entscheidung unverzichtbare Voraussetzung des (ansonsten selbstständigen) Unterhaltsersatzanspruchs etwaiger unterhaltsberechtigter Personen des Beschuldigten ist. 1 0 4 0 Ungeachtet dessen schadet das Fehlen einer Entscheidung über die Entschädigungsverpflichtung selbst in diesem Fall nicht, kann eine solche Entscheidung doch im isolierten Beschlussverfahren (§ 8 Abs. 1 S. 2 StrEG) jederzeit nachgeholt werden. 1 0 4 1
220
bb) War das Verfahren noch nicht gerichtshängig (etwa weil die Staatsanwaltschaft die Sache bereits innerhalb ihrer Zuständigkeit endgültig eingestellt hat), entscheidet über die Entschädigungspflicht das Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft (§ 9 Abs. 1 S. 1 StrEG). Hat diese das Verfahren eingestellt, nachdem sie die öffentliche Klage zurückgenommen hat, trifft die Entschädigungsentscheidung das Gericht, das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre (Satz 2). Im Unterschied zu § 8 StrEG, wo die Entscheidung des Gerichts von Amts wegen zu erfolgen hat (Rdn. 2 1 7 ff), ergeht eine Entscheidung in diesen Fällen nur auf Antrag des Beschuldigten (Satz 3). Der
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LG Bonn MDR 1975 76. OLG Stuttgart MDR 1992 897; ebenso D. Meyer Vor § 1 StrEG Rdn. 14 und Seebode NStZ 1982 146. Zur Frage, ob damit zwangsläufig auch die sofortige Beschwerde ( § § 8 Abs. 3 und 9 Abs. 2 StrEG) ausgeschlossen ist, s. nachfolgend Rdn. 222. Dazu vor allem D. Meyer Vor § 1 Rdn. 10 ff; § 8 StrEG Rdn. 8 ff; zum Entschädigungsausschluss bei Trunkenheitsfahrten insbesondere wegen Verzicht (z.B. bei Verfahrenseinstellungen oder sich abzeichnenden Freisprüchen) s. neuerdings auch Sandherr DAR 2 0 0 7 421 f. Zur Frage der Entbehrlichkeit der Entscheidung für den Fall, dass ersichtlich überhaupt kein Vermögensschaden entstanden ist, s. nachfolgend Rdn. 225.
OLG Stuttgart MDR 1992 897 („leerer Formalismus"); ebenso D. Meyer Vor § 1 Rdn. 14, Schätzler/Kunz § 8 StrEG Rdn. 2 0 und Seebode NStZ 1982 146. 1040 a u s diesem Grund wird vereinzelt die Auffassung vertreten, im Hinblick auf § 11 StrEG sei eine entsprechende Entscheidung des Gerichts selbst bei Verzicht des Beschuldigten generell geboten: OLG München NJW 1973 721, OLG Karlsruhe Justiz 1976 367 und KG VRS 72 (1987) 382; ebenso Meyer-Goßner § 8 StrEG Rdn. 3 sowie Händel Blutalkohol 1975 239. Differenzierend D. Meyer Rdn. 8 und Schätzler/Kunz Rdn. 2 0 f: je zu § 8 StrEG. 1 0 4 1 Vgl. Hentschel Trunkenheit Rdn. 1096. 1039
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Antrag muss innerhalb Monatsfrist nach Zustellung der Mitteilung über die Verfahrenseinstellung gestellt werden (Satz 4). In dieser Mitteilung ist der Beschuldigte zugleich über sein Antragsrecht, die Einmonatsfrist sowie über das zuständige Gericht zu belehren (Satz 5). War die Erhebung der öffentlichen Klage von dem Verletzten beantragt, wird der Beschuldigte ferner darüber belehrt, dass über die Entschädigungspflicht nicht entschieden wird, solange durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Erhebung der öffentlichen Klage herbeigeführt werden kann. Bei der Belehrung ist darauf zu achten, dass sie nicht als Zusicherung einer Entschädigung missverstanden wird. 1 0 4 2 Ebenso wie bei § 8 StrEG darf das Gericht den Antrag auf Entschädigung auch im Rahmen von § 9 StrEG nicht im Hinblick auf § 7 Abs. 2 StrEG ablehnen; ob ein Vermögensschaden in Höhe von mehr als 2 5 Euro entstanden ist, betrifft nicht den „Grund" des Entschädigungsanspruchs, sondern ausschließlich dessen Höhe und ist somit erst im Betragsverfahren (S 10 StrEG) zu prüfen. 1 0 4 3 222
cc) Gegen die Entschädigungsentscheidung des Strafgerichtes ist die sofortige Beschwerde zulässig ( § § 8 Abs. 3 und 9 Abs. 2 StrEG), und zwar innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 S. 1 StPO und ohne Rücksicht darauf, ob die Hauptentscheidung kraft Gesetzes (z.B. §§ 153 Abs. 2 S. 4 oder 153a Abs. 2 S. 4 StPO) oder mangels Beschwer (z.B. § 2 0 6 a StPO) unanfechtbar ist; denn die Einschränkung des 2. Halbsatzes von § 4 6 4 Abs. 3 S. 1 StPO ist durch § 8 Abs. 3 S. 1 StrEG gesetzlich ausgeschlossen. Anderes gilt für (erst- wie letztinstanzliche) Entscheidungen der Oberlandesgerichte; denn wie aus § 8 Abs. 3 S. 1 StrEG i.V. mit den dort für anwendbar erklärten § § 3 1 1 und (hier) 3 0 4 Abs. 4 S. 2 StPO folgt, ist gegenüber Entschädigungsentscheidungen eines O L G (zu dessen Zuständigkeit nach § 8 StrEG bereits Rdn. 218) auch eine sofortige Beschwerde ausgeschlossen. 1 0 4 4 Die Wertgrenze des § 3 0 4 Abs. 3 StPO ( 2 0 0 Euro) ist hier nicht zu beachten; die Entscheidung nach § § 8 und 9 StrEG betrifft nur den Grund, nicht jedoch die in diesem Stadium des Verfahrens noch ungeklärte (und auch unerhebliche) Höhe des (erst im späteren Betragsverfahren geltend zu machenden) Entschädigungsanspruchs. 1045 Bei (wirksamem) Verzicht des Berechtigten auf Entschädigung ist die sofortige Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnisses ausgeschlossen. 1046 Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden (§ 8 Abs. 3 S. 2 StrEG i.V. mit § 4 6 4 Abs. 3 S. 2 StPO); 1 0 4 7 diese Bindungswirkung schließt aber ergänzende Feststellungen nicht aus, wenn sie sich aus den Akten ergeben. 1 0 4 8 Keine Anwendung findet das Verbot der Schlechterstellung; denn die §§ 331 Abs. 1 und 358 Abs. 2 StPO verbieten lediglich eine dem Angeklagten nachteilige Änderung der Rechtsfolgen
1042 V g l T e i i j/A υ N r 1 d e r Anlage C (Ausführungsvorschriften zum StrEG) zu den RiStBV. AG Münster MDR 1973 249; ebenso Händel Blutalkohol 1975 252 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 1095. 1044 BGHSt 26 250 (= NJW 1976 525); ebenso Meyer-Goßner § 8 StrEG Rdn. 19. 1045 Anderer Ansicht OLG Düsseldorf JMB1 NW 1978 170. Wie hier aber OLG München NJW 1973 721 und KG JR 1981 524; zustimmend Meyer-Goßner Rdn. 20 und
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D. Meyer Rdn. 50 - je zu § 8 StrEG - sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 1103. Gegen OLG München NJW 1973 721 (im Hinblick auf ξ 11 StrEG) zu Recht OLG Karlsruhe Justiz 1981 450; ebenso MeyerGoßner Rdn. 19 und D. Meyer Rdn. 69: je zu ξ 8 StrEG. Zu Umfang und Grenzen der Bindungswirkung s. vor allem D. Meyer Rdn. 54 ff, Schätzler/Kunz Rdn. 58 ff und Meyer-Goßner Rdn. 21 f: je zu § 8 StrEG. OLG Nürnberg NStZ-RR 1997 189.
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§69
der Tat, nicht jedoch (eine Verschlechterung der Kosten- oder Auslagenentscheidung 1049 und somit auch nicht) der ihr nachgebildeten Entscheidung über eine Entschädigungspflicht bei unberechtigten Strafverfolgungsmaßnahmen. 1050 Eine weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichtes ist ausgeschlossen (§ 310 StPO). Nach weithin herrschender (zutreffender) Ansicht erstrecken sich die Rechtsmittel (Berufung/Revision) gegen die Hauptentscheidung nicht zugleich auf die Entschädigungsentscheidung. Soll die angefochtene Entscheidung also auch für den Fall überprüft werden, dass die Hauptentscheidung (ggf. auch mit anderer Begründung) bestehen bleibt, bedarf es hierzu gesonderter Anfechtung mit der sofortigen Beschwerde; denn allgemeine Rechtsmittel ergreifen eine Entscheidung nur, soweit für die Anfechtung einzelner Nebenentscheidungen keine speziellen Rechtsmittel zur Verfügung stehen. 1051 Dass hier die sofortige Beschwerde nach § § 8 Abs. 3 und 9 Abs. 2 StrEG das zur Anfechtung der Entschädigungsentscheidung allein vorgesehene Rechtsmittel ist, folgt nicht nur aus Wortlaut und Sinnzusammenhang der genannten Vorschriften, sondern auch aus den Gesetzesmaterialien zu dem ähnlich gelagerten (und dem StrEG bekanntlich zum Vorbild dienenden) Fall des § 4 6 4 Abs. 3 StPO (Anfechtung der Kosten- und Auslagenentscheidung nur mit der sofortigen Beschwerde). 1052 Berufung oder Revision können somit nur dann zugleich als sofortige Beschwerde gegen die Entschädigungsentscheidung behandelt werden, wenn der Beschwerdeführer hinreichend erkennbar zum Ausdruck bringt, dass auch die Entschädigungsentscheidung angefochten werden soll; 1 0 5 3 dies muss jedoch innerhalb der Beschwerdefrist von einer Woche (§ 311 Abs. 2 StPO) erfolgen. 1 0 5 4 Ungeachtet dessen hat das Rechtsmittelgericht die nicht gesondert angefochtene Entschädigungsentscheidung mitaufzuheben und ggf. neu zu entscheiden, wenn das (nur) gegen die Hauptentscheidung gerichtete Rechtsmittel ganz oder teilweise durchgreift: dies aber nur, soweit durch Aufhebung bzw. Abänderung der Hauptentscheidung auch der Nebenentscheidung über die Entschädigungsverpflichtung die Grundlage entzogen ist oder jedenfalls Anlass geben kann, die Entschädigungsfrage anders zu entscheiden. 1055
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dd) Der Entschädigungsanspruch entsteht erst mit Rechtskraft der eine Entschädigung zusprechenden Entscheidung (konstitutive Wirkung), doch nur dem Grunde nach.
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So schon BGHSt 5 5 2 (seither unbestritten). LG Flensburg JurBüro 1982 882; ebenso D. Meyer Rdn. 58, Meyer-Goßner Rdn. 22 und Schätzler/Kunz Rdn. 4 6 : je zu § 8 StrEG. So im Anschluss an BGHSt 2 5 77 (dort zur Auslagen- und Kostenentscheidung nach § 4 6 4 Abs. 3 S. 1 StPO) gefestigte obergerichtliche Judikatur: vgl. BayObLG VRS 43 (1972) 2 8 2 , OLG Karlsruhe N j W 1972 2323, OLG Frankfurt NJW 1974 2 0 2 , OLG Celle VRS 5 0 (1976) 122 und OLG Düsseldorf GA 1976 183 und JMB1 N W 1988 33 sowie OLG Schleswig bei Ernesti/ Lorenzen SchlHA 1980 184; allenthalben Zustimmung im Schrifttum: vgl. D. Meyer Rdn. 59 ff, Schätzler/Kunz Rdn. 67 und Meyer-Goßner Rdn. 18: je zu § 8 StrEG. So auch BGHSt 2 5 77 (= NJW 1973 336)
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zu § 4 6 4 Abs. 3 StPO (dort mit weiteren Nachweisen). OLG Düsseldorf GA 1976 183 und OLG Frankfurt a.M. N J W 1974 2 0 2 ; zustimmend Hentscbel Trunkenheit Rdn. 1099. Bedenklich insofern die beiläufige Äußerung, ein (selbst innerhalb der Beschwerdefrist eingegangener) Schriftsatz, mit dem Berufung eingelegt wurde, könne nicht in eine sofortige Beschwerde umgedeutet werden (so aber OLG Karlsruhe NJW 1972 2323). Bedenklich daher BayObLG VRS 43 (1972) 2 8 2 . Wie hier jedoch BGHSt 2 5 77 (für die Auslagen- und Kostenentscheidung) sowie OLG Frankfurt N J W 1974 2 0 2 ; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 1101. BayObLG VRS 43 (1972) 2 8 2 und 369, OLG Celle VRS 5 0 (1976) 122 und OLG Karlsruhe NJW 1972 2 3 2 3 .
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Festzustellen, ob ein zu ersetzender Vermögensschaden überhaupt entstanden ist, ist dem Betragsverfahren vorbehalten (nachfolgend Rdn. 2 2 5 ff). 1 0 5 6 Da die strafgerichtliche Entscheidung verbindliche Grundlage für das Betragsverfahren ist (insoweit unbestritten), 1 0 5 7 erfasst die Bindungswirkung der (Grund-)Entscheidung nicht nur den Grund des Entschädigungsanspruchs (einschließlich der Person des Berechtigten), sondern auch alle Ausschluss- und Versagungsgründe i.S. der §§ 1 ff StrEG einschließlich der im Zusammenhang damit zu prüfenden Frage, ob der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme in zurechenbarer Weise verursacht hat oder ob der Zurechnungszusammenhang nachträglich unterbrochen worden ist (dazu schon Rdn. 196 f). Die Bindungswirkung der Grund-Entscheidung erfasst auch den in ihr (nach § 8 Abs. 2 StrEG) anzugebenden Entschädigungszeitraum. 1058 225
b) Nicht im Grund-, sondern im Betragsverfahren ( § § 1 0 und 13 StrEG) festzustellen ist die Frage, ob bzw. in welcher Höhe ein Vermögensschaden entstanden und ob dieser Schaden eine adäquat-kausale Folge der Strafverfolgungsmaßnahme ist. 1 0 5 9 Daher ist die Feststellung der Entschädigungspflicht in der (strafgerichtlichen) Grund-Entscheidung nicht etwa deshalb entbehrlich, weil offensichtlich überhaupt kein Schaden entstanden oder jedenfalls nicht adäquat-kausal durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursacht worden ist. 1 0 6 0 Dem Betragsverfahren vorbehalten ist auch die Prüfung, ob die Ausschlussfrist des § 12 StrEG gewahrt ist; dazu gehört auch die Feststellung, welche von mehreren strafrichterlichen Maßnahmen die verbindliche Grundentscheidung nach § 8 StrEG darstellt. 1 0 6 1 Kommen im Betragsverfahren Zweifel über Inhalt und Umfang des Entschädigungsanspruches auf, ist die Grundentscheidung nach allgemeinen Kriterien auszulegen, auf Antrag ggf. durch gerichtliche Entscheidung (analog § 4 5 8 Abs. 2 StPO). 1 0 6 2 Offenbare Unrichtigkeiten oder Lücken in der (strafgerichtlichen) Grundentscheidung (ausgenommen jedoch deutlich als solche zu erkennende Schreib- oder Fassungsfehler) können nur auf dem gesetzlich dafür vorgesehenen Weg korrigiert oder ergänzt werden, entgegen vereinzelter Ansicht 1 0 6 3 also nicht durch den „iudex a quo" und insbesondere auch nicht durch das Zivilgericht im Rahmen des Betragsverfahrens, sondern nur nach sofortiger Beschwerde (§ 8 Abs. 3 StrEG). 1 0 6 4
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aa) Das Betragsverfahren beginnt mit der Geltendmachung des (rechtskräftig) festgestellten Entschädigungsanspruchs. 1065 Der (mit seiner Entstehung „dem Grunde nach"
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BGHZ 6 3 2 0 9 (= NJW 1975 350) sowie BGHZ 103 113 (= NJW 1988 1141) und OLG Bamberg NStZ 1 9 8 9 185; heute unbestritten (D. Meyer Vor § 8 Rdn. 9 und Schätzler/Kunz § 8 StrEG Rdn. 7). BGHZ 6 3 2 0 9 (= N J W 1975 350), BGHZ 103 113 (= N J W 1988 1141) sowie BGHZ 108 14 (= N J W 1 9 8 9 2619) sowie OLG Düsseldorf M D R 1985 5 0 4 und OLG München MDR 1976 228. BGHZ 108 14 (= NJW 1 9 8 9 2619). BGHZ 6 3 2 0 9 (= N J W 1975 350) und OLG München M D R 1976 228. So zutreffend OLG Bamberg NStZ 1989 185 und LG Flensburg GA 1984 30; ebenso Meyer-Goßner § 8 StrEG Rdn. 1. Offenbar anderer Ansicht OLG Düsseldorf MDR
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1987 80 und OLG Jena NStZ-RR 2 0 0 5 125; differenzierend D. Meyer § 2 StrEG Rdn. 6. 1 0 6 1 BGHZ 108 14 (= N J W 1 9 8 9 2620). 1 0 6 2 D. Meyer § 8 StrEG Rdn. 4 4 . 1 0 6 3 OLG Düsseldorf M D R 1980 958 und LG München AnwBl 1981 2 9 2 ; ebenso MeyerGoßner § 8 StrEG Rdn. 11. Zur Ergänzung unvollständiger Entschädigungsentscheidungen nach § 8 StrEG s. auch Odenthal MDR 1990 961 ff. 1 0 6 4 Wie hier D. Meyer Vor § 10 StrEG Rdn. 5. 1065 D a z u auch Teil I/B (Verfahren zur Feststellung der Höhe des Entschädigungsanspruchs) der Anlage C (Ausführungsvorschriften zum StrEG) zu den RiStBV.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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vererbliche) Anspruch muss innerhalb von sechs Monaten bei der Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen im ersten Rechtszug zuletzt geführt hat, geltend gemacht werden. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Entschädigungsberechtigte es schuldhaft versäumt hat, ihn innerhalb der Frist zu stellen. Die Staatsanwaltschaft hat den Beschuldigten über sein Antragsrecht und die Frist zu belehren; diese beginnt erst mit Zustellung der Belehrung (§ 10 Abs. 1 StrEG). Über den Antrag entscheidet die Landesjustizverwaltung (§ 10 Abs. 2 StrEG). Die Länder haben diese Aufgabe überwiegend auf die Staatsanwaltschaften (die insofern als Verwaltungsbehörde und nicht als Strafverfolgungsorgan tätig werden) delegiert. Der Anspruch auf Entschädigung ist ausgeschlossen, wenn seit dem Ablauf des Tages, an dem die Entschädigungspflicht rechtskräftig festgestellt worden ist, ein Jahr verstrichen ist (§ 12 StrEG). Dabei handelt es sich um eine (in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtende) verschuldensunabhängige absolute Ausschlussfrist, bei deren Versäumung weder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch eine „Nachsicht"-Gewährung stattfindet und deren Ablauf auch nicht von der Belehrung über das Antragsrecht nach § 10 Abs. 1 StrEG abhängt. 1 0 6 6 bb) Hat die Landesjustizverwaltung den (nach § § 1 0 oder 11 StrEG) geltend gemachten Zahlungsanspruch in vollem Umfang oder teilweise abgelehnt, ist dagegen der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben (§ 13 Abs. 1 StrEG); dadurch ist die Anwendung der §§ 23 ff EGGVG ausgeschlossen (§ 23 Abs. 3 EGGVG). Hat die Staatsanwaltschaft den Entschädigungsantrag ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist sachlich beschieden, ist eine Klage ausnahmsweise auch ohne vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren zulässig (Analogie zu § 75 VwGO). 1 0 6 7 Die Klage ist nur innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der ablehnenden Entscheidung zulässig. Auch dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, bei deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattfindet; die Unterlassung der Belehrung 1068 hindert den Ablauf der Klagefrist nicht. 1 0 6 9 Zuständig sind (ohne Rücksicht auf den Streitwert) die Zivilkammern der Landgerichte (§ 13 Abs. 1 StrEG). Klageberechtigt ist nur, wer aus der strafgerichtlichen (Grund-)Entscheidung nach §§ 8 und 9 StrEG oder nach § 11 StrEG als Unterhaltsberechtigter befugt ist, ggf. auch deren Erbe, nicht jedoch ein Zessionar; denn vor rechtskräftiger Entscheidung über den Entschädigungsantrag ist eine Abtretung gesetzlich ausgeschlossen (§ 13 Abs. 2 StrEG). Wie bereits erläutert (Rdn. 224), ist es dem Zivilgericht versagt, im Verfahren über die Höhe des zu ersetzenden Vermögensschadens die schuldhafte Mitverursachung der vorläufigen Führerscheinmaßnahme durch den Beschuldigten (§ 254 BGB) erneut zu berücksichtigen. 1070 Ein Mitverschulden 1066
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BGHZ 6 6 130 (= NJW 1976 1218), BGHZ 7 9 2 (= N J W 1981 285) sowie BGHZ 108 14 (= N J W 1989 2 6 1 9 = DAR 1989 294); s. auch OLG Düsseldorf JMB1 N W 1986 30. Eine Lösung über § 2 7 Abs. 3 EGGVG (Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei Untätigkeit einer Behörde) scheidet im Hinblick auf § 2 3 Abs. 3 EGGVG (i.V. mit 13 StrEG) ebenso aus wie eine Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht (so aber D. Meyer § 13 StrEG Rdn. 13); denn in solchen Fällen (nach dem Grundverfahren vor dem Sfra/richter und dem Betragsverfahren vor den Zifi/gerichten) mit der Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht einen
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weiteren (dritten) Rechtsweg anzubieten, erscheint wenig sinnvoll. Wie hier OLG Köln NStZ 1988 508; zustimmend MeyerGoßner § 13 StrEG Rdn. 1. S. dazu Teil I/B III/2 der Anlage C (Ausführungsvorschriften zum StrEG) zu den RiStBV. BGH DAR 1983 2 9 3 und LG Kiel SchlHA 1992 13; zustimmend Schätzler/Kunz Rdn. 2 und Meyer-Goßner Rdn. 1 - je zu § 13 StrEG - sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 1097. Grundlegend BGHZ 6 3 2 0 9 (= N J W 1 9 7 5 350).
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
des Betroffenen hinsichtlich der Höhe des Vermögensschadens (haftungsausfüllende Kausalität) kann jedoch auch im Betragsverfahren berücksichtigt werden. 1 0 7 1
VII. Verfahrensrechtliche Fragen 228
1. Zum verfahrensrechtlichen Anwendungsbereich der Maßregel im Allgemeinen s. bereits Rdn. 4 sowie zu Besonderheiten im jugendgerichtlichen Verfahren Rdn. 5.
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2. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO scheidet auch bei einem Berufskraftfahrer aus, da die Entziehung der Fahrerlaubnis auch in einem solchen Fall kein „Berufsverbot" darstellt; die Vorschrift ist auch nicht entsprechend anwendbar. 1 0 7 2 Notwendige Verteidigung kommt allenfalls unter den Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO in Betracht. Die „Schwere der Tat" bestimmt sich dabei nicht allein nach der zu erwartenden Strafe und der ggf. versagten Strafaussetzung zur Bewährung, sondern auch nach anderen schwerwiegenden Nachteilen, die der Angeklagte infolge der Verurteilung zu gewärtigen hat; selbst eine langjährige Sperrfrist rechtfertigt für sich allein die Beiordnung eines Pflichtverteidigers in aller Regel jedoch nicht. 1 0 7 3 Etwas anderes kann hingegen bei Entziehung der Fahrerlaubnis für immer gelten, 1 0 7 4 und anderes kann nach Lage des Falles auch in Betracht kommen, wenn Personen, die beruflich dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen sind, mit einer mehrjährigen Sperre rechnen müssen. 1 0 7 5 Auch gegenüber Jugendlichen und Heranwachsenden scheint die Praxis (über § 68 J G G hinaus) jedenfalls dann verstärkt die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für erforderlich zu halten, wenn es zusätzlich zu einer nicht unerheblichen freiheitsentziehenden Strafe auch um die Entziehung der Fahrerlaubnis mit langfristiger Sperre geht. 1 0 7 6 3. Allgemeine verfahrensrechtliche Besonderheiten
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a) Hinweis nach § 265 Abs. 1 und 2 StPO. Will das Gericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entziehen, hat es ihn nach § 2 6 5 Abs. 1 und/oder Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung auf die Möglichkeit der Entziehung (bei Fehlen einer Fahrerlaubnis: auf die Möglichkeit einer isolierten Sperrfrist 1077 ) hinzuweisen, wenn die Anklage oder der Eröffnungsbeschluss die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat nicht als Voraussetzung für eine Entziehung (bzw. eine isolierte Sperrfrist) bezeichnet hat; dabei macht es
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Schätzler/Kunz § 13 StrEG Rdn. 8. Ebenso Janiszewski 708a und Laufhütte KK § 140 StPO Rdn. 10; unklar H.W. Schmidt MDR 1958 645. OLG Koblenz VRS 6 9 (1985) 2 9 3 (zustimmend Janiszewski 708a) und BayObLG N Z V 1990 2 0 2 . OLG Köln (17.11.70 - 1 Ss 184/70): zitiert nach Molketin N Z V 1989 94. OLG Oldenburg (19.7.77 - 1 Ss 335/77): zitiert nach Molketin N Z V 1 9 8 9 94; in dieser Richtung schon H. W. Schmidt MDR 1958 6 4 4 sowie vor allem Molketin N Z V 1989 93 („Die notwendige Verteidigung in
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Verkehrsdelikten"). Vgl. auch Janiszewski 708a, Laufhütte KK § 140 StPO Rdn. 21 sowie Zabel Blutalkohol 1980 95 und 1983 477. Vgl. OLG Hamm NJW 1957 1530 (mehrmonatige Freiheitsstrafe mit zweijähriger Sperre gegenüber einem Heranwachsenden) und MDR 1977 5 9 9 (Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren gegenüber einem Heranwachsenden und Sperre von zwei Jahren) sowie OLG Oldenburg VRS 78 (1990) 2 9 2 . BGH (6.4.93 - 1 StR 152/93): zitiert nach Kusch NStZ 1994 25.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
keinen Unterschied, ob erst in der Hauptverhandlung neue Tatsachen hervorgetreten sind, die die Anordnung der Maßregel erforderlich machen (Abs. 2), oder das Gericht die Maßnahme bei ansonsten gleichbleibendem Sachverhalt infolge anderer Beurteilung in Erwägung zieht. 1 0 7 8 Erforderlich ist ein (als „vorgeschriebene Förmlichkeit" i.S. von § 274 S. 1 StPO protokollierungspflichtiger) besonderer Hinweis durch das erkennende Gericht selbst, 1 0 7 9 und zwar unverzüglich, sobald die Anordnung der Maßregel nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung in Betracht kommt. 1 0 8 0 Dass der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft oder der Verteidiger den entsprechenden Hinweis gegeben hat, genügt an sich nicht. 1 0 8 1 Davon zu trennen ist jedoch die Frage, ob das Urteil auch auf einem derartigen Fehler „beruht" (§ 337 StPO); dies wird jedoch nur zu verneinen sein, wenn auszuschließen ist, dass der Angeklagte sich bei einem entsprechenden Hinweis anders verteidigt hätte, 1 0 8 2 was wiederum nicht schon im Hinblick darauf wird angenommen werden dürfen, dass die Staatsanwaltschaft die Entziehung der Fahrerlaubnis (erst) in ihrem Schlussvortrag beantragt hat. 1 0 8 3 Anderes kann jedoch gelten, wenn der Angeklagte allein deshalb mit einer endgültigen Entziehung rechnen musste, weil die Fahrerlaubnis bereits vorläufig entzogen war. Da Fahrverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen haben, ist ein gerichtlicher Hinweis auf ein Fahrverbot nicht in der Lage, den erforderlichen Hinweis auf eine ebenfalls mögliche Fahrerlaubnisentziehung zu ersetzen und die revisionsrelevante Kausalität des Fehlers auszuschließen. Gleiches gilt folgerichtig bei Einspruch eines Angeklagten gegen einen Strafbefehl, in dem wegen einer Verkehrsstraftat ein Fahrverbot ( § 4 4 ) angeordnet wurde, wenn im Urteil die Fahrerlaubnis entzogen werden soll. 1 0 8 4 b) Ausweislich von ξ 2 6 0 Abs. 4 S. 5 StPO obliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts (dazu bereits Rdn. 110). Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis (oder die Festsetzung einer Sperrfrist) in der Urteilsformel vergessen worden, ist eine Berichtigung der Urteilsformel nach Verkündung des Urteils nicht mehr möglich: 1 0 8 5 auch nicht mittels Beschlusses nach § 268a Abs. 1 StPO, gehört ein solcher Beschluss
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So seit BGHSt 18 2 8 8 (dort im Anschluss an BGHSt 2 85: zum Berufsverbot) ständige Rechtsprechung: vgl. zuletzt BGH StV 1991 198 (Leitsatz) sowie OLG Koblenz VRS 5 0 (1976) 3 0 und BayObLG VRS 6 2 (1982) 129 und erst jüngst wieder in VRS 106 (2004) 4 5 6 . Ein richterlicher Hinweis außerhalb der Hauptverhandlung genügt nicht (BGHSt 22 31: dort zum Haftfortdauerbeschluss). BGH nach Kusch NStZ 1992 28. BGH StV 1994 232, BGH ZfS 1992 102, BGHSt 2 2 31 und BGHSt 19 141 sowie OLG Koblenz VRS 5 0 (1976) 30 und OLG Köln VRS 56 (1979) 281; ebenso jüngst auch BayObLG DAR 2 0 0 4 4 0 0 . BGH NStZ 1983 358 sowie OLG Koblenz VRS 5 0 (1976) 31, OLG Köln VRS 56 (1979) 2 8 2 und BayObLG VRS 62 (1982) 129 sowie DAR 2 0 0 4 4 0 0 .
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So offenbar auch BGH ZfS 1993 355 (auch bei Kusch NStZ 1994 2 5 und Detter NStZ 1993 4 7 7 ) sowie OLG Koblenz VRS 5 0 (1976) 30; ebenso Janiszewski 724a. BayObLG DAR 2 0 0 4 4 0 0 = N Z V 2 0 0 4 4 2 5 = VRS 106 (2004) 4 5 6 mit dem zutreffenden Hinweis, dass die Anordnung des Fahrverbotes (als einer Nebensira/e) im Strafbefehl den Hinweis nach § 2 6 5 StPO auf die Entziehung der Fahrerlaubnis (als einer Maßregel) nicht entbehrlich macht: Insofern handelt es sich eben um eine qualitativ unterschiedliche Sanktionsform und nicht nur um eine bloße „Straferhöhung", die als solche keines vorherigen Hinweises bedarf (Meyer-Goßner § 411 StPO Rdn. 11). Gleiches gilt, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. die isolierte Sperrfrist im Strafbefehl versehentlich unterblieb: LG Mannheim StV 1995 4 6 0 .
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
doch nicht mehr zur Urteilsverkündung. 1086 Eine Berichtigung (durch das entscheidende Gericht) ist auch ausgeschlossen, wenn in der rechtskräftigen Entscheidung (Urteil/Strafbefehl) zwar eine Sperrfrist festgesetzt, die Entziehung der Fahrerlaubnis jedoch vergessen wurde; 1 0 8 7 zur Frage, wann in solchen Fällen das Verschlechterungsverbot einer Korrektur der fehlerhaften Entscheidung im Rechtsmittelzug entgegensteht, s. nachfolgend Rdn. 243 ff. Anders ist die Rechtslage bezüglich der Einziehung des Führerscheins: Wie bereits erläutert (Rdn. 121), kommt der Einziehung des Führerscheins als bloß unselbstständiger Vollzugsmaßnahme keine konstituierende Wirkung zu, so dass sie auch im Rechtsmittelzug nachgeholt werden kann, wenn nur der Angeklagte ein Rechtsmittel eingelegt hat. 1 0 8 8 Zu den Begründungserfordernissen (§ 267 Abs. 6 StPO) im Einzelnen bereits Rdn. 111 f. 232
c) Eine Belehrungspflicht, wie sie dem Vorsitzenden hinsichtlich des Beginns der Verbotsfrist beim Fahrverbot gesetzlich (§ 268c StPO) vorgeschrieben ist (zur Berechtigung einer solchen Belehrung s. bereits Rdn. 96 zu § 44), fehlt bei der Entziehung der Fahrerlaubnis; eine analoge Anwendung kommt hier nicht in Betracht. 1 0 8 9 Ungeachtet dessen empfiehlt sich eine Belehrung über Wirkung, Beginn der Wirksamkeit und Folgen einer Nichtbeachtung im Fall strafrechtlicher Ahndung (§ 21 StVG) aus Gründen rechtsstaatlicher Fürsorge und zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten auch im Fall der Fahrerlaubnisentziehung, insbesondere gegenüber Inhabern ausländischer Fahrausweise. 4. Verfahrensrechtliche Besonderheiten im Rechtsmittelzug a) Rechtsmittelbeschränkungen
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aa) Berufung und Revision können auf „bestimmte Beschwerdepunkte" beschränkt werden (§§ 318 S. 1 und 344 Abs. 1 StPO). Eine solche Beschränkung des Rechtsmittels (oder eines sonstigen Rechtsbehelfs 1090 ) auf einzelne Teile der in der Urteilsformel enthaltenen Entscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie dem Rechtsmittelgericht nach Lage des Falles die Möglichkeit lässt, den angefochtenen Teil tatsächlich und rechtlich selbstständig, d.h. losgelöst von dem nicht angegriffenen Entscheidungsteil zu prüfen und rechtlich zu beurteilen. Im Umfang zulässiger Rechtsmittelbeschränkung erwächst der nicht angefochtene Entscheidungsteil in (Teil-)Rechtskraft. Eine Beschränkung des Rechtsmittels ist unwirksam, soweit der angegriffene Teil die Beurteilung des an sich unangefochtenen Entscheidungsteils mitbeeinflusst oder eine gegenseitige Wechselbeziehung besteht, 1091 d.h. wenn der angefochtene Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang des Urteils rechtlich und tatsächlich selbstständig geprüft und beurteilt werden kann, ohne dass eine Überprüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich ist, und wenn die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung
1086 D ¡ e s e j s t vielmehr mit Verlesung der Urteilsformel und (nachfolgender) Eröffnung der Urteilsgründe abgeschlossen
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(S 2 6 8 Abs. 2 StPO): BGH VRS 4 7 (1974) 283. OLG Hamm VersR 1978 812. Ebenso BGH (15.1.199 - 2 StR 602/98): zitiert nach Kusch NStZ-RR 2 0 0 0 39. So auch Voll K M R Rdn. 1 und Engelhardt KK Rdn. 1: je zu § 2 6 8 c StPO.
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1090 Etwa eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl: OLG Düsseldorf VRS 81 (1991) 184. 1091
Ständige Rechtsprechung schon des Reichsgerichts (RGSt 65 2 9 6 mit weiteren Nachweisen) sowie gesicherte Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofes (BGHSt 2 7 72 und 2 9 364: je mit Nachweisen); s. weiterführend die einschlägigen Erläuterungen zu SS 318 und 3 4 4 StPO.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
frei von inneren Widersprüchen bleibt. 1 0 9 2 Gleichermaßen unwirksam ist die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch durch Anfechtung nur des Schuldspruchs (oder umgekehrt), wenn die Feststellungen zum Schuldspruch so lückenhaft oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichend sichere Grundlage für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts darstellen. 1093 Bei unwirksamer Beschränkung des Rechtsmittels ist der gesamte Urteilsspruch angefochten. 1094 Dies hat zur Folge, dass die Berufung der Staatsanwaltschaft trotz Beschränkung des Rechtsmittels „auf das Strafmaß" oder auf die Strafaussetzung zur Bewährung die Frage der Fahrerlaubnisentziehung selbst dann mitergreift, wenn diese überhaupt nicht beantragt oder im angefochtenen Urteil nicht angeordnet worden ist; in einem solchen Fall hat das Berufungsgericht auch bei einer bloßen „Strafmaß- (oder Strafaussetzungs-)Berufung" die Frage der Fahrerlaubnisentziehung von Amts wegen mitzuprüfen. 1095 bb) Für die einzelnen Fallgestaltungen gilt danach folgendes: 1096 (1) Schuld- und Rechtsfolgenausspruch sind isoliert anfechtbar, soweit eine erschöpfende Nachprüfung des Rechtsfolgenausspruchs (Straf- und Maßregelausspruch insgesamt) möglich ist, ohne dass zugleich die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen zum Schuldspruch berührt werden. 1 0 9 7 Eine getrennte Anfechtung ist ausgeschlossen, soweit sich Elemente des Schuldspruchs auch auf die Voraussetzungen einer anwendbaren Rechtsfolge erstrecken; 1098 dies gilt insbesondere für die Beurteilung von doppelrelevanten Tatsachen (insoweit unbestritten). 1099 Maßregeln der Besserung und Sicherung sind der Nebenklage nicht zugänglich; demzufolge ist ein auf die Entziehung der Fahrerlaubnis beschränktes Rechtsmittel des Nebenklägers unzulässig (§ 4 0 0 Abs. 1 StPO). 1 1 0 0
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(2) Da die Maßregel des § 69 stets die Begehung einer rechtswidrigen Tat voraussetzt, aus der sich die Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen ergeben muss (zur „Anlasstat" s. Rdn. 16), ist eine Ausklammerung der Fahrerlaubnisentziehung durch Beschränkung des Rechtsmittels nur auf den Schuldspruch unwirksam, wenn die dem Rechtsfolgenausspruch zugrundeliegende (angefochtene) Tat entweder überhaupt nicht unter ein Strafgesetz fällt bzw. nicht nachweisbar ist oder keine hinreichenden Schlussfolgerungen für die Ungeeignetheit des Täters zulässt. 1101 Die Beschränkung des Rechtsmittels nur auf den Schuldspruch ist jedoch zulässig (so dass die Entzie-
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So auf der Linie bisheriger eigener Rechtsprechung erst jüngst wiederum BGHSt 4 7 32 (35). 1 0 9 3 BGHSt 2 9 359 ff und zuletzt BGHSt 33 59; speziell zu § 69 s. auch OLG Koblenz VRS 4 8 (1975) 16 und 53 (1977) 341. Weiterführend Ruß KK Rdn. 7a und Gössel LR Rdn. 37: je zu § 318 StPO. 1 0 9 4 Statt vieler: BGHSt 19 48 und 2 9 359 ff. ww OLG Hamburg VRS 4 4 (19173) 187 sowie OLG Koblenz VRS 48 (1975) 16. 1 0 9 6 Zum Nachfolgenden auch Gössel LR Rdn. 108 ff, Frisch SK/StPO Rdn. 77 ff, Brunner KMR Rdn. 56 und Meyer-Goßner Rdn. 28 f: alle je zu § 318 StPO; vgl. auch Kulemeier S. 132 ff und Hentscbel Trunkenheit Rdn. 658 ff. 1 0 9 7 So die in Literatur und Rechtsprechung 1092
ganz h.M.: vgl. schon RGSt 4 5 149 und BGHSt 2 9 364 sowie Ruß KK Rdn. 7 und Frisch SK/StPO Rdn. 4 6 - je zu § 318 und mit weiteren Nachweisen. Teilweise einschränkend Grünwald Die Teilrechtskraft im Strafverfahren (1964) S. 91 ff. 1 0 9 8 Dazu auch Zipf]K 1978 251. 1099 p ü r V l e ] e a u s n e u e r e r Zeit: BGHSt 4 7 3 2 sowie KG VRS 109 (2005) 278, OLG Dresden NStZ-RR 2 0 0 5 385, OLG Frankfurt a.M. N Z V 2 0 0 2 382 und OLG Stuttgart N Z V 1997 316. 1 1 0 0 OLG Karlsruhe VRS 33 (1967) 27. 1 1 0 1 Vgl. BGH VRS 25 (1963) 4 2 6 sowie OLG Saarbrücken ZfS 2 0 0 1 518 und OLG Schleswig VRS 2 9 (1965) 2 6 6 ; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 658.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
hung der Fahrerlaubnis aufrechterhalten bleiben kann), wenn sich die Maßregelentscheidung auf Grund eines anderen auf den festgestellten Sachverhalt anwendbaren Strafgesetzes rechtfertigen lässt. 1 1 0 2 Einem Angeklagten, der wegen mehrerer realkonkurrierend begangener Taten zu einer Gesamtstrafe verurteilt und gegen den die Entziehung der Fahrerlaubnis ausgesprochen worden ist, ist somit verwehrt, sein Rechtsmittel nur auf den Schuldspruch wegen eines dieser Tatbestände (z.B. § 142) zu beschränken, sofern die allein angefochtene Einzeltat (etwa als Regelfall nach § 69 Abs. 2) auch für die Entziehung der Fahrerlaubnis zumindest mitbestimmend war. 1 1 0 3 Anders liegt der Fall, wenn die isoliert angefochtene Tat keine nach § 69 taugliche Anlasstat ist; in solchen Fällen ist die Rechtsmittelbeschränkung nur auf die Maßregelentscheidung also ausnahmsweise wirksam, weil insoweit nicht die den Fahrerlaubnisentzug/die isolierte Sperrfrist tragenden Feststellungen in Frage gestellt werden, sondern auf der Basis der tatrichterlichen Feststellungen lediglich die Maßregelentscheidung als rechtsfehlerhaft angegriffen wird: 1 1 0 4 auch dies jedoch nur dann, wenn das Strafmaß nicht mit der aufzuhebenden Maßregelentscheidung zusammenhängt (dazu nachfolgend auch Rdn. 237). 236
(3) Teilrechtskraft des Schuldspruchs durch Beschränkung des Rechtsmittels nur auf den Rechtsfolgenausspruch ist ausgeschlossen, wo die Feststellungen zur Schuldfrage so lückenhaft oder widersprüchlich sind, dass eine selbstverantwortliche Beurteilung der Ungeeignetheit (und ihrer voraussichtlichen Dauer) durch das Rechtsmittelgericht nicht möglich ist. 1 1 0 5 Selbst wenn der Angeklagte nur die Entziehung der Fahrerlaubnis oder die Staatsanwaltschaft nur die Nichtanordnung der Maßregel angreift, hat das Rechtsmittelgericht somit von Amts wegen zu prüfen, ob überhaupt eine Tat vorliegt, aus der sich die Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt. 1106 Wird der Angeklagte wegen (nicht ausschließbarer) Schuldunfähigkeit (§ 20) freigesprochen und sieht das Vorgericht auch von der Entziehung der Fahrerlaubnis ab, kann das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nicht wirksam auf die Mc^ientziehung der Fahrerlaubnis beschränkt werden; denn weil die aus der Schuldunfähigkeit herzuleitende Ungeeignetheit (§ 69) von der Schuld(fähigkeits)frage in aller Regel nicht zu trennen ist, ist mit der Maßregelentscheidung zugleich auch der Freispruch mitangefochten. 1107 Soweit der wegen (nicht ausschließbarer) Schuldunfähigkeit freigesprochene Angeklagte die gegen ihn angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis anfechten will, gilt nichts anderes; eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels des Angeklagten ist auch hier nicht möglich, weil sich die Frage der Eignung/Ungeeignetheit des Angeklagten von der Frage seiner Schuldfähigkeit meist nicht trennen lässt. 1108 Zum letztlich gleichen Ergebnis kommt eine Gegenmeinung, die dem Angeklagten wegen des Freispruchs (den er nach
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BayObLG JR 1955 151 (zustimmend Sarstedt aaO S. 152 und H. Müller NJW 1955 642). OLG Koblenz VRS 53 (1977) 3 3 9 und BayObLG (6.2.89 - 1 St 13/89) nach Bär DAR 1990 369; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 658. Vgl. OLG Dresden VRS 109 (2005) 172 = NStZ-RR 2 0 0 5 385, OLG Frankfurt a.M. N Z V 2 0 0 2 382, OLG Stuttgart NZV 1997 316 sowie LG Potsdam NStZ-RR 2 0 0 3 19. Speziell zur Fahrerlaubnisentziehung OLG Düsseldorf VRS 70 (1986) 137 und VRS 81
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(1991) 184 sowie zuvor schon OLG Hamm VRS 3 0 (1966) 2 0 4 und OLG Koblenz VRS 48 (1975) 16; so erst jüngst auch BGH NStZ-RR 1999 359 und BGHSt 47 32 (35). BayObLG NJW 1955 353. Ebenso Hanack LR § 3 4 4 StPO Rdn. 58; mit gleichem Ergebnis, aber teilweise anderer Begründung (wirksame Rechtsmittelbeschränkung, doch ohne innerprozessuale Bindung des Nachrichters) BayObLG NStZ 1985 90. Ebenso Hanack LR § 3 4 4 StPO Rdn. 58 und 5 2 sowie Heinitz J Z 1960 34.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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h.M. und ständiger Rechtsprechung mangels Beschwer nicht angreifen kann) zwar die „beschränkte" Anfechtung nur der Maßregelentscheidung gestattet, dem Zweitrichter jedoch aufgibt, alle Voraussetzungen der noch rechtshängigen Sanktion selbstverantwortlich, d.h. ohne Bindung an den teilrechtskräftigen Schuldspruch festzustellen und zu beurteilen. 1109 Von der Problematik der Rechtsmittelbeschränkung ist auch nach hier vertretener Ansicht jedoch die Frage zu trennen, welche Grenzen dem Zweitgericht durch das Verschlechterungsverbot (§§ 331 Abs. 1 und 358 Abs. 2 StPO) gesetzt sind; dazu nachfolgend Rdn. 243 ff. (4) Auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs wird eine Beschränkung des Rechtsmittels zugelassen, soweit die Rechtsfolgen auf unterschiedlichen Feststellungen beruhen und zwischen ihnen auch sonst kein untrennbarer Zusammenhang besteht. 1110 Jedenfalls dem Grundsatz nach ist dies auch für die Teilanfechtung der Fahrerlaubnisentziehung (einschließlich der - ggf nur isolierten - Sperrfrist) ebenso anerkannt wie umgekehrt für eine Teilanfechtung der Strafe unter Ausklammerung der Maßregelentscheidung,1111 auch wenn es angesichts der Wechselwirkung zwischen beiden (dazu nachfolgend Rdn. 54 ff zu § 69a) in der Praxis kaum Fälle geben dürfte, bei denen eine solche gegenseitige Abhängigkeit auszuschließen ist. 1112 Dies wohl auch dann nicht, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis nur auf körperlichen oder fahrtechnischen Eignungsmängeln beruht; 1113 denn obgleich die Überlegungen zur Maßregel in solchen Fällen von den Strafzumessungserwägungen an sich deutlich getrennt werden können, kann die der Maßregel eigene Übelswirkung das Maß schuldgerechter Vergeltung auch hier verringern und sich bei der Strafzumessung somit zugunsten des Angeklagten auswirken. 1114 Ein in diesem Sinn unlösbarer wechselseitiger Zusammenhang zwischen beiden Sanktionen ist demzufolge immer dann anzunehmen, wenn die Strafe wegen der Entziehung der Fahrerlaubnis oder umgekehrt diese wegen der Strafe bewusst milder bemessen wird. 1115 Eine
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So nach OLG Hamm NJW 1956 5 6 0 mehrfach vor allem das BayObLG: vgl. JR 1978 2 4 8 (zustimmend Zipf aaO S. 250), bei Rüth DAR 1980 2 7 0 sowie StV 1985 361 (ablehnend Hanack aaO); auf dieser Linie in einem etwas anders gelagerten Fall schon BayObLG N J W 1955 353. Zustimmung im Schrifttum neben Zipf aaO vor allem bei Frisch SK/StPO § 318 Rdn. 78. Weiterführend Gössel LR Rdn. 108 ff, 3 ff und Frisch SK/StPO Rdn. 56 ff: je zu S 318. Zunächst wohl zu „großzügig" BGH bei Daliinger MDR 1954 16 sowie BGHSt 6 183; deutlich strenger dann BGHSt 10 379 ff und dem folgend die heute allseits gängige Praxis: s. statt vieler BGH VRS 17 (1959) 192, BGH bei Nehm DAR 1994 179 sowie OLG Hamm N J W 1955 194 und VRS 61 (1981) 4 2 , OLG Frankfurt NJW 1955 1331 (zustimmend Härtung aaO), OLG Braunschweig NJW 1955 1333, OLG Celle VRS 10 (1956) 210, KG VRS 32 (1967) 115, OLG Saarbrücken NJW 1968 460, OLG Koblenz VRS 43 (1972) 2 6 0 und
4 2 0 sowie 50 (1976) 32, OLG Stuttgart VRS 4 6 (1974) 104 OLG Köln VRS 4 8 (1975) 85 und 68 (1985) 2 7 8 sowie OLG Düsseldorf VRS 81 (1991) 184. 1 1 1 2 Auf dieser Linie unwirksamer Rechtsmittelbeschränkung im Hinblick auf sanktionsrelevantes wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis in neuerer Zeit auch OLG Frankfurt a.M. N Z V 1996 414, OLG Stuttgart N Z V 1 9 9 7 316 und OLG Dresden NStZ-RR 2 0 0 5 385. 1 1 1 3 So aber offenbar BGH N J W 1957 1726 sowie KG MDR 1966 345, OLG Koblenz VRS 4 3 (1972) 4 2 0 , OLG Hamm VRS 61 (1981) 4 2 und OLG Düsseldorf VRS 81 (1991) 185; zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 661. 1114 Yg] Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 166 ff. 1 1 1 5 So wiederum erst jüngst OLG Dresden NStZ-RR 2 0 0 5 385, BayObLG N Z V 2 0 0 5 592, OLG Frankfurt a.M. N Z V 2 0 0 2 3 8 2 und OLG Stuttgart N Z V 1997 316.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
getrennte Anfechtung nur der Strafe bei Ausklammerung der Maßregelentscheidung ist jedoch zulässig, wo es nur um die Höhe des Tagessatzes geht; denn dieser Teil der Geldstrafe bestimmt sich nicht nach Schuld und Unrecht der Tat und hängt mit der Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen ersichtlich nicht zusammen. 1 1 1 6 Wegen der inneren Wechselbeziehung beider Rechtsfolgen ist eine Teilanfechtung nur der Fahrerlaubnisentziehung/der isolierten Sperre in aller Regel ferner auch dort ausgeschlossen, wo nur die rechtlichen Voraussetzungen der Maßregel verkannt sind. 1 1 1 7 Auch hier lässt sich kaum ausschließen, dass sich die Änderung in der Maßregelentscheidung auch auf die Strafzumessung (oder umgekehrt die Änderung im Strafmaß auch auf die Dauer der Sperrfrist) auswirkt; denn die Umstände, die bei charakterlicher Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen sein Verantwortungsbewusstsein im Allgemeinen oder auch im Straßenverkehr ungünstig beeinflussen und somit Maßnahmen nach § § 6 9 und 69a rechtfertigen, sind in aller Regel auch für die Strafzumessung von ausschlaggebender Bedeutung. 1118 Die Teilanfechtung nur der Maßregelentscheidung ist schließlich auch ausgeschlossen (und demzufolge die Beschränkung des Rechtsmittels unwirksam), wenn das angefochtene Urteil zur Schuldfrage nur lückenhafte oder widersprüchliche Feststellungen enthält. 1 1 1 9 Darüber hinaus wird die innere Abhängigkeit zwischen Strafe und Fahrerlaubnisentziehung der Teilrechtskraft nicht zuletzt deshalb entgegenstehen, weil beide Rechtsfolgen im Hinblick auf die ihnen eigene Übelswirkung und den darauf gründenden spezialpräventiven Erfolg nachgerade wechselseitig aufeinander abzustimmen sind (dazu nachfolgend auch Rdn. 54 ff zu § 69a): 1 1 2 0 etwa indem die zusätzliche Anordnung der Maßregel oder ihre Verschärfung Anlass dafür sein kann, die Strafe - nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßregel - milder zu bemessen, als dies ohne Entzug der Fahrerlaubnis angebracht wäre. 1 1 2 1 Wechselseitige Abhängigkeiten dieser Art sind in der Natur der Sache angelegt und führen danach in aller Regel auch dort zur
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Vgl. BayObLG VRS 6 0 (1981) 103 und BayObLG VRS 5 0 (1976) 27. Insoweit bedenklich BGHSt 6 183 (Korrektur einer unzulässigen ,,Teil"-Entziehung), OLG Oldenburg N J W 1 9 6 9 199 (rechtlicher Streit um die Anlasstat) sowie jeweils zur Auslegung des „bedeutenden Sachschadens" in § 6 9 Abs. 2 Nr. 3 - OLG Schleswig VRS 5 4 (1978) 33 und OLG Celle VRS 64 (1983) 366; in allen diesen Fällen wurde die Rechtsmittelbeschränkung offenbar ohne weiteres für zulässig gehalten. Bedenklich insoweit neuerdings auch OLG Frankfurt a.M. N Z V 2 0 0 2 382, OLG Dresden VRS 109 (2005) 172 und LG Potsdam NStZ-RR 2 0 0 3 19; grundlegender Tenor aller dieser Entscheidungen aus neuerer Zeit: (ausnahmsweise) wirksame Rechtsmittelbeschränkung allein schon deshalb, weil hier nicht die den Fahrerlaubnisentzug tragenden Tatsachenfeststellungen angegriffen werden, sondern nur die darauf aufbauenden rechtlichen Wertungen zur Anordnung der Maßregel.
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Grundlegend BGHSt 10 3 8 2 und dieser Linie folgend auch die Obergerichte: OLG Düsseldorf VRS 81 (1991) 184, BayObLG bei Bär DAR 1990 369 und bei Rüth DAR 1980 2 7 0 , OLG Hamm VRS 61 (1981) 42 und OLG Köln VRS 9 0 (1996) 123. BayObLG (30.7.81 - 2 St 172/81): zitiert nach Rüth DAR 1982 255, OLG Koblenz VRS 4 8 (1975) 16, OLG Köln Blutalkohol 1972 351, OLG Celle NJW 1963 64 und OLG Hamm NJW 1962 1074. Ausführlich dazu Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 166 ff; auf gleicher Linie Frisch SK/StPO § 318 Rdn. 80. So in ständiger Rechtsprechung vor allem das BayObLG: vgl. BayObLG (30.3.92 - 1 St RR 33/92) bei Bär DAR 1993 371 sowie zuvor schon in DAR 1991 389, bei Bär DAR 1988 369 und bei Rüth DAR 1982 255. In dieser Richtung zuletzt auch OLG Köln VRS 9 0 (1996) 123.
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung, wo besondere Ausführungen zum Zusammenspiel von Strafe und Fahrerlaubnisentzug in der angefochtenen Entscheidung fehlen. 1 1 2 2 Hat die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel auf die Nichtentziehung der Fahrerlaubnis beschränkt, ist wegen der engen Wechselbeziehung zwischen Strafe und speziell der Maßregel des § 69 somit in aller Regel zugleich der Rechtsfolgenspruch insgesamt und damit zwangsläufig auch die Nicht-Anordnung eines Fahrverbotes (§ 44) ergriffen; in einem solchen Fall hat das Zweitgericht auch zu prüfen, ob gegen den Angeklagten nicht „wenigstens" ein Fahrverbot zu verhängen ist. 1 1 2 3 (5) Angesichts der wechselseitigen Abhängigkeit von Strafe und Fahrerlaubnisentziehung und weil die Dauer der Sperre im Wesentlichen nach denselben Kriterien bestimmt wird wie die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis als solche, 1 1 2 4 ist eine Rechtsmittelbeschränkung nur auf die Länge der Sperrfrist nach heutiger (und entgegen früherer 1 1 2 5 ) Praxis in aller Regel auch dann ausgeschlossen, wenn der Tatrichter für die Entziehung der Fahrerlaubnis und für die Bemessung der Sperrfrist an sich von einander trennbare Gründe anführt. 1 1 2 6 Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn die Teilanfechtung z.B. nur der Klärung rechtlicher Streitfragen bei Berechnung der Sperrfrist dient und auszuschließen ist, dass sich die neuberechnete Sperre auf die Strafzumessung auswirkt. 1 1 2 7
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(6) Da die Maßregel des § 69 und die Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56) sich nach Ziel und Voraussetzungen wesentlich unterscheiden (dazu bereits Rdn. 18 und 60), ist auch hinsichtlich Strafaussetzung zur Bewährung eine wirksame Rechtsmittelbeschränkung denkbar: und zwar als Anfechtung nur der Maßregelentscheidung unter Ausklammerung der Strafaussetzung zur Bewährung 1 1 2 8 ebenso wie als Teilanfechtung nur der Zubilligung/Versagung der Aussetzung zur Bewährung. 1 1 2 9 Da sich die jeweils maßgeblichen Gründe häufig auch hier nicht voneinander trennen lassen, ist eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels insoweit jedoch auch nicht selten ausgeschlossen: so vor allem, wenn Grundlage der gerichtlichen Entscheidung eine Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit ist und der Entscheidung über den Entzug der Fahrerlaubnis im Wesentlichen dieselben Feststellungen und Erwägungen zugrunde liegen wie der Entscheidung
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Ahnlich streng KG VRS 4 0 (1971) 2 7 6 und OLG Köln VRS 68 (1985) 279. OLG Celle N J W 1968 1102. Grundlegend BGHSt 15 397. S. insofern noch BGH VRS 21 (1961) 2 6 2 und VRS 21 (1961) 2 6 6 sowie OLG Bremen DAR 1965 216, OLG Celle NdsRpfl 1965 45, OLG Schleswig DAR 1967 21, OLG Karlsruhe VRS 48 (1975) 425, OLG Koblenz VRS 5 0 (1976) 361 und VRS 52 (1977) 4 3 2 sowie später auch noch OLG Zweibrücken NJW 1983 1007. Deutlich strenger schon damals OLG Düsseldorf VM 1 9 5 7 59. S. insofern vor allem BGH (28.9.79 - 3 StR 332/79) bei Spiegel DAR 1980 2 0 2 sowie zuvor schon OLG Düsseldorf VM 1 9 5 7 59, KG VRS 33 (1967) 265 und VRS 4 0 (1971)
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2 7 6 ; so nachdrücklich auch BayObLG bei Bär DAR 1988 3 6 9 und DAR 1993 371. Ebenso BGH bei Spiegel DAR 1 9 8 0 2 0 2 ; vgl. auch OLG Bremen DAR 1965 21. BGH VRS 21 (1961) 40. BGH VRS 18 (1960) 3 4 7 (unter Bezugnahme auf BGH N J W 1954 4 0 ) sowie OLG Hamm DAR 1955 2 5 4 , OLG Stuttgart NJW 1956 1119 (mit Anm. Rödding aaO S. 1342), OLG Celle NdsRpfl 1965 45, OLG Koblenz VRS 51 (1976) 2 4 und BayObLG bei Rüth DAR 1982 2 5 5 . Dazu auch erst jüngst BGHSt 4 7 32 ff (= J R 2 0 0 2 113: zustimmend Geppert aaO S. 114 ff) sowie OLG Düsseldorf N Z V 2 0 0 1 51 = VRS 98 (2000) 36. Zu einem solchen Fall erst jüngst auch OLG Nürnberg N Z V 2 0 0 7 642.
Klaus Geppert
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
über die Strafaussetzung zur Bewährung. 1130 Unwirksam sind Rechtsmittelbeschränkungen dieser Art ferner, wo die Feststellungen zur Schuld so lückenhaft sind, dass die isoliert angefochtene Zubilligung/Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung vom Zweitgericht nicht eigenverantwortlich nachgeprüft werden kann, 1131 oder die Begründung der Maßregelentscheidung im Widerspruch zu den Ausführungen steht, mit denen die Strafaussetzung zur Bewährung gerechtfertigt/versagt worden ist. 1132 Ein Sonderfall liegt vor, wo die für die Strafaussetzung (§ 56) und die Maßregelentscheidung (§§ 69 und 69a) zu stellende Prognose so ungünstig ist, dass dem Zweitgericht letztlich kein Beurteilungsspielraum verbleibt und die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen ausgeschlossen ist; in solchen Fällen kann ein Rechtsmittel (auch im Verhältnis zur Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis) ausnahmsweise wirksam auf die Strafaussetzung beschränkt werden. 1133 241
(7) Soweit zwischen den Erwägungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis und der Bemessung der Sperrfrist einerseits und den Überlegungen zur Bewilligung einer Ausnahme bestimmter Kraftfahrzeugarten von der Sperre (§ 69a Abs. 2) andererseits eine Wechselbeziehung besteht, die eine getrennte Beurteilung allein der letztgenannten Frage kaum zulässt, kann die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel nicht wirksam auf die Entscheidung zu § 69a Abs. 2 beschränken. 1134 Eine wirksame Rechtsmittelbeschränkung ist jedoch möglich, soweit ausschließlich der Kreis der in Frage stehenden Kraftfahrzeugarten zu klären und somit auszuschließen ist, dass die Entscheidung zu § 69a Abs. 2 die Maßregelentscheidung im Übrigen mitbeeinflusst hat. 1 1 3 5
242
(8) Sieht das Gericht von Strafe ab (§ 60), ist eine (zulässigerweise: s. Rdn. 17) daneben ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis getrennt anfechtbar, soweit beide Entscheidungen auf voneinander unabhängigen Erwägungen beruhen. 1136 Etwas anderes gilt
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In dieser Richtung schon OLG Braunschweig NJW 1958 6 7 9 und OLG Köln VRS 16 (1959) 4 2 2 ; dem folgend OLG Hamm VRS 32 (1967) 17, OLG Karlsruhe DAR 1964 344, KG VRS 4 0 (1971) 2 7 6 sowie OLG Koblenz VRS 5 0 (1976) 30. Für Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung neuerdings auch BGHSt 4 7 32 ff (wenn sich der Beschwerdeführer gegen doppelrelevante Feststellungen wendet) und OLG Düsseldorf N Z V 2 0 0 0 51 (wenn der Versagung der Bewährungsaussetzung und der Anordnung des Fahrerlaubnisentzugs/der isolierten Sperrfrist letztlich die gleichen Überlegungen zugrunde liegen: z.B. die gleichen Vorstrafen und mehrfaches Bewährungsversagen). Auf dieser Linie erst jüngst auch OLG Nürnberg N Z V 2 0 0 7 642 (Rechtsmittelbeschränkung auf Strafaussetzung zur Bewährung „unzulässig, wenn zwischen der Aussetzungsfrage und der Verhängung der Maßregel ... wegen charakterlicher Mängel eine untrennbare Wechselbezie-
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hung besteht oder wenn beiden Entscheidungen im Wesentlichen inhaltsgleiche Erwägungen zu Grunde liegen und deshalb ohne die Gefahr von Widersprüchen eine selbständige Prüfung allein des angefochtenen Teils nicht möglich ist"). OLG Koblenz VRS 48 (1975) 16. BGH VRS 17 (1959) 16 sowie BGH (13.2.59 - 4 StR 4 4 6 / 5 8 ) : zitiert nach Martin DAR 1960 69 (in BGHSt 12 4 0 2 insoweit nicht mitabgedruckt). OLG Hamburg VRS 60 (1981) 209. Generell dazu schon BGHSt 11 3 9 3 und 24 164 sowie OLG Hamburg J R 1979 2 5 8 (zustimmend Zipf aaO). BayObLG N Z V 1991 3 9 7 und VRS 6 6 (1984) 445, OLG Düsseldorf VRS 66 (1984) 42 und OLG Frankfurt VM 1977 Nr. 39 (anders noch NJW 1973 815); auf dieser Linie erst jüngst wiederum BayObLG NZV 2 0 0 5 5 9 2 . OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1972 161. OLG Hamm VRS 43 (1972) 2 2 .
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
allenfalls dann, wenn in den Entscheidungsgründen Hinweise dafür zu erkennen sind, dass der Tatrichter die Dauer der Sperrfrist auf die Rechtswohltat des § 60 abgestimmt hat. b) Verschlechterungsverbot aa) Wie durch Umkehrschluss aus §§ 331 Abs. 2 und 358 Abs. 2 S. 2 StPO folgt, unterliegt auch die Maßregel der Fahrerlaubnisentziehung dem Verschlechterungsverbot; ausweislich dieser Vorschriften darf das Urteil somit in Art und Höhe der Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich dieser selbst oder sein gesetzlicher Vertreter oder zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel eingelegt hat. Das gesetzliche Verschlechterungsverbot kann das Rechtsmittelgericht jedoch nicht dazu zwingen, bei (für den Angeklagten) günstigerer Beurteilung des Sachverhaltes den Rechtsfolgenausspruch entsprechend mildern zu müssen-, folglich verstößt es nicht gegen das Verbot der reformatio in peius, wenn das erstentscheidende Gericht bei Tatmehrheit einheitlich auf Fahrerlaubnisentzug erkannt hat und der Angeklagte im Berufungsrechtszug zwar die Aufhebung einer Verurteilung erreicht, das Berufungsgericht die Maßregel als Rechtsfolge der verbliebenen anderen Tat jedoch nach wie vor für erforderlich hält. 1137
243
bb) Einzelne Fallgestaltungen. Soweit allein der Angeklagte (oder zu seinen Gunsten sein gesetzlicher Vertreter oder die Staatsanwaltschaft) ein Rechtsmittel eingelegt hat, folgt daraus im Einzelnen: (1) Keinen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot stellt es dar, wenn die zunächst angeordnete Maßregel (Entziehung der Fahrerlaubnis nebst Sperrfrist oder isolierte Sperre) durch ein Fahrverbot (§ 44) ersetzt wird. Nach der im Gesetz selbst zutage tretenden Wertigkeit (generell dazu schon Rdn. 102 sowie speziell zur gegenseitigen Wertigkeit von Fahrverbot und Fahrerlaubnisentzug Rdn. 103 und 19: je zu § 44) erweist sich die Nebenstrafe des Fahrverbotes als die eindeutig minderschwere Sanktion; angesichts der mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundenen weiterreichenden Folgen (dazu Rdn. 16 ff zu § 44) bedeutet ein Austausch der Rechtsfolgen in dieser Richtung für den Angeklagten somit keine Schlechterstellung.1138 Zum umgekehrten Fall, d.h. zu dem (nach §§ 331 Abs. 1 und 358 Abs. 2 StPO unzulässigen) Übergang vom Fahrverbot zur Entziehung der Fahrerlaubnis s. bereits Rdn. 19 und 103 zu § 44.
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(2) Hat das ersterkennende Gericht die (vorhandene) Fahrerlaubnis nicht entzogen, ist es dem Berufungsgericht durch § 331 Abs. 1 StPO verwehrt, die Entziehung der Fahrerlaubnis nachzuholen.1139 Gleiches gilt für die spätere Anordnung einer isolierten Sperrfrist; denn anders als die Einziehung des Führerscheins (dazu bereits Rdn. 121 sowie nachfolgend vor allem Rdn. 251) ist eine isolierte Sperre ausweislich von § 69a Abs. 1 S. 2 nicht bloßes Akzessorium zur Maßregel, sondern bei Fehlen einer (entziehbaren) Fahrerlaubnis selbstständige Maßregel der Besserung und Sicherung. 1140 In diesen Fällen
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Ebenso Kulemeier S. 134. Zum Parallelfall des Fahrverbotes vgl. BayObLG DAR 1966 270; s. dazu auch Rdn. 100 zu § 4 4 . OLG Düsseldorf VRS 81 (1991) 187, OLG Stuttgart NJW 1968 1792 sowie OLG Frankfurt N J W 1968 1793; ebenso Ruß KK 4 zu § 331 StPO sowie Hentschel 28 zu S 69.
Ebenfalls unbestritten: BGH VRS 3 0 (1966) 2 7 4 sowie OLG Hamm J Z 1978 6 5 6 und OLG Karlsruhe VRS 5 9 (1980) 112; vgl. auch OLG Koblenz VRS 51 (1976) 98. " 4 0 OLG Köln N J W 1965 2310; ebenso Hentschel 28 und Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 124. 1139
Klaus Geppert
1089
§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
steht das Verbot der reformatio in peius der Anordnung der Maßregel im Rechtsmittelzug auch dann entgegen, wenn das Berufungsgericht die Verschlechterung im Maßregelausspruch durch Abmilderung der Strafiolge auszugleichen an sich bereit wäre; denn selbst bei gleichzeitiger Abmilderung anderer Unrechtsfolgen wird das Verschlechterungsverbot nur dann nicht verletzt, wenn Rechtsfolgen gegen im Wesentlichen gleichartige (und mindestens gleichschwere) Maßnahmen ausgetauscht oder durch (minderschwere) andersartige ersetzt werden (dazu bereits Rdn. 102 zu § 4 4 ) . 246
(3) Auch die zahlen-, d.h. tenorierungsmäßige Verlängerung der Sperrfrist im Rechtsmittelzug bedeutet einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot: 1 1 4 1 dies auch dann, wenn die in der Vorinstanz verhängte Freiheitsstrafe durch das zweiterkennende Gericht zur Bewährung ausgesetzt wird. 1 1 4 2 Nach wie vor umstritten ist die Frage, ob das Verschlechterungsverbot auch einer „faktischen" Sperrfristverlängerung entgegensteht; denn da die Sperre erst mit Rechtskraft des Urteils zu laufen beginnt (§ 69a Abs. 5 S. 1) und im Berufungsrechtszug eine Anrechnungsregelung, wie sie für die Revisionsinstanz in § 69a Abs. 5 S. 2 vorhanden ist, fehlt, kann es im Fall vorläufiger Führerscheinmaßnahmen (§§ l i l a und 9 4 Abs. 3 StPO) durch Einlegen der Berufung zu einer effektiven Sperrfristverlängerung kommen, wenn das Berufungsgericht die zwischen Verkündung des erstinstanzlichen Urteils und der Berufungsverhandlung verstrichene Zeit unberücksichtigt lässt und nochmals die gleiche (oder eine nur geringfügig verringerte) Sperre festsetzt. Diesbezüglich zum Streitstand: 1 1 4 3 Nicht durchgesetzt hat sich eine (literarische) Minderansicht, 1 1 4 4 die in einem solchen Fall jedenfalls den Geist des Verschlechterungsverbotes für verletzt ansieht und aus diesem Grund fordert, die Sperre in der Berufungsinstanz um die Dauer der vorläufigen Führerscheinmaßnahme zu verkürzen; andernfalls entstünde dem Angeklagten durch Einlegung der Berufung ein gewichtiger Nachteil. In Übereinstimmung mit der weitaus h.M. im Schrifttum 1 1 4 5 sieht die Rechtsprechung 1 1 4 6 das Berufungsgericht durch das Verbot der reformatio in peius demgegenüber nicht
Statt vieler: OLG Neustadt NJW 1960 1483, OLG Köln NJW 1965 2310, BayObLG NJW 1966 896, OLG Stuttgart NJW 1967 2072, OLG Celle VRS 39 (1970) 276, OLG Karlsruhe VRS 48 (1975) 426, OLG Frankfurt VRS 52 (1977) 414 und OLG Hamm JZ 1978 656. 1 1 4 2 OLG Oldenburg MDR 1976 102. Ebenso Meyer-Goßner § 331 StPO Rdn. 23 und Kulemeier S. 134; zweifelnd Fischer § 69 Rdn. 58. 1143 Mit umfangreichen Nachweisen vor allem Gollner GA 1975 129 ff; zusammenfassend Geppert ZRP 1981 89 f. 1 1 4 4 So vor allem Gollner GA 1975 129 und auf dieser Linie auch schon Bender DAR 1958 203 sowie Eickhoff NJW 1975 1007, Kleinknecht33 § 331 Rdn. 14 (aA inzwischen aber Meyer-Goßner § 331 Rdn. 23), Gontard FS Rebmann, S. 221 und Suhren VGT 1989 S. 142; zweifelnd Geppert ZRP 1981 90 (unter vorsichtiger Aufgabe seiner früheren Ansicht: Sperrfrist S. 126). Mit 1141
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deutlichen Zweifeln auch OLG Hamm NJW 1973 1891. Lackner/Kühl § 69 Rdn. 8 sowie Sek/ Schröder/Stree Rdn. 13, Horn SK Rdn. 8 und Hentschel Rdn. 18 - je zu § 69a sowie Gössel LR Rdn. 90 und Meyer-Goßner Rdn. 23 - je zu § 331 StPO - sowie Ganslmayer JZ 1978 794 (gegen Gollner aaO S. 637), Mogele ZRP 1982 102 und Janiszewski 727. So vor allem BGH VRS 21 (1961) 338 sowie OLG Hamm DAR 1958 106, VRS 53 (1977) 342 und JZ 1978 656 (ablehnend Gollner aaO S. 637), OLG Neustadt NJW 1960 11483, BayObLG NJW 1966 896 und 2371 sowie bei Rüth DAR 1974 177, OLG Stuttgart NJW 1967 2071, OLG Celle VRS 39 (1970) 276, OLG Saarbrücken MDR 1972 533, OLG München DAR 1975 133, OLG Koblenz VRS 50 (1976) 361, 52 (1977) 432, 53 (1977) 342 und 65 (1983) 371, OLG Karlsruhe VRS 51 (1976) 204 sowie OLG Frankfurt VRS 52 (1977) 413.
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
daran gehindert, die Sperrfristdauer unverändert beizubehalten. Es wird zwar nicht verkannt, dass der Angeklagte im Vergleich zur erstinstanzlichen Entscheidung dadurch im Ergebnis faktisch schlechtergestellt wird; man beruft sich jedoch darauf, dass sich die Benachteiligung insoweit nicht aus dem Tenor des angefochtenen Urteils ergebe, sondern zwingende Folge des Gesetzes sei, das in § 331 Abs. 1 StPO lediglich verbiete, das Urteil „in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat" zum Nachteil des Angeklagten zu verändern. Zudem werde die Berücksichtigung vorläufiger Führerscheinmaßnahmen im Rechtsmittelzug in den Absätzen 4 bis 6 von § 69a abschließend geregelt; einer solchen Spezialregelung komme somit Vorrang vor den §§ 331 Abs. 1 und 358 Abs. 2 StPO zu. 1147 Im Übrigen berufen sich die Anhänger dieser Rechtsposition auf das Wesen der Fahrerlaubnisentziehung als gefährlichkeitsorientierter Maßregel, bei welcher der letztentscheidende Tatrichter im Interesse der allgemeinen Verkehrssicherheit auch durch das Verschlechterungsverbot nicht gezwungen werden dürfe, eine kürzere Sperrfrist festzusetzen, als ihm im Augenblick seiner (Prognose-)Entscheidung sachlich geboten erscheint. 1148 Eigener Standpunkt: Wenig stichhaltig ist der Einwand, die Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes bei der strafgerichtlichen Bemessung der Sperrfrist in der Berufungsinstanz würde dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit nicht gerecht; denn immerhin unterwirft das Gesetz erklärtermaßen auch das Maßregelrecht dem Verschlechterungsverbot und lässt ausweislich der §§ 331 Abs. 2 und 358 Abs. 2 S. 2 StPO erklärtermaßen nur für die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt Ausnahmen zu. Argumentiert man weniger formal als vielmehr teleologisch und sieht man Sinn und Zweck des Verschlechterungsverbotes im Wesentlichen darin, den Angeklagten nicht durch drohende Verschlechterung seiner Rechtsfolgensituation von einem legitimen Rechtsmittel abhalten zu wollen, steht an sich nichts entgegen, das Verschlechterungsverbot grundsätzlich auch bei der Sperrfristbemessung in der Berufungsinstanz zur Anwendung zu bringen. 1149 Ansonsten ist zu differenzieren: Hält der Tatrichter den Angeklagten infolge der bessernden Wirkung der vorläufigen Führerscheinmaßnahme zwischenzeitlich nicht mehr für ungeeignet, muss er auch in der Berufungsinstanz von der Entziehung der Fahrerlaubnis Abstand nehmen (dazu nachfolgend auch Rdn. 252). Hält er ihn aber nach wie vor für ungeeignet, bleibt es jedenfalls bei der Mindestsperrfrist des S 69a Abs. 4 S. 2, die insoweit lex specialis mit Vorrang vor § 331 Abs. 1 StPO ist. Weil das Verschlechterungsverbot nur eine Benachteiligung des Betroffenen zu verhindern hat, aber nicht zu einer Besserstellung führen soll, darf der Berufungsrichter sich in derartigen Fällen weder über die vorgeschriebene Mindestsperrfrist hinwegsetzen1150 noch (zwar die Fahrerlaubnis entziehen, jedoch) entgegen § 69a Abs. 1 S. 1 auf die gleichzeitige Festsetzung einer Sperre verzichten;1151 beide Auswege wären mit der geltenden Gesetzeslage nicht zu vereinbaren.
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Dabei kann man sich wohl auch auf die Amtl. Begründung stützen: vgl. BTDrucks. IV/650, S. 230. In dieser Richtung vor allem Brockelt und Mollenkott auf dem 18. Deutschen Verkehrsgerichtstag 1980: Brockelt aaO S. 287 f und Mollenkott aaO S. 299. Ergeben sich im Berufungsverfahren wesentlich neue Feststellungen, die mit Rücksicht auf § 331 Abs. 1 nicht verwertet
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werden dürfen, kann die durch § 3 Abs. 4 S. 1 StVG insoweit nicht gebundene Verwaltungsbehörde dies im behördlichen Entziehungs- oder Neuerteilungsverfahren berücksichtigen: vgl. schon Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 126. So aber Eickhoff NJW 1975 1007. So aber Gollner GA 1975 147; dagegen zu Recht Kaiser JR 1980 100. Vgl. auch Mollenkott ZRP 1980 199.
Klaus Geppert
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
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(4) Hat das vorerkennende Gericht nur eine Sperrfrist festgesetzt, von der Entziehung einer (vorhandenen) Fahrerlaubnis jedoch abgesehen (etwa weil der Angeklagte zunächst keine Fahrerlaubnis besaß, diese ihm im Verlauf des Rechtsmittelverfahrens aber (wieder) erteilt worden war 1152 oder im Fehlglauben, die Fahrerlaubnis sei bereits durch die Verwaltungsbehörde,1153 über § l i l a StPO 1154 oder in teilrechtskräftiger Form durch ein Vorgericht entzogen worden 1155 oder der Angeklagte besitze überhaupt keine Fahrerlaubnis,1156 auch keine ausländische1157), bleibt die Sperre als solche zwar wirksam, lässt die (fortbestehende) bisherige Fahrerlaubnis jedoch unberührt. 1158 Die zu Unrecht unterbliebene Entziehung der Fahrerlaubnis kann jedoch nicht nachgeholt werden; auch dies würde einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot bedeuten.1159 Gleiches gilt, wenn im Urteil zwar der Führerschein eingezogen, die Fahrerlaubnis jedoch (versehentlich) nicht entzogen und auch keine Sperrfrist festgesetzt wurde; eine entsprechende Korrektur im Rechtsmittelzug verstößt auch dann gegen das Verschlechterungsverbot, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis nur versehentlich nicht mitverkündet wurde. 1160
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(5) Hat das ersterkennende Gericht die Festsetzung einer Sperre übersehen und nur die Fahrerlaubnis entzogen, kann die Verwaltungsbehörde mangels Sperrfrist an sich sofort eine neue Fahrerlaubnis ausstellen. Hat der Tatrichter trotz Entziehung der Fahrerlaubnis eine Sperre zur Neuerteilung der entzogenen Fahrerlaubnis bewusst nicht ausgesprochen und in den schriftlichen Urteilsgründen ausgeführt, einer solchen Sperre bedürfe es im Hinblick auf die Wirkung vorläufiger Führerscheinmaßnahmen nicht mehr, ist das widersprüchlich und damit rechtsfehlerhaft; denn der Hinweis, es bedürfe keiner Sperrfrist mehr, enthält zugleich die Feststellung mangelnder künftiger Gefährlichkeit. Auf Rechtsmittel des Angeklagten ist daher der fehlerhafte Ausspruch über die Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben; die unterbliebene Sperrfrist nachzuholen, ist dem Berufungsgericht durch das Verschlechterungsverbot jedoch verwehrt. Gleiches gilt, wenn die Anordnung der Maßregel rechtsfehlerhaft (und das Rechtsmittel wirksam nur auf die Maßregelentscheidung beschränkt) war; in diesem Fall steht das Verschlechterungsverbot auch einer Heraufsetzung der Strafe (im Hinblick auf den Wegfall der Maßregel) entgegen.1161
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OLG Koblenz VRS 51 (1976) 98 und VRS 60 (1981) 431 sowie OLG Bremen VRS 51 (1976) 278 (teilweise ablehnend Hentschel DAR 1977 212). OLG Braunschweig NdsRpfl 1961 230. OLG Koblenz VRS 50 (1976) 34. BGH VRS 20 (1961) 118. OLG Hamm VB1 1959 396; aA noch LG München DAR 1955 192. OLG Karlsruhe VRS 59 (1980) 112. Zum Sonderfall einer in der Vorinstanz versehentlicht nicht entzogenen ausländischen Fahrerlaubnis s. auch OLG Karlsruhe NJW 1972 1633: bedenkliche Parallele zur - aus der Sicht des Verschlechterungsverbotes: zulässigen - Nachholung der im Urteilstenor vergessenen „Einziehung" des Führerscheins (s. dazu BGHSt 5 178 sowie nachfolgend Rdn. 251).
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Zur Bedeutung der solchermaßen „isolierten" Sperre vgl. OLG Braunschweig NdsRpfl 1961 230 und OLG Hamm VB1 1959 396; zur Frage der (insoweit fehlenden) Bindungswirkung für die Verwaltungsbehörde BGH VRS 20 (1961) 118. Ebenso wie die vorgenannten Obergerichte auch das Schrifttum: vgl. Hentschel DAR 1977 212. Bedenklich daher BGH VRS 16 (1959) 373 und OLG Koblenz VRS 50 (1976) 34: es gehe insofern nur um die Korrektur eines offensichtlichen Redaktionsversehens. So zutreffend OLG Frankfurt a.M. NZV 2002 382 und LG Potsdam NStZ-RR 2003 19.
Klaus Geppert
Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
(6) Hat das Erstgericht (unzulässigerweise) eine Teilentziehung ausgesprochen (indem es etwa bestimmte Kraftfahrzeugarten bereits von der Entziehung der Fahrerlaubnis ausgenommen 1162 oder nur die Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung entzogen hat 1 1 6 3 ), kann das Berufungsgericht dies nicht zum Nachteil des Angeklagten ändern, wenn allein dieser das Rechtsmittel eingelegt hat. Eine solche Korrektur stellt keine (an sich zulässige) Urteilsberichtigung eines offensichtlichen Redaktionsversehens mehr dar und kann auch nicht mehr in eine Entscheidung zulässigen vergleichbaren Inhalts umgedeutet werden, 1 1 6 4 sondern erweist sich als Beseitigung einer sachlichen Fehlentscheidung und ist demzufolge mit dem Verschlechterungsverbot nicht zu vereinbaren. 1165
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(7) Das Verschlechterungsverbot gilt nicht für die Einziehung des Führerscheins. Sofern in der Vorinstanz lediglich die Entziehung der Fahrerlaubnis als solche angeordnet worden ist, kann die im Urteilstenor vergessene Einziehung des Führerscheins im Rechtsmittelzug nachgeholt werden; als bloße Vollzugsmaßnahe polizeilicher Art (dazu bereits Rdn. 121) stellt sie gegenüber der im Urteil ausgesprochenen Entziehung und der dabei festgesetzten Sperrfrist keine Mehrbelastung dar. 1 1 6 6 Zu Fragen des Verschlechterungsverbotes bei (rechtsfehlerhafter) kalendermäßiger Bestimmung der Sperre nachfolgend Rdn. 30 sowie zu Aspekten des Verschlechterungsverbotes bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung Rdn. 59 ff: je zu § 69a.
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c) Weitere Besonderheiten aa) zunächst im Berufungsrechtszug: Wie erläutert (Rdn. 94 ff), kann die durch die Tat erwiesene „Ungeeigentheit" des Täters durch die bessernde Wirkung längerdauernder vorläufiger Führerscheinmaßnahmen nachträglich beseitigt werden; in diesem Fall muss auch das Berufungsgericht von einer endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis Abstand nehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Hoffnung des Angeklagten, in der Berufungsinstanz nicht nur den beschlagnahmten Führerschein zurückzuerhalten, sondern auch von einer endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis verschont zu bleiben und so den mühevollen Weg zur Verwaltungsbehörde zwecks Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht gehen zu müssen, 1 1 6 7 meist stärker als seine Befürchtung, bei Wegfall der Entziehung der Fahrerlaubnis durch Zeitablauf die Kosten des insoweit erfolglosen Rechtsmittels selbst tragen zu müssen (§ 4 7 3 Abs. 5 StPO). Gleichwohl ist die Berufung des Angeklagten selbst dann nicht rechtsmissbräuchlich (und somit unzulässig), wenn dieser sich durch das Urteil erster Instanz eigentlich nicht beschwert fühlt und Berufung erklärtermaßen nur zu dem (nach LG Berlin) „verfahrensfremden" Zweck eingelegt hat, die für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis bestehenden Vorschriften zu umgehen; 1 1 6 8 denn es
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Vgl. BGH NStZ 1983 168 und BGH N J W 1983 1745. Vgl. BGH bei Holtz M D R 1982 623. So aber (bedenklicherweise) BGH N J W 1983 1745. Anders insoweit noch die Vorauflage (Rdn. 2 0 zu § 69a). Zu Recht streng inzwischen aber zu Recht BGH NStZ 1983 168 und BGH bei Holtz MDR 1982 623. BGHSt 5 178 sowie OLG Köln NJW 1965 2310; erst jüngst bestätigt durch BGH (2 StR 602/98), zitiert nach Kusch NStZ-RR 2 0 0 0 39.
Im Wiederholungsfall bleibt der Verurteilte zudem von der Sperr-Rahmenverschärfung des § 69a Abs. 3 verschont. Im Rahmen der verwaltungsbehördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 4 6 FeV) darf die Punktbewertung für die Tat jedoch weiterhin berücksichtigt werden (s. dazu nunmehr § 4 0 FeV mit Anlage 13). 1168 Auf der (bedenklichen) Linie von LG Berlin VRS 4 9 (1975) 2 7 6 auch Berne Blutalkohol 1981 4 3 0 und D. Meyer M D R 1976 631 (Berufung sei nicht unzulässig, sondern sogar „unbegründet"). 1167
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§69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
ist das gute Recht eines Angeklagten, von einem gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel in legitimer Weise Gebrauch machen zu dürfen.1169 Demzufolge ist es rechtsfehlerhaft, die bis zur Berufungshauptverhandlung verstrichene Zeit der vorläufigen Führerscheinmaßnahme mit der Begründung prognostisch nicht berücksichtigen zu wollen, der Angeklagte habe sich durch sein Prozessverhalten als uneinsichtig gezeigt; selbst aus bewusster Verfahrensverzögerung durch Inanspruchnahme eines gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittels darf nicht auf die Nichteignung des Kraftfahrers geschlossen werden.1170 Das Berufungsgericht kann diesen Konsequenzen nur dadurch entgehen, dass es möglichst bald Termin zur Hauptverhandlung anberaumt.1171 Zur (erstmaligen oder erneuten) Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Berufungsgericht und dabei auftretenden Zuständigkeitsfragen s. bereits Rdn. 150 ff; zur Aufhebung vorläufiger Führerscheinmaßnahmen im Berufungsrechtszug s. Rdn. 143. Zu Tenorierungs- und Kostenfragen speziell im Berufungsrechtszug Zabel Blutalkohol 1981 71. 253
bb) Soweit die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis von der diagnostischen und prognostischen Beurteilung der Eignungsfrage abhängt, ist sie Sache des Tatrichters und vom Revisionsgericht im Rahmen des Vertretbaren zu respektieren.1172 In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO kann das Revisionsgericht über die Anordnung der Maßregel nur dann selbst entscheiden, wenn eindeutig erkennbar ist, in welcher Weise der Tatrichter die Eignungsfrage „bei gerechter Abwägung",1173 d.h. bei umfassender Gesamtwürdigung aller für die Tat und die Person des Täters in Betracht kommenden Umstände beurteilt hätte, und weitere Ermittlungen und tatrichterliche Würdigungen folglich nicht mehr erforderlich sind.1174 Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Tatrichter aus rechtsirrigen Erwägungen von einer Sperre für immer abgesehen, die sachlichen Voraussetzungen dafür in tatsächlicher Hinsicht ansonsten aber rechtsirr tumsfrei festgestellt hat; 1175 Gleiches gilt, wenn den Gründen des tatrichterlichen Urteils eine eindeutig bestimmte Sperre zu entnehmen ist, der Tenor des angefochtenen Urteils infolge rechtsfehlerhafter Auslegung des § 69a Abs. 5 jedoch von einer falschen Frist ausgeht.1176 Dieses schon vor Inkrafttreten des Ersten Justizmodernisierungsgesetz vom 24.8.2004 1 1 7 7 praktizierte Vorgehen ist durch dieses Gesetz nunmehr auch gesetzlich gebilligt; denn ausweislich der damals neu eingeführten Absätze la und lb zu § 354 StPO ist nunmehr gesetzlich ausdrücklich klargestellt, dass dem Revisionsgericht sowohl die Änderung tatrichterlicher Sanktionsentscheidungen gestattet ist, wenn der Tatrichter zwingende gesetzliche Rechtsfolgenvorschriften nicht beachtet hat, 1178 wie auch erlaubt ist, sanktionsrechtliche Anordnungen zu treffen oder aufzuheben, die der Tatrichter rechtsfehlerhafterweise unterlassen oder vorgenommen hat. 1179 Aus allem diesem folgt 1169
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Ebenso Hentschel DAR 1976 150 sowie Janiszewski DAR 1989 137. Gegen entsprechende Vorschläge Werners (NJW 1954 4 8 4 ) zu Recht schon Hentschel DAR 1976 150. Ebenso OLG Koblenz VRS 5 9 (1980) 415 und OLG Celle DAR 1984 93; zustimmend Janiszewski DAR 1989 137. Dazu auch Geppert ZRP 1981 89, Janiszewski DAR 1989 138 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 657. Zu den Grenzen revisionsgerichtlicher Überprüfung tatrichterlicher Ermessensentscheidungen speziell im Fall von § 69 s.
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OLG Hamm Blutalkohol 1982 568; s. dazu auch Hentschel Trunkenheit Rdn. 676. OLG Karlsruhe VRS 4 8 (1975) 426. Vgl. auch BGHSt 6 398 402. OLG Stuttgart NJW 1956 1081. OLG Koblenz VRS 53 (1977) 107; zustimmend Hentschel Trunkenheit Rdn. 676. BGBl. 12198. Dazu auch Meyer-Goßner § 354 Rdn. 25, 25a. Dazu mit einschlägigen Beispielen zu §§ 69 und 69a wiederum Meyer-Goßner § 354 Rdn. 26, 26 f.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
schließlich, dass das Revisionsgericht die Maßnahme (wiederum analog § 354 Abs. 1 StPO) selbst aufheben kann, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den Feststellungen des Tatrichters nicht begründet ist und weitere Ermittlungen, die zu einer anderen Beurteilung der Eignungsfrage führen könnten, nicht ersichtlich sind. 1180 Zu Anordnung bzw. Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis in der Revisionsinstanz s. bereits Rdn. 156 f und Rdn. 144 f. cc) Ist die Fahrerlaubnis rechtskräftig entzogen und ein Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Verfahrens für zulässig erklärt worden, ist eine Unterbrechung der Vollstreckung durch vorläufige Aussetzung der Maßregel (§ 360 Abs. 2 StPO) auch dann nicht möglich, wenn begründeter Anlass besteht, dass die Maßregel im Wiederaufnahmeverfahren in Wegfall kommt: 1181 dies schon deshalb, weil es an einer unterbrechungsfähigen Vollstreckung fehlt; denn die Entziehung der Fahrerlaubnis wird bereits mit Rechtskraft der Entscheidung wirksam, ohne dass es zu ihrer Durchsetzung einer förmlichen Vollstreckung bedarf (Rdn. 122). Ungeachtet dessen käme Aufschub oder Unterbrechung der „Vollstreckung" (analog § 360 Abs. 2 StPO) allenfalls in der Weise in Betracht, dass die (für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis allein zuständige) Verwaltungsbehörde eine neue Fahrerlaubnis erteilt. 1182 Dieser Weg wird in der Praxis in aller Regel jedoch schon daran scheitern, dass die neue Fahrerlaubnis bei Erfolglosigkeit der Wiederaufnahme vom Gericht nicht wieder entzogen werden könnte. 1183 Erreicht der Täter, der wegen zweier Verkehrsvergehen zu einer Gesamtstrafe und zur Entziehung der Fahrerlaubnis verurteilt worden ist, im Wiederaufnahmeverfahren einen Teilfreispruch, ist über die Maßregel in der neuen Hauptverhandlung neu zu entscheiden; bei erneuter Entziehung der Fahrerlaubnis ist die Dauer der bereits verstrichenen Sperre zu berücksichtigen. 1184 Mit dem Beschluss, durch den nach § 370 Abs. 2 StPO die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet werden, entfällt die Rechtskraft des Urteils und damit zugleich der nach § 69 eingetretene Rechtsverlust. Folglich lebt ab diesem Zeitpunkt jedenfalls für die Zukunft (insoweit unbestritten) auch die strafgerichtlich entzogene Fahrerlaubnis wieder auf. 1185 Ob die in Rechtskraft erwachsende abschließende Entscheidung, in der das frühere Urteil aufgehoben und von einer Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen wird, rückwirkende Kraft entfaltet, ist umstritten; zu dieser Frage und zu den daraus für § 21 StVG erwachsenden Folgen s. bereits Rdn. 117.
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d) Bei erfolgreichem Rechtsmittel fallen die Gerichtskosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last (§§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1 und 2 sowie 473 Abs. 3 StPO). Dies ist nicht nur der Fall, wenn der Angeklagte sein Rechtsmittel wirksam auf die Maßregelentscheidung beschränkt hat, 1 1 8 6 sondern auch wenn eine
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OLG Hamburg N J W 1955 1080; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 677. Offengelassen bei OLG Hamm VRS 38 (1970) 39. Dazu kann der Strafrichter die Verkehrsbehörde jedoch nicht zwingen. Im Übrigen darf die Fahrerlaubnis von der Verkehrsbehörde nur bei erwiesener Eignung (und somit nicht etwa nur bedingt) erteilt werden: BGH V M 1960 Nr. 104 und NJW 1969 1213.
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Ebenso Gössel LR Rdn. 3 und Meyer-Goßner Rdn. 2 - je zu § 360 StPO - sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 678. OLG Hamm VRS 21 (1961) 45; ebenso Kulemeier S. 136. BayObLG N Z V 1992 4 2 = N J W 1992 1120. Zur früheren Gesetzeslage schon OLG Frankfurt VRS 5 4 (1978) 2 0 2 ; s. auch Hilger LR § 4 7 3 StPO Rdn. 33 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 668.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Beschränkung des Rechtsmittels aus Rechtsgründen nicht möglich ist, der Rechtsmittelführer jedoch von vornherein deutlich macht, dass er nur das beschränkte Ziel verfolgt, das er im Ergebnis dannauch erreicht.1187 Nach der unwiderleglichen Fiktion von § 473 Abs. 5 StPO („gilt als erfolglos") stellt es keinen Erfolg des Rechtsmittels dar, wenn die im angefochtenen Urteil angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis im Berufungsrechtszug nur deshalb aufgehoben wird, weil vorläufige Führerscheinmaßnahmen (§ 69a Abs. 6) zur Beseitigung der vorinstanzlich an sich zu Recht festgestellten Ungeeignetheit geführt haben. 1188 Gleiches gilt, wenn die bisherige Sperrfrist aus diesem Grund verkürzt wird. 1189 In beiden Fällen führt das Rechtsmittel nicht zur Korrektur einer fehlerhaften Entscheidung, beruht sein Erfolg doch maßgeblich auf einer Veränderung der äußeren Umstände und nicht auf einem Verdienst des Rechtsmittelführers oder einem Rechtsanwendungsfehler der Vorinstanz. Folglich hat der Beschwerdeführer sowohl die Gerichtskosten wie auch seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat, soweit eine vorinstanzlich angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer und der bessernden Wirkung einer vorläufigen Führerscheinmaßnahme nicht mehr vorliegen. Nach Wortlaut und Zielrichtung von § 473 Abs. 5 StPO nicht erfasst sind dagegen die Fälle, in denen es nicht zu einer vorläufigen Maßnahme gekommen ist oder für die Aufhebung der Maßregel (auch) andere Gründe als allein die bessernde Wirkung einer vorläufigen Führerscheinmaßnahme bestimmend waren: so insbesondere bei erfolgreicher Nachschulung1190 oder wenn die Beseitigung der Ungeeignetheit anderen positiven Entwicklungen (z.B. langdauernder unbeanstandeter Fahrpraxis, individuell belegter charakterlicher „Nachreife" ohne vorläufige Führerscheinmaßnahmen) zu verdanken ist und damit auf Entwicklungen beruht, die unabhängig vom bloßen Zeitablauf zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung geführt haben. 1191 Nicht anzuwenden ist § 473 Abs. 5 StPO schließlich, wenn eine zuungunsten des Angeklagten eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft nur wegen Zeitablaufs infolge fortwirkender vorläufiger Führerscheinmaßnahmen ohne Erfolg geblieben ist; in diesem Fall ist der mit dem Rechtsmittel verbundene weitere Zeitablauf nicht vom Angeklagten verursacht und geht daher nicht zu seinen Lasten. 1192 Hier bleibt es bei der Pflicht der Staatskasse, die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu erstatten (§ 473 Abs. 2 S. 1 StPO).
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OLG Düsseldorf VRS 7 9 (1990) 121, OLG Stuttgart MDR 1976 73, OLG Hamm VRS 50 (1976) 375, OLG Celle NJW 1975 4 0 0 und OLG Koblenz J R 1974 77 (mit Anm. Meyer)·, ebenso Hentschel MDR 1976 370, ders. Trunkenheit Rdn. 668 sowie Hilger LR Rdn. 36 und Meyer-Goßner Rdn. 22: beide je zu § 4 7 3 StPO. Vgl. generell auch BGHSt 19 2 2 9 und BayObLG DAR 1970 76. So auch zutreffend OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999 219 (mit der ergänzenden Bemerkung, die berufungsrichterliche Begründung habe im Ausgangsfall auch keinen Hinweis darauf enthalten, dass die Vorinstanz rechtsfehlerhaft auf eine Maßregel nach § § 6 9 und 69a erkannt habe).
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Ebenso zu Recht Hentschel Trunkenheit Rdn. 668 und Janiszewski NStZ 1985 54 sowie Hilger LR § 4 7 3 StPO Rdn. 55. Zur früheren Gesetzeslage schon OLG Köln VRS 62 (1982) 2 0 0 ; s. dazu auch Hentschel Trunkenheit Rdn. 668, Rieß/Hilger NStZ 1987 2 0 7 sowie Meyer-Goßner § 4 7 3 StPO Rdn. 30. Zum Wegfall der Ungeeignetheit infolge charakterlicher Nachreifung OLG Hamm VRS 50 (1976) 375 und LG Flensburg JurBüro 1981 1860 (noch zur früheren Gesetzeslage). OLG Oldenburg VRS 68 (1985) 215; ebenso Hentschel Trunkenheit Rdn. 668.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
VIH. Sonstiges 1. Strafrechtliche Folgen der Nichtbeachtung. Das Führen eines Kraftfahrzeuges nach (rechtskräftiger) Entziehung der Fahrerlaubnis ist strafbewehrt. So macht sich nach § 21 StVG strafbar, wer im (inländischen) öffentlichen Straßenverkehr vorsätzlich (Abs. 1) oder fahrlässig (Abs. 2 Nr. 1) ohne die erforderliche Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug führt oder es als Halter eines Kraftfahrzeuges anordnet oder zulässt, dass sein Fahrzeug von jemandem geführt wird, der die dafür erforderliche Fahrerlaubnis nicht besitzt. Strafbar ist auch das Führen eines Kraftfahrzeuges mit einem Führerschein einer zu geringeren Klasse 1 1 9 3 sowie das Führen eines an sich fahrerlaubnisfreien Fahrrades mit Hilfsmotor (Mofa 25), das infolge baulicher bzw. technischer Veränderungen mehr als die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 2 5 km/h zulässt. 1194 Zu den strafund ordnungswidrigkeitenrechtlichen Folgen bei Nichtbeachtung einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) sowie bei Zuwiderhandlungen gegen sonstige vorläufige Führerscheinmaßnahmen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StVG) s. bereits Rdn. 138 und 184 f; zur Strafbarkeit nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG bei freiwilliger Herausgabe des Führerscheins Rdn. 130 1 1 9 5 und zu den entsprechenden Auswirkungen speziell nach Beschlagnahme eines (von einer deutschen Behörde ausgestellten) Internationalen Führerscheins Rdn. 187. Auch Beschränkungen der Fahrerlaubnis, die deren Gültigkeit nach § 4 6 Abs. 2 FeV auf bestimmte Fahrzeugarten einengen, führen zu einem Verstoß gegen § 21 StVG. 1 1 9 6 Gleiches gilt für die Benutzung eines Kraftfahrzeuges über die Befristung der § § 2 3 und 2 4 FeV hinaus. 1197 Die Nichtbeachtung einer mit einer Fahrerlaubnis verbundenen persönlichen Auflage (§ 23 Abs. 2 S. 1 FeV), die nur auf die Person des Inhabers der Fahrerlaubnis bezogen ist und die Fahrerlaubnis als solche nicht einschränkt, stellt jedoch nur eine Ordnungswidrigkeit dar (§§ 75 Nr. 9 i.V. und 23 Abs. 2 S. 1 FeV i.V. mit 24 StVG). 1 1 9 8 Aus diesem Grund bedarf es im Urteil ausreichender Feststellungen, ob lediglich eine Auflage nach § 2 3 Abs. 2 S. 1 FeV (z.B. Tragen einer Brille, Tragen einer Prothese, Anbringung eines zusätzlichen Außenspiegels, Nachtfahrverbot u.ä.) angeordnet ist oder die Fahrerlaubnis nach § 2 3 Abs. 2 S. 2 FeV eingeschränkt ist. 1 1 9 9 Hat sich ein Täter nach § 21 StVG strafbar gemacht, kann dies zu einer weiteren (isolierten) Sperrfrist führen (dazu Rdn. 3 zu § 69a). Unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 StVG kann das Kraftfahrzeug, auf das sich die Tat bezieht, eingezogen werden; dabei sind die §§ 74 ff StGB zu beachten.
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Ohne Fahrerlaubnis führt ein Kraftfahrzeug, wer die dafür erforderliche Fahrerlaubnis entweder überhaupt noch nie besessen 1200 oder sie durch Entscheidung der Verwal-
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OLG Bremen VM 1963 53. Vgl. BVerfGE 51 60 ff = VRS 56 (1979) 401 4 0 9 sowie OLG Hamm NJW 1978 332, BayObLG VRS 67 (1984) 373 und OLG Stuttgart VRS 21 (1961) 451. Speziell zur Strafbarkeit des Führens eines Kraftfahrzeuges nach Blutprobenentnahme ohne Sicherstellung des Führerscheins Hohendorf N Z V 1995 57 ff. BayObLG DAR 1970 78, OLG Schleswig VM 1965 76, OLG Stuttgart DAR 1963 26 und OLG Zweibrücken VRS 34 (1968) 4 4 4 . LG Göttingen DAR 1976 5 0 (zu § 12a StVZO a.F.).
BGHSt 28 72 und BayObLG DAR 1 9 7 0 78: je mit weiteren Nachweisen. 1 1 9 9 BayObLG VRS 78 (1990) 4 7 5 und OLG Karlsruhe VRS 3 9 (1970) 2 8 6 (Nachtfahrverbot). 1200 Nach bestandener Fahrprüfung wird die Fahrerlaubnis erst mit Aushändigung des Führerscheins erworben (§ 2 2 Abs. 4 S. 7 FeV); vgl. BGH VRS 3 0 (1966) 421 und BayObLG VRS 18 (1960) 212: je zu § 10 Abs. 1 S. 2 StVZO a.F. 1198
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
tungsbehörde (§ 3 Abs. 1 StVG) oder des Strafgerichts ( § § 6 9 und 69b StGB) verloren hat. Im Fall gerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis erlischt die Fahrerlaubnis mit Rechtskraft des Urteils (§ 69 Abs. 3 S. 1); dabei wirkt die Entziehung der Fahrerlaubnis auch über den Ablauf der nach § 69a festgesetzten Sperrfrist hinaus bis zur wirksamen Neuerteilung einer Fahrerlaubnis durch Aushändigung des Führerscheins (§ 2 2 Abs. 4 S. 7 FeV) fort. 1 2 0 1 Ab Rechtskraft des die Fahrerlaubnis entziehenden Urteils kommt es für § 21 StVG nicht darauf an, ob der Führerschein beschlagnahmt worden ist oder sich noch im Besitz des ehemals Berechtigten befindet. Erteilt die Verwaltungsbehörde dem Kraftfahrer jedoch noch vor Ablauf der strafgerichtlich festgesetzten Sperrfrist irrtümlich eine neue Fahrerlaubnis, ist der Verwaltungsakt zwar rechtsfehlerhaft, doch nicht nichtig; ein strafbewehrter Verstoß gegen § 21 StVG kommt dann nicht in Betracht. 1 2 0 2 Gleiches gilt, wenn das Strafgericht die Entziehung der Fahrerlaubnis versehentlich vergessen und nur eine Sperrfrist festgesetzt h a t 1 2 0 3 oder eine Fahrerlaubnis durch Täuschung der Verwaltungsbehörde (etwa durch Vorlage gefälschter Unterlagen bei der Umschreibung nach § § 3 0 und 31 FeV) erlangt wird; solange die (wenngleich rechtsfehlerhafterweise, doch wirksam erteilte) Fahrerlaubnis nicht widerrufen ist, 1 2 0 4 führt der Inhaber der Berechtigung das Kraftfahrzeug nicht ohne Fahrerlaubnis. Daher entfällt ein strafbewehrter Verstoß gegen § 21 StVG auch dann, wenn die Fahrerlaubnis (z.B. durch Bestechung des Beamten) pflichtwidrig erlangt ist. 1 2 0 5 Anders ist die Rechtslage, wenn etwa der bestochene Amtsträger pflichtwidrig lediglich einen neuen Führerschein aushändigt, ohne damit zugleich eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen; 1 2 0 6 demzufolge macht sich nach § 21 StVG auch strafbar, wer seinen Führerschein durch Bestechung in einen neuen Führerschein umtauscht, in dem fälschlicherweise weitere Fahrerlaubnisklassen eingetragen sind, für die eine Fahrerlaubnis nicht erteilt worden ist, 1 2 0 7 oder wer einen Führerscheinverlust vortäuscht und auf diesem Weg eine Ersatzbescheinigung erlangt. 1 2 0 8 Da die Fahrerlaubnis schlechthin und nicht nur die von einer bestimmten Behörde erteilte Fahrerlaubnis entzogen wird, verstößt gegen § 21 StVG schließlich auch derjenige, der mehrere (ggf. von verschiedenen Behörden zu verschiedenen Zeiten ausgestellte) Führerscheine besitzt, von denen aber nur einer beschlagnahmt worden ist. 1 2 0 9 Wie allseits bekannt, hat der Europäische Gerichtshof (fast zeitgleich mit der am 1. Mai 2 0 0 4 erfolgten Erweiterung der Europäischen Union um zehn osteuropäische Staaten) mit Urteil vom 29. April 2 0 0 4 (Kapper-Entscheidung) 1210 höchstrichterlich festgestellt, dass jeder Mitgliedsstaat der EU nach Art. 1 Abs. 2 i.V. mit Art. 8 Abs. 4 der Zweiten Führerscheinrichtlinie 91/439/EWG grundsätzlich verpflichtet ist, die in einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheine ohne weitere Überprüfung anzuerkennen; auf etwaige Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der ausländischen Fahrberechtigung bei (Wieder-)Erteilung der Fahrerlaubnis im Ausland (z.B. wegen Umgehung des Wohn-
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Vgl. OLG Hamm N J W 1973 1141. OLG Hamm VRS 2 6 (1964) 345; vgl. auch KGVRS 3 8 ( 1 9 7 0 ) 205. OLG Braunschweig NdsRpfl 1961 2 3 0 . Eine deutsche Fahrerlaubnis, die auf Grund der Vorlage eines gefälschten ausländischen Führerscheins erteilt wurde, ist dabei nicht nach §§ 3 Abs. 1 StVG und 46 FeV zu entziehen, sondern nach § 4 8 VwVfG zurückzunehmen; in einem solchen Fall ist das Rücknahmeermessen auf Null reduziert: VGH Mannheim VRS 88 (1995) 159.
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BGHSt 37 210. BayObLG VRS 15 (1958) 278. BGHSt 37 211. OLG Köln VRS 43 (1972) 271; zu derartigen Ersatzbescheinigungen (§ 2 5 Abs. 4 FeV) s. BRDrucks. 443/98, S. 2 7 6 sowie DA zu § 10 StVZO a.F. (VB1. 1963 666). LG Köln VRS 15 (1958) 115. C-476/01 (Felix Kapper) = NJW 2 0 0 4 1725 = N Z V 2 0 0 4 372.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§69
sitzerfordernisses oder wegen Täuschung über verkehrsrechtliche Vorbelastungen) müsste auf entsprechende Initiative des erstgenannten Mitgliedsstaates (ggf. sogar über den Weg eines VertragsverletzungsVerfahrens) der „Ausstellerstaat" reagieren. Zu den Fragen und Schwierigkeiten, die sich aus diesem Urteil und infolge des sich daraus entwickelnden „Führerscheintourismus" (zwecks Umgehung meist strengerer inländischer Fahrerlaubnisvorschriften und zwecks Vermeidung im Einzelfall meist höherer Gebühren bei Erwerb eines Führerscheins im Inland) 1 2 1 1 für die Strafbarkeit nach § 21 StVG ergeben haben, s. nachfolgende Erläuterungen zu § 69b. Auch ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis führt zu deren Erlöschen: dies jedoch nur, wenn unbedingt und unmissverständlich erklärt; die bloße Übersendung eines Führerscheins zur Vollstreckung eines Fahrverbotes noch vor Rechtskraft des entsprechenden Bußgeldbescheides stellt jedenfalls keine wirksame Verzichtserklärung dar. 1 2 1 2 Der Verzicht auf die Fahrerlaubnis (samt des Tages des Zugangs der Verzichterklärung bei der zuständigen Behörde) ist im Verkehrszentralregister des Kraftfahrt-Bundesamtes einzutragen (SS 28 Abs. 3 Nr. 7 StVG und 59 Abs. 1 Nr. 10 FeV). Zum Wiederaufleben einer strafgerichtlich entzogenen Fahrerlaubnis bei erfolgreichem Wiederaufnahmeverfahren und den daraus für § 21 StVG folgenden Konsequenzen s. bereits Rdn. 117.
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2. Registrierung des Fahrerlaubnisentzugs. Die (rechtskräftige) Entziehung der Fahrerlaubnis einschließlich der daneben festgesetzten Sperrfrist und die Festsetzung einer isolierten Sperre (S 69a Abs. 1 S. 3) sind im Verkehrszentralregister des Kraftfahrt-Bundesamtes ( S S 28 Abs. 3 Nr. 2 StVG und 59 FeV) und im Bundeszentralregister ( S S 4 Nr. 2 und 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG) einzutragen. Hat das Gericht eine (isolierte) Sperre angeordnet, ist auch der Tag ihres Ablaufs einzutragen ( S 8 BZRG). Registrierungspflichtig ist auch der Verzicht auf die Fahrerlaubnis während eines (behördlichen) Entziehungsverfahrens (dazu bereits Rdn. 259). Die Tilgung der entsprechenden Eintragungen erfolgt nach § 2 9 StVG. Die Frist zur Tilgung beträgt bei Entscheidungen, in denen nach S S 69, 69a und 69b die Fahrerlaubnis bzw. das Recht, von einem ausländischen Fahrausweis Gebrauch zu machen, mit entsprechenden Sperrfristen entzogen worden ist, zehn Jahre (Umkehrschluss aus S 2 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a StVG); dies jedoch nicht, wenn die Erteilung der Fahrerlaubnis (bzw. des Rechts, von einer ausländischen Fahrberechtigung Gebrauch zu machen) für immer untersagt ist ( S 2 9 Abs. 2 StVG). Zu Registrierung und Tilgung einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis s. bereits Rdn. 182.
260
Nach Nr. 45 Abs. 1 MiStra ist eine rechtskräftige Entziehung der Fahrerlaubnis unter Angabe des Tages der Rechtskraft und des Zeitpunktes, an dem die Sperre abläuft (dies insbesondere auch in den Fällen des S 69a Abs. 5 und 6) - der zuständigen Verwaltungsbehörde (S 73 FeV) und nach Abs. 3 auch der für die Wohnung des Verurteilten zuständigen Polizeidienststelle mitzuteilen, sofern letztere die Ermittlungen nicht selbst geführt hat und schon aus diesem Anlass über die Verhängung der Maßregel unterrichtet ist. Gleiches gilt ausweislich derselben Nr. 45 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 MiStra auch für die Beschlüsse nach S l i l a StPO und die rechtskräftigen Beschlüsse nach § 69a Abs. 7. Ist der Verurteilte Inhaber eines Sonderführerscheins (S 2 6 FeV), sind die entsprechenden Mitteilungen auch den betreffenden Dienststellen zu machen (Nr. 45 Abs. 4 MiStra).
261
1211
Speziell zum sog. „Führerscheintourismus" s. aus allerjüngster Zeit vor allem Säftel NZV 2 0 0 7 4 9 3 ff und Schünemann/ Schünemann DAR 2 0 0 7 3 8 2 ff, gegen letztere dann Geiger DAR 2 0 0 7 5 4 0 ff (mit
1212
Replik von Schünemann)·, Schünemann DAR 2 0 0 8 109 ff sowie Heß/Burmann N J W 2 0 0 8 813 ff. OLG Köln VRS 71 (1986) 54.
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§ 69
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Zu einschlägigen Mitteilungspflichten bei vorläufigen Führerscheinmaßnahmen s. bereits Rdn. 183. 3. Recht des EinigungsVertrages 262
a) Bis zur Herstellung der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 nahmen Fahrzeugführer, die Inhaber einer von den Behörden der DDR erteilten Fahrerlaubnis und Besitzer eines von diesen ausgefertigten Führerscheins waren, im Bereich der alten Bundesländer am „internationalen" Verkehr teil; bis zu dem genannten Datum waren auf diesen Täterkreis somit die für Inhaber ausländischer Fahrausweise gültigen §§ 69b StGB und 463b Abs. 2 StPO anzuwenden. Zur Rechtslage vor dem 3. Oktober 1990 s. ansonsten bereits Rdn. 114 zu § 44 (Vorauflage).
263
b) Für die Rechtslage nach Herstellung der deutschen Einheit ist zu unterscheiden: aa) Auf Taten, die vor dem 3. Oktober 1990 auf dem räumlichen Gebiet der vormaligen DDR (einschließlich Ostberlins) begangen wurden und noch nicht abgeurteilt sind („Alttaten"), ist ausweislich der Überleitungsvorschrift des Art. 315 EGStGB in der Fassung des Einigungsvertrages1213 § 2 StGB anzuwenden. Da über Maßregeln der Besserung und Sicherung gemäß Abs. 6 dieser Vorschrift grundsätzlich nach dem Gesetz zu entscheiden ist, das zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung gilt, sind die Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis ( § § 6 9 ff) somit auch auf Taten anzuwenden, die vor Wirksamwerden des Einigungsvertrages begangen (nochmals: und noch nicht abgeurteilt) worden sind. Da nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages auch Fahrerlaubnisse/Führerscheine, die von den Behörden der vormaligen DDR erteilt/ausgefertigt worden sind, als inländische Fahrausweise gelten, bleibt es insoweit bei den allgemeinen § § 6 9 und 69a; die für ausländische Fahrausweise gültige Sonderregelung des § 69b ist nicht anzuwenden. Zu weiteren Einzelheiten s. im Übrigen Rdn. 263 zu § 69 (Vorauflage).
264
bb) Zu den Taten, die seit dem 3. Oktober 1990 im Bereich der neuen Bundesländer begangen wurden: Mit Herstellung der deutschen Einheit gelten die § § 6 9 und 69a nunmehr selbstverständlich auch für das räumliche Gebiet der vormaligen DDR einschließlich Ostberlins (Art. 8 des Einigungsvertrages). Zur Behandlung der von Behörden der DDR erteilten Fahrerlaubnisse bzw. von diesen ausgefertigten Führerscheinen s. bereits Rdn. 116 zu § 44 (Vorauflage).
§ 69a Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis (1) 1Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, dass für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). 2Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. 3 Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet. 1213
Vgl. Art. 8 E V i.V. mit Anlage I/Kap. III/ Sachgebiet C (Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht) mit Abschnitt II Nr. I b .
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Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis
§ 69a
(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird. (3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist. (4) *War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ l i l a der Strafprozessordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. 2 E s darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten. (5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. (6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 9 4 der Strafprozessordnung) gleich. (7) 1 Ergibt sich Grund zu der Annahme, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. 2 Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.
Schrifttum Bandemer Die Voraussetzungen einer nachträglichen Sperrzeitverkürzung im Rahmen des § 69a Abs. 7 StGB, insbesondere bei Anwendung im Jugendrecht, NZV 1991 300; Beine Rechtsfragen bei Ablauf der Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis vor Abschluss eines Rechtsmittelverfahrens, Blutalkohol 1981 427; Dencker Strafzumessung bei der Sperrfristbemessung? Strafverteidiger 1988 454; ders. Die Auswirkungen von § 9 FeV auf § 69a Abs. 2 StGB und § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO, DAR 2004 54; Dietber Zweifelsfragen bei Berechnung der Sperrfrist nach § 42n Abs. 5 StGB, Rpfleger 1968 179; Eickhoff Die Bedeutung des Verschlechterungsverbots für die Bemessung von Führerscheinsperrfristen in der Berufungsinstanz, NJW 1975 1007; Geppert Die Bemessung der Sperrfrist bei der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis (1968); ders. Auswirkungen einer früheren strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis und der dort festgesetzten Sperrfrist auf die Bemessung einer neuen Sperrfrist, MDR 1972 280; ders. Schwierigkeiten der Sperrfristbemessung bei vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis, ZRP 1981 85; Hentscbel Nachträgliche Ausnahmen für bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen von der Führerscheinsperre, DAR 1975 296; ders. Die Führerscheinsperre bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung, Rpfleger 1977 279; ders. Fortbestand der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung trotz „Ablaufs" der Führerscheinsperre in der Revisionsinstanz?, MDR 1978 185; ders. Die Abkürzung der Sperrfrist beim Entzug der Fahrerlaubnis in der Praxis, DAR 1979 317; ders. Fahrerlaubnisentziehung und Sperrfrist in der Rechtsmittelinstanz, DAR 1988 330; ders. Ausnahmen von der Fahrerlaubnissperre für Lkw und Busse? NZV 2004 285; Himmelreich Sperrfrist-Abkürzung für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis (§ 69a Abs. 7 S. 1 StGB) durch eine Verkehrstherapie, DAR 2003 110; ders. Nachschulung, Aufbau-Seminar, WiederEignungs-Kurs und Verkehrs-Therapie zur Abkürzung der strafrechtlichen Fahrerlaubnis-Sperre bei einem Trunkenheitsdelikt - im Blickpunkt der neueren Rechtsprechung, DAR 2004 8; ders. Psychologische oder therapeutische Schulungs-Maßnahmen zwecks Reduzierung oder Aufhebung der Fahrerlaubnis-Sperren (§ 69a StGB) - ein Irrgarten für den Strafrichter? DAR 2004 130; Janiszewski Sinnvollere Behandlung der Entziehung der Fahrerlaubnis - Ausnahmen und Behandlung im Rechtsmittelverfahren, DAR 1989 135; Kaiser Ablauf der Sperrfrist nach § 42n Abs. 5 S. 2 StGB vor Rechtskraft des Urteils - und was dann? NJW 1973 493; ders. Zur Problematik der Fahrerlaubnisentziehung und der Sperrfrist (SS 69, 69a Abs. 1 und 5 StGB), JR 1980 99; Krekeler Entsprechende
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Anwendung des § 42n Abs. 6 StGB auf die Fälle des rein tatsächlichen Ausschlusses vom Kraftfahrzeugverkehr? N J W 1973 690; Krumm Keine wirkliche Ausnahme - das Ausnehmen bestimmter Arten von Kraftfahrzeugen von der Sperre gemäß § 69a Abs. 1 und Abs. 2, DAR 2 0 0 4 56; Lisken Wie lange noch Entzug der Fahrerlaubnis auf Lebenszeit? DRiZ 1977 173; Martens Verweigerung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist? NJW 1963 139; Meyer D. Verkürzung des Mindestmaßes der Sperre auch bei isolierter Anordnung einer Sperrfrist? DAR 1979 157; Michel Probleme mit der Dauer der Sperre, DAR 1999 539; Möhl Anrechnung einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf die endgültige Sperre, DAR 1965 45; Molketin Zur Sperrfristbemessung bei der Entziehung der Fahrerlaubnis und (teilweiser) Inhaftierung des Betroffenen (§ 69a Abs. 1 S. 1 und 2 StGB), N Z V 2001 65; Mollenkott Die Bemessung der Führerschein-Sperrfrist in der Berufungsinstanz, N J W 1977 425; ders. Die Bemessung der Führerscheinsperrfrist in den Instanzen, ZRP 1980 199; ders. Die Ausnahmeregelung nach § 69a Abs. 2 StGB: Hoffnung oder Wirklichkeit?, DAR 1992 120; ders. Verschuldensgrad und Dauer der Führerscheinsperrfrist, DAR 1992 316; Müller A. Der Beginn der Sperrfrist des § 42m StGB, NJW 1960 804; Orlich Ausnahmen von der Sperrfrist zur Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis, NJW 1977 1179; Oske Die Möglichkeit der Schlechterstellung des Verurteilten bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 460 StPO), soweit die Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßregeln der Sicherung und Besserung in Frage stehen, M D R 1965 13; ders. Zur Frage der Zulässigkeit der Anschlusssperrfrist, M D R 1967 449; Pachowiak Zur Bemessung der Sperrfrist nach § 42m Abs. 3 StGB, Diss. jur. Hamburg (1962); Rieger Sonderbehandlung bestimmter Fahrzeugarten bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ l i l a StPO, 42m und 42n StGB, DAR 1967 43; Schmidt W.H. Lebenslängliche Entziehung der Fahrerlaubnis und gerichtliche Praxis, DRiZ 1961 114; ders. Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der strafgerichtlichen Sperrfrist, DAR 1968 1; Seehon Die Abkürzung der Sperrfrist beim Entzug der Fahrerlaubnis in der Praxis, 17. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1979, S. 43 ff; Seih Beginn der Sperrfrist im Strafbefehlsverfahren, DAR 1965 292; Theuerkauf Erteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist, DÖV 1964 446; Weihrauch Die Ausnahmen bei der Entziehung der Fahrerlaubnis, N J W 1971 829; Werner Die Sperrfristlänge in der Berufungsgerichtsentscheidung, N J W 1974 484; ders. Die dreimonatige Mindestsperrfrist nach § 69a Abs. 4 StGB, DAR 1976 7; Wittig Zweifelsfragen bei der Berechnung der Sperrfrist, Rpfleger 1978 245; Wölfl Nachträgliche Ausnahmen von der Fahrerlaubnissperre nach § 69a Abs. 2 StGB, NZV 2001 369; Zabel Ablauf der Sperrfrist wegen Zeitablaufs ein Erfolg der Berufung? Blutalkohol 1981 71; ders. Ausnahmegenehmigungen für „Trunkenheitstäter", Blutalkohol 1983 477; Zabel/Seim Ausnahmen vom Fahrerlaubnisentzug bei alkoholauffälligen Kraftfahrern im Erkenntnisverfahren und bei vorläufigem Entzug, Blutalkohol 1993 109; Zabel/ Zabel Abkürzung der Fahrerlaubnissperre bei Alkoholtätern nach verkehrspsychologischer Nachschulung, Blutalkohol 1991 345. S. ferner die Literaturhinweise zu §§ 69 und 44.
Entstehungsgeschichte Z u r Entstehungsgeschichte s. zunächst die Erläuterungen zu §§ 4 4 und 6 9 . Die Vorschrift wurde als § 4 2 n durch Art. 1 Nr. 3 des 2 . StraßenVSichG vom 2 6 . 1 1 . 1 9 6 4 (BGBl. I 9 2 1 ) in das S t G B eingefügt. 1 Sie entsprach im Wesentlichen dem früheren § 4 2 m Abs. 3 S t G B ; lediglich die von der Rechtsprechung schon vorher geübte Praxis, bei fehlender Fahrerlaubnis eine isolierte Sperrfrist festzusetzen, w u r d e gesetzlich legitimiert. D a s 2 . S t r R G v o m 4 . 7 . 1 9 6 9 ( B G B l . I 7 1 7 ) hat die Bestimmung als § 6 9 a ü b e r n o m m e n und Absatz 1 neu gefasst. D i e Voraussetzungen für eine Sperrfrist auf Lebenszeit sind nunm e h r in Satz 2 zusammengefasst. Die Formulierung bedeutet aber keine Änderung in der Sache, sondern schreibt nur die Grundsätze bisheriger Rechtsprechung im Gesetz fest. Die vorerst letzte Änderung erfolgte durch Art. 3 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des S t V G und anderer Gesetze v o m 2 4 . 4 . 1 9 9 8 ( B G B l . I 7 4 7 ) ; mit W i r k u n g zum 1. J a n u a r
1
Vgl. BTDrucks. IV/651: speziell zur Entziehung der Fahrerlaubnis S. 15 ff.
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Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis
§
69a
1999 wurde in Absatz 7 Satz 2 die Mindestsperre von bisher sechs auf drei Monate gesenkt, um damit einen Anreiz für die Teilnahme an Nachschulungskursen zu schaffen 2 und das Gnadenverfahren von solchen Fällen zu entlasten. 3
Übersicht Rdn. I. Pflicht zur Festsetzung einer Sperre (Absatz 1) 1. neben der Entziehung der Fahrerlaubnis (Satz 1 und 2) 2. Selbstständige Sperrfrist (Satz 3) . . . a) alternative Maßregel statt Entziehung der Fahrerlaubnis b) zum Fehlen einer Fahrerlaubnis . . c) keine Besonderheiten bei Bemessung der isolierten Sperrfrist d) Verbot sog. „Anschlusssperren" . . Π. Ausnahmen von der Sperre (Absatz 2) 1. Grundsatz 2. Voraussetzungen: a) Bestimmte Kraftfahrzeugarten . . b) „Besondere Umstände" fehlender Gefährdung . . . aa) im Allgemeinen bb) einzelne Kriterien . . . . . . 3. Entscheidung des Gerichts . . . . 4. Wirkung der Entscheidung . . . . . . ΙΠ. Dauer der Sperre 1. Gesetzliche Ausgangslage 2. Bemessungsgrundsätze a) Regel b) Verbot generalisierender Erwägungen c) Unterschiedliche Bemessung für einzelne Arten von Kraftfahrzeugen d) Kasuistik 3. Zulässige Zeitabschnitte a) Keine kalendermäßige Bestimmung b) Maßeinheiten 4. Zeitlich begrenzte Sperren a) Regelfall (Absatz 1 Satz 1) . . . . b) Erhöhtes Mindestmaß (Absatz 3) . c) Verkürztes Mindestmaß (Absatz 4) aa) Grundgedanke bb) Anwendung im Einzelnen . .
2
Rdn. cc) Analoge Anwendung auf isolierte Sperrfristen? 5. Sperre auf Lebenszeit (Absatz 1 Satz 2) a) Grundsätze b) Kasuistik 6. Begründungserfordernisse 7. Entscheidungsformel
1 2 3 4
IV. Bedeutung anderer strafrechtlicher Maßnahmen 1. Berücksichtigung vorläufiger Maßnahmen a) durch den Tatrichter b) nach Verkündung der letzten tatrichterlichen Entscheidung . . . . 2. Zur Bedeutung einer früheren Entziehung der Fahrerlaubnis a) sofern die frühere Sperre bereits verstrichen ist b) sofern noch eine Sperre läuft . . . 3. Andere Maßregeln a) aus früheren Entscheidungen . . . b) bei echter Maßregelhäufung (§ 72) 4. Zur Abhängigkeit von Strafe und Entziehung der Fahrerlaubnis: a) bei gleichzeitigem Fahrverbot (§ 44) b) zur Abhängigkeit von Hauptstrafen aa) Auswirkungen der Strafe auf die Bemessung der Sperrfrist . bb) Auswirkungen der Fahrerlaubnisentziehung auf die Strafzumessung cc) Wechselseitige Abstimmung .
5 6 7 8 9 10 11 13 14 15 16 17 18 19 30 31
V. Gesamtstrafenbildung 1. Grundlagen (§§ 53 Abs. 4, 52 Abs. 4) 2. Nachträgliche Gesamtstrafenbildung . a) durch Urteil (§ 55) aa) wenn bei der neuen Tat die Voraussetzungen des § 69 fehlen
32 33 34 35 36
A u s diesem Grund hat Art. 4 Nr. 2 b dieses Gesetzes d e m § 153a Abs. 1 StPO eine weitere Nr. 5 hinzugefügt, die durch das Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs v o m 2 0 . 1 2 . 1 9 9 9 (BGBl. I 2 4 9 1 ) zur derzeitigen Nr. 6 wurde.
3
37 38 38 41 43 44
45 46 47 48 49 50 51 52
53 54 55
56 57 58 59 60
61
BRDrucks. 821/96, S. 96. Weitere einschlägige Gesetzesmaterialien: BRDrucks. 5 4 0 / 8 1 u n d 144/94.
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S 69a
3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Rdn.
bb) wenn auch die neue Tat den Täter als „ungeeignet" erweist b) durch Beschluss (§ 460 StPO) . . . VI. Beginn, Ende und Berechnung der Sperrfrist (Absatz 5) 1. Rechtskraft des Urteils (Satz 1) . . . . 2. Einrechnung vorläufiger Führerscheinmaßnahmen (Satz 2) a) Anwendungsbereich und Voraussetzungen b) Analoge Anwendung bei isolierter Sperrfrist? c) Besonderheiten aa) im Revisionsverfahren . . . . bb) im Strafbefehlsverfahren . . .
Rdn. VU. Vorzeitige Aufhebung der Sperre (Absatz 7) 1. Zweck der Regelung 2. Voraussetzungen a) formelle b) sachliche aa) „Grund zur Annahme" . . . bb) neue Tatsachen cc) Kasuistik 3. Beschränkung auf bestimmte Kraftfahrzeugarten 4. Wirkung der Aufhebung 5. Verfahrensrechtliches a) Zuständigkeitsfragen b) Verschiedenes
62 67
70 71 72 74 75 77
78 79 81 82 83 85 89 90 91 92
I. Pflicht zur Festsetzung einer Sperre (Absatz 1) 1
1. H a t das Gericht dem Verurteilten die Fahrerlaubnis entzogen, ist es verpflichtet, im Urteil (bzw. im Strafbefehl 4 ) eine Sperrfrist festzusetzen, binnen deren die Verwaltungsbehörde dem Verurteilten keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf (Satz 1), oder der Verwaltungsbehörde die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis für immer zu untersagen (Satz 2). Die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne gleichzeitige Anordnung einer Sperre ist ausgeschlossen. 5 Erst durch die Sperre für das Erteilen einer neuen Fahrerlaubnis erlangt die Maßregel insgesamt ihre Wirkungskraft; denn ohne ein solches Verbot könnte die Verwaltungsbehörde sogleich wieder eine neue Fahrerlaubnis erteilen. Das Gericht darf die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis dabei grundsätzlich nur vom Ablauf der Sperrfrist abhängig machen; andere Auflagen oder Bedingungen sind unzulässig. 6 Zur Bindung der Verwaltungsbehörde an die gerichtliche Sperrfristentscheidung im Wiedererteilungsverfahren s. bereits Rdn. 118 f zu § 69. Von der Festsetzung einer (auch: isolierten) Sperre abzusehen, ist dem Gericht im Übrigen weder aus spezialpräventiven Gründen 7 noch im Hinblick darauf erlaubt, dass die Sperre voraussichtlich schon während der Haftzeit abläuft. 8 Wird die Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Tatrichter wegen fortbestehender Ungeeignetheit angeordnet, ist gleichermaßen auch die Festsetzung einer Sperre zwingend geboten; denn wenn im Augenblick der allein maßgeblichen letzten tatrichterlichen Beurteilung (Rdn. 58 ff zu § 69) weitere maßregelrelevante Straftaten des Täters nicht (mehr) zu befürchten sind, wäre nicht nur die Festsetzung einer Sperre widersinnig, sondern zugleich damit bereits die Entziehung der Fahrerlaubnis als solche
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In diesem Fall darf die Sperrfrist aber nicht mehr als zwei Jahre betragen (§ 407 Abs. 2 Nr. 2 StPO). OLG Düsseldorf MDR 1979 602. Vgl. KG VRS 12 (1957) 352 und 13 (1957) 453. So auch Lackner/Kühl Rdn. 8. Zur (umstrittenen) Frage, ob spezialpräventive Gründe der Anordnung einer isolierten Sperre entgegenstehen, wenn die Gefahr weiterer maßregel-
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relevanter Straftaten gerade im strafbaren Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) besteht, s. nachfolgend Rdn. 3. BGH 1 StR 674/86: zitiert nach Fischer 3. Zur „Sperrfristbemessung bei der Entziehung der Fahrerlaubnis und (teilweiser) Inhaftierung des Betroffenen (§ 69a Abs. 1 S. 1 und 2 StGB)" weiterführend auch Molketin NZV 2001 65 ff.
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Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis
§ 69a
widersprüchlich und somit rechtsfehlerhaft. Die unterbliebene Sperrfrist nachzuholen, ist dem Berufungsgericht durch das Verschlechterungsverbot verwehrt9 (dazu bereits Rdn. 249 zu § 69). Umgekehrt kann die isolierte Sperrfrist nicht dahin ausgelegt oder umgedeutet werden, dass sich daraus zugleich auch die tatrichterlich nicht vorgenommene Entziehung der Fahrerlaubnis ergibt.10 2. Die Festsetzung einer selbstständigen (isolierten) Sperrfrist ist geboten, wenn zwar 2 die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis gegeben sind, der Täter jedoch keine Fahrerlaubnis besitzt (Satz 3). Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber des 2. StraßenVSichG eine Maßnahme legalisiert, die die Rechtsprechung schon auf Grund des § 42m alter Fassung für zulässig erachtet hatte.11 a) Als alternative Maßregel zur Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 1) tritt die isolierte Sperrfrist an deren Stelle und ist somit zwangsläufig an die grundsätzlich gleichen Voraussetzungen gebunden wie diese;12 auf die Erläuterungen zu § 69 kann verwiesen werden. Eine isolierte Sperre ist demzufolge nicht nur untersagt, wenn der Täter sich durch die Anknüpfungstat nicht als „ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen" erwiesen hat, sondern auch dann, wenn er die Anlasstat nicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat (dazu bereits Rdn. 21 ff zu § 69). 13 Ob von der Festsetzung einer isolierten Sperrfrist abgesehen werden kann, wenn gerade die Versagung der Fahrerlaubnis beim Täter die Gefahr weiterer maßregelrelevanter Straftaten (hier: Fahren ohne Fahrerlaubnis) begründet,14 hängt davon ab, ob der permanente Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG als Ausdruck genereller charakterlicher Ungeeignetheit zu werten ist (was wohl die Regel sein dürfte, insbesondere bei wiederholter Begehung oder nach gerichtlichem Fahrerlaubnisentzug) oder die Ungeeignetheit mit dem Erwerb der Fahrerlaubnis und der daraus folgenden Möglichkeit legaler Teilnahme am Straßenverkehr für die Zukunft beseitigt ist (was im Einzelfall besonders zu begründen ist). 15 Ausweislich seiner Entscheidung vom 5.9.2006 (1 StR 107/06) geht nunmehr erklärtermaßen auch der BGH davon aus, dass auch das Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 StVG) zu den typischen Verkehrsdelikten zählt und somit insbesondere dann eine isolierte Sperrfrist rechtfertigt, wenn das Fahren ohne Fahrerlaubnis nach gerichtlicher Entschei-
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BGHSt 5 178. So schon OLG Hamm VersR 1978 812 sowie LG München II DAR 2 0 0 0 87. BGHSt 10 94 ff (Großer Strafsenat); vgl. auch BGHSt 10 334. So schon KG VRS 2 2 (1962) 33, OLG Saarbrücken NJW 1974 1391, OLG Karlsruhe VRS 59 (1980) 111 und OLG Zweibrücken VRS 64 (1983) 443; dies bekräftigend einmal mehr auch der BGH: VRS 107 (2004) 229 und VRS 100 (2001) 21 (heute unbestritten). OLG Köln VRS 63 (1982) 118: keine isolierte Sperre, wenn der Täter die Tat als Radfahrer begangen hat. So in jüngerer Zeit nachdrücklich auch BGH VRS 107 (2004) 29 und VRS 100 (2001)21. Auf dieser Linie schon AG Berlin-Tiergarten
DAR 1971 21 und so nunmehr nachdrücklich auch AG Saalfeld VRS 105 (2003) 303: In solchen Fällen könne die Weisung, innerhalb einer bestimmten Zeit eine Fahrerlaubnis zu erwerben, „kriminalpädagogisch und kriminalprophylaktisch" sinnvoller sein, um den Verurteilten vor erneuten einschlägigen Straftaten zu erwerben. Dezidiert ablehnend aber Lackner/Kühl § 69a Rdn. 8. 15
In diesem Sinn die - kriminalpolitisch im Einzelfall durchaus diskutable, wenngleich bedenklich begründete - Entscheidung des AG Berlin-Tiergarten (DAR 1971 21) tendenziell befürwortend Hentschel Trunkenheit Rdn. 740; ausführlich dazu auch Seiler DAR 1974 2 6 0 ff.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
dung wiederholt begangen wurde. Auch der BGH räumt aber ein, dass im Einzelfall auch eine - vom Tatrichter dann besonders zu begründende - andere Beurteilung in Betracht kommen kann. 1 6 Als echte Maßregel führt die isolierte Sperre auch dann nicht zur Berufungsbeschränkung nach § 5 5 Abs. 1 J G G , wenn daneben nur Erziehungsmaßregeln und/oder Zuchtmittel angeordnet worden sind. 17 Im Übrigen ist eine Rechtsmittelbeschränkung nur auf die isolierte Sperrfrist vor allem dann unzulässig, wenn die der Strafzumessung zugrunde liegenden Tatsachen auch eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Anordnung der Sperre bilden; 18 auf die Erläuterungen zu § 69 kann verwiesen werden (Rdn. 2 3 3 ff zu § 69). 4
b) Die Festsetzung einer selbstständigen Sperrfrist ist nur zulässig bei Fehlen einer Fahrerlaubnis. Eine solche fehlt nicht nur, wenn der Verurteilte noch nie im Besitz einer (inländischen oder für den inländischen Kraftfahrzeugverkehr gültigen ausländischen bzw. internationalen) Fahrberechtigung war, sondern auch wenn sie ihm durch (rechtsbeständigen) Bescheid der Verwaltungsbehörde oder durch rechtskräftiges Strafurteil (bzw. rechtskräftigen Strafbefehl) entzogen worden ist. 19 Ist die Fahrerlaubnis jedoch noch nicht rechtskräftig oder erst vorläufig entzogen worden, kommt die Festsetzung einer selbstständigen Sperre nicht in Betracht; auch in diesem Fall muss die Entziehung der Fahrerlaubnis ausgesprochen werden. 20 Gleiches gilt, wenn der Führerschein lediglich verloren wurde; auch in diesem Fall darf sich das Gericht nicht mit einer (isolierten) Sperrfrist begnügen, sondern muss zusätzlich auch die Fahrerlaubnis als solche entziehen. 21 Zum Erlöschen der Fahrerlaubnis im Einzelnen bereits Rdn. 115 ff zu § 69. Wurde nur eine Sperrfrist festgesetzt und stellt sich später heraus, dass der Täter doch im Besitz einer Fahrerlaubnis war, kann das Rechtsmittelgericht die Entziehung im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot nicht nachholen (dazu bereits Rdn. 2 4 8 zu § 69); zu weiteren Fragen des Verschlechterungsverbotes im Zusammenhang mit der Festsetzung oder Unterlassung einer isolierten Sperre Rdn. 2 4 4 ff zu § 69.
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c) Ist gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden, erhöht sich auch das Mindestmaß der isolierten Sperre auf ein Jahr (Abs. 3); dazu nachfolgend auch Rdn. 33. Darüber hinaus weist die Bemessung der Dauer der isolierten Sperrfrist an sich keine Besonderheiten auf; auf die nachfolgenden Erläuterungen (Rdn. 15 ff) kann verwiesen werden. Zur Frage einer analogen Anwendung der Absätze 4 und 6 bei Festsetzung einer selbstständigen Sperrfrist nachfolgend Rdn. 37 und zur entsprechenden Anwendung der Einrechnungsregelung des Absatzes 5 Satz 2 nachfolgend Rdn. 74.
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d) Eine (neue) isolierte Sperrfrist darf auch angeordnet werden, wenn die Sperrfrist aus einer früheren Verurteilung noch nicht verstrichen ist (zu Besonderheiten der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nachfolgend Rdn. 59 ff). Nach der zwingenden und somit keine Ausnahmen zulassenden Vorschrift des Absatzes 5 Satz 1 beginnt auch die
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NZV 2 0 0 7 212 f. OLG Zweibrücken VRS 64 (1983) 443. So zutreffend KG VRS 109 (2005) 278. Ebenso BGH bei Spiegel DAR 1979 185; verfehlt OLG Bremen VRS 51 (1976) 278 (dagegen zu Recht Hentschel DAR 1977 212). Zur
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Bedeutung einer isolierten Sperrfrist im (neueren) internationalen Fahrerlaubnisrecht LG Aachen NZV 2 0 0 0 511 (mit Anm. Bouska aaO S. 512). Ebenso Lackner/Kühl Rdn. 1. OLG Köln JMB1 N W 1964 70.
Klaus Geppert
Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis
S 69a
zusätzliche weitere Sperrfrist mit Rechtskraft der (neuen) Entscheidung.22 Die früher vertretene Ansicht, die neue Sperrfrist lediglich als Verlängerung der noch laufenden früheren Sperre, d.h. als sog. „Anschlusssperre" zu begreifen und erst mit Ablauf der früheren Frist (wenngleich auch in keinem Fall vor Rechtskraft der zweiten Entscheidung) beginnen zu lassen,23 ist mit dem Wortlaut des Gesetzes (§ 69a Abs. 5 S. 1) nicht zu vereinbaren. 24 Die Befürwortung einer solchen Anschlusssperre ist zudem auch deshalb abzulehnen, weil der neu entscheidende Tatrichter bei Festsetzung nur einer Anschlusssperre gezwungen wäre, seine Prognose (nicht auf den Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung, sondern) in systemwidriger Weise auf den Ablauf der früheren Sperrfrist auszurichten; 25 zudem braucht dieser Zeitpunkt im Hinblick auf (gnadenweise oder über Abs. 7 statthafte) mögliche Fristverkürzungen nicht unabänderlich festzustehen.26 Handelt es sich bei der neuen (isolierten) Sperrfrist somit nicht um die Verlängerung der noch laufenden früheren, sondern um eine selbstständig neben dieser laufende zusätzliche Sperre, ist es nur folgerichtig, dass der Rest der noch laufenden Sperre und die neu festzusetzende Sperrfrist die Fünfjahresgrenze überschreiten dürfen, d.h. in der neuen (isolierten) Sperre erneut auf die zeitliche Höchstgrenze von fünf Jahren erkannt werden darf. 27 Da für die Bemessung (auch) der isolierten Sperrfrist die voraussichtliche Dauer der Ungeeignetheit maßgeblich ist (dazu nachfolgend Rdn. 15 ff), kommt es nicht darauf an, ob unabhängig von der neuen Sperre noch eine weitere Sperre läuft; daher ist es (weil „strafzumessungsrechtlich", doch nicht maßregelkonform gedacht) rechtsfehlerhaft, wenn der neu entscheidende Tatrichter eine mögliche zeitliche Überschneidung beider Sperren durch entsprechende Verlängerung der neuen Sperre ausgleichen wollte. 28 Hat der Erstrichter den Beginn der fünfjährigen Sperrfrist entgegen Absatz 5 Satz 1 auf ein nach Verkündung des Urteils liegendes Datum, an dem die in einem früheren Verfahren verhängte Sperrfrist abläuft, festgelegt und ist die frühere Sperre im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichtes schon verstrichen, bedeutet es keine Verletzung des Verschlechterungsverbotes, wenn das Rechtsmittelgericht den Ausspruch über den Fristbeginn aufhebt und den Beginn der neuen Sperrfrist ohne Abkürzung ihrer Dauer auf die Rechtskraft seiner
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So schon vor Inkrafttreten des 2. StraßenVSichG OLG Stuttgart DAR 1963 2 7 4 und OLG Hamm VRS 21 (1961) 3 3 9 und JMB1 N W 1964 116. Unergiebig sind insoweit frühere Entscheidungen des BGH (BGHSt 6 398 und BGH NJW 1953 1719); denn ab wann die für zulässig gehaltene „zusätzliche" Sperrfrist beginnen soll, dazu ist dort nichts gesagt. So vor allem OLG Hamburg DAR 1956 167 (doch offen gelassen in VRS 2 7 (1964) 95) und KG VRS 18 (1960) 273. So die in Rechtsprechung und Schrifttum heute ganz herrschende Ansicht: OLG Hamm N J W 1964 1285, BayObLG NJW 1966 896, OLG Koblenz DAR 1973 137 und VRS 5 9 (1980) 414, OLG Frankfurt VRS 55 (1978) 199 und OLG Zweibrücken NJW 1983 1007; so eher beiläufig auch BGHSt 2 4 207. Auf dieser Linie auch Fischer Rdn. 25, Sch/Schröder/Stree Rdn. 2 5 sowie Hentschel Trunkenheit Rdn. 687, Geppert MDR 1972
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2 8 6 sowie Oske MDR 1967 4 4 9 : je mit weiteren Nachweisen. Näher zu diesen Schwierigkeiten Geppert Bemessung der Sperrfrist S. 150 ff. Folglich muss die neue Sperrfrist selbst dann angeordnet werden, wenn sie noch vor der früheren ablaufen würde: BGH (20.12.1978 2 StR 122/78): zitiert nach Hürxthal DRiZ 1 9 7 9 149 und Spiegel DAR 1 9 7 9 185. Verfehlt daher OLG Hamburg N J W 1 9 6 4 876; offen gelassen durch BayObLG N J W 1966 897. Wie hier auch OLG Koblenz VRS 52 (1977) 2 7 2 und OLG Hamm JMB1 N W 1964 116 sowie Fischer Rdn. 27, Sch/Schröder/Stree Rdn. 26, Oske MDR 1967 449, Geppert M D R 1972 2 8 6 und Hentschel Trunkenheit Rdn. 687. Verfehlt somit OLG Koblenz DAR 1973 137; berechtigte Kritik bei Hentschel Trunkenheit Rdn. 687.
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3. Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat
Entscheidung abstellt; 29 zu Fragen des Verschlechterungsverbotes, insbesondere bei „faktischer" Verlängerung der Sperrfrist bereits Rdn. 246 f zu § 69. Π. Ausnahmen von der Sperre (Absatz 2) 7
1. Grundsatz. Während die Fahrerlaubnis nur insgesamt entzogen werden kann, eine nur beschränkte Entziehung also unzulässig ist (dazu bereits Rdn. 113 f zu § 69), 3 0 kann das Gericht bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen jedenfalls von der Sperre ausnehmen, „wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird" (§ 69a Abs. 2). 3 1 In dieser durch das 2. StraßenVSichG eingeführten Beschränkungsmöglichkeit, die ebenso wie die entsprechende Regelung bei § l i l a Abs. 2 StPO (dazu schon Rdn. 131 ff zu § 69) dem Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs Rechnung trägt, 32 liegt kein Widerspruch zur grundsätzlichen Unteilbarkeit der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vor, sondern nur ein vom verfassungsrechtlichen Übermaßverbot gefordertes (und durchaus maßregelkonformes) Zugeständnis an die geringere oder gar fehlende Gefährlichkeit von Kraftfahrer in bestimmten Bereichen. 33 Dies ist in der praktischen Anwendung zu berücksichtigen, auch wenn die Vorschrift angesichts ihres Ausnahmecharakters nach überwiegender Ansicht eine eher restriktive Handhabung nahe legt. 34 Gleichwohl ist der Tatrichter gehalten, auch ohne Antrag des Angeklagten oder seines Verteidigers die Voraussetzungen des § 69a Abs. 2 von Amts wegen zu prüfen, insbesondere anlässlich privater Fahrten eines Berufskraftfahrers oder einer im landwirtschaftlichen Bereich tätigen Person.35 Statt der völligen Ausnahme bestimmter Kraftfahrzeugarten von der Sperre kann für bestimmte Kraftfahrzeugarten ausnahmsweise auch nur eine kürzere Sperre zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis angeordnet werden (dazu nachfolgend Rdn. 18). Hat der Erstrichter dem Angeklagten die Fahrerlaubnis nur beschränkt entzogen, indem er bestimmte Kraftfahrzeugarten bereits von der Entziehung der Fahrerlaubnis ausgenommen oder nur die Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung entzogen hat (was jeweils rechtsfehlerhaft wäre), ist das Berufungsgericht durch das Verschlechterungsverbot (§ 331 Abs. 1 StPO) rechtlich daran gehindert, das Urteil zum Nachteil des Angeklagten zu „berichtigen" (dazu bereits Rdn. 250 zu § 69).
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BayObLG NJW 1966 896. So ausdrücklich auch VG München N Z V 2 0 0 0 271 und VG Berlin N Z V 2 0 0 1 139: jeweils auch zur Bindungswirkung nach § 3 Abs. 4 StVG. Ausführlich dazu in jüngerer Zeit und mit weiteren Entscheidungsnachweisen vor allem Krumm DAR 2 0 0 4 56 ff und Wölfl NZV 2 0 0 1 369 ff - jeweils zu Ausnahmen nach § 69a Abs. 2 - sowie nochmals Krumm N Z V 2 0 0 6 2 3 4 ff (hier zur Regelbeschränkung nach § l i l a Abs. 1 S. 2 StPO). BVerfG NStZ 1982 78 (zu § l i l a Abs. 2 StPO) und OLG Düsseldorf DAR 1984 122. Ebenso Jatiiszewski 732 und Stephan DAR 1989 5.
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So auch in jüngerer Zeit nachdrücklich BayObLG N Z V 2 0 0 5 5 9 3 und so grundsätzlich auch Krumm DAR 2 0 0 4 5 7 (obgleich hinsichtlich des Begriffs der „Kraftfahrzeugart" zur Lockerung der Rechtsprechung mahnend). Zu den Chancen für die Verkehrssicherheit durch eine weniger rigide Anwendung des § 69a Abs. 2 Stephan DAR 1 9 8 9 1 ff (danach wird von dieser Möglichkeit nur in etwa 2 % aller Fälle Gebrauch gemacht: Stephan aaO S. 5); auf dieser Linie auch Janiszewski 732. Ebenso Krumm DAR 2 0 0 4 59.
Klaus Geppert
Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis
§ 69a
2. Voraussetzungen a) Das Gericht kann nur bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen von der Sperre ausnehmen; dazu gehören neben den fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen (§ 4 Abs. 1 FeV) vor allem solche, auf die nach § 6 Abs. 1 S. 2 FeV die Fahrerlaubnis beschränkt werden kann. Der Begriff der „Kraftfahrzeugart" entspricht somit demjenigen der §§ 44 Abs. 1 S. 1 StGB und l i l a Abs. 2 StPO; auf die dortigen Erläuterungen wird verwiesen (Rdn. 47 ff zu § 44 sowie Rdn. 131 ff zu S 69). Wie dort ausgeführt, ist Fahrzeugart zwar nicht gleichzusetzen mit Fahrerlaubnis&fosse im Sinn von § 6 Abs. 1 S. 1 FeV; wenn aber ausweislich von Satz 2 dieser Vorschrift einzelne Fahrzeugarten dieser Klassen von der Sperre ausgenommen werden können, kann nicht zweifelhaft sein, dass jedenfalls auch alle Fahrzeuge einer bestimmten Fahrerlaubnisklasse der Anwendung von § 69a Abs. 2 offen stehen. 36 Maßgeblich für den Begriff der Kraftfahrzeug-„Art", wie er den Fahrerlaubnisbeschränkungsmöglichkeiten des § 6 Abs. 1 S. 2 FeV zugrunde liegt, sind zudem nicht technisch-konstruktive Besonderheiten (z.B. Schaltungsart) und auch nicht unterschiedliche Antriebsarten (z.B. Verbrennungs- oder Elektromotor), sondern allein der Verwendungszweck und dieser auch nur, soweit er sich nach außen in bauartlichen Unterschieden auswirkt. 37 § 69a Abs. 2 ist somit insbesondere auch für die in § 6 Abs. 1 S. 1 FeV aufgeführten Fahrerlaubnisklassen L und Τ offen, da die hier angesprochenen Zugmaschinen sich in bauartlichen Besonderheiten unterscheiden. 38 Beschränkungen oder Individualisierungen anderer Art - etwa nach bestimmten Zeiten, Orten, Zwecken oder nach Fahrzeugen bestimmter Eigentümer/Halter oder bestimmter Fabrikate - sind im Rahmen von § 69a Abs. 2 somit ebenso unzulässig wie die diesbezügliche Unterscheidung von Berufs- und Privatsphäre: 39 es sei denn, eine solche Differenzierung rechtfertige zugleich die Ausnahme einer bestimmten bauartlich unterscheidbaren Kraftfahrzeugart (dazu nachfolgend Rdn. 11).
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b) Die Ausnahme nach Abs. 2 ist nur zulässig, wenn „besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird". Dies wird nur der Fall sein, wenn vom Täter durch die Benutzung der freigegebenen Kraftfahrzeugart trotz der festgestellten grundsätzlichen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen keine (über die allgemeine Betriebsgefahr hinausgehende) Gefährdung
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