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German Pages 2269 [2276] Year 2007
Großkommentare der Praxis
w G DE
RECHT
Strafgesetzbuch Leipziger Kommentar
Großkommentar 12., neu bearbeitete Auflage herausgegeben von Heinrich Wilhelm Laufhütte Ruth Rissing-van Saan Klaus T i e d e m a n n
Erster Band Einleitung; §§ 1 bis 31 Bearbeiter: Einleitung: Thomas Weigend §§ 1-2: Gerhard Dannecker §§ 3-10: Gerhard Werle/Florian Jeßberger §§ 11-12: Eric Hilgendorf Vor § 13: Tonio Walter § 13: Thomas Weigend § 14: Bernd Schünemann §§ 15-18: Joachim Vogel §§ 19-21: Heinz Schöch §§ 2 2 - 2 3 : Thomas Hillenkamp § 24: Hans Lilie/Dietlinde Albrecht §§ 25-31: Bernd Schünemann
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RECHT
De Gruyter Recht · Berlin
Stand der Bearbeitung: Dezember 2 0 0 6
Redaktor: Klaus Tiedemann Sachregister: Christian Pfaff
ISBN 9 7 8 - 3 - 8 9 9 4 9 - 2 3 1 - 6
Bibliografische
Information
der Deutschen
Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Copyright 2 0 0 7 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D - 1 0 7 8 5 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Datenkonvertierung/Satz: W E R K S A T Z Schmidt & Schulz G m b H , 0 6 7 7 3 Gräfenhainichen Printed in Germany
Verzeichnis der Bearbeiter der 12. Auflage Dr. Dietlinde Albrecht, Referentin im Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin Gerhard Altvater, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Georg Bauer, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Gerhard Dannecker, Universitätsprofessor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Dr. Karlhans Dippel, Vors. Richter am Oberlandesgericht a.D., Kronberg i.Ts. Dr. Klaus Geppert, Universitätsprofessor an der Freien Universität Berlin Dr. Ferdinand Gillmeister, Rechtsanwalt, Freiburg Duscha Gmel, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Michael Grotz, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Joachim Häger, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Ernst-Walter Hanack, em. Universitätsprofessor an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Universitätsprofessor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Dr. Dr. h.c. Thomas Hillenkamp, Universitätsprofessor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Dr. Tatjana Hörnle, Universitätsprofessorin an der Ruhr-Universität Bochum Dr. Kristian Hohn, Wissenschaftlicher Assistent an der Bucerius Law School, Hamburg Dr. Jutta Hubrach, Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf Dr. Florian Jeßberger, Universitätsprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Peter König, Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium der Justiz, München Juliane Krause, Richterin am Landgericht Hof Dr. Matthias Krauß, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Christoph Krehl, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Perdita Kröger, Regierungsdirektorin im Bundesministerium der Justiz, Berlin Annette Kuschel, Richterin am Oberlandesgericht Dresden Heinrich Wilhelm Laufhiitte, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D., Berlin Dr. Hans Lilie, Universitätsprofessor an der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg Dr. Manfred Möhrenschlager, Ministerialrat a.D., Bonn Dr. Jens Peglau, Richter am Oberlandesgericht, Hamm Dr. Ruth Rissing-van Saan, Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Thomas Rönnau, Universitätsprofessor an der Bucerius Law School, Hamburg Dr. Henning Rosenau, Universitätsprofessor an der Universität Augsburg Ellen Roggenbuck, Richterin am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Wolfgang Ruß, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D., Karlsruhe Wilhelm Schluckebier, Richter am Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe Dr. Wilhelm Schmidt, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Johann Schmid, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Hendrik Schneider, Universitätsprofessor an der Universität Leipzig Dr. Heinz Schöch, Universitätsprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. Dr. h.c. Friedrich-Christian Schroeder, em. Universitätsprofessor an der Universität Regensburg Dr. Dres. h.c. Bernd Schünemann, Universitätsprofessor an der Ludwig-MaximiliansUniversität München
Verzeichnis der Bearbeiter der 12. Auflage Dr. Christoph Sowada, Universitätsprofessor an der Universität Rostock Werner Theune, Richter am Bundesgerichtshof a.D., Karlsruhe Dr. Dr. h.c. mult. Klaus Tiedemann, em. Universitätsprofessor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Dr. Joachim Vogel, Richter am O L G Stuttgart, Universitätsprofessor an der Eberhard-KarlsUniversität Tübingen Dr. Dr. T h o m a s Vormbaum, Universitätsprofessor an der Fern-Universität Hagen Dr. Tonio Walter, Universitätsprofessor an der Universität Regensburg Dr. T h o m a s Weigend, Universitätsprofessor an der Universität zu Köln Dr. Gerhard Werle, Universitätsprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin Hagen Wolff, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht a . D . Celle Dr. Frank Zieschang, Universitätsprofessor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
VI
Vorwort Die ersten Bände der 12. Auflage des Leipziger Kommentars erscheinen bereits kurze Zeit nach Abschluss der 11. Auflage, deren Herstellung sich aufgrund verschiedener Umstände - ähnlich wie bereits bei der 10. Auflage - verzögert hatte. Ein schneller Beginn der 12. Auflage, die bis zum Jahr 2010 fertig gestellt sein soll, war schon deshalb erforderlich, weil zahlreiche ältere Passagen der Vorauflage auf den aktuellen Stand von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Wissenschaft gebracht werden müssen. Bei Band 1 ist dieses Bedürfnis in Bezug auf gesetzgeberische Neuerungen zwar eher gering. Jedoch besteht auch hier ein Aktualisierungsbedürfnis mit Blick auf die Entwicklung von Rechtsprechung und Schrifttum, gehen doch erhebliche Teile der Erläuterungen in der 11. Auflage bis auf das Jahr 1992 zurück. Die Benutzerfreundlichkeit der Neuauflage wird - unter Beibehaltung der Konzeption als Großkommentar - dadurch gesteigert, dass das Gesamtwerk nicht mehr in Einzellieferungen, sondern bandweise erscheint. Geplant sind 14 (auch einzeln beziehbare) Bände, drei für den Allgemeinen Teil und neun für den Besonderen Teil des Strafgesetzbuches; ein abschließender Band wird das Gesamtregister enthalten; ein Band ist dem Völkerstrafgesetzbuch vorbehalten. Inhalt und Umfang der einzelnen Bände orientieren sich so weit wie möglich an Regelungsbereichen, wobei der Kommentierung zusammenhängender gesetzlicher Regelungen Vorrang vor einer mehr oder weniger gleichen Anzahl der Seiten und anderen Äußerlichkeiten eingeräumt wurde. Für die einzelnen Bände zeichnet jeweils ein/e Herausgeber/in als Bandredaktor verantwortlich. Um den modernen technischen Möglichkeiten gerecht zu werden, hält der Verlag bei Erscheinen eines jeden Bandes die in den Kommentartexten und Fußnoten nach Fundstellen in amtlichen Sammlungen und Zeitschriften zitierten Gerichtsentscheidungen chronologisch aufgelistet nach Band oder Jahrgang der einzelnen Sammlungen und Zeitschriften, jedoch ergänzt um Datum und Aktenzeichen der zitierten Entscheidung, auf hierfür eigens eingerichteten Internetseiten bereit. Diese Lösung erschien dem Verlag und den Herausgebern gegenüber einer umfassenden Zitierweise von Gericht, Fundstelle, Entscheidungsdatum und Aktenzeichen im gedruckten Text vorzugswürdig, da sie die Lesbarkeit des Erläuterungstextes nicht beeinträchtigt. Der vorliegende l.Band umfasst den Ersten Abschnitt sowie den Ersten, Zweiten und Dritten Teil des Zweiten Abschnitts des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs und somit dogmatisch grundlegende sowie zugleich praxisrelevante Teile des materiellen Strafrechts: Geltung und Anwendung des Strafrechts, Definitionen sowie Zurechnungsregeln, insbesondere bei Versuch und Teilnahme (vgl. Tiedemann Festschrift Baumann [1992] 7, 11). Die „Vorrangregeln" für Fälle der Kollision von Rechten des Täters und des Opfers (§§ 32 ff.) sind ebenso wie die Rechtsfolgen der Straftat in Band 2 erläutert (bis einschließlich Konkurrenzlehre). Mehrere namhafte Autoren der 11. Auflage wirken nicht mehr mit. Im l.Band der 12. Auflage sind Günter Gribbohm, Burkhard Jährtke, Hans-Heinrich Jescheck, Claus Roxitt und Friedrich-Christian Schroeder nicht mehr dabei. Ihnen gilt für ihre frühere Mitarbeit, die in den nun vorliegenden Bearbeitungen fortwirkt, der aufrichtige Dank VII
Vorwort
des Verlages und der Herausgeber. An ihre Stelle sind Gerhard Dannecker, Eric Hilgendorf, Heinz Scböch, Bernd Schünemann, Joachim Vogel, Tonio Walter, Thomas Weigend und Gerhard Werle in Zusammenarbeit mit Florian Jeßberger getreten. Unbeschadet des bandübergreifenden Zieles des Leipziger Kommentars, den gegenwärtigen Stand der rechtlichen Probleme des Strafrechts erschöpfend darzustellen, gilt für den vorliegenden Band wie für den Gesamtkommentar, dass jeder Autor die wissenschaftliche Verantwortung für die von ihm bearbeiteten Erläuterungen trägt. Angesichts der zunehmenden Flut der Veröffentlichungen und Gesetzesinitiativen ist es kaum noch möglich, in allen Bereichen und für alle Verästelungen den Grundsatz der vollständigen Dokumentation und Auswertung des Materials uneingeschränkt zu erfüllen. Es ist daher der Verantwortung der Autoren überlassen, ob sie eine Auswahl vornehmen und nach welchen Kriterien die Auswahl getroffen wird. Vollständigkeit streben nur die Literaturverzeichnisse an. Der hiermit vorgelegte Band hat durchweg den Bearbeitungsstand von Ende 2006. Teilweise konnte auch noch später erschienene Rechtsprechung und Literatur berücksichtigt werden. Freiburg im Breisgau, März 2007
VIII
Klaus
Tiedetnann
Inhaltsübersicht Vorwort Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis
VII XIII XXXV
ERLÄUTERUNGEN EINLEITUNG I. Aufgaben des Strafrechts II. III. IV. V. VI. VII.
1
Materien und Rechtsquellen des Strafrechts Entstehung und Reform des Strafgesetzbuchs Überblick über Aufbau und Inhalt des Strafgesetzbuchs Die Mittel des Strafrechts: Strafen und Maßregeln Europäisches Strafrecht Völkerstrafrecht
8 14 21 27 44 51
ALLGEMEINER TEIL
Erster Abschnitt Das Strafgesetz Erster Titel Geltungsbereich § 1 Anh zu § 1 § 2 Vor §§ 3 ff § 3 § 4 § 5 § 6 § 7 § 8 § 9 § 10
Keine Strafe ohne Gesetz Wahlfeststellung Zeitliche Geltung Vorbemerkungen Geltung für Inlandstaten Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen . . Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter . . . . Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen Zeit der Tat Ort der Tat Sondervorschriften für Jugendliche und Heranwachsende
57 265 323 389 490 507 521 566 596 619 624 646
IX
Inhaltsübersicht Zweiter Titel Sprachgebrauch Vor §§ 11, 12 § 11 § 12
Vorbemerkungen Personen- und Sachbegriffe Verbrechen und Vergehen
649 650 693
Zweiter Abschnitt D i e Tat Erster Titel Grundlagen der Strafbarkeit Vor §§ 13 ff § 13 § 14 Vor §§ 15 ff § 15 §16 § 17 § 18 § 19 § 20 § 21
Vorbemerkungen Begehen durch Unterlassen Handeln für einen anderen Vorbemerkungen Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln Irrtum über Tatumstände Verbotsirrtum Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen Schuldunfähigkeit des Kindes Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen Verminderte Schuldfähigkeit
703 815 874 941 991 1116 1174 1217 1250 1255 1350
Z w e i t e r Titel Versuch Vor §§ 22 ff § 22 § 23 § 24
Vorbemerkungen Begriffsbestimmung Strafbarkeit des Versuchs Rücktritt
1373 1448 1615 1649
Dritter Titel Täterschaft u n d T e i l n a h m e Vor § 2 5 § 25 Vor §§ 26 ff § 26 § 27 § 28 § 29
X
Vorbemerkungen Täterschaft Vorbemerkungen Anstiftung Beihilfe Besondere persönliche Merkmale Selbständige Strafbarkeit des Beteiligten
1813 1844 1965 1985 2027 2064 2106
Inhaltsübersicht
§ 30 § 31
SACHREGISTER
Versuch der Beteiligung Rücktritt vom Versuch der Beteiligung
2109 2157
2171
XI
Abkürzungsverzeichnis AA aA aaO AbfG AbfVerbrG Abg. AbgO abgedr. Abk. abl. ABl. AblEU AblKR Abs. Abschn. abw. AbwAG AcP AdVermiG
ADPCP AE a.E. ÄndG ÄndVO Anh a.F. AFG AfP AG AGBG/AGB-Gesetz AHK AktG AktO allg. a 11g. M. Alt. aM AMG arati. Begr. and.
Auswärtiges Amt anderer Ansicht am angegebenen Ort Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz) Gesetz über die Überwachung und Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen (Abfallverbringungsgesetz) Abgeordneter Reichsabgabenordnung abgedruckt Abkommen ablehnend Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Union (ab 2003); Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen; Ausgabe L: Rechtsvorschriften Amtsblatt des Kontrollrats Absatz Abschnitt abweichend Abwasserabgabengesetz Archiv für civilistische Praxis (zit. nach Band u. Seite) Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (Adoptionsvermittlungsgesetz) Anuario de Derecho penal y Ciencias penales Alternativ-Entwurf eines StGB, 1966 ff am Ende Änderungsgesetz Änderungsverordnung Anhang alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Archiv für Presserecht Amtsgericht; in Verbindung mit einem Gesetz: Ausführungsgesetz Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Alliierte Hohe Kommission Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) Anweisung für die Verwaltung des Schriftguts bei den Geschäftsstellen der Gerichte und der Staatsanwaltschaften (Aktenordnung) allgemein allgemeine Meinung Alternative anderer Meinung Arzneimittelgesetz amtliche Begründung anders
XIII
Abkürzungsverzeichnis Angekl. Anh. AnhRügG Ani. Anm. AnwBl. ao AO 1977 AöR AOStrÄndG AP AR ArchKrim. ArchPF ArchPR ArchPT ARSP Art. AT AtG/AtomG AÜG Auff. aufgehob. Aufl. AuR ausdrückl. ausführl. AusfVO ausi. AuslG AusnVO ausschl. AV AVG AWG AWG/StÄG Az. b. BA BÄK BÄK BÄO BAG BÄK BAnz. BauGB Bay. BayBS
XIV
Angeklagte(r) Anhang Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) Anlage Anmerkung Anwaltsblatt außerordentlich Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arztrecht Archiv für Kriminologie Archiv für Post- und Fernmeldewesen Archiv für Presserecht Archiv für Post und Telekommunikation Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (zit. nach Band u. Seite) Artikel Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuches Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Auffassung aufgehoben Auflage Arbeit und Recht ausdrücklich ausführlich Ausführungsverordnung ausländisch Ausländergesetz Ausnahmeverordnung ausschließlich Allgemeine Verfügung Angestelltenversicherung Außenwirtschaftsgesetz Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuchs und anderer Gesetze Aktenzeichen bei Blutalkohol, Wissenschaftliche Zeitschrift für die medizinische und die juristische Praxis Blutalkoholkonzentration Bundesärztekammer Bundesärzteordnung Bundesarbeitsgericht Blutalkoholkonzentration Bundesanzeiger Baugesetzbuch Bayern, bayerisch Bereinigte Sammlung des Bayerischen Landesrechts (1802-1956)
Abkürzungsverzeichnis BayLSG BayObLG BayObLGSt. BayVBl. BayVerf. BayVerwBl. BayVerfGHE BayVGH BayVGHE
BayZ BB BBG BBodSchG Bd., Bde BDH BDO BDSG Bearb. begl. BegleitG zum TKG Begr., begr. Bek. Bekl., bekl. Bern. ber. bes. Beschl. Beschw. Bespr. Best. bestr. betr. BeurkG BewH BezG BFH BfJG
BG BGB BGBl. I, II, III BGE BGH BGHGrS BGHSt BGHZ
Bayerisches Landessozialgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Bayerische Verwaltungsblätter Verfassung des Freistaates Bayern Bayerische Verwaltungsblätter s. BayVGHE Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, des Bayerischen Dienststrafhofs und des Bayerischen Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte (zit. nach Band u. Seite) Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern (1905-1934) Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz) Band, Bände Bundesdisziplinarhof Bundesdisziplinarordnung Bundesdatenschutzgesetz Bearbeitung beglaubigt Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz Begründung, begründet Bekanntmachung Beklagter, beklagt Bemerkung berichtigt besonders, besondere(r, s) Beschluss Beschwerde Besprechung Bestimmung bestritten betreffend Beurkundungsgesetz Bewährungshilfe Bezirksgerichte Bundesfinanzhof Gesetz über die Errichtung des Bundesamtes für Justiz = Art. 1 des Gesetzes zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamtes für Justiz Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I, II und III Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof, Großer Senat Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (zit. nach Band u. Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (zit. nach Band u. Seite)
XV
Abkürzungsverzeichnis BGPr. BImSchG BImSchVO BinnSchiffG/BinSchG BJagdG BJM BK BKA BKAG/BKrimAG Bln. Bln.GVBl.Sb. Blutalkohol BMI BMJ BNatSchG BNotÄndG BNotO BR BRAGO BRAK BranntwMG/BranntwMonG BRAO BRAOÄndG BRD BR-Drs./BRDrucks. BReg. Brem. BRProt. BRRG BRStenBer. BS BSeuchG BSG BSHG Bsp. BStBl. BT BTDrucks. BtMG BTProt. BTRAussch. BTStenBer. BTVerh. Buchst.
XVI
Die Praxis des Bundesgerichts (Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts) Bundes-Immissionsschutzgesetz Bundes-Immissionsschutzverordnung Gesetz betr. die privatrechtlichen Verhältnisses der Binnenschiffahrt (Binnenschiffahrtsgesetz) Bundesjagdgesetz Basler Juristische Mitteilungen Basler Kommentar zum Strafgesetzbuch (auch: Bonner Kommentar zum Grundgesetz) Bundeskriminalamt Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskriminalamtes) Berlin Sammlung des bereinigten Berliner Landesrechts, Sonderband I ( 1 8 0 6 - 1 9 4 5 ) und II ( 1 9 4 5 - 1 9 6 7 ) Blutalkohol, Wissenschaftliche Zeitschrift für die medizinische und juristische Praxis Bundesminister(ium) des Inneren Bundesminister(ium) der Justiz Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) Drittes Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Bundesnotarordnung Bundesrat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Bundesrechtsanwaltskammer Branntweinmonopolgesetz Bundesrechtsanwaltsordnung Gesetz zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentrechtsanwaltsordnung und anderer Gesetze Bundesrepublik Deutschland Bundesrats-Drucksache Bundesregierung Bremen Protokolle des Bundesrates Beamtenrechtsrahmengesetz Verhandlungen des Bundesrats, Stenographische Berichte (zit. nach Sitzung u. Seite) Sammlung des bereinigten Landesrechts Bundes-Seuchengesetz Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Beispiel Bundessteuerblatt Besonderer Teil des StGB (auch: Bundestag) Bundestags-Drucksache Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) s. BTVerh. Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags Verhandlungen des deutschen Bundestag, Stenographische Berichte (zit. nach Wahlperiode u. Seite) Verhandlungen des Deutschen Bundestags Buchstabe
Abkürzungsverzeichnis BVerfG BVerfGE
bzw.
Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zit. nach Band u. Seite) Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (zit. nach Band u. Seite) (Bundes-(Verwaltungsverfahrensgesetz Baden-Württemberg bezüglich Bundeszentralregister Gesetz über das Bundeszentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz) beziehungsweise
ca. ChemG CR CWÜAG
circa Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) Computer und Recht AusführungsG zum Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ-AG)
DA DÄB1. dagg. DAR DAV DB DDevR DDR DDT-G DepotG
Deutschland Archiv Deutsches Ärzteblatt dagegen Deutsches Autorecht Deutscher Anwaltsverein Der Betrieb Deutsche Devisen-Rundschau (1951-1959) Deutsche Demokratische Republik Gesetz über den Verkehr mit DDT Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) derselbe/dieselbe dergleichen Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung das heißt Die Justiz, Amtsblätter des Justizministeriums Baden-Württemberg Die Polizei (seit 1955: Die Polizei - Polizeipraxis) dieselbe(n) Differenzierung, differenzierend Dissertation Deutsche Justiz, Rechtspflege und Rechtspolitik Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung (1896-1936) Deutsche Medizinische Wochenschrift Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse Gesetz zur effektiven Nutzung von Dateien im Bereich der Staatsanwaltschaften Die Öffentliche Verwaltung Entscheidungen des Deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Deutsches Recht, Wochenausgabe (vereinigt mit Juristische Wochenschrift) (1931-1945) Deutsche Rechtswissenschaft (1936-1943) Deutscher Richterbund Deutsches Richtergesetz
BVerfGG BVerwG BVerwGE BVwVfG BW bzgl. BZR BZRG
ders./dies. dgl. DGVZ d.h. Justiz Polizei dies. Diff., diff. Diss. DJ DJT DJZ DMW DNA-AnalysG DNutzG DÖV DOGE DR DRechtsw. DRiB DRiG
XVII
Abkürzungsverzeichnis DRiZ DRM
DVO DVollzO DVP
Deutsche Richterzeitung Deutsches Recht, Monatsausgabe (vereinigt mit Deutsche Rechtspflege) Deutsche Rechtspflege (1936-1939) Drucksache Deutsche Rechtsprechung, hrsg. von Feuerhake (Loseblattsammlung) Deutsche Rechts-Zeitschrift (1946-1950) Datenschutzberater Deutsches Steuerrecht Deutsches Strafrecht (1934-1944) Deutsche Strafrechts-Zeitung (1914-1922) Deutsche Steuerzeitung, bis Jg. 67 (1979): Ausgabe A deutsch Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V. Durchführungsverordnung Dienst- und Vollzugsordnung Deutsche Verwaltungspraxis
DVR
Datenverarbeitung im Recht (bis 1985, danach vereinigt mit IuR)
DRpfl. Drs./Drucks. DRsp. DRZ DSB DStrR DStR DStrZ DStZ A dt. DtZ DuR DVB1. DVJJ
E
Entwurf bzw. Entscheidung
E 1927
Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches nebst Begründung (Reichstagsvorlage) 1927 Entwurf eines Strafgesetzbuches mit Begründung 1962 Entwurf einer Abgabenordnung ebenda ebenso editor(s) Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) Entscheidung der Finanzgerichte (zit. nach Band u. Seite) Einführungsgesetz bzw. Europäische Gemeinschaft(en) bzw. Erinnerungsgabe Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz zum Übereinkommen v. 26.8.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Ehrengerichtliche Entscheidungen der Ehrengerichtshöfe der Rechtsanwaltschaft des Bundesgebiets und des Landes Berlin (zit. nach Band u. Seite) Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer Gesetze Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Ehegesetz ehemalig
E 62 EAO ebd. ebso. ed(s) EEGOWiG EEGStGB EFG EG EGBGB EG-FinanzschutzG/ EGFinSchG EGGVG EGH
EGInsO EGInsOÄndG EGKS EGMR EGOWiG EGStGB EGStPO EGV EheG ehem.
XVIII
Abkürzungsverzeichnis EhrenGHE Einf. eingeh. einschl. einschr. Einl. EJF EKMR EmmingerVO EMRK entgg. Entsch. entspr. Entw. Erg. ErgBd. ErgThG Erl. Erw. ESchG EStG etc. Ethik Med. ETS EU EUBestG
EuGH EuGHE EuGRZ EuHbG
EuR EurGHMR EurKomMR europ. EuropolG EUV EuZW EV
EV I bzw. II evtl. EWG EWGV EWiR EWiV EWR
Ehrengerichtliche Entscheidungen (der Ehrengerichtshöfe der Rechtsanwaltschaft des Bundesgebietes und des Landes Berlin) Einführung eingehend einschließlich einschränkend Einleitung Entscheidungen aus dem Jugend- und Familienrecht (1951-1969) Europäische Kommission für Menschenrechte Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege Europäische Menschenrechtskonvention entgegen Entscheidung entsprechend Entwurf Ergebnis bzw. Ergänzung Ergänzungsband Ergotherapeutengesetz Erläuterung Erwiderung Embryonenschutzgesetz Einkommensteuergesetz et cetera Ethik in der Medizin European Treaty Series Europäische Union Gesetz zum Protokoll v. 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ( EU-Bestechungsgesetz ) Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - Amtliche Sammlung Europäische Grundrechte-Zeitschrift Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz - EuHbG) Europarecht Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Kommission für Menschenrechte europäisch Europol-Gesetz Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag Anlage I bzw. II zum EV eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Schriftenreihe zum europäischen Weinrecht (auch: Europäischer Wirtschafts-Raum)
XIX
Abkürzungsverzeichnis EzSt
Entscheidungssammlung zum Straf- u. Ordnungswidrigkeitenrecht, hrsg. von Lemke (zit. nach Band u. Seite)
f, ff FAG FamRZ
folgende, fortfolgende Gesetz über Fernmeldeanlagen Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht. Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fachanwaltsordnung Frankfurter Allgemeine Zeitung Festschrift Finanzgericht (auch: Festgabe) Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung finanziell Gesetz über die Finanzverwaltung Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) Flaggenrechtsverordnung Fußnote fraglich Festschrift
FAO FAZ Festschr. FG FGG FGO fin. FinVerwG/FVG FlaggRG/FIRG F1RV Fn. fragl. FS G bzw. Ges. G 10 GA
GBA GBG GBl. GebFra GedS gem. Gemeinsame-Dateien-Gesetz GenG GenStA GerS GeschlKG/GeschlkrG GeschO gesetzt. GewArch GewO GewVerbrG gg. GG ggf. GjS/GjSM GKG gl. GmbHG
XX
Gesetz Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) Goltdammer's Archiv für Strafrecht, zit. nach Jahr u. Seite (bis 1933: Archiv für Strafrecht und Strafprozeß, zit. nach Band u. Seite) Generalbundesanwalt Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter Gesetzblatt Geburtshilfe und Frauenheilkunde (zit. nach Band u. Seite) Gedächtnisschrift gemäß Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Generalstaatsanwalt Der Gerichtssaal Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Geschäftsordnung gesetzlich Gewerbearchiv, Zeitschrift für Gewerbe- und Wirtschaftsverwaltungsrecht Gewerbeordnung Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung gegen Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte Gerichtskostengesetz gleich Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
Abkürzungsverzeichnis GmbHR/GmbH-Rdsch GMB1. GnO grdl. grds. GrS GrSSt. GRUR GS GSNW GSSchlH GÜG
GV GVB1. GVB1. I—III GVG GWB GwG
h.A. HaagLKO/HLKO Halbs./Hbs. Hamb. HambJVBl HannRpfl Hans. HansGZ bzw. H G Z HansJVBl HansOLGSt HansRGZ HansRZ
Hdb. HdbStR HeilPrG Hess. HeSt
HFR HGB hins. Hinw. h.L. h.M.
GmbH-Rundschau (vorher: Rundschau für GmbH) Gemeinsames Ministerialblatt Gnadenordnung (Landesrecht) grundlegend grundsätzlich Großer Senat Großer Senat in Strafsachen Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Der Gerichtssaal (zit. nach Band u. Seite) Sammlung des bereinigten Landesrechts Nordrhein-Westfalen (1945-1956) Sammlung des schleswig-holsteinischen Landesrechts, 2 Bde (1963) Gesetz zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln mißbraucht werden können Gemeinsame Verfügung (mehrerer Ministerien) (auch: Grundlagenvertrag) Gesetz- und Verordnungsblatt Sammlung des bereinigten Hessischen Landesrechts Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz) herrschende Ansicht Haager Abkommen betr. die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs Halbsatz Hamburg Hamburgisches Justizverwaltungsblatt Hannoversche Rechtspflege Hanseatisch Hanseatische Gerichtszeitung (1889-1927) Hanseatisches Justizverwaltungsblatt (bis 1946/47) Entscheidungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Strafsachen (1879-1932/33) Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift (1928—43), vorher: Hanseatische Rechtszeitschrift für Handel, Schiffahrt und Versicherung, Kolonial- und Auslandsbeziehungen sowie für Hansestädtisches Recht(1918-1927) Handbuch Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) Hessen Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der Obersten Gerichte in Strafsachen (1948-49) (zit. nach Band u. Seite) Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch hinsichtlich Hinweis herrschende Lehre herrschende Meinung
XXI
Abkürzungsverzeichnis HöchstRR
HRR Hrsg. bzw. hrsg. h. Rspr. HWiStR
i. Allg. i. allg. S. i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.E./i. Erg. i.e.S. IGH i. gl. s. i. Grds. IHK i.H.v. ILC ILM IM IMT ini. insb./insbes. insges. InsO IntBestG inzw. IPBPR i.R.d. i.R.v. IStGH IStGH-Statut IStR i.S. i.S.d. i.S.e. IStGH i.S.v. i. techn. S. i.U. i. üb. IuKDG
Höchstrichterliche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Strafrechts, Beilage zur Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (1 zu Bd. 4 6 , 2 zu Bd. 47, 3 zu Bd. 4 8 ) Höchstrichterliche Rechtsprechung ( 1 9 2 8 - 1 9 4 2 ) , bis 1 9 2 7 : Die Rechtsprechung, Beilage zur Zeitschrift Juristische Rundschau Herausgeber bzw. herausgegeben herrschende Rechtsprechung Krekeler/Tiedemann/Ulsenheimer/Weinmann (Hrsg.) Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts im Allgemeinen im allgemeinen Sinn in der Fassung in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis im engeren Sinn Internationaler Gerichtshof im gleichen Sinn im Grundsatz Industrie- und Handelskammer in H ö h e von International L a w Commission International Legal Materials Innenminister(ium) International Military Tribunal (Nürnberg) inländisch insbesondere insgesamt Insolvenzordnung Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung inzwischen Internationaler Pakt über bürgerliche und politische R e c h t e im R a h m e n der/des im R a h m e n von Internationaler Strafgerichtshof Internationaler Strafgerichtshof - Statut Internationales Strafrecht im Sinne im Sinne der/des im Sinne einer(s) (ständiger) Internationaler Strafgerichtshof (Den H a a g ) im Sinne von im technischen Sinne im Unterschied im übrigen
i.w. i.w.S. i.Z.m.
Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienstegesetz) Informatik und Recht in Verbindung mit im wesentlichen im weiteren Sinne im Z u s a m m e n h a n g mit
JA
Juristische Arbeitsblätter für Ausbildung und E x a m e n
IuR i.V.m.
XXII
Abkürzungsverzeichnis JahrbÖR JahrbPostw. JA-R JAVollzO JBeitrO JB1. JBIRhPf. JB1 Saar jew. JFGErg.
JGG JK JKomG JM JMB1NRW/JMB1NW JÖSchG JOR JR JRE JSt JStGH JStGH-Statut 1. JuMoG 2. JuMoG JurA Jura JurBl./JBl. JurJahrb. JuS Justiz JuV JVA JVB1. JVKostO JVollz. JW JWG JZ JZ-GD Kap. KastG/KastrG KE Kfz. KG KGJ
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Jahrbuch des Postwesens (1937-1941/42) Juristische Arbeitsblätter - Rechtsprechung Jugendarrestvollzugsordnung Justizbeitreibungsordnung Justizblatt Justizblatt Rheinland-Pfalz Justizblatt des Saarlandes jeweils Entscheidungen des Kammergerichts und des Oberlandesgerichts München in Kosten-, Straf-, Miet- und Pachtschutzsachen (= Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkkeit und des Grundbuchrechts. ErgBd.) Jugendgerichtsgesetz Jura-Kartei Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz - JKomG) Justizminister(ium) Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit Jahrbuch für Ostrecht Juristische Rundschau Jahrbuch für Recht und Ethik Journal für Strafrecht Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien Statut Erstes Gesetz zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) Zweites Gesetz zur Modernisierung der Justiz (2. Justizmodernisierungsgesetz) Juristische Analysen Juristische Ausbildung Juristische Blätter Juristen-Jahrbuch Juristische Schulung. Zeitschrift für Studium und Ausbildung Die Justiz. Amtsblatt des Justizministeriums von Baden-Württemberg Justiz und Verwaltung Justizvollzugsanstalt Justizverwaltungsblatt Gesetz über Kosten im Bereich der Justizverwaltung Jugendstrafvollzugsordnung: s. auch JAVollzO Juristische Wochenschrift Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung Juristenzeitung - Gesetzgebungsdienst Kapitel Gesetz über die freiwillige Kastration Kommissionsentwurf Kraftfahrzeug Kammergericht bzw. Kommanditgesellschaft Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen (1881-1922) (zit. nach Band u. Seite)
XXIII
Abkürzungsverzeichnis KindRG KJ KO KorBekG/KorrBekG/KorrBG K&R KRABI. KreditwesenG/KWG KRG KriegswaffKG/KWKG KrimAbh. KrimGwFr Kriminalistik Krimjournal krit. KritJ/Krit. Justiz KritV/KritVj KrW-/AbfG
KunstUrhG/KUrhG KuT KuV/k+v/K+V KWG LegPer. LFGB LG lit. Lit. LM LMBG
LPG LRA LRE LS lt. LT LuftSiG LuftVG LuftVO/LuftWO LuftVZO LVerf. LZ m. m. Anm. Mat. m.a.W.
XXIV
Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts Kritische Justiz Konkursordnung Gesetz zur Bekämpfung der Korruption Kommunikation und Recht s. AB1KR Gesetz über das Kreditwesen Kontrollratsgesetz Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen Kriminalistische Abhandlungen, hrsg. von Exner Kriminologische Gegenwartsfragen (zit. nach Band u. Seite) Kriminalistik, Zeitschrift für die gesamte kriminalistische Wissenschaft und Praxis Kriminologisches Journal kritisch Kritische Justiz Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz) Kunsturhebergesetz Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Kraftfahrt u. Verkehrsrecht, Zeitschrift der Akademie für Verkehrswissenschaft, H a m b u r g siehe KreditwesenG Legislaturperiode Lebens- und Futtermittelgesetzbuch Landgericht littera (Buchstabe) Literatur Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. ν Lindenmaier/ Möhring u.a. (zit. nach Paragraph u. N u m m e r ) Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) Landespressegesetz Landratsamt Sammlung lebensmittelrechtlicher Entscheidungen Leitsatz laut Landtag Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben (Luftsicherheitsgesetz) Luftverkehrgesetz Verordnung über den Luftverkehr Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung Landesverfassung Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht ( 1 9 0 7 - 1 9 3 3 ) mit mit Anmerkung Materialien zur Strafrechtsreform (1954). Band I: Gutachten der Strafrechtslehrer. Band II: Rechtsvergleichende Arbeiten mit anderen Worten
Abkürzungsverzeichnis m. Bespr. MdB MdL MDR MDStV MedR MedSach MfS MiStra mißverst./missverst. Mitt. MittlKV MK m. krit. Anm. MMR MMW MRG MschrKrim./MonKrim. MschrKrimBiol/ MonKrimBiol. MschrKrimPsych/ MonKrimPsych. MStGO m.w.N. m. zust./abl. Anm. Nachtr. Nachw. NATO-Truppenstatut/NTS
Nds. NdsRpfl./Nds.Rpfl NEhelG n.F. Niederschr./Niederschriften Nieders.GVB1. (Sb. I, II) NJ NJW NJW-RR NK NKrimP NPA Nr.(n) NRW NStE NStZ NStZ-RR NuR NVwZ NWB
mit Besprechung Mitglied des Bundestages Mitglied des Landtages Monatsschrift für Deutsches Recht Staatsvertrag über Mediendienste Medizinrecht Der Medizinische Sachverständige Ministerium für Staatssicherheit Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen miß verständlich/missverständlich Mitteilung Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung (1889-1914; 1926-1933) Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch mit kritischer Anmerkung (von) MultiMedia und Recht Münchner Medizinische Wochenschrift Militärregierungsgesetz Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform (1904/05-1936) Militärstrafgerichtsordnung mit weiteren Nachweisen mit zustimmender/ablehnender Anmerkung Nachtrag Nachweis Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags v. 19.6.1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) Niedersachsen Niedersächsische Rechtspflege Gesetz über die Rechtsstellung der nichtehelichen Kinder neue Fassung Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Sonderband I und II, Sammlung des bereinigten niedersächsischen Rechts Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht N o m o s Kommentar zum Strafgesetzbuch Neue Kriminalpolitik Neues Polizei-Archiv Nummer(n) Nordrhein-Westfalen Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht, hrsg. von Rebmann, Dahs und Miebach Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungs-Report Strafrecht Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Wirtschaftsbriefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht
XXV
Abkürzungsverzeichnis NZA NZG NZS NZV NZWehrr/NZWehrR
Neue Neue Neue Neue Neue
o. o.a. ob. diet. OBGer öffentl. ÖJZ/ÖstJZ Öst O G H
oben oder ähnlich obiter dictum Obergericht (Schweizer Kantone) öffentlich Österreichische Juristenzeitung Österreichischer Oberster Gerichtshof; ohne Zusatz: Entscheidung des Öst O G H in Strafsachen (zit. nach Band u. Seite) oben genannt Oberstes Gericht der DDR Entscheidungen des Obersten Gerichts der DDR Oberster Gerichtshof (Österreich) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen (1949/50) (zit. nach Band u. Seite) Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- u. Strafverfahrensrecht (zit. nach Paragraph u. Seite, n.F. nach Paragraph u. Nummer) Organisierte Kriminalität Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
o.g. OG OGDDR OGH OGHSt. OHG OLG OLGSt.
OrgK OrgKG OrgKVerbG OVG OWiG PartG PartGG PatG PAuswG PflanzenSchG/PflSchG PHI PolG polit. PolV/PolVO PostG PostO Pr. PrG PrGS ProdSG Prot. Pr. OT PrPVG Prot. BT-RA PrOVG
XXVI
Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift
für für für für für
Arbeits- und Sozialrecht Gesellschaftsrecht Sozialrecht Verkehrsrecht Wehrrecht
Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz) Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Patentgesetz Gesetz über Personalausweise Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz) Produkthaftpflicht International Polizeigesetz politisch Polizeiverordnung Gesetz über das Postwesen (Postgesetz) Postordnung Preußen Pressegesetz Preußische Gesetzessammlung (1810-1945) Produktsicherheitsgesetz Protokolle über die Sitzungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform Preußisches Obertribunal Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz Protokolle des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (zit. nach Nummern) Preußisches Oberverwaltungsgericht
Abkürzungsverzeichnis PrZeugnVerwG PStG psych. PsychThG
Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk Personenstandsgesetz psychisch Gesetz über die Berufe des psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PsychotherapeutenG)
qualif.
qualifizierend
R
Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen (zit. nach Band u. Seite) Recht und Psychiatrie Reichsabgabenordnung Rechtsausschuß/Rechtsausschuss Gesetz zur Verhütung von Mißbrauch auf dem Gebiet der Rechtsberatung Recht der Arbeit Runderlaß/Runderlass Recht der Jugend und des Bildungswesens Das Recht des Kraftfahrers, Unabhängige Monatsschrift des Kraftverkehrsrechts (1926-43, 1949-55) Randnummer Rundschreiben Entscheidungen des Reichsdienststrafhofs (1939—41) Reichsdienststrafordnung Recht der Datenverarbeitung Das Recht, begründet von Soergel (1897-1944) Rechtsmedizin rechtspolitisch Rechtstheorie rechtsvergleichend Regierung Regierungsblatt relativ Rundfunkstaatsvertrag Reichsgericht Reichsgesetzblatt, von 1922-1945 Teil I und Teil II Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen (1879-1888) Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (zit. nach Band u. Seite) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (zit. nach Band u. Seite) Rechnungshofgesetz Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen Rheinland-Pfalz Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts - Richtlinien gem. § 177 Abs. 2 Satz 2 BRAO Revue internationale de droit pénal Richtlinien der Landesjustizverwaltungen zum Jugendgerichtsgesetz Gemeinsame Anordnung über die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und über die Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren
R & Ρ RabgO/RAO RAussch. RBerG RdA RdErl. RdJB RdK Rdn. Rdschr./RdSchr. RDStH RDStO RDV Recht RechtsM rechtspol. RechtsTh rechtsvergl. Reg. RegBl. rei. RfStV RG RGBl., RGBl. I, II RGRspr. RGSt RGZ RHG RHilfeG/RHG RhPf. RiAA RIDP RiJGG RiOWiG
RiStBV
XXVII
Abkürzungsverzeichnis RiVASt RKG/RKnappschG RKGE RMB1. RMG/RMilGE RöntgVO/RöV ROW R&P Rpfleger RpflG Rspr. RStGH RStGH-Statut RT RTD rucks. RTVerh. RuP RVO s. S. s.a. SA SaarRZ SaBremR SächsArch. SächsOLG ScheckG/SchG SchiedsmZ SchKG SchlH SchlHA SchwangUG Schweiz. SchwJZ SchwZStr. SeemannsG SeeRÜbk./SRÜ Sen. SeuffBl. SexualdelikteBekG SFHÄndG SFHG
SG/SoldatG
XXVIII
Richtlinien für den Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten Reichsknappschaftsgesetz Entscheidungen des Reichskriegsgerichts (zit. nach Band u. Seite) Reichsministerialblatt, Zentralblatt für das Deutsche Reich (1923-45) Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts (zit. nach Band u. Seite) Röntgenverordnung Recht in Ost und West. Zeitschrift für Rechtsvergleichung und interzonale Rechtsprobleme Recht und Psychiatrie Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtsprechung Internationaler Strafgerichtshof für R u a n d a Internationaler Strafgerichtshof für R u a n d a - Statut Reichstag Drucksachen des Reichstags Verhandlungen des Reichstags Recht und Politik. Vierteljahreshefte für Rechts- und Verwaltungspolitik Reichsversicherungsordnung siehe Seite oder Satz siehe auch Sonderausschuss für die Strafrechtsreform Saarländische Rechts- und Steuerzeitschrift Sammlung des bremischen Rechts (1964) Sächsisches Archiv für Rechtspflege, seit 1924 (bis 1941/42). Archiv für Rechtspflege in Sachen, Thüringen und Anhalt Annalen des Sächsischen Oberlandesgerichts zu Dresden (1880-1920) Scheckgesetz Schiedsmannszeitung (1926-1945), seit 1950 Der Schiedsmann Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz) Schleswig-Holstein Schleswig-Holsteinische Anzeigen (DDR-)Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft schweizerisch Schweizerische Juristen-Zeitung Schweizer Zeitschrift für Strafrecht (zit. nach Band u. Seite) Seemannsgesetz Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen; Vertragsgesetz Senat Seufferts Blätter für Rechtsanwendung (1836-1913) Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten - Sexualdeliktebekämpfungsgesetz Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz Gesetz zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz) Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten
Abkürzungsverzeichnis SGB I, IV, V, VIII, Χ , XI
SGb. SGG SGV.NW SichVG SJZ SK s.o. sog. Sonderausschuß SortenSchG SozVers spez. SprengG/SprengstoffG StA StaatsGH StaatsschStrafsG StÄG StAZ StB StenB/StenBer StGB StPO str. StrAbh. StRÄndG
StraffreiheitsG/StrFG StraFo strafr. StrafrAbh. StraßVerkSichG/ StrEG StREG StrlSchuV/StrlSchVO
I: Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil IV: Sozialgesetzbuch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung V: Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung VIII: Sozialgesetzbuch, Kinder- und Jugendhilfe X: Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehung zu Dritten XI: Soziale Pflegeversicherung Sozialgerichtsbarkeit Sozialgerichtsgesetz Sammlung des bereinigten Gesetz- und Verordnungsblatts für das Land Nordrhein-Westfalen (Loseblattsammlung) Gesetz zur Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsverwahrung Süddeutsche Juristen-Zeitung (1946-50), dann Juristenzeitung Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch siehe oben sogenannt(e) Sonderausschuß des Bundestags für die Strafrechtsreform, Niederschriften zitiert nach Wahlperiode und Sitzung Gesetz über den Schutz von Pflanzensorten (Sortenschutzgesetz) Die Sozialversicherung speziell Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Staatsanwalt( schaff) Staatsgerichtshof Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen s. StRÄndG Das Standesamt. Zeitschrift f. Standesamtswesen, Personenstandsrecht, Ehe- u. Kindschaftsrecht, Staatsangehörigkeitsrecht Der Steuerberater Stenographischer Bericht Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung streitig, strittig Strafrechtliche Abhandlungen Strafrechtsänderungsgesetz (1. vom 30.8.1951) 18. - Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität 27. — Kinderpornographie 28. — Abgeordnetenbestechung 31. — Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität 37. — § § 180b, 181 StGB 40. — Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen Gesetz über Straffreiheit Strafverteidigerforum strafrechtlich Strafrechtliche Abhandlungen, hrsg. von Bennecke, dann von Beling, v. Lilienthal und Schoetensack 1. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs (Straßenverkehrssicherungsgesetz - StraßenVSichG) Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Gesetz über ergänzende Maßnahmen zum 5. StrRG (Strafrechtsreformergänzungsgesetz) Strahlenschutzverordnung
XXIX
Abkürzungsverzeichnis StrRG st. Rspr. StS StuR StV/StrVert. StVE StVG StVGAndG StVj/StVJ StVK StVO StVollstrO StVollzÄndG StVollzG
StVollzK 1. StVRG 1. StVRErgG StVZO s.u. SubvG SV TDG TerrorBekG
Gesetz zur Reform des Strafrechts (1. 2. ... 6. ~) ständige Rechtsprechung Strafsenat Staat und Recht Strafverteidiger Straßenverkehrsentscheidungen, hrsg.von Cramer, Berz, Gontard, Loseblattsammlung (zit. nach Paragraph u. Nummer) Straßenverkehrsgesetz Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze Steuerliche Vierteljahresschrift Strafvollstreckungskammer Straßenverkehrsordnung Strafvollstreckungsordnung Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung - Strafvollzugsgesetz Blätter für Strafvollzugskunde (Beilage zur Zeitschrift „Der Vollzugsdienst") Erstes Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts Erstes Gesetz zur Ergänzung des 1. StVRG Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung siehe unten Subventionsgesetz Sachverhalt
TV Tz.
Gesetz über die Nutzung von Telediensten Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz) Tierschutzgesetz Titel Telekommunikationsgesetz Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen Transplantationsgesetz Truppenvertrag Textziffer, -zahl
u. u.a. u.ä. u.a.m. UdG Üb. Übereink./Übk. ÜbergangsAO ü. M . ÜFITA U-Haft umstr. UmwRG UNO UNTS unv.
unten (auch: und) unter anderem (auch: andere) und ähnliche und anderes mehr Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Überblick; Übersicht Übereinkommen Übergangsanordnung überwiegende Meinung Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Untersuchungshaft umstritten Umweltrahmengesetz der DDR United Nations Organization (Vereinte Nationen) United Nations Treaty Series unveröffentlicht
TerrorBekErgG TierschG/TierschutzG Tit. TKG TPG
XXX
Abkürzungsverzeichnis UrhG UStG usw. UTR
u.U. UVNVAG
UWG UZwG UZwGBw
V.
VAE VAG v.A.w. VB1BW VDA bzw. VDB VE VerbrBekG VerbringungsverbG VereinfVO
VereinhG
VereinsG VerfGH VerglO Verh. VerjährG
VerkMitt/VerkMitt./VM VerkProspektG vermitt. VerpflG VerschG
Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Umsatzsteuergesetz und so weiter Umwelt- und Technikrecht, Schriftenreihe des Instituts für Umweltund Technikrecht der Universität Trier, hrsg. von Rüdiger Breuer u.a. unter Umständen Ausführungsgesetz v. 23.7.1998 (BGBl. I S. 1882) zu dem Vertrag v. 24.9.1996 über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen Zustimmungsgesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen von, vom Verkehrsrechtliche Abhandlungen und Entscheidungen Versicherungsaufsichtsgesetz von Amts wegen Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Allgemeiner bzw. Besonderer Teil Vorentwurf Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetzte (Verbrechensbekämpfungsgesetz) Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote Vereinfachungsverordnung 1. VO über Maßnahmen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und Rechtspflege 2. - , VO zur weiteren Vereinfachung der Strafrechtspflege 3. Dritte VO zur Vereinfachung der Strafrechtspflege 4. Vierte VO zur Vereinfachung der Strafrechtspflege Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) Verfassungsgerichtshof Vergleichsordnung Verhandlungen des Deutschen Bundestages (BT), des Deutschen Juristentages (DJT) usw. Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten 2. VerjährG., Gesetz zur Verlängerung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 27.9.1993 3. VerjährG., Gesetz zur weiteren Verlängerung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 22.12.1997 Verkehrsrechtliche Mitteilungen Wertpapiere-Verkaufsprospektgesetz vermittelnd Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) idF v. Art. 42 EGStGB Verschollenheitsgesetz
XXXI
Abkürzungsverzeichnis VersG VersR VerwArch. VG VGH vgl. Vhdlgen VN VN-Satzung VO VOB1. VOR Voraufl. Vorbem. vorgen. VRS VStGB WDStRL WG VwGO VwVfG VwVG VwZG WaffG/WaffenG Warn./WarnRspr WDO WehrpflG WeimVerf./WV WeinG weitergeh. WHG WiB 1. WiKG 2. WiKG WiStG wistra WiVerw WK WM w.N.b. WoÜbG
WuM WPg WpHG WRP WStG
XXXII
Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche s. Verh. Vereinte Nationen Satzung der Vereinten Nationen Verordnung Verordnungsblatt Zeitschrift für Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht Vorauflage Vorbemerkung vorgenannt Verkehrsrechts-Sammlung, Entscheidungen aus allen Gebieten des Verkehrsrechts (zit. nach Band u. Seite) Völkerstrafgesetzbuch Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer (zit. nach Heft u. Seite) Gesetz über den Versicherungsvertrag Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsvollstreckungsgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Waffengesetz Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des RG, hrsg. von Warneyer (zit. nach Jahr u. Nummer) Wehrdisziplinarordnung Wehrpflichtgesetz Verfassung des Deutschen Reichs (sog. „Weimarer Verfassung") Weingesetz weitergehend Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) Wirtschaftsrechtliche Beratung 1. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität 2. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Wirtschaft und Verwaltung Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch Wertpapier-Mitteilungen weitere Nachweise bei Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (akustische Wohnraumüberwachung) v. 24.6.2005 Wohnungswirtschaft und Mietrecht Die Wirtschaftsprüfung Gesetz über Wertpapierhandel Wettbewerb in Recht und Praxis Wehrstrafgesetz
Abkürzungsverzeichnis WZG
(Ζ)
ZahlVGJG ZAkDR ZaöRV z.B. ZBB ZbernJV/ZBJV ZDG ZfBR Z. f. d. ges. Sachverst.wesen ZFIS ZfJ ZfRV ZfS/ZfSch ZfStrVo ZfW ZfZ ZGR ZHR Zif./Ziff. zit. ZIP ZIS ZMR ZollG ZPO ZRP ZSchwR ZStW z.T. ZUM zusf. zust. ZustErgG
ZustG ZustVO zutr. z.V.b. ZVG
ZWehrR z.Z. ZZP
Warenzeichengesetz zur, zum Entscheidung in Zivilsachen Gesetz über den Zahlungsverkehr mit Gerichten und Justizbehörden Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht ( 1 9 3 4 - 1 9 4 4 ) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zeitschrift für das gesamte Sachverständigenwesen Zeitschrift für innere Sicherheit Zentralblatt für Jugendrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, begr. v. Goldschmidt. Ziffer(n) zitiert Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zollgesetz Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (zit. nach Band u. Seite) zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht/Film und Recht zusammenfassend zustimmend Gesetz zur Ergänzung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und des Strafrechts (Zuständigkeitsergänzungsgesetz) Zustimmungsgesetz Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sondergerichte und sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften zutreffend zur Veröffentlichung bestimmt Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) zweifelhaft (auch: zweifelnd) Zeitschrift für Wehrrecht (1936/37-1944) zur Zeit Zeitschrift für Zivilprozeß (zit. nach Band u. Seite)
XXXIII
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Das Schrifttum zum Kernstrafrecht sowie sämtliche strafrechtlich relevanten Festschriften und vergleichbare Werke stehen unter 1. Es folgt in alphabetischer Reihenfolge das Schrifttum zum Nebenstrafrecht und zu nichtstrafrechtlichen Gebieten usw.: 2. Betäubungsmittelstrafrecht, 3. Bürgerliches Recht und InsO, 4. DDR-Strafrecht, 5. EG-Recht, 6. Jugendstrafrecht, 7. Kriminologie, 8. Ordnungswidrigkeitenrecht, 9. Presserecht, 10. Rechtshilfe, 11. Rechtsmedizin und Arztrecht, 12. Strafprozessund Strafvollzugsrecht, 13. Strahlenschutzrecht, 14. Straßenverkehrsrecht, 15. Verfassungsrecht, 16. Wettbewerbs- und Kartellrecht, 17. Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 18. Sonstiges (einschließlich Völkerstrafrecht und Waffenrecht). 1. Strafrecht (StGB) und Festschriften Ambos AK Appel Arzt/Weber B T v. Bar Baumann Baumann/Weber/Mitsch Beling Binding, Grundriß Binding, Handbuch Binding, Lehrbuch I, II Binding, Normen BK Blei I, II Bochumer Erläuterungen Bockelmann BT 1, 2, 3
Bockelmann/Volk Bringewat Bruns, Strafzumessungsrecht Bruns, Recht der Strafzumessung Bruns, Reflexionen Coimbra-Symposium Dalcke/Fuhrmann/Schäfer
Internationales Strafrecht (2006) Kommentar zum Strafgesetzbuch - Reihe Alternativkommentare, hrsg. v. Wassermann, Bd. 1 (1990), Bd. 3 (1986) Verfassung und Strafe (1998) Strafrecht, Besonderer Teil, Lehrbuch (2000) (Überarbeitung der in fünf Heften erschienenen Ausgabe) Gesetz und Schuld im Strafrecht, 1. Bd. (1906), 2. Bd. (1907), 3. Bd. (1909) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. (1975) Strafrecht, Allgemeiner Teil, Lehrbuch, 11. Aufl. (2003) Die Lehre vom Verbrechen (1906) Grundriß des Deutschen Strafrechts, Allgemeiner Teil, 8. Aufl. (1913) Handbuch des Strafrechts (1885) Lehrbuch des gemeinen Deutschen Strafrechts, Besonderer Teil, 2. Aufl. Bd. 1 (1902), Bd. 2 (1904/05) Die Normen und ihre Übertretung, 2. Aufl., 4 Bände (1890-1919) Basler Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Niggli/ Wiprächtiger (2002) (s. aber auch 15. Verfassungsrecht) Strafrecht I, Allgemeiner Teil, 18. Aufl. (1983); Strafrecht II, Besonderer Teil, 12. Aufl. (1983) Bochumer Erläuterungen zum 6. Strafrechtsreformgesetz, hrsg. v. Schlüchter (1998) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1: Vermögensdelikte, 2. Aufl. (1982); Bd. 2: Delikte gegen die Person (1977); Bd. 3: Ausgewählte Delikte gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit (1980) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. (1987) Grundbegriffe des Strafrechts (2003) Strafzumessungsrecht: Gesamtdarstellung, 2. Aufl. (1974) Das Recht der Strafzumessung, 2. Aufl. (1985) Neues Strafzumessungsrecht? „Reflexionen" über eine geforderte Umgestaltung (1988) s. Schünemann/de Figueiredo Dias Strafrecht und Strafverfahren, 37. Aufl. (1961)
XXXV
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Ebert
Eberl AT Einführung 6. StrRG Erbs/Kohlhaas Erinnerungsgabe Grünhut Eser (et al.), Rechtfertigung und Entschuldigung I-IV
Eser/Koch
Festgabe B G H 2 5 Festgabe B G H 50 Festgabe Frank Festgabe Kern Festgabe Peters Festgabe RG I-VI
Festgabe Schultz Festgabe Schweizer J T Festschrift Androulakis Festschrift Augsburg Festschrift Baumann Festschrift Bemmann Festschrift B G H 5 0
Festschrift Blau Festschrift Bockelmann Festschrift Böhm Festschrift Boujong Festschrift Brauneck Festschrift Bruns
XXXVI
Aktuelle Probleme der Strafrechtspflege: Beiträge anläßlich eines Symposiums zum 60. Geburtstag von E. W. Hanack, hrsg. v. Ebert (1991) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. (2001) Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz (1998) (bearb. v. Dencker u. a.) Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblattausgabe, 4. Aufl. (1988 ff), 5. Aufl. (1993 ff) Erinnerungsgabe für M a x Grünhut (1965) Rechtfertigung und Entschuldigung: rechtsvergleichende Perspektiven. Beiträge aus dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Bd. 1, hrsg. v. Eser/Fletcher (1987); Bd. 2, hrsg. v. Eser/Fletcher (1988); Bd. 3: Deutsch-Italienisch-Portugiesisch-Spanisches Strafrechtskolloquium 1990 in Freiburg, hrsg. v. Eser/Perron (1991); Bd. 4: Ostasiatisch-Deutsches Strafrechtskolloquium 1993 in Tokio, hrsg. v. Eser/Nishihara (1995) Schwangerschaftsabbruch im internationalen Vergleich, Bd. 1: Europa (1988); Bd. 2: Außereuropa (1989); Bd. 3: Rechtsvergleichender Querschnitt - rechtspolitische Schlußbetrachtungen - Dokumentation zur neueren Rechtsentwicklung (1999) 2 5 Jahre Bundesgerichtshof 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Band V: Straf- und Strafprozeßrecht (2000) Festgabe für Reinhard von Frank zum 70. Geburtstag: 16. August 1930, 2 Bde. (1930) Festgabe für Eduard Kern zum 70. Geburtstag (1957) Wahrheit und Gerechtigkeit im Strafverfahren: Festgabe für Karl Peters aus Anlaß seines 80. Geburtstages (1984) Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben: Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929) (1929) Lebendiges Strafrecht: Festgabe zum 65. Geburtstag von H a n s Schultz (1977) Festgabe zum Schweizerichen Juristentag (1963) Festschrift für N i k o l a o s Androulakis zum 70. Geburtstag, (2003) Recht in Europa - Festgabe zum 30-jährigen Bestehen der Juristischen Fakultät Augsburg (2002) Festschrift für Jürgen Baumann zum 70. Geburtstag (1992) Festschrift für Günter Bemmann zum 70. Geburtstag (1997) Festschrift aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof (2000) Festschrift für Günter Blau zum 70. Geburtstag (1985) Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag (1979) Festschrift für Alexander Böhm zum 70. Geburtstag (1999) Verantwortung und Gestaltung, Festschrift für Karlheinz Boujong zum 65. Geburtstag (1996) Ehrengabe für Anne-Eva Brauneck (1999) Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag (1978)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Festschrift Burgstaller Festschrift v. Caemmerer Festschrift Celle I Festschrift Celle II Festschrift Dahs Festschrift D J T
Festschrift Festschrift Festschrift Festschrift
Dreher Dünnebier Engisch Ermacora
Festschrift Eser Festschrift Friebertshäuser Festschrift GA Festschrift Gallas Festschrift Geerds Festschrift Geilen Festschrift Geiß Festschrift Germann
Festschrift Gleispach
Festschrift Göppinger
Festschrift Gössel Festschrift Graßhoff Festschrift Grünwald Festschrift Grützner
Festschrift Hanack Festschrift Heidelberg
Festschrift Heinitz
Festschrift für Manfred Burgstaller zum 65. Geburtstag (2004) Festschrift für Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag (1978) Göttinger Festschrift für das Oberlandesgericht Celle: zum 250jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle (1961) Festschrift zum 275jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle (1986) Festschrift für Hans Dahs zum 70. Geburtstag (2005) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages 1 8 6 0 - 1 9 6 0 , 2 Bde. (1960) Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag (1977) Festschrift für Hans Dünnebier zum 75. Geburtstag (1982) Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag (1969) Fortschritt im Bewußtsein der Grund- und Menschenrechte, Festschrift für Felix Ermacora zum 65. Geburtstag (1988) Menschengerechtes Strafrecht, Festschrift für Albin Eser zum 70. Geburtstag (2005) Festgabe für den Strafverteidiger Dr. Heino Friebertshäuser (1997) 140 Jahre Goltdammer's Archiv für Strafrecht: eine Würdigung zum 70. Geburtstag von Paul-Günter Potz (1993) Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag (1973) Kriminalistik und Strafrecht: Festschrift für Friedrich Geerds zum 70. Geburtstag (1995) Bochumer Beiträge zu aktuellen Strafrechtsthemen: Festschrift für Gerd Geilen zum 70. Geburtstag (2003) Festschrift für Karlmann Geiß zum 65. Geburtstag (2000) Rechtsfindung - Beiträge zur juristischen Methodenlehre: Festschrift für Oscar Adolf Germann zum 80. Geburtstag (1969) Gegenwartsfragen der Strafrechtswissenschaft: Festschrift zum 60. Geburtstag von Graf W. Gleispach (1936) (Nachdruck 1995) Kriminalität, Persönlichkeit, Lebensgeschichte und Verhalten: Festschrift für Hans Göppinger zum 70. Geburtstag (1990) Festschrift für Karl Heinz Gössel zum 70. Geburtstag (2002) Der verfasste Rechtsstaat, Festgabe für Karin Graßhoff (1998) Festschrift für Gerald Grünwald zum 70. Geburtstag (1999) Aktuelle Probleme des internationalen Strafrechts - Beiträge zur Gestaltung des internationalen und supranationalen Strafrechts: Heinrich Grützner zum 65. Geburtstag (1970) Festschrift für Ernst-Walter Hanack zum 70. Geburtstag (1999) Richterliche Rechtsfortbildung: Festschrift der Juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität Heidelberg (1986) Festschrift für Ernst Heinitz zum 70. Geburtstag (1972)
XXXVII
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Festschrift Henkel Festschrift v. Hentig Festschrift Heusinger Festschrift Hilger Festschrift Hirsch Festschrift Honig Festschrift Hruschka Festschrift H u b m a n n
Festschrift Hübner Festschrift Jauch Festschrift Jescheck Festschrift JurGes. Berlin Festschrift Kaiser
Festschrift Arthur K a u f m a n n I Festschrift Arthur K a u f m a n n II Festschrift Kern Festschrift Kleinknecht Festschrift Klug Festschrift K o c h Festschrift Kohlmann Festschrift Kohlrausch
Festschrift Köln Festschrift Krause Festschrift Lackner Festschrift L a m p e
Festschrift Lange Festschrift L a u f s Festschrift Leferenz
XXXVIII
Grundfragen der gesamten Strafrechtswissenschaft: Festschrift für Heinrich Henkel zum 70. Geburtstag (1974) Kriminologische Wegzeichen: Festschrift für H a n s v. Hentig zum 80. Geburtstag (1967) Ehrengabe für Bruno Heusinger (1968) Datenübermittlungen und Vorermittlungen, Festgabe für Hans Hilger (2003) Festschrift für Hans J o a c h i m Hirsch zum 70. Geburtstag (1999) Festschrift für Richard M . Honig zum 80. Geburtstag (1970) Jahrbuch für Recht und Ethik: Festschrift für Joachim Hruschka zum 70. Geburtstag (2006) Beiträge zum Schutz der Persönlichkeit und ihrer schöpferischen Leistung; Festschrift für Heinrich H u b m a n n zum 70. Geburtstag (1985) Festschrift für Heinz Hübner zum 70. Geburtstag (1984) Wie würden Sie entscheiden? Festschrift für Gerd Jauch zum 65. Geburtstag (1990) Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, 2 Bde. (1985) Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin (1984) Internationale Perspektiven in Kriminologie und Strafrecht: Festschrift für Günther Kaiser zum 70. Geburtstag, 2 Bde. (1998) Jenseits des Funktionalismus: Arthur Kaufmann zum 65. Geburtstag (1989) Strafgerechtigkeit: Festschrift für Arthur K a u f m a n n zum 70. Geburtstag (1993) Tübinger Festschrift für Eduard Kern (1968) Strafverfahren im Rechtsstaat: Festschrift für Theodor Kleinknecht zum 75. Geburtstag (1985) Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, 2 Bde. (1983) Strafverteidigung und Strafprozeß, Festgabe für Ludwig Koch (1989) Festschrift für Günter Kohlmann zum 70. Geburtstag (2003) Probleme der Strafrechtserneuerung: Eduard Kohlrausch zum 70. Geburtstage dargebracht (1944; Nachdruck 1978) Festschrift der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln (1988) Recht und Kriminalität: Festschrift für Friedrich-Wilhelm Krause zum 70. Geburtstag (1990) Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag (1987) Jus humanum: Grundlagen des Rechts und Strafrechts, Festschrift für Ernst-Joachim Lampe zum 70. Geburtstag (2003) Festschrift für Richard Lange zum 70. Geburtstag (1976) Humaniora, Medizin - Recht - Geschichte, Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag (2006) Kriminologie - Psychiatrie - Strafrecht: Festschrift für Heinz Leferenz zum 70. Geburtstag (1983)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Festschrift Lenckner Festschrift Lüderssen Festschrift Maihofer Festschrift M a i w a l d Festschrift M a n g a k i s Festschrift M a u r a c h Festschrift H . Mayer Festschrift Meyer-Goßner Festschrift Mezger Festschrift Middendorff Festschrift Miyazawa Festschrift E. Müller Festschrift Müller-Dietz I Festschrift Müller-Dietz II Festschrift N e h m Festschrift Nishihara Festschrift Odersky Festschrift Oehler Festschrift Pallin Festschrift Partsch
Festschrift Peters Festschrift Pfeiffer
Festschrift Pfenniger Festschrift Platzgummer Festschrift Pötz Festschrift Rasch Festschrift Rebmann Festschrift Reichsgericht
Festschrift für Theodor Lenckner zum 70. Geburtstag (1998) Festschrift für Klaus Lüderssen zum 70. Geburtstag (2002) Rechtsstaat und Menschenwürde: Festschrift für Werner Maihofer zum 70. Geburtstag (1988) Fragmentarisches Strafrecht, Für M a n f r e d M a i w a l d aus Anlass seiner Emeritierung (2003) Strafrecht - Freiheit - Rechtsstaat: Festschrift für Georgios M a n g a k i s (1999) Festschrift für Reinhart M a u r a c h zum 70. Geburtstag (1972) Beiträge zur gesamten Strafrechtswissenschaft: Festschrift für Hellmuth Mayer zum 70. Geburtstag (1966) Festschrift für Lutz Meyer-Goßner zum 65. Geburtstag (2001) Festschrift für Edmund Mezger zum 70. Geburtstag (1954) Festschrift für Wolf Middendorff zum 70. Geburtstag (1986) Festschrift für Koichi Miyazawa: dem Wegbereiter des japanisch-deutschen Strafrechtsdiskurses (1995) Opuscula Honoraria, Egon Müller zum 65. Geburtstag (2003) D a s Recht und die schönen Künste: Heinz Müller-Dietz zum 65. Geburtstag (1998) Grundlagen staatlichen Strafens: Festschrift für HeinzMüller-Dietz zum 70. Geburtstag (2001) Strafrecht und Justizgewährung, Festschrift für Kay N e h m zum 65. Geburtstag (2006) Festschrift für H a r u o Nishihara zum 70. Geburtstag (1998) Festschrift für Walter Odersky zum 65. Geburtstag (1996) Festschrift für Dietrich Oehler zum 70. Geburtstag (1985) Strafrecht, Strafprozeßrecht und Kriminologie: Festschrift für Franz Pallin zum 80. Geburtstag (1989) Des Menschen Recht zwischen Freiheit und Verantwortung, Festschrift für Karl Josef Partsch zum 75. Geburtstag (1989) Einheit und Vielfalt des Strafrechts: Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag (1974) Strafrecht, Unternehmensrecht, Anwaltsrecht: Festschrift für Gerd Pfeiffer zum Abschied aus dem A m t als Präsident des Bundesgerichtshofes (1988) Strafprozeß und Rechtsstaat, Festschrift zum 70. Geburtstag von H . F. Pfenniger (1976) Festschrift für Winfried Platzgummer zum 65. Geburtstag (1995) s. Festschrift GA Die Sprache des Verbrechens - Wege zu einer klinischen Kriminologie: Festschrift für Wilfried Rasch (1993) Festschrift für Kurt Rebmann zum 65. Geburtstag (1989) Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts, Bd. 5, Strafrecht und Strafprozeß (1929)
XXXIX
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Festschrift Reichsjustizamt
Festschrift Richterakademie Festschrift Rieß Festschrift Richter Festschrift Rittler Festschrift Rolinski Festschrift Rosenfeld Festschrift Roxin Festschrift Rudolphi Festschrift Saiger
Festschrift Sarstedt Festschrift Sauer Festschrift G. Schäfer Festschrift K. Schäfer Festschrift Schaffstein
Festschrift Schewe
Festschrift Schleswig-Holstein
Festschrift Schlüchter
Festschrift Schmid Festschrift Eb. Schmidt Festschrift Schmidt-Leichner Festschrift Schmitt Festschrift Schneider
Festschrift Schreiber Festschrift Schroeder Festschrift Schüler-Springorum Festschrift Schwind
XL
Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des Reichsjustizamtes am 1.1.1877 (1977) Justiz und Recht: Festschrift aus Anlaß des 10jährigen Bestehens der Deutschen Richterakademie in Trier (1983) Festschrift für Peter Rieß zum 70. Geburtstag (2002) Verstehen und Widerstehen, Festschrift für Christian Richter II zum 65. Geburtstag (2006) Festschrift für Theodor Rittler zu seinem 80. Geburtstag (1957) Festschrift für Klaus Rolinski zum 70. Geburtstag (2002) Festschrift für Ernst Heinrich Rosenfeld zu seinem 80. Geburtstag (1949) Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag (2001) Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi zum 70. Geburtstag (2004) Straf- und Strafverfahrensrecht, Recht und Verkehr, Recht und Medizin: Festschrift für Hannskarl Saiger zum Abschied aus dem Amt als Vizepräsident des Bundesgerichtshofes (1995) Festschrift für Werner Sarstedt zum 70. Geburtstag (1981) Festschrift für Wilhelm Sauer zu seinem 70. Geburtstag (1949) NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer zum 65. Geburtstag (2002) Festschrift für Karl Schäfer zum 80. Geburtstag (1980) Festschrift für Friedrich Schaffstein zum 70. Geburtstag (1975) Medizinrecht - Psychopathologie - Rechtsmedizin: diesseits und jenseits der Grenzen von Recht und Medizin: Festschrift für Günter Schewe zum 60. Geburtstag (1991) Strafverfolgung und Strafverzicht: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Staatsanwaltschaft SchleswigHolstein (1992) Freiheit und Verantwortung in schwieriger Zeit: kritische Studien aus vorwiegend straf(prozeß)rechtlicher Sicht zum 60. Geburtstag von Ellen Schlüchter (1998) Recht, Justiz, Kritik: Festschrift für Richard Schmid zum 85. Geburtstag (1985) Festschrift für Eberhard Schmidt zum 70. Geburtstag* 1961) Festschrift für Erich Schmidt-Leichner zum 65. Geburtstag (1977) Festschrift für Rudolf Schmitt zum 70. Geburtstag (1992) Kriminologie an der Schwelle zum 21. Jahrhundert: Festschrift für H a n s Joachim Schneider zum 70. Geburtstag (1998) Strafrecht, Biorecht, Rechtsphilosophie, Festschrift für Hans-Ludwig Schreiber zum 70. Geburtstag (2003) Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder (2006) Festschrift für Horst Schüler-Springorum zum 65. Geburtstag (1993) Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen, Festschrift für Hans-Dieter Schwind zum 70. Geburtstag (2006)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Festschrift Schwinge
Persönlichkeit in der Demokratie: Festschrift für Erich Schwinge zum 70. Geburtstag (1973) Festschrift Sendler Bürger-Richter-Staat, Festschrift für Horst Sendler zum Abschied aus seinem Amt (1991) Festschrift Spendel Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag (1992) Festschrift Spinellis Die Strafrechtswissenschaft im 21. Jahrhundert: Festschrift für Dionysios Spinellis, 2 Bde. (2001) Studien zur Strafrechtswissenschaft: Festschrift für Ulrich Festschrift Stock Stock zum 70. Geburtstag (1966) Beiträge zur Rechtswissenschaft: Festschrift für Walter Festschrift Stree/Wessels Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag (1993) Jugendpsychiatrie und Recht: Festschrift für Hermann Festschrift Stutte Stutte zum 70. Geburtstag (1979) Strafrecht, Strafprozessrecht und Menschenrechte, Festschrift Trechsel Festschrift für Stefan Trechsel zum 65. Geburtstag (2002) Festschrift für Otto Triffterer zum 65. Geburtstag (1996) Festschrift Triffterer Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag (1989) Festschrift Tröndle Tradition und Fortschritt im Recht: Festschrift gewidmet Festschrift Tübingen der Tübinger Juristenfakultät zu ihrem 500jährigen Bestehen 1977 von ihren gegenwärtigen Mitgliedern (1977) Recht in Ost und West: Festschrift zum 30jährigen Festschrift Waseda Jubiläum des Instituts für Rechtsvergleichung der WasedaUniversität (1988) Festschrift Wassermann Festschrift für Rudolf Wassermann zum 60. Geburtstag (1985) Festschrift v. Weber Festschrift für Hellmuth von Weber zum 70. Geburtstag (1963) Festschrift Weber Festschrift für Ulrich Weber zum 70. Geburtstag (2004) Festschrift Welzel Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag (1974) Festschrift Wolf Mensch und Recht: Festschrift für Erik Wolf zum 70. Geburtstag (1972) Festschrift Wolff Festschrift für E. A. Wolff zum 70. Geburtstag (1998) Kultur, Kriminalität, Strafrecht: Festschrift für Thomas Festschrift Würtenberger Würtenberger zum 70. Geburtstag (1977) Festschrift Würzburger Juristenfakultät Raum und Recht, Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät (2002) Festschrift für Wolfgang Zeidler (1987) Festschrift Zeidler 175 Jahre Pfälzisches Oberlandesgericht: 1815 AppellaFestschrift Zweibrücken tionshof, Oberlandesgericht 1990 (1990) Alkohol und Schuldfähigkeit (1997) Forster/Joachim Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich nebst dem Frank Einführungsgesetz, 18. Aufl. (1931) s. Tiedemann Freiburg-Symposium Freund AT Strafrecht, Allgemeiner Teil (1998) Vorsatz und Risiko: Grundfragen des tatbestandsmäßigen Frisch, Vorsatz und Risiko Verhaltens und des Vorsatzes (1983) Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten Erfolgs (1988) Frister Strafrecht Allgemeiner Teil (2006) Gallas, Beiträge Beiträge zur Verbrechenslehre (1968) Gedächtnisschrift Delitala Gedächtnisschrift für (Studi in memoria di) Giacomo Delitala (3 Bde.) (1984) Gedächtnisschrift Armin Kaufmann Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann (1989) Gedächtnisschrift H. Kaufmann Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann (1986) Gedächtnisschrift Keller Gedächtnisschrift für Rolf Keller (2003)
XLI
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Gedächtnisschr ft Gedächtnisschr ft Gedächtnisschr ft Gedächtnisschr ft Gedächtnisschr ft Gedächtnisschr ft Gedächtnisschr ft Gedächtnisschr ft Gedächtnisschr ft Gedächtnisschr ft Gimbernat u. a.
Meurer Κ. Meyer Noll Η. Peters Radbruch Schliichter Schröder Tjong Vogler ZiDf
Gössel I, II
Gössel/Dölling Gropp AT Grundfragen Haft AT, BT Hanack-Symposium Hefendehl
Heinrich v. Hippel I, II Hruschka Jakobs AT Jescheck, Beiträge I, II
Jescheck/Weigend Joecks Kienapfel AT Kienapfel, Urkunden Kindhäuser AT, BT I, II
Kindhäuser LPK Köhler AT Kohlrausch/Lange Krey AT I, II
XLII
Gedächtnisschrift für Dieter Meurer (2002) Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer (1990) Gedächtnisschrift für Peter Noll (1984) Gedächtnisschrift für Hans Peters (1967) Gedächtnisschrift für Gustav Radbruch (1968) Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter (2002) Gedächtnisschrift für Horst Schröder (1978) Gedächtnisschrift für Zong Uk Tjong (1985) Gedächtnisschrift für Theo Vogler (2004) Gedächtnisschrift für Heinz Zipf (1999) Internationale Dogmatik der objektiven Zurechnung und der Unterlassungsdelikte: Spanisch-Deutsches Symposium zu Ehren von Claus Roxin, hrsg. v. Gimbernat u. a. (1995) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1: Delikte gegen immaterielle Rechtsgüter des Individuums (1987), 2. Aufl. (1999); Bd. 2: Straftaten gegen materielle Rechtsgüter des Individuums (1996) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1: Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 2. Aufl. (2004) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3. Auflage (2005) Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, hrsg. v. Schünemann (1984) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl. (2004); Besonderer Teil, 8. Aufl. (2004) s. Ebert Empirische Erkenntnisse, dogmatische Fundamente und kriminalpolitischer Impetus. Symposium für Bernd Schünemann zum 60. Geburtstag, hrsg. v. Hefendehl (2005) Strafrecht AT I und II (2005) Deutsches Strafrecht, Bd. 1 (1925), Bd. 2 (1930) Strafrecht nach logisch-analytischer Methode, 2. Aufl. (1988) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1993) Strafrecht im Dienste der Gemeinschaft: ausgewählte Beiträge zur Strafrechtsreform, zur Strafrechtsvergleichung, zum internationalen Strafrecht, 1 9 5 3 - 1 9 7 9 (1980) (I); Beiträge zum Strafrecht 1 9 8 0 - 1 9 9 8 (1998) (II), jew. hrsg. v. Vogler Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. (1996) Strafgesetzbuch, Studienkommentar, 6. Aufl. 2 0 0 5 Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. (1984) Urkunden und andere Gewährschaften (1979) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (2006); Besonderer Teil I: Straftaten gegen Persönlichkeitsrechte, Staat und Gesellschaft, 2. Aufl. (2005); Besonderer Teil II: Straftaten gegen Vermögensrechte, 4. Aufl. (2005) Strafgesetzbuch, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Aufl. (2006) Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil (1997) Strafgesetzbuch mit Erläuterungen und Nebengesetzen, 43. Aufl. (1961) Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1: Grundlagen, Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld, 2. Aufl. 2 0 0 4 ; Bd. 2: Täterschaft und Teilnahme, 2. Aufl. (2005)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Krey/Heinrich Krey/Hellmann Kühl AT Küper BT Küpper BT Lackner/Kühl v. Liszt, Aufsätze v. Liszt/Schmidt AT, BT LK 11 Madrid-Symposium Manoledakis/Prittwitz
Maurach AT, BT Maurach/Zipf Maurach/Gössel/Zipf
Maurach/Schroeder/Maiwald I, II
H. Mayer AT H. Mayer, Strafrecht H. Mayer, Studienbuch Mezger, Strafrecht Michalke Mitsch BT 1, 2
MK Naucke Niederschriften I-XIV Niethammer NK
Oehler V. Olshausen
Otto AT, BT Pfeiffer/Maul/Schulte
Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1 : Besonderer Teil ohne Vermögensdelikte, 13. Aufl. (2005) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 2: Vermögensdelikte, 14. Aufl. (2005) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. (2005) Strafrecht, Besonderer Teil, 6. Aufl. (2005) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1: Delikte gegen Rechtsgüter der Person und Gemeinschaft, 2. Aufl. (2001) Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 25. Aufl. (2004) Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, 2 Bde. (1925) Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Allgemeiner Teil, 26. Aufl. (1932); Besonderer Teil, 25. Aufl. (1925) Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, hrsg. v. Jähnke/ Laufhütte/Odersky, 11. Aufl. (1992-2006) s. Schünemann/Suárez Strafrechtsprobleme an der Jahrtausendwende: DeutschGriechisches Symposium in Rostock 1999, hrsg. v. Manoledakis/Prittwitz (2000) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. (1971); Besonderer Teil, 5. Aufl. (1969) mit Nachträgen von 1970/71 Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilbd. 1: Grundlehren des Strafrechts und Aufbau der Straftat, 8. Aufl. (1992) Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilbd. 2: Erscheinungsformen des Verbrechens und Rechtsfolgen der Tat, 7. Aufl. (1989) Strafrecht, Besonderer Teil, Teilbd. 1: Straftaten gegen Persönlichkeits- und Vermögenswerte, 9. Aufl. (2003); Teilbd. 2: Straftaten gegen Gemeinschaftswerte, 9. Aufl. (2005) Strafrecht, Allgemeiner Teil (1953) Das Strafrecht des deutschen Volkes (1936) Strafrecht, Allgemeiner Teil, Studienbuch (1967) Strafrecht, Lehrbuch, 3. Aufl. (1949) (ergänzt durch: Moderne Wege der Strafrechtsdogmatik [1950]) Umweltstrafsachen 2. Aufl. (2000) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 2: Vermögensdelikte, Teilbd. 1: Kernbereich, 2. Aufl. (2003); Teilbd. 2: Randbereich (2001) Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Joecks/Miebach (ab 2003) Strafrecht, Eine Einführung, 10. Aufl. (2002) Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 14 Bde. (1956-1960) Lehrbuch des Besonderen Teils des Strafrechts (1950) Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, 1. Auflage Loseblatt (1995 ff); 2. Aufl. gebunden (2005) Internationales Strafrecht, 2. Aufl. (1983) Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 12. Aufl. (§§ 1 - 2 4 6 ) bearb. von Freiesleben u. a. (1942 ff); sonst 11. Aufl. bearb. von Lorenz u. a. (1927) Grundkurs Strafrecht: Allgemeine Strafrechtslehre/ Die einzelnen Delikte, jeweils 7. Aufl. (2005) Strafgesetzbuch, Kommentar an Hand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (1969)
XLIII
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Preisendanz Puppe Rengier BT 1, 2
Rostock-Symposium Roxin AT I Roxin AT II Roxin TuT Roxin/Stree/Zipf/Jung Roxin-Symposium Sack Sauer AT, BT Schäfer/v. Dohnanyi Schmidt-Salzer Schmidhäuser Schmidhäuser AT, BT, StuB
Schöch
Schönke/Schröder Schroth BT Schiinemann/de Figueiredo Dias
Schünemann/Suárez
Sieber SK
Stratenwerth/Kuhlen AT Tendenzen der Kriminalpolitik
Tiedemann
Tiedemann, Tatbestandsfunktionen Tröndle/Fischer Walter, Kern des Strafrechts v. Weber Welzel, Strafrecht
XLIV
Strafgesetzbuch, Lehrkommentar, 30. Aufl. (1978) Strafrecht Allgemeiner Teil, Band 1 (2002); Band 2 (2005) Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1 : Vermögensdelikte, 9. Aufl. (2007); Bd. 2: Delikte gegen die Person und Allgemeinheit, 8. Aufl. (2007) s. Manoledakis/Prittwitz Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1: Grundlagen - Der Aufbau der Verbrechenslehre, 4. Aufl. (2005) Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 2: Besondere Erscheinungsformen der Straftat (2003) Täterschaft und Tatherrschaft, 8. Aufl. (2006) Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975) s. Gimbernat Umweltschutz-Strafrecht, Erläuterung der Straf- und Bußgeldvorschriften, Loseblattausgabe, 4. Aufl. (1997 ff) Allgemeine Strafrechtslehre, 3. Aufl. (1955); System des Strafrechts, Besonderer Teil (1954) Die Strafgesetzgebung der Jahre 1931 bis 1935 (1936) (Nachtrag zur 18. Aufl. von Frank: das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich [1931]) Produkthaftung, Bd. 1: Strafrecht, 2. Aufl. (1988) Einführung in das Strafrecht, 2. Aufl. (1984) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1975); Besonderer Teil, 2. Aufl. (1983); Studienbuch: Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1984) Wiedergutmachung und Strafrecht: Symposium aus Anlaß des 80. Geburtstages von Friedrich Schaffstein, hrsg. v. Schöch (1987) Strafgesetzbuch, Kommentar, 27. Aufl. (2006) Strafrecht, Besonderer Teil, 4 . Aufl. (2005) Bausteine des Europäischen Strafrechts: Coimbra-Symposium für Claus Roxin, hrsg. v. Schünemann/de Figueiredo Dias (1995) Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts: Madrid-Symposium für Klaus Tiedemann, hrsg. v. Schünemann/Suárez (1994) Verantwortlichkeit im Internet (1999) Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Loseblattausgabe, Bd. 1: Allgemeiner Teil, 8. Aufl. (2001 ff); Bd. 2: Besonderer Teil, 7. Aufl. (1999 ff) Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1: Die Straftat, 5. Aufl. (2004) Neuere Tendenzen der Kriminalpolitik, Beiträge zu einem deutsch-skandinavischen Strafrechtskolloquium, hrsg. v. Cornils/Eser (1987) Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union, Harmonisierungsvorschläge zum Allgemeinen und Besonderen Teil (Freiburg-Syposium), hrsg. v. Tiedemann (2002) Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht (1969) Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kurzkommentar, 54. Aufl. (2007) Der Kern des Strafrechts (2006) Grundriß des deutschen Strafrechts, 2. Aufl. (1948) Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. (1969)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Welzel, Strafrechtssystem Wessels/Beulke Wessels/Hettinger Wessels/Hillenkamp WK Zieschang AT Zieschang Gefährdungsdelikte
Das neue Bild des Strafrechtssystems, 4. Aufl. (1961) Strafrecht, Allgemeiner Teil, 35. Aufl. (2005) Strafrecht, Besonderer Teil 1: Straftaten gegen Persönlichkeits· und Gemeinschaftswerte, 29. Aufl. (2005) Strafrecht, Besonderer Teil 2 : Straftaten gegen Vermögenswerte, 28. Aufl. (2005) Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch - StGB; hrsg. v. Höpfl/Ratz, 2. Aufl. (1999 ff) Strafrecht, Allgemeiner Teil (2005) Die Gefährdungsdelikte (1998)
2. Betäubungsmittelstrafrecht Franke/Wienroeder Joachimski/Haumer Körner Webel Weber
Betäubungsmittelgesetz, Kommentar, 3. Aufl. (2007) Betäubungsmittelgesetz (mit ergänzenden Bestimmungen), Kommentar, 7. Aufl. (2002) Betäubungsmittelgesetz, (ab 4. Aufl.) Arzneimittelgesetz, Kurzkommentar, 5. Aufl. (2001) Betäubungsmittelstrafrecht (2003) Betäubungsmittelgesetz, Verordnungen zum B t M G , Kommentar, 2 . Aufl. (2003)
3. Bürgerliches Recht und InsO FK InsO HK InsO Jaeger, InsO M K BGB M K InsO Palandt
RGRK
Smid InsO
Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg. v. Wimmer, 4. Aufl. (2004) Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg. v. Eickmann, 4. Aufl. (2006) Insolvenzordnung, Großkommentar, hrsg. v. Henckel/ Gerhardt ( 2 0 0 4 ff) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Auflage (ab 2 0 0 0 ) , hrsg. von Rebmann/Säcker/Rixecker Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (ab 2001), hrsg. von Kirchhof/Lwowski/Stürner Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz (Auszug), Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Verbraucherkreditgesetz, Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften, Kurzkommentar, 65. Aufl. (2006) Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes (Reichsgerichtsrätekommentar), hrsg. v. Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, 12. Aufl. (1974-2000) Insolvenzordnung (InsO) mit Insolvenzrechtlicher Vergütungsverordnung ( I n s W ) , Kommentar, 2. Aufl. (2001)
4. DDR-Strafrecht StGB-Komm.-DDR StGB-Lehrb.-DDR AT, BT StGB-Lehrb.-DDR 1988
Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik, Kommentar, 5. Aufl. (1987) Strafrecht der D D R , Lehrbuch: Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1976); Besonderer Teil (1981) Strafrecht der D D R , Lehrbuch, Allgemeiner Teil (1988)
XLV
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur StPO-Komm.-DDR StPO-Lehrb.-DDR
Strafprozeßrecht der Deutschen Demokratischen Republik, Kommentar, 3. Aufl. (1989) Strafverfahrensrecht, Lehrbuch, 3. Aufl. (1987)
5. Europäisches Recht Bleckmann Geiger Grabitz/Hilf
Hailbronner/Klein/Magiera/ Müller-Graff HdEuropR Hecker Immenga/Mestmäcker EG Satzger Schweitzer/Hummer Streinz
Europarecht, 6. Aufl. (1997) EUV, EGV, Kommentar 4. Aufl. (2004); (1. und 2. Aufl. unter dem Titel: EG-Vertrag) Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Loseblattausgabe, Altbd. I, II, hrsg. v. Grabitz/Hilf (1983 ff) (jew. bearb. v. Bandilla u. a.); Bd. 1 EUV/EGV, hrsg. v. Meinhard Hilf (bearb. v. Bandilla u. a.); Bd. 2 EUV/ EGV, hrsg. v. Meinhard Hilf (bearb. v. Brühann u. a.); Bd. 3 Sekundärrecht: A EG-Verbraucher- und Datenschutzrecht, hrsg. v. Manfred Wolf; Bd. 4 Sekundärrecht: E EG-Außenwirtschaftsrecht, hrsg. v. Hans Günter Krenzier Handkommentar zum Vertrag über die Europäische Union (EUV/EGV), Loseblattausgabe (1991 ff) Handbuch des Europäischen Rechts, Loseblattausgabe, hrsg. v. Bieber/Ehlermann (1982 ff) Europäisches Strafrecht, 2. Aufl. (2007) Wettbewerbsrecht EG, 2 Bde., hrsg. v. Immenga/Mestmäcker, 4. Aufl. (2007) (bearb. v. Basedow u. a.) Internationales und Europäisches Strafrecht (2005) Europarecht, 6. Aufl. (2006) Europarecht, 7. Aufl. (2005)
6. Jugendstrafrecht AK J G G Brunner Brunner/Dölling Böhm Diemer/Schoreit/Sonnen Eisenberg J G G Ostendorf J G G Schaffstein/Beulke Streng Walter, Jugendkriminalität
Kommentar zum Jugendgerichtsgesetz - Reihe Alternativkommentare, hrsg. v. Wassermann (1987) Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Aufl. (1991) Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Aufl. (2002) Einführung in das Jugendstrafrecht, 4. Aufl. (2004) Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 4. Aufl. (2002) Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Aufl. (2005) Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 6. Aufl. (2003) Jugendstrafrecht, 14. Aufl. (2002) Jugendstrafrecht (2003) Jugendkriminalität: eine systematische Darstellung, 3. Aufl. (2005)
7. Kriminologie Dittmann, Volker Eisenberg, Kriminologie Göppinger Göppinger/Bock HwbKrim
XLVI
Kriminologie zwischen Grundlagenwissenschaften und Praxis, hrsg. von Volker Dittmann (2003) Kriminologie, 6. Aufl. (2005) Kriminologie, 4. Aufl. (1980) Kriminologie, 5. Aufl. (1997) Handwörterbuch der Kriminologie, hrsg. v. Sieverts/ Schneider, Bd. 1 - 3 , Ergänzungsband (4. Bd.), Nachtragsund Registerband (5. Bd.), 2. Aufl. ( 1 9 6 6 - 1 9 9 8 )
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Kaiser Kaiser, Einführung Meier Mezger, Kriminologie Schneider Schwind
Kriminologie, Lehrbuch, 2. Aufl. (1988), 3. Aufl. (1996) Kriminologie: eine Einführung in die Grundlagen, 8. Aufl. (1989), 9. Aufl. (1993), 10. Aufl. (1997) Kriminologie (2003) Kriminologie, Studienbuch (1951) Kriminologie, Lehrbuch (1987) Kriminologie, 16. Aufl. (2006)
8. Ordnungswidrigkeitenrecht Bohnert Bohnert, Grundriss Göhler HK OWiG KK OWiG Mitsch OWiG Rebmann/Roth/Hermann
Kommentar zum Ordnungswidrigkeitenrecht, 2. Aufl. (2007) Ordnungswidrigkeitenrecht, Grundriss für Praxis und Ausbildung, 2. Aufl. (2004) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Kurzkommentar, 14. Aufl. (2006) Heidelberger Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, hrsg. v. Lemke u. a. (1999) Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, hrsg. v. Boujong, 3. Aufl. (2006) Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Aufl. (2005) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten: Kommentar, Loseblattausgabe (2002 ff)
9. Presserecht Groß Löffler
Soehring
Presserecht, 3. Aufl. (1999) Presserecht, Kommentar, Bd. 1: Allgemeine Grundlagen, Verfassungs- und Bundesrecht, 2. Aufl. (1969); Bd. 1 (in der 2. Aufl. noch Bd. 2): Die Landespressegesetze der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl. (2006) Presserecht, 3. Aufl. (2000)
10. Rechtshilfe Grützner/Pötz Hackner/Lagodny/ Schomburg/Wolf Schomburg/Lagodny/ Gleß/Hackner Vogler/Wilkitzki
Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Loseblattausgabe, 2. Aufl. (1980 ff) Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (2003) Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. (2006) Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), Kommentar, Loseblattausgabe (1992 ff) als Sonderausgabe aus Grützner/Pötz (siehe dort)
11. Rechtsmedizin und Arztrecht Forster Forster/Ropohl HfPsych I, II
Praxis der Rechtsmedizin (1986) Rechtsmedizin, 5. Aufl. (1989) Handbuch der forensischen Psychiatrie, hrsg. v. Göppinger/ Witter, Bd. 1: Teil A (Die rechtlichen Grundlagen) und Β (Die psychiatrischen Grundlagen); Bd. 2: Teil C (Die forensischen Aufgaben der Psychiatrie) und D (Der Sachverständige, Gutachten und Verfahren) (jew. 1972)
XLVII
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Laufs Laufs, Fortpflanzungsmedizin Psychiatrische Begutachtung Rieger Ulsenheimer
Arztrecht, 6. Aufl. (2001) Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht (1992) Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen, hrsg. v. Venzlaff, 4. Aufl. (2004) Lexikon des Arztrechts, Loseblatt, 2. Aufl. (2001 ff) Arztstrafrecht in der Praxis, 3. Aufl. (2003)
12. Strafprozeß- und Strafvollzugsrecht AK StPO
AK StVollzG Beulke Bringewat Calliess/Müller-Dietz HK StPO Isak/Wagner Jessnitzer Joecks Kamann Kammeier KK
Kleinknecht/Meyer-Goßner
KMR
Kramer Kühne, Strafprozeßlehre Kühne, Strafprozeßrecht Löwe-Rosenberg
Meyer-Goßner
Müller Peters Pfeiffer Pohlmann/Jabel/Wolf Putzke Roxin, Strafverfahrensrecht Roxin/Arzt/Tiedemann
XLVIII
Kommentar zur Strafprozeßordnung - Reihe Alternativkommentare, hrsg. v. Wassermann, Bd. 1 (1988), Bd. 2 Teilbd. 1 (1992), Bd. 2 Teilbd. 2 (1993), Bd. 3 (1996) Kommentar zum Strafvollzugsgesetz - Reihe Alternativkommentare, hrsg. v. Wassermann, 3. Aufl. (1990) Strafprozeßrecht, 9. Aufl. (2006) Strafvollstreckungsrecht: Kommentar zu den §§ 449—463d StPO (1993) Strafvollzugsgesetz, Kurzkommentar, 10. Aufl. (2005) Heidelberger Kommentar zur Strafprozeßordnung, hrsg. v. Lemke u. a., 3. Aufl. (2001) Strafvollstreckung, 7. Aufl. (2004); vormals: Wetteriehl Hamann Der gerichtliche Sachverständige, 12. Aufl. (2006) Studienkommentar StPO (2006) Handbuch für die Strafvollstreckung und den Strafvollzug (2002) Maßregelvollzugsrecht, Kommentar, 2. Aufl. (2002) Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz mit Einführungsgesetz, hrsg. v. Pfeiffer, 5. Aufl. (2003) Strafprozeßordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen, Kurzkommentar, 46. Aufl. (2003); nunmehr: Meyer-Goßner Kleinknecht/Müller/Reitberger (Begr.), Kommentar zur Strafprozeßordnung, Loseblattausgabe, 8. Aufl. (1990 ff), ab 14. Lfg. hrsg. von v. Heintschel-Heinegg/Stöckel Grundbegriffe des Strafverfahrensrechts: Ermittlung und Verfahren, 6. Aufl. (2004) Strafprozeßlehre, 4. Aufl. (1993) Strafprozeßrecht, 7. Aufl. (2007) Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz mit Nebengesetzen, Großkommentar, 26. Aufl. (2006 ff) Strafprozeßordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen, Kurzkommentar, 49. Aufl. (2006) vormals Kleinknecht/Meyer-Goßner Beiträge zum Strafprozessrecht (2003) Strafprozeß, Ein Lehrbuch, 4. Aufl. (1985) Strafprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz, 5. Aufl. (2005) Strafvollstreckungsordnung, Kommentar, 8. Aufl. (2001) Strafprozessrecht (2005) Studienbuch, 25. Aufl. (1998) Einführung in das Strafrecht und Strafprozeßrecht, 5. Auflage (2006)
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Saage/Göppinger Sarstedt/Hamm Schäfer, Strafverfahren Schäfer, Strafzumessung Schätzler Eb. Schmidt, Lehrkommentar I—III
Schwind/Böhm/Jehle SK StPO sLSK Volckart Walter, Strafvollzug
Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4 . Aufl. (2001) (bearb. v. Marschner u. a.) Die Revision in Strafsachen, 6. Aufl. (1998) Die Praxis des Strafverfahrens, 6. Aufl. (2000) Die Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. (2001) Handbuch des Gnadenrechts, 2. Aufl. (1992) Strafprozeßordnung, Lehrkommentar, Bd. 1 : Die rechtstheoretischen und die rechtspolitischen Grundlagen des Strafverfahrensrechts, 2. Aufl. (1964); Bd. 2: Erläuterungen zur Strafprozeßordnung und zum Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung (1957) (mit Nachtragsband 1 [1967] und 2 [1970]); Bd. 3: Erläuterungen zum Gerichtsverfassungsgesetz und zum Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (1960) Strafvollzugsgesetz, Kommentar, 4. Auflage (2005) Systematischer Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, Loseblattausgabe (1986 ff) Systematischer Leitsatzkommentar zum Sanktionenrecht, hrsg. v. Horn, Loseblattausgabe (1983 ff) Maßregelvollzug, 6. Aufl. (2002) Strafvollzug, 2. Aufl. (1999)
13. Strahlenschutzrecht Fischerhof Haedrich Mattern/Raisch Winters
Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht; Bd. 1 und 2, 2. Aufl. (1978) Atomgesetz mit Pariser Atomhaftungs-Übereinkommen, Kommentar (1986) Atomgesetz, Kommentar (1961) Atom- und Strahlenschutzrecht, Kommentar, mit Atomgesetz, Atomhaftungsübereinkommen, Strahlenschutzverordnung, Deckungsvorsorgeverordnung, Verfahrensverordnung, Kostenverordnung und Röntgenverordnung (1978)
14. Straßenverkehrsrecht Bär/Hauser Cramer Full/Möhl/Rüth Hentschel, Straßenverkehrsrecht
Hentschel Hentschel/Born Himmelreich/Bücken Himmelreich/Hentschel
Unfallflucht, Kommentar, Loseblattausgabe (1978 ff) Straßenverkehrsrecht, Bd. 1: StVO, StGB, 2. Aufl. (1977) Straßenverkehrsrecht: Kommentar (1980) mit Nachtrag (1980/81) Straßenverkehrsrecht: Straßenverkehrsgesetz, Straßenverkehrs-Ordnung, Strassenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, Fahrerlaubnis-Verordnung, Bußgeldkatalog, Gesetzesmaterialien, Verwaltungsvorschriften und einschlägige Bestimmungen des StGB und StPO, 39. Aufl. (2007), vormals Jagusch/Hentschel Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, 10. Aufl. ( 2 0 0 6 ) Trunkenheit im Straßenverkehr, 7. Aufl. (1996) Verkehrsunfallflucht: Verteidigerstrategien im Rahmen des § 142 StGB, 4. Aufl. (2005) Fahrverbot, Führerscheinentzug; Bd. 1: Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, 8. Aufl. (1995)
XLIX
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur HK StVR Janker Jagusch/Hentschel Janiszewski Janiszewski/Jagow/Burmann Mühlhaus/Janiszewski Müller I—III Rüth/Berr/Berz
Heidelberger Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, hrsg. v. Griesbaum u. a. (1993) Straßenverkehrsdelikte: Ansatzpunkte für die Verteidigung (2002) Straßenverkehrsrecht, Kurzkommentar, 35. Aufl. (1999) Verkehrsstrafrecht, 5. Aufl. 2004 Straßenverkehrsordnung, Kommentar, 19. Aufl. (2006); vormals: Mühlhaus/Janiszewski Straßenverkehrsordnung, Kommentar, 15. Aufl. (1998); nunmehr: Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht, Großkommentar, 22. Aufl., Bd. 1 (1969) mit Nachtrag 1969, Bd. 2 (1969), Bd. 3 (1973) Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 2. Aufl. (1988)
15. Verfassungsrecht BK Dreier I—III
HdStR I-IX
Jarass/Pieroth v. Mangoldt/Klein/Starck Maunz/Dürig Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Ulsamer v. Münch/Kunig Sachs Schmidt-Bleibtreu/Klein Stern I-V
Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), Loseblattausgabe, hrsg. v. Dolzer/Vogel (1954 ff) Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1: Art. 1-19 (1996), 2. Aufl. (2004); Bd. 2: Art. 2 0 - 8 2 (1998); Bd. 3: Art. 83-146 (2000) Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Isensee/Kirchhof, Bd. 1, 3. Aufl. (2003); Bd. 2, 3. Aufl. (2004); Bd. 3, 3. Aufl. (2005); Bd. 4, 2. Aufl. (1999); Bd. 5, 2. Aufl. (2000); Bd. 6, 2. Aufl. (2001); Bd. 7 (1992); Bd. 8 (1995); Bd. 9 (1997) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Kommentar, 7. Aufl. (2004) Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1 (Artt. 1-19), Bd. 2 (Am. 20-82), Bd. 3 (Artt. 83-146), 5. Aufl. (2005); früherer Titel: Das Bonner Grundgesetz Grundgesetz, Kommentar, Loseblattausgabe, 7. Aufl. (1991 ff) (bearb. v. Badura u. a.) Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, Loseblattausgabe, 3. Aufl. (1992 ff) Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl. (2000); Bd. 2, 4./5. Aufl. (2001); Bd. 3,'4./5. Aufl. (2003) Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage (2003) Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl. (2004) Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl. (1984); Bd. 2 (1980); Bd. 3/1 (1988); Bd. 3/2 (1994); Bd. 4 (1997); Bd. 5 (2000)
16. Wettbewerbs- und Kartellrecht Baumbach/Hefermehl Emmerich, Kartellrecht Emmerich, Wettbewerbsrecht FK Kartellrecht [GWB]
L
Wettbewerbsrecht, Kurzkommentar, ab 23. Aufl. als Hefermehl/Köhler/Bornkamm: Wettbewerbsrecht weitergeführt Kartellrecht, Studienbuch, 10. Aufl. (2006) Unlauterer Wettbewerb, 7. Auflage (2004) Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, mit Kommentierung des GWB, des EG-Kartellrechts und einer Darstellung ausländischer Kartellrechtsordnungen, Loseblattausgabe, hrsg. v. Glassen u. a. (2001 ff) bis zur 44. Lfg.
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur
Fezer v. Gamm Immenga/Mestmäcker GWB Hefermehl/Köhler/ Bornkamm Köhler/Piper Rittner/Kulka
unter dem Titel: Frankfurter Kommentar zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Lauterkeitsrecht (Kommentar zum UWG) 2 Bände (2005) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 3. Aufl. (1993) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), Kommentar, hrsg. v. Immenga/Mestmäcker, 3. Aufl. (2001) Wettbewerbsrecht: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Preisangabenverordnung 24. Aufl. (2006) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Kommentar, 4. Aufl. (2006) Wettbewerbs - und Kartellrecht, 7. Aufl. (2006)
17. Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Achenbach/Ransiek Bender Bittmann Franzen/Gast/Joecks
Geilen, Aktienstrafrecht Greeve/Leipold Hellmann/Beckemper Hübschmann/Hepp/Spitaler
HWiStR
Joecks Klein, AO Kohlmann Müller-Gugenberger/Bieneck Otto, Aktienstrafrecht
Park Schröder (Chr.) Tiedemann, GmbH-Strafrecht Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, BT Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht I, II Wabnitz/Janovsky Weyand Ziouvas
Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, hrsg. v. Achenbach/Ransiek (2004) Zoll- und Verbraucherstrafrecht (2006) Insolvenzstrafrecht, hrsg. von Bittmann (2004) Steuerstrafrecht: mit Steuerordnungswidrigkeiten und Verfahrensrecht; Kommentar zu §§ 369-412 AO 1977 sowie zu § 80 des ZollVG, 6. Aufl. (2005) Erläuterungen zu §§ 399—405 AktG von Gerd Geilen, Erläuterungen zu § 408 AktG von Wolfgang Zöllner (1984) (Sonderausgabe aus der 1. Aufl. des Kölner Kommentars zum Aktiengesetz) Handbuch des Baustrafrechts (2004) Wirtschaftsstrafrecht (2004) Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Loseblattausgabe, 10. Aufl. (1995 ff) (bearb. v. Söhn u. a.) Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, Loseblattausgabe (1985-1990), hrsg. v. Krekeler/Tiedemann u. a. Steuerstrafrecht, 3. Aufl. (2003) Abgabenordnung einschließlich Steuerstrafrecht, Kommentar, 9. Aufl. (2006) Steuerstrafrecht, Kommentar zu den §§ 3 6 9 ^ 1 2 AO 1977, Loseblattausgabe, 7. Aufl. (1997 ff) Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. (2006) Erläuterungen zu den §§ 399-410 AktG (1997) (Sonderausgabe aus der 4. Aufl. des Großkommentars zum Aktiengesetz) Kapitalmarktstrafrecht (2004) Kapitalmarktstrafrecht (2007) GmbH-Strafrecht (§§ 82-85 G m b H G und ergänzende Nebenvorschriften), 4. Aufl. (2002) Wirtschaftsstrafrecht, Einführung und Allgemeiner Teil (2004), Besonderer Teil (2006) Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität, Bd. 1: Allgemeiner Teil; Bd. 2: Besonderer Teil (jew. 1976) Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 2. Aufl. (2004) Insolvenzdelikte, 6. Aufl. (2003) Das neue Kapitalmarktstrafrecht (2006)
LI
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur 18. Sonstiges Brownlie Corpus Juris
Dahm/Delbrück/Wolfrum Friauf/Fuhr Götz Herdegen HMmR HwbRW I-VIII
Ipsen Keller/Günther/Kaiser Kröger/Gimmy Landmann/Rohmer I, II
LdR Lüder
Potrykus/Steindorf
Rebmann/Uhlig Schölz/Lingens Seidl-Hohenveldern Seidl-Hohenveldern/Stein Shaw Strupp/Schlochauer Stuckenberg Tolzmann
Verdross/Simma Vitzthum Werle
LH
Principles of International Law, 6. Aufl. (2003) The Implementation of the Corpus Juris in the Member States/La mise en œuvre du Corpus Juris dans les Etats Membres, hrsg. v. Delmas-Marty/Vervaele (2000) Deutsche Version der Entwurfsfassung von 1997: DelmasMarty (Hrsg.), Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, Deutsche Übersetzung von Kleinke und Tully, Einführung von Sieber (1998) Völkerrecht, 2. Aufl., Band 1/1 (1989), Band 1/2 (2002), Band 1/3 (2002) Gewerbeordnung, Kommentar, Gewerberechtlicher Teil, Loseblattausgabe, hrsg. v. Friauf (2001 ff) Bundeszentralregistergesetz, Kommentar, 4. Aufl. (2000) Völkerrecht, 4. Aufl. (2005) Handbuch Multimedia-Recht, Loseblattausgabe, hrsg. v. Hoeren/Sieber (1998 ff) Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, hrsg. v. StierSomlo u. a., Bd. 1 (1926), Bd. 2 (1927), Bd. 3 (1928), Bd. 4 (1927), Bd. 5 (1928), Bd. 6 (1929), Bd. 7 (1931), Bd. 8 (1937) (unter dem Titel: Die Rechtsentwicklung der Jahre 1933 bis 1935/36) Völkerrecht, 5. Aufl. (2004) Embryonenschutzgesetz, Kommentar (1992) Handbuch zum Internetrecht, 2. Aufl. (2002) Gewerbeordnung und ergänzende Vorschriften, Kommentar, Loseblattausgabe, Bd. 1: Gewerbeordnung; Bd. 2: Ergänzende Vorschriften (jew. 1998 ff) Lexikon des Rechts: Strafrecht, Strafverfahrensrecht, hrsg. v. Ulsamer, 2. Aufl. (1996) Materialien zum Völkerstrafgesetzbuch: Dokumentation des Gesetzgebungsverfahrens (2002) Waffenrecht: Waffengesetz mit Durchführungsverordnungen, Kriegswaffenkontrollgesetz und Nebenbestimmungen, Kurzkommentar, 8. Aufl. (2003) Bundeszentralregister, Gewerbezentralregister, Verkehrszentralregister und ergänzende Bestimmungen, Kommentar (1985) Wehrstrafgesetz, Kommentar, 4. Aufl. (2000) Lexikon des Rechts - Völkerrecht, 2. Aufl (1992) Völkerrecht, 10. Aufl. (2000) International Law, 5. Aufl. (2003) Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Aufl., Band 1 (1960), Band 2 (1961), Band 3 (1962) Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht (2007) Bundeszentralregistergesetz, Kommentar, Zentralregister, Erziehungsregister und Gewerbezentralregister, Nachtrag zur 4. Aufl. mit Verwaltungsvorschriften (2003) Universelles Völkerrecht, 3. Auflage (1984) Völkerrecht, 4. Aufl. (2007) Völkerstrafrecht (2003)
Einleitung Übersicht Rdn. I. Aufgaben des Strafrechts 1. Schutz von Interessen 2. „Anstößiges Verhalten" 3. Geltungsschutz 4. Rechtsgut 5. Erfolgs- und Gefährdungsdelikte . Π. Materien und Rechtsquellen des Strafrechts 1. Materielles Strafrecht 2. Strafverfahrensrecht 3. Strafvollstreckungsrecht 4. Strafgesetze 5. Grundgesetz a) Strafrechtliche Regelungen . . . . b) Beschränkungen der Strafgewalt . . c) Gesetzgebungskompetenz 6. Nebenstrafrecht 7. Ordnungswidrigkeiten m . Entstehung und Reform des Strafgesetzbuchs 1. Vorgeschichte 2. Reformen bis 1918 3. Weimarer Republik 4. Nationalsozialismus 5. Strafrechtsreform nach 1945 6. Jugendkriminalrecht 7. Strafgesetzgebung der D D R 8. Das 6. Strafrechtsreformgesetz . . . . IV. Überblick über Aufbau und Inhalt des Strafgesetzbuchs 1. Allgemeine Regelungen 2. Rechtsfolgen 3. Besonderer Teil V. Die Mittel des Strafrechts: Strafen und Maßregeln 1. Rechtsfolgen 2. Begründung des Strafrechts
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Rdn. a) Absolute und relative „Straftheorien" b) „Spielraumtheorie" c) Doppelspurige Begründung . . . aa) Begriff der Strafe bb) Retribution und Zweckdenken cc) Strafbemessung dd) Spezialprävention 3. Strafen a) Freiheitsstrafe b) Strafaussetzung und Strafrestaussetzung c) Geldstrafe d) Ersatzfreiheitsstrafe 4. Maßregeln der Besserung und Sicherung a) Legitimation der Maßregeln . . . b) Besserung und Sicherung . . . . c) Sicherungsverwahrung 5. Verfall und Einziehung a) Verfall b) Einziehung 6. Alternativen zur Strafe VI. Europäisches Strafrecht 1. Einfluss des Europäischen Strafrechts 2. Europarat und E M R K 3. Recht der EG und der EU a) Straf- und Harmonisierungskompetenz b) Zusammenarbeit innerhalb der EU c) Zukunftsperspektiven VII. Völkerstrafrecht 1. Allgemeines 2. Internationaler Strafgerichtshof . . 3. Völkerstrafgesetzbuch
58 61 62 63 64 67 68 69 69 70 72 73 74 75 77 79 80 81 82 83 84 85 87
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I. Aufgaben des Strafrechts Schrifttum Amelung ( 1 9 9 7 ) ; Dubber
Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft ( 1 9 7 2 ) ; Appel
Verfassung und Strafe
Positive Generalprävention und Rechtsgutstheorie, Z S t W 1 1 7 ( 2 0 0 5 ) 4 8 5 ;
Kriminologie, 6 . Aufl. ( 2 0 0 5 ) ; Feinberg
(Hrsg.) D o i n g a n d Deserving ( 1 9 7 0 ) ; Frisch
des Strafrechts, Festschrift Stree und Wessels ( 1 9 9 3 ) 6 9 ; Grünhut
Methodische Grundlagen der heuti-
gen Strafrechtswissenschaft, Festgabe F r a n k I ( 1 9 3 0 ) 1; K. Günther tung der Strafe, Festschrift Liiderssen ( 2 0 0 2 ) 2 0 5 ; Hassemer chens ( 1 9 7 3 ) ; Hefendehl
Die symbolisch-expressive Bedeu-
T h e o r i e und Soziologie des Verbre-
Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht ( 1 9 9 9 ) ; ders.
T h o m a s Weigend
Eisenberg
A n den Grenzen
M i t l a n g e m A t e m : Der
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Einleitung
Begriff des Rechtsguts, GA 2 0 0 7 1; Hefendehl/von Hirsch/Wohlers (Hrsg.) Die Rechtsgutstheorie (2003); Hegel Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821); Herzog Gesellschaftliche Unsicherheit und strafrechtliche Daseinsvorsorge (1991); von Hirsch Past or Future Crimes (1985); ders. Die Existenz der Institution Strafe, in Neumann/Prittwitz (Hrsg.) Kritik und Rechtfertigung des Strafrechts (2005) 57; Hirsch Die aktuelle Diskussion über den Rechtsgutsbegriff, Festschrift Spinellis (2001) 425; Hörnle Tatproportionale Strafzumessung (1999); dies. Grob anstößiges Verhalten (2005); Hohmann Von den Konsequenzen einer personalen Rechtsgutsbestimmung im Umweltstrafrecht, GA 1992 76; Jakobs Was schützt das Strafrecht: Rechtsgüter oder Normgeltung? Festschrift Seiji Saito (2003) 17; Jung Zur Strafbarkeit des Inzests, Festschrift Leferenz (1983) 311; Kindhäuser Gefährdung als Straftat (1988); Koriath Zum Streit um den Begriff des Rechtsguts, GA 1999 561; Kreuzer (Hrsg.) Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts (1998); Krüger Die Entmaterialisierungstendenz beim Rechtsgutsbegriff (2000); Kubiciel/Winter Globalisierungsfluten und Strafbarkeitsinseln, ZStW 113 (2001) 305; Kühl Die Bedeutung der Rechtsphilosophie für das Strafrecht (2001); ders. Der Zusammenhang von Strafe und Strafrecht, Festschrift Lampe (2003) 439; ders. Zum Missbilligungscharakter der Strafe, Festschrift Eser (2005) 149; Lagodny Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte (1996); Lampe Gedanken zum materiellen Straftatbegriff, Festschrift Rudolf Schmitt (1992) 77; ders. Strafphilosophie (1999); Meier Strafrechtliche Sanktionen (2001); Müssig Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz (1994); Neubacher Materieller Verbrechensbegriff und Rechtsgutsverletzung, Jura 2 0 0 0 514; Prittwitz Strafrecht und Risiko (1993); Rössner Die besonderen Aufgaben des Strafrechts im System rechtsstaatlicher Verhaltenskontrolle, Festschrift Roxin (2001) 977; Roxin Rechtsgüterschutz als Aufgabe des Strafrechts? in Hefendehl (Hrsg.) Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus (Schünemann-Symposium) (2005) 135; Sina Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut" (1962); Stratenwerth Zum Begriff des „Rechtsgutes", Festschrift Lenckner (1998) 377; Vogel Strafrechtsgüter und Rechtsgüterschutz durch Strafrecht usw., StV 1996 110; Walter Positive und negative Erfolgsdelikte, ZStW 116 (2004) 555; Wohlers Deliktstypen des Präventionsstrafrechts (2000). 1
1. D a s Strafrecht dient dem Schutz von Interessen, die der Rechtsgemeinschaft wichtig sind. D a b e i handelt es sich um Interessen, die jedem Individuum für sich zustehen (z.B. Leben, Gesundheit, Ehre), wie auch um Interessen der Bürger insgesamt (z.B. Bestand des demokratischen Rechtsstaats, Funktionsfähigkeit der Rechtspflege). 1 Das Strafrecht schützt diese Güter mit dem spezifischen Mittel der Kriminalstrafe. Diese unterscheidet sich von anderen Sanktionen dadurch, dass sie - neben dem mit ihr verbundenen Verlust an Freiheit oder Eigentum - die deutliche sozialethische Missbilligung der Rechtsgemeinschaft gegenüber der v o m T ä t e r begangenen Tat zum Ausdruck bringt. 2 Die Kriminalstrafe stellt innerhalb des Ensembles von M a ß n a h m e n der Sozialkontrolle gegenüber unerwünschtem Verhalten 3 die schärfste F o r m der Verurteilung dar. 4 Sie sollte 1
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Zur Unterscheidung zwischen kumulativen Einzelinteressen und Kollektivinteressen näher Hefendehl Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 123 ff; ders. in: Hefendehl/von Hirsch/ Wohlers Rechtsgutstheorie, S. 119, 121 ff; Hassemer/Neumann NK vor § 1 Rdn. 126 ff. Zur expressiven Funktion des staatlichen Strafens grundlegend Feinberg Doing and Deserving, S. 70 ff; von Hirsch Past or Future Crimes, S. 34 ff; deutschsprachige Darstellungen bei von Hirsch in Neumann/Prittwitz (Hrsg.) Kritik und Rechtfertigung des Strafrechts, S. 57, 66 ff; Hörnle Tatproportionale Strafzumessung, S. 112 ff; Günther FS Lüderssen, S. 205; siehe auch Kühl FS Eser, S. 149, 153 ff. Zu weiteren Funktionen des Straf-
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rechts im Gesamtsystem der staatlichen Verhaltenskontrolle Rössner FS Roxin, S. 977. Hierzu Eisenberg Kriminologie §§ 10, 11, 23; Meier Strafrechtliche Sanktionen, S. 1 ff; Hassemer/Neumann NK vor § 1 Rdn. 154 ff. Das Disziplinarrecht etwa des Öffentlichen Dienstes weist hinsichtlich der Missbilligungsfunktion Ähnlichkeiten mit dem Strafrecht auf, es bezieht die Missbilligung jedoch ausschließlich auf die dienstliche oder berufliche Stellung des Täters. Daher wird es auch als zulässig angesehen, wegen ein und desselben Verhaltens sowohl Kriminalstrafe als auch Disziplinarmaßnahmen zu verhängen (BVerfGE 21 378). Siehe näher Hassemerl Neumann NK vor § 1 Rdn. 220 ff.
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I. Aufgaben des Strafrechts
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nur als letztes Mittel (ultima ratio) verwendet werden. Ihr möglichst sparsamer Einsatz ist nicht nur verfassungsrechtlich durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 5 sondern auch im Sinne effizienter Verhaltenssteuerung geboten, da die Strafe andernfalls durch inflationären Gebrauch ihre soziale und individuelle Wirkung verlöre. 6 Andererseits kann es aber auch verfassungsrechtlich geboten sein, vom Strafrecht Gebrauch zu machen, wenn anders wichtige Interessen des Individuums oder der Allgemeinheit schutzlos dem Untergang preisgegeben wären („Untermaßverbot"; grundlegend BVerfGE 3 9 1, 4 7 ff; 88 203, 281 ff); denn es gehört zu den wesentlichen Aufgaben des Staates, den Bürgern Schutz für ihre vitalen Interessen und für die institutionellen Bedingungen friedlichen und gedeihlichen Zusammenlebens zu gewähren. 7 Die Entscheidung darüber, welche Interessen vordringlich und schutzbedürftig sind und wann gerade von dem Mittel des Strafrechts Gebrauch zu machen ist, hängt von der Situation und den jeweils vorhandenen Bedürfnissen einer Gesellschaft ab. 8 Sie obliegt grundsätzlich dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber. 9
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Nur in extremen Fällen kann der Erlass eines Strafgesetzes die Verfassung verletzen, wenn nämlich ein schützenswertes Interesse ganz fehlt (z.B. bei einem Verbot gemischtrassiger Ehen), wenn der „Täter" ausschließlich seine eigenen Interessen verletzt (z.B. bei unvernünftigem Verschleudern des eigenen Vermögens) oder wenn ersichtlich mildere Mittel zum Schutz ausreichen (z.B. bei leichten Verstößen im Straßenverkehr). Jenseits dieses Kernbereichs gibt es keine verbindlichen Kriterien für die Entscheidung der Frage, ob ein Interesse des strafrechtlichen Schutzes bedarf. 1 0 Es ist auch nicht so, dass das Strafrecht nur Interessen des Individuums (oder solche, die sich unmittelbar auf individuelle Bedürfnisse zurückführen lassen) schützen dürfte. 11 Auch wenn der Staat letztlich um des Menschen willen existiert, ist es durchaus legitim, Verletzungen institutioneller Interessen (z.B. die justizielle Wahrheitsfindung, das Funktionieren des Wertpapierhan-
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Vgl. BVerfGE 3 9 1, 47. Vgl. Frisch FS Stree und Wessels, S. 69, 96 f; Hassemer/Neumann NK vor § 1 Rdn. 72, 81, 110 ff. Eingehend hierzu Lagodny Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 2 5 4 ff; skeptisch gegenüber einer staatlichen Strafpflicht Roxiti AT § 2 Rdn. 95 f; siehe auch Joecks MK Einl. Rdn. 19 f. Hassemer Theorie und Soziologie des Verbrechens, S. 74, 97 et passim; Hassemer/Neumann NK vor § 1 Rdn. 8 9 ff; siehe auch Lampe FS Rudolf Schmitt, S. 77, 86; vertiefend Lampe Strafphilosophie, S. 113 ff. BVerfGE 109 133, 157 f; Amelung in Hefendehl/von Hirsch/Wohlers Rechtsgutstheorie, S. 155, 163 f; Appel Verfassung und Strafe, S. 2 0 4 ff; Hassemer/Neumann NK vor § 1 Rdn. 85 ff. Der autonomen Einschätzungsund Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers kann nicht pauschal das Demokratieund Rechtsstaatsprinzip als Korrektiv entgegengehalten werden; so aber Hefendehl Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 51; ihm folgend Roxin Schiinemann-Symposium,
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S. 135, 141; wie der Text dagegen Lagodny Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 155. Im Ergebnis übereinstimmend Koriath GA 1 9 9 9 561, 5 7 7 ff unter Hinweis auf Binding Die Normen und ihre Übertretung Bd. II 1, S. 160 f: „Hinter Verbot und Gebot beginnt aber für den, der nach der Rechtswidrigkeit sucht, tiefster undurchdringlicher Nebel." Für eine im Ansatz „personale" Rechtsgutslehre jedoch Hassemer in Hefendehl/von Hirsch/Wohlers Rechtsgutstheorie, S. 5 7 ; Hohmann GA 1992 76, 78 f; Hassemer/ Neumann NK vor § 1 Rdn. 146 ff. Ähnlich Kindhäuser Gefährdung als Straftat, S. 351 (der aber auch die Inkriminierung bloßer Gütergefährdungen generell zulassen möchte) sowie Roxin AT I § 2 Rdn. 7 und Sternberg-Lieben in Hefendehl/von Hirsch/ Wohlers Rechtsgutstheorie, S. 6 7 ff (die allerdings im Ergebnis auch überindividuelle Rechtsgüter wie die Sicherheit des Urkundsverkehrs und das staatliche Besteuerungsrecht als legitim anerkennen).
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Einleitung
dels, auch die in Art. 20a GG als Verfassungsgut genannten „natürlichen Lebensgrundlagen") unter Strafe zu stellen, wenn diese Güter dem Gesetzgeber als hinreichend wichtig und schutzbedürftig erscheinen. 12 Als Leitlinie kann man dem Gesetzgeber allenfalls empfehlen, sich an dem vorhandenen Bestand an Strafnormen zu orientieren und deren Unrechtsniveau bei der Schaffung neuer Vorschriften jedenfalls nicht zu unterschreiten. 13 4
Einer rationalen Diskussion über die Notwendigkeit strafrechtlichen Schutzes ist es im Übrigen dienlich, dass man die betroffenen Interessen beim Namen nennt, anstatt sie hinter blumigen, letztlich nichtssagenden Worten zu verstecken. So sollte man nicht von einem fiktiven „Vertrauen in die Reinheit des öffentlichen Dienstes", von der „Volksgesundheit" oder vom „öffentlichen Frieden" sprechen, wenn in Wirklichkeit die Sachlichkeit von Amtsträgerentscheidungen, die Gesundheit von Individuen oder gar kein konkret fassbares Interesse gemeint ist; bezieht man sich auf inhaltsarme Allgemeinbegriffe als „Rechtsgüter", so lässt sich weder deren Extension noch die Notwendigkeit ihres Schutzes rational diskutieren, so dass es leicht zu Überdehnungen der Strafbarkeit kommen kann. 14 Ein Beispiel hierfür ist die Strafnorm gegen den Besitz auch „weicher" Drogen (§ 29 I Nr. 3 BtmG), deren Existenz man auf das kaum fassbare Gut der „Volksgesundheit" stützt, 15 da die eigentlich nur gegebene (potentielle) gesundheitliche Selbstgefährdung des Täters eine Inkriminierung nicht zu begründen vermöchte. 16
5
2. Problematisch ist die Androhung von Kriminalstrafe dort, wo keine „handfesten" Interessen des Einzelnen oder der Allgemeinheit, sondern nur Verletzungen moralischer Standards 17 oder anstößiges Verhalten in Frage stehen. 18 Zur Legitimation von Strafnormen in diesem Bereich - dazu gehören etwa Tierquälerei (§ 17 TierschutzG), Exhibitionismus (§ 183), Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a), aber auch einverständlicher Inzest zwischen Erwachsenen (§ 173) - genügt es nicht, auf das Interesse der Bürger hinzuweisen, von der Vorstellung verschont zu bleiben, dass „so etwas" ungestraft geschehen könne. 19 In solchen „anstößigen" Verhaltensweisen kann aber dann ein strafwürdiger Angriff des Täters auf die Persönlichkeit der betroffenen Mitmenschen liegen, wenn jener durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er sich über die ihm bekannte Ablehnung der Anderen gezielt hinwegsetzen und diese so provozieren oder in ihren Gefühlen (z.B. Schamgefühl, Mitgefühl mit Tieren) verletzen will, ohne dass sie der Konfrontation
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Übereinstimmend Hefendebl Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 314 f; Müssig Schutz abstrakter Rechtsgüter, S. 207, 2 3 4 et passim. Frisch in Hefendehl/von Hirsch/Wohlers Rechtsgutstheorie, S. 215, 232 f. Freilich finden sich bereits im geltenden Strafrecht einige Vorschriften, bei denen man an der Notwendigkeit des Einsatzes von Strafrecht mit Grund zweifeln kann, wie z.B. § 185 oder S 293. Amelung (Fn. 9) S. 171 ff; Sternberg-Lieben (Fn. 11) S. 72. Siehe zur „Entmaterialisierung" von Rechtsgütern kritisch Krüger Entmaterialisierungstendenz. Siehe hierzu BGH NJW 1998 168, 170; Gössel/Dölling BT 1 § 44; Körner § 29 Rdn. 141; Maurach/Scfcroeder/Maiwald BT 2 S 56.
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Eindringlich Nestler in Kreuzer Handbuch § 11 Rdn. 16, 35, 92; siehe auch Roxin Schünemann-Symposium, S. 142; zur Verfassungsmäßigkeit BVerfGE 90, 145. Siehe zu der schon bei Kant begründeten Trennung von (Straf-)Rechtswidrigkeit und Moralwidrigkeit den Überblick bei Kühl Die Bedeutung der Rechtsphilosophie, S. 35 ff; ders. FS Lampe, S. 439, 4 5 3 ff. Hierzu eingehend Hörnle Grob anstößiges Verhalten, S. 91 ff. Zur parallelen Diskussion in der anglo-amerikanischen Literatur („offence principle") siehe von Hirsch in Hefendehl/von Hirsch/Wohlers Rechtsgutstheorie, S. 13, 2 2 ff; Seher ebda., S. 39 ff. Amelung (Fn. 9) S. 171 f; Sternberg-Lieben (Fn. 11) S. 75.
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I. Aufgaben des Strafrechts
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mit dem Verhalten des T ä t e r s leicht ausweichen k ö n n e n . 2 0 M i t dieser Erwägung lässt sich etwa die Strafbarkeit des E x h i b i t i o n i s m u s verteidigen, w ä h r e n d eine Legitimation für $ 1 7 3 nicht zu finden ist. 2 1 3 . Eine grundsätzlich abweichende Position zur A u f g a b e des Strafrechts vertreten die Autoren, die als Z w e c k des Strafrechts, im Anschluss an Hegel,22 nur den Schutz der Geltung der jeweils in einem Staat bestehenden Rechtsnormen a n s e h e n . 2 3 D a s Strafrecht wirkt nach dieser Auffassung nicht zum Schutz k o n k r e t e r Interessen, sondern lediglich zur Aufrechterhaltung der R e c h t s t r e u e der Bevölkerung, indem es R e c h t s n o r m v e r l e t z u n gen plakativ als solche kennzeichnet und damit die Fortgeltung der v o m T ä t e r übertretenen Verhaltensnorm k o n t r a f a k t i s c h bekräftigt. N a c h dieser Auffassung k a n n es freilich keine strafrechts-wissenschaftlich fundierte Kritik an der Legitimität strafrechtlicher N o r m e n geben - auch ein strafbewehrtes G e b o t , den G e ß l e r - H u t zu grüßen, müsste akzeptiert werden. D i e Verfassungsordnung einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gibt j e d o c h durchaus einen M a ß s t a b an die H a n d , an dem Strafgesetze gemessen werden k ö n n e n und müssen; ihrer darf sich auch der Strafrechtler o h n e Überschreitung der ihm gezogenen Grenzen der Wissenschaftlichkeit b e d i e n e n . 2 4 D a s gilt auch dann, wenn m a n anerkennt, dass sich verbindliche V o r g a b e n für den Strafgesetzgeber etwa aus den Grundrechten nur in sehr geringem U m f a n g e n t n e h m e n lassen (oben Rdn. 1 f).25
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Hörnle Grob anstößiges Verhalten, S. 147 ff; dies, in Hefendehl/von Hirsch/Wohlers Rechtsgutstheorie, S. 275 ff.; ähnlich Jakobs FS Saito, S. 26 f. Roxin Schünemann-Symposium, S. 141 will eine Strafwürdigkeit nur bei Hinzutreten eines Bedrohungsgefühls für das Opfer anerkennen. Auf der Ebene „anstößigen" Verhaltens liegt im Übrigen die kaum je bezweifelte Strafwürdigkeit einer Beleidigung (§ 185), die der Täter nur unmittelbar gegenüber dem Opfer äußert; vgl. dazu auch Kubiciel/Winter ZStW 113 (2001) 305. Ebenso Hörnle Grob anstößiges Verhalten, S. 452 ff; Jung FS Leferenz, S. 311; Kitscher MK 5 173 Rdn. 2 - 6 ; Sch/SchröderILenckner § 173 Rdn. 1; Tröndle/Fischer § 173 Rdn. Ib. Problematisch ist im Hinblick auf ein „greifbares" Rechtsgut auch § 130 Abs. 3. Man kann die Strafbarkeit des Leugnens oder Verharmlosens nationalsozialistischer Gewalttaten allerdings insoweit rechtfertigen, als der Täter bewusst darauf abzielt, bei den Rezipienten seiner Äußerungen (nicht Zustimmung, sondern) Empörung und Verletzung von Pietätsgefühlen hervorzurufen. Kritisch zu § 130 Abs. 3 auch Maurach/Schroeder/Mawa/d BT II § 60 Rdn. 64; Roxin Schünemann-Symposium, S. 142 f; Tröndle/Fischer § 130 Rdn. 1 8 - 2 1 (die die Strafwürdigkeit des Leugnens darin sehen,
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dass der vermeintlich nur leugnende Täter die Gewalttaten in Wirklichkeit billige). Hegel versteht Verbrechen als Zwang, der das Dasein der Freiheit in seinem konkreten Sinne verletzt (Grundlinien der Philosophie des Rechts [1821] § 95); die Bestrafung des Verbrechers ist Manifestation der in sich bestehenden Nichtigkeit des Verbrechens und damit dessen Aufhebung (aaO §§ 97, 99). Allerdings wendet sich Hegel gegen die „drakonische Gesetzgebung", die jedes Verbrechen mit dem Tode bestraft, da diese bei dem abstrakten Denken des freien Willens und der Persönlichkeit (des Verbrechers) stehenbleibe und sie „nicht in ihrem konkreten und bestimmten Dasein" nehmen (aaO $ 96); Hegel will bei der Bestrafung durchaus nach dem Umfang und der Qualität der Verletzung unterscheiden. Siehe Jakobs FS Saito, S. 21: „Strafrecht garantiert Normgeltung, nicht Rechtsgüterschutz". An anderer Stelle (aaO, S. 24) beschreibt Jakobs den Befehl der (Straf-)Rechtsordnung als ,Brich nicht deine Rolle als rechtstreuer Bürger!'. Ebenso Roxin AT I § 2 Rdn. 112 f; ders. Schünemann-Symposium, S. 148 f, jeweils gegen Jakobs FS Saito, S. 31. Zutreffend Appel (Fn. 6) S. 377 ff; Koriath GA 1999 561, 580.
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Einleitung
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4 . Die Debatte um die angemessene Reichweite des Strafrechts wird traditionell unter dem Stichwort des „Rechtsgutes" 2 6 geführt: Strafnormen seien nur legitim, wenn sich ein „Rechtsgut" aufweisen lasse, das durch sie geschützt werden müsse. 2 7 Der aufgrund seiner langen und wechselvollen Geschichte 2 8 schillernde Begriff des Rechtsguts bringt allerdings mehr Verwirrung als Klarheit, 2 9 denn der Begriff als solcher ist vage und ausfüllungsbedürftig. Er kann (mit Betonung auf dem Wortteil „Gut") „naturalistisch" als „Gegebenheit" des sozialen Lebens verstanden werden, 3 0 aber auch normativ (mit Betonung auf dem Wortteil „Recht") als das, was der Gesetzgeber als wertvoll betrachtet. 3 1 In der letztgenannten Konnotation reduziert sich der Begriff des Rechtsguts letztlich darauf, die ratio legis der jeweiligen Strafnorm auszudrücken. 3 2 Unabhängig von dem Sinn, den man dem Wort „Rechtsgut" gibt, eignet es sich als solches nicht zu normativ verbindlicher Deduktion von Forderungen an den Gesetzgeber, da es sich nicht um einen Rechtsbegriff, insbesondere nicht um einen spezifisch strafrechtlichen 3 3 Begriff handelt das Wort „Rechtsgut" erlaubt allenfalls eine politisch-moralische Argumentation mit letztlich unklarem Bezugspunkt. 3 4 Insofern ist der Ausdruck „Rechtsgut" in der kriminalpolitischen Debatte als „gesetzgebungskritischer" Begriff 3 5 dem verfassungsrechtlich gestützten Topos der Verhältnismäßigkeit 36 staatlicher Eingriffe unterlegen. 3 7 Zwar vermag auch der Proportionalitätsgedanke nicht allzu viel zur Limitierung des materiellen Strafrechts beizutragen (oben Rdn. 3); er hat aber immerhin den Vorteil, dass er auch zur Diskussion der eigentlich entscheidenden Frage taugt, ob ein Interesse nicht nur allgemein schützenswert ist, sondern ob und unter welchen Voraussetzungen es zu seinem Schutz
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Zur Verbindung zwischen „Gut" und „Interesse" („Interessen konstituieren Güter")
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Koriath GA 1999 561, 562 ff. 27
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In diesem Sinne etwa Hefendebl (Fn. 1) S. 132; einschränkend ders. GA 2 0 0 7 1, 6 - 8 . Zur Geschichte des Rechtsgutsbegriffs seit Feuerbach und Birnbaum eingehend Amelung Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, S. 15 ff; Sina Dogmengeschichte; speziell zu Birnbaum siehe Neubacher Jura 2 0 0 0 514. Ebenso Dubber ZStW 117 (2005) 485, 5 0 3 ff; Frisch FS Stree/Wessels, S. 74 ff; Hirsch FS Spinellis, S. 4 3 0 ff; Stratenwerth FS Lenckner, S. 383 ff; aA Hefendehl Kollektive Rechtsgüter, S. 18, 80 et passim; Joecks MK Einl. Rdn. 36 ff; Hassemer/Neumann
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NK vor § 1 Rdn. 62 ff; Roxin AT I § 2
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Rdn. 7 ff; Schiinemann in Hefendehl/von Hirsch/Wohlers Rechtsgutstheorie, S. 133 ff; Sternberg-Lieben ebda., S. 70, 72. So etwa Hassemer Theorie und Soziologie, S. 122; Roxin Schünemann-Symposium, S. 139. In diesem Sinne prägnant schon Binding Handbuch I, S. 169: „etwas, das der Gesetzgeber als wertvoll betrachtet und dessen ungestörter Zustand deshalb durch Normen geschützt werden muß". In der Sache ähnlich Hefendehl Kollektive Rechtsgüter, S. 19.
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Von dem Rechtsgut als „Abbreviatur des Zweckgedankens" sprach schon Crünhut Festgabe Frank I, S. 8; ähnlich Honig Die Einwilligung des Verletzten (1919), S. 30. Auf die außerstrafrechtliche Determination von „Rechtsgütern" weisen Frisch in Hefendehl/von Hirsch/Wohlers Rechtsgutstheorie, S. 2 2 0 ff und Lagodny Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 147 hin. Zwar kommt der Begriff „Rechtsgut" in § 34 Abs. 1 vor, aber er wird dort jedenfalls nicht in „systemkritischem" Sinne verwendet; vgl. Dubber ZStW 117 (2005) 513. Zum bisher sehr begrenzten „Erfolg" rechtsgutsbezogener Gesetzgebungskritik vgl. Frisch FS Stree/Wessels, S. 72 f. So versteht ihn Roxin Schünemann-Symposium, S. 140; dazu kritisch („recht zahnlos") Dubber ZStW 117 (2005) 510. Zur verfassungsgerichtlichen Interpretation dieses Begriffs für das Strafrecht zusammenfassend Vogel StV 1996 110, 113 f. Appel Verfassung und Strafe, S. 357 ff, 389.
AA Roxin AT I § 2 Rdn. 101, der das auf
den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gestützte Prinzip der Subsidiarität des Strafrechts wegen der breiten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nur als ein „kriminalpolitisches Postulat" ansieht.
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I. Aufgaben des Strafrechts
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gerade des Strafrechts bedarf und in welchem Umfang (etwa auch schon gegenüber Handlungen im Vorfeld der eigentlichen Interessenverletzung) dies der Fall ist. 38 Der Begriff des Rechtsguts eignet sich also weniger zur kriminalpolitischen Argumen- 8 tation, wohl aber als Chiffre für den Zweck oder das „Schutzgut" eines bestimmten (bestehenden) Straftatbestandes. Gegenstand des strafrechtlichen Schutzes können reale Gegebenheiten (z.B. menschliches Leben) oder - häufiger - abstrahierte werthaltige Elemente des Soziallebens sein. 39 Auch Letztere sind keine nur spekulativ zu „schauende" geistige Wesenheiten, sondern durchaus reale, in einer Gesellschaft tatsächlich bestehende individuelle oder soziale Interessen. 40 Die Schutzgüter sind aber zumeist nicht identisch mit den realen Handlungs-Objekten, auf die sich das in einem Straftatbestand beschriebene Verhalten bezieht (z.B. eine konkrete Urkunde bei § 267, der Körper eines bestimmten Menschen bei § 223). Es ist für die sachgerechte („teleologische") Auslegung einer Strafvorschrift sinnvoll und häufig unverzichtbar, ihr (in dem genannten Sinne verstandenes) Schutzgut näher zu bestimmen. Auch für die Anwendung allgemeiner Regeln kann das Schutzgut der Norm von Bedeutung sein, etwa für die Frage, ob die Einwilligung einer bestimmten Person zur Vornahme der im Tatbestand beschriebenen Handlung berechtigt; insoweit kommt nur die Einwilligung des alleinigen „Rechtsgutsträgers" in Betracht. 41 5. Die meisten Straftatbestände setzen einen „Erfolg" in dem Sinne voraus, dass eine Veränderung in der Außenwelt eintritt, die das Schutzgut in negativer Weise berührt („Erfolgsdelikte"). So ist z.B. wegen Totschlags (§ 212) nur strafbar, wer das Leben eines Anderen nicht nur angreift, sondern auch tatsächlich vorzeitig beendet; und die Strafbarkeit wegen Betrugs (§ 263) setzt neben einer Täuschung auch den Eintritt eines Vermögensschadens bei dem Opfer voraus. Andere Strafnormen, wie z.B. die Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), erfordern nur die konkrete Gefährdung eines geschützten Interesses (dort von Leib oder Leben oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert). Bei einer zunehmenden Zahl von Straftatbeständen braucht das Geschehen (das in der Herbeiführung einer feststellbaren physischen Veränderung in der Außenwelt besteht 4 2 ) das geschützte Interesse gar nicht (in nachweisbarer Weise) nachteilig zu berühren; das inkriminierte Verhalten ist vielmehr deshalb verboten, weil es erfahrungsgemäß, eventuell im Zusammenwirken mit ähnlichen Verhaltensweisen Anderer, leicht zu einer Beeinträchtigung geschützter Interessen führen kann (Straftaten mit abstrakter Gefährlichkeit). Eine solche Straftat ist etwa die Trunkenheit im Verkehr (§ 316), bei der Leben, Gesundheit oder Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer weder konkret gefährdet noch tatsächlich in Mitleidenschaft gezogen werden müssen, das Verhalten des Täters (Führen eines Fahrzeugs in alkoholisiertem Zustand) aber erfahrungsgemäß häufig zu Beeinträchtigungen dieser Interessen führen kann. Inwieweit der Gesetzgeber berechtigt ist oder gut daran tut, von diesem Normtyp vielfach, und auch im Hinblick auf weniger elementare Schutzgüter, Gebrauch zu machen, ist heftig umstritten - dem Ausbau des Interessen-
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Ebenso Frisch FS Stree/Wessels, S. 74. Roxin AT I § 2 Rdn. 7 spricht von „Gegebenheiten oder Zwecksetzungen, die dem einzelnen oder seiner freien Entfaltung im Rahmen eines auf dieser Zielvorstellung aufbauenden sozialen Gesamtsystems oder dem Funktionieren dieses Systems selbst nützlich sind". Z u m Verhältnis von Konkretheit und Abstraktion der „Rechtsgüter" eingehend
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Amelung in Hefendehl/von Hirsch/Wohlers Rechtsgutstheorie, S. 155, 166 ff. Dazu Hefendebl Kollektive Rechtsgüter, S. 32. Weitere Beispiele bei Amelung in Hefendehl/ von Hirsch/Wohlers Rechtsgutstheorie, S. 176 ff. Darauf weist mit Recht Walter ZStW 116 (2004)555, 574 ff hin.
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schutzes in das Vorfeld tatsächlicher Beeinträchtigungen korrespondiert eine Beschneidung der Individualfreiheit durch ein wachsendes Netz aus strafbewehrten Verhaltensverboten. 43 Man kann auf solche Regelungen nicht generell verzichten; der Gesetzgeber sollte sie jedoch nur dann verwenden, wenn wichtige Interessen so sensibel sind, dass schon Handlungen, die nur in die Nähe einer Gefährdung kommen, mittels der scharfen Waffe des Strafrechts unterbunden werden müssen.
II. Materien und Rechtsquellen des Strafrechts Schrifttum Fincke Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts ( 1 9 7 5 ) ; Herzberg Folter und Menschenwürde, J Z 2 0 0 5 3 2 1 ; Hirsch Das Schuldprinzip und seine Funktion im Strafrecht, Z S t W 1 0 6 ( 1 9 9 4 ) 7 4 6 ; Kudlich Grundrechtsorientierte Auslegung im Strafrecht, J Z 2 0 0 3 127; Lagodny Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte ( 1 9 9 6 ) ; Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. (1995); Mattes Die Problematik der Umwandlung der Verkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten, Z S t W 8 2 ( 1 9 7 0 ) 2 5 ; ders. Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten (1. Halbb. 1977, 2. Halbb. 1 9 8 2 ) ; Schlehofer Die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes, GA 1 9 9 9 3 5 7 ; Tiedemann Verwaltungsstrafrecht und Rechtsstaat, Ö J Z 1 9 7 2 2 8 5 ; ders. Verfassungsrecht und Strafrecht ( 1 9 9 1 ) ; ders. Wirtschaftsstrafrecht. Einführung und Allgemeiner Teil ( 2 0 0 4 ) ; Besonderer Teil ( 2 0 0 6 ) ; Weber Die Überspannung der staatlichen Bußgeldgewalt, Z S t W 9 2 ( 1 9 8 0 ) 313; Weigend Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Grenze staatlicher Strafgewalt, Festschrift Hirsch ( 1 9 9 9 ) 917; Wolter Verfassungsrecht im Strafprozeß- und Strafrechtssystem, N S t Z 1 9 9 3 1; Zippelius Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen, Festgabe BVerfG Bd. 1 1 ( 1 9 7 6 ) 108.
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1. Das materielle Strafrecht beschreibt die verbotenen und mit Kriminalstrafe bedrohten Verhaltensweisen, wie z.B. Mord (§ 211), Diebstahl (§ 242), Betrug (§ 263) und Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG). Es bestimmt ferner die Rechtsfolgen der Straftat (Strafen, Maßregeln und sonstige Sanktionen; siehe Rdn. 57 ff) sowie Grundsätze für die Strafzumessung (§ 46). Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs enthält darüber hinaus wichtige Regeln, die für alle Straftaten gleichermaßen gelten, z.B. über den Versuch (§§ 22ff), die Teilnahme mehrerer Personen an einer Tat (§§ 25 ff) sowie über Rechtfertigung und Entschuldigung von normalerweise strafbarem Verhalten (§§ 32 ff).
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2. Der Staat kann eine Straftat nur sanktionieren, wenn der Täter zuvor in einem ordnungsgemäßen Verfahren verurteilt worden ist (nulla poena sine processü). In einem weiteren Sinne gehört zum Strafrecht daher auch das Strafverfahrensrecht. Dieses Rechtsgebiet, das im Wesentlichen in der Strafprozessordnung und im Gerichtsverfassungsgesetz normiert ist, bestimmt die Voraussetzungen, unter denen jemand wegen einer begangenen Straftat verurteilt werden kann. Im Einzelnen sind dort die Befugnisse der Strafverfolgungsorgane (Staatsanwaltschaft und Polizei) bei der Ermittlung wegen des Verdachts einer Straftat, insbesondere die Zulässigkeit von Eingriffen in Grundrechte (z.B. Untersuchungshaft, Durchsuchung), aber auch die Rechte des Beschuldigten und seines Verteidigers geregelt, ferner die Voraussetzungen der Anklageerhebung sowie der Ablauf des gerichtlichen Hauptverfahrens und schließlich der Rechtsmittelverfahren.
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Kritisch daher z.B. Prittwitz Strafrecht und
Vorsorge, S. 5 8 ff; zusammenfassend zu der
Risiko, S. 2 3 6 ff; Herzog Gesellschaftliche Unsicherheit und strafrechtliche Daseins-
Problematik Wohlers Deliktstypen des Präventionsstrafrechts, S. 2 8 1 ff.
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II. Materien und Rechtsquellen des Strafrechts
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3. Einen selbständigen Teil des Strafverfahrens, der zum Teil ebenfalls in der Straf- 1 2 Prozessordnung ( § § 4 4 9 ff StPO) geregelt ist, bildet das Strafvollstreckungsrecht. 44 Für die Vollstreckung der gerichtlich verhängten Strafen ist grundsätzlich die Staatsanwaltschaft zuständig (§ 4 5 1 StPO). Die wesentlichen Fragen der Vollstreckung von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung sind jedoch gesondert im Strafvollzugsgesetz von 1976 geregelt. In diesem Bereich werden alle wichtigen Entscheidungen der Vollzugsverwaltung, wenn der Gefangene dies beantragt, durch eine richterliche Instanz, die Strafvollstreckungskammer, überprüft (§ 109 StVollzG). 4 5 4. Nach Art. 103 Abs. 2 G G ist eine Bestrafung nur zulässig, wenn die Strafbarkeit bei Begehung der Tat „gesetzlich" bestimmt war. Damit kommen als Quelle des Strafrechts nur Parlamentsgesetze in Betracht. 4 6 Ausdrücklich verlangt Art. 104 Abs. 1 G G für Regelungen, die die Entziehung der Freiheit einer Person vorsehen - und dies sind alle Strafvorschriften 4 7 - , ein „förmliches Gesetz". Nur wenn der parlamentarische Gesetzgeber die Verbotsmaterie in ihren wesentlichen Zügen beschrieben und auch den Strafrahmen festgelegt hat, darf er die nähere Spezifizierung und Ausgestaltung der Verbotsmaterie, wie etwa in § 3 2 9 Abs. 1 geschehen, dem Verordnungs- oder Satzungsgeber überlassen. 4 8
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5. a) Das Grundgesetz ist in vielfacher Hinsicht für das Strafrecht von unmittelbarer Bedeutung. 4 9 Einige fundamentale Strafrechtsnormen sind ausdrücklich im Grundgesetz formuliert. Dazu gehört vor allem der Gesetzlichkeitsgrundsatz („nullum crimen, nulla poena sine lege") in Art. 103 Abs. 2 GG; aus ihm werden das Erfordernis gesetzlicher Strafbarkeitsbegründung, das Gebot der Bestimmtheit von Strafgesetzen, das Verbot analoger Anwendung von Strafgesetzen zum Nachteil des Angeklagten sowie das Verbot rückwirkender Strafbarkeitsbegründung oder Strafschärfung abgeleitet. 5 0 Art. 102 G G erklärt die Todesstrafe für abgeschafft, und Art. 104 G G enthält wesentliche Rechtsgarantien für alle Fälle von Freiheitsentziehung, insbesondere durch Untersuchungshaft und Freiheitsstrafe. Aus dem Leitprinzip der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 G G ) 5 1 sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 0 Abs. 3 GG) wird, über die genannten ausdrücklichen
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Siehe hierzu die Spezialkommentare von Bringewat Strafvollstreckungsrecht, und Isak/Wagner Strafvollstreckung. Zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Strafvollzugsrechts siehe BVerfGE 33 1; 35 202; 45 187 (lebenslange Freiheitsstrafe); Überblick über spätere Rechtsprechung bei Kruis/Cassardt NStZ 1995 521, 574; Kruis/ Wehowsky NStZ 1998 593. Aufgrund der 2006 vorgenommenen Neuverteilung der Zuständigkeiten wird das Strafvollzugsgesetz des Bundes in naher Zukunft von Gesetzen der Länder abgelöst werden. BVerfGE 78 374, 382 (anders noch BVerfGE 14 174, 185); Dreier III - Schultze-Fielitz Art. 103 II Rdn. 24; von Mangoldt/Klein/ Starck/Nolte Art. 103 Rdn. 152; MaunzJ Dürig/Schmidt-Aßmann Art. 103 Rdn. 183.
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Auch der Landesgesetzgeber darf keine solchen Strafvorschriften vorsehen (Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 EGStGB). BVerfGE 14 174, 186 f; 75 329, 342 f; 78 374, 382 f; näher hierzu von Mangoldt/ Klein/Starck/Nolte Art. 103 Rdn. 152 f; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann Art. 103 Rdn. 198 ff. Überblick bei Ttedemann Verfassungsrecht und Strafrecht; Wolter NStZ 1993 1; Sch/Schröder/£ser vor § 1 Rdn. 27-35. von Mangoldt/Klein/Starck/Nolte Art. 103 Rdn. 117 ff; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann Art. 103 Abs. 2 Rdn. 224 ff. Siehe hierzu von Mangoldt/Klein/Starck/ Starck Art. 1 Rdn. 4 8 - 5 5 ; Schlehofer GA 1999 357; im Zusammenhang mit dem Folterverbot Herzberg JZ 2005 321, 322 ff.
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Verbürgungen hinaus, der Grundsatz abgeleitet, dass Strafe nur bei schuldhaftem (d.h. dem T ä t e r individuell zurechenbarem und vorwerfbarem) Verhalten verhängt w e r d e n 5 2 und dass sie das M a ß des verschuldeten Unrechts nicht übersteigen d a r f ; 5 3 außerdem muss dem Straftäter von R e c h t s wegen stets die M ö g l i c h k e i t erhalten bleiben, nach dem Vollzug einer (auch „ l e b e n s l a n g e n " ) Freiheitsstrafe wieder in die Freiheit entlassen zu werden.54 15
b ) Auch im Übrigen ergeben sich aus den im Grundgesetz gewährleisteten Grundrechten Beschränkungen der staatlichen Strafgewalt. Z w a r bilden die verfassungsmäßige Ordnung und auch die geschützten Rechte Dritter grundsätzlich eine beachtliche Schranke für die Grundrechtsausübung (siehe Art. 2 Abs. 1 sowie z.B. Art. 5 Abs. 2 G G ) ; diese Schranke ist j e d o c h ihrerseits im Lichte der Grundrechte zu interpretieren und nötigenfalls zu begrenzen, damit das Grundrecht des Handelnden nicht zu stark eingeschränkt w i r d . 5 5 W i e dargelegt (Rdn. 1, 2) darf der Gesetzgeber keine Strafvorschriften erlassen, die unverhältnismäßig in den grundrechtlich geschützten Lebensbereich der Bürger eing r e i f e n 5 6 oder gar die M e n s c h e n w ü r d e verletzen. 5 7 Umgekehrt kann der Gesetzgeber verpflichtet sein, zum Schutze wichtiger Individualinteressen S t r a f n o r m e n zu erlassen 5 8 oder die Rechtfertigung staatlicher Grundrechtseingriffe durch spezialgesetzliche N o r m e n zu u n t e r l a s s e n 5 9 . Die Grundrechte bestimmen darüber hinaus a u c h die Auslegung der Strafn o r m e n mit, da bei der Interpretation des einfachen R e c h t s stets die Wertentscheidungen der Verfassung zu berücksichtigen sind; eine Auslegung, durch die jene Wertentscheidungen verletzt würden, muss das Gericht zu vermeiden trachten (verfassungskonforme Auslegung). 6 0 In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht z.B. die Tatbestände der Nötigung (§ 2 4 0 ) im Falle von Sitzblockaden (BVerfGE 7 3 2 0 6 , 2 3 3 ff), der Beleidigung (§ 185) bei politisch intendierten Meinungsäußerungen ( B V e r f G E 9 3 , 2 6 6 , 2 9 3 ff), der Geldwäsche (§ 2 6 1 ) bei Handlungen von Strafverteidigern (BVerfGE 110, 2 2 6 , 2 5 1 ff) und das strafbewehrte V e r b o t der Rechtsberatung durch Nicht-Anwälte (Art. 1 § 1 R B e r G ) (BVerfG N J W 2 0 0 4 2 6 6 2 ; 2 0 0 6 1 5 0 2 ) einschränkend interpretiert. 6 1 Die verfass u n g s k o n f o r m e Auslegung darf jedoch nicht so weit gehen, dass sie mit dem W o r t l a u t der interpretierten N o r m nicht mehr vereinbar ist; nötigenfalls muss ein grundrechtsverletzendes Strafgesetz dem Bundesverfassungsgericht in dem Verfahren nach Art. 1 0 0 Abs. 1 G G vorgelegt und von diesem für nichtig erklärt w e r d e n . 6 2
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BVerfGE 2 0 323, 331; 80 244, 255; 86 288, 312 f; 95 96, 140 (st. Rspr.). Zur Bedeutung des Schuldgrundsatzes Hirsch ZStW 106 (1994) 746. BVerfGE 6 389, 439; 54 100, 108; 105 135, 154 f. BVerfGE 45 187, 240 ff; siehe aber einschränkend (kein „unabdingbarer verfassungsrechtlicher Grundsatz") BVerfGE 113 154, 162 ff. Grundlegend BVerfGE 7 198; eingehend zu der Problematik Stern III/2 §§ 83, 84. Zum verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zusammenfassend Dreier I Vorb. Rdn. 144 ff; zur Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Strafrecht siehe auch Weigend FS Hirsch, S. 917.
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Zum verbindlichen Schutz des Kernbereichs (Menschenwürdegehalts) der Grundrechte vor Strafgesetzgebung Wolter NStZ 1993 1, 3 ff. Grundlegend dazu BVerfGE 3 9 1, 44 ff; siehe auch Lagodny Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 254 ff. Zu diesem Fall BVerfGE 115, 118. Vgl. Kudlich J Z 2003 127; Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 159 ff; Schönke/Schröder/Eser vor § 1 Rdn. 30; Zippelius Festgabe BVerfG Bd. II, S. 108 ff. Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung BVerfGE 32 98, 109 ff; 45 187, 2 5 9 ff; BGHSt 30 105; 37 55. Vgl. BGHSt 22 146, 153.
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c) Hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz legt Art. 7 4 Nr. 1 G G fest, dass der Bund über konkurrierende Zuständigkeit für das Strafrecht verfügt. Aus A r t . 7 2 Abs. 1 und 2 G G ergibt sich, dass regelmäßig eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich i s t , 6 3 wie dies auch schon für das frühere R e c h t a n g e n o m m e n w u r d e . 6 4 N a c h Art. 31 G G („Bundesrecht bricht L a n d e s r e c h t " ) gehen die Gesetze des Bundes solchen der L ä n d e r vor. D a m i t ist aber eine Strafgesetzgebung der Länder nicht ausgeschlossen, und zwar auf den Gebieten, die in die ausschließliche L a n d e s k o m p e t e n z f a l l e n 6 5 oder in denen der Bund bei konkurrierender Zuständigkeit von seiner Gesetzgebungsbefugnis noch keinen Gebrauch gemacht hat. Die letztere Alternative ist allerdings dadurch eng b e s c h r ä n k t , dass eine Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auch insoweit a n g e n o m m e n wird, als der B u n d bei der Regelung eines b e s t i m m t e n Bereichs des Strafrechts Verhaltensweisen straflos gelassen hat („stillschweigend negative Regel u n g " ) . 6 6 D a h e r ist es dem Landesgesetzgeber z.B. verwehrt, H a n d l u n g e n im Z u s a m m e n hang mit S c h w a n g e r s c h a f t s a b b r ü c h e n über §§ 2 1 8 ff hinaus unter Strafe zu s t e l l e n . 6 7 D e r Landesgesetzgeber darf nicht einmal eigene Straf- oder Bußgeldvorschriften erlassen, die die bundesrechtlich getroffene Regelung wiederholen oder zu interpretieren versuchen (vgl. § 4 Abs. 2 E G S t G B mit einer A u s n a h m e für landesrechtliche B e z u g n a h m e n auf die A b g a b e n o r d n u n g in § 4 Abs. 3 E G S t G B ) . 6 8 Ausdrücklich gestattet wird den L ä n d e r n jedoch, in geringfügigen Fällen von Vergehen nach §§ 1 2 3 , 3 0 3 und 2 6 7 im Z u s a m m e n hang mit Feld- und Forstschutz gewisse M ö g l i c h k e i t e n der milderen Sanktionierung oder Straflosstellung vorzusehen (§ 4 Abs. 4 und 5 E G S t G B ) .
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Der Allgemeine Teil des S t G B gilt nach Art. 1 Abs. 2 E G S t G B auch für das bestehende und künftige Landesrecht. A u s n a h m e n müssen durch Bundesrecht besonders zugelassen werden. Z w e i solche Vorbehalte zugunsten des Landesrechts enthält Art. 2 E G S t G B . D a nach dürfen die Länder bei einzelnen Straftatbeständen den räumlichen Geltungsbereich abweichend von § § 3 - 7 regeln (Nr. 1) und unter besonderen Voraussetzungen Straflosigkeit vorsehen (Nr. 2 ) . D i e Sanktionsbefugnis des Landesgesetzgebers ist generell auf ein H ö c h s t m a ß von zwei J a h r e n Freiheitsstrafe oder Geldstrafe beschränkt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 EGStGB).
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6 . Die zentralen M a t e r i e n des Strafrechts, die auch in der Praxis der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte im Vordergrund stehen, sind im Strafgesetzbuch zusammengefasst. D a n e b e n gibt es j e d o c h den nach der Z a h l der Vorschriften weit überwiegenden Bereich des sog. Nebenstrafrechts. 6 9 D a b e i handelt es sich u m Strafvorschriften, die in engem Z u s a m m e n h a n g mit anderen M a t e r i e n und deren gesetzlicher Regulierung stehen und deshalb in dem für die jeweilige „ H a u p t m a t e r i e " einschlägigen Gesetz mit geregelt sind. Beispiele sind die praktisch sehr bedeutsamen Strafvorschriften im B e t ä u bungsmittelgesetz (§§ 2 9 ff B t M G ) und im Straßenverkehrsgesetz ( § § 2 1 ff S t V G ) ; aber
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Es besteht eine „Kernkompetenz" des Bundes; Ipsen NJW 2 0 0 6 2801, 2803. Vgl. dazu BVerfGE 106 62, 146 ff; 111 2 2 6 , 252 ff; BGHSt 4 396, 402. Vgl. BVerfGE 7 36, 41 (Verjährung bei presserechtlichen Vergehen). Nach BVerfGE 23 113, 124 f kann der Bundesgesetzgeber auf der Grundlage von Art. 74 Nr. 1 GG allerdings Strafvorschriften auch für solche Bereiche erlassen, die im Übrigen der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder unterliegen,
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wie z.B. das Bauordnungsrecht; kritisch Sch/Schröder/Eser vor § 1 Rdn. 54. Vgl. Maurach/Zipf AT § 8 Rdn. 21 f; Joecks MK Einl. Rdn. 105; Sch/Schröder/Eser vor § 1 Rdn. 4 0 f. Zutr. Sch/Schröder/Eser vor § 1 Rdn. 41. BVerfGE 31 141, 144. Kommentierung der wichtigsten Vorschriften in dem umfangreichen Loseblatt-Werk Erbs/ Kohlhaas.
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auch zahlreiche wirtschafts- und abgabenrechtliche Gesetze enthalten Normierungen von Straftaten (z.B. §§ 3 9 9 f f AktG, §§ 82ff GmbHG, §§ 331 ff HGB, § § 3 6 9 ff AO, § 34 AWG, §§ 95 f AMG, §§ 58 f LFGB, 19 ff KWKG). 7 0 Eine gesonderte Regelung, die sowohl eigene Straftaten als auch besondere Sanktionsformen vorsieht, stellt für Dienstvergehen von Soldaten der Bundeswehr das Wehrstrafgesetz dar. Die bundesrechtlichen Strafvorschriften außerhalb des StGB besitzen den gleichen Rang wie diejenigen des StGB und bleiben durch den Besonderen Teil des StGB unberührt (§ 4 Abs. 1 EGStGB). Allerdings verleiht der Gesetzgeber durch § 1 EGStGB den Regelungen des Allgemeinen Teils des StGB (§§ l - 7 9 b ) umfassende Geltung für das gesamte Strafrecht des Bundes und (vorbehaltlich ausdrücklich zugelassener Ausnahmen) der Länder. Dies bedeutet, dass etwa die Vorschriften des StGB über den räumlichen Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts (§§ 3 - 7 ) 7 1 oder über Notwehr und Notstand (§§ 3 2 - 3 5 ) auch auf Fälle anwendbar sind, die eine Vorschrift des sog. Nebenstrafrechts betreffen. 72 Auch die Rechtsfolgen von Straftaten sind durch §§ 5 - 1 7 EGStGB sachlich und terminologisch entsprechend dem Sprachgebrauch des StGB vereinheitlicht. Für den Bereich des Wehrstrafgesetzes und des Zivildienstgesetzes sind allerdings Sonderregelungen bestehen geblieben (z.B. Strafarrest von mindestens zwei Wochen nach § 9 Abs. 1 WStG; zugelassen durch § 10 Abs. 2 EGStGB). 19
7. Seit 1952 gibt es mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (aktuelle Fassung von 19 87) 7 3 eine zusammenfassende Regelung für ahndungswürdige Verstöße, die als weniger gravierend bewertet werden als die im Strafrecht geregelten schweren Verletzungen individueller und kollektiver Interessen. Die Unterscheidung zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ist schwierig. Sie hat nur Sinn und ist auch nur dann mit dem Richtervorbehalt (Art. 92 GG) für die Verhängung von Strafen vereinbar (vgl. BVerfGE 22 49, 80), wenn Ordnungswidrigkeiten und die im Ordnungswidrigkeitenrecht als Sanktion vorgesehenen Geldbußen etwas qualitativ anderes sind als Straftaten bzw. Kriminalstrafen. 74 Den „aliud"-Charakter der Ordnungswidrigkeit zu postulieren ist leicht, den substantiellen Unterschied zur Straftat zu beschreiben dagegen fast unmöglich. 75 Er lässt sich auch nicht induktiv dem geltenden Recht entnehmen, denn es gibt eine Reihe von Ordnungswidrigkeiten, deren Unrechtsgewicht ersichtlich weit größer ist als dasjenige mancher Straftaten (z.B. § 81 GWB iVm Art. 81, 82 EGV). 7 6 Man kann allenfalls, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 27 18, 33), einen Rückschluss vom Charakter der Sanktion her versuchen 77 : Die Geldbuße des Ordnungswidrigkeitenrechts ist zwar
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Eine Einführung in diesen Bereich (mit Abdruck der relevanten Vorschriften) gibt Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht (2 Bde.).
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Insoweit lässt allerdings § 2 EGStGB für das Landesstrafrecht Ausnahmen zu. Die Regel des § 1 EGStGB dürfte trotz des nicht eindeutigen Wortlauts auch auf ungeschriebene Rechtsregeln anwendbar sein, die - wie etwa die rechtfertigende Wirkung einer Einwilligung des dispositionsberechtigten Verletzten - gemeinhin dem Allgemeinen Teil des Strafrechts zugerechnet werden; aA Fincke Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts, S. 11.
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Z u r Geschichte des Ordnungswidrigkeitenrechts eingehend Göhler Einl. Rdn. 1—15a;
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Bohnert KK O W i G Einl. Rdn. 4 - 4 9 ; Mattes Untersuchungen 1, S. 5 ff; Mitsch O W i G S. 2 3 - 2 7 . Zutreffend Göhler vor § 1 Rdn. 5 - 7 ; Rogali KK O W i G vor S 1 Rdn. 2. Vernichtende Kritik an den bisherigen Ansätzen bei Bohnert KK O W i G Einl. Rdn. 8 2 111. Für eine rein quantitative Unterscheidung z.B. Hirsch Z S t W 1 0 7 ( 1 9 9 5 ) 2 8 5 , 2 8 9 f; Mattes Z S t W 8 2 ( 1 9 7 0 ) 2 5 , 2 7 f; Weber Z S t W 9 2 ( 1 9 8 0 ) 313, 3 1 6 - 3 1 8 ; im Ansatz auch Mitsch OWiG, S. 17.
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Mitsch OWiG, S. 18 f; Tiedemann Ö J Z 1 9 7 2 285. Ebenso Göhler vor § 1 Rdn. 8; Tiedemann ÖJZ 1972 290.
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II. Materien und Rechtsquellen des Strafrechts
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als fühlbare „Pflichtenmahnung" konzipiert, aber es fehlt ihr der Ausdruck „ehrenrühriger" ethischer Missbilligung, der für die Kriminalstrafe charakteristisch ist. Wenn dies die Konzeption des Gesetzgebers bei der Einführung der Ordnungswidrigkeiten war, dann folgt daraus, dass Ordnungswidrigkeiten - ungeachtet der inhaltlich neutralen Definition in § 1 Abs. 1 OWiG 7 8 - (nur) solche Verstöße sein können, die nicht der Bestrafung, sondern eben nur der „Pflichtenmahnung" bedürfen, da sie typischerweise keine gravierende Verletzung der Normen des Soziallebens enthalten. An diese Unterscheidung ist auch der Gesetzgeber79 gebunden. Zwar besitzt er aner- 2 0 kanntermaßen einen breiten Ermessensspielraum hinsichtlich der Einstufung von Verstößen als Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten; 80 aber der „Kernbereich des Strafrechts" bleibt dem Ordnungswidrigkeitenrecht verschlossen, 81 und umgekehrt verbietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Bagatellverstöße nicht als Ordnungswidrigkeiten, sondern als Straftaten auszugestalten. Das (normativ postulierte) Vorliegen unterschiedlicher Arten von Verstößen und Sanktionen schließt freilich nicht aus, dass der Gesetzgeber einzelne Verhaltensweisen nach dem Quantum der Beeinträchtigung des Soziallebens dem Strafrecht oder dem Ordnungswidrigkeitenrecht zuweisen kann. Häufig stuft der Gesetzgeber als Ordnungswidrigkeiten solche Verhaltensweisen ein, die zwar, wie z.B. Fehlhandlungen im Straßenverkehr, „abstrakt" gefährlich sind und deshalb hintangehalten werden müssen, die aber noch keine Verletzung oder konkrete Gefährdung fremder Interessen bewirkt haben. 8 2 Teilweise richtet sich die Abgrenzung zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit danach, ob der Täter vorsätzlich oder leichtfertig handelt (siehe die Straftaten § 370 AO einerseits, die Ordnungswidrigkeiten § 378 AO andererseits), teilweise auch danach, ob der Täter ein und denselben Verstoß einmal begeht oder ihn „beharrlich" wiederholt (vgl. § 120 Abs. 1 OWiG einerseits, § 184d StGB andererseits). Eine wesentliche Besonderheit des Ordnungswidrigkeitenrechts gegenüber dem Straf- 21 recht liegt auf der Ebene des Verfahrens: Während die Verurteilung wegen einer Straftat stets die Entscheidung eines Gerichts voraussetzt, werden Ordnungswidrigkeiten prinzipiell durch Verwaltungsbehörden mittels eines Bußgeldbescheids geahndet; nur wenn der Betroffene dagegen Einspruch einlegt, gelangt die Sache vor ein (Straf-)Gericht (§§ 67 ff OWiG). 83 In materiellrechtlicher Hinsicht lehnen sich die Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts (§§ 3 - 3 4 OWiG) eng an den Allgemeinen Teil des StGB an, doch gibt es auch charakteristische Abweichungen wie die grundsätzliche Gleichbehandlung von Tätern und Teilnehmern als „Beteiligte" (§ 14 OWiG). Die wesentliche Sanktion des Ordnungswidrigkeitenrechts ist die Geldbuße, die als Geldsummen-Sanktion und nicht nach Tagessätzen (vgl. § 40 StGB) zugemessen wird (§ 17 OWiG).
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Nach § 1 Abs. 1 OWiG ist Ordnungswidrigkeit eine Handlung, „die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt". Die h.M. interpretiert Art. 74 Nr. 1 GG in dem Sinne, dass das „Strafrecht" auch das Ordnungswidrigkeitenrecht umfasst, so dass dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit auch für dieses Rechtsgebiet zusteht (BVerfGE 27 18, 32 f; Tiedemann AöR 89 [1964] 56 ff; ders. J Z 1968 667 m.w.N.). BVerfGE 27 18, 30; 45 272, 289; 51 60, 74.
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BVerfGE 22 49, 80; 27 18, 28; 45 272, 289; Jakobs AT 3/10; Bohnert KK OWiG Einl. Rdn. 86. Mitsch OWiG, S. 17. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren gelten die wesentlichen Grundsätze des Strafverfahrens. Allerdings sind die Eingriffsmöglichkeiten im Verfahren angesichts der geringeren Schwere der drohenden Sanktionen beschränkt (vgl. § 46 OWiG), andererseits die Regeln über die Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren stark vereinfacht (§§ 7 7 - 7 8 OWiG).
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Einleitung
III. E n t s t e h u n g u n d R e f o r m des S t r a f g e s e t z b u c h s Schrifttum Aschrott/von Liszt Die Reform des RStGB, Bd. I, II (1910); Baumann Kleine Streitschriften zur Strafrechtsreform (1963); ders. Konsequenzen aus einer Reformarbeit usw., Gedächtnisschrift Radbruch (1968) 337; Buschmann Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit (1998); Dencker/ Struensee/Nelles/Stein Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz 1998 (1998); Dreher Das dritte Strafrechtsänderungsgesetz - Materielles Strafrecht, J Z 1953 421; Frommel Präventionsmodelle in der deutschen Strafzweck-Diskussion (1987); Gallas Der dogmatische Teil des AE, ZStW 80 (1968) 1; Godau-Schüttke Die gescheiterten Reformen des Straf- und Strafprozeßrechts in der Weimarer Republik, J R 1999 55; Göppinger Kriminologie, 4. Aufl. (1980); Gribbohm Nationalsozialismus und Strafrechtspraxis, N J W 1988 2842; Gruchmann Justiz im Dritten Reich 1 9 3 3 - 1 9 4 0 (1988); Grünwald Das Rechtsfolgensystem des AE, ZStW 80 (1968) 89; Heinitz/Würtenberger/Peters Gedanken zur Strafrechtsreform (1965); Hörnte Die wichtigsten Änderungen des Besonderen Teils des StGB etc., Jura 1998 169; Jescheck Die weltanschaulichen und politischen Grundlagen des E 1962, ZStW 75 (1963) 1; ders. Die kriminalpolitische Konzeption des AE, ZStW 8 0 (1968) 54; ders. Strafrechtsreform in Deutschland, SchwZStr 100 (1983) 1; ders./Grebing (Hrsg.) Die Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht (1978); Armin Kaufmann Die Dogmatik im AE, ZStW 80 (1968) 34; Kreß Das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts, NJW 1998 633; Kubink Strafen und ihre Alternativen im zeitlichen Wandel (2002); Kürzinger Die Freiheitsstrafe und ihre Surrogate in der Bundesrepublik Deutschland, in Jescheck (Hrsg.) Die Freiheitsstrafe und ihre Surrogate im deutschen und ausländischen Recht, Bd. III (1984) 1737; Lange Das dritte Strafrechtsänderungsgesetz, N J W 1953 1161; Lang-Hinrichsen Die rechtsvergleichenden Vorarbeiten für die große Strafrechtsreform, ZStW 66 (1954) 483; von Liszt Der Zweckgedanke im Strafrecht, ZStW 3 (1883) 1; ders./ Kahl Eine Vorfrage zur Revision des Strafgesetzbuches, DJZ 7 (1902) 301; Marxen Das Problem der Kontinuität in der neueren deutschen Strafrechtsgeschichte (1990); H. Mayer Strafrechtsreform für heute und morgen (1962); Naucke Die Kriminalpolitik des Marburger Programms, ZStW 94 (1982) 525; Ostendorf (Hrsg.) Dokumentation des NS-Strafrechts (2000); Peters/Lang-Hinrichsen Grundfragen der Strafrechtsreform (1959); Roxin Zur Entwicklung der Strafrechtsreform seit den Alternativ-Entwürfen, JA 1980 545; Rüping/Jerouschek Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 4. Aufl. 2002; Eb. Schmidt Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Aufl. (1965); Schubert/Regge (Hrsg.) Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, Abt. 2 ( 1 9 3 3 - 1 9 3 9 ) Bd. 1, 2 ( 1 9 8 8 - 1 9 9 0 ) ; Schultz Kriminalpolitische Bemerkungen zum Entwurf eines StGB, J Z 1966 113; Seidl Der Streit um den Strafzweck zur Zeit der Weimarer Republik (1974); Vogel Einflüsse des Nationalsozialismus auf das Strafrecht (2004); Vormbaum Strafjustiz im Nationalsozialismus, GA 1998 1; Werle Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988 2865; ders. Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich (1989).
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1· Die Vorgeschichte des Reichsstrafgesetzbuchs von 1871 steht in der Tradition des preußischen S t r a f r e c h t s . 8 4 Im Gesetzgebungsstil des aufgeklärten Absolutismus schufen C a r l Gottlieb Svarez und Ernst Ferdinand Klein den strafrechtlichen Teil des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1 7 9 4 (II. Teil, 2 0 . Titel). Schon 1 8 2 6 begannen die Arbeiten an der R e f o r m des Strafrechts des A L R im preußischen Gesetzgebungsministerium, zuletzt unter der Leitung von Savignys als Justizminister. D a s Ergebnis w a r das v o m Zeitgeist der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägte Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten von 1 8 5 1 . 8 5 Gleichzeitig dachte m a n jedoch s c h o n weiter: Bereits im J a h r e 1 8 4 9 wurde im preußischen Justizministerium der Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs ausgearbeitet.
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Eb. Schmidt Einführung, S. 343 ff. Abgedruckt bei Buschmann Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 538 ff.
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Nach der Neuordnung der politischen Verhältnisse im Jahre 1 8 6 7 galten auf dem Gebiet des Norddeutschen Bundes zunächst acht verschiedene Strafrechtssysteme, darunter in Mecklenburg, Bremen und Schaumburg-Lippe noch gemeines Recht auf der Grundlage der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532. Nachdem im Jahre 1 8 6 7 die Gesetzgebungskompetenz des Norddeutschen Bundes auf das Strafrecht ausgedehnt worden war, entstand der Entwurf für ein StGB nach dem Vorbild des preußischen StGB von 1851. 8 6 Am 31.5.1870 wurde das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund verkündet (BGBl. S. 1 9 5 1 ) . 8 7 Nach dem Beitritt der süddeutschen Staaten wurde das StGB des Norddeutschen Bundes durch das Gesetz über die Reichsverfassung vom 16.4.1871 (BGBl. S. 6 3 ) zum Reichsgesetz erklärt (§ 2 Abs. 2). Es erhielt die Bezeichnung „Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich".
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2. Das Reichsstrafgesetzbuch, das noch wesentlich von dem autoritären Geist des französischen Code pénal von 1810 und dem Gedanken strenger Vergeltung geprägt war, erwies sich schon bald als reformbedürftig, und zwar nicht nur im Hinblick auf die raschen Veränderungen der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Kaiserreich, sondern auch wegen der Entwicklungen in Strafrechtswissenschaft und Kriminologie. 8 8 In der Strafrechtsdogmatik verschob sich der Akzent von der starken Betonung des Unrechtserfolgs und dem damit verbundenen objektivistischen Verbrechenssystem zu einem stärker sozialethisch geprägten Verständnis der Straftat. Die Strafrechtswissenschaft der Jahrhundertwende stellte subjektive Momente einschließlich der Motive des Täters auch schon für die Beschreibung des Unrechts (und nicht erst der Schuld) in den Vordergrund; sie gelangte so zur Anerkennung subjektiver Unrechtsmerkmale, zum Aufbau einer normativen Schuldlehre und zu einer Neuordnung der Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe. 89 In der Kriminologie entstand aus verschiedenen naturwissenschaftlich, psychiatrisch und soziologisch geprägten Ansätzen ein neues Bild der Kriminalität sowohl als individuelles wie auch als soziales Phänomen. 9 0 Die kriminologischen Theorien jener Zeit stimmten - bei allen Unterschieden im Einzelnen - darin überein, dass sie Kriminalität nicht mehr in den Kategorien individuellen moralischen Versagens, sondern als Ergebnis psychischer und/oder sozialer Fehlsteuerungen und damit als prinzipiell mit rationalen Mitteln behandelbar verstanden. Daraus ergaben sich neue Impulse für die Kriminalpolitik. Eine wesentliche Reformforderung richtete sich auf die Einschränkung der Freiheitsstrafe, 9 1 die im Jahre 1 8 8 2 noch bei 75 % aller Vergehen verhängt wurde. Ganz im Sinne der damals vertretenen Differenzierung nach Tätertypen wurde einerseits Nachsicht bei Gelegenheitstätern, aber andererseits Strenge bei der Bekämpfung der Rückfallkriminalität sowie des Gewohnheits- und Berufsverbrecher-
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Vgl. die Begründung des Entwurfs eines StGB für den Norddeutschen Bund (1870), S. 28. Die Verabschiedung des Gesetzeswerks im Norddeutschen Bund wäre 1870 fast noch an einem Meinungsstreit über die Todesstrafe gescheitert, die zunächst im Reichstag mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, während sie der Bundesrat als notwendig erachtete. Es bedurfte des zweimaligen Eingreifens Bismarcks in die Debatte, um in der dritten Lesung schließlich eine knappe Mehrheit für die Todesstrafe zustande zu bringen; vgl. die
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Reden Bismarcks zur Todesstrafe, Stenograph. Berichte über die Verh. des Reichstages des Nordd. Bundes (1870) Bd. I, S. 129, 131; Bd. II, S. 1122. Nach einem Wort Franz von Liszts Verhandlungen des 26. DJT (1902), Bd. I, S. 262, war das RStGB „bei seiner Geburt bereits veraltet". Näher Jescheck/Weigend AT, S. 2 0 4 ff. Siehe dazu Göppinger Kriminologie, S. 22 ff. Zur Geschichte der Freiheitsstrafe Kürzinger Die Freiheitsstrafe, S. 1741 ff.
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turns verlangt. 9 2 Kriminogene Persönlichkeitsstörungen sollten durch psychiatrische Behandlung beseitigt, die Verfehlungen Jugendlicher mit pädagogisch orientierten Maßnahmen beantwortet werden. Diesen Forderungen der „Modernen Schule" um Franz von Liszt stand die „Klassische Schule" ablehnend gegenüber; ihre Hauptvertreter Karl Binding und Karl von Birkmeyer lehnten vor allem den Einsatz des Strafrechts zur Verwirklichung spezialpräventiver Zwecke a b . 9 3 25
Schon in der Zeit des Kaiserreichs arbeitete man intensiv an grundlegenden Reformen des Strafrechts. Dabei gelang es, führende Vertreter der Klassischen und der Modernen Strafrechtsschule zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit zu bewegen. 9 4 Der gemeinsame Nenner bestand im Bekenntnis zum liberalen Rechtsstaat und in der Akzeptanz der „Vereinigungstheorie" (unten Rdn. 60), die auch die Umsetzung des Gedankens der Zweispurigkeit ermöglichte. Im Jahre 1909 legte das Reichsjustizministerium einen Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch vor, der das System der Freiheitsstrafen verbesserte, die Anpassung der Geldstrafe an die finanziellen Verhältnisse des Täters sowie bereits die bedingte Strafaussetzung, sichernde Maßregeln und die Entschädigung des Verletzten vorsah. 9 5 Stärker auf der Linie der Modernen Schule lag der von den Professoren Goldschmidt, Kahl, von Lilienthal und von Liszt ausgearbeitete Gegenentwurf von 1911. Dieser Entwurf führte die Schutzaufsicht als Vorläuferin der Bewährungshilfe ein, enthielt Vorschriften über den unterschiedlichen Vollzug der verschiedenen Strafarten und baute das zweispurige System mit den sichernden Maßregeln aus. 9 6 Auf der Grundlage beider Entwürfe legte eine Kommission im Reichsjustizamt 1913 den Kommissionsentwurf vor, der bereits einen besonderen Abschnitt über die Maßregeln der Besserung und Sicherung mit der Sicherungsverwahrung als Kernstück enthielt. Wegen des Ausbruchs des Weltkriegs wurde der Kommissionsentwurf jedoch nicht mehr in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht.
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3. In der Zeit der Weimarer Republik 9 7 gewann die Moderne Schule an Einfluss auf die öffentliche Meinung und auch auf die praktische Politik. 9 8 Der Entwurf 1919 erweiterte den Anwendungsbereich der schon in früheren Entwürfen vorgesehenen bedingten Strafaussetzung und sah die Priorität der Geldstrafe bei wahlweiser Androhung von Freiheits- und Geldstrafe vor. Einen Höhepunkt im Sinne der Reformvorstellungen der Modernen Schule bildete der Entwurf 1922, dessen Begründung von Gustav Radbruch als Reichsjustizminister stammt. Der E 1922 beseitigte die Todesstrafe, ersetzte die Zuchthausstrafe durch „strenges Gefängnis" als ersten Schritt zur Einheitsfreiheitsstrafe und schaffte alle Ehrenstrafen ab. Die Belastung für den Täter aufgrund der Zweispurigkeit der staatlichen Sanktionierung milderte der Entwurf durch Einführung des „Vikariierens" ab. Die Eliminierung der bloßen „Ordnungswidrigkeiten" aus dem Strafrecht ist in der Begründung des E 1922 bereits als Fernziel genannt. Die Reformideen Radbruchs
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Grundlegend dazu von Liszt ZStW 3 (1883) 1. Zur Kritik siehe z.B. Naucke ZStW 94 (1982) 525, 539 ff. Siehe zum „Schulenstreit" Frommel Präventionsmodelle, S. 169 ff; Kubtnk Strafen und ihre Alternativen, S. 65 ff. Siehe die gemeinsame Erklärung von Franz von Liszt und Wilhelm Kahl in DJZ 1902 301. Zum Vorentwurf Aschrott/von Liszt Reform des RStGB.
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Zum Sanktionensystem beider Entwürfe eingehend Kubink Strafen und ihre Alternativen, S. 148 ff. Die wesentlichen StGB-Entwürfe aus der Weimarer Zeit sind veröffentlicht in Schubert/Regge Quellen Abt. I Bd. 1; siehe dazu auch Godau-Schüttke JR 1999 55. Eb. Schmidt Einführung, S. 405 ff; Seidl Der Streit um den Strafzweck zur Zeit der Weimarer Republik.
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III. Entstehung und Reform des Strafgesetzbuchs
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fanden sich dann zwar noch in dem Amtlichen Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs von 1 9 2 5 " wieder, konnten sich aber letztlich nicht durchsetzen. Sie wurden jedoch in der Strafrechtsreform von 1 9 6 9 wieder aufgenommen und weitgehend verwirklicht. Die späteren Entwürfe der Weimarer Zeit stellten gegenüber Radbruchs großem Wurf eher Rückschritte dar. 1 0 0 So beschränkte der Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs von 1927 die Möglichkeit des bedingten Straferlasses auf Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten; die Anordnung von Maßregeln sollte - abgesehen von der Sicherungsverwahrung - in der Hand einer Verwaltungsbehörde liegen. Dieser Entwurf wurde 1 9 3 0 zwar als „Entwurf K a h l " in den Reichstag eingebracht, angesichts der instabilen politischen Verhältnisse hatte das Reformwerk aber keine Aussicht mehr auf Verabschiedung. An konkreten Reformgesetzen konnte in der Weimarer Zeit nicht viel verwirklicht werden. Zu nennen sind die Geldstrafengesetze von 1921 und 1923, die den rechtlichen Anwendungsbereich der Geldstrafe erweiterten: 1 0 1 Freiheitsstrafen unter drei M o n a ten konnten in Geldstrafen umgewandelt werden, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters waren bei der Bemessung der - noch als Summenstrafe verhängten - Geldstrafe zu berücksichtigen, und die Strafe konnte in Raten bezahlt werden.
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Wesentliche Neuerungen brachte das Jugendgerichtsgesetz von 1923 (RGBl. I S. 315): Die Strafmündigkeitsgrenze wurde von 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt, die Strafe durch Erziehungsmaßnahmen ergänzt und die Strafaussetzung zur Bewährung für Jugendliche eingeführt. Außerdem wurden die schon seit dem Jahre 1908 durch die Geschäftsverteilungspraxis geschaffenen Jugendgerichte legalisiert und das Jugendstrafverfahren den pädagogischen Erfordernissen angepasst. Zwar gab es für Erwachsene in dieser Zeit noch keine Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung, doch wurde in manchen Ländern (z.B. in Preußen und Bayern) die Zuständigkeit zur „bedingten Begnadigung" im Jahre 1 9 2 0 den erkennenden Gerichten übertragen.
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4. In der Zeit nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurden manche Entwicklungslinien, die bereits in den Reformentwürfen aus der Weimarer Zeit angelegt waren, aufgenommen und, freilich in vergröberter und ideologisch radikalisierter Form, in Gesetzgebung umgesetzt. 1 0 2 Das gilt etwa für die Ethisierung, Materialisierung (im Gegensatz zu dem „liberalen" Beharren auf der formalen Seite des Gesetzlichkeitsgrundsatzes) und Subjektivierung des strafrechtlichen Unrechts; diese Strömungen führten in der NS-Ideologie zu einem Verständnis der Straftat als „Pflichtverletzung" und „Treubruch gegenüber der Volksgemeinschaft", woraus sich die Forderung nach strikter Vergeltung und generalpräventiver Härte ergab. 1 0 3
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Schon das Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933 (RGBl. I S. 995) war teilweise von der Ideologie des Nationalsozialismus geprägt, wenngleich es, etwa mit der Einführung
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Dieser Entwurf sollte die Grundlage für die Strafrechtsreform sowohl in Deutschland als auch in Österreich bilden; er ist abgedruckt bei Buschmann Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 615 ff. Dazu Baumann GS Radbruch, S. 339; Kubink Strafen und ihre Alternativen, S. 177 ff. Erstes Geldstrafengesetz v. 21.12.1921 (RGBl. I, S. 604); Zweites Geldstrafengesetz v. 27.4.1923 (RGBl. I, S. 254). Eingehend zu den Verbindungslinien von
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der Modernen Schule zum Strafrecht im Nationalsozialismus Vogel Einflüsse des Nationalsozialismus auf das Strafrecht, S. 14 ff; siehe auch Kubink Strafen und ihre Alternativen, S. 242 ff; Marxen KritV 1990 287. Siehe dazu Vogel Einflüsse des Nationalsozialismus auf das Strafrecht, S. 73 f mit Nachweisen aus den Schriften von Dahm,
Schaffstein und Welzel.
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der Zweispurigkeit, an die Vorschläge früherer Strafrechtsentwürfe anschloss. Wesentliche Teile dieses Gesetzes finden sich noch im geltenden Strafrecht wieder, insbesondere das System der Maßregeln der Besserung und Sicherung, die Strafmilderung für vermindert Zurechnungsfähige (vgl. § 21), die bloß fakultative Strafmilderung beim Versuch (§ 2 3 Abs. 2), die limitierte Akzessorietät der Teilnahme (vgl. §§ 2 6 - 2 9 ) , die Ausgestaltung der Tötungsdelikte (insbesondere §§ 211 und 212) sowie die Strafvorschriften gegen Verkehrsunfallflucht (§ 142) und Vollrausch (vgl. § 323a). Typisch für die Vorstellungen der Nationalsozialisten war die Aufhebung des Analogieverbots (RGBl. I 1935 S. 839) zugunsten einer Regelung, die eine Bestrafung auch dann ermöglichte, wenn ein Verhalten zwar nicht unter eine Strafnorm zu subsumieren war, aber „nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung" verdiente (§ 2 Satz 1 a.F.). In einzelnen Strafnormen wurde die Lehre vom „Tätertyp" als für die Strafbarkeit maßgebliches Element umgesetzt - erhalten geblieben ist davon noch die Unterscheidung von „ M ö r d e r " und „Totschläger" in §§ 211, 2 1 2 . 1 0 4 Von Dauer waren auch Elemente des JGG von 1943 (RGBl. I S. 6 3 5 ) , das das Sanktionensystem für Jugendliche ganz vom Erwachsenenstrafrecht abtrennte und die Rechtsfolgen der Jugendstraftat in Erziehungsmaßnahmen, Zuchtmittel (vor allem Jugendarrest) und Jugendgefängnis gliederte. 31
Die NS-Ideologen hatten allerdings noch wesentlich weitergehende Vorstellungen für eine „ R e f o r m " des Strafrechts. Schon im Jahre 1933 wurde eine amtliche Strafrechtskommission unter der Leitung des Reichsjustizministers Gärtner eingesetzt, der auch die Strafrechtslehrer Kohlrausch, Mezger und Nagler angehörten. Der von der Kommission vorgelegte Entwurf 1 9 3 6 1 0 5 wurde von der Reichsregierung nicht in Kraft gesetzt. Die Reform-Arbeit wurde jedoch noch im Kriege fortgesetzt und führte 1944 zu dem Entwurf eines R S t G B . 1 0 6 Während dieser Entwurf nicht mehr Gesetz wurde, verwirklichte der nationalsozialistische Gesetzgeber seine Vorstellungen in zahlreichen Einzel- und Sondergesetzen, speziell für die Bevölkerung besetzter Gebiete. 1 0 7 Diese Strafgesetzgebung ist geprägt durch den Übergang zum politischen Terror, beispielsweise durch hemmungslose Ausdehnung der Todesstrafe. 1 0 8
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5. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wurden einige Vorschriften, die als typisch nationalsozialistische Unrechtsnonnen empfunden wurden, wie etwa die Maßregel der Entmannung von Sittlichkeitsverbrechern (§ 4 2 k a.F.), alsbald durch den Alliierten Kontrollrat aufgehoben (Kontrollratsgesetze Nr. 1, 11 und 55 von 1945, 1946 und 1947, Kontrollrats-Amtsblatt S. 6, 55, 2 8 5 ) . 1 0 9
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Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland brachte zunächst das Bonner Grundgesetz einen Bestand neuer Normen, die (auch) das Strafrecht prägten. Dazu gehören zuvörderst der Grundsatz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und das allge-
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Zahlreiche Nachweise hierzu bei Vogel Einflüsse des Nationalsozialismus auf das Strafrecht, S. 8 4 - 8 6 . Abgedruckt bei Regge/Schubert Quellen, Abt. 2, Bd. 1, Teil 1, S. 4 0 9 ff. Siehe auch Werle NJW 1988 2865. Werle Justiz-Strafrecht, S. 661 ff. Umfassende Dokumentation dieser Gesetze bei O Stendorf ( Hrsg.) Dokumentation des NS-Strafrechts, S. 48 ff.
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Werle Justiz-Strafrecht S. 577 ff; zur Praxis der Strafjustiz Gruchmann Justiz im Dritten Reich 1 9 3 3 - 1 9 4 0 ; Nachweise zahlreicher Einzelstudien bei Vormbaum GA 1998 1; siehe auch Gribbohm NJW 1988 2842 m.w.N. Zur begrenzten Reichweite dieser Bereinigungsversuche siehe Vogel Einflüsse des Nationalsozialismus auf das Strafrecht, S. 2 4 - 2 8 .
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III. Entstehung und Reform des Strafgesetzbuchs
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meine Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG, darüber hinaus speziell für den strafrechtlichen Bereich die Abschaffung der Todesstrafe (Art. 102 GG), das Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 Abs. 2 GG) sowie die Garantie wichtiger Rechte im Fall einer Freiheitsentziehung (Art. 104 GG). Umgesetzt wurden die Vorgaben des Grundgesetzes zunächst durch das 3. StrÄndG von 1953 (BGBl. I S. 735): 110 Das Gesetzlichkeitsprinzip wurde in § 2 Abs. 1 StGB a.F. wörtlich aus Art. 103 Abs. 2 GG übernommen, das Verbot rückwirkender Strafschärfung ausdrücklich ausgesprochen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 StGB a.F.) und die obligatorische Rückwirkung des milderen Gesetzes wiederhergestellt (§ 2 Abs. 2 Satz 2 StGB a.F.). Durch das 3. StrÄndG wurden ferner die Strafaussetzung zur Bewährung und die bedingte Entlassung eingeführt, die Strafbarkeit der erfolglosen Beihilfe beseitigt und bei den erfolgsqualifizierten Delikten das Schuldprinzip verwirklicht (§ 56 StGB a.F.). Als die Idee einer umfassenden Strafrechtsreform im Jahre 1953 wieder aufgegriffen wurde, gab es dafür noch keine einheitliche Konzeption.111 Insbesondere auf dem Gebiet der Kriminalpolitik standen einander stark gegensätzliche Grundvorstellungen gegenüber, während es in der Dogmatik mehr um theoretisch-wissenschaftliche Kontroversen ging. In den Jahren 1954 bis 1959 arbeitete die Große Strafrechtskommission unter dem Vorsitz von Bundesjustizminister Neumayer einen Entwurf aus, der als Entwurf 1962 dem Bundestag vorgelegt wurde. Der E 1962 gründet sich auf das Schuldprinzip, auf die Verantwortlichkeit des Einzelnen für sein Handeln und auf die Vorstellung, dass Strafe in erster Linie den Ausgleich von Unrecht und Schuld verwirklichen soll. Die Zuchthausstrafe wurde zunächst beibehalten, bei den späteren Beratungen aber durch die Einheitsfreiheitsstrafe ersetzt. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde nur bis zu neun Monaten Gefängnis vorgesehen. Die kurzfristige Freiheitsstrafe wurde nicht eingeschränkt, sondern durch die Einführung der Strafhaft (von einer Woche bis zu sechs Monaten) sogar als besondere Strafart im Entwurf verankert. Die Geldstrafe wurde zwar nach dem Tagesbußensystem ausgestaltet, aber nicht als Surrogat der Freiheitsstrafe verstanden. Spezialprävention wurde vor allem durch ein reichhaltiges System von Maßregeln der Besserung und Sicherung mit der Möglichkeit des Vikariierens bei freiheitsentziehenden Maßregeln (abgesehen von der Sicherungsverwahrung), durch die Strafaussetzung zur Bewährung und die allgemeine Rückfallschärfung angestrebt. Das Reformwerk der Großen Strafrechtskommission knüpfte noch weitgehend an Ideen aus der Zeit vor 1933 an und blieb hinter den Forderungen der damals modernen Kriminalpolitik zurück.112
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Die vielstimmige Kritik an dem E 1962 113 wurde durch den Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches (AE), der 1966 von 14 deutschen und schweizerischen Strafrechtslehrern vorgelegt wurde, in die Fassung eines Gesetzesvorschlags gebracht. Der AE hielt am Schuldprinzip und an der Zweispurigkeit fest und besaß dadurch eine gemeinsame Grundlage mit dem E 1962. Der AE verstand jedoch das Schuldprinzip als eine aus rechtsstaatlichen Gründen erforderliche Beschränkung, nicht als Grundlage der Strafe; bis zur Obergrenze der Tatschuld sollte die Strafe allein nach präventiven Gesichtspunkten zugemessen werden. Der AE schaffte die kurzfristige Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten ab. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde bis auf zwei Jahre Frei-
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Dazu aus zeitgenössischer Sicht Dreher J Z 1953 421; Lange NJW 1953 1161. Eingehend und instruktiv zur „Kriminalpolitik im .Wiederaufbau' " Kubink Strafen und ihre Alternativen, S. 316 ff. Zum E 1962 Jescheck ZStW 75 (1963) 1; Peters/Lang-Hinrichsen Grundfragen der
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Strafrechtsreform (1959); Schultz J Z 1966 113. Siehe etwa Baumann Kleine Streitschriften zur Strafrechtsreform; Heinitz/Wiirtenberger/Peters Gedanken zur Strafrechtsreform; H. Mayer Strafrechtsreform, S. 119 ff; Müller-Emmert NJW 1966 711.
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heitsstrafe ausgedehnt, die Möglichkeit der Aussetzung des Restes einer vollstreckten Freiheitsstrafe erweitert, die Geldstrafe als „Laufzeitgeldstrafe" ausgestaltet. Die Verwarnung mit Strafvorbehalt sollte für Ersttäter prinzipiell an die Stelle einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr treten. In den Mittelpunkt der freiheitsentziehenden Maßregeln wurde die Sozialtherapeutische Anstalt für wiederholt rückfällige Täter gestellt. 114 36
Nachdem der E 1962 Anfang 1966 in den Bundestag eingebracht worden war, legte die Fraktion der FDP im Jahre 1968 den AE ebenfalls als Gesetzesentwurf vor. Schließlich wurden beide Entwürfe gemeinsam in einem Sonderausschuss für die Strafrechtsreform beraten. In der dogmatischen Konzeption setzten sich dort die Vorschläge des E 1962 weitgehend durch, in der Kriminalpolitik dagegen - mit gewissen Abstrichen - die Regelungen des AE. Das Ergebnis der Arbeiten des Sonderausschusses war die Neufassung des Allgemeinen Teils und die Reform einiger Partien des Besonderen Teils. Die neuen Vorschriften wurden teilweise durch das 1. StrRG vom 25.6.1969 (BGBl. I S. 655) zum 1.9.1969 bzw. 1.4.1970 umgesetzt, zum größeren Teil jedoch erst zum 1.1.1975 durch das 2. StrRG vom 4.7.1969 (BGBl. I S. 717). Die vorweg in Kraft gesetzten Vorschriften brachten im Allgemeinen Teil vor allem die Einheitsfreiheitsstrafe, die Einschränkung der kurzfristigen Freiheitsstrafe zugunsten der Geldstrafe, die Neuregelung der Strafzumessung, den Ausbau der Strafaussetzung zur Bewährung sowie die Abschaffung der Ehrenstrafen und des Arbeitshauses. Im Besonderen Teil wurden die neugefassten Strafbestimmungen über den Schutz des religiösen und weltanschaulichen Friedens, die Entführungstatbestände und den Diebstahl vorab in Kraft gesetzt sowie die Strafbarkeit des Ehebruchs, der einfachen Homosexualität und der Unzucht mit Tieren beseitigt. Die Hauptpunkte der Reform, insbesondere des Allgemeinen Teils,115 traten jedoch erst zum 1.1.1975 in Kraft.
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6. Das Jugendkriminalrecht wurde durch das JGG von 1953 (BGBl. I S. 751) wesentlich weiterentwickelt. Verbessert wurde insbesondere die Regelung der Strafaussetzung zur Bewährung und der Bewährungshilfe. Neu eingeführt wurde - unter bestimmten Voraussetzungen - die Einbeziehung der „Heranwachsenden" bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres in das Jugendstrafrecht (§ 105 JGG).
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7. Die Teilung Deutschlands führte zu einer ausgedehnten Strafgesetzgebung der DDR im Sinne der sozialistischen Ideologie. Im Jahre 1968 wurde das bis dahin prinzipiell noch fortgeltende StGB von 1870 durch ein eigenes Strafgesetzbuch der DDR (GBl. DDR S. 1 ) ersetzt. Das Strafrecht der DDR trat mit wenigen Ausnahmen gemäß Art. 8 des Einigungsvertrages vom 31.8.1990 (BGBl. II S. 889) außer Kraft und wurde durch das Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland ersetzt. 116
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8. Zu wichtigen Änderungen insbesondere im Besonderen Teil führte das 6. Strafrechtsreformgesetz (BGBl. 1997 I S. 164), 117 das am 1.4.1998 in Kraft getreten ist. Durch dieses Gesetz wurden die Brandstiftungsdelikte (§§ 306 ff) umgestaltet und das Verhältnis der Eigentumsdelikte Diebstahl und Unterschlagung zueinander neu bestimmt; außer-
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Zum AE siehe die kontroversen Beiträge von Gallas, Armin Kaufmann, Jescheck und Grünwald in ZStW 80 (1968) 1, 34, 54, 89. Zur Reform im Ganzen Jescheck SchwZStr 100(1983) 1. Zum Allgemeinen Teil eingehend Jescheck SchwZStr 91 (1975) 1; ders. FS Lange, S. 365.
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Näher zu den Übergangsregelungen und der punktuellen Beibehaltung des DDR-Rechts in den neuen Ländern Jescheck LK 11 Einl. Rdn. 9 4 - 9 8 . Kritische Würdigung bei Dencker/Struensee/Nelles/Stein Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz 1998; Überblick bei Hörnle Jura 1998 169; Kreß NJW 1998 633.
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IV. Überblick über Aufbau und Inhalt des Strafgesetzbuchs
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dem brachte es Veränderungen im Bereich der Tötungsdelikte (Streichung von § 217 a.F. „Kindstötung") und der Körperverletzung.
IV. Ü b e r b l i c k über A u f b a u u n d Inhalt des Strafgesetzbuchs Schrifttum Altvater Das 34. Strafrechtsänderungsgesetz - § 129b StGB, NStZ 2003 179; Bernsmann Überlegungen zur tödlichen Notwehr bei nicht lebensbedrohlichen Angriffen, ZStW 104 (1992) 290; Bertram Der Rechtsstaat und seine Volksverhetzungs-Novelle, NJW 2 0 0 5 1476; Bosch Der strafrechtliche Schutz vor Foto-Handy-Voyeuren usw., J Z 2005 377; Duttge/Hörnle/Renzikowski Das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, NJW 2 0 0 4 1065; Eisele Strafrechtlicher Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, JR 2 0 0 5 6; Hirsch Einordnung und Rechtswirkung des Erlaubnissachverhaltsirrtums, Festschrift Schroeder (2006) 223; Hruschka Rettungspflichten in Notstandssituationen, JuS 1979 385; Joerden § 34 Satz 2 StGB und das Prinzip der Verallgemeinerung, GA 1991 411; Kargl Zur Differenz zwischen Wort und Bild usw., ZStW 119 (2005) 324; Kühl Auschwitz-Leugnen als strafbare Volksverhetzung? Symposium Geilen (2003) 103; Lenckner Der rechtfertigende Notstand (1965); Momsen Die Zumutbarkeit als Begrenzung strafrechtlicher Pflichten (2006); Pawlik Der rechtfertigende Notstand (2002); Renzikowski Die Reform der Straftatbestände gegen den Menschenhandel, J Z 2 0 0 5 879; Roxin Die „sozialethischen Einschränkungen" des Notwehrrechts, ZStW 93 (1981) 68; Rudolphi Die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus, JA 1979 1; Schroeder Das 37. StÄG, NJW 2 0 0 5 1393.
1. An der Spitze des Strafgesetzbuchs steht als formale Grundnorm der Gesetzlichkeitsgrundsatz (§ 1), der die Idee der Selbstbeschränkung der staatlichen Strafgewalt widerspiegelt. § 2 formt das Verbot der Rückwirkung von Strafgesetzen im Einzelnen aus. § 2 Abs. 3 enthält das Günstigkeitsprinzip für den Fall einer Milderung der gesetzlichen Regelung nach Begehung der Tat. In diesem Fall ist das mildeste Gesetz anzuwenden; im Fall einer Aufhebung der verwirklichten Strafvorschrift ist der Täter freizusprechen. Bedeutsam und in jüngerer Zeit umstritten ist eine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot in § 2 Abs. 6: Danach ist auf Maßregeln der Besserung und Sicherung - da diese nicht als Reaktion auf die begangene Tat, sondern als möglichst effiziente Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Straftaten des Verurteilten verstanden werden - das zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung geltende Recht anzuwenden. Ob dieser Gedanke auch für die rein sichernde Maßregel der Sicherungsverwahrung (§ 66) Vorrang vor der Idee des Vertrauensschutzes genießen soll, wird zum Teil bezweifelt; das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 109, 133) hat jedoch 2 0 0 4 die geltende Regelung für verfassungsgemäß erklärt.
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In den §§ 3 - 9 geht es um die Bestimmung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts bei Handlungen mit internationalem Einschlag (z.B. wenn der Tatort im Ausland liegt, der Täter oder der Verletzte Ausländer ist). Soweit das deutsche materielle Strafrecht anwendbar ist, wird traditionell (ohne dass das Gesetz dies ausdrücklich regeln würde) auch die Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Aburteilung der jeweiligen Straftaten angenommen. Ausgangspunkt ist das Territorialitätsprinzip ( § 3 ) . Danach beschränkt sich die deutsche Strafgewalt grundsätzlich auf Taten, die auf eigenem Staatsgebiet oder auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen (§ 4) begangen werden. Auslandstaten können bestraft werden, wenn ein legitimierender Anknüpfungspunkt vorliegt, wie etwa die Beeinträchtigung gewisser inländischer Schutzgüter ( § 5 ) , die Beteiligung deutscher Staatsangehöriger an der Tat auf der Täter- oder Opferseite (§ 7) oder die Verletzung von Rechtsgütern, die für die internationale Rechtsgemeinschaft so wichtig sind, dass sie nach dem Weltrechtsprinzip unabhängig vom Tatort überall verfolgt werden sollen. Solche Delikte sind Völkermord, Humanitätsverbrechen und schwere Kriegsverbre-
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chen, wie sie im Völkerstrafgesetzbuch von 2 0 0 2 geregelt sind. Daher ist das deutsche Strafrecht nach § 1 VStGB unabhängig vom Tatort und von der Staatsangehörigkeit der Beteiligten auf alle dort enthaltenen Verbrechen anwendbar. Weitere Fälle des Weltrechtsprinzips sind - systematisch nicht durchweg stimmig - in § 6 vorgesehen. 42
Die § § 1 1 und 12 enthalten Begriffsbestimmungen, die der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität „vor die Klammer" gezogen hat. Wichtig ist insbesondere die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen (§ 12); sie hat nicht nur Einfluss z.B. auf die Strafbarkeit des Versuchs (vgl. § 23 Abs. 1 ), sondern bildet auch den Bezugspunkt für einige Regelungen des Strafverfahrensrechts. So muss beispielsweise ein Beschuldigter, dem ein Verbrechen zur Last gelegt wird, in jedem Fall einen Verteidiger haben (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO); andererseits kommt eine Einstellung des Verfahrens mangels öffentlichen Interesses an der weiteren Verfolgung auch bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen nur in Betracht, wenn sich der Verdacht auf ein Vergehen beschränkt (§§ 153 Abs. 1, 153a Abs. 1 StPO).
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Der zweite Abschnitt des Allgemeinen Teils über „Die Tat" enthält grundlegende Strukturelemente der Straftat, allerdings zum Teil nur in lückenhafter oder andeutungsweiser Regelung. Manche umstrittene Frage in diesem Bereich hat der Gesetzgeber bewusst der weiteren Klärung durch Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen. Zu diesen umstrittenen Gebieten gehört etwa die Strafbarkeit wegen Unterlassens. Wo hier die Grenzen der Strafbarkeit liegen, ist nur im Kernbereich eindeutig geklärt. § 13 beschränkt sich auf die Klarstellung, dass jemand für den Eintritt eines schädlichen Erfolges, den er geschehen lässt, nur dann strafrechtlich verantwortlich ist, wenn er „rechtlich dafür einzustehen hat", den Erfolg abzuwenden; die entscheidende Frage, wann jemand rechtlich für die Erfolgsabwendung einzustehen hat, lässt das Gesetz unbeantwortet.
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Auch die gesetzliche Regelung zu Vorsatz und Irrtum (§§ 1 5 - 1 7 ) ist fragmentarisch. Der (im Einzelnen in der Lehre umstrittene) Begriff des Vorsatzes wird in § 15 vorausgesetzt, nicht definiert. Jedenfalls bringt § 16 Abs. 1 zum Ausdruck, dass der Vorsatz fehlt, wenn der Täter einen Tatumstand nicht kennt; daraus ergibt sich, dass Vorsatz mindestens die Kenntnis aller Tatumstände erfordert. Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Lehre verlangt allerdings über dieses kognitive Element hinaus für vorsätzliches Handeln noch ein „Willens"-Element, mindestens das Sich-Abfinden des Täters mit der Tatbestandsverwirklichung.118 Zu der seit jeher umstrittenen Frage, wie Rechtsirrtümer im Strafrecht zu behandeln sind, ergibt sich aus der Formulierung von § 17 S. 1 („so handelt er ohne Schuld"), dass die fälschliche Annahme, ein bestimmtes Verhalten sei nicht verboten, jedenfalls nicht den Tat Vorsatz beseitigt. Nur wenn ein solcher Irrtum (ausnahmsweise) für den Täter unvermeidbar ist, schließt er seine Schuld und damit auch seine Strafbarkeit aus (§ 17 S. I). 1 1 9 Hätte der Täter den Irrtum über das Verbotensein seines Verhaltens bei gehöriger Anstrengung vermeiden können, so bleibt er wegen vorsätzlicher Tat strafbar; allerdings kann die Strafe gemildert werden (§ 17 S. 2). Ohne gesetzliche Lösung ist die Situation des Erlaubnistatbestandsirrtums geblieben, d.h. die irrtümliche Annahme tatsächlicher Umstände, bei deren Vorliegen das Verhalten des Täters gerechtfertigt wäre. Die herrschende Meinung behandelt den Täter in diesem Fall so, als hätte er ohne Vorsatz gehandelt. 120
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BGHSt 36 1, 15; BGH NStZ 2 0 0 0 583;
Joecks MK § 16 Rdn. 10, 24 ff; Roxin AT I 119
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§ 12 Rdn. 4, 2 9 ff. Grundlegend hierzu BGHSt 2 194.
Kühl AT § 13 Rdn. 63 ff; Roxin AT 1 § 14
Rdn. 52 ff; Wessels/Beulke AT Rdn. 467 ff,
jeweils m.w.N.; Zusammenfassung der Problematik und neuer Lösungsvorschlag bei Hirsch FS Schroeder, S. 223.
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IV. Überblick über Aufbau und Inhalt des Strafgesetzbuchs
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Die Schuldfähigkeit ist nach dem Schuldgrundsatz (siehe oben Rdn. 14) allgemeine Voraussetzung der Strafbarkeit. Das Gesetz geht allerdings unabhängig von allen philosophischen und biologischen Diskussionen über die Entscheidungsfreiheit des Individuums davon aus, dass erwachsene Menschen grundsätzlich für ihre Handlungen verantwortlich sind (vgl. § 19, der die Strafbarkeit von Kindern unter 14 Jahren generell ausschließt); anderes gilt nur dann, wenn der Täter aufgrund einer psychischen Beeinträchtigung nicht erkennen kann, dass er Unrecht tut, oder sein Verhalten nicht in „normaler" Weise steuern kann (§ 20). Unter die in § 2 0 genannte Fallgruppe der „krankhaften seelischen Störung" fallen nicht nur chronische Geisteskrankheiten, sondern auch die temporäre toxische Psychose aufgrund schweren Alkoholmissbrauchs. Die Schuldfähigkeit kann ferner - über den Begriff der „schweren anderen seelischen Abartigkeit" auch bei seelischen Störungen ausgeschlossen sein, die nicht einem psychiatrisch anerkannten Krankheitsbild entsprechen. 1 2 1
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Der Versuch einer Straftat liegt vor, wenn der Täter den Entschluss zur Tatausführung gefasst hat und zu dessen Verwirklichung „unmittelbar ansetzt" (§ 22). Der Versuch ist bei Verbrechen immer, bei Vergehen häufig strafbar. Der Grund für die Strafbarkeit des Versuchs liegt darin, dass die Bereitschaft des Täters, ein geschütztes Rechtsgut zu verletzen, in einer der Ausführung unmittelbar vorangehenden Handlung Ausdruck gefunden hat und damit als ernst zu nehmende Bedrohung der Rechtsordnung in Erscheinung getreten ist. Dies ist in der Regel auch dann der Fall, wenn der Erfolg bei objektiver Betrachtung niemals hätte eintreten können („untauglicher Versuch"); hier sieht § 2 3 Abs. 3 nur für Fälle „groben Unverstandes" die Möglichkeit des Absehens von Strafe oder der Strafmilderung vor. Der Versuch kann generell milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 2 3 Abs. 2). Straflos wird der Täter, wenn er den Versuch freiwillig aufgibt, bevor er alle aus seiner Sicht notwendigen Handlungen vorgenommen hat, oder wenn er durch aktives Eingreifen den Erfolg seiner Bemühungen verhindert (§ 2 4 ) . Bei Verbrechen sind auch bereits Vorstadien der Tatbegehung, wie etwa die Verabredung zur Tat oder der Versuch, einen anderen zur Ausführung der Tat anzustiften, unter Strafe gestellt (S 30).
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Im Bereich der Beteiligung an Straftaten Anderer nimmt das Gesetz stillschweigend Bezug auf Denkfiguren, die Rechtsprechung und Strafrechtswissenschaft im Laufe der Zeit entwickelt haben. So enthält die kompakte Vorschrift des § 2 5 neben der Regelung, dass derjenige (zwingend) Täter ist, der den Tatbestand eigenhändig verwirklicht, 1 2 2 noch Hinweise auf die Rechtsfiguren der mittelbaren Täterschaft („durch einen anderen begeht") und der Mittäterschaft („Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich"), ohne freilich die Voraussetzungen dieser Ausdehnungen der Täterschaft näher zu klären. Daneben stehen mit der Anstiftung (§ 2 6 ) und der Beihilfe (§ 27) die beiden anerkannten Formen der Teilnahme an fremder (vorsätzlicher und rechtswidriger) Straftat, von denen die Beihilfe milder bestraft wird als die Täterschaft.
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Eine tatbestandsmäßige Handlung kann gerechtfertigt sein, wenn sie (ausnahmsweise) in einer Situation begangen wird, in der der Handelnde ein von der Rechtsordnung höher bewertetes Interesse schützt. Das Strafgesetzbuch regelt von den Rechtfertigungsgründen nur die Notwehr (§ 32) und den Rechtfertigenden Notstand (§ 34). Im Fall der Notwehr gewährt das Gesetz dem rechtswidrig Angegriffenen ein überaus „schneidiges" Recht zum gewaltsamen Vorgehen gegen den Angreifer. Die Rechtsprechung schränkt
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Vgl. dazu schon BGHSt 23 176, 190. Anders noch die ältere Rechtsprechung; siehe RGSt 74 84; BGHSt 18 87.
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dieses Recht allerdings in manchen Fällen ein, etwa bei geringfügigen Angriffen oder bei pflichtwidriger Provokation des Angriffs durch denjenigen, der danach Notwehr übt. 123 Dem Rechtfertigenden Notstand (§ 34) liegt der Gedanke zugrunde, dass der Einzelne aus Solidarität mit seinen Mitmenschen verpflichtet sein kann, seine eigenen Güter zu opfern, um wertvollere Güter eines Anderen oder der Allgemeinheit zu retten. 124 Ein Eingriff in die Rechtsgüter eines unbeteiligten Dritten durch eine sonst strafbare Handlung ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn der Eingriff nicht nur unabweisbar notwendig, sondern auch ein „angemessenes Mittel" zur Rettung eines bedeutsameren Interesses ist (S 34 S. 2). 125 Die Rechtfertigung einer Handlung kann sich auch aus (geschriebenen oder ungeschriebenen) Rechtsnormen ergeben, die außerhalb des Strafrechts liegen. So ist etwa die Mutmaßliche Einwilligung einer Person, die nicht rechtzeitig befragt werden kann, in die Inanspruchnahme ihrer Güter ein ungeschriebener, aber allgemein anerkannter Rechtfertigungsgrund. 126 Auch gestattet das Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 StPO, wenn seine Voraussetzungen gegeben sind, Freiheitsberaubungen und Nötigungen. 127 49 Eine Entschuldigung des Täters, der eine rechtswidrige Strafttat begeht, kommt in Betracht, wenn er sich bei der Tat in einer besonderen psychisch belastenden Lage befunden hat, in der rechtmäßiges Verhalten nicht ohne weiteres von ihm zu erwarten war. Allerdings entschuldigt eine allgemeine „Unzumutbarkeit" rechtmäßigen Verhaltens den Täter jedenfalls bei vorsätzlichem Handeln nicht. 128 Das Gesetz sieht vielmehr nur wenige eng umschriebene Entschuldigungsgründe vor, nämlich die Überschreitung der Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken (§ 33) sowie den Entschuldigenden Notstand (§ 35). Dieser setzt voraus, dass der Täter oder eine ihm nahestehende Person ohne eigenes Verschulden in eine gegenwärtige, anders als durch die Begehung einer Straftat nicht abwendbare Lebens-, Gesundheits- oder Freiheitsgefahr geraten ist. Wenn sich der Täter, vor die Entscheidung zwischen Selbstschutz und Respekt vor den geschützten Gütern Anderer gestellt, für die Wahrung seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit auf Kosten eines Dritten entscheidet, so mag dies höchsten ethischen Ansprüchen nicht genügen; es liegt aber kein so gravierender Verstoß vor, dass der Staat mit Strafe reagieren müsste. Anders als bei den Rechtfertigungsgründen wird hier das Verhalten des Täters von der Rechtsordnung nicht gebilligt, sondern ihm lediglich nachgesehen; und selbst davon macht das Gesetz Ausnahmen, etwa dann, wenn der
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Vgl. BGHSt 24 356; 26 51; BGH NStZ 2001 143; BayObLG N J W 1991 2031; Bernsmann ZStW 104 (1992) 290; Erb MK § 32 Rdn. 183 ff; Roxin ZStW 93 (1981) 68. Pawlik Der rechtfertigende Notstand, S. 57 ff; im Sinne der älteren „Interessenabwägungstheorie" Zieschang LK § 34 Rdn. 3. Es ist allerdings streitig, ob es sich bei der Angemessenheitsklausel um eine selbständige Wertungsstufe handelt (so Hruschka JuS 1979 390; Jakobs AT 13/36; Kühl AT § 8 Rdn. 167; Erb MK S 34 Rdn. 169 f; Neumann NK $ 34 Rdn. 21; Joerden GA 1991 411; Roxin AT I S 16 Rdn. 95 ff - der hier das Kriterium der Menschenwürde berücksichtigt sieht - ; Wessels/Beulke AT Rdn. 317 ff) oder ob sie nur einen Aspekt der Erforderlichkeitsprüfung verdeutlicht
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(so Baumann/Weber/Mitscb AT § 17/83; Zieschang LK § 34 Rdn. 78 f. [„Kontrollklausel"]; Lenckner Der rechtfertigende Notstand, S. 147; Maurach/Zipf AT Rdn. 38; Sch/Schröder/Lenckner/Perron § 34 Rdn. 46 f; unentschieden Stratenwerth/Kuhlen AT I § 9 Rdn. 114). Siehe etwa Rönnau LK vor § 32 Rdn. 214 ff; Schlehofer MK vor § 32 Rdn. 136 ff; Roxin AT I S 18 Rdn. 1 ff; Siehe etwa Sch/Schröder/Lenckner vor § 32 Rdn. 81/82. Hierzu eingehend Momsen Die Zumutbarkeit als Begrenzung strafrechtlicher Pflichten, S. 471 ff; Wortmann Inhalt und Bedeutung der „Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens" im Strafrecht, S. 25 ff.
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Täter die Zwangssituation, in der er sich befand, selbst schuldhaft herbeigeführt hatte (S 35 Abs. 1 S. 2). 2. Der umfangreiche Dritte Abschnitt des Allgemeinen Teils (§§ 3 8 - 7 6 a ) ist den Rechtsfolgen strafbarer Taten gewidmet. Neben den Strafen (vor allem Freiheitsstrafe und Geldstrafe) sind hier die Maßregeln der Besserung und Sicherung geregelt, die auf die Hintanhaltung einer durch die Tat zum Ausdruck gekommenen besonderen Gefährlichkeit des Täters abzielen (dazu näher unten Rdn. 74 ff). § 4 6 enthält wichtige - wenn auch allgemein gehaltene - gesetzliche Richtlinien für das Gericht, das mit der Aufgabe der gerechten Bemessung der Strafe konfrontiert ist; maßgeblicher Gesichtspunkt ist dabei die Schuld des Täters, d.h. das schuldhaft von ihm verwirklichte Handlungs- und Erfolgsunrecht.
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3. Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs (§§ 8 0 - 3 5 8 ) , der die verbotenen Verhaltensweisen im Einzelnen beschreibt, spiegelt noch mehr als der Allgemeine Teil die jeweiligen sozialen Verhältnisse und Schutzbedürfnisse der Zeit wider, so dass er sich in einem Zustand fast ständiger Veränderung im Detail befindet. So hat der Gesetzgeber in den Jahren um 2 0 0 0 beispielsweise, um aktuellen politischen Anliegen Rechnung zu tragen, den Tatbestand der Bildung terroristischer Vereinigungen ausgeweitet (§§ 129a, 129b), 1 2 9 den Anwendungsbereich des Tatbestandes der Volksverhetzung (§ 130) mehrfach, unter anderem auf die Fälle des Leugnens der NS-Völkermorde, ausgedehnt, 130 die Vorschriften über sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176) sowie über die Verbreitung pornographischer Schriften (§§ 184-184c) verschärft, 131 das unbefugte Anfertigen von Bildaufnahmen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich unter Strafe gestellt (§ 201a) 1 3 2 und die Vorschriften über den Menschen- und Kinderhandel weitgehend umgestaltet (§§ 2 3 2 - 2 3 6 ) . 1 3 3
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Ungeachtet der zahlreichen Änderungen hat der Besondere Teil seinen - leider sehr unübersichtlichen - Aufbau aus der Entstehungszeit im 19. Jahrhundert im Wesentlichen beibehalten. An dieser Stelle kann nur ein grober Uberblick über die dort geregelten Materien gegeben werden. Entsprechend der Einschätzung des Ranges der geschützten Interessen, wie sie zur Entstehungszeit des StGB im 19. Jahrhundert bestand, beginnt der Besondere Teil mit den Straftaten gegen wesentliche Interessen des Staates, insbesondere gegen seinen Bestand (Hochverrat, § 81), seine Verfassungsgrundsätze (z.B. Propaganda für verfassungswidrige Organisationen, § 86; Wahlbehinderung und -fälschung, §§ 107, 107a) und seine Sicherheit vor Angriffen von außen (z.B. Landesverrat, § 94; Landesverräterische Ausspähung, § 96). Unter dem Begriff „Widerstand gegen die Staatsgewalt" folgen Delikte, die sich gegen die Vollstreckung staatlicher Entscheidungen richten (z.B. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, § 113; Gefangenenbefreiung, § 120). Eine Ansammlung ganz unterschiedlicher Straftaten hat der Gesetzgeber in dem folgenden Abschnitt „Straftaten gegen die öffentliche Ordnung" zusammengestellt. Hier finden sich z.B. der Hausfriedensbruch (§ 123), die Bildung krimineller und terroristischer Vereini-
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Ges. v. 2 9 . 8 . 2 0 0 2 (BGBl. I S. 1 9 6 2 ) und v. 2 2 . 1 2 . 2 0 0 3 (BGBl. I S. 2 8 3 6 ) ; siehe dazu Altvater N S t Z 2 0 0 3 1 7 9 ; allgemein zur Problematik der Terrorismusgesetzgebung Rudolphi JA 1 9 7 9 1. VerbrBekG v. 2 8 . 1 0 . 1 9 9 4 (BGBl. I S. 3 1 8 6 ) ; Ges. v. 1 . 4 . 2 0 0 5 (BGBl. I S. 9 6 9 ) ; siehe dazu Bertram N J W 2 0 0 5 1 4 7 6 ; Kühl Sympium Geilen, S. 103.
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Ges. vom 2 7 . 1 2 . 2 0 0 3 (BGBl. I S. 3 0 0 7 ) . Hierzu mit Recht kritisch Duttge/Hörnle/ Renzikowski N J W 2 0 0 4 1065. 3 6 . StÄG v. 3 0 . 7 . 2 0 0 4 (BGBl. I S. 2 0 1 2 ) ; siehe dazu Bosch J Z 2 0 0 5 3 7 7 ; Eisele J R 2 0 0 5 6; Kargl Z S t W 117 ( 2 0 0 5 ) 3 2 4 . 37. StÄG v. 1 1 . 2 . 2 0 0 5 (BGBl. I S. 2 3 9 ) ; vgl. dazu Renzikowski J Z 2 0 0 5 8 7 9 ; Schroeder N J W 2 0 0 5 1393.
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gungen (§§ 1 2 9 - 1 2 9 b ) , die Volksverhetzung (§ 1 3 0 ) , die Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 1 3 8 ) , aber auch die Verkehrsunfallflucht (§ 1 4 2 ) sowie das Vortäuschen von Straftaten (§ 1 4 5 d ) . E b e n s o zu den Straftaten gegen Gemeinschaftsinteressen zählen die Geldfälschungsdelikte (§§ 1 4 6 ff) sowie die Falschaussage und der M e i n e i d (§§ 1 5 3 , 154). 53
An der Schnittstelle zu den Straftaten gegen Individualinteressen liegen die Delikte gegen Personenstand, Ehe und Familie, wie z.B. die Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 1 7 0 ) und die Bigamie (§ 1 7 2 ) . An der Spitze der Verstöße gegen die Interessen einzelner Personen stehen (seltsamerweise) die Sexualdelikte (§§ 1 7 4 ff) einschließlich Pornographie ( S S 1 8 4 ff) und verbotener Prostitution ( S S 1 8 4 d , 1 8 4 e ) , gefolgt von den Beleidigungsdelikten ( S S 1 8 5 f f ) und den Straftaten gegen die Integrität des persönlichen Lebensund Geheimbereichs, wie z.B. das heimliche A b h ö r e n von Gesprächen (S 2 0 1 Abs. 1) und die Weitergabe von Privatgeheimnissen durch bestimmte Berufsträger ( S 2 0 3 ) . Erst nach diesen vergleichsweise geringfügigen Verstößen folgen im Gesetz die Tötungsdelikte, an deren Spitze M o r d ( S 2 1 1 ) und Totschlag ( $ 2 1 2 ) . In den S S 2 1 8 - 2 1 9 b hat der Gesetzgeber eine höchst detailreiche und k o m p l e x e Regelung zur Strafbarkeit (bzw. Straflosigkeit) des Schwangerschaftsabbruchs getroffen. Auf die Körperverletzungstatbestände ( S S 2 2 3 - 2 3 1 ) folgen die Straftaten gegen die persönliche Freiheit, zu denen der Gesetzgeber neben Freiheitsberaubung ( S 2 3 9 ) und N ö t i g u n g ( S 2 4 0 ) n u n m e h r auch M e n schenhandel ( S S 2 3 2 - 2 3 3 a ) und „ K i n d e r h a n d e l " (einschließlich der unbefugten Adoptionsvermittlung, S 2 3 6 Abs. 2 ) rechnet.
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W ä h r e n d bei all den in R d n . 5 3 genannten Straftaten immaterielle persönliche Interessen beeinträchtigt werden, geht es in den folgenden Abschnitten des S t G B um Verstöße gegen Eigentums- und Vermögensrechte. An der Spitze steht hier der prototypische T a t b e s t a n d des Diebstahls ( S 2 4 2 ) mit seinen verschiedenen qualifizierten F o r m e n sowie der A u f f a n g t a t b e s t a n d der Unterschlagung ( S 2 4 6 ) . R a u b ( S 2 4 9 ) und Erpressung ( S 2 5 3 ) werden in ein und demselben Abschnitt des S t G B zusammengefasst, was zu Zweifelsfragen hinsichtlich des Verhältnisses dieser beiden Tatbestände zueinander geführt h a t . 1 3 4 D e r folgende Abschnitt des S t G B enthält mit dem Rechtspflegedelikt Strafvereitelung ( S 2 5 8 ) , dem Vermögensdelikt Hehlerei ( S S 2 5 9 - 2 6 0 a ) sowie den allgemeinen Fällen der Nachtat-Unterstützung Begünstigung ( S 2 5 7 ) und Geldwäsche (§ 2 6 1 ) eine heterogene M i s c h u n g von Verhaltensweisen, deren Gemeinsamkeit nur darin liegt, dass sie die vorherige Begehung einer rechtswidrigen Tat voraussetzen. Eindeutig Vermögensdelikte sind dann wiederum Betrug ( S 2 6 3 ) und Untreue ( S 2 6 6 ) , die das Gesetz freilich mit einer in den letzten J a h r z e h n t e n stark angewachsenen Z a h l von Vorfelddelikten und (entfernt) verwandten Straftaten aus dem Bereich der wirtschaftlichen Betätigung zusammenfasst (z.B. C o m p u t e r b e t r u g , S 2 6 3 a ; Versicherungsmissbrauch, S 2 6 5 ; M i s s b r a u c h von Kreditkarten, § 2 6 6 b ) . A u f die Urkundenstraftaten ( S S 2 6 7 ff), die keine Vermögensinteressen, sondern überwiegend das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Integrität von Urkunden und technischen Aufzeichnungen verletzen, folgen mit den Insolvenzdelikten ( S S 2 8 3 ff) wiederum typische Wirtschaftsstraftaten mit Auswirkungen auf fremde Vermögensinteressen. D e r folgende Abschnitt, farblos mit „Strafbarer E i g e n n u t z " überschrieben, enthält eine M i s c h u n g ganz unterschiedlicher Verstöße, die von der unerlaubten Veranstaltung
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Das systematische Verhältnis der beiden Tatbestände zueinander hat wesentliche Bedeutung für die Frage, ob die Begehung einer Erpressung voraussetzt, dass das genötigte Opfer eine „Vermögensverfügung" vor-
nimmt. Diese Frage wird von der Rechtsprechung (BGHSt 14 386; 41 123) verneint, von der überwiegenden Lehre jedoch bejaht (Nachweise zum Streitstand bei Sander MK § 253 Rdn. 1 3 - 2 1 ) .
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V. Die Mittel des Strafrechts: Strafen und Maßregeln
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von Glücksspielen (§ 2 8 4 ) bis zur Fischwilderei (§ 2 9 3 ) reichen. Fehlverhalten im Wirtschaftsleben erfassen die verbotenen Submissionsabsprachen (§ 2 9 8 ) und die Wirtschaftskorruption (§ 2 9 9 ) , während am Schluss dieser Gruppe von Vorschriften mit der Sachbeschädigung (§§ 3 0 3 ff) wieder eine „klassische" Form der Eigentumsverletzung steht. Die vielfältigen Gefährdungen von Leben und Gesundheit in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens spiegeln sich in dem umfangreichen und heterogenen Abschnitt der „gemeingefährlichen Straftaten" wider. Er reicht von dem archetypischen „gemeingefährlichen" Delikt der Brandstiftung (§§ 3 0 6 ff) über den Missbrauch der Kernenergie (§§ 307, 3 0 9 - 3 1 2 ) und das Herbeiführen von Explosionen (§ 3 0 8 ) und Überschwemmungen (§ 313) bis zu den leider alltäglichen gefährlichen Verstößen im Straßenverkehr, wie etwa die Trunkenheit im Verkehr mit (§ 315c Abs. 1 Nr. l a ) und ohne (§ 316) Gefährdung von Personen oder erheblichen Sachwerten. Auch die Herbeiführung eines die Schuldfähigkeit nach § 2 0 ausschließenden Vollrausches (§ 323a) sowie das Unterlassen zumutbarer Hilfeleistung bei Unfällen oder Gefahrsituationen (§ 323c) ist in diesem Abschnitt untergebracht. In engem inhaltlichem Zusammenhang steht der folgende Abschnitt der Umweltdelikte (§§ 3 2 4 ff).
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Der letzte Abschnitt des StGB ist laut Überschrift den „Straftaten im A m t " gewidmet. Dies ist freilich insoweit irreführend, als sich hier neben den bekannten Sonderdelikten von Amtsträgern wie etwa der Bestechlichkeit (§ 332), der Rechtsbeugung (§ 3 3 9 ) oder der Verletzung von Dienstgeheimnissen (§ 3 5 3 b ) auch Tatbestände finden, die von jedermann begangen werden können, wie etwa die Bestechung (§ 3 3 4 ) oder auch die unbefugte Mitteilung einer Anklageschrift (§ 353d Nr. 3). Gemeinsam ist den Vorschriften dieses Abschnitts jedoch, dass sie das ordnungsgemäße Funktionieren der staatlichen Verwaltung (im weitesten Sinne) zu schützen trachten.
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V. D i e Mittel des Strafrechts: Strafen u n d M a ß r e g e l n Schrifttum Altenhain Die Begründung der Strafe durch Kant und Feuerbach, Gedächtnisschrift Keller (2003) 1; Androulakis Über den Primat der Strafe, ZStW 108 (1996) 300; Appel Verfassung und Strafe (1998); Bannenberg Wiedergutmachung in der Strafrechtspraxis (1993); Baumann u.a., Alternativ-Entwurf Wiedergutmachung (1992); Baurmann Zweckrationalität und Strafrecht (1987); Bock Kriminologie und Spezialprävention, ZStW 102 (1990) 504; ders. Ideen und Schimären im Strafrecht, ZStW 103 (1991) 636; Bönitz Strafgesetze und Verhaltenssteuerung (1991); Brauns Die Wiedergutmachung der Folgen der Straftat durch den Täter (1996); Bruns Das Recht der Strafzumessung, 2. Aufl. (1985); ders. Neues Strafzumessungsrecht? (1988); Calliess Die Strafzwecke und ihre Funktion, Festschrift Müller-Dietz (2001) 99; Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit (2004); Dressler (Hrsg.) Encyclopedia of Crime and Justice, 2. Aufl. (2002); Dölling Generalprävention durch Strafrecht? ZStW 102 (1990) 1; ders. Über die Höhenbemessung bei der Freiheitsund Jugendstrafe, Festschrift Schreiber (2003) 55; ders. Zur spezialpräventiven Aufgabe des Strafrechts, Festschrift Lampe (2003) 597; Easton/Piper Sentencing and Punishment (2005); I. Ebert Pönale Elemente im deutschen Privatrecht (2004); Eisenberg Kriminologie, 6. Aufl. (2005); Ellscheid/Hassemer Strafe ohne Vorwurf, Civitas IX (1970) 27; Eser Zur Entwicklung der Maßregeln der Besserung und Sicherung usw., Festschrift Müller-Dietz (2001) 213; ders./Walther (Hrsg.) Wiedergutmachung im Kriminalrecht, 3 Bde. ( 1 9 9 6 - 2 0 0 1 ) ; Feuerhelm Stellung und Ausgestaltung der gemeinnützigen Arbeit im Strafrecht (1997); Frehsee Schadenswiedergutmachung als Instrument strafrechtlicher Sozialkontrolle (1987); Freund/Garro Carrera Strafrechtliche Wiedergutmachung usw., ZStW 118 (2006) 76; Frisch Gegenwärtiger Stand und Zukunftsperspektiven der Strafzumessungsdogmatik, ZStW 99 (1987) 349; ders. Die Maßregeln der Besserung und Sicherung usw., ZStW 102 (1990) 343; ders. Dogmatische Grundfragen der bedingten Entlassung usw., ZStW 102
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Einleitung
(1990) 707; ders. Strafkonzept, Strafzumessungstatsachen usw., Festgabe BGH (2000) 269; H.-L. Günther Systematische Grundlagen der Strafzumessung, J Z 1989 1025; K. Günther Die symbolischexpressive Bedeutung der Strafe, Festschrift Liiderssen (2002) 205; ders. Schuld und kommunikative Freiheit (2005); Hart Punishment and Responsibility (1968); Hart-Hönig Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung (1992); Hassemer Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, 2. Aufl. (1990); ders. Darf der strafende Staat Verurteilte bessern wollen? Festschrift Lüderssen (2002) 221; Helgerth/Krauß Der Gesetzentwurf zur Reform des Sanktionenrechts, ZRP 2001 281; von Hirsch Past or Future Crimes (1985); ders. Censure and Sanctions (1993); ders. 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Kritik der präventionstheoretischen Strafbegründungen, Festschrift Rudolphi (2004) 213; Peters (Hrsg.) Muß Strafe sein? (1993); Plack Plädoyer für die Abschaffung des Strafrechts (1974); Radtke u.a. (Hrsg.) Muss Strafe sein? (2004); Rautenberg Die Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems, NJ 1999 449; Roxin Strafzumessung im Lichte der Strafzwecke, Festgabe Schultz (1977) 463; ders. Prävention und Strafzumessung, Festschrift Bruns (1978) 183; Schild Strafbegriff und Grundgesetz, Festschrift Lenckner (1998) 287; Schmidhäuser Vom Sinn der Strafe, 2. Aufl. (1971); ders. Über Strafe und Generalprävention, Festschrift E.A.Wolff (1998) 443; Schöch Die Rechtswirklichkeit und präventive Effizienz strafrechtlicher Sanktionen, in Jehle (Hrsg.) Kriminalprävention und Justiz (1996) 291; Schüler-Springorum Von Spuren keine Spur, Festschrift Roxin (2001) 1021; Schünemann Plädoyer für eine neue Theorie der Strafzumessung, in Eser/Cornils (Hrsg.) Neuere Tendenzen der Kriminalpolitik (1987) 209; ders./Dubber (Hrsg.) Die Stellung des Opfers im Strafrechtssytem (2000); ders.lvon Hirsch/Jareborg (Hrsg.) Positive Generalprävention (1998); Seebode Problematische Ersatzfreiheitsstrafe, Festschrift Böhm (1999) 519; Seelmann Wechselseitige Anerkennung und Unrecht, ARSP 1993 228; Stratenwerth Was leistet die Lehre von den Strafzwecken? (1995); Stooß Strafe und sichernde Maßnahme, SchwZStrR 18 (1905) 1; Streng Modernes Sanktionenrecht? ZStW 111 (1999) 827; ders. Praktikabilität und Legitimität der „Spielraumtheorie", Festschrift Müller-Dietz (2001) 875; ders. Strafrechtliche Sanktionen, 2. Aufl. (2002); Tomforde Die Zulässigkeit einer Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe aus präventiven Gesichtspunkten (1999); Villmow Kurze Freiheitsstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe und gemeinnützige Arbeit, Festschrift Kaiser (1998) 1291; Volk Der Begriff der Strafe
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V. Die Mittel des Strafrechts: Strafen und Maßregeln
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in der Rechtsprechung des BVerfG, ZStW 83 (1971) 405; Walther Vom Rechtsbruch zum Realkonflikt (2000); H.-M.Weber Die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe (1999); Weigend Sanktionen ohne Freiheitsentzug, GA 1992 345; ders. Z u r Rolle des Strafrechts im Straßenverkehr, Festschrift Miyazawa (1995) 549; ders. Wiedergutmachung als, neben oder statt Strafe, Festschrift Miiller-Dietz (2001) 975; Weßlau In welche Richtung geht die Reform des Sanktionensystems? StV 1999 278; E.A. Wolff Das neuere Verständnis von Generalprävention usw., ZStW 97 (1985) 786; Wolters Der Entwurf eines „Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts", ZStW 114 (2002) 63; Zaczyk Zur Begründung der Gerechtigkeit menschlichen Strafens, Festschrift Eser (2005) 207; Zipf Die Strafmaßrevision (1969).
1. Das Charakteristikum des Strafrechts sind die sanktionierenden Rechtsfolgen. 135 Dabei stehen im Vordergrund die Strafen (§§ 3 8 - 6 0 ) , die wegen des verschuldeten Unrechts der Straftat gegen den Täter verhängt werden und in denen sich die Missbilligung der Tat durch die Rechtsgemeinschaft sinnfällig ausdrückt. Daneben sieht das Strafgesetzbuch als „Zweite Spur" die Maßregeln der Besserung und Sicherung vor; deren Aufgabe besteht darin, den Gefahren weiterer Straftaten, die von dem Täter befürchtet werden, entgegenzuwirken (§§ 61-72). Schließlich kennt das StGB mit Verfall und Einziehung (§§ 73-76a) Maßnahmen, die als Rechtsfolge einer Straftat gegen bestimmte Objekte gerichtet sind, die aus der Tat stammen oder zu ihrer Begehung verwendet wurden; diese Objekte sollen dem Täter entzogen und entweder vernichtet oder dem Berechtigten zurückgegeben werden.
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2. a) Über Sinn, Zweck und Berechtigung staatlichen Strafens gibt es seit alters her unterschiedliche Auffassungen, die häufig unter dem (verkürzten) Stichwort „Straftheorien" diskutiert werden. In dieser Diskussion werden traditionell zwei Grundauffassungen einander gegenüber gestellt: einerseits die sog. absoluten Straftheorien („poena absoluta ab effectu"), die Rechtsgrund und Sinn der Strafe allein darin sehen, dass durch sie dem Täter ein gerechter Ausgleich für das begangene Unrecht widerfährt und dass dadurch die Gerechtigkeit wiederhergestellt wird; andererseits die sog. relativen Straftheorien, die die Strafe auf einen bestimmten (sozialen) Zweck beziehen, nämlich die Verhütung künftiger Straftaten. 136 Dieser Zweck soll dadurch erreicht werden, dass der Täter durch persönlichkeitsadäquate Behandlungs- und Resozialisierungsmaßnahmen zu einem künftig straffreien Leben befähigt und ermutigt wird (Spezialprävention), und/ oder dadurch, dass der Täter selbst und alle übrigen Bürger durch das Exempel der Bestrafung von der Begehung ähnlicher Taten abgeschreckt werden (Generalprävention). 137 In den letzten Jahrzehnten wird der krude Abschreckungsgedanke häufig durch die Vorstellung ersetzt oder ergänzt, dass die Bestrafung des Straftäters bei den übrigen Bürgern das Vertrauen in die weitere Geltung und Wirksamkeit der vom Täter verletzten Verhaltensnorm wiederherstellt oder stärkt (sog. positive Generalprävention). 138 Absolute und relative „Straftheorien" bezeichnen unterschiedliche Perspektiven und Zielsetzungen
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Siehe hierzu die Monographien von Meier Strafrechtliche Sanktionen und Streng Strafrechtliche Sanktionen. Eingehende Darstellungen z.B. bei Jescheck/ Weigend AT, S. 60 ff; Lesch JA 1994 510, 590; Maurach/Zipf AT 1 § 6 (mit Darlegung auch der rechtshistorischen und philosophischen Hintergründe); Roxin AT I S 3 Rdn. 1 ff; vgl. auch den Überblick bei Gropp AT, S. 39 ff.
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Hierzu grundlegend Schmidhäuser Vom Sinn der Strafe, S. 53 ff; ders. FS E. A. Wolff, S. 443; ferner Hoerster GA 1970 272. Aus der reichen Literatur dazu vgl. HartHönig Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung; Kalous Positive Generalprävention durch Vergeltung; Miilter-Tuckfeld Integrationsprävention sowie die kritischen Analysen in Schünemann/von Hirsch/jareborg (Hrsg.) Positive Generalprävention.
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der Bestrafung und werden häufig als gegensätzliche oder zumindest T h e o r i e n interpretiert.
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Sowohl gegen die absoluten als auch gegen die relativen Straftheorien in ihrer „rein e n " F o r m bestehen gravierende Einwände. Jede Auffassung, die den Sinn der Strafe ausschließlich im Ausgleich der Schuld des Täters erblickt, muss sich die Frage stellen lassen, w o h e r der säkulare Staat die Berechtigung n i m m t , massiv in die Grundrechte seiner Bürger einzugreifen, allein um dem abstrakten Ideal der ausgleichenden Gerechtigkeit zu dienen, sofern sonst kein positiver sozialer Z w e c k mit diesem Eingriff verbunden i s t . 1 3 9 Außerdem m a c h t sich eine solche T h e o r i e davon abhängig, dass dem Straftäter die Begehung der Straftat individuell vorgeworfen werden kann; dies setzt aber voraus, dass er sich frei zwischen R e c h t und Unrecht entscheiden k a n n . 1 4 0 Die „ r e l a t i v e n " , allein auf Präventionszwecke ausgerichteten Ansätze wiederum stehen vor dem grundsätzlichen P r o b l e m , dass sie die Strafverhängung durch empirisch messbare Erfolge bei der Verbrechensprophylaxe rechtfertigen müssen 1 4 1 - k ö n n e n sie dies nicht (und die empirischen Befunde für Verbrechensverhütung durch Bestrafung sind insgesamt wenig eindrucksv o l l 1 4 2 ) , so erscheint die Strafe als untauglicher und damit unzulässiger Versuch, Prävention zu betreiben. Außerdem entspräche es der L o g i k des Präventionsansatzes, die Sanktion nicht n a c h der Schwere der Tatschuld, sondern allein nach dem zu bemessen, was zur Erreichung des jeweiligen Präventionszwecks als notwendig erscheint; das kann j e d o c h zu Strafen führen, die - in die eine oder die andere R i c h t u n g - als g r o b unangemessen im Verhältnis zur begangenen Tat e r s c h e i n e n . 1 4 3 Schließlich wird den Anhängern der Generalprävention entgegengehalten, dass es die W ü r d e des Täters verletze, wenn er nicht um seiner selbst willen bestraft, sondern lediglich als Instrument zur Abschreckung bzw. Normstabilisierung bei Anderen verwendet w e r d e . 1 4 4
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U m die Einseitigkeit der beiden „ S t r a f t h e o r i e n " zu vermeiden, hat m a n verschiedene Spielarten von „Vereinigungstheorien" konzipiert, die den retributiven und den präven-
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Pawlik Person, Subjekt, Bürger, S. 56; Schünemann in Schünemann/von Hirsch/ Jareborg (Hrsg.) Positive Generalprävention, S. 109, 115 f; Roxin AT I § 3 Rdn. 8. Vgl. hierzu Streng NK § 46 Rdn. 19 f; Otto AT, S. 10 ff; ders. Strafrechtliche Sanktionen, S. 12 f. Hörnle Tatproportionale Strafzumessung S. 110 f. Überblick über den Stand der Wirkungsforschung zu Speziai- und Generalprävention mit eingehenden Nachweisen bei Eisenberg Kriminologie §§ 41, 42 („Empirisch verlässliche Nachweise einer generalpräventiven Wirksamkeit strafrechtlicher Erfassung von Geschehensabläufen fehlen seither" [§ 41 Rdn. 6]; ähnlich für Spezialprävention § 42 Rdn. 3). Siehe ferner zur Spezialprävention Bock ZStW 102 (1990) 504; Bölling FS Lampe, S. 597, 605; Schöch in Jehle (Hrsg.) Kriminalprävention und Strafjustiz, S. 291;
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zur Generalprävention Bönitz Strafgesetze und Verhaltenssteuerung (S. 329: „Art und Höhe der Strafe rangieren im Rahmen weitgehender Bedeutungslosigkeit."); Dötting ZStW 112 (1990) 1. Ohne großen Wert ist die Untersuchung von Curti Abschreckung durch Strafe (1999), S. 145 ff, die zwar Abschreckungswirkungen behauptet, aber methodisch unzulänglich ist. Hassemer FS Lüderssen, S. 221, 227 f; Hörnle Tatproportionale Strafzumessung S. 84 ff; Kargl GA 1998 53, 68; Meier Strafrechtliche Sanktionen, S. 24, 26; Roxin AT I § 3 Rdn. 16. Dieser generelle Einwand gegen präventive Theorien geht auf Kant (Metaphysik der Sitten, in Weischedel [Hrsg.], Werke Bd. 7, 1968, S. 453) und Hegel (Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1831, S 100) zurück; siehe dazu auch Calliess FS MüllerDietz, S. 99, 110; Roxin AT I § 3 Rdn. 32.
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V. Die Mittel des Strafrechts: Strafen und Maßregeln
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tiven Ansatz miteinander zu kombinieren s u c h e n . 1 4 5 Grundlage solcher Überlegungen ist die Annahme, dass Generalprävention und schuldangemessene Bestrafung keine Gegensätze seien; vielmehr gehe gerade von der als gerecht empfundenen, schuldproportionalen Strafe die beste generalpräventive Wirkung a u s . 1 4 6 Außerdem sei bei der Verhängung und vor allem bei der Vollstreckung jeder Strafe darauf zu achten, dass dem Verurteilten Hilfen zu seiner Resozialisierung gegeben w e r d e n . 1 4 7 Ein solcher „integrativ e r " Ansatz liegt auch der gesetzlichen Regelung des § 4 6 Abs. 1 für die Strafmaßbestimmung zugrunde: Der erste Satz dieser Regelung m a c h t das Schuldprinzip zur Grundlage der Strafzumessung, während Satz 2 die Berücksichtigung der Wirkungen verlangt, die von der Strafe für das zukünftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind. b) Die Rechtsprechung hat sich gleichfalls um eine Kombination der verschiedenen Strafzwecke bemüht. Entsprechend der gesetzlichen Vorgabe (§ 4 6 Abs. 1 Satz 1) und wegen der verfassungsrechtlichen Verankerung des Schuldprinzips 1 4 8 geht sie von dem Grundsatz aus, dass die Strafe der Schuld des Täters entsprechen müsse und weder nach oben noch nach unten v o m M a ß s t a b der Tatschuldproportionalität abweichen dürfe. D a dieser M a ß s t a b aber für den Einzelfall kein festes Strafmaß vorgebe, sondern dem Gericht einen „Spielraum" zwischen „ s c h o n " und „ n o c h " schuldangemessenen Strafen eröffne, sei innerhalb dieses Rahmens auf speziai- und generalpräventive Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen („Spielraumtheorie"). 1 4 9 Gegen diese pragmatische Auffassung sind aus verschiedener Richtung Einwände erhoben w o r d e n . 1 5 0 Einerseits wird die Prämisse des B G H angegriffen, dass es für eine konkrete Tat mehr als eine gerechte Strafe
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Kritischer Überblick bei Koriath Jura 1995 625; siehe auch Meier Strafrechtliche Sanktionen, S. 33 ff. Skeptisch hinsichtlich der Möglichkeit einer umfassenden Straftheorie Stratenwerth/Kuhlen AT I, S. 16 ff; Stratenwerth Was leistet die Lehre von den Strafzwecken?, S. 2 0 ff. Nachweise zu dieser häufig vertretenen Auffassung bei Hörnle Tatproportionale Strafzumessung, S. 93 f; Kalous Positive Generalprävention, S. 23; kritisch hierzu Kuhlen in Schünemann/von Hirsch/Jareborg (Hrsg.) Positive Generalprävention, S. 55, 59; Neumann in Neumann/Prittwitz (Hrsg.) Kritik und Rechtfertigung des Strafrechts, S. 89, 100 ff. In diesem Sinne etwa Jescheck LK 1 1 Einl. Rdn. 31; Roxin FG Schultz, S. 469. Vgl. z.B. BVerfGE 2 0 323, 331; 80 2 4 4 , 255; 86 288, 312 f; 95 96, 140. Das Bundesverfassungsgericht hat es allerdings in seiner Entscheidung zur lebenslangen Freiheitsstrafe (BVerfGE 45 187, 253 f) hinsichtlich der „Straftheorien" ausdrücklich abgelehnt, „den Theorienstreit in der Strafrechtswissenschaft von Verfassungs wegen zu entscheiden", und neben dem Schuldausgleich
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auch Prävention, Resozialisierung und Sühne als „Aspekte einer angemessenen Sanktion" anerkannt (ebenso schon BVerfGE 32 98, 109). Für eine völlig „strafzweckoffene" Gestaltung des Strafzumessungsermessens Franke MK § 46 Rdn. 18 damit würde freilich jedes rechtliche Leitkriterium für das strafzumessende Gericht aufgegeben. BGHSt 7 28, 32; 2 0 2 6 4 , 2 6 6 f; 24 132; 2 9 319, 320. In BGHSt 24 4 0 , 42 wird betont, dass „die Strafe nicht die Aufgabe hat, Schuldausgleich um ihrer (sie) selbst willen zu üben, sondern nur gerechtfertigt ist, wenn sie sich zugleich als notwendiges Mittel zur Erfüllung der präventiven Schutzaufgabe des Strafrechts erweist." Zur kritischen Diskussion siehe Bruns Recht der Strafzumessung, S. 105 ff; Hörnle Tatproportionale Strafzumessung, S. 23 ff; Lackner/Kühl § 46 Rdn. 24 ff; Streng NK § 46 Rdn. 97; Streng FS Müller-Dietz S. 875; siehe auch Frisch Festgabe BGH IV, S. 269, 302 ff, der die von der Rechtsprechung berücksichtigten general- und spezialpräventiven Erwägungen zu tatfolgenausgleichsrelevanten Umständen uminterpretiert.
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geben könne (Theorie von der „Punktstrafe"). 1 5 1 Andererseits wird eingewandt, dass sich die in sich heterogenen Präventionsbedürfnisse kaum in konkrete Strafmaße umsetzen ließen. 152 Schließlich wird kritisiert, dass die Rechtsprechung an der Tatschuld auch als Untergrenze der Strafe festhalte und so die Verhängung der präventiv wirksamsten Sanktion in manchen Fällen unmöglich mache. 1 5 3 Ungeachtet dieser Einwände erfüllt die „Spielraumtheorie" für die Rechtsprechung einen Zweck: Sie entlastet die Instanzgerichte von allzu aufwändiger Darlegung ihrer Strafzumessungserwägungen, und sie erspart es gleichzeitig den Revisionsgerichten, eine detaillierte Überprüfung des Abwägungsvorgangs vorzunehmen. 1 5 4 62
c) Tatsächlich dürfte die traditionelle Gegenüberstellung von „absoluten" und „relativen" Theorien ebensowenig wie deren oberflächliche „Vereinigung" den aktuellen Stand der Diskussion zutreffend widerspiegeln. In der seit 2000 wieder stark intensivierten Debatte zeichnet sich eine deutliche Konvergenz der Auffassungen zu einer doppelspurigen Begründung des staatlichen Strafrechts aus Gerechtigkeits- und Nützlichkeitserwägungen ab. Dies kann im Folgenden nur grob skizziert werden. 1 5 5 Es wird dabei zwischen verschiedenen, bei der Erörterung von „Straftheorien" manchmal vermischten Fragestellungen unterschieden: Was „bedeutet" Strafe? Weshalb darf der Staat strafen? Zu welchem Zweck darf er strafen? Nach welchem Maßstab ist die Höhe der Strafe festzulegen?
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aa) Über den Begriff (oder auch die „Struktur" oder das „Wesen") der Strafe156 herrscht weitgehend Einigkeit: Sie ist ein Nachteil, der in einem formalisierten Verfahren gegen den Täter wegen der von ihm begangenen Straftat verhängt wird und die Missbilligung der Rechtsgemeinschaft zum Ausdruck bringen soll. 157 Insofern steckt schon im
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In diesem Sinne etwa Zipf Strafmaßrevision, S. 165 ff; kritisch Günther J Z 1989 1025 f; Neumann FS Spendei, S. 435, 436 ff; Streng NK § 46 Rdn. 105; Streng Strafrechtliche Sanktionen, S. 266. Hörnte Tatproportionale Strafzumessung, S. 29 ff; Lackner FS Gallas, S. 117, 134 f; Horn SK § 46 Rdn. 32; Stratenwerth Was leistet die Lehre von den Strafzwecken? S. 18 f. Siehe demgegenüber § 59 Abs. 1 und 2 Satz 1 AE: „Die Tatschuld bestimmt das Höchstmaß der Strafe. ... Das durch die Tatschuld bestimmte M a ß ist nur insoweit auszuschöpfen, wie es die Wiedereingliederung des Täters in die Rechtsgemeinschaft oder der Schutz der Rechtsgüter erfordert." Dieses Konzept vertritt insbesondere Roxin FS Bruns, S. 194, 197; ders. AT I § 3 Rdn. 54; übereinstimmend Frisch ZStW 99 (1987) 349, 368 f. (im Ansatz anders aber Frisch Festgabe BGH Bd. IV, S. 269, 279 f); eingehend Tomforde Die Zulässigkeit einer Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe; ablehnend z.B. Bruns Neues Straf-
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zumessungsrecht?, S. 36 ff; Dölling FS Schreiber, S. 55, 57; Jescheck/Weigend AT S. 879 f; Streng FS Müller-Dietz, S. 875, 889 f. Zutreffend Hörnle Tatproportionale Strafzumessung, S. 35 f. Aktuelle Darstellungen der Diskussion aus unterschiedlicher Perspektive etwa bei Neumann/Prittwitz (Hrsg.) Kritik und Rechtfertigung des Strafrechts; Pawlik Person, Subjekt, Bürger. Hierzu eingehend Androulakis ZStW 108 (1996) 300; Jung Was ist Strafe? (mit zahlreichen Nachweisen auch der Diskussion in der ausländischen Literatur); siehe auch Volk ZStW 83 (1971) 405. Inhaltlich übereinstimmende Zusammenfassungen bei Meier Strafrechtliche Sanktionen, S. 16; Pawlik Person, Subjekt, Bürger, S. 15 f. Näher zur „symbolisch-expressiven" Bedeutung der Strafe K. Günther FS Lüderssen, S. 205, 218. Dagegen will Roxin AT I § 3 Rdn. 45 das „Wesen" der Strafe ausschließlich aus deren (aus seiner Sicht präventivem) Zweck bestimmen.
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Begriff der Strafe ein retrospektives, auch ein retributives Element. 1 5 8 Das bedeutet freilich noch nicht unbedingt, dass auch der Zweck der staatlichen Strafe in der gerechten Vergeltung gesehen werden dürfte; ob (und gegebenenfalls weshalb) der Staat strafen darf, ist eine gesondert zu erörternde Frage. 1 5 9 bb) Zu der Frage nach der Berechtigung zum Strafen finden sich unterschiedlich akzentuierte Ansichten. Manche Autoren heben - im Anschluss insbesondere an Kant160 den Gedanken hervor, dass der Täter die Strafe als Ausgleich für das begangene Unrecht verdient habe; die Legitimation der Strafe gegenüber dem Täter liege darin, dass er sich gegenüber den rechtstreuen Bürgern einen ihm nicht zustehenden Zugewinn an Freiheit verschafft habe, der ihm wieder genommen werden dürfe. 161 Andere betonen - im Anschluss an Hegel - die Aufgabe, den Selbstwiderspruch der Handlungsmaximen des Täters aufzuheben, der einerseits die Geltung der bestehenden Rechtsnormen zu seinen Gunsten in Anspruch nehme und andererseits durch die Rechtsverletzung zum Ausdruck bringe, dass die übertretene Norm für ihn keine Geltung haben solle. 1 6 2 Verwandte Perspektiven postulieren die Notwendigkeit, das wechselseitige Anerkennungsverhältnis zwischen den Bürgern, das der Täter gegenüber dem Opfer außer Kraft gesetzt hat, durch die soziale Degradierung des Täters wiederherzustellen, 163 oder begründen die Straffälligkeit des Täters damit, dass dieser seinen Mitbürgern die Mitwirkung an der Daseinsordnung von Freiheit versagt habe. 1 6 4
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Bei all diesen Erwägungen steht die Verwirklichung von Gerechtigkeit im Vordergrund, 1 6 5 freilich meist nicht im Sinne der Durchsetzung einer abstrakten Gerechtigkeitsidee um ihrer selbst willen, sondern als Voraussetzung der Freiheit jedes Individuums in der bürgerlichen Gesellschaft. 1 6 6 Insofern besteht allenfalls ein gradueller Unterschied
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Etwas andere Akzente (aufgrund der unterschiedlichen Funktion des Begriffs der Strafe in der EMRK) setzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei der Definition der „Strafe" i.S.v. Art. 6 EMRK. Danach sind drei Kriterien für die Bestimmung einer „Strafe" von Bedeutung: ihre Einordnung in das Rechtsgebiet „Strafrecht", die Art der Zuwiderhandlung und die Art und Schwere der Sanktion; siehe etwa EGMR Urt. v. 8.6.1976, Engel v. Deutschland, Nr. 82, EuGRZ 1976 221, 232; Urt. v. 21.2.1984, Öztürk v. Deutschland, Nr. 50, EuGRZ 1985 62, 67. Eingehend zu dieser Rechtsprechung Appel Verfassung und Strafe, S. 267 ff. Zutreffend Neumann in Neumann/Prittwitz (Hrsg.) Kritik und Rechtfertigung des Strafrechts, S. 89, 99 f. Kants Strafrechtstheorie wird dargelegt z.B. von Kühl Bedeutung der Rechtsphilosophie, S. 30 ff; Zaczyk FS Eser, S. 207, 211 ff. In diesem Sinne etwa Kindhäuser GA 1989 493, 494 ff; siehe auch Weigend FS Miyazawa, S. 549, 556 ff; zahlreiche weitere Nachweise auch aus dem anglo-amerikani-
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schen Schrifttum bei Kalous Positive Generalprävention durch Vergeltung, S. 175. Z.B. Klesczewski Die Rolle der Strafe, S. 368 ff; Köhler AT, S. 48 ff; Schild FS Lenckner, S. 287, 306 ff. Eingehend E. A.Wolff ZStW 97 (1985) 786, 811 ff; kritisch und vertiefend Seelmann ARSP 1993 228; Verbindungslinien zu den anglo-amerikanischen „expressiven" Straftheorien bei H. Kaiser Widerspruch und harte Behandlung. So Pawlik Person, Subjekt, Bürger, S. 83 ff. Das gilt auch für die ganz eigenständige Gerechtigkeitslehre von Lampe Strafphilosophie, S. 47 ff, 246 ff. Streng Strafrechtliche Sanktionen, S. 10 f. Altenhain GS Keller, S. 1 versteht auch Kants eigene Auffassung in dem Sinne, dass durch Vergeltung letztlich das Ziel verfolgt werden solle, den Rechtszustand der (äußeren) Freiheit aller Bürger gegen Übergriffe zu sichern, und stellt so eine Konkordanz zwischen Kant und der generalpräventiven Theorie Feuerbachs her; dies dürfte freilich am Kontext des von Altenhain interpretierten InselBeispiels in Kants Werk vorbeigehen.
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gegenüber jenen Auffassungen, die als Legitimationsgrundlage des staatlichen Strafens explizit soziale Notwendigkeiten zitieren, zur Erreichung des gesellschaftlichen Zwecks des Strafrechts aber die gerechte Bestrafung des Täters als notwendig a n s e h e n . 1 6 7 Die soziale Notwendigkeit eines staatlichen Strafrechtssystems kann in der Erhaltung des sozialen Friedens durch Rechtsgüterschutz oder - konkreter - in der Verhütung von N o r m verstößen durch Abschreckung, letztlich in der Vermeidung von Anomie und Faustrecht (d.h. in der Sprache der idealistischen Philosophie: des Rückfalls aus der bürgerlichen
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Gesellschaft in den Naturzustand) gesehen w e r d e n . 1 6 8 Das Ineinandergreifen von Retribution und sozialer Zwecksetzung lässt sich insbesondere auch in der Theorie der „positiven Generalprävention" aufzeigen, die den Z w e c k der Strafe in der Aufrechterhaltung der N o r m t r e u e der Bevölkerung trotz der Normverletzung durch den Täter s i e h t 1 6 9 und dieses Ziel gerade durch dessen tatproportionale Bestrafung erreichen w i l l . 1 7 0 Die Konvergenz retributiver und präventiver Grundpositionen deutet auf eine doppelspurige Legitimation des staatlichen Strafens hin, 1 7 1 die heute von den meisten Autoren akzeptiert werden k a n n : 1 7 2 Als staatliche Einrichtung ist das Strafrecht (und dessen Durchsetzung) notwendig zur Aufrechterhaltung friedlichen Zusammenlebens, indem Rechtsbrüche verhindert oder jedenfalls minimiert und in den Untergrund gedrängt werden; als Belastung des einzelnen Straftäters rechtfertigt sich Strafe durch den Gedanken
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In diesem Sinne etwa Gropp AT, S. 38; Hassemer/Neumann NK vor § 1 Rdn. 104; Roxin AT I § 3 Rdn. 8; Sch/Schröder/Stree vor § 38 Rdn. 1 f; Schünemann in Eser/Cornils (Hrsg.) Neuen Tendenzen, S. 209, 219 ff; ders. in Schünemann/von Hirsch/ Jareborg (Hrsg.) Positive Generalprävention, S. 109, 115 ff; Rudolphi SK vor § 1 Rdn. 2. Siehe auch die Auffassung von Streng ZStW 101 (1989) 273, 286 ff; ders. Strafrechtliche Sanktionen, S. 15 f, wonach die staatliche Strafe vornehmlich dazu dient, die Bedürfnisse der Bevölkerung nach Bestätigung der verinnerlichten Wertordnung durch Bestrafung des Normverletzers zu kanalisieren. Grundlegend Jakobs AT 1/9 ff. Eingehend zur Nähe dieser Theorie zu retributiven Ansätzen Kalous Positive Generalprävention durch Vergeltung, S. 156, 170, 252 ff; kritisch K. Günther Schuld und kommunikative Freiheit, S. 54 f; Hörnle Tatproportionale Strafzumessung, S. 90 ff; Koriath in: Radtke u.a. (Hrsg.) Muss Strafe sein? S. 49, 55 ff. Ein umfassenderes Verständnis von „positiver Generalprävention" vertritt Hassemer Einführung, S. 324 ff; er bezieht auch die rechtsstaatlichen Formen des Umgangs mit Kriminalität und das Angebot von Resozialisierung in den Normenkomplex ein, zu dem hin sozialisiert werden soll. Das liegt daran, dass ein Strafrechtssystem, das staatliche Strafe explizit und ausschließ-
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lich mit generalpräventiven Erwägungen begründen wollte (z.B.: „Wir bestrafen Menschen nur zum Zweck der Normstabilisierung"), von den Bürgern nicht akzeptiert würde; Bock ZStW 103 (1991) 636, 649 ff; Hörnle/von Hirsch GA 1995 261, 268 ff; Neumann in Neumann/Prittwitz (Hrsg.) Kritik und Rechtfertigung des Strafrechts, S. 89, 104; Pawlik FS Rudolphi, S. 213, 225 ff. Vgl. auch Hassemer FS Lüderssen, S. 221, 226: „Die klügsten Präventiv-Konzepte sind ... die vergeltungsorientierten Strafen; denn nur sie erreichen ihre langfristigen Ziele wirklich." Grundlegend in diesem Sinne bereits Hart Punishment and Responsibility, S. 1, der zwischen dem „General justifying aim" (Generalprävention) und dem Prinzip der „Distribution" von Strafe (Vergeltung) unterscheidet. Vgl. etwa Frisch Festgabe BGH IV, S. 269, 278 f; Schünemann in Schünemann/von Hirsch/Jareborg (Hrsg.) Positive Generalprävention, S. 109, 118 f; Streng Strafrechtliche Sanktionen, S. 23 („Verzahnung von Gerechtigkeit und Normbestätigung"). Anders jedoch die „Vereinigungstheorie" von Roxin AT I § 3 Rdn. 37 ff, die auf retributive Elemente verzichtet und die Legitimation der Strafe ausschließlich in general- und spezialpräventiven Erwägungen sieht.
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der Gerechtigkeit, wonach die Rechtsverletzung durch Zufügung eines fühlbaren Rechtsnachteils bei ihm ausgeglichen wird. cc) Aus der zweigeteilten Begründung für die Institution staatlichen Strafens ergibt sich eine Schwierigkeit für die Frage der Bemessung der Strafe im Einzelfall: Soll sie sich am präventiven sozialen Zweck oder am Gedanken der Tatschuldproportionalität orientieren? Die Antwort fällt, da rein präventionsorientierte Sanktionen häufig dem fundamentalen Gerechtigkeitsgefühl nicht nur des Sanktionierten, sondern auch der Allgemeinheit widersprächen, meist im Sinne der Tatschuldproportionalität aus. 1 7 3 Denjenigen Autoren, die bei der Begründung der Institution Strafe in erster Linie auf den Gerechtigkeitsgedanken rekurrieren (oben Rdn. 64), fällt es nicht schwer, das Postulat tatschuldproportionaler Bestrafung mit ihrem Ausgangspunkt zur Deckung zu bringen: So wie die Strafe im allgemeinen soll auch die Strafmaßbestimmung im besonderen der Verwirklichung von gerechtem Schuldausgleich dienen. 1 7 4 Im Ansatz ähnlich argumentieren auch die Vertreter der insbesondere auf von Hirsch zurückgehenden Auffassung, 1 7 5 die den reprobativen Charakter der Strafe betonen: Auch danach liegt es nahe, dass das Gewicht des in der Strafe zum Ausdruck kommenden Tadels dem Gewicht des verschuldeten Unrechts zu entsprechen hat. 1 7 6 Aus dieser Perspektive fällt allerdings (generell) die Begründung dafür schwer, dass der Täter nicht nur öffentlich getadelt, sondern zusätzlich mit einer Einbuße an Freiheit oder Eigentum belegt wird. 1 7 7 Soweit man zur Rechtfertigung des „hard treatment" doch wieder auf den Gedanken der Generalprävention zurückgreift, ist es nicht ganz stringent, ohne weiteres anzunehmen, dass das Strafübel wiederum tatproportional auszufallen habe. 1 7 8 Insoweit verschärft sich das Argumentationsproblem bei jener (in Deutschland überwiegenden) Auffassung, die die ratio der staatlichen Strafe primär in ihren präventiven Zwecksetzungen sieht (oben Rdn. 65). Wer dies vertritt, muss einen Bruch in der Argumentation hinnehmen, wenn er die Strafzumessung im Einzelfall nicht am jeweiligen Präventionsbedürfnis, sondern an der Tatschuld orientiert. 1 7 9 Dieser Schwierigkeit versucht man mit unterschiedlichen Strategien zu begegnen. Teilweise wird behauptet, die schuldgerechte Strafe sei selbstverständlich auch die generalpräventiv wirksamste; 1 8 0 teilweise wird das Schuldmaß aus rechtsstaatlichen Gründen bewusst als externe Größe zur Begrenzung der sonst tendenziell uferlosen
173 Yg] aber ßaurmann Zweckrationalität und Strafrecht, mit Argumenten für ein nicht schuldorientiertes Maßnahmenrecht. 174
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Eingehend Köhler Über den Zusammenhang; siehe auch Köhler AT, S. 38; Pawlik Person, Subjekt, Bürger, S. 91. Grundlegend von Hirsch Past or Future Crimes, S. 29 ff; ders. Fairness, Verbrechen und Strafe, S. 41 ff. von Hirsch Censure and Sanctions, S. 6 ff; Hörnle Tatproportionale Strafzumessung, S. 114 ff; Walther Vom Rechtsbruch zum Realkonflikt, S. 198 ff, 2 8 9 ff. Hörnle Tatproportionale Strafzumessung, S. 122 f begründet die Zufügung des Strafübels (jedenfalls für schwere Delikte) mit dem plausiblen Gedanken, dass die expressive Funktion der Tadelsstrafe unterlaufen
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würde, wenn es angesichts schweren Unrechts bei der bloßen Deklaration bliebe; ähnlich (von einem anderen Ausgangspunkt aus) Jakobs Staatliche Strafe. Von Hirsch selbst (in Schünemann/von Hirsch/Jareborg [Hrsg.], Positive Generalprävention, S. 101, 104 f.) begründet die Notwendigkeit der Übelszufügung mit generalpräventiven Erwägungen (zu diesem „synkretistischen" Zug in von Hirschs Theorie kritisch Pawlik Person, Subjekt, Bürger, S. 52). So aber von Hirsch in: Schünemann/von Hirsch/Jareborg (Hrsg.) Positive Generalprävention, S. 101, 104 f. Pawlik FS Rudolphi, S. 213, 218 ff. So z.B Jescheck LK 1 1 Einl. Rdn. 23, 27; weitere Nachweise oben bei Rdn. 60.
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präventiven Sanktionierung eingeführt. 1 8 1 Schließlich wird auch versucht, die Strafbemessung im Einzelfall unmittelbar an dem (präventiven) Ziel der Normstabilisierung zu orientieren 1 8 2 - ein Versuch, der mangels empirischer Feststellungsmöglichkeiten zu der Frage, welchen Sanktionsquantums es in concreto zur Normstabilisierung bedarf, zwangsläufig zu willkürlichen Ergebnissen führen muss. 1 8 3 68
dd) Vergleichsweise geringe (theoretische) Schwierigkeiten macht die Berücksichtigung spezialpräventiver Erwägungen bei der Bestrafung des Täters. Einigkeit besteht heute darin, dass einerseits eine „Zwangsbehandlung" von Straftätern, selbst wenn sie spezialpräventiv wirksam konzipiert werden könnte, unzulässig ist und dass andererseits die wenigsten staatlichen Strafen die (Wieder-)Eingliederung des Täters in die soziale Gemeinschaft positiv zu fördern vermögen. Resozialisierung erwachsener Straftäter durch staatliche Strafe ist daher nur in engen Grenzen vorstellbar, etwa bei der Auferlegung gemeinnütziger Arbeitsleistungen (vgl. § 5 6 Abs. 2 Nr. 3 StGB, Art. 2 9 3 EGStGB). Wenn man dennoch - mit dem Bundesverfassungsgericht - dem Verurteilten einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Resozialisierungsbemühungen des Staates einräumen will, 1 8 4 so kann dies nur bedeuten, dass beim Vollzug der Freiheitsstrafe die desozialisierenden Wirkungen des Freiheitsentzugs so gering wie möglich zu halten sind und dass dem Verurteilten Angebote zur Aus- und Fortbildung sowie zur Bekämpfung von psychischen Problemen und Abhängigkeiten gemacht werden müssen. 1 8 5 Außerdem sprechen spezialpräventive Erwägungen dafür, es wenn immer möglich bei ambulanten Sanktionen zu belassen, kann doch die Fähigkeit zur verantwortlichen Wahrnehmung von Freiheit am allerwenigsten im Zustand der Unfreiheit erlernt werden.
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Prononciert in diesem Sinne Roxin AT I § 3 Rdn. 51 ff; ähnlich Schiinemann in Schünemann/von Hirsch/Jareborg (Hrsg.) Positive Generalprävention, S. 109, 115 f; Streng Strafrechtliche Sanktionen, S. 30; vgl. auch Calliess FS Müller-Dietz, S. 99, 112 ff (für das Verhältnis Spezialprävention/Tatschuld). So insbesondere Frisch Festgabe BGH IV, S. 2 8 0 f, 2 9 0 f (obwohl Frisch noch wenige Jahre zuvor den Ansatz, man könne den Täter zur Behebung des „Geltungsschadens" heranziehen und die Sanktion nach der Größe dieses Schadens bemessen, - mit Recht - als „wenig überzeugend" bezeichnet hatte; so in Schünemann/von Hirsch/Jareborg [Hrsg.], Positive Generalprävention, S. 125, 138). Wie Frisch erstaunlicherweise auch Pawlik Person, Subjekt, Bürger, S. 93 f. So mag man es mit Frisch Festgabe BGH IV, S. 281, 285, 295 für richtig halten, bei einer Häufung von Straftaten oder bei einschlägigem Rückfall höhere Strafen und bei geständigen Tätern niedrigere Strafen zu verhängen - dies mit dem Ausmaß der „Absage an die Rechtsordnung" (aaO, S. 290, 291) oder mit der jeweils gesteigerten oder abgesenk-
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ten Notwendigkeit zur „Aufrechterhaltung des Rechtszustandes" (S. 281) begründen zu wollen liefe aber darauf hinaus, ein konkretes Strafmaß an ein Spiel mit Worten zu knüpfen. Ablehnend auch Schünemann in Schünemann/von Hirsch/Jareborg (Hrsg.) Positive Generalprävention, S. 109, 119; Stratenwerth Was leistet die Lehre von den Strafzwecken?, S. 18 f; E. A. Wolff ZStW 97 (1985) 786, 803 f. Nach BVerfGE 98 169, 200 f (im Anschluss an BVerfGE 35 202, 235; 45 187, 239) hat der Gefangene aus dem Grundsatz der Menschenwürde und aus dem Sozialstaatsprinzip einen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass der Staat bei seinen Maßnahmen dem Ziel der Resozialisierung Rechnung trägt. Näher Hassemer FS Lüderssen, S. 221, 223 ff; Lüderssen JA 1991 222; Roxin AT I § 3 Rdn. 39; Weigend in Radtke u. a. (Hrsg.) Muss Strafe sein?, S. 181, 185 ff; mit Recht skeptisch hinsichtlich der Bereitschaft der (Fiskal-)Praxis zur Umsetzung des Resozialisierungsgebots Leyendecker (Re-)Sozialisierung und Verfassungsrecht, S. 335.
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V. Die Mittel des Strafrechts: Strafen und Maßregeln
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3. a) Unter den Strafen steht die Freiheitsstrafe als schwerste Sanktion in der Aufzählung des Gesetzes an der Spitze (§§ 38 f). Ihre Mindestdauer ist ein M o n a t und das Maximum 15 Jahre, wenn nicht das Gericht eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt (§ 38). Die lebenslange Freiheitsstrafe ist allerdings nur bei Mord (§ 211) und Völkermord (§ 6 VStGB) verbindlich vorgeschrieben, 1 8 6 bei wenigen anderen schweren Straftaten (z.B. Raub und Brandstiftung jeweils mit Todesfolge, §§ 251, 3 0 6 c ) als Alternative zugelassen. Kurze Freiheitsstrafen unter sechs Monaten sieht der Gesetzgeber als spezialpräventiv besonders schädlich an; sie sollen nur verhängt und vollstreckt werden, wenn besondere Umstände dies gebieten (§§ 47, 5 6 Abs. 1 und 3). Tatsächlich bildet die Verhängung von Freiheitsstrafen in der gerichtlichen Praxis eher die Ausnahme als die Regel: Im Jahre 2 0 0 4 erhielten von allen verurteilten Erwachsenen (ohne Verkehrsstraftäter) 23 % eine Freiheitsstrafe; jedoch mussten nur 7 % aller Verurteilten die Freiheitsstrafe sogleich verbüßen, während bei den übrigen die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. 1 8 7 Für schwere Delikte und für (mehrfache) Wiederholungstäter erweist sich die Freiheitsstrafe jedoch mangels brauchbarer Alternativen nach wie vor als unentbehrlich; sie wird nicht zu Unrecht als „Rückgrat" des Sanktionensystems bezeichnet. 1 8 8 Der Anteil der Freiheitsstrafen an allen gerichtlich verhängten Sanktionen ist seit Beginn der 1990er Jahre angestiegen. Am 3 1 . 3 . 2 0 0 5 befanden sich über 6 3 . 0 0 0 Personen (1995: 4 6 . 0 0 0 Personen) im Erwachsenen-Strafvollzug. 1 8 9
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b) Bei etwa zwei Drittel aller Freiheitsstrafen wird die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit der Einführung dieser Möglichkeit im Jahre 1953 (nachdem sie im Jugendkriminalrecht schon seit 1 9 2 3 bestanden hatte) griff der deutsche Gesetzgeber einen Gedanken auf, der schon lange zuvor in der Reformbewegung des beginnenden 2 0 . Jahrhunderts propagiert worden war. 1 9 0 Unter den verschiedenen Modellen einer (durch Legalbewährung) bedingten Strafverschonung wurde in Deutschland ein vergleichsweise restriktives verwirklicht: Der Täter wird zu einer bereits endgültig festgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt, lediglich ihre Vollstreckung wird bedingt ausgesetzt; zusätzlich erhält der Täter häufig Auflagen (etwa einen Geldbetrag zu bezahlen) oder Weisungen. 1 9 1 Erfüllt der Verurteilte die Bedingungen der Strafaussetzung, so wird ihm die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen (§ 56g Abs. 1); verübt er jedoch eine neue Straftat oder verstößt er in schwerwiegender Weise gegen die ihm erteilten Auflagen oder Weisungen, so wird die Strafaussetzung widerrufen und die Vollstreckung der Strafe angeordnet (§ 5 6 f ) . 1 9 2 Demgegenüber werden in den anglo-amerikanischen Rechtsordnun-
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186 D ¡ e Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung war umstritten, ist aber in BVerfGE 4 5 187 (siehe dazu Jescheck/Triffterer [Hrsg.], Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswidrig?) insgesamt bestätigt worden; zur Kritik siehe Laubenthal Lebenslange Freiheitsstrafe; Weber Die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe. 187
Berechnet nach Statistisches Bundesamt Rechtspflege. Strafverfolgung (Fachserie 10, Reihe 3), S. 144 (online-Version).
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Statistisches Bundesamt Rechtspflege. Strafvollzug (Fachserie 10, Reihe 4 . 1 ) , S. 6 (online-Version). Zur Vorgeschichte der Strafaussetzung zur
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L K 1 1 Einl. Rdn. 8 2 . 192
Bewährung in Deutschland Kürzinger in Jescheck (Hrsg.) Die Freiheitsstrafe und ihre Surrogate, S. 1737, 1 8 6 8 ff. Die Rechtsprechung (BGHSt 2 4 4 0 , 4 3 ) sieht die Strafaussetzung konsequenterweise als bloße „Modifikation der Strafvollstreckung" an, wenngleich sie faktisch zu einer ambulanten Behandlung des Täters führt. Nachweise zu unterschiedlichen Auffassungen zur Rechtsnatur der Bewährungsaussetzung bei Maurach/Gössel/Zipf AT 2 S. 6 3 7 f. In rund einem Drittel der Fälle wird die Strafaussetzung widerrufen; siehe die Zeitreihen bei Eisenberg Kriminologie, S. 5 3 8 .
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gen eigenständige a m b u l a n t e Bewährungssanktionen (in England „ c o m m u n i t y o r d e r s " , in den USA „ p r o b a t i o n " ) verhängt. D a s Gericht beschränkt sich dort zunächst auf einen Schuldspruch und auf die Festlegung von M a ß g a b e n für die künftige Lebensführung des Verurteilten, zu denen meist die Unterstellung unter die Aufsicht eines Bewährungshelfers gehört. Bei Misslingen der Bewährung wird dann eine neue Sanktion festgelegt, die auch in einem Freiheitsentzug bestehen k a n n . 1 9 3 71
Eine Strafaussetzung zur Bewährung ist zulässig bei Freiheitsstrafen bis zu zwei J a h ren. Sie setzt generell die Erwartung voraus, dass der Verurteilte „ a u c h ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten m e h r begehen w i r d " (§ 5 6 Abs. 1 Satz 1). Liegt die verhängte Freiheitsstrafe höher als ein J a h r , so müssen außerdem nach einer G e s a m t würdigung von Tat und T ä t e r „besondere U m s t ä n d e " vorliegen, die für eine Strafaussetzung sprechen (§ 5 6 Abs. 2 ) . 1 9 4 Auch wenn eine Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann, sondern vollstreckt werden muss, besteht nach § 5 7 die M ö g lichkeit, einen Strafrest zur Bewährung auszusetzen. 1 9 5 Dies ist frühestens - bei Erstverbüßern oder bei Vorliegen „besonderer U m s t ä n d e " - nach der Hälfte der Strafzeit möglich (§ 5 7 Abs. 2 ) ; im Regelfall erfolgt eine Strafrestaussetzung, wenn zwei Drittel der Strafe verbüßt sind. Voraussetzung ist stets, dass die Entlassung aus dem Strafvollzug „unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden k a n n " (§ 5 7 Abs. 1 Nr. 2 ) . Im Übrigen hat das Gericht die gleichen M ö g l i c h k e i t e n wie bei der anfänglichen Strafaussetzung zur Bewährung, dem T ä t e r Auflagen und Weisungen zu erteilen, insbesondere ihn einem Bewährungshelfer zu unterstellen. Auch lebenslange Freiheitsstrafen k ö n n e n nach frühestens 15 Jahren Verbüßungszeit zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 5 7 a ) ; hier besteht allerdings die weitere Voraussetzung, dass nicht die besondere Schwere der Schuld - die schon v o m erkennenden Gericht bei der Verurteilung festzustellen ist (BVerfGE 8 6 2 8 8 , 3 1 5 ff) - einer frühzeitigen Bewährungsaussetzung entgegensteht (§ 5 7 a Abs. 1 Nr. 2 ) .
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c) M e h r als 8 0 % der im J a h r e 2 0 0 4 verurteilten Straftäter erhielten eine Geldstrafe. 1 9 6 Die Geldstrafe bildet also bei der großen M e h r z a h l der abgeurteilten Straftaten die einzige S a n k t i o n . 1 9 7 Im Ganzen bewährt hat sich die 1 9 7 5 eingeführte Verhängung der Geldstrafe nach Tagessätzen (§ 4 0 ) , durch die die Opfergleichheit bei T ä t e r n mit unterschiedlichen Vermögensverhältnissen hergestellt werden soll: Die zu bezahlende S u m m e ergibt sich aus der nach den Gesichtspunkten von § 4 6 zu bemessenden Anzahl der Tagessätze multipliziert mit der nach dem individuellen N e t t o - E i n k o m m e n festzuset-
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Zu community orders nach englischem Recht (Criminal Justice Act 2003) siehe den Überblick in Blackstone's Criminal Practice 2 0 0 6 , S. 2 0 3 3 ff; ferner Easton/Piper Sentencing and Punishment, S. 269 ff; zu probation in den USA siehe die Beiträge vom MacKenzie, Cohen und Latessa in Dressler (Hrsg.) Encyclopedia of Crime and Justice Bd. 3, S. 1210 ff. Vorschläge zu einem Übergang zu dem anglo-amerikanischen System bei Horn J Z 1992 828, 829 ff; Weigend GA 1992 345, 361 ff. Zu den Voraussetzungen der Strafaussetzung eingehend Streng Strafrechtliche Sanktionen, S. 78 ff.
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Grundlegende Überlegungen hierzu bei Frisch ZStW 102 (1990) 707, 715 ff. Berechnet nach Statistisches Bundesamt Rechtspflege. Strafverfolgung (Fachserie 10, Reihe 3), S. 144, 176 (online-Version). Hinzu kommt 1 % der Verurteilten, bei denen die Verurteilung zu einer Geldstrafe nach § 59 vorbehalten wurde; aaO, S. 228. Nach § 41 kann eine Geldstrafe auch neben einer Freiheitsstrafe verhängt werden, doch macht die Praxis von dieser Möglichkeit nicht häufig Gebrauch.
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V. Die Mittel des Strafrechts: Strafen und Maßregeln
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zenden Höhe des Tagessatzes. 198 Bei einer einzelnen Tat darf das Gericht mindestens fünf und höchstens 360 Tagessätze verhängen (§ 40 Abs. 1 Satz 2); tatsächlich lagen 81 % der im Jahre 2004 verhängten Geldstrafen im Bereich zwischen 16 und 90 Tagessätzen. 199 d) Falls der Verurteilte die Geldstrafe nicht innerhalb angemessener Frist 2 0 0 zahlt, wird sie beigetrieben. Bleibt dieser Versuch erfolglos, so tritt an die Stelle der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe, wobei ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe entspricht (§ 43). 201 Am 31.3.2006 befanden sich über 4.000 Personen (das waren 7 % aller Gefangenen) im Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe. 202 Um die Zahl der rechts- und sozialpolitisch unerwünschten Vollstreckungen der Ersatzfreiheitsstrafe zu reduzieren, wird nach dem Recht der Länder auf der Grundlage von Art. 293 EGStGB die Möglichkeit eröffnet, anstelle der Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Arbeit zu leisten. 203 Seit Ende der 1990er Jahre wurde in Gesetzentwürfen verschiedentlich vorgeschlagen, die gemeinnützige Arbeit als Alternative zur Geldstrafe und auch zu einer vollstreckbaren kurzfristigen Freiheitsstrafe in das Strafgesetzbuch aufzunehmen; 2 0 4 diese Vorschläge wurden bisher nicht umgesetzt. Die Probleme einer selbständigen Sanktion „Gemeinnützige Arbeit" liegen teilweise bei dem verfassungsrechtlichen Verbot der Zwangsarbeit (Art. 12 Abs. 3 GG), hauptsächlich aber bei der praktischen Umsetzung dieser Sanktion mit einer Klientel, der es teilweise an der Motivation oder auch an der Fähigkeit zu regelmäßiger Arbeit mangelt; diese Sanktion erfordert deshalb einiges an (personellem und fiskalischem) Aufwand.
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4. Neben den an der Tatschuld orientierten Strafen sieht das Strafgesetzbuch eine Reihe von Maßregeln der Besserung und Sicherung vor (§§ 61 ff). Die Idee von Sanktionen, die schuldunabhängig auf die Bekämpfung der von dem Täter ausgehenden Gefährlichkeit abzielen, geht auf den Schweizer Strafrechtler Carl Stooß zurück 2 0 5 und fand sich schon in den Reformentwürfen der Weimarer Zeit. Sie wurde jedoch erst mit dem Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933 (RGBl. I S. 995) in das Strafgesetzbuch eingeführt. 2 0 6 Die Forderung nach der Schaffung schuldunabhängiger Maßregeln gründete darauf, dass die strafrechtliche Reaktion nach den Lehren der „Modernen Schule" (siehe oben Rdn. 24) in erster Linie der spezialpräventiven Einwirkung auf den Täter dienen sollte; da für die Strafe die Bindung an die Tatschuld beibehalten wurde und sie den Zweck der Verbrechensprävention daher nicht in allen Fällen erfüllen konnte, wollte man sie durch weitere Sanktionen ergänzen. M a n gelangte so zu einem System der „Zweispurigkeit" der strafrechtlichen Sanktionen.
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Problematisch ist die Bemessung des Tagessatzes bei Tätern mit sehr hohem Einkommen oder Vermögen einerseits und bei Verurteilten ohne eigenes Einkommen andererseits; siehe dazu Radtke MK s 40 Rdn. 67 ff; Sch/Schröder/Stree § 40 Rdn. 8 ff; Streng Strafrechtliche Sanktionen, S. 62 ff. Berechnet nach Statistisches Bundesamt Rechtspflege. Strafverfolgung (Fachserie 10, Reihe 3), S. 176 (online-Version). Das Gericht kann auch die Möglichkeit einräumen, die Geldstrafe in Raten zu bezahlen (§42). Zur Problematik der Ersatzfreiheitsstrafe Seebode FS Böhm, S. 519; instruktiv Villmow FS Kaiser, S. 1291.
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Berechnet nach Statistisches Bundesamt Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten, Stand 12.5.2006, S. 3 (online-Version). Siehe dazu Feuerhelm Stellung und Ausgestaltung; ders. in Jehle (Hrsg.) Täterbehandlung und neue Sanktionsformen, S. 323; Laun Alternative Sanktionen, S. 213 ff; Streng ZStW 111 (1999) 827, 837 ff. Überblick bei Rautenberg NJ 1999 449, 451 ff; kritisch Helgerth/Krauß ZRP 2001 281; Weßlau StV 1999 278, 281 ff; Wolters ZStW 114 (2002) 63, 72 ff. Stooß SchwZStrR 18 (1905) 1. Zur historischen Entwicklung des Maßregelrechts Eser FS Müller-Dietz, S. 99.
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Einleitung
a) Die Frage der Legitimation einer besonderen Sanktionsform neben der Strafe spitzt sich auf die Frage zu, ob der Staat berechtigt ist, im Zusammenhang mit einer Straftat zwecks Verhinderung eines Rückfalls des Täters Maßnahmen zu ergreifen, die nicht bereits durch den spezialpräventiven Spielraum innerhalb der schuldadäquaten Strafe abgedeckt sind. Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, dass Strafe und Maßregel gleichermaßen ahndende wie individualpräventive Funktionen haben; deshalb könne man von einer strikten „Zweispurigkeit" von schuldvergeltender Strafe und gefährlichkeitsbekämpfender Maßregel nicht (mehr) sprechen. 2 0 7 Diese Einsicht ist zwar empirisch richtig, verschärft aber nur das Legitimationsproblem; denn wenn man der Maßregel ahndende Funktionen zuweist, ist ihre Verhängung mit dem Schuldgrundsatz nicht vereinbar, soweit sie gegen schuldunfähige Personen verhängt wird oder das mit ihr verbundene Übel über das schuldadäquate M a ß hinausgeht. 2 0 8 Tatsächlich lässt sich die Existenz von strafrechtlichen Maßregeln, deren präventiver Charakter eher ins Polizeirecht weist, nicht leicht begründen. Zu ihrer Legitimation reicht jedenfalls die (nicht näher begründete) Annahme nicht aus, der gefährliche Straftäter habe seinen Freiheitsanspruch „verwirkt". 2 0 9 Auch die Behauptung, Maßregeln seien eben notwendig, da die Strafe nur bei schuldhaftem Verhalten verhängt werden dürfe und damit das Bedürfnis nach Sicherung der Allgemeinheit nicht vollständig erfülle, 210 greift zu kurz, da nicht jedes Bedürfnis auf Kosten eines (hier u.U. sogar schuldlosen) Individuums befriedigt werden darf. Zurückgreifen kann man allenfalls auf die Erwägung, dass der Staat zum Schutz gefährdeter wichtiger Interessen von Individuen und der Allgemeinheit verpflichtet ist und deshalb die Möglichkeit haben muss, Gefahrenquellen zu neutralisieren, in Ermangelung anderer Alternativen auch durch Beschränkung der Freiheit Einzelner; 211 aus Gründen des Sachzusammenhanges ist es sinnvoll, die hierzu notwendigen Maßnahmen gegenüber einem Straftäter innerhalb des ohnehin gegen ihn durchgeführten Strafverfahrens zu prüfen und anzuordnen. Aus der notstandsähnlichen Grundlage 2 1 2 des Rechtsinstituts der Maßregel folgt, dass ihre Anwendung nicht nur dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterliegt (siehe § 62), 2 1 3 sondern auch schon im gesetzlichen Modell an enge Voraussetzungen gebunden werden muss, die die Gefährlichkeit des Täters sowie die Wirksamkeit der Maßregel zur Rückfallprophylaxe verlässlich indizieren. Die Regelungen des Strafgesetzbuchs werden diesem Postulat nicht in jeder Hinsicht
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In diesem Sinne etwa Böllinger/Pollähne
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So etwa Welzel Strafrecht, S. 245: „Wer dieser inneren, von sittlicher Selbstbestimmung gelenkten Freiheit überhaupt nicht fähig (wie Geisteskranke) oder infolge von schlechten Anlagen, Lastern und Gewohnheiten nicht mehr hinreichend mächtig ist, kann die volle soziale Freiheit nicht beanspruchen."
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So z.B. Sch/Schröder/Stree vor § 61 Rdn. 1.
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Grundlegend hierzu Frisch ZStW 102 (1990) 343, 367 ff; siehe auch Jescheck/Weigend AT, S. 802 f; Meier Strafrechtliche Sanktionen, S. 221. Vgl. Streng Strafrechtliche Sanktionen, S. 151 („eine Art Notstandsmaßnahme der Gemeinschaft"). Vgl. dazu Dessecker Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit.
§ 61 Rdn. 20 ff; Roxin AT I § 3 Rdn. 64 ff
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(unter berechtigtem Hinweis auf die Möglichkeit des Austauschs von Strafe und Maßregel nach § 67 Abs. 4); Schüler-Springorum FS Roxin, S. 1021; Horn SK § 61 Rdn. 4 ff. Oft wird speziell hinsichtlich der Sicherungsverwahrung Kohlrauschs (ZStW 44 [1924], S. 33) Wort vom „Etikettenschwindel" zitiert - in Wirklichkeit handle es sich um eine Strafe. So konsequent Köhler AT, S. 55, der Maßregeln in Bezug auf „vernünftige", d. h. schuldfähige Personen ablehnt. Zusammenfassung der Kritik am Maßregelsystem bei Hanack LK 11 vor § 61 Rdn. 13 ff; Verteidigung bei Kaiser Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise?
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gerecht. Insbesondere wird die stets prekäre Gefahrprognose, 2 1 4 wenn nur eine einzige Anlasstat vorliegt, ganz dem Ermessen des Gerichts überlassen (§§ 63, 64; auch § 66 Abs. 3 Satz 2 - zwei gleichzeitig abgeurteilte Taten) oder sogar gesetzlich vermutet (§ 69 Abs. 2). 215 Der Zweck der Maßregeln liegt darin, der in der Tat hervorgetretenen Gefährlichkeit des Täters durch therapeutische oder sichernde Eingriffe zu begegnen. Da es nur um die in Zukunft drohenden Gefahren geht, ist es konsequenterweise unerheblich, ob die abzuurteilende Tat im Zustand der Schuldfähigkeit begangen wurde. Maßregeln dürfen daher auch bei rechtswidrigen Taten schuldunfähiger Täter angeordnet werden, und die zulässige Schwere des mit ihnen verbundenen Eingriffs ist auch nicht am M a ß etwaiger Tatschuld, sondern an den Kriterien der Geeignetheit, (relativen) Erforderlichkeit und Angemessenheit zu messen. Gleichzeitig fehlt der Maßregel die Komponente des Tadels. 216
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b) Grundsätzlich können Maßregeln bei schuldfähigen Tätern auch neben einer Strafe verhängt werden. Da aber insbesondere die freiheitsentziehenden therapeutischen Maßregeln gleichzeitig eine sehr erhebliche Rechtseinbuße für den Verurteilten bedeuten, sieht das Gesetz für den Regelfall vor, dass eine Unterbringung nach § 63 oder § 64 vor der Strafe vollstreckt wird und dass die in der Unterbringung verbrachte Zeit teilweise auf die Strafe angerechnet wird, so dass der Täter häufig unmittelbar nach Abschluss des Maßregelvollzuges zur Bewährung entlassen werden kann (§ 67 Abs. 4 und 5 - sog. Vikariieren der Maßregel). Für die schwerwiegendste der freiheitsentziehenden Maßregeln, die Sicherungsverwahrung (§ 66), ist diese Möglichkeit allerdings nicht vorgesehen, da sie gerade auf den Schutz vor Tätern abzielt, deren Gefährlichkeit auch nach der Verbüßung einer Freiheitsstrafe andauert.
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Ihren Zweck sollen die Maßregeln durch „Besserung" (d.h. quasi-therapeutische EinWirkung) und „Sicherung" (d.h. Entzug der Freiheit oder bestimmter Befugnisse wie z.B. der Fahrerlaubnis) erreichen. Diese beiden Mittel sind nicht strikt voneinander zu trennen, 217 prägen aber doch die vorhandenen Maßregeln in unterschiedlichem Maße. Im Schwerpunkt therapeutische Maßregeln sind die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64); bei allen übrigen Maßregeln - Sicherungsverwahrung (§ 66), Führungsaufsicht (§ 68), Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69) und Berufsverbot (§ 70) - steht dagegen das Element des sichernden Schutzes vor dem Täter im Vordergrund. Die therapeutischen Maßregeln nach § 63 und § 64 können auch zur Bewährung ausgesetzt werden, und zwar bei ihrer Anordnung durch das erkennende Gericht (§ 67b), vor Beginn ihres Vollzugs, wenn eine Freiheitsstrafe vorab vollstreckt wurde (§ 67c Abs. 1) und auch während ihres Vollzuges (§ 67e). Dadurch soll sichergestellt werden, dass eine therapeutische Maßregel nur dann und nur solange vollstreckt wird wie dies zur Erfüllung ihres Besserungszwecks notwendig ist. Auch die Sicherungsverwahrung kann vor oder während ihrer Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 66 iVm § 67c Abs. 1, 67d Abs. 2 und 3). Die Aussetzung darf allerdings bei allen stationären Maßregeln nach § 67d Abs. 2 nur erfolgen, wenn „zu erwar-
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Vgl. hierzu eingehend Hanack LK 11 vor § 61 Rdn. 108 ff. Kritisch zu den weiten Voraussetzungen der Maßregelverhängung auch Frisch ZStW 112 (1990) 370 ff.
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AA Roxin AT I § 3 Rdn. 69, der meint, diese Auffassung widerstreite der Lebenswirklichkeit. Hanack LK 11 vor § 61 Rdn. 23.
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Einleitung
ten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird". 2 1 8 79
c) Im Mittelpunkt der Diskussion seit Mitte der 1990er Jahre steht die Maßregel der Sicherungsverwahrung. Obwohl die Legitimität dieser rein sichernden Maßregel besonders zweifelhaft ist und die Praxis von ihr nur noch wenig Gebrauch machte, hat der Gesetzgeber ihren Anwendungsbereich ausgebaut: 219 Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten v. 26.1.1998 (BGBl. S. 160) wurden die Voraussetzungen für die Verhängung der Maßregel erweitert und eine unbefristete Verwahrung schon bei der ersten Verurteilung ermöglicht; durch weitere Gesetze 220 wurde dann zunächst die Möglichkeit geschaffen, dass das erkennende Gericht die spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung im Urteil vorbehält (§ 66a), und schließlich, dass die Maßregel noch während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe auch ohne Vorbehalt im Urteil nachträglich angeordnet wird (§ 66b). Das Bundesverfassungsgericht hat einen Verstoß der zeitlich unbegrenzten Sicherungsverwahrung gegen die Menschenwürde und das Grundrecht auf Freiheit (Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verneint, dabei jedoch hervorgehoben, dass auch für Sicherungsverwahrte Resozialisierungsangebote gemacht werden müssen und dass ihnen günstigere Vollzugsbedingungen als Strafgefangenen zu gewähren sind (BVerfGE 109 133, 154 f, 166 f). Am 31.3.2006 befanden sich 380 Personen im Vollzug der Sicherungsverwahrung. 221
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5. Von stark zunehmender praktischer Bedeutung sind die Maßnahmen des Verfalls von Gewinnen aus Straftaten ( § § 7 3 ff) sowie der Einziehung von Gegenständen, die bei der Begehung von Delikten verwendet wurden (§§ 74 ff). Diese Sanktionen stehen gewissermaßen auf dem Schnittpunkt zwischen schuldbezogenen Strafen und schuldunabhängigen Maßnahmen, sind aber eher zu letzteren zu rechnen.
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a) Durch das Rechtsinstitut des Verfalls soll verhindert werden, dass Verbrechensgewinne dem Täter erhalten bleiben; das Erlangte soll vielmehr entweder dem Opfer zurückerstattet werden oder an die Staatskasse gehen. Der mit dieser Zusatz-Sanktion ursprünglich intendierte Gedanke der Quasi-Kondiktion erhält allerdings dadurch ein stark pönales Element, dass nach § 73 Abs. 1 nicht nur der Netto-Gewinn aus der Tat, sondern alles „Erlangte" (unabhängig von einer durch den Täter erbrachten Gegenleistung, etwa eines Kaufpreises für erworbenes Rauschgift) für verfallen erklärt wird. Dessenungeachtet soll der Verfall nach der Rechtsprechung auch bei einer bloß rechtswidrigen, nicht schuldhaft begangenen Tat und auch gegenüber einem selbst unschuldi-
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Der Gesetzgeber hat mit dieser Formulierung - die eine eigentlich in dieser Form nicht mögliche „Wohlverhaltensgarantie" für die Aussetzung verlangt - bewusst einen strengen Maßstab aufgestellt. Dennoch wird man die Fortführung der Vollstreckung der Maßregel nur verantworten können, wenn bei der Überprüfung (erneut) eine negative Bewährungsprognose gestellt werden muss; ebenso Horn SK § 67d Rdn. 8; Tröndle/ Fischer § 67d Rdn. 6; noch weitergehend (auf der Basis der früheren Rechtslage) Frisch ZStW 102 (1990) 707, 787 ff. Eingehend Laubenthal ZStW 116 (2004) 703; siehe auch die umfassende Unter-
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suchung von Kinzig Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand. Gesetz v. 21.8.2002 (BGBl. I S. 3344) und Gesetz v. 23.7.2004 (BGBl. I S. 1838); siehe hierzu Kinzig NStZ 2004 655. Statistisches Bundesamt Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten, Stand 12.5.2006 S. 4 (online-Version). Gegenüber dem Jahr 2000, als sich am Stichtag 31.3. nur 219 Personen in Sicherungsverwahrung befanden, hat die Zahl deutlich zugenommen.
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V. Die Mittel des Strafrechts: Strafen und Maßregeln
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gen Drittbeteiligten (§ 73 Abs. 3) ohne Verstoß gegen das Schuldprinzip angeordnet werden dürfen, da das Ziel der Maßnahme präventiv (bzw. „vermögensordnend", BVerfGE 110 1, 18) und nicht retributiv sei. 222 Dabei wird allerdings der vom Gesetzgeber deklarierte Zweck der Maßnahme für bare Münze genommen und ihre tatsächliche Wirkung außer Acht gelassen. Die Maßnahme des Verfalls hat eine praktisch bedeutsame Vorwirkung im Strafverfahren, da die Strafverfolgungsbehörden Vermögensgegenstände, die voraussichtlich dem Verfall unterliegen, schon im Ermittlungsverfahren beschlagnahmen (§§ 111b, 111c StPO) und damit dem Beschuldigten wesentliche Teile seines Vermögens entziehen können. Andererseits ist die praktische Wirksamkeit des Verfalls insoweit eingeschränkt, als mit Blick auf den Opferschutz die Verfallserklärung zu unterbleiben hat, soweit der Zugriff des Staates auf das Vermögen des Täters einen Ersatzanspruch des Verletzten vereiteln würde (§ 73 Abs. 1 Satz 2). Es ist daher zu begrüßen, dass durch eine Neuregelung die Möglichkeit geschaffen werden soll, den Verfall auch in solchen Fällen anzuordnen, wobei der Staat den dem Täter abgenommenen Betrag für einige Zeit als Treuhänder für den Verletzten bereithält. 223 b) Die Einziehung bezieht sich auf Gegenstände, die bei der Begehung einer Straftat 8 2 verwendet oder durch sie hervorgebracht wurden. Auch diese Maßnahme dient variablen Zwecken: Sie hat anerkanntermaßen Strafcharakter insofern, als sie dem Täter Objekte entzieht, die er bei der Tatbegehung benutzt hat (z.B. einen PKW). 224 Andererseits sollen durch die Einziehung aber auch Objekte aus dem Verkehr gezogen werden, die als solche illegal oder gefährlich sind (z.B. Falschgeld, verbotene Waffen, Rauschgift, volksverhetzende Schriften). Konsequenterweise ist die Einziehung solcher Gegenstände auch dann zulässig, wenn der Täter nicht schuldhaft gehandelt hat (§ 74 Abs. 3), und selbst dann, wenn ein Täter gar nicht ermittelt werden kann (Objektives Verfahren, vgl. § 440 StPO). Die Einziehung darf auch gegenüber bösgläubigen Eigentümern durchgesetzt werden, die nicht an der Tat beteiligt waren (§ 74a); diesen gegenüber stellt die Maßnahme - da der leichtfertige oder bösgläubige Dritte für den Eigentumsverlust nicht entschädigt wird (§ 74f Abs. 2) - eine rechtspolitisch zweifelhafte „Verdachtsstrafe" dar. 6. Während sich die in den 1970er Jahren entwickelte Idee einer „Abschaffung des Strafrechts" 225 (und seiner vollständigen Ersetzung durch ein wertneutrales Maßnahmenrecht 226 ) als utopisch erwiesen hat, 2 2 7 ist die Debatte um Alternativen zur Kriminalstrafe durchaus noch aktuell. Im Mittelpunkt steht dabei der Gedanke der Wiedergutmachung. 228 Dabei geht es zum einen um die Frage, ob die Leistung zivilrechtlichen 222
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BVerfGE 110 1, 14 ff; BGHSt 47 369, 372 ff; mit Recht kritisch Lackner/Kühl § 73 Rdn. 4b; Herzog NK S 73 Rdn. 13 f. Änderung von § l i l i StPO; BTDrucks. 11/ 700 v. 21.2.2006. BGHSt 8 205, 214; Herzog NK vor § 73 Rdn. 10; Tröndle/Fischer § 74 Rdn. 2. Siehe etwa Plack Plädoyer für die Abschaffung des Strafrechts. Siehe dazu Baurmann Zweckrationalität und Strafrecht; Ellscheid/Hassemer Civitas IX (1970), S. 27. Siehe aber die strafrechtskritischen Beiträge von Scheerer, Cremer-Schäfer, Stehr und Voß in Peters (Hrsg.) M u ß Strafe sein?, S. 79, 91, 115, 135; Kunz in Radtke u.a. (Hrsg.) Muss
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Strafe sein?, S. 71 sowie (für eine Verlagerung zu zivilrechtlicher Konfliktlösung) Lüderssen Abschaffen des Strafens? Aus der überaus reichhaltigen Literatur zu diesem Thema exemplarisch Baumann u.a. Alternativ-Entwurf Wiedergutmachung; Brauns Die Wiedergutmachung der Folgen der Straftat; Frehsee Schadenswiedergutmachung; Freund/Garro Carrera ZStW 118 (2006) 76; Meier GA 1999 1; Walther Vom Rechtsbruch zum Realkonflikt; Weigend FS Müller-Dietz, S. 975; rechtsvergleichend Eser/Walther (Hrsg.) Wiedergutmachung im Kriminalrecht; kritisch Hirsch ZStW 102 (1990) 534.
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Einleitung
Schadensersatzes, der seinerseits ein pönales Element aufweist, ganz oder teilweise an die Stelle der Kriminalstrafe treten k a n n ; 2 2 9 zum anderen wird verschiedentlich ein personaler Ausgleich zwischen Täter und Verletztem propagiert, der eine wichtige Rolle in dem Ensemble der Reaktionen auf die Straftat spielen und unter Umständen eine Bestrafung ersetzen k a n n . 2 3 0 Der Gesetzgeber hat die in jüngerer Zeit dominierende Tendenz zur Stärkung des „konstruktiven" Wiedergutmachungsgedankens gegenüber der „destruktiv e n " Kriminalstrafe in mehrfacher Weise aufgegriffen: Im Strafverfahren sollen Staatsanwaltschaft und Gericht in geeigneten Fällen auf einen Ausgleich zwischen dem Beschuldigten und dem Verletzten hinwirken (§ 1 5 5 a Satz 2 StPO), insbesondere mit Blick auf eine mögliche Verfahrenseinstellung, falls ein solcher Ausgleich zustandekommt (vgl. § 1 5 3 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 5 StPO). Bei der Strafzumessung stellt das Bemühen des Täters um Wiedergutmachung nicht nur eine allgemeine Erwägung zu seinen Gunsten dar (§ 4 6 Abs. 2 a.E.), sondern das Gericht kann die Strafe darüber hinaus nach § 4 9 Abs. 1 mildern und bei verwirkten Strafen von bis zu einem Jahr sogar von Strafe ganz absehen, wenn der Täter Wiedergutmachung geleistet oder diese zumindest ernsthaft erstrebt hat (S 4 6 a ) . 2 3 1
VI. Europäisches Strafrecht Schrifttum Albrecht Europäischer Strafrechtsraum: Ein Albtraum? ZRP 2 0 0 4 1; Ambos Internationales Strafrecht (2006); Arnold/Karsten/Kreicker Menschenrechtsschutz durch Art. 7 Abs. 1 EMRK, NJ 2 0 0 1 561; Böse Strafen und Sanktionen im Europäischen Gemeinschaftsrecht (1996); ders. Die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für das Strafrecht, GA 2006 211; Braum Europäische Strafgesetzlichkeit (2003); Dannecker Die Dynamik des materiellen Strafrechts usw., ZStW 117 (2005) 697; Delmas-Marty/Vervaele (Hrsg.) The Implementation of the Corpus Juris in the Member States (2000); Deutscher Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften zur originären Strafgesetzgebung (2000); Diehm Die Menschenrechte der EMRK usw. (2006); Eisele Einflussnahme auf nationales Strafrecht durch Richtliniengebung usw., J Z 2001 1157; Frowein/Peukert Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. (1996); Gärditz/Gusy Zur Wirkung europäischer Rahmenbeschlüsse usw., GA 2 0 0 6 225; Grabenwarter Europäische Menschenrechtskonvention (2003); Gröblinghoff Die Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers zum Schutz der Interessen der Europäischen Gemeinschaften (1996); Hassemer Strafrecht in einem europäischen Verfassungsvertrag, ZStW 116 (2004) 304; Hecker Europäisches Strafrecht (2005); Heise Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationales Strafrecht (1998); Hirsch Gibt es eine national unabhängige Strafrechtswissenschaft? Festschrift Spendel (1992) 43; ders. Internationalisierung des Strafrechts und der Strafrechtswissenschaft, ZStW 116 (2004) 835; Hugger Zur strafbarkeitserweiternden richtlinienkonformen Auslegung deutscher Strafvorschriften, NStZ 1993 421; ders. Strafrechtliche Anweisungen der Europäischen Gemeinschaft (2000); Jescheck Möglichkeiten und Probleme eines europäischen Strafrechts, Festschrift Jhong-Won Kim (1991) 947; Jung Konturen und Perspektiven des europäischen Strafrechts, JuS 2 0 0 0 417; Klip Strafrecht in der Europäischen Union, ZStW 117 (2005) 889; Kühl Der Einfluß der Europäischen Menschenrechtskonvention usw., ZStW 100 (1988) 601; ders. Europäisierung der Strafrechtswissenschaft, ZStW 109 (1997) 777; Ligeti Strafrecht und strafrechtliche Zusammenarbeit in der Europäischen Union (2005); Musil Umfang und Grenzen europäischer
Vgl. Ebert Pönale Elemente; Ott/Schäfer (Hrsg.) Die Präventivwirkung. 230 Vgl. hierzu die Beiträge von Rössner und Frehsee in Schünemann/Dubber (Hrsg.) Die Stellung des Opfers im Strafrechtssystem, 229
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S. 105, 117 sowie die Bestandsaufnahme von Bannenberg Wiedergutmachung in der Strafrechtspraxis. Vgl. hierzu Kilchling NStZ 1996 309; Maiwald GA 2005 339.
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VI. Europäisches Strafrecht
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Rechtssetzungsbefugnisse im Bereich des Strafrechts usw., NStZ 2 0 0 0 68; Prittwitz Nachgeholte Prolegomena zu einem künftigen Corpus Juris Criminalis für Europa, ZStW 113 (2001) 774; Satzger Die Europäisierung des Strafrechts (2001); Schröder Europäische Richtlinien und deutsches Strafrecht (2002); Scbünemann Ein Gespenst geht um in Europa, GA 2 0 0 2 501; ders. Europäischer Haftbefehl und EU-Verfassungsentwurf auf schiefer Ebene, ZRP 2 0 0 3 185; ders. Grundzüge eines Alternativ-Entwurfs zur europäischen Strafverfolgung, ZStW 116 (2004) 376; ders. (Hrsg.) Alternativentwurf Europäische Strafverfolgung (2004); Schwarzburg/Hamdorf Brauchen wir ein EU-FinanzStrafgesetzbuch? NStZ 2 0 0 2 617; Sieber Europäische Einigung und Europäisches Strafrecht, ZStW 103 (1991) 957; ders. Memorandum für ein Europäisches Modellstrafgesetzbuch, J Z 1997 369; Tiedemann Der Schutz der Finanzinteressen der Europäischen Gemeinschaft, N J W 1990 2 2 2 6 ; ders. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Strafrecht, N J W 1993 23; ders. EG und EU als Rechtsquellen des Strafrechts, Festschrift Roxin (2001) 1401; ders. Die Europäisierung des Strafrechts, in: Kreuzer/ Scbeuing/Sieber (Hrsg.) Die Europäisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in der Europäischen Union (1997) 133; ders. (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union (Freiburg-Symposium) (2002); Vogel Wege zu europäisch-einheitlichen Regelungen usw., J Z 1995 331; ders. Harmonisierung des Strafrechts in der Europäischen Union, GA 2 0 0 3 314; Vormbaum Schutz der Rechtsgüter von EU-Staaten durch das deutsche Strafrecht (2005); Walter Inwieweit erlaubt die Europäische Verfassung ein europäisches Strafgesetz? ZStW 117 (2005) 912; Weigend Die Europäische Menschenrechtskonvention als deutsches Recht, StV 2 0 0 0 384; ders. Spricht Europa mit zwei Zungen? StV 2001 63; ders. Der Entwurf einer Europäischen Verfassung und das Strafrecht, ZStW 116 (2004) 275; Zieschang Chancen und Risiken der Europäisierung des Stafrechts, ZStW 113 (2001) 255; ders./Hilgendorf/Laubenthal (Hrsg.) Strafrecht und Kriminalität in Europa (2003). 1. D a s deutsche Strafrecht wird in zunehmendem M a ß e v o m Einfluss des E u r o p a ischen Strafrechts e r f a s s t . 2 3 2 D a b e i sind zunächst die völkerrechtlichen Verträge a u f der Ebene des Europarats, die Einflüsse des Primär- und Sekundärrechts der Europäischen Gemeinschaft sowie die völkerrechtlichen Vereinbarungen im R a h m e n der Europäischen Union zu unterscheiden. Möglicherweise gewinnen auch die Bestimmungen, die in dem bisher nicht w i r k s a m gewordenen Entwurf eines Europäischen Verfassungsvertrages enthalten sind, in der Z u k u n f t n o c h an Bedeutung.
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2 . Im R a h m e n des Europarats, dem 4 6 europäische Staaten a n g e h ö r e n , sind zahlreiche Ü b e r e i n k o m m e n (häufig mit Z u s a t z p r o t o k o l l e n ) geschaffen w o r d e n , die das Straf- und Strafverfahrensrecht b e t r e f f e n . 2 3 3 Viele dieser K o n v e n t i o n e n sind mangels einer hinreichenden Z a h l an R a t i f i k a t i o n e n allerdings nicht in K r a f t g e t r e t e n . 2 3 4 Von großer praktischer Bedeutung sind jedoch das E u r o p ä i s c h e Auslieferungsübereinkommen v o m 1 3 . 1 2 . 1 9 5 7 ( B G B l . 1 9 6 4 II S. 1 3 7 1 ) und das Europäische Ü b e r e i n k o m m e n ü b e r die Rechtshilfe in Strafsachen vom 2 0 . 4 . 1 9 5 9 ( B G B l . 1 9 6 4 II S. 1 3 8 6 ) , die für fast alle M i t gliedstaaten des E u r o p a r a t s gelten und den Auslieferungs- und Rechtshilfeverkehr in E u r o p a wesentlich b e s t i m m e n . 2 3 5
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Monographisch hierzu Hecker Europäisches Strafrecht; Satzger Die Europäisierung des Strafrechts; Überblick bei Jescheck FS Kim, S. 947; Jung JuS 2 0 0 0 417. Viele dieser Instrumente sind abgedruckt und kommentiert bei Schomburg/Lagodny/ Gleß/Hackner Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, S. 427 ff; siehe auch Ambos
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Internationales Strafrecht, S. 324 ff; Hecker Europäisches Strafrecht, S. 79 ff. Hecker Europäisches Strafrecht, S. 86. Tabellarischer Überblick über die Ratifikationen bei Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, S. 431 f.
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Einleitung
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Das größte und bedeutsamste Vertragswerk, das im Rahmen des Europarats entstanden ist, ist die Europäische Menschenrechtskonvention ( E M R K ) . 2 3 6 Die E M R K wird zwar in Deutschland nur als „einfaches" Bundesgesetz ohne Verfassungsrang eingestuft, sie wird jedoch vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Grundsatzes der „Völkerrechtsfreundlichkeit" zur Interpretation der vom Grundgesetz gewährten Individualrechte sowie des Rechtsstaatsgrundsatzes herangezogen. 2 3 7 Die E M R K bildet insofern einen Kontrollmechanismus auch gegenüber der gesamten nationalen Rechtsordnung, als nach Art. 3 4 E M R K jedermann, der sich in seinen Rechten aus der E M R K verletzt fühlt, nach Erschöpfung des nationalen Rechtswegs den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anrufen und dort Klage gegen den betreffenden Konventionsstaat erheben kann. Die E M R K enthält in Art. 5 und 6 wichtige Festlegungen für das Strafverfahren (u.a. die Unschuldsvermutung sowie das Recht auf Verteidigung). Für das materielle Strafrecht 2 3 8 wichtig ist zunächst Art. 7 E M R K , der den Gesetzlichkeitsgrundsatz und das Rückwirkungsverbot enthält, allerdings in Abs. 2 eine Ausnahme vom Erfordernis der lex scripta für solche Taten zulässt, die „zur Zeit ihrer Begehung nach den von den zivilisierten Völkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen" strafbar waren. 2 3 9 Zu nennen ist ferner Art. 3 E M R K , der die Folter sowie unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung ohne jede Ausnahme (Art. 15 Abs. 2 E M R K ) verbietet. Nach den Zusatzprotokollen Nr. 6 v. 2 8 . 4 . 1 9 8 3 (BGBl. 1988 II S. 6 6 2 ) und Nr. 13 v. 3 . 5 . 2 0 0 2 (BGBl. 2 0 0 4 II v. 5.7.2004) ist ferner die Todesstrafe ausnahmslos abgeschafft. Zu erwähnen ist schließlich Art. 2 E M R K , wonach das Recht jedes Menschen auf Leben geschützt und eine Tötung nur (u.a.) dann zugelassen wird, wenn diese unbedingt erforderlich ist, um jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen (Art. 2 Abs. 2 lit. a E M R K ) . O b darin eine Einschränkung auch des privaten Notwehrrechts liegt, ist streitig. 2 4 0
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3. Das Recht der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union nimmt in vielfacher Weise auf die deutsche Strafrechtsordnung Einfluss. Da das Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang gegenüber den nationalen Rechtsordnungen genießt, 2 4 1 wirken sich die Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts (Freiheit des Waren-
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Die Bundesrepublik Deutschland hat die EMRK im Jahre 1953 ratifiziert und in nationales (Bundes-)Recht umgesetzt; Neubekanntmachung der jüngsten Fassung der EMRK in BGBl. 2 0 0 2 II S. 1054. Deutschsprachige Kommentierungen durch Gollivitzer in Löwe/Rosenberg 25 Bd. 8 sowie Frowein/Peukert Europäische Menschenrechtskonvention; siehe auch Grabenwarter Europäische Menschenrechtskonvention. BVerfGE 74 358, 370; 111 307, 3 1 6 - 3 1 9 ; siehe hierzu auch Weigend StV 2000 384. Zum Einfluss der EMRK auf Strafgesetzgebung und -rechtsprechung eingehend Diehm Die Menschenrechte der EMRK; ferner Kühl ZStW 100 (1988) 601, 624 ff. Wohl zu weitgehend nimmt Löwe/Rosenberg/Gollwitzer Art. 7 M R K Rdn. 17 an, dass die Ausnahme des Art. 7 Abs. 2 EMRK nicht nur bei völkerrechtlichen Verbrechen,
sondern schon bei „Grunddelikten" erfüllt sei, die im „nationalen Strafrecht der einzelnen Staaten" enthalten sind. Die Bundesrepublik Deutschland hat zu dieser Ausnahmeregelung bei der Zeichnung der EMRK den Vorbehalt erklärt, dass sie die Bestimmung nur in den Grenzen des Art. 103 Abs. 2 GG anwenden werde. Siehe zum Rückwirkungsverbot bei völkerrechtswidrigem Verhalten auch BVerfGE 95 96, 135 ff; BGHSt 3 9 1, 27 ff; EGMR, Streletz u.a. v. Deutschland, EuGRZ 2001 210 sowie
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NJ 2001 561.
Siehe dazu Rönnau/Hohn LK § 32 Rdn. 55; Ambos Internationales Strafrecht, S. 356 ff; Hecker Europäisches Strafrecht, S. 106 f, jew. m.w.N. Grundlegend EuGH, Costa v. E.N.E.L., Slg. 1964 1-1251.
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Verkehrs [Art. 23 EGV], der Arbeitnehmer [Art. 39 EGV], der Dienstleistungen [Art. 49 EGV] sowie des Kapital- und Zahlungsverkehrs [Art. 56 EGV]) sowie das diese Freiheiten umsetzende (unmittelbar anwendbare) Europäische Sekundärrecht auf die Anwendung und Auslegung deutscher Strafvorschriften aus. 2 4 2 Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts kann dazu führen, dass nationale Strafvorschriften nicht angewandt werden dürfen, soweit sie die Ausübung von Europäischen Grundfreiheiten in unverhältnismäßiger Weise beschränken. 2 4 3 Neuerdings leitet der EuGH aus der positiven Pflicht der Mitgliedstaaten, die Wahrnehmung von Grundfreiheiten zu gewährleisten, auch eine Strafverfolgungspflicht gegenüber Privatpersonen her, die - etwa durch Blockaden der Wareneinfuhr - andere an der Ausübung dieser Freiheiten hindern. 2 4 4 Darüber hinaus sind bestehende nationale Strafvorschriften auch im Sinne des Gemeinschaftsrechts auszulegen,245 Dies gilt auch für Richtlinien, die der betreffende Staat noch nicht in nationales Recht umgesetzt hat, 2 4 6 sowie für Rahmenbeschlüsse im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit (Dritte Säule). 247 a) EG und EU verfügen über keine Strafjustiz, und ihnen ist auch in den Europäischen Verträgen keine allgemeine Kompetenz zum Erlass von Strafvorschriften zugewiesen. Allerdings ist in Art. 83, 85 EGV die Befugnis der Kommission vorgesehen, Verstöße gegen das EG-Wettbewerbsrecht durch Geldbußen zu ahnden. 2 4 8 Auch darüber hinaus nehmen die Organe der EG aufgrund allgemeiner Aufträge im EGV, zur Erreichung bestimmter Ziele die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (vgl. Art. 34, 71, 95, 175 EGV), die Befugnis zur Verhängung finanzieller Sanktionen für sich in Anspruch. 2 4 9 Im Übrigen kann die EG aufgrund der allgemeinen Loyalitätsklausel des Art. 10 EGV von den Mitgliedstaaten verlangen, dass diese die Interessen der EG durch ihr nationales Strafrecht schützen; in Deutschland gibt es solche Regelungen z.B. zugunsten der Ver-
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Detailliert Heise Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationales Strafrecht; Satzger Die Europäisierung des Strafrechts, S. 475 ff. Siehe z.B. die Entscheidungen des EuGH in den Fällen Ratti (Slg. 1979 1-1629), Auer (Slg. 1983 1-2727) und Caifa (Slg. 1999 1-11). Vgl. ferner Dannecker ZStW 117 (2005) 697, 701 ff; Walter Vor § 13 LK Rdn. 200. EuGH, Kommission v. Frankreich, Slg. 1997 1-6959; eine Durchsetzungspflicht soll selbst dann bestehen, wenn die nationale Regierung mit „gewalttätigen Reaktionen" der Betroffenen rechnet (aaO Nr. 54; siehe aber auch Schmidberger v. Österreich, Slg. 2003 1-5659 Nr. 107-110). Grundlegend EuGH im Fall von Colson und Kamann, Slg. 1984 1-1891. Eingehend zur „gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung" Hecker Europäisches Strafrecht, S. 327 ff; Satzger Die Europäisierung des Strafrechts, S. 518 ff; Vormbaum Schutz der Rechtsgüter von EU-Staaten, S. 95 ff. Die Anpassung an das Gemeinschaftsrecht kann auch dazu
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führen, dass ein Begriff des nationalen Rechts (aus Sicht des Angeklagten) strenger interpretiert wird als zuvor; Ambos Internationales Strafrecht, S. 402 f; Hecker aaO, S. 3 5 3 - 3 5 5 ; aA Hugger NStZ 1993 421, 424. Hierzu grundlegend die Entscheidung des EuGH in dem Fall „Kolpinghuis Nijmegen", Slg. 1987 1.3969. Beispiele aus dem deutschen Recht sind BGHSt 37 333; BGH NStZ 2004 285. EuGH, Pupino v. Italien, EuZW 2005 838; dazu Gärditz/Gusy GA 2006 225; Hillgruber J Z 2005 841. Die Bußgeldbefugnis der Kommission ist im einzelnen geregelt in Art. 23 VO (EG) Nr. 1/2003 (Kartellverfahrensordnung) v. 16.12. 2002 (ABl. Nr. L 1/1 v. 4.1.2003). Siehe auch die Bußgeldbefugnis der Europäischen Zentralbank (Art. 110 Abs. 3 EGV). Hierzu eingehend Böse Strafen und Sanktionen, S. 61 ff; Satzger Die Europäisierung des Strafrechts, S. 58 ff; vgl. auch Sieber ZStW 103 (1991) 957, 967 f.
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mögensinteressen der E G 2 5 0 oder der Unbestechlichkeit ihrer Bediensteten. 2 5 1 Dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, gegen Betrügereien zu Lasten des EG-Haushalts im gleichen Umfang wie in vergleichbaren nationalen Fällen durch wirksame Sanktionen einzuschreiten, hat der E u G H in seiner Entscheidung zum „Griechischen M a i s s k a n d a l " 2 5 2 schon im Jahre 1989 ausgesprochen, und diese Pflicht ist nunmehr in Art. 280 Abs. 2 EGV ausdrücklich verankert. 2 5 3 O b die Organe der EG die Mitgliedstaaten speziell zum Erlass strafrechtlicher Regelungen verpflichten können, ist noch nicht endgültig geklärt. Auch hierzu bedarf es zunächst, nach dem Prinzip der Einzelermächtigung, spezifischer Normierungen im EGVertrag. Sofern man diese in den allgemeinen Aufträgen zur Zielverwirklichung (siehe Rdn. 88) erblickt, bleibt die Frage, ob ein Auftrag zur Schaffung von Strafnormen in so starkem M a ß e in das Zentrum einzelstaatlicher autonomer Gestaltung der Rechtsordnung eingreift, dass hierfür - auch im Hinblick auf das Demokratie-Prinzip - ein ausdrücklicher Vorbehalt im EG-Vertrag erforderlich wäre. Der E u G H hat diese Frage verneint, 2 5 4 ohne freilich alle Zweifel ausgeräumt zu haben. 2 5 5 Diese knüpfen sich auch an die spezielle Regelung zur Bekämpfung des Betruges zu Lasten der EG: Hier (Art. 280 Abs. 4 S. 2 EGV) ist ausdrücklich geregelt, dass die Befugnis des Rates, die erforderlichen M a ß nahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Betrügereien zu erlassen, die Anwendung des Strafrechts der Mitgliedstaaten unberührt lasse. Interpretiert man diese Klausel (zutreffend, aber nicht unbestritten 2 5 6 ) als ein Verbot des Eingreifens in die nationalen Straf-
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Vgl. etwa § 2 6 4 Abs. 7 Nr. 2 StGB (Erstreckung des Subventionsbetrugs auf Subventionen der EG). Vgl. EU-Bestechungsgesetz v. 10.9.1998 (BGBl. II S. 2 3 4 0 ) . E u G H Slg. 1989 1-2965; dazu Tiedemann E u Z W 1990 100 f; ders. N J W 1990 2 2 2 6 , u n d eingehend Gröblinghoff Die Verpflicht u n g des deutschen Strafgesetzgebers. Siehe hierzu a u ß e r d e m das Ü b e r e i n k o m m e n v. 26.7.1995 betreffend den Schutz der finanziellen Interessen der EG (ABl. EG 1995 Nr. C 316, S. 49) (sog. PIF-Konvention). Ein von einem internationalen Kreis von Professoren ausgearbeiteter, vielfach diskutierter Entwurf zu einer Regelung des strafrechtlichen Schutzes der finanziellen Interessen der EG ist das sog. C o r p u s Juris, in seiner letzten Fassung a b g e d r u c k t in: Delmas-Marty/Vervaele (Hrsg.) The Implem e n t a t i o n of the C o r p u s Juris in the M e m ber States, S. 189 ff. E u G H , Kommission v. Rat, Urt. v. 13.9. 2 0 0 5 (Rs. C-176/03). Im G r u n d s a t z f ü r eine „strafrechtliche A n w e i s u n g s k o m p e t e n z " auch die überwiegende Ansicht im deutschen Schrifttum; siehe etwa Dannecker Z S t W 117 (2005) 697, 7 2 3 ; Eisele J Z 2 0 0 1 1157, 1162 f; Hecker Europäisches Straf-
recht, S. 2 8 2 ff; Hugger Strafrechtliche Anweisungen, S. 6 2 ff; Satzger Die Europäisierung des Strafrechts, S. 4 0 7 ff. Dabei bleibt freilich die eigentliche Quelle der Kompetenz unklar; sie wird eher aus d e m Fehlen eines ausdrücklichen Verbots strafrechtlicher H a r m o n i s i e r u n g s g e b o t e abgeleitet (Hecker a a O , S. 285: Strafrecht befinde sich nicht in einer „gemeinschaftsrechtlichen T a b u z o n e " ; ähnlich Böse GA 2 0 0 6 211, 213). 255 Gegen eine Befugnis der Kommission, gerade den Erlass von Strafnormen anzuordnen, Braum Europäische Strafgesetzlichkeit, S. 419; w o h l auch Ambos Internationales Strafrecht, S. 3 7 9 f; vgl. hierzu auch BVerfGE 113 273, 299, w o die vom G r u n d gesetz gebotene W a h r u n g der nationalen Identität in der EU d a r a n g e k n ü p f t wird, dass eine Regelung keine allgemeine H a r m o nisierung der mitgliedstaatlichen Strafrechtso r d n u n g e n vorsieht. 256 pür eine strafrechtliche Anweisungskompetenz aus Art. 2 8 0 Abs. 4 EGV z.B. Hecker Europäisches Strafrecht, S. 2 9 3 f; Zieschang Z S t W 113 (2001) 255, 2 6 0 f; eingehend im Sinne einer „ l ü c k e n f ü l l e n d e n " Kompetenz Tiedemann FS Roxin, S. 1401, 1406 ff.
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rechtsordnungen, 2 5 7 so erschiene es ungereimt, solche Eingriffe in weit ferner liegenden Bereichen wie dem Umweltschutz zuzulassen. Noch schwächer ist die EG-vertragliche Grundlage für eine Kompetenz der EG-Organe zum Erlass unmittelbar wirkender kriminalrechtlicher Verbote im Wege der Verordnung. Insoweit liegt es nahe, aus der bewussten Beschränkung auf eine Bußgeldkompetenz der Kommission bei Kartellverstößen (Art. 85 EGV) sowie aus dem bloßen Harmonisierungsauftrag für bestimmte Gebiete des Strafrechts in der Dritten Säule (Art. 3 4 EUV) den Umkehrschluss zu ziehen, dass die ganz allgemein gehaltenen Aufträge zur Förderung bestimmter Ziele der Gemeinschaft die Kompetenz zum Erlass von Normen des Kriminalrechts nicht enthalten, 2 5 8 zumal zu deren Durchsetzung die Schaffung von Strafjustizorganen der EG erforderlich wäre.
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b) Im Rahmen der polizeilichen und justiziellen intergouvernementalen Zusammenarbeit nach Art. 2 9 ff. E U V zur Schaffung eines europäischen „Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" (sog. Dritte Säule) kann der Rat durch (nach Art. 3 4 Abs. 2 S. 2 EUV einstimmig zu fassende) Rahmenbeschlüsse die Harmonisierung straf- und strafverfahrensrechtlicher Vorschriften der Mitgliedstaaten veranlassen. Diese Kompetenz bezieht sich nach Art. 31 Abs. 1 lit. e EUV ausdrücklich auf die Festlegung von „Mindestvorschriften" 2 5 9 über die Merkmale von Straftatbeständen sowie über Strafen in den Bereichen organisierte Kriminalität, Terrorismus und illegaler Drogenhandel. Die h . M . 2 6 0 ebenso wie die Praxis des Rates dehnt die Zuständigkeit zum Erlass von Rahmenbeschlüssen jedoch über diese Materien hinaus z.B. auch auf Betrugs- und Korruptionsstraftaten aus. Begründet wird dies damit, dass die Einleitungsworte von Art. 31 EUV („Das gemeinsame Vorgehen ... schließt ein:") keine abschließende Begrenzung des Kompetenzbereichs bei der intergouvernementalen Zusammenarbeit anzeigen und dass Art. 2 9 Abs. 2 EUV die Maßnahmen zur Herstellung des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts auf die Verhütung und Bekämpfung „der - organisierten und nichtorganisierten - Kriminalität, insbesondere des Terrorismus, des Menschenhandels und der Straftaten gegenüber Kindern, des illegalen Drogen- und Waffenhandels, der Bestechung und der Bestechlichkeit sowie des Betrugs" ausdehnt. Seit 2 0 0 0 hat der Rat auf dieser Rechtsgrundlage eine große Zahl von Rahmenbeschlüssen verabschiedet, deren Struktur weitgehend übereinstimmt: Sie enthalten (a) Definitionen bestimmter Straftaten, (b) den Auftrag, Kriminalstrafen für die Begehung dieser Taten im nationalen Recht vorzusehen, (c) die Festlegung von Höchststrafen, die das nationale Recht nicht unterschreiten darf („Mindesthöchststrafen"), (d) die Verpflichtung, (nicht zwingend: kriminalrecht-
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In diesem Sinne etwa Ambos Internationales Strafrecht, S. 380 ff; Satzger Die Europäisierung des Strafrechts, S. 109 ff; Schwarzburg/ Hamdorf NStZ 2002 617, 619 f; Weigend StV 2001 63, 67. So die h.M.; BGHSt 25 190, 193; 41 127, 131 f; Deutscher Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften, S. 309 ff; Jung JuS 2000 417, 419; Satzger Die Europäisierung des Strafrechts, S. 90 ff; Schröder Europäische Richtlinien und deutsches Strafrecht, S. 103 ff; Sieber ZStW 103 (1991) 957, 970 f; aA Böse Strafen und Sanktionen, S. 55 ff; ders. GA 2006 211, 220 f; für
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grundsätzliche Zulässigkeit auch Musil NStZ 2000 68, 70. Hierunter sind Festlegungen dessen zu verstehen, was die Mitgliedstaaten „mindestens" inkriminieren müssen; noch weiter reichende Strafvorschriften der Mitgliedstaaten sind damit nicht ausgeschlossen; vgl. Walter ZStW 117 (2005) 912, 924 f. Grabitz/Hilf/Röben Art. 31 EUV Rdn. 17 f; Hecker Europäisches Strafrecht, S. 393 f; Streinz/Satzger Europarecht Art. 31 EUV Rdn. 12; Satzger Internationales und Europäisches Strafrecht, S. 103 f; aA Schünemann GA 2002 501, 503 f.
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liehe) Sanktionen auch für juristische Personen anzudrohen, und (e) die Verpflichtung, die eigene Aburteilungs- und Strafzuständigkeit zumindest nach dem Territorialitätsprinzip und dem aktiven Personalitätsprinzip zu begründen. Solche Rahmenbeschlüsse sind z.B. für die Delikte des Terrorismus, des M e n s c h e n h a n d e l s , der Kinderpornographie und der Bestechung in der Privatwirtschaft e r g a n g e n . 2 6 1 Die R a h m e n b e s c h l ü s s e sind für die Mitgliedstaaten, ähnlich wie Richtlinien des E G - R e c h t s , hinsichtlich der Zielsetzung verbindlich, bedürfen jedoch der Umsetzung in innerstaatliches R e c h t (Art. 3 4 Abs. 2 lit. b E U V ) . Die R a h m e n b e s c h l ü s s e nach Art. 3 4 E U V haben verschiedentlich unmittelbaren Anlass für Änderungen des deutschen Strafrechts gegeben (etwa bei §§ 1 2 9 a , 1 8 4 b , 2 3 2 ) . 92
Problematisch an dieser F o r m der „europäisierten" Strafgesetzgebung ist zum einen die weitgehende E n t m a c h t u n g der nationalen Parlamente durch Entscheidungen des (nur indirekt demokratisch legitimierten) Rates; aufgrund der oft sehr detaillierten Vorgaben in den R a h m e n b e s c h l ü s s e n bleibt dem nationalen Gesetzgeber rechtlicher Spielraum nur bei der Festsetzung des Strafrahmens, und selbst da bestehen Bindungen durch das System der „ M i n d e s t h ö c h s t s t r a f e n " . 2 6 2 Infolge dieser Überlagerung nationaler durch E u r o p ä i s c h e Kriminalpolitik k ö n n e n außerdem Dissonanzen und Inkonsistenzen zwischen den durch Rahmenbeschlüsse vorgegebenen und den verbleibenden nationalen Straftatbeständen und Strafrahmen entstehen; so können „europäisierte" Tatbestände aufgrund von Rahmenbeschlüssen mit strengerer Strafe bedroht sein als schwerer wiegende Taten des originär nationalen S t r a f r e c h t s . 2 6 3 Schließlich ist zu befürchten, dass die europaweite H a r m o n i s i e r u n g des Strafrechts aufgrund der rechtspolitischen Eigendynam i k solcher transnationaler Prozesse zu einer fortschreitenden E x p a n s i o n des Strafrechts führt, da sich keine Regierung vorhalten lassen m ö c h t e , sie blockiere den „ K a m p f " gegen die transnationale K r i m i n a l i t ä t . 2 6 4 Es wäre daher zu wünschen, dass dem Voranschreiten der „ E u r o p ä i s i e r u n g " des Strafrechts im R a h m e n der Dritten Säule die gleichfalls „europ ä i s c h e " , seit der Aufklärung bestehende Tradition der freiheitsschonenden Z u r ü c k h a l tung bei der Inkriminierung von Verhaltensweisen entgegengesetzt w i r d . 2 6 5
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In dem - 2 0 0 4 unterzeichneten, aber zunächst politisch erfolglosen - E n t w u r f einer „Verfassung für E u r o p a " 2 6 6 sollen die Kompetenzen der Europäischen Organe für die H a r m o n i s i e r u n g sowohl des Strafverfahrensrechts (Art. I I I - 2 7 0 des Entwurfs) als auch des materiellen Strafrechts (Art. III-271 des Entwurfs) noch deutlich ausgebaut werden. D u r c h E u r o p ä i s c h e Rahmengesetze sollen „ M i n d e s t v o r s c h r i f t e n " zu einer langen Reihe von Straftaten mit grenzüberschreitender Dimension sowie zu allen Kriminalitätsbereichen erlassen werden k ö n n e n , die mit irgendeinem harmonisierten Politikbereich der Union in Verbindung s t e h e n . 2 6 7 Für die B e k ä m p f u n g von Betrügereien und sonstigen Straftaten gegen die finanziellen Interessen der Union sollen die Europäischen O r g a n e sogar unmittelbar in den Mitgliedstaaten wirksame Europäische Gesetze erlassen k ö n n e n
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Ausführliche Darstellung auch weiterer Entwürfe bei Hecker Europäisches Strafrecht, S. 369 ff; Ligeti Strafrecht und strafrechtliche Zusammenarbeit, S. 2 2 7 ff; Überblick auch bei Vogel GA 2 0 0 3 314, 322 ff. Allgemein zu dem Problem der Entmachtung des nationalen Gesetzgebers durch Rahmenbeschlüsse BVerfGE 113, 273, 300 f; Schünemann GA 2002 501, 504 f. Dannecker ZStW 117 (2005) 698, 728 ff; Zieschang ZStW 113 (2001) 255, 267. Dazu Hassemer ZStW 116 (2004) 304,
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3 0 7 f ; Klip ZStW 117 (2005) 889, 897 ff; Prittwitz ZStW 113 (2001) 774, 793 ff; Schünemann ZStW 116 (2004) 376, 391 ff. In diesem Sinne auch (freilich überspitzt) Albrecht ZRP 2 0 0 4 1; eingehend Braum Europäische Strafgesetzlichkeit, S. 414 f, 424 ff et passim. ABl. EU 2004 Nr. C 310. Kritisch hierzu Weigend ZStW 116 (2004) 275, 282 ff; zustimmend dagegen Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht BT Rdn. 33 ff.
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VII. Völkerstrafrecht
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(Art. III-415 Abs. 4 des Entwurfs); damit würde erstmals - für einen Teilbereich - ein eigentliches „Europäisches Strafrecht" geschaffen werden. 2 6 8 In der deutschen Strafrechtswissenschaft stößt die fortschreitende Europäisierung des Straf- und Strafverfahrensrechts auf ein unterschiedliches Echo. Während manche Autoren in dieser Bewegung eine Bedrohung der deutschen Strafrechtskultur s e h e n , 2 6 9 begrüßen andere die damit verbundene Herausforderung an eine gesamteuropäische Zusammenarbeit der Strafrechtswissenschaft. 2 7 0 Für den wichtigen Teilbereich des Wirtschaftsstrafrechts liegen bereits ausgearbeitete Ergebnisse einer solchen Zusammenarbeit vor, 2 7 1 und verschiedentlich wird auch über das Großprojekt eines „Europäischen Modellstrafgesetzbuchs" nachgedacht. 2 7 2 Gemeinsame strafrechtliche Grundüberzeugungen sind in den Mitgliedstaaten der EU durchaus vorhanden, 2 7 3 aber im Detail gibt es doch so viele Abweichungen in Rechtsdogmatik wie Rechtspolitik, dass eine praktikable umfassende Gesetzgebung, der sich alle Staaten anschließen können, wohl noch in einer recht fernen Zukunft liegt. Im Übrigen dürften es wissenschaftlich geprägte Entwürfe schwer haben, sich gegen die gouvernementalen Eigeninteressen der die Europäische Politik bestimmenden Instanzen durchzusetzen, die nach den bisherigen Erfahrungen zu einem undifferenziert expansiven Gebrauch des strafrechtlichen Instrumentariums neigen.
VII.
Völkerstrafrecht
Schrifttum Ahlbrecht Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert (1999); Ambos Zur Rechtsgrundlage des Internationalen Strafgerichtshofs, ZStW 111 (1999) 175; ders. Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts (2002); Cassese International Criminal Law (2003); ders./ Gaeta/Jones The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary (2002); Clemens Der Begriff des Angriffskrieges und die Funktion seiner Strafbarkeit (2005); Eser/Kreicker (Hrsg.) Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Bd. 1: Deutschland (2003); Hübner Das Verbrechen des Völkermordes im internationalen und nationalen Recht (2004); Hammrich Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression (2001); Jescheck Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht (1952); ders. The General Principles of Criminal Law usw., Journal of International Criminal Justice 2 (2004) 38; König Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz (2003); Kreß Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuchs (2000); ders. Völkerstrafrecht in Deutschland, NStZ 2000 617; ders. Strafrecht und Angriffskrieg im Licht
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Ebenso Satzger Internationales und Europäisches Strafrecht, S. 89. „Europa-skeptisch" (mit erheblichen Unterschieden in Schärfe und Details) z.B. Albrecht ZRP 2004 1; Braum Europäische Strafgesetzlichkeit, S. 441 ff; Hassemer ZStW 116 (2004) 304; Lüderssen in Schünemann (Hrsg.) Alternativentwurf Europäische Strafverfolgung, S. 45; Schünemann ZRP 2003 185; Weigend ZStW 116 (2004) IIS. Zieschang ZStW 113 (2001) 255, 264, im Anschluss an Hirsch FS Spendei, S. 43, 58; vgl. auch Hirsch ZStW 116 (2004) 835, 840 ff.
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Tiedemann (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union. Grundlegend zu Möglichkeiten der europäischen Rechtsvereinheitlichung Vogel J Z 1995 331; eingehend zu den Möglichkeiten eines „Modellstrafgesetzbuchs" Sieber J Z 1997 369; skeptisch Kühl ZStW 109 (1997) 777, 797 f; Weigend in Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal (Hrsg.) Strafrecht und Kriminalität in Europa, S. 57, 65 ff. Siehe dazu die rechtsvergleichende Untersuchung zu einigen Grundfragen des Allgemeinen Teils von Tiedemann in ders. (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union, S. 3.
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des „Falles Irak", ZStW 115 (2003) 294; Lagodny Legitimation und Bedeutung des Ständigen Internationalen Strafgerichtshofes, ZStW 113 (2001) 800; Lüders Die Strafbarkeit von Völkermord nach dem Römischen Statut für den Internationalen Strafgerichtshof (2004); McDonald/Swaak-Goldman (Hrsg.) Substantive and Procedural Aspects of International Criminal Law (2000); Merkel Gründe für den Ausschluss der Strafbarkeit im Völkerstrafrecht, ZStW 114 (2002) 437; Möller Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof (2000); Neubacher Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit (2005); Osten Der Tokioter Kriegsverbrecherprozeß und die japanische Rechtswissenschaft (2003); Satzger Das neue Völkerstrafgesetzbuch, NStZ 2002 125; Schabas Genocide in International Law (2000, deutsch 2003); Triffterer (Hrsg.) Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court (1999); ders. Der lange Weg zu einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, ZStW 114 (2002) 321; Vest Genozid durch organisatorische Machtapparate (2002); Vogel Individuelle Verantwortlichkeit im Völkerstrafrecht, ZStW 114 (2002) 403; Weigend Das Völkerstrafgesetzbuch - nationale Kodifikation internationalen Rechts, Gedächtnisschrift Vogler (2004) 197; Werle Völkerstrafrecht (2003); ders./Jeßberger Das Völkerstrafgesetzbuch, J Z 2 0 0 2 725; Wolfrum Internationale Verbrechen vor internationalen und nationalen Gerichten, Festschrift Eser (2005) 977; Zimmermann Bestrafung völkerrechtlicher Verbrechen usw., NJW 2 0 0 2 3068. 95
D a s deutsche Strafrecht steht nicht nur im K o n t e x t der Europäischen U n i o n , sondern wird auch von den dynamischen Entwicklungen des Völkerstrafrechts mitgeprägt. V o n einem eigentlichen völkerrechtlichen Strafrecht im Sinne einer individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit einzelner Personen unmittelbar nach Völkerrecht kann m a n erst für die Z e i t a b 1 9 4 5 s p r e c h e n . 2 7 4 D e r in N ü r n b e r g tagende Internationale M i l i t ä r gerichtshof für die Hauptkriegsverbrecher hat eine solche Verantwortlichkeit für die Straftaten des Angriffskrieges und für Kriegsverbrechen erstmals zur Grundlage seiner Rechtsprechung g e m a c h t , 2 7 5 und die Generalversammlung der Vereinten N a t i o n e n hat die Grundsätze des N ü r n b e r g e r Tribunals ausdrücklich im N a m e n der Völkergemeinschaft gebilligt. D e r G e d a n k e einer individuellen unmittelbar völkerstrafrechtlichen Strafbarkeit, der auch durch den Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen O s t e n , der ab 1 9 4 6 über japanische Kriegsverbrecher zu urteilen h a t t e , 2 7 6 sowie in den N ü r n b e r g e r Folgeprozessen der U.S.-amerikanischen Militärgerichtsbarkeit aufgegriffen wurde, vermochte allerdings in den folgenden J a h r e n wegen der Uneinigkeit der G r o ß m ä c h t e während des Kalten Krieges keine weitere W i r k s a m k e i t zu entfalten. Dies änderte sich erst nach dem Ende der Vorherrschaft des Sozialismus in der S o w j e t u n i o n und den mit ihr verbundenen Staaten. Einen tragischen Anlass dazu, dem G e d a n k e n der völkerrechtlichen Strafbarkeit praktische Realität zu verleihen, gaben die Gräueltaten bei den Auseinandersetzungen in Jugoslawien und der V ö l k e r m o r d in R u a n d a in den 1 9 9 0 e r J a h ren. Für die Aburteilung der für diese Taten Verantwortlichen setzte der Sicherheitsrat der U N g e m ä ß Kapitel VII der U N - C h a r t a als friedenssichernde M a ß n a h m e n ad-hoc-Tribunale ein. Diese Gerichte, der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugosla-
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Eingehend zur Entwicklung des Völkerstrafrechts nach dem 2. Weltkrieg Ahlbrecht Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, S. 59 ff; Cassese in: Cassese/Gaeta/ Jones (Hrsg.) The Rome Statute of the International Criminal Court Bd. 1, S. 3. Eingehende zeitgenössische Würdigung des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses bei
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Jescheck Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 177 ff, 2 8 3 ff; siehe ferner Ahlbrecht Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, S. 59 ff m.w.N. Siehe dazu Osten Der Tokioter Kriegsverbrecherprozeß und die japanische Rechtswissenschaft.
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wien ( J S t G H ) 2 7 7 und der Internationale Strafgerichtshof für R u a n d a ( R S t G H ) , 2 7 8 nahmen M i t t e der 1 9 9 0 e r J a h r e in D e n H a a g bzw. Arusha (Tansania) ihre Tätigkeit auf. Grundlage für die Aburteilung der Angeklagten sind die Statuten der beiden Tribunale, die bezüglich des materiellen Strafrechts im Wesentlichen auf bestehendes Völkergewohnheitsrecht verweisen. D i e Tätigkeit der beiden ad-hoc-Strafgerichtshöfe soll 2 0 1 0 beendet werden. Schon wenige J a h r e nach der Einsetzung der ad-hoc-Strafgerichtshöfe für Jugoslawien und R u a n d a gelang es, den alten, in der Zwischenzeit a b e r s c h o n fast aufgegebenen Plan eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs zu v e r w i r k l i c h e n . 2 7 9 A u f einer D i p l o matischen Bevollmächtigtenkonferenz wurde im Juli 1 9 9 8 in R o m das Statut eines Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) mit einer überwältigenden M e h r h e i t der Vertreter von 1 6 0 Staaten verabschiedet. Im J a h r 2 0 0 2 lagen die für das Inkrafttreten des Statuts mindestens notwendigen 6 0 Ratifikationen vor, so dass der I S t G H noch im gleichen J a h r seine Tätigkeit in D e n H a a g aufnehmen k o n n t e . D a s I S t G H - S t a t u t enthält neben einem prozessualen Teil erstmals eine ausgearbeitete Fassung des damals a n e r k a n n t e n materiellen V ö l k e r s t r a f r e c h t s 2 8 0 einschließlich gewisser allgemeiner Regeln z.B. über T ä t e r s c h a f t und Teilnahme sowie über Gründe, die die Verantwortlichkeit eines Täters ausschließ e n . 2 8 1 D a s Statut bildet insofern einen Meilenstein in der E n t w i c k l u n g einer von der Völkergemeinschaft a n e r k a n n t e n internationalen Strafrechtsordnung, auch wenn sich verschiedene wichtige Staaten, insbesondere die USA, Russland und die V R C h i n a , bisher nicht zur Teilnahme an dem I S t G H haben entschließen k ö n n e n .
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D e r IStGH ist nach Art. 5 Abs. 1 seines Statuts zuständig für die Aburteilung der völkerrechtlichen Verbrechen V ö l k e r m o r d , 2 8 2 Verbrechen gegen die M e n s c h l i c h k e i t , Kriegsverbrechen und Aggression (Angriffskrieg); die Zuständigkeit für die letztgenannte Straf-
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Siehe dazu aus der reichen Literatur die Einführung von Kreß in Grützner/Pötz Bd. IV vor III 27 sowie die Beiträge des Symposiums „The ICTY 10 Years O n " in J. of International Criminal Justice 2 (2004) 353 ff. Siehe hierzu die Beiträge in dem Sonderheft „Genocide in Rwanda: 10 Years O n " , J. of International Criminal Justice 3 (2005) 799 ff. Zu den Grundlagen und der Geschichte der internationalen Strafgerichtsbarkeit siehe König Die völkerrechtliche Legitimation, S. 52 ff; Möller Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof; Neubacher Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit; siehe auch Triffterer ZStW 114 (2002) 321. Überblick auf aktuellem Stand bei Cassese International Criminal Law; eine nützliche Sammlung von Dokumenten, wichtiger Rechtsprechung und Einzelbeiträgen zum Völkerstrafrecht enthält das dreibändige Werk von McDonald/Swaak-Goldman (Hrsg.) Substantive and Procedural Aspects of International Criminal Law. Siehe zu dem IStGH-Statut insbesondere das
Handbuch Cassese/Gaeta/Jones The Rome Statute of the Internationale Criminal Court sowie den Kommentar von Triffterer (Hrsg.) Commentary on the Rome Statute. Eingehende Darstellungen der Materie auch bei Ambos Internationales Strafrecht, S. 120 ff; Kreß in Grützner/Pötz vor III 26; Werte Völkerstrafrecht, S. 93 ff; aus der reichen sonstigen Literatur Ambos ZStW 111 (1999) 175; Jescheck J . of International Criminal Justice 2 (2004) 38; Lagodny ZStW 113 (2001) 800; Merkel ZStW 113 (2001) 437; Vogel ZStW 113 (2001) 403. Speziell zum „Allgemeinen Teil" des Völkerstrafrechts und dessen Regelung im IStGH-Statut Ambos Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts. 282
Zur Auslegung des Völkermord-Tatbestandes nach deutschem Recht BGHSt 45 64; monographisch zu diesem Tatbestand Hübner Das Verbrechen des Völkermordes; Lüders Die Strafbarkeit von Völkermord nach dem Römischen Statut; Schabas Genocide in International Law; Vest Genozid durch organisatorische Machtapparate.
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tat k a n n er allerdings erst ausüben, wenn sich die K o n f e r e n z der Vertragstaaten auf eine Definition des Tatbestandes geeinigt h a t . 2 8 3 V ö l k e r m o r d , Verbrechen gegen die M e n s c h lichkeit und Kriegsverbrechen sind dagegen bereits in Art. 6 - 8 I S t G H - S t a t u t detailliert geregelt. D e r I S t G H besitzt freilich für die völkerrechtlichen Verbrechen nach dem Grundsatz der „ K o m p l e m e n t a r i t ä t " nur subsidiäre Gerichtsbarkeit, sofern ein nach dem Territorialitäts- oder aktiven Personalitätsgrundsatz eigentlich zur Aburteilung des Geschehens berufener Staat hierzu nicht willens oder nicht in der Lage ist (Art. 12, 1 7 IStGH-Statut).284 98
Die Bundesrepublik Deutschland hat die Schaffung des I S t G H aktiv unterstützt und dessen Statut im J a h r e 2 0 0 0 ratifiziert. 2 8 5 Um der Verpflichtung nach Art. 8 6 ff I S t G H Statut zur Zusammenarbeit mit dem IStGH uneingeschränkt n a c h k o m m e n zu k ö n n e n , wurde in Art. 16 Abs. 2 S. 2 G G die M ö g l i c h k e i t geschaffen, auch deutsche Staatsangehörige an einen internationalen Gerichtshof auszuliefern. Die Einzelheiten der Rechtshilfe gegenüber dem I S t G H (Überstellung von Verdächtigen, Untersuchungshandlungen auf deutschem Staatsgebiet, Vollstreckungshilfe usw.) sind in dem Gesetz über die Z u s a m m e n a r b e i t mt dem I S t G H ( B G B l . 2 0 0 2 I S. 2 1 4 4 ) geregelt.
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Die meisten Verhaltensweisen, die unter die Tatbestände des Völkerstrafrechts fallen, waren auch nach nationalem deutschem R e c h t strafbar. D e n n o c h hielt es der Gesetzgeber aus guten Gründen für angezeigt, ein Spezialgesetz zu schaffen, das die Besonderheit der völkerrechtlichen Verbrechen, insbesondere die m i t ihnen stets verbundene Verletzung vitaler Interessen der Völkergemeinschaft, deutlich m a c h t . 2 8 6 Gleichzeitig sollte sichergestellt werden, dass alle im I S t G H - S t a t u t enthaltenen Straftaten auch nach nationalem R e c h t strafbar sind, damit die Bundesrepublik Deutschland nicht etwa als „unfähig" zu deren Aburteilung sollte angesehen werden können. Daher wurde im Jahre 2 0 0 2 das Völkerstrafgesetzbuch ( V S t G B ) geschaffen ( B G B l . I S. 2 2 5 4 ) , 2 8 7 das die materiellrechtlichen V o r g a b e n des I S t G H - S t a t u t s in deutsches R e c h t umsetzen s o l l . 2 8 8 Das V S t G B enthält in seinem Kern (§§ 6 - 1 2 ) eine Formulierung der völkerstrafrechtlichen Tatbestände Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen 2 8 9 , ferner zwei Sondertatbestände für das Fehlverhalten von Vorgesetzten bei völkerrechtlichen Verbrechen ihrer Untergebenen (§§ 13, 14). Auf die Tatbestände des V S t G B sind grundsätzlich die allgemeinen Regeln des Strafrechts (also vor allem der Allgemeine Teil
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Die Beratungen dazu dauern noch an. Zum Stand der Diskussion über den Tatbestand des Angriffskrieges nach deutschem und internationalem Recht Kreß ZStW 115 (2003) 294; siehe auch Clemens Der Begriff des Angriffskrieges; Hummrich Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression. Siehe hierzu Wolfrum FS Eser, S. 977. Zu den damit verbundenen Rechtsfragen Kreß NStZ 2 0 0 0 617. Zu den Gründen im einzelnen siehe Kreß Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuchs, S. 12 ff; Satzger Internationales und Europäisches Strafrecht, S. 222 f. Überblicke zum VStGB z.B. bei Satzger NStZ 2 0 0 2 125; Weigend GS Vogler, S. 197; Werle/Jeßberger J Z 2 0 0 2 725; Zimmermann NJW 2 0 0 2 3068.
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Das IStGH-Statut selbst begründet nicht die Strafbarkeit der dort in Art. 6 - 8 beschriebenen Verhaltensweisen, sondern setzt diese als Völkergewohnheitsrecht voraus. Auch wegen des Erfordernisses einer (nationalen) lex scripta (Art. 103 Abs. 2 GG) kommt das IStGH-Statut als unmittelbare Grundlage einer Strafbarkeit nicht in Betracht. Hinsichtlich der Systematik der Kriegsverbrechen ist der Gesetzgeber bei der Schaffung des VStGB bewusst von dem Aufbau dieser Delikte im IStGH-Statut abgewichen; detaillierte Analyse bei Gropengießer/ Kreicker in Eser/Kreicker (Hrsg.) Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, S. 141 ff.
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des S t G B ) a n w e n d b a r (§ 2 V S t G B ) ; es gibt nur wenige Sondervorschriften, die die Vorgesetztenverantwortlichkeit, das Handeln auf Befehl und die V e r j ä h r u n g betreffen ( § § 3 - 5 V S t G B ) . W i c h t i g und typisch für die völkerstrafrechtliche M a t e r i e ist die unbedingte Geltung des Weltrechtsgrundsatzes (§ 1 V S t G B ) : D a sich die dort geregelten Straftaten durchweg (auch) gegen übernationale Interessen, speziell das friedliche Z u s a m m e n l e b e n der Völker, richten, ist das deutsche Strafrecht o h n e R ü c k s i c h t a u f den T a t o r t und die Staatsangehörigkeit des T ä t e r s oder des individuellen O p f e r s a n w e n d b a r . U m eine Überlastung der deutschen Strafverfolgungsbehörden mit Fällen o h n e jeden Inlandsbezug zu vermeiden und um ausländischer prioritärer Zuständigkeit nicht vorzugreifen, schränkt § 1 5 3 f Abs. 1 S t P O allerdings die Verfolgungsp/Z¿c^í im Ergebnis a u f solche Fälle ein, in denen der Tatverdächtige Deutscher ist, er sich in D e u t s c h l a n d aufhält oder seine Einreise nach Deutschland zu erwarten ist. Das Problem bei der Schaffung des V S t G B bestand darin, dass der Gesetzgeber einerseits versuchen musste, den inhaltlichen V o r g a b e n des I S t G H - S t a t u t s möglichst genau gerecht zu werden, dass diese Vorgaben aber andererseits m a n c h e n Wertentscheidungen des deutschen Strafrechts widersprechen und a u c h vielfach so u n b e s t i m m t gefasst sind, dass sie mit dem Bestimmtheitsgrundsatz von Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nicht in Einklang zu bringen sind. Die Regelungen des V S t G B sind also häufig K o m p r o m i s s e zwischen dem Bemühen, das Völkergewohnheitsstrafrecht getreu abzubilden, und der N o t w e n d i g k e i t , eine Regelung zu finden, die den Standards des deutschen Strafrechts e n t s p r i c h t . 2 9 0 Im Bereich des Allgemeinen Teils ist der Gesetzgeber dabei eher das R i s i k o eingegangen, hinter dem Umfang der Strafbarkeit nach den „ l o c k e r e n " Regelungen des I S t G H - S t a t u t s , etwa im Bereich der strafbaren Teilnahme, des Irrtums oder der Vorgesetztenverantwortlichkeit zurückzubleiben, indem er an den bewährten Vorschriften des deutschen S t G B festhielt. Im Besonderen Teil wurden dagegen einige Formulierungen aus dem I S t G H - S t a t u t ü b e r n o m m e n , deren Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz zumindest sehr zweifelhaft ist; dies gilt z.B. für § 7 Nr. 9 (Freiheitsberaubung „in schwerwiegender W e i s e " „unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des V ö l k e r r e c h t s " ) und § 7 Nr. 10 V S t G B (Entziehung oder wesentliche Einschränkung „grundlegender M e n s c h e n r e c h t e " aus „anderen nach den Regeln des allgemeinen Völkerrechts als unzulässig a n e r k a n n t e n G r ü n d e n " ) . H i e r k a n n m a n nur darauf hoffen, dass durch die völkerstrafrechtliche Rechtsprechung der ad-hoc-Tribunale und des I S t G H schon eine Konkretisierung der Begriffe eintritt, bevor deutsche Gerichte das V S t G B anzuwenden Gelegenheit h a b e n .
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Siehe hierzu eingehend und mit Beispielen Satzger NStZ 2 0 0 2 125; ders. Internatio-
nales und Europäisches Strafrecht, S. 226 ff; ferner Weigend GS Vogler, S. 197, 210 f.
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Strafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 (RGBl 1871, 127); neugefasst durch Bek. v. 13.11.1998 (BGBl. I 3 3 2 2 ) ; zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 21 Gesetz v. 1 9 . 2 . 2 0 0 7 (BGBl. I 122)
ALLGEMEINER TEIL E R S T E R ABSCHNITT Das Strafgesetz ERSTER TITEL Geltungsbereich §1
Keine Strafe ohne Gesetz Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Schrifttum
Achenbach Kriminalpolitische Tendenzen in den jüngeren Reformen des Besonderen Strafrechts und des Strafprozeßrechts, JuS 1980 81; ders. Aus der 1987/1988 veröffentlichten Rechtsprechung zum Wirtschaftsstrafrecht, NStZ 1989 497; ders./Schröder Straflosigkeit des Offenbarens und Verwertens von Angaben über Millionenkredite (§§ 55a, 55b i.V.m. § 14 KWG), ZBB 2005 135; Ackermann Das Analogieverbot im geltenden und künftigen Strafrecht, Strafr. Abh. 348 (1934); P. A. Albrecht Das Bundesverfassungsgericht und die strafrechtliche Verarbeitung von Systemunrecht - eine deutsche Lösung! NJ 1997 1; ders. Die vergessene Freiheit (2003); Alexy Mauerschützen. Zum Verhältnis von Recht, Moral und Strafbarkeit (1993); ders. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu den Tötungen an der innerdeutschen Grenze vom 24. Oktober 1996 (1997); ders. Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, in ders./Kuhlen/Rüßmann, Elemente einer juristischen Begründungslehre (2003) 217; ders. Verfassungsrecht und einfaches Recht - Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, W D S t R L 61 (2007) 7; Allgaier Zur Unkenntnis geänderter Rechtsprechung, DAR 1990 50; Ambos Nuremberg revisited, StV 1997 39; ders. Zur Rechtswidrigkeit der Todesschüsse an der Mauer, JA 1997 148; ders. BGH: Geltung deutschen Strafrechts für im Ausland begangenen Völkermord, NStZ 1999 404; ders. Artikel 7 EMRK, Common Law und die Mauerschützen, KritV 2003 31; ders. Strafrecht und Krieg, Festschrift Eser (2005) 671; ders. Internationales Strafrecht (2006); Amelung Erweitern allgemeine Rechtfertigungsgründe, insbesondere 5 34 StGB, hoheitliche Eingriffsbefugnisse des Staates? NJW 1977 833; ders. Zur Kritik des kriminalpolitischen Strafrechtssystems von Roxin, J Z 1982 617; ders. Strafbarkeit von „Mauerschützen", JuS 1993 637; ders. Sitzblockaden, Gewalt und Kraftentfaltung. Zur dritten Sitzblockaden-Entscheidung des BVerfG, NJW 1995 2584; ders. Die strafrechtliche Bewältigung des DDR-Unrechts durch die deutsche Justiz, GA 1996 51; ders. Zur Kritik des kriminalpolitischen Strafrechtssystems von Roxin, in Schünemann (Hrsg.), Grundfragen des modernen Strafrechtssystems (1984) 95; ders. Die
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
strafrechtliche Bewältigung des DDR-Unrechts durch die deutsche Justiz (1996); Anschütz Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919. Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis, 10. Aufl. (1929); ders. Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919. Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis, 14. Aufl. (1933); Appel Verfassung und Strafe (1998); ders. Grundrechtsgleiche Rechte, Prozeßgrundrechte oder Schranken-Schranken? Jura 2 0 0 0 571; A. Arndt Demokratische Rechtsauslegung am Beispiel des Begriffs „Staatsgeheimnis", NJW 1963 24; ders. Landesverrat (1966); C. Arndt Das Grundgesetz und die Strafverfolgung von Angehörigen der Hauptverwaltung Aufklärung, NJW 1991 2466; H.-W. Arndt Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung (1974); Arnold Bundesverfassungsgericht contra Einigungsvertrag, NJ 1997 115; ders. Einschränkung des Rückwirkungsverbotes sowie sorgfältige Schuldprüfung bei den Tötungsfällen an der DDR-Grenze - BVerfG, NJW 1997, 929, JuS 1997 400; ders. Der Einfluss des BVerfG auf das nationale Straf- und Strafverfahrensrecht (Teil I), StraFo 2 0 0 4 402; ders. Der Einfluss des BVerfG auf das nationale Straf- und Strafverfahrensrecht (Teil II), StraFo 2005 2; ders./Karsten/ Kreicker Menschenrechtsschutz durch Art. 7 I E M R K , NJ 2001 561; Arzt Die Neufassung der Diebstahlsbestimmung, JuS 1972 515; de Asua Nullum crimen, nulla poena sine lege, ZStW 63 (1951) 166; Bär Die aktuellen Strafprozesse gegen Bürger der ehemaligen DDR - ein Akt der Siegerjustiz? Jura 1999 281; Bassiouni Introduction to International Criminal Law (2003); Bauer Bundesverfassungsgericht und Rückwirkungsverbot JuS 1984 241; Baumann Die natürliche Wortbedeutung als Auslegungsgrenze im Strafrecht, M D R 1958 394; ders. Grenzen der individualen Gerechtigkeit im Strafrecht, in Summum ius, summa iniuria (1963) 117; Beling Methodik der Strafgesetzgebung (1922); Bemmann Zur Frage der nachträglichen Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung, JuS 1965 333; Benda Verjährung und Rechtsstaat (1965); Bender Inhalt und Grenzen des Gebots der verfassungskonformen Auslegung, MDR 1959 441; ders. Zur Methode der Rechtsfindung bei der Auslegung und Fortbildung des gesetzten Rechts, J Z 1957 593; Best Das Rückwrikungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG und die Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 2 Abs. 6 StGB) ZStW 114 (2002) 88; Bettermann Kurzreferat, AöR 106 (1981) 471; ders. Die verfassungskonforme Auslegung, Grenzen und Gefahren (1986); Binding Die Normen und ihre Übertretungen Bd. I 4. Aufl. (1922); Bindokat Teleologie und Analogie im Strafrecht, J Z 1969 541; Birkenstock Die Bestimmtheit von Straftatbeständen mit unbestimmten Gesetzesbegriffen (2004); Bitzilekis Die neue Tendenz zur Einschränkung des Notwehrrechts (1984); Bleckmann Die Richtlinie im Europäischen Gemeinschaftsrecht und im Deutschen Recht, in Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB (1986) 11; ders. Zu den Methoden der Gesetzesauslegung in der Rechtsprechung des BVerfG, JuS 2002 942; Bloy Die dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe (1976); Bochénski Gedanken zur mathematisch-logischen Analyse der Analogie, Studium Generale 9 (1956) 121; Bockelmann Richter und Gesetz, Festschrift Smend (1952) 23; Bodenheimer Präjudizienverwertung und Gesetzesauslegung im amerikanischen Recht, AcP 160 (1961) 1; Bohne Die Magna Charta und das strafgesetzliche Analogieverbot, Festschrift H. Lehmann (1937) 71; Bohnert Paul Johann Anselm Feuerbach und der Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht (1982); ders. Das Bestimmtheitserfordernis im Fahrlässigkeitstatbestand, ZStW 94 (1982) 68; Bopp Die Entwicklung des Gesetzesbegriffs im Sinne des Grundrechts „nulla poena sine lege" (1966); Böse Strafen und Sanktionen im europäischen Gemeinschaftsrecht (1996); Brandenburg Die teleologische Reduktion (1983); Brechmann Die Richtlinienkonforme Auslegung (1994); Bringewat Generalklauseln im Strafrecht, Festschrift Eb. Schmidt (1961) 122; ders. Scheckkartenmißbrauch und nullum crimen sine lege, GA 1973 353; Brocker Die Grundlegung des liberalen Verfassungsstaates (1995); Bruns Die Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken (1938); ders. Strafzumessungsrecht, 2. Aufl. (1974); ders. Die sog. „tatsächliche" Betrachtungsweise im Strafrecht, J R 1984 133; ders. Zur strafrechtlichen Relevanz des gesetzesumgehenden Täterverhaltens, GA 1986 1; Bryde Verfassungsentwicklung (1982); Buchner Die Rechtswidrigkeit der Taten von „Mauerschützen" im Lichte von Art. 103 Abs. 2 GG unter besonderer Berücksichtigung des Völkerrechts (1996); Burmeister Die Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung (1966); ders. Vertrauensschutz im Prozessrecht (1977); Bydlinski Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. (1991); Cadus Die faktische Betrachtungsweise - ein Beitrag zur Auslegung im Strafrecht (1984); Callies Der strafrechtliche Nötigungstatbestand und das verfassungsrechtliche Gebot der Tatbestandsbestimmtheit, NJW 1985 1506; Campiche Die verfassungskonforme Auslegung (1978); Canaris Die Feststellung von Lücken im Gesetz (1983); ders. Verfassungskonforme Auslegung und Rechts-
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§1
fortbildung im System der juristischen Methodenlehre, Festschrift Kramer (2004) 141; Cassese International Criminal Law (2003); Class Generalklauseln im Strafrecht, Festschrift Eb. Schmidt (1961) 122; Classen Zur strafrechtlichen Verfolgbarkeit früherer Geheimdienstangehöriger der Deutschen Demokratischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland, J Z 1991 717; ders. Art. 103 Abs. 2 GG - Ein Grundrecht unter Vorbehalt, GA 1998 215; Coing Zur Ermittlung von Sätzen des Richterrechts, JuS 1975 277; ders. Grundzüge der Rechtsphilosophie, 5. Aufl. (1993); Cornils in Menzel/Pierlings/Hoffmann (Hrsg.) Völkerrechtsprechung (2005); Dahm Beibehaltung oder Abschaffung des Grundsatzes „nulla poena sine lege", Deutsche Landesreferate zum II. Int. Kongreß für Rechtsvergleichung im Haag (1937) 514; ders. Zur Problematik des Völkerstrafrechts (1956); ders. Völkerrecht Bd. 3 (1961); Dannecker Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bedeutung der Grundsätze „nullum crimen sind lege" und „ne bis in idem" für das Wirtschaftsstrafund Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht, Rivista Trimestrale di Diritto Penale dell'Economia (1990) 449; ders. Das intertemporale Strafrecht (1993); ders. Die Schüsse an der innerdeutschen Grenze in der höchstrichterlichen Rechtsprechung - BGH-Entsch ν 03.11.1992 - 5 StR 370/92 = BGHSt 39, 1 - Jura 1994 585; ders. Sanktionen und Grundsätze des Allgemeinen Teils im Wettbewerbsrecht der Europäischen Gemeinschaft, in Schünemann/Suárez González (Hrsg.) Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts (1994) 331; ders. Strafrecht in der Europäischen Gemeinschaft, J Z 1996 869; ders. EntSanktionierung der Straf- und Bußgeldvorschriften des Lebensmittelrechts (1996); ders. Das europäische Strafrecht in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, Festgabe BGH 50 Bd. IV (2000) 339; ders. Die Dynamik des Strafrechts unter dem Einfluss europäischer und internationaler Entwicklungen ZStW 115 (2005) 697; ders. Das materielle Strafrecht im Spannungsfeld des Rechts der Europäischen Union, Jura 2005 95, 173; ders. Die Entwicklung des Wirtschaftsstrafrechts unter dem Einfluss des Europarechts, in Wabnitz/Janovsky (Hrsg.) Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl. (2007); ders. Nullum crimen, nulla poena sine lege und seine Geltung im Allgemeinen Teil des Strafrechts, Festschrift Otto (2007) 25; ders./Freitag Zur neueren europäischen und deutschen Strafgesetzgebung im Recht der Außenwirtschaft und der Finanzsanktionen, ZStW 116 (2004) 123; ders./Stoffers Rechtsstaatliche Grenzen für die strafrechtliche Aufarbeitung der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze J Z 1996 490; Deckert Die Methodik der Gesetzesauslegung, JA 1994 412; ders. Folgenorientierung in der Rechtsanwendung (1995); Demko Keine Strafe ohne Gesetz, HRRS 2004 19; Denninger Normbestimmtheit und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Sächsischen Polizeigesetz (1995); Depenheuer Der Wortlaut als Grenze (1988); Diefenbach Die verfassungsrechtliche Problematik des Paragraph 2 Abs. 4 StGB (1966); Dölle Vom Stil der Rechtssprache (1949); Dopslaff Wortbedeutung und Normzweck als die maßgeblichen Kriterien für die Auslegung von Strafrechtsnormen (1985); Dreher Anmerkung zu BGH, Urteil vom 22.5.1962, 5 StR 4/62, NJW 1962 2209; H. Dreier Gustav Radbruch und die Mauerschützen, J Z 1997 421; ders. Gesetzlichkeit im SED-Staat? Festschrift Arth. Kaufmann (1993) 57; Duttge Zur Bestimmtheit des Handlungsunwerts von Fahrlässigkeitsdelikten (2001); ders. Fahrlässigkeit und Bestimmtheitsgebot, Festschrift Kohlmann (2003) 13; Ebert Völkerstrafrecht und Gesetzlichkeitsprinzip, Festschrift Müller-Dietz (2001) 171; Ebisch Wirtschaftsstrafgesetz (1959); Eckhardt Die verfassungskonforme Auslegung (1964); Eilsberger Rechtstechnische Aspekte der verfassungskonformen Auslegung, JuS 1970 321; Eisele Einflußnahme auf nationales Strafrecht durch die Richtliniengebung der Europäischen Gemeinschaft, J Z 2001 1157; Η. P. Eisenbach Probleme der Verwaltungsakzessorietät im Umweltstrafrecht (1989); Elvers Die Bedeutung des Satzes nulla poena sine lege, Diss. Göttingen (1910); Enderle Blankettstrafgesetze. Verfassungs- und strafrechtliche Probleme von Wirtschaftsstraftatbeständen (2000); Engels Der partielle Ausschluß der Notwehr bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Ehegatten, GA 1982 109; Engisch Der Begriff der Rechtslücke, Festschrift W. Sauer (1949) 85; ders. Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl. (1963); ders. Die Idee der Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft unserer Zeit, 2. Aufl. (1968); ders. Einführung in das juristische Denken, 10. Aufl. (2005); Epping Die ,lex van der Lübbe' Zugleich auch ein Beitrag zur Bedeutung des Grundsatzes ,nullum crimen, nulla poena sine lege', Der Staat 34 (1995), 243; Erb Die Schutzfunktion von Art. 103 Abs. 2 GG bei Rechtfertigungsgründen, ZStW 108 (1996) 266; Esser Grundsatz und Norm richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 3. Aufl. (1974); ders. Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, 2. Aufl. (1972); Exner Gerechtigkeit und Richteramt (1922); Essler Wirtschaftstheorie I (1970); Faller Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Festschrift
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz Merz (1992) 61; D. Felix Einheit der Rechtsordnung (1998); von Feuerbach Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts (1801); ders. Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 3. Aufl. (1805); Fikentscher Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd. III: Mitteleuropäischer Rechtskreis (1976); ders. Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd. IV: Dogmatischer Teil. Anhang (1977); Fincke Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts (1975); Freund Erfolgsdelikt und Unterlassen (1992); Frisch Unrecht und Strafbarkeit der Mauerschützen, Festschrift Grünwald (1999) 133; Frister Die Notwehr im System der Notrechte, GA 1988 313; Frommel Die Mauerschützenprozesse - eine unerwartete Aktualität der Radbruchschen Formel, Festschrift Arth. Kaufmann (1993) 81; Fuß Zur Verweisung des deutschen Umsatzsteuergesetzes auf den gemeinsamen Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften, Festschrift Paulick (1973) 293; Gallwas Strafnormen als Grundrechtsprobleme, M D R 1969 892; Geerds Zur Problematik der strafrechtlichen Deliktstypen, Festschrift Engisch (1969) 406; Geitmann Bundesverfassungsgericht und „offene" Normen (1971); ders. Verfassungsmäßigkeit von Strafbestimmungen in Gemeindesatzungen, NJW 1972 1856; Gerland Art. 116. Nulla poena sine lege, in Nipperdey (Hrsg.) Grundrechte und Grundpflichten in der Reichsverfassung (1929) Bd. I, 383; Germann Methodische Grundfragen (1946); ders. Auslegung und freie Rechtsfindung, SchwZStr. 55 134; ders. Zum sogenannten Analogieverbot nach schweizerischem StGB, SchwZStr. 61 119; ders. 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Die provozierte Provokation oder Über die Zukunft des Notwehrrechts, Festschrift Bockelmann (1979) 225; ders. Hauptprobleme der Generalprävention (1979); ders. Über die Berücksichtigung von Folgen bei der Auslegung der Strafgesetze, Festschrift Coing (1982) Bd. 1, 493; ders. Die Freiwilligkeit beim Rücktritt vom Versuch, in Lüderssen/ Sack (Hrsg.), Nutzen und Nachteil, Teilbd. 1 (1980) 229; ders. Einführung in die Grundlagen des Strafrechts 2. Aufl. (1990); ders. Zum Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit. Drei Thesen, Vorgänge 159 (2002) Heft 3, 10; ders. Strafrecht in einem europäischen Verfassungsvertrag, ZStW 116 (2004) 304; ders. in ders./Kaufmann/Neumann (Hrsg.), Einführung in die Rechtsphilosophie
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und Rechtstheorie der Gegenwart 7. Aufl. (2004); ders./Kaufmann/Neumann (Hrsg.) Argumentation und Recht, ARSP-Beiheft n.F. Nr. 14 (1980); Hecker Europäisches Strafrecht (2005); Heidelmeyer Die Menschenrechte 3. Aufl. (1982); Heghmanns Grundzüge einer Dogmatik der Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln (2000); Heimberger Freiheit und Gebundenheit des Richters (1928); Heinitz Zur Verfassungsmäßigkeit der Strafbestimmung gegen den groben Unfug, Festschrift E. Hirsch (1968) 47; Heise Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationales Strafrecht (1998); Th. Heller Logik und Axiologie der analogen Rechtsanwendung (1961); Hennings Die Entstehungsgeschichte des Statzes nulla poena sine lege, Diss. 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Horn Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie (1996); Huep Beschränkung einer Rückwirkung neuer richterlicher Erkenntnisse auf ältere Sachverhalte (2001); Hugger Zur strafbarkeitserweiternden richtlinienkonformen Auslegung deutscher Vorschriften, N J W 1990 2 5 2 5 ; ders. Zur strafbarkeitserweiternden richtlinienkonformen Auslegung deutscher Strafvorschriften, NStZ 1993 421; Hiiting/ Konzak Die Senkung des Grenzwertes der absoluten Fahruntüchtigkeit und das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG; NZV 1991 255; Ignor/Miiller Spionage und Recht. Bemerkungen zur Strafverfolgung der ehemaligen DDR-Spionage, StV 1991 573; Isay Rechtsnorm und Entscheidung (1929); Isenbeck Der „ähnliche" Eingriff nach § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB, NJW 1969 174; Jäger Grund und Grenzen des Gesetzlichkeitsprinzips im Strafprozessrecht, GA 2 0 0 6 615; Jähnke Zur Frage der Geltung des „nullum-crimen-Satzes" im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, Festschrift 50jähriges Bestehen von BGH u.a. 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Die Radbruchsche Formel vom gesetzlichen Unrecht und vom übergesetzlichen Recht in der Diskussion um das im Namen der DDR begangene Unrecht, NJW 1995 81; ders./Hassemer/Neumann Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 7. Aufl. (2004); H. Kaufmann Strafanspruch, Strafklagerecht (1968); Kaul Geschichte des Reichsgerichts, Bd. IV 1 9 3 3 - 1 9 4 5 (1971); Kantorowicz Tat und Schuld (1933); Kausch Der Staatsanwalt - Ein Richter vor dem Richter? (1980); Keller Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Amtsträgers für fehlerhafte Genehmigungen im Umweltrecht, Festschrift Rebmann (1989) 241; Kelsen Reine Rechtslehre, 2. Aufl. (1969); Kenntner Der deutsche Sonderweg zum Rückwirkungsverbot. Plädoyer für die Aufgabe eines überholten Verweigerungsdogmas, N J W 1997 2298; Kim Der Gesetzlichkeitsgrundsatz im Lichte der Rechtslehre, Festschrift Roxin (2001) 119; Kinzig Schrankenlose Sicherheit? - Das Bundesverfassungsgericht vor
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der Entscheidung über die Geltung des Rückwirkungsverbots im Maßregelrecht, StV 2000 330; Kirchhof Oer bestandskräftige Steuerbescheid im Steuerverfahren und im Steuerstrafverfahren, NJW 1985 2977; ders. Der Auftrag des Grundgesetzes an die rechtsprechende Gewalt, Festschrift Universität Heidelberg (1986) 11; ders. Die Bestimmtheit und Offenheit der Rechtssprache (1987); Klatt Theorie der Wortlautgrenze (2004); Kleinheyer Vom Wesen der Strafgesetze in der neuen Rechtsentwicklung, (1968); Klug Juristische Logik, 4. Aufl. (1982); Knauth Die Rückwirkung verfahrensrechtlicher Normen zum Zwecke der Verfolgbarkeit im Strafrecht, StV 2 0 0 3 418; B. Knittel Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung im Steuerrecht (1974); Koch Prinzipientheorie der Notwehreinschränkung, ZStW 104 (1992) 875; ders./Rüßmann Juristische Begründungslehre (1982); König Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz (2003); Kohlmann Der Begriff des Staatsgeheimnisses und das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit von Strafvorschriften (1969); Krahl Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht (Art. 103 Abs. 2 GG) (1986); ders. Fahruntüchtigkeit - Rückwirkende Änderung der Rechtsprechung und Art. 103 II GG, NJW 1991 808; Krajewski Mauerschützen und Menschenrechte, J Z 1997 1054; Kratzer Das Bild in der Physik, Studium Generale 9 (1956) 129; Kratzsch Grenzen der Strafbarkeit im Notwehrrecht (1968); ders. § 53 StGB und der Grundsatz nullum crimen sine lege, GA 1971 65; Kreicker Art. 7 EMRK und die Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze (2002); Krey Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht (1977); ders. Zur Verweisung auf EWG-Verordnungen in Blankettstrafgesetzen am Beispiel der Entwürfe eines Dritten und Vierten Gesetzes zur Änderung des Weinstrafgesetzes, EWR 1981 109; ders. Grundzüge des Strafverfahrensrechts, JA 1983 233, 356, 506, 638; ders. Keine Strafe ohne Gesetz (1983); ders. Gesetzestreue und Strafrecht, ZStW 101 (1989) 838; ders./Weber-Linn Parallelitäten und Divergenzen zwischen strafrechtlichem und öffentlichrechtlichem Gesetzesvorbehalt, Festschrift Blau (1985) 123; U. Krüger Der Adressat des Rechtsgesetzes (1969); Kudlich Grundrechtsorientierte Auslegung im Strafrecht, J Z 2 0 0 3 127; ders. Die strafrahmenorienterte Auslegung im System der strafrechtlichen Rechtsfindung, ZStW 115 (2003) 1; Kühne Bürgerfreiheit und Verbrecherfreiheit (2004); Kuhlen Regel und Fall in der juristischen Methodenlehre, in Alexy/Koch/Kuhlen/Rüßmann (Hrsg.), Elemente einer juristischen Begründungslehre (2003) 61; ders. Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen (2006); ders. Zum Verhältnis von Bestimmtheitsgrundsatz und Analogieverbot, Festschrift Otto (2007) 89; Kunig Das Rechtsstaatsprinzip (1986); Küper Der verschuldete rechtfertigende Notstand. Zugleich ein Beitrag zur „actio illicita in causa" (1983); ders. Richterrecht im Bereich der Verkehrsfahrerflucht, Festschrift Universität Heidelberg (1986) 451; ders. Deliktsversuch, Regelbeispiel und Versuch des Regelbeispiels - Zugleich Anmerkung zum Beschluß des BGH vom 18.11.1985, J Z 1986 518; ders. Das BVerfG, das Analogieverbot und der Betrugstatbestand, BVerfG NJW 1995 27, 76, JuS 1996 783; v.Kutschera Sprachphilosophie, 2. Aufl. (1975); ders. Wissenschaftstheorie, 2 Bde (1972); Lackner Zu den Grenzen der richterlichen Befugnis, mangelhafte Strafgesetze zu berücksichtigen, Festschrift Universität Heidelberg (1986) 39; Lagodny Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte (1996); Lampe Juristische Semantik (1970); Länge-Fuchs Der Verfassungsgrundsatz der Tatbestandsbestimmtheit und die Unbestimmtheit des S 1 StVO, NJW 1967 1843; Langenbucher Die Entwicklung und Auslegung von Richterrecht (1996); Langer Gesetzlichkeitsprinzip und Strafmilderungsgründe, Festschrift Dünnebier (1982) 421; Larenz Richtiges Recht (1979); ders. Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. (1991); Larenz/Canaris Methodenlehre des Rechts, 4. Aufl. (2005); Laskowski Unrecht - Strafrecht - Gerechtigkeit. Die Probleme des Rechtsstaats mit dem DDRUnrecht, JA 1994 151; Lecheler Unrecht in Gesetzesform? Gedanken zur „Radbruch'schen Formel" (1994); Lemmel Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im Besonderen Teil des Strafrechts und der Grundsatz nullum crimen sine lege (1970); Lenckner „Gebotensein" und „Erforderlichkeit" der Notwehr, GA 1968 1; ders. Wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht und der Satz nullum crimen sine lege, JuS 1968 249, 304; Liermann Die Bindung des Richters an den Gesetzgeber, DRiZ 1964 308; Lippold Die Strafbarkeit der DDR-Spionage und ihre Verfassungsmäßigkeit, NJW 1992 20; v. Liszt Uber den Einfluß der soziologischen und anthropolischen Forschungen auf die Grundbegriffe des Strafrechts, Mitteilungen der IKV Bd. 4 (1893), abgedruckt in Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. II (1905, Nachdruck 1970) 75; Loos Bemerkungen zur „historischen Auslegung", Festschrift Wassermann (1985) 123; Looschelders/Roth Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung (1996); Lüdemann Die verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen, JuS 2004 27;
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Lüderssen Politische Grenzen des Rechts - rechtliche Grenzen der Politik, J Z 1979 449; ders. Zu den Folgen des „Beitritts" für die Strafjustiz der Bundesrepublik Deutschland, StV 1991 482; ders. Der Staat geht unter - das Unrecht bleibt? (1992); ders. Kontinuität und Grenzen des Gesetzlichkeitsprinzips bei grundsätzlichem Wandel der politischen Verhältnisse, ZStW 104 (1992) 735; Luther Zum Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, Festschrift Bemann (1997) 202; Maatz Strafklageverbrauch und Gerechtigkeit, Festschrift Meyer-Goßner (2001) 257; H. C. Maier Die Garantiefunktion des Gesetzes im Strafprozeß (2001); Maihofer Die Bindung des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) (1960); ders. Rechtsstaat und Menschenwürde (1968); ders. Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts (Studienausgabe), Tl. 1 (1984) 173; Maiwald Bestimmungsgebot, tatbestandliche Typisierung und die Technik der Regelbeispiele, Festschrift Gallas (1972) 137; ders. Zur Problematik der „besonders schweren Fälle" im Strafrecht, NStZ 1984 433; Mangakis Über die Wirksamkeit des Satzes „nulla poena sine lege", ZStW 81 (1969) 997; Marcie Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat (1957); Marxen Strafgesetzgebung als Experiment, GA 1985 549; Mattil Zeit und materielles Strafrecht, GA 1965 129; Maurach Besorgter Brief an einen künftigen Verbrecher, J Z 1962 380; H. Mayer Das Analogieverbot im gegenwärtigen deutschen Strafrecht, SJZ 1947 12; ders. Die gesetzliche Bestimmtheit der Tatbestände, in Materialien zur Strafrechtsreform I (1954) 259; Mayer-Ladewig Der Satz „nulla poena sine lege" in dogmatischer Sicht, MDR 1962 262; Mclnterny The logic of analogy (1961); D. Meyer Gedanken zum Problem der Auslegung von Strafgesetzen zugunsten der besseren Beweisbarkeit, SchlHA 1947 117; M.-K. Meyer Zur Rechtsnatur und Funktion des Strafantrags (1984); Mezger Vom Wesen strafrechtlicher Tatbestände, Festschrift Traeger (1926) 187; Michel Die verfassungskonforme Auslegung, JuS 1961 269; Miehe Rechtfertigung und Verbotsirrsinn, Festschrift Gitter (1995) 647; Mittermaier Über Analogie im Strafrecht, SchwZStr. 63 408; Moll Europäisches Strafrecht durch nationale Blankettstrafgesetzgebung? (1998); Montesquieu Vom Geist der Gesetze, 11. Buch, Kap. 6 (1748); Morris Grundlagen der Zeichentheorie, Ästhetik und Zeichentheorie, (TB) (1979); ders. Zeichen, Sprache und Verhalten (1973); Müller-Dietz Abschied vom Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht? Festschrift Lenckner (1998) 179; Naucke Zur Lehr vom strafbaren Betrug (1964); ders. Rückwirkende Senkung der Promillegrenze und Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG), NJW 1968 2321; ders. Der Nutzen der subjektiven Auslegung im Strafrecht, Festschrift Engisch (1969 ) 274; ders. Über Generalklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht (1973); ders. Die Aufhebung des strafrechtlichen Analogieverbots 1935, in NS-Recht in historischer Perspektive (1981) 71; ders. Die Missachtung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots 1933-1945, Festschrift Coing (1982) Bd. I 225; ders. Gesetzlichkeit und Kriminalpolitik, JuS 1989 862; ders. Die strafjuristische Privilegierung staatsverstärkter Kriminalität (1996); Neumann Der „mögliche Wortsinn" als Auslegungsgrenze in der Rechtsprechung der Strafsenate des BGH, in ders./Rahlf/v. Savigny E. (Hrsg.), Juristische Dogmatik und Wissenschaftstheorie (1976) 42; ders. Rechtsontologie und juristische Argumentation (1979); ders. Materiale und prozedurale Gerechtigkeit im Strafverfahren, ZStW 101 (1989) 52; ders. Rückwirkungsverbot bei belastenden Rechtsprechungsänderungen der Strafgerichte? ZStW 103 (1991) 331; Neuner Die Rechtsfindung contra legem, 2. Aufl. (2005); Nickel Die Problematik der unechten Unterlassungsdelikte im Hinblick auf den Grundsatz „nullum crimen sine lege" (Artikel 103 Abs. 2 GG) (1972); Noll Zur Gesetzestechnik im Entwurf eines StGB, J Z 1963 297; ders. Diskussionsvotum an der Strafrechtslehrertagung vom 21. bis 23. Mai 1964 in Hamburg, ZStW 76 (1964) 707; Nowakowski Die Bedeutung von Entwürfen und Regierungsvorlagen für die Auslegung des geltenden Rechts, RZ 1973 2; Otto Die Auslegung ambivalenter Normen und ihre Bedeutung für die Strafbarkeit der verdeckten Sacheinlage, Festschrift Gitter (1993) 715; ders. Grundsätze der Strafverfolgungsverjährung von Straftaten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, Jura 1994 611; ders. Die Beurteilung alkoholbedingter Delinquenz in der Rechtsprechung, Festgabe 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. IV (2000) 111; ders. Der Bestimmtheitsgrundsatz und die Überbrückung sog. Strafbarkeitslücken, in Hefendehl (Hrsg.), Symposium für Schünemann (2005) 71; ders. Die Auslegung von Blankettstraftatbeständen, Jura 2005 538; Palakiewicz Verfassungs- und völkerrechtliche Aspekte der strafgerichtlichen Ahndung des Schusswaffeneinsatzes an der innerdeutschen Grenze, EuGRZ 1992 177; Papier/Möller Das Bestimmtheitsgebot und seine Durchsetzung, AöR 122 (1997) 177; Paulduro Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insbes. der Normen des Strafgesetzbuches (1992); Pawlik Strafrecht und Staatsunrecht, GA 1994 472; Pawlowski Methodenlehre für Juristen, 3. Aufl. (1999); A. Peters Einführung in die Europäische
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Menschenrechtskonvention (2003); K. Peters Die strafrechtsgestaltende Kraft des Strafprozesses (1963); ders. Schuldspruch durch das Revisionsgericht bei Freispruch in der Tatsacheninstanz, Feschrift Stock (1966) 2 0 3 ; Petzoldt Die Problematik der Generalklauseln im Nebenstrafrecht und im Ordnungswidrigkeitenrecht (1968); Pföhler Zur Unanwendbarkeit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots im Strafprozessrecht in dogmenhistorischer Sicht (1988); Pieroth Der rückwirkende Wegfall des Strafantragserfordernisses, JuS 1977 3 9 4 ; ders. Rückwirkung und Übergangsrecht (1981); ders. Grundlagen und Grenzen verfassungsrechtlicher Verbote rückwirkender Gesetze, Jura 1983 122, 2 5 0 ; ders. Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz des Vertrauensschutzes, J Z 1984 971; ders. Der Rechtsstaat und die Aufarbeitung der vorrechtsstaatlichen Vergangenheit, W D S t R L 51 (1992) 91; ders./Kingreen Die verfassungsrechtliche Problematik des Verjährungsgesetzes, N J 1993 385; ders./Schlink Grundrechte. Staatsrecht II, 22. Aufl. (2006); Phillipps Normentheorie, in Kaufmann/Hassemer/Neumann (Hrsg.), Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 7. Aufl. (2004) 320; Polakiewicz Verfassungs- und völkerrechtliche Aspekte der strafrechtlichen Ahndung des Schußwaffeneinsatzes an der innerdeutschen Grenze, E u G R Z 1992 177; Polowski Die Verlängerung von Verjährungsfristen für die Strafverfolgung, N J W 1965 2 8 7 ; Priester Z u m Analogieverbot im Strafrecht, in Koch (Hrsg.), Juristische Methodenlehre und analytische Philosophie (1976) 155; Rácz Die kriminologische Auslegungsmethode der Strafgesetze, J R 1984 2 3 4 ; Raisch Juristische Methoden (1995); Ransiek Gesetz und Lebenswirklichkeit. Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot (1989); Rau Deutsche Vergangenheitsbewältigung vor dem E G M R - H a t der Rechtsstaat gesiegt? N J W 2 0 0 1 3 0 0 8 ; Rhinow Rechtssetzung und Methodik (1979); Riedel Irrtum der Gesetzgebung und Gesetzesauslegung, J R 1955 374; Rieger Grenzen verfassungskonformer Auslegung, N V w Z 2 0 0 3 17; Rittler Gesetztes und nichtgesetztes Strafrecht, Z S t W 4 9 (1925) 451; Rittstieg Strafrechtliche Verantwortung von Grenzsoldaten der D D R , D u R 1991 4 0 4 ; Robbers Gerechtigkeit als Rechtsprinzip (1980); ders. Rückwirkende Rechtsprechungsänderung, J Z 1988 481; Roellecke Egon Krenz pot portas, N J W 2 0 0 1 3 0 2 4 ; Rogali Gegenwartsprobleme des Umweltstrafrechts, Festschrift Universität Köln (1988) 5 0 5 ; Rönnau Dogmatisch-konstruktive Lösungsmodelle zur actio libera in causa, J A 1997 707; Rosenau Tödliche Schüsse im staatlichen Auftrag. Die strafrechtliche Verantwortung von Grenzsoldaten für den Schußwaffengebrauch an der deutsch-deutschen Grenze, 2. Aufl. (1998); Roxin Die provozierte Notwehrlage, ZStW 75 (1963) 541; ders. Verwerflichkeit und Sittenwidrigkeit als unrechtsbegründende Merkmale im Strafrecht, JuS 1964 3 7 3 ; ders. Kriminalpolitik und Strafrechtssystem (1970); ders. Die „sozialethische Einschränkung" des Notwehrrechts, Z S t W 93 (1981) 68; ders./Arzt/Tiedemann Einführung in das Strafrecht und Strafprozessrecht, 5. Aufl. (2006); Rüberg Vertrauensschutz gegenüber rückwirkender Rechtsprechungsänderung (1977); Rüping Nullum crimen sine poena: Zur Diskussion um das Analogieverbot im Nationalsozialismus, X V Oehler (1985) 2 7 ; ders. Zur Problematik des Mordtatbestandes, J Z 1979 617; ders. Zur Verfassungswidrigkeit des § 370a AO, D S t R 2 0 0 4 1780; Rupp Die Bindung des Richters an das Gesetz, N J W 1973 1769; Rüthers Analogieverbot und subjektive Auslegungsmethode, J Z 2 0 0 5 21; ders. Rechtstheorie, 2. Aufl. (2005); ders. Methodenrealismus in Jurisprudenz und Justiz, J Z 2 0 0 6 53; Rüßmann Möglichkeit und Grenzen der Gesetzesbindung, in Alexy/Koch/Kuhlen/Rüßmann (Hrsg.), Elemente einer juristischen Begründungslehre (2003) 135; Saliger Radbruchsche Formel und Rechtstaat (1995); Sarstedt Beweisregeln im Strafprozess, Festschrift E. Hirsch (1968) 171; Satzger Die Europäisierung des Strafrechts (2001 ); ders. Das neue Völkerstrafgesetzbuch - Eine kritische Würdigung, N S t Z 2 0 0 2 127; ders. Die Internationalisierung des Strafrechts als Herausforderung für den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, J u S 2 0 0 4 943; ders. Internationales und Europäisches Strafrecht (2005); v. Savigrty, F. C. Juristische Methodenlehre (Hrsg. von Wesenberg) (1951); ders. System des heutigen Römischen Rechts, I. Bd. (1849); Sax D a s strafrechtliche „Analogieverbot" (1953); ders. Grundsätze der Strafrechtspflege, in Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte Bd. III/2, 2. Aufl. (1972) 909; Schack Die verfassungskonforme Auslegung, JuS 1961 269; Scheffelt Die Rechtsprechungsänderung (2001); Scheffler Die Wortsinngrenze bei der Auslegung, Jura 1996 505; ders. Strafgesetzgebungstechnik in Deutschland und Europa (2006); Schlink Rechtsstaat und revolutionäre Gerechtigkeit, N J 1994 4 3 3 ; Schlüchter Mittlerfunktion der Präjudizien (1986); Schmidhäuser Strafgesetzliche Bestimmtheit: eine rechtsstaatliche Utopie, Gedächtnisschrift Martens (1987) 231; ders. Forum und Gehalt der Strafgesetze (1988); K. Schmidt Die Strafbarkeit „faktischer Geschäftsführer" wegen Konkursverschleppung als Methodenproblem, Festschrift Rebmann (1989) 419;
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Keine Strafe ohne Gesetz M. Schmidt Externe Strafpflichten - Völkerstrafrecht und seine Wirkungen im deutschen Strafrecht (2002); R. Schmitt Der Anwendungsbereich von § 1 Strafgesetzbuch (Art. 103 Abs. 2 GG), Festschrift Jescheck (1985) 223; H. P. Schneider Richterrecht, Gesetzesrecht und Verfassungsrecht (1969); ]. Schneider Information und Entscheidung des Richters (1980); Schnelle Sprachphilosophie und Linguistik (1973); Schocket Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots bis zur französischen Revolution (1968); Schöne Unterlassene Erfolgsabwendungen und Strafgesetz (1974); Schänke Auslegung, Analogie und Gewohnheitsrecht im Strafrecht, M D R 1947 85; Schottlaender Die geschichtliche Entwicklung des Satzes „nulla poena sine lege", Straf. Abh. 132 (1911); Schreiber Zur Zulässigkeit der rückwirkenden Verlängerung von Verjährungsfristen früher begangener Delikte, ZStW 80 (1968) 348; ders. Rückwirkungsverbot bei einer Änderung der Rechtsprechung im Strafrecht? J Z 1973 713; ders. Gesetz und Richter. Zur geschichtlichen Entwicklung des Prinzips nullum crimen, nulla poena sine lege (1976); ders. Strafrechtliche Verantwortlichkeit für den Schußwaffengebrauch an der Grenze zwischen Bundesrepublik und DDR, in Lampe (Hrsg.), Deutsche Wiedereineinigung, Bd. II (1993) 53; Schroeder Die Bestimmtheit von Strafgesetzen am Beispiel des groben Unfugs, J Z 1969 755; ders. Zur Strafbarkeit von Tötungen in staatlichem Auftrag, J Z 1992 990; ders. Der Bundesgerichtshof und der Grundsatz „nulla poena sine lege", NJW 1999 89; C. Schröder Europäische Richtlinien und deutsches Strafrecht (2002); H. Schröder Zur Verteidigung der Rechtsordnung, J Z 1971 241; M. Schröder Verwaltungsrecht als Vorgabe für Zivil- und Strafrecht, W D S t R L 50 (1991) 196; Schroth Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht (1983); ders. Hermeneutik, Norminterpretation und richterliche Normanwendung, in Kaufmann/Hassemer/Neumann (Hrsg.), Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 7. Aufl. (2004) 270; L. Schulz Der nulla poena-Grundsatz - ein Fundament des Rechtsstaats? in Pawloski/Roellecke (Hrsg.) Der Universalitätsanspruch des demokratischen Rechtsstaates (1996) 173; Schulze-Osterloh Unbestimmtes Steuerrecht und strafrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz, in Kohlmann (Hrsg.), Strafverfolgung und Strafverteidigung im Steuerstrafrecht (1983) 43; Schünemann Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte (1971); ders. Nulla poena sine lege? (1978); ders. Ungelöste Rechtsprobleme bei der Bestrafung nationalschädlicher Gewalttäter, Festschrift Bruns (1978) 223; ders. Methodologische Prolegomena zur Rechtsfindung im Besonderen Teil des Strafrechts, Festschrift Bockelmann (1979) 117; ders. Verjährung der Beihilfe zum Mord, NStZ 1981 143 f; ders. Die Gesetzesinterpretation im Schnittfeld von Sprachphilosophie, Staatsverfassung und juristischer Methodenlehre, Festschrift Klug (1983) 169; ders. Dogmatische Sackgassen bei der Strafverfolgung der vom SED-Regime zu verantwortenden Untaten, Festschrift Grünwald (1999) 657; Schürmann Unterlassungsstrafbarkeit und Gesetzlichkeitsgrundsatz (1986); Schütz Strafe und Strafrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat (1997); Schuppert Funktionellrechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation (1980); ders./Bumke Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung (2000); Schwalm Der objektivierte Wille des Gesetzgebers, Festschrift Heinitz (1972) 47; Schwill Zur Anwendung der Radbruchschen Formel in der Rechtsprechung des BVerfG, KritV 2 0 0 2 79; Schwinge Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht (1930); Sedlmayr Analogie, Kunstgeschichte und Kunst, Studium Generale 8 (1955) 697; Seebode Gesetzliche Notwehr und staatliches Gewaltmonopol, Festschrift F.-W. Krause (1990) 375; Seel Unbestimmte und normative Tatbestandsmerkmale und der Grundsatz nullum crimen sine lege, Diss. München (1965); Seidel Rechtsphilosophische Aspekte der „Mauerschützen"-Prozesse (1999); Seiffert Einführung in die Wissenschaftstheorie, Bd. 1, 9. Aufl. (1980); Sendler Strafrechtliche Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit oder Amnestie? NJW 1997 3146; Silva-Sanchez Zur strafrechtlichen Relevanz der NichtUnmittelbarkeit des Erfolgseintritts, GA 1990 212; Simma/Volk Der Spion, der in die Kälte kam. Zur BGH-Entscheidung über die Strafbarkeit der DDR-Spionage, N J W 1991 871; Simon Gesetzesauslegung im Strafrecht (2005); Spendel NStZ 1996 386; Spies Gesetzeswortlaut und Gesetzesauslegung, DRiZ 1956 168; Sprenger 50 Jahre Radbruchsche Formel oder: Von der Sprachnot der Juristen, NJ 1997 3; v. Stackelberg Verjährung und Verwirkung des Rechts auf Strafverfolgung, Festschrift Bockelmann (1979) 757; Staechelin Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat (1998); Starck Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes (1970); ders. Zum Rückwirkungsverbot bei der strafrechtlichen Beurteilung der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze, J Z 1997 147; Stern Interpretation und existentielle Aufgabe der Jurisprudenz, NJW 1958 695; ders. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 5. Aufl. (2004); Stockei Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht (1966); ders. Bekämpfung der Gesetzesumgehung mit Mitteln des Strafrechts, ZRP 1977 134; Stoll
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Sicherheit als Aufgabe von Staat und Gesellschaft (2003); Straßburg Rückwirkungsverbot und Änderung der Rechtsprechung im Strafrecht, ZStW 82 (1970) 948; Stratenwerth Zum Streit der Auslegungstheorien, Festschrift Germann (1969) 257; Stree Deliktfolgen und Grundgesetz (1960); ders. Die Ersatzhehlerei als Auslegungsproblem, JuS 1961 50; Suppert Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage" (1973); Sydow Die actio libera in causa nach dem Rechtsprechungswandel des Bundesgerichtshofs (2002); Tiedemann Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht (1969); ders. Die Auslegung des Strafprozeßrechts, Festgabe K. Peters (1984) 131; ders. Neue Auslegungs- und Methodenfragen des Strafrechts, Festschrift Delitala (1984) 2149; ders. Art. Auslegung; Blankettstrafgesetz; GmbH-Strafrecht; Umgehung; in Krekeler/Tiedemann/Ulsenheimer/Weinmann (Hrsg.), Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts (1986); ders. Grundgesetz und Strafrecht, in 4 0 Jahre Grundgesetz (1990) 155; ders. Verfassungsrecht und Strafrecht (1991); ders. Zum Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem Teil des Strafrechts, Festschrift Baumann (1992) 7; ders. Grunderfordernisse des Allgemeinen Teils für ein europäisches Sanktionenrecht, ZStW 110 (1998) 497; ders. Die Anfängerübung im Strafrecht 4. Aufl. (1999); ders. Grunderfordernisse des Allgemeinen Teils für ein europäisches Sanktionenrecht, in ders. (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union (2002) 3; ders. Strafbarkeit des Offenbarens und Verwertens von Bundesbankangaben nach §§ 55a, 55b KWG, ZBB 2 0 0 5 190; ders. Wirtschaftsstrafrecht, Einführung und Allgemeiner Teil (2004); ders. Wirtschaftsstrafrecht, Besonderer Teil (2006); Traeger „Zeitliche Herrschaft des Strafgesetzes" in der Vergleichenden Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts (1908); Triffterer Was kann das Völkerstrafrecht zur Bewältigung der Regierungskriminalität in der DDR beitragen? in Lampe (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung, Bd. 2: Die Verfolgung von Regierungskriminalität der DDR nach der Wiedervereinigung (1993) 131; Tröndle Rückwirkungsverbot bei Rechtsprechungswandel? Festschrift Dreher (1977) 117; Ulmer Überlegungen zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Kartellrecht, WuW 1971 878; Velten/Mertens Zur Kritik des grenzenlosen Gesetzesverstehens, ARSP 76 (1990) 516; Viets Rechtsprechungsänderung und Vertrauensschutz (1976); H.-J. Vogel Mord sollte nicht verjähren, ZRP 1979 1; ]. Vogel Scheinund Umgehungshandlungen im Strafrecht, in Schünemann/Suárez (Hrsg.), Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts. Madrid-Symposium für Klaus Tiedemann (1994) 151; ders. Juristische Methodik (1998); ders. Gesetzlichkeitsprinzip, territoriale Geltung und Gerichtsbarkeit, in Tiedemann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union (2002) 91; ders. Einflüsse des Nationalsozialismus auf das Strafrecht, ZStW 115 (2003) 638; Volkmann Qualifizierte Blankettnormen, ZRP 1995 220; Voller Lohnte die Einführung des § 2 n.F. StGB die Preisgabe der Rechtssicherheit? Diss. München (1949); Vosskuhle Theorie und Praxis der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen durch Fachgerichte, AöR 125 (2000) 177 ff; A. Wagner Die Umgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens- und Richterrechts im nationalsozialistischen Staat, in Weinkauff (Hrsg.), Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus, Bd. 16/1 (1968); F. "Wagner Analogie als Methode geschichtlichen Verstehens, Studium Generale 8 (1955) 703; Waiblinger Die Bedeutung des Grundsatzes: „nullum crimen sine lege", Festgabe Schweiz. Juristenverein (1955) 212; Wank Die Auslegung von Gesetzen, 3. Aufl. (2005); Wassermann System- und Exzesstäter - zur strafrechtlichen Aufarbeitung des DDR-Justizunrechts, Festschrift Kaiser, Bd. 2 (1998) 1405; Watzek Rechtfertigung und Entschuldigung im englischen Strafrecht (1997); K. Weber Die Verfolgung des SEDUnrechts in den neuen Ländern, GA 1993 205; v. Weber Zur Geschichte der Analogie im Strafrecht, ZStW 56 (1937) 653; Weber-Dürler Die Rechtsgleichheit in ihrer Bedeutung für die Rechtssetzung (1973); Wehnert Rahmenbeschlusskonforme Auslegung deutschen Strafrechts, NJW 2005 3760; Welke Rückwirkungsverbot zugunsten staatlicher Kriminalität? KritJ 28 (1995) 369; Welzel Auf welche Bestandteile einer Strafvorschrift bezieht sich der Satz: nulla poena sine lege? J Z 1952 617; ders. Naturrecht und materielle Gerechtigkeit, 4. Aufl. (1980); Werle Justiz - Strafrecht und politische Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich (1989); ders. Menschenrechtsschutz durch Völkerstrafrecht, ZStW 109 (1997) 808; ders. Rückwirkungsverbot und Staatskriminalität, NJW 2001 3001; ders. Principles of international criminal law (2005); Werny Übergangsphase bei der Einführung einer 1,1 von Tausend-Grenze, NVZ 1990 137; Wessels Zur Problematik der Regelbeispiele für „schwere" und „besonders schwere Fälle", Festschrift Maiwald (1972) 295; Wtdmaier Verfassungswidrige Strafverfolgung der DDR-Spionage - Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art 103 II GG, N J W 1990 2460; ders. Strafbarkeit der DDR-Spionage gegen die Bundesrepublik - auch noch nach der Wiedervereinigung? NJW 1990 3169; Wilke Das Kammergericht im Irrgarten des
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Ostwestrechts, N J W 1991 2465; Woesner Generalklausel und Garantiefunktionen der Strafgesetze, NJW 1963 273; Wohlfahrt Analogie als Begriff und Methode der vergleichenden Anatomie, Studium Generale 9 (1959) 136; Wohlleben Beihilfe durch äußerlich neutrale Handlungen (1996); F. Wolff Die strafrechtliche Beurteilung der Schüsse an der innerdeutschen Grenze als Teilkomplex der juristischen Aufarbeitung der „Regierungskriminalität" in der DDR, in Lampe (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung, Bd. II (1993) 67; Wolter Aspekte einer Strafprozessreform bis 2 0 0 7 (1991); Yi Wortlautgrenze, Intersubjektivität und Kontexteinbettung (1992); Zielinski Das strikte Rückwirkungsverbot gilt absolut im Rechtssinne auch dann; wenn es nur relativ gilt, Festschrift Grünwald (1999) 811; S. Zimmermann Die strafrechtliche „Bewältigung" der deutschen Diktaturen, JuS 1996 865; T. Zimmermann Mehrstufige Rechtsfindung als Verbindung von subjektiver und objektiver Auslegungsmethode, NJW 1954 1628; ders. Struktur- und Einzelfragen der Gesetzesauslegung im Spiegel der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, GA 1955 336; ders. Der Wortlaut des Gesetzes im Spiegel höchstrichterlicher Rechtsprechung, NJW 1956 1262; Zipf Die „Verteidigung der Rechtsordnung", Festschrift Bruns (1978) 205; Zippelius Rechtsnorm und richterliche Entscheidungsfreiheit, J Z 1970 241; ders. Juristische Methodenlehre 10. Aufl. (2006); Zuleeg Der Beitrag des Strafrechts zur europäischen Integration, J Z 1992 761.
Entstehungsgeschichte Im Garantiegehalt des Grundsatzes „nullum c r i m e n , nulla poena sine lege" vereinigen sich unterschiedliche Entwicklungen, die auf vier Bedeutungsebenen 1 zum G e b o t des positivierten Strafgesetzes (Rdn. 114 ff), zum Bestimmtheitsgebot ( R d n . 1 7 9 ff), zum Analogieverbot ( R d n . 2 3 8 ff) und zum R ü c k w i r k u n g s v e r b o t (Rdn. 3 6 0 ff) geführt h a b e n . Für die Anerkennung eines weiteren Verbotsprinzips, das auf die Verhinderung einer „experimentellen Strafgesetzgebung" gerichtet ist, 2 besteht keine N o t w e n d i g k e i t . 3 Die gesetzliche Bestimmtheit, die eine Strafbegründung und -schärfung durch A n a l o gie und G e w o h n h e i t s r e c h t verbietet, setzt einen gewissen Stand des Gesetzesbegriffs voraus; sie ist deshalb erst mit der Aufklärung und der Entfaltung des Gesetzes als R e c h t s quelle w i r k s a m geworden. Hingegen stellt sich die Frage nach der R ü c k w i r k u n g unabhängig davon, o b N o r m e n in ein allgemeines Gesetz eingekleidet sind. D a h e r gehen die unterschiedlichen Aspekte der heutigen Verfassungsgarantie auf eigenständige E n t wicklungen z u r ü c k , 4 deren Wurzeln nicht nur in K o n t i n e n t a l e u r o p a liegen. 5 Die ältesten Wurzeln weist das Rückwirkungsverbot auf, das ansatzweise bereits im späten R ö m i s c h e n R e c h t anerkannt war. 6 Es wurde zum einen auf den Schuldgrundsatz gestützt, weil der T ä t e r die übertretene N o r m g e k a n n t haben muss, wenn er bestraft werden soll, und zum anderen auf die Beschränkung auf konstitutive Gesetze, die ein an sich
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Dannecker S. 63 ff; Degenhart in Sachs Art. 103 Rdn. 49; Krey Strafe Rdn. 35 ff; 106 ff; Roxin AT I 4 § 5 Rdn. 1; Rudolphi SK Rdn. 5; Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 2 ff; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 163; Schroeder NJW 1999 89; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 3; vgl. auch Rogali KK-OWiG 3 § 3 Rdn. 7; aA SchulzeFielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 13, der im Anschluss an BVerfGE 92 1, 12, das Analogieverbot nicht als selbständige Gewährleistung, sondern als logische Konsequenz und Erscheinungsform des Bestimmtheitsgrundsatzes
2 3 4
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sieht; ebenso D. Felix S. 202 ff. Schiinetnann Nulla poena S. 3, sieht die Unterscheidung zwischen dem „ O b " (crimen) und „Wie" (poena) als fünfte Dimension. So Marxen GA 1985 533 ff, 544 ff. Rogali KK-OWiG S 3 Rdn. 7. So zutreffend Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 1. Hirsch GedS Tjong 50 ff; Stratenwerth/Kuhlen AT § 3 Rdn. 3 ff; jeweils m.w.N. Näher dazu Dannecker S. 32 ff; Schöckel S. 5 ff, 41 ff.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
indifferentes Verhalten unter Strafdrohung stellen. Wenn hingegen ein Gesetz bei delicta per se lediglich ein als Unrecht gewertetes Verhalten deklaratorisch als strafwürdig erklärte, wurde darin keine Rückwirkung gesehen; der Betroffene konnte sich in diesen Fällen nicht auf die Unkenntnis der Norm berufen. 7 Solche normkonstituierenden Gesetze kamen erst in der späten Zeit der Republik auf. 8 Die mittelalterliche Jurisprudenz übernahm diese Ansätze, die mit Zunahme des positiven Rechts praktische Bedeutung erlangten, als Gesetze, die gezielt als Mittel zur Herrschaft eingesetzt wurden. 9 Die „Peinliche Hals- und Gerichtsordnung" von Karl V., die Constitutio Criminalis Carolina vom 27.7.1532 kannte bereits ein Analogieverbot (Art. 105 CCC), sie ließ in Art. 104 CCC die Todesstrafe nur bei gesetzlicher Anordnung zu. 10 Die Strafrechtspflege des gemeinen Rechts war auf außergesetzliche Rechtsfortbildung angewiesen; als Folge davon relativierte man das Bestimmtheitsgebot zunächst durch die Lehre vom „crimen extraordinarium", durch die ermöglicht wurde, strafwürdiges Verhalten auch ohne Gesetz durch richterlichen Ausspruch zu sanktionieren, und weiterhin durch den Verweis auf die Interpretation, später durch den naturrechtlichen Begriff auf die recta ratio. 11 Wenn das Urteil in einem System der Aktenversendung von auswärtigen Kollegien gesprochen oder in letzter Instanz vom absoluten Herrscher gefällt wurde, kam es auf die dort definierte Strafbarkeit und nicht auf ihre gesetzliche Bestimmtheit an. 1 2 Die dadurch entstehende Willkür und Rechtsunsicherheit führte Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts dazu, dass den Herrschern des aufgeklärten Absolutismus ermöglicht werden sollte, ihren Willen gegenüber den Richtern durch möglichst genaue Gesetze umfassend durchzusetzen. 13 Dieses Bestreben traf sich mit den liberalen, auf die Selbstbindung der Staatsgewalt abzielenden Ideen der Aufklärung, die sich in den Kodifikationen der Spätaufklärung zunehmend durchsetzten. Die Forderung, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn die Strafbarkeit vor Begehung der Tat gesetzlich bestimmt war, stellt damit eine zentrale Errungenschaft der liberalen Verfassungsbewegung dar. 14 Ideengeschichtlich gehört der Garantiegehalt dieses Grundsatzes zum Gedankengut der naturrechtlichen Staatsvertragslehren15 und der Aufklärung16: Eine grundlegende Wende brachte der Einfluss von Lockev und Montesquieu,18 die auf die naturrechtliche Lehre vom Gesellschaftsvertrag abstellten, um Eingriffe des Staates auch im Strafrecht im Hinblick auf die natürliche Freiheitssphäre des Menschen berechenbar zu machen. Außerdem beschränkte Montesquieu auf der Grundlage des
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Rüping BK Art. 103 Abs. 2 R d n . 2. N ä h e r dazu Seeger S. 9 f A n m . 2, 36 f; Siber Analogie, Amtsrechts u n d R ü c k w i r k u n g im Strafrecht des römischen Freistaates (1936) S. 4 7 Fn. 2. N ä h e r dazu Dannecker S. 32 ff; Phöhler R d n . 1014 f; Schöckel S. 8 ff; Schreiber S. 17 ff. Schaffstein S. 47. N ä h e r dazu v. Weber Z S t W 56 (1936) 654, 668. Schöckel S. 2 7 ff. N ä h e r dazu Otto AT § 2 R d n . 30; Roxin AT I § 5 R d n . 13.
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Sax Grundsätze S. 909, 9 9 2 ff; SchmidtAßmann in M a u n z / D ü r i g Art. 103 II R d n . 164; Kim FS Roxin 119 ff. Dannecker S. 64 ff, 76 ff; Krahl S. 14 ff; z u m staatsphilosophischen Begründungszusamm e n h a n g vgl. auch Köhler AT S. 72 ff. Kunig in v. M ü n c h / K u n i g , Grundgesetz Bd. 3 Art. 103 R d n . 16; Krey Strafe R d n . 113; Sax G r u n d s ä t z e S. 909, 992. T w o treaties of g o v e r n m e n t (1690) II § 137. De Γ esprit des lois (1748) I. 11 cap. 6.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
neuzeitlichen Gesetzesbegriffs das Recht im Zeitalter der Kodifikation auf positive Rechtssätze: 1 9 Der einzelne Mensch schuldet als durch den Gesellschaftsvertrag verpflichteter Bürger nur bestehenden, positivierten Gesetzen Gehorsam; im Übrigen ist er frei, sicher vor staatlichen Sanktionen und gegen richterliche Willkür geschützt. 2 0 Der Staat könne sich nicht mehr Rechte zulegen, als ihm das bestehende positive Gesetz gebe, wenn der Schutz der Freiheit der Bürger im Gesetz nicht leer laufen solle. Dies dürfe insbesondere nicht rückwirkend geschehen. 2 1 Damit war die Grundlage für eine Konstitutionalisierung und zugleich die Formulierung des Gesetzlichkeitsprinzips mit seinen verschiedenen Einzelaspekten gelungen. Auf dieser Grundlage konnte der Grundsatz „nullum crimen sine lege" als allgemeines Menschenrecht in der Aufklärungsphilosophie erstmals von Cesare Beccaria auch strafrechtstheoretisch umfassend begründet und ein gesetzliches Strafrecht postuliert werden, um willkürliche Entscheidungen auszuschließen. 2 2 Allerdings ist bei Beccaria die Gesetzlichkeit des Strafrechts gegenüber der Kriminalpolitik kein selbständiger rechtlicher Gesichtspunkt. Damit ist sie nur gesichert, wenn sie kriminalpolitisch begründet werden kann, so dass sich aus der Begründung Beccarias für die Gesetzlichkeit des Strafrechts wenig ergibt. 2 3 Aus diesem Grund gilt Anselm von Feuerbach als der eigentliche Begründer der Gesetzlichkeit des Strafrechts in Europa. Er hat auf der Grundlage der Philosophie Immanuel Kants die neulateinische Kurzfassung „nullum crimen, nulla poena sine lege" geprägt. 2 4 Er stützte sich sowohl auf strafrechtliche als auch auf staatsrechtliche Erwägungen. 2 5 Strafrechtlich besagt seine Theorie des psychologischen Zwangs, dass nur möglichst bestimmt gefasste Strafdrohungen psychologisch ein Gegengewicht zu Verbrechensanreizen schaffen können. 2 6 Die eigentliche Basis des Prinzips „nulla poena sine lege" liegt jedoch im Ausschluss der Willkür des Staates: 2 7 Das Gesetz soll die Unsicherheit und Willkür der bloß philosophischen Methode vermeiden und der Realisierung der Idee der rechtlichen Freiheit dienen. Nur das positive Gesetz könne Gewissheit des Rechts gewährleisten. 2 8 So konnte dieser Grundsatz als allgemeines Menschenrecht konzipiert werden, den Franz von Liszt später zur „Magna Charta" des Verbrechers erklärte. 2 9 Es sind jene Kodifikationen, welche die Gesellschaftsvertragslehre des Naturrechts positivierten und den Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz" normativ als allgemeines Menschenrecht formulierten: Art. 8 der Déclaration des Droits de l'homme et du cito-
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Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 4. Dannecker S. 80 f; Schreiber S. 35 ff, 53 ff; Schocket S. 69 ff; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 1; zusammenfassend Welke KJ 28 (1995) 369 f. Schreiber S. 60; vgl. auch Brocker S. 125. Näher dazu Dannecker S. 84 ff. Naucke JuS 1989 862, 863. v. Feuerbach Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts §201. Eingehend dazu Dannecker S. 112 ff, 119 ff; Schreiber S. 156 ff; vgl. auch Hennings S. 85 ff, 110; Naucke JuS 1989 862, 863; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 177 ff.
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v. Feuerbach Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts § 13; näher dazu Bohnert Paul Johann Anselm v. Feuerbach und der Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht (1982); vgl. auch Roxin AT I 5 3 Rdn. 22 und Roxin/Arztl Tiedemann Einführung in das Strafrecht und Strafprozeßrecht S. 40. Rudolphi SK Rdn. 2; Pieroth in Jarass/ Pieroth Art. 103 Rdn. 143. Vgl. nur Dannecker S. 115 f. v. Liszt S. 75, 80; näher dazu Ehret Franz von Liszt und das Gesetzlichkeitsprinzip (1996) S. 25 ff, 35 ff, 47 ff, 57 ff.
Gerhard Dannecker
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§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
yen, der wörtlich auch in die französische Verfassung von 1791 übernommen wurde 3 0 sowie zuvor die amerikanischen Verfassungen von 1776 (Virginia und Maryland). 31 Diese Gedanken setzten sich in den neueren Strafgesetzen fast allgemein durch. Man bemühte sich, das strafwürdige Unrecht in lückenlos gedachten Straftatbeständen abschließend zu umschreiben, so besonders im französischen Code Pénal von 1810, und führte gesetzliche Verfahrensformen und -garantien ein, an die der Richter gebunden war. Diese Garantien dienten der Rechtssicherheit, der Berechenbarkeit des Strafrechts sowie der „bürgerlichen Freiheit vom Staat" und damit dem Schutz des Bürgers gegen politisch missbrauchte staatliche Gewalt. Im deutschen Sprachraum wurde das Verbot strafbegründender Analogie wohl zuerst in der der Josephina von 1787, die bereits zu den Kodifikationen des aufgeklärten Absolutismus gehörte, in Teil I § 13 normiert; 32 allerdings ist umstritten, inwieweit Joseph II. tatsächlich die Freiheit der Staatsbürger schützen oder vielmehr seine Herrschaft durch Beseitigung des richterlichen Ermessensfreiheit festigen wollte. 33 Wenig später wurden auch im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1 7 9 4 3 4 die Gebote der Gesetzlichkeit und Bestimmtheit mit dem Ziel aufgenommen, die partikularen Gewalten im Interesse der Stärkung der rationalisierenden Zentralgewalt zu disziplinieren.35 Die rechtsstaatlichen Ausprägungen des Gesetzlichkeitsprinzips finden sich dann in Deutschland erstmals in dem von Feuerbach mitgeschaffenen Bayerischen Strafgesetzbuch von 1813, wo die strenge richterliche Gesetzesbindung anschließend noch durch ein ausdrückliches Verbot wissenschaftlicher Kommentierung ergänzt wurde. Im Preußischen Strafgesetzbuch von 1851 sind die Grundsätze in wörtlicher Übersetzung von Art. 4 des französischen Code Pénal in § 2 enthalten, der folgenden Wortlaut hatte: „Kein Verbrechen, kein Vergehen und keine Übertretung kann mit einer Strafe belegt werden, die nicht gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. "
Damit waren die rechtsstaatlichen Grundprinzipien des Strafrechts erstmals in die heutige Form des § 1 StGB gebracht. Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund und schließlich das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 haben das Gesetzlichkeitsprinzip aus dem Preußischen Strafgesetzbuch von 1851 übernommen. Die gesetzliche Regelung hatte als § 2 Abs. 1 RStGB im Zeichen der liberalen Tradition folgenden Wortlaut: „Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. "
wenn diese Strafe gesetzlich
Mit dem Inkrafttreten der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919, der sog. Weimarer Reichsverfassung (WRV), erhielt das Gesetzlichkeitsprinzip erstmals Verfassungsrang. Art. 116 WRV lautete: „Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn die Strafbarkeit bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. "
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Bopp S. 2 9 f m.w.N. Ausführlich Dannecker S. 91 ff; Schocket S. 75 ff; zum prozessualen (und rechtlich nicht bindenden) Charakter der französischen Texte Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 174 f. Dannecker S. 97 ff; Krey Strafe Rdn. 70 ff;
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gesetzlich
Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 6; Sax Grundsätze S. 909, 993; Scheffler Jura 1996 505, 5 0 6 f; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 3. Näher dazu Roxin AT I § 5 Rdn. 13. Zusammenfassend Schreiber S. 83 ff. Dannecker S. 97 ff; Schreiber S. 76 ff.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
Der Geltungsbereich des Art. 116 WRV war gegenüber § 2 Abs. 1 RStGB insofern weiter, als neben dem strafrechtlichen nunmehr auch der disziplinarrechtliche Bereich erfasst sein sollte. 36 Außerdem hatte § 2 Abs. 1 RStGB die gesetzliche Bestimmtheit der Strafe gefordert, während in der Weimarer Reichsverfassung der Begriff der „Strafe" durch den der „Strafbarkeit" ersetzt und deren Bestimmtheit postuliert wurde. 37 Das bedeutete nach herrschender Meinung keine sachliche Änderung gegenüber § 2 Abs. 1 RStGB. 38 Die Änderung war nämlich in den Beratungen des Unterausschusses am 30.5.1919 vorgenommen worden, ohne dass dadurch eine inhaltliche Abweichung von § 2 RStGB beabsichtigt war. 39 Allerdings vertrat das Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 2 4 . 3 . 1 9 2 2 4 0 die Auffassung, § 2 Abs. 1 RStGB sei durch den sachlich verschiedenen Art. 116 WRV ersetzt worden; mit den Worten „Strafbarkeit" werde die gesetzliche Festlegung der Möglichkeit einer Bestrafung gefordert und nicht mehr ein Gesetz, das zur Zeit der Begehung der Tat eine bestimmte Strafart androhe. 41 In späteren Entscheidungen ging das Reichsgericht, ebenso wie die h.M. in der Literatur, 42 von der sachlichen Übereinstimmung beider Regelungen aus. 43 Allerdings vertraten Frank44 und Gerland45 die Auffassung, der Gesetzgeber habe zwar keine sachliche Abweichung gewollt, jedoch habe Art. 116 WRV nur einem Teil der in § 2 Abs. 1 RStGB enthaltenen Sätze Verfassungsrang verliehen. Dies gelte nicht für das Rückwirkungsverbot, so dass straferhöhende spätere Gesetze verfassungsrechtlich zulässig seien. 46 Außerdem sollte das Verbot unbestimmter Strafdrohungen von Art. 116 WRV nicht mit umfasst sein. 47 Das Gebot gesetzlicher Bestimmtheit der Strafbarkeit enthielt unstreitig ein Analogieverbot zugunsten des Beschuldigten. Gleichwohl wurden noch Strafnormen eingeführt, denen jegliche Bestimmtheit fehlte. So sah die bayerische Verordnung über die Einsetzung von Revolutionstribunalen aus dem Jahre 1919 vor, dass gemäß Art. 10 WRV „jeder Verstoß gegen revolutionäre Grundsätze" strafbar war und die Strafen nach Art. 11 WRV „im Ermessen des Richters" standen. 48
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RGSt 5 7 4 0 4 , 4 0 6 ; Anschütz Verfassung des Deutschen Reichs Art. 116 Anm. 1; aA RG, Urt. v. 2 3 . 1 2 . 1 9 3 3 15 J 8 6 / 3 3 und 12 M 4 2 / 3 3 - im Reichstagsbrandprozeß gegen Marinus van der Lübbe; durch die „lex van der Lübbe" (RGBl. 1 1 9 3 3 151) war die Todesstrafe nachträglich für den Tatbestand der aufrührerischen Brandstiftung eingeführt worden. Dazu sogleich im Text. Protokoll über die 3 3 . Sitzung, Reichsdrucksache Nr. 2 8 9 4 ; dazu Anschütz Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 116 Anm. 1 m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 2 5 2 6 9 , 2 8 8 f; Schreiber S. 181 f.
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RGSt 5 6 318, 319.
41
Vgl. auch RGSt 5 7 119, 1 2 0 . Anschütz Verfassung des Deutschen Reichs
42
Art. 116 Anm. 2; Düringer J W 1 9 1 9 7 0 1 f; Ebermayer/Lobe/Rosenberg LK4 (1929) S 2 Anm. 1; v. Hippel Deutsches Strafrecht Bd. 2 ( 1 9 3 0 ) S. 3 4 ; Käckell Z S t W 4 1 ( 1 9 2 9 ) 6 8 4 ; v. Liszt/Schmidt Lehrbuch des Deutschen Strafrechts Bd. 1, 2 3 . Aufl. ( 1 9 2 1 ) § 18 II; v. Olshausen K o m m e n t a r zum Strafgesetzbuch Bd. 1, 12. Aufl. ( 1 9 4 2 ) § 2 Anm. 3; Stier-Somlo Reichs- und Landesstaatsrecht Bd. I ( 1 9 2 4 ) § 4 7 III S. 311.
Anschütz Verfassung des Deutschen Reichs Art. 116 Anm. 2. Näher dazu Dannecker S. 1 6 2 ff; Rüping BK Art. 1 0 3 Abs. 2 Rdn. 8.
43 44 45
RGSt 5 7 4 0 4 , 4 0 6 ; 5 8 4 0 1 , 4 0 6 . Frank Strafgesetzbuch § 2 Anm. 1. Gerland in Nipperdey, Grundrecht S. 3 6 8 ff; 3 7 0 f.
46
Gerland in Nipperdey, Grundrechte S. 3 6 8 , 3 7 3 f, 3 7 9 ; ähnlich Giese Art. 116 Anm. 1.
47
So Frank Strafgesetzbuch § 2 Anm. 1; aA Gerland in Nipperdey, Grundrechte S. 3 6 8 , 3 7 3 Anm. 2 6 . Beling Z S t W 4 0 ( 1 9 2 0 ) 511.
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§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
W ä h r e n d der Zeit des Nationalsozialismus wurde Art. 116 W R V grundlegend umg e w e r t e t . 4 9 So hat das Reichsgericht im Reichstagsbrand-Urteil v o m 2 3 . 1 2 . 1 9 3 3 die rückwirkende A n o r d n u n g der Todesstrafe durch § 1 des Gesetzes über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe v o m 2 9 . 3 . 1 9 3 3 5 0 für rechtens erklärt. Es hat dazu u.a. ausgeführt: „Das ... Gesetz vom 29. März 1933 hebt für den von ihm geregelten Fall den Grundsatz des § 2 Abs. 1 StGB - eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde - auf, nicht dagegen den Art. 116 RVerf. eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. Denn nicht die Strafbarkeit der aufrührerischen Brandstiftung (wie des Hochverrats) ist rückwirkend bestimmt, sondern lediglich die Strafe für die schuldhafte Verwirkung des bereits vorher strafbaren Tatbestandes erhöht. Der § 2 Abs. 1 StGB kann aber formell durch den Gesetzgeber jederzeit - auch unbeschadet seines Fortbestandes für den Regelfall - durch entgegenstehende Gesetzesbestimmung im Einzelfall außer Kraft gesetzt werden und könnte das als einfaches Reichsgesetz selbst dann, wenn der Gesetzgeber nicht wie hier nach dem Gesetz vom 24. März 1933 51 auch zum Erlass verfassungsändernder Reichsgesetze als Regierungsgesetze befugt wäre. Der Gesetzgeber ist aber auch inhaltlich nicht gehindert, für das Gebiet des Strafrechts, jedenfalls soweit die Strafbarkeit einer Handlung zur Zeit der Tat feststand, die von ihm selbst aufgestellte Schranke, die die Änderung 52 einer zur Zeit der Tat noch nicht angedrohten Strafe verbietet, beiseite zu schieben und an die Stelle der zur Zeit der Tat angedrohten eine schärfere Strafe zu setzen. Ein Grundsatz der Nichtrückwirkung ist, soweit es sich nicht um die Anordnung der Strafbarkeit, sondern lediglich um eine Strafschärfung handelt, dem Strafrecht nicht wesentlich und besteht nicht. Grundsätzliche Rückwirkung findet sich in älteren - auch deutschen - wie noch geltenden Strafrechtssystemen mehrfach. 5 3 Auch die deutsche Gesetzgebung der Nachkriegszeit kennt sie in der Verordnung vom 6. Februar 1924 über Vermögensstrafen und -büßen 5 4 in Art. XIV Abs. 4. Rückwirkung strafschärfender Bestimmungen wird auch im Übrigen - mag auch der Zweck der Generalprävention, jedenfalls soweit die abschreckende Wirkung der Norm, nicht die der Strafe in Frage kommt, rückwirkend nicht mehr erreichbar sein - gerade auch vom Standpunkt des Strafrechts im nationalsozialistischen Staat mit Recht angeordnet. Ein grundsätzlicher Anspruch des Täters auf die zur Zeit der Tat angedrohte Strafe - deren Art und Höhe sein Vorsatz nicht einmal zu umfassen braucht - etwa als Gegenstück zu den wohl erworbenen Rechten des Privatrechts kann nicht anerkannt werden. Das staatliche Interesse erfordert vielmehr, dass das der vermutlich besseren Einsicht des Gesetzgebers entsprungene spätere Gesetz sofort und möglichst umfassend angewendet wird. " 5 5 M i t dieser dogmatisch vielleicht begründbaren, jedoch die Entstehungsgeschichte des Art. 116 W R V übergehenden Entscheidung leitete das Reichsgericht eine verhängnisvolle Entwicklung ein. Die Entscheidung ebnete dem NS-Gesetzgeber rechtlich den Weg, im Laufe der nächsten J a h r e eine immer größer werdende Z a h l neuer strafschärfender (und darüber hinaus auch strafbegründender) Gesetze mit rückwirkender Kraft zu erlassen.
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Eingehend dazu Epping Der Staat 1995 243 ff; Naucke FS Coing 225 ff. RGBl. I S. 151. RGBl. I S. 141. Richtig wohl: Anwendung. Einzelheiten bei Traeger „Zeitliche Herrschaft des Strafgesetzes" in der Vergleichenden Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts (1908); Liebmann Allgem. Teil Bd. VI §§ 3 bis 6 und 9.
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RGBl. I S. 44. Quelle: Abschrift des Urteils, Bibliothek des BGH, Strafsache gegen Marinus van der Lübbe u.a. 1933-1983, Signatur: F 8173/ 100; vgl. auch den Abdruck (ohne genaue Quellenangabe) bei Kaul Geschichte des Reichsgerichts Bd. IV 1933-1945 (1971) S. 341, 345 f.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
Dies alles k o n n t e unter dem Anschein der Legalität geschehen, o b w o h l das (eingeschränkte) R ü c k w i r k u n g s v e r b o t des § 2 a A b s . 1 R S t G B 1 9 3 5 als allgemeine Regel fortbestand und o b w o h l auch Art. 116 W R V formell weiterhin in K r a f t blieb. Eine rückwirkende Androhung der Todesstrafe enthielten z.B. § 1 des Gesetzes über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe v o m 2 9 . 3 . 1 9 3 3 5 6 , Art. 2 des Gesetzes gegen erpresserischen Kindesraub v o m 2 2 . 6 . 1 9 3 6 5 7 , das Gesetz gegen Straßenraub mittels Autofallen v o m 2 2 . 6 . 1 9 3 8 5 8 , § 4 der Verordnung zum Schutz gegen jugendliche S c h w e r v e r b r e c h e r v o m 4 . 1 0 . 1 9 3 9 5 9 , § 5 der Verordnung gegen Gewaltverbrecher v o m 5 . 1 2 . 1 9 3 9 6 0 , A r t . I § 2 des Gesetzes zur Ergänzung der Vorschriften gegen Landesverrat v o m 2 2 . 1 1 . 1 9 4 2 6 1 und Art. 2 der 5. Verordnung zur Ergänzung der Kriegssonderstrafrechtsverordnung v o m 5.5.1944 62. Gänzlich unbestimmte Strafgesetze enthielten die Verordnung zum Schutz der M e t a l l sammlung des deutschen Volkes aus dem J a h r e 1 9 4 0 , die vorsah: „Wer sich an gesammeltem M e t a l l bereichert . . . , schädigt den großdeutschen Freiheitskampf und wird daher mit dem Tode b e s t r a f t " ; 6 3 die Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten aus dem J a h r e 1 9 4 1 , die vorsah: „Polen und Juden werden auch dann bestraft, wenn sie gegen die deutschen Strafgesetze verstoßen oder eine Tat begehen, die g e m ä ß dem Grundgedanken eines deutschen Strafgesetzes nach den in den eingegliederten Ostgebieten bestehenden Staatsnotwendigkeiten Strafe verdient." 6 4 Außerdem wurden die gesetzlichen Regelungen, die das A n a l o g i e - 6 5 und das R ü c k wirkungsverbot 6 6 enthielten, grundlegend geändert. So wurde das Analogieverbot durch das Gesetz vom 2 8 . 6 . 1 9 3 5 , 6 7 das am 1 . 9 . 1 9 3 5 in K r a f t getreten ist, a u f g e h o b e n . § 2 R S t G B 1 9 3 5 lautete nunmehr: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient. Findet auf die Tat kein bestimmtes Strafgesetz unmittelbar Anwendung, so wird die Tat nach dem Gesetz bestraft, dessen Grundgedanke auf sie am besten zutrifft." Auf dem Gebiet des ü b e r k o m m e n e n Strafrechts machte die R e c h t s p r e c h u n g von der dadurch eröffneten M ö g l i c h k e i t analoger G e s e t z e s a n w e n d u n g 6 8 zum N a c h t e i l des Angeklagten insgesamt eher zurückhaltend G e b r a u c h , 6 9 selbst wenn sie - entgegen dem W o r t laut des neuen § 2 S. 2 R S t G B - alsbald dazu überging, nicht nur die strafbegründende, sondern auch die strafschärfende Analogie zuzulassen. 7 0 Allerdings wurde in der R e c h t -
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RGBl. I S. 151. RGBl. I S. 493. RGBl. I S. 651. Zur Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes, das mit Wirkung vom 1.1.1936 in Kraft gesetzt wurde, Gruchmann Justiz im Dritten Reich 1 9 3 3 - 1 9 4 0 (1988) S. 897 ff. RGBl. I S. 2000. RGBl. I S. 2378. RGBl. I S. 668. RGBl. I S. 115. RGBl. I S. 565. RGBl. I S. 759. Näher dazu Rüping Analogieverbot S. 41. Näher dazu Dannecker S. 172 ff.
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RGBl. I S. 839. Vgl. dazu Naucke Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts (2000) S. 301 ff; Schreiber S. 191 ff; Werber Analogie- und Rückwirkungsverbot im Dritten Reich (1998) S. 77 ff; Werle Justiz-Strafrecht S. 141 ff. So Jescheck/Weigend AT S. 132 mit Fn. 22; Rüping FS Oehler 27, 40; Tröndle LK 1 0 Rdn. 6; aA Vogel ZStW 115 (2003) 638, 652. Näher zur Rechtsprechung des Reichsgerichts Werle Justiz-Strafrecht S. 175 f. RGSt 70 355, 356; 71 390, 391; 72 50, 52 f; 75 43, 45 f; RG J W 1938 791, 792.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
sprechung zur sog. Rassenschande und ab 1942 generell in einer Reihe weiterer Entscheidungen in erheblichem Umfang von der Erlaubnis der Analogie contra reum, insbesondere soweit es um Regimegegner ging, Gebrauch gemacht. 71 Als Beispiel für einen exzessiven Gebrauch bei „nachrevolutionären" Normen kann die Rechtsprechung zum Blutschutzgesetz 72 oder die des Volksgerichtshofs zum politischen Strafrecht genannt werden. 73 Damit wird aber die in der Literatur lange Zeit vertretene These von der Zurückhaltung des Reichsgerichts beim Gebrauch der Analogie fragwürdig. 74 Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber zur Umschreibung (angeblich) strafwürdigen Unrechts, vor allem außerhalb des Strafgesetzbuchs, zunehmend generalklauselartige Tatbestandsmerkmale einsetzte. Deren Verwendung trug wesentlich zur Ausweitung des Strafrechts in der Zeit von 1933 bis 1945 bei, so dass die Gerichte nicht mehr zum Mittel der Analogie greifen mussten. 75 Das Rückwirkungsverbot des alten Rechts blieb auch in der Zeit des Nationalsozialismus grundsätzlich bestehen. 76 In § 2a Abs. 1 RStGB in der Fassung des Gesetzes vom 28.6.1935 7 7 hieß es nunmehr: „Die Strafbarkeit
einer Tat und die Strafe bestimmen
sich nach dem Recht, das zur Zeit der Tat
gilt."
Allerdings galten die Bestimmungen der Weimarer Verfassung nur noch als Sätze des einfachen Rechts weiter und nur insoweit als sie mit den Zielen des Nationalsozialismus übereinstimmten. Deshalb finden sich in der Zeit nach 1933 zahlreiche Gesetze, die eine Durchbrechung des Rückwirkungsverbots ausdrücklich anordneten. 78 Die Besatzungsmächte haben nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches diese Vorschriften durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 vom 30.1.194679 ausdrücklich aufgehoben (Art. V), ohne die alte Fassung des § 2 Abs. 1 RStGB wieder in Kraft zu setzen (Art. IV). Die Gesetzeslücke wurde zunächst im Sinne des früheren Rechtszustandes durch Besatzungsrecht ausgefüllt. In Art. II Nrn. 2 bis 4 der Kontrollratsproklamation vom 2 0 . 1 0 . 1 9 4 5 8 0 fanden sich Regelungen wie: „strafrechtliche Verantwortlichkeit besteht nur für rechtlich als strafbar erklärte Handlung" (Nr. 2); „kein Gericht darf irgendeine Handlung aufgrund der , Analogie' oder im Hinblick auf das so genannte ,gesunde Volksempfinden' für strafbar erklären" (Nr. 3); „Strafen, die das Gesetz nicht vorsieht, dürfen nicht verhängt werden" (Nr. 4); ähnliche Regelungen fanden sich in Art. IV Nr. 7 MilRegGes. Nr. I. 8 1 Damit war das Gesetzlichkeitsprinzip wieder hergestellt. Gleichwohl haben die Besatzungsmächte im Londoner Abkommen vom 8.8.1945 sowie im Kontrollratsgesetz Nr. 10 8 2 vom 20.12.1945 selbst teilweise rückwirkende Strafvorschriften erlassen. 83 71
Eingehend dazu Weidenthaler Die Strafsenate des Reichsgerichts von 1 9 3 3 bis 1 9 4 5 Hüter der Gerechtigkeit oder Handlanger des Terrors? ( 1 9 9 9 ) S. 186 ff.
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ABl. des Kontrollrats S. 5 5 ; eingehend dazu Etzel Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen durch den Alliierten Kontrollrat ( 1 9 4 5 - 1 9 4 8 ) ( 1 9 9 2 ) S. 8 0 ff.
72
RGSt 7 2 91, 9 6 . V G H D t R 1 9 4 2 7 2 1 ; dazu Rüping 297, 302.
80
Proklamation des Kontrollrats über die Grundsätze für die Umgestaltung der Rechtspflege vom 2 0 . 1 0 . 1 9 4 5 , ABl. des Kontrollrats 1 9 4 5 S. 2 2 .
81
MilRegAmtsbl. Nr. 3. KontrRABl. S. 5 0 . Näher dazu Rüping Strafrechtsgesetze S. 109 f.
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74 75 76
77 78
74
GA 1 9 8 4
Vogel Z S t W 115 ( 2 0 0 3 ) 6 3 8 , 6 5 2 . Vgl. Gribbohm N J W 1 9 8 8 2 8 4 2 , 2 8 4 3 . Z u den Einschränkungen des Rückwirkungsverbots vgl. Dannecker S. 1 7 2 ff. RGBl. I S. 8 3 9 . Eingehend dazu Dannecker Naucke FS Coing 2 2 5 ff.
82 83
S. 1 7 4 ff m.w.N;
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
Die deutschen Länderverfassungen und das Grundgesetz vom 23.5.1949 knüpften in der Formulierung wie auch im Gehalt an den Stand der Weimarer Reichsverfassung an. 8 4 Mit Art. 103 Abs. 2 GG kehrte der Gesetzgeber zum Rechtszustand vor 1935 zurück und verbot auch den Erlass rückwirkender Strafgesetze. Im Herrenchiemsee Entwurf entsprach Art. 136 Abs. 1 HChE wörtlich Art. 116 WRV. Aus dem Bericht über den Verfassungskonvent geht hervor, dass es ausdrückliches Ziel war, den altbewährten Grundsatz „nulla poena sine lege" wieder zu Ehren kommen zu lassen. Im Bericht wird hervorgehoben, Art. 136 Abs. 1 HChE entspreche nicht nur wörtlich Art. 116 WRV, sondern habe auch dieselbe Bedeutung. 85 Zwar wurde im Allgemeinen Redaktionsausschuss des Parlamentarischen Rats erörtert, ob der Wortlaut des alten Strafgesetzbuches von 1871 „Strafe" statt „Strafbarkeit" - wieder eingeführt werden sollte. Dem wurde jedoch entgegengehalten, dass auch die Auslegung des Art. 116 WRV nie ernsthaft zweifelhaft gewesen sei. Deshalb entschied sich der Ausschuss für das Wort „Strafbarkeit", um nicht einer engeren, das nulla-poena-Prinzip ausschließenden Deutung des Art. 103 Abs. 2 G G Vorschub zu leisten, und gab damit Art. 103 Abs. 2 GG seine endgültige Fassung. Eine mit dieser Bestimmung des Grundgesetzes gleich lautende Vorschrift wurde durch das 3. StRÄndG vom 4.8.1953 als § 2 Abs. 1 in das Strafgesetzbuch aufgenommen; Art. 1 Nr. 1 des 2. StrRG vom 4.7.1969 hat diese Vorschrift (mit Wirkung vom 1.10.1973) sodann als § 1 an den Anfang des Strafgesetzbuchs gestellt und damit besonders hervorgehoben. Die heutige Fassung des § 1 S t G B 8 6 entspricht damit wörtlich der Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übernahm weite Teile der Reichsgerichtsrechtsprechung und stützte Ergebnisse, die das Reichsgericht noch kraft Analogie begründet hatte, auf eine extensive teleologische Auslegung 87 und nahm in der Entscheidung BGHSt 10 375 f 8 8 sogar eine strafbegründende Analogie bei dem im preußischen Forstdiebstahlsgesetz geregelten Diebstahl vor (näher zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Rdn. 280). Außerdem wirkt die Materialisierung des Strafrechts in der Zeit des Nationalsozialismus 89 in den Generalklauseln der §§ 2 2 8 , 9 0 2 4 0 Abs. 2 (Rdn. 193, 202) und in zahlreichen besonders schweren Fällen (Rdn. 2 3 3 ff) fort. 9 1 Gesetzesmaterialien zu § 1 und 2. E 1962 § 1, 2; Niederschriften der Großen Strafrechtskommission Bd. 3, S. 288 ff, 293 ff, 416 ff, B. 4 S. 101 f, 2 2 2 ff, 4 6 0 f, Bd. 12 S. 4 2 3 , 4 4 0 , 538 ff, 571; Protokoll des Sonderausschusses der 5. Wahlperiode S. 5, 17 ff, 6 7 ff, 2 3 4 4 , 2619, 3118, 3128. - 2. Schriftlicher Bericht, BTDrucks. V/4095 S. 4 E-EGStGB BTDrucks. 7/550 S. 2 0 6 , 459.
84
85
86
87
Z u r Entstehungsgeschichte des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G vgl. auch BVerfGE 2 5 2 6 9 , 2 8 7 ff. Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 2 3 . 8 . 1 9 4 8 , o.J. S. 83. Bekanntmachung der Neufassung des StGB vom 1 0 . 3 . 1 9 8 7 , BGBl. I S. 9 4 5 . So Vogel Z S t W 115 ( 2 0 0 3 ) 6 3 8 , 6 5 3 unter Berufung auf RGSt 7 3 3 4 9 , 351 f einerseits und BGHSt 1 1 4 6 andererseits, jeweils zu der
88 89
90 91
Frage, ob das für sich gewaltlose Beibringen von Betäubungsmitteln Personengewalt i.S.v. § 2 4 9 ist. Krit. dazu Roxin AT I § 5 Rdn. 3 4 . Vgl. dazu Vogel Z S t W 115 ( 2 0 0 3 ) 6 3 8 , 6 5 0 ff m.w.N. Krit. dazu R. Schmitt GedS Schröder 2 6 3 . Z u r Kritik hieran vgl. Hirsch FS Gössel 2 8 7 , 288, 302.
Gerhard Dannecker
75
§ 1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz Übersicht Rdn.
I. Verfassungsrechtliche Verankerung des Satzes „nullum crimen, nulla poena sine lege"
1
1. Verhältnis von § 1 StGB zu Art. 103 Abs. 2 G G 2. Verhältnis von Art. 103 Abs. 2 G G und $ 1 StGB zu Art. 2 0 Abs. 3 G G . . 3. Verhältnis von Art. 103 Abs. 2 G G und § 1 StGB zu Art. 104 G G IL Internationale und supranationale Bezüge 1. Garantie des „nullum crimen"-Satzes in internationalen Regelungen a) Art. 7 Abs. 1 E M R K aa) Gesetzlichkeitsprinzip bb) Bestimmtheitsgebot cc) Analogieverbot dd) Rückwirkungsverbot ee) „Nürnberg-Klausel" b) Genfer Abkommen c) Art. 11 Abs. 2 A E M R und Art. 15 IPBPR d) Bedeutung von Art. 103 Abs. 2 G G neben den internationalen Regelungen 2. Völkerstrafrecht a) Rechtslage vor Inkrafttreten des Rom-Statuts b) IGH-Statut aa) Gesetzlichkeitsprinzip und Bestimmtheitsgrundsatz . . bb) Gebot der restriktiven Auslegung und Analogieverbot . . cc) Rückwirkungsverbot dd) Nulla poena sine lege c) Völkerstrafgesetzbuch 3. Europäisches Strafrecht a) Gesetzlichkeitsprinzip b) Bestimmtheitsgrundsatz c) Analogieverbot d) Rückwirkungsverbot e) Vertrag über eine Verfassung für Europa 4. Rechtsvergleichende Hinweise a) Nullum crimen, nulla poena sine lege scripta b) Nullum crimen, nulla poena sine lege certa c) Nullum crimen, nulla poena sine lege stricta d) Nullum crimen, nulla poena sine lege praevia e) Ergebnis III. Fundierung und Reichweite des Grundsatzes „nullum crimen, nulla poena sine lege" 1. Ratio legis des nullum-crimen-Satzes a) Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Prinzip der gewaltenteilenden Demokratie
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1 3 4 5 5 6 7 8 9 10 11 12 13
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52
Rdn. b) Generalpräventive Begründung des Gesetzlichkeitsprinzips und Schuldprinzip aa) Generalprävention bb) Schuldprinzip cc) Gleichheitsgrundsatz 2. Reichweite des § 1 StGB a) Kriminalstrafrecht b) Abgrenzung des Kriminalstrafrechts zum Strafrecht im weiteren Sinne . aa) Ordnungswidrigkeitenrecht . . bb) Standesrecht 3. Überprüfung strafrechtlicher Normen durch das Bundesverfassungsgericht . . a) Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde b) Überblick über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . IV. Geltungsbereich des § 1 StGB 1. Begriff der Tat 2. Reichweite des Begriffs der Strafbarkeit a) Straftatbestände des Besonderen Teils b) Regelungen des Allgemeinen Teils . c) Strafrechtliche Rechtsfolgen . . . . aa) Strafen bb) Maßregeln der Besserung und Sicherung cc) Außerstrafrechtliche Rechtsfolgen d) Verfahrensrecht 3. Personeller Schutzbereich V. Gewährleistungsgehalt des „nullum crimem, nulla poena sine lege"-Satzes (Art. 103 Abs. 2 GG; § 1 StGB) 1. Vorbehalt des Strafgesetzes und Verbot des Gewohnheitrechts a) Verweisung der Strafnormen auf andere Rechtsakte aa) Gesetzesbegriff des Art. 103 Abs. 2 G G , § 1 StGB bb) Gesetzesbegriff des Art. 104 Abs. 1 S. 1 G G cc) Gesetzesvertretende Verordnungen dd) Rechtsverordnungen ee) Satzungen ff) Verwaltungsvorschriften . . . . gg) Verwaltungsakte hh) Behördliche Auskünfte, Warnhinweise und Verlautbarungen . ii) Konstitutive Gerichtsurteile . . jj) Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft b) Blankettgesetzgebung aa) Abgrenzung zu normativen Tatbestandsmerkmalen bb) Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 G G an Blankettstrafgesetze cc) Statische Verweisungen . . . .
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59 60 61 63 64 64 66 69 70 71 71 72 79 79 80 81 82 89 91 93 102 104 107
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Keine Strafe ohne Gesetz Rdn. dd) Dynamische Verweisungen . . ee) Rückverweisungsklauseln . . . ff) „Extensionale Verweisungstechnik" c) Berichtigung von Redaktionsversehen d) Verbot des Gewohnheitsrechts und Ermächtigung zur Rechtsfortbildung „intra legem" aa) Notwendigkeit einer Kodifizierung strafbarkeitsbegründender und strafbarkeitsausdehnender Regelungen im Bereich des Allgemeinen Teils bb) Ermächtigung zur Rechtsfortbildung „intra legem" cc) Richterrechtliche Begründung der materiellen Strafbarkeit im Rahmen der Allgemeinen Lehren und Zurechnungsregeln dd) Aufhebung von Gesetzen durch Gewohnheitsrecht ee) Einschränkungen gesetzlicher Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe ff) Actio libera in causa 2. Bestimmtheitsgebot a) Entscheidungsleitende Gesichtspunkte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . aa) Erhöhte Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG an die Bestimmtheit bb) Relativierung der Bestimmtheitsanforderungen b) Bestimmtheitsgebot als Optimierungsgebot c) Beschreibung des tatbestandsmäßigen Verhaltens aa) Zulässigkeit allgemeiner Begriffe bb) Konkretisierung unbestimmter Begriffe durch eine gefestigte Rechtsprechung cc) Zulässigkeit von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen dd) Berücksichtigung des Adressatenkreises ee) Rolle der Rechtsprechung . . . d) Bestimmtheitserfordernis bei blankettausfüllenden außerstrafrechtlichen Normen e) Bestimmtheitsanforderungen an rechtsnormative Tatbestandsmerkmale f) Allgemeiner Teil g) Strafdrohung aa) Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung . bb) Vereinbarkeit der gesetzlichen Strafrahmen des Strafgesetzbuchs mit Art. 103 Abs. 2 GG .
158 160 163 167
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172 173
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177 178 179
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232
Rdn. cc) Strafzumessungsregeln dd) Vollstreckungsrechtliche Regelungen 3. Analogieverbot a) Grundlagen des Analogieverbots . . b) Inhalt und Bedeutung des Analogieverbots c) Abgrenzung von verbotener Analogie und Auslegung aa) Analogische Grundstruktur der Auslegung bb) Notwendigkeit der Abgrenzung von Analogie und Auslegung im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG d) Anwendungsbereich des Analogieverbots aa) Besonderer Teil des Strafrechts bb) Allgemeiner Teil des Strafrechts cc) Gesetzesumgehendes Verhalten dd) Strafrechtliche Rechtsfolgen und Strafzumessung ee) Verfahrensrecht ff) Maßregeln der Besserung und Sicherung e) Beispiele aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung f) Zulässigkeit der Analogie zugunsten des Täters aa) Voraussetzungen bb) Besonderer Teil des Strafrechts cc) Allgemeiner Teil des Strafrechts dd) Deliktsfolgen 4. Auslegung a) Ziel der Auslegung b) Technik der Auslegung c) Auslegungsmethoden aa) Grammatische Auslegung . . . bb) Systematische Auslegung . . . cc) Historische Auslegung dd) Teleologische Auslegung . . . . ee) Faktische Betrachtungsweise . . ff) Lehre von der Folgenberücksichtigung gg) Verfassungskonforme Auslegung und Postulat der Auslegungsbestimmtheit hh) Gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung d) System der Auslegungslehren . . . aa) Rangverhältnis der klassischen Auslegungsmethoden im Strafrecht bb) Verfassungskonforme Auslegung cc) Gemeinschaftsrechtkonforme Auslegung e) Beispiele aus der Rechtsprechung . 5. Rückwirkungsverbot a) Überblick b) Ersetzung eines Strafgesetzes durch ein anderes Strafgesetz; Verhältnis von § 1 zu § 2 StGB . .
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236 237 238 241 244 247 247
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351 355 356 357 360 360
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77
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
Rdn.
Rdn.
c) F u n d i e r u n g des R ü c k w i r k u n g s -
e)
verbots
370
R ü c k w i r k u n g s v e r b o t und Änderung der R e c h t s p r e c h u n g
a a ) V o r h e r s e h b a r k e i t und Berechenb a r k e i t von S t r a f b a r k e i t
von Art. 1 0 3 Abs. 2 G G
und Strafe
durch die höchstrichterliche
370
Rechtsprechung
bb) Schuldgrundsatz, M e n s c h e n w ü r d e und E i g e n v e r a n t w o r t lichkeit
374
von Art. 1 0 3 A b s . 2 G G in der Literatur
t u n g s n o r m e n zur Begrenzung
A r t . 1 0 3 A b s . 2 G G in der
ä u ß e r l i c h e n Freiheit des Bürgers
380
Literatur
dd) Verbindung von staatsrechtlicher . . .
chungsänderung in den Anwen384
dungsbereich des A r t . 1 0 3
ee) R ü c k w i r k u n g s v e r b o t als unmit-
Abs. 2 G G als Fall des Verfas-
t e l b a r e A u s p r ä g u n g des Schuldprinzips?
sungswandels 387
lichkeit der R e c h t s o r d n u n g als
. . . .
388
Grenze r ü c k w i r k e n d e r R e c h t -
a a ) B e s o n d e r e r Teil des Strafrechts
389
sprechungsänderung
b b ) Allgemeiner Teil des Strafrechts
390
f)
c c ) A u ß e r s t r a f r e c h t l i c h e Bezugs. . .
394
verbot: Spannungsverhältnis zwi-
400
schen R e c h t s s t a a t l i c h k e i t und materieller G e r e c h t i g k e i t
ee) M a ß r e g e l n der Besserung ff)
407
Untersuchungshaft
schützen"
410 411
447
b b ) Strafverfolgung wegen Rechtsbeugung und Spionagetätigkeit
. . . .
446
a a ) Strafverfolgung der „ M a u e r -
hh) Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse
445
Bewältigung „ v o r - r e c h t s s t a a t l i c h e r " Vergangenheit und R ü c k w i r k u n g s -
normen
gg) V e r f a h r e n s r e c h t
441
ee) Vertrauensschutz und Verläss-
d) A n w e n d u n g s b e r e i c h des strafrecht-
und S i c h e r u n g
438
dd) Einbeziehung der R e c h t s p r e -
und s t r a f r e c h t l i c h e r Fundierung
dd) R e c h t s f o l g e n der Straftat
436
c c ) B e j a h u n g des Eingreifens von
der a n g e b o r e n e n und unver-
lichen R ü c k w i r k u n g s v e r b o t s
433
b b ) Verneinung des Eingreifens
cc) E r f o r d e r n i s gesetzlicher Bewer-
des R ü c k w i r k u n g s v e r b o t s
432
a a ) Verneinung des Eingreifens
453
424
I. Verfassungsrechtliche Verankerung des Satzes „nullum crimen, nulla poena sine lege" 1
1. Verhältnis von § 1 StGB zu Art. 1 0 3 Abs. 2 G G . N a c h Art. 1 0 3 Abs. 2 G G kann eine Tat nur dann bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich b e s t i m m t war, bevor die Tat begangen wurde. Diese Regelung steht als § 1, der wörtlich mit Art. 1 0 3 Abs. 2 G G übereinstimmt, auch an der Spitze des Strafgesetzbuchs. Bei § 1 handelt es sich um die einfachrechtliche Wiederholung eines verfassungsrechtlichen Prinzips, so dass dieser Vorschrift lediglich deklaratorische Bedeutung z u k o m m t . Zugleich n i m m t § 1 an der verfassungsrechtlichen G a r a n t i e teil, weil es sich bei dem Grundsatz „nullum crimen, nulla p o e n a sine lege scripta, praevia, certa, s t r i c t a " um materielles Verfassungsrecht hand e l t . 9 2 Dieser Verfassungssatz, der das gesamte Strafrecht, einschließlich der Deliktsf o l g e n , 9 3 beherrscht, richtet sich speziell gegen die staatliche Strafgewalt. Ihm k o m m t sogar Grundrechtscharakter zu (Rdn. 5 3 ) , 9 4 mit der Folge, dass im Falle der Verletzung eine Verfassungsbeschwerde möglich ist (Rdn. 5 3 , 7 1 ) .
92
93
78
So auch Rogali KK-OWiG 3 § 3 Rdn. 2, für die § 1 entsprechende Regelung des § 3 OWiG. BVerfGE 25 269, 285; 45 363, 371 ff.
94
BVerfGE 71 108, 114; Köhler AT S. 75; Krey Strafe Rdn. 99; Otto AT § 2 Rdn. 1; Roxin AT I § 5 Rdn. 6.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
Wegen des Verfassungsrangs des Gesetzlichkeitsprinzips kommt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 103 Abs. 2 GG für das Strafrecht besondere Bedeutung zu: Bei der Auslegung des § 1 sind die Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG, der in zahlreichen Entscheidungen dieses Gerichts konkretisiert worden ist (Rdn. 330), zu berücksichtigen, so dass eine inhaltliche Übereinstimmung des einfachen Rechts mit dem Verfassungsrecht entsteht.
2
2. Verhältnis von Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB zu Art. 20 Abs. 3 GG. Gegenüber Art. 2 0 Abs. 3 GG, wonach die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung „an Gesetz und Recht" gebunden sind, stellt Art. 103 Abs. 2 GG für das Strafrecht den Grundsatz der Gesetzesgebundenheit allen staatlichen Strafens auf (grundlegend BVerfGE 14 174, 185). Die Hervorhebung des Gesetzlichkeitsprinzips in Art. 103 Abs. 2 GG trägt dem Zugriff des Strafens auf die Persönlichkeit durch hoheitliche Missbilligung von Schuld Rechnung; 95 eine solche Wertung bedarf im Rechtsstaat besonderer rechtsstaatlicher Sicherungen. 96 Dem Rang des Grundsatzes entspricht die herausgehobene Position am Anfang des Strafgesetzbuchs als § l . 9 7
3
3. Verhältnis von Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB zu Art. 104 GG. Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 werden bezüglich des Begriffs „gesetzlich" durch Art. 104 Abs. 1 GG präzisiert. Nach letzterer Verfassungsvorschrift dürfen freiheitsbeschränkende Maßnahmen nur auf der „Grundlage eines förmlichen Gesetzes" angeordnet werden, während im Übrigen, also insbesondere für Geldstrafen, ein materielles Gesetz ausreicht (Rdn. 123). 9 8 Für Blankettstrafgesetze (Rdn. 148 ff) ergibt sich aus Art. 103 Abs. 2 GG, dass die formellgesetzliche Ermächtigung so konkret gefasst sein muss, dass sich bereits aus ihr die möglichen Straftatbestände und die Art und das Maß der Strafen für den Bürger hinreichend deutlich ergeben (Rdn. 150 ff). 99
4
Π. Internationale und supranationale Bezüge 1. Garantie des „nullum crimen"-Satzes in internationalen Regelungen. Der Grundsatz „nullum crimen sine lege" ist heute auch international als fundamentaler Grundsatz des Rechtsstaats fast überall in Geltung; 100 er findet sich insbesondere auch in internationalen Regelungswerken 101 wie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK; s. dazu Rdn. 6 ff), den Genfer Abkommen (s. dazu Rdn. 12), der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Generalversammlung der Vereinten Nationen (AEMR; s. dazu Rdn. 13) und des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR; s. dazu Rdn. 13 f).
95
96
97 98
Appel S. 2 4 ff; vgl. aber auch Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 2 0 4 m.w.N. Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 1 0 3 II Rdn. 10; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 193. Hassemer/Kargl N K Rdn. 3. Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 2 5 0 ff m.w.N.; aA allerdings Scbmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 1 0 3 II Rdn. 1 8 3 , der dies
wegen des Zusammenspiels von Art. 1 0 3 Abs. 2 GG und Art. 1 0 4 GG für jede Art von Strafe fordert. 99
100
101
BVerfGE 14 174, 1 8 7 ; BVerfG N J W 1 9 9 2 1 0 7 m.w.N.; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 108. Rechtsvergleichend Jescheck FS Miyzawa 3 6 3 ff. Näher dazu Jescheck/Weigend
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A T § 15 II 4 .
79
5
§1 6
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
a) Art. 7 Abs. 1 EMRK. Zu nennen ist zunächst Art. 7 Abs. 1 EMRK, 1 0 2 der auch innerstaatliche Geltung hat, dem aber nach h.M. nur der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zukommt. 103 Diese nach dem Vorbild von Art. 11 Nr. 2 AEMR (Rdn. 13) geschaffene Regelung lautet: „Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden. "
7
aa) Gesetzlichkeitsprinzip. Art. 7 Abs. 1 EMRK enthält zunächst die Vorgabe, dass es überhaupt einer gesetzlichen Grundlage für Verurteilungen bedarf. Hierbei handelt es sich um ein spezielles, auf den Bereich des Strafrechts bezogenes Legalitätsprinzip, aus dem sich ergibt, dass die Verhängung einer Strafe vorhersehbar sein und auf einem Gesetz beruhen muss. 104 Allerdings steht Art. 7 Abs. 1 EMRK einer Bestrafung auf gewohnheitsrechtlicher Grundlage nicht entgegen. 105 So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verurteilung wegen Vergewaltigung in der Ehe aus dem Jahre 1991 bestätigt, die im Vereinigten Königreich zu einer Zeit ergangen war, als noch die aus dem 18. Jahrhundert stammende ungeschriebene Regel der „material immunity" dem Ehemann das Recht gab, seine Ehefrau auch gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. 106 Das House of Lords hat unter Berufung auf die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse und eine öffentliche Reformdiskussion zur Abschaffung dieses Verteidigungsvorbringens (defence) den Ehemann wegen Vergewaltigung verurteilt (siehe dazu auch Rdn. 45). 1 0 7 Der Gerichtshof bestätigte diese Verurteilung, weil sie mit dem „Wesen des Delikts vereinbar" und „vernünftigerweise" vorhersehbar gewesen sei. 108 Auch in den Mauerschützenfällen stellte sich die Frage nach dem Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für eine Verurteilung und der Zulässigkeit einer rückwirkenden Aufhebung eines Straffreistellungsgrundes (§ 27 DDR-GrenzG). Die Angeklagten Streletz, Keßler und Krenz, die von deutschen Gerichten verurteilt worden waren, weil diese den Rechtfertigungsgrund des § 27 DDR-GrenzG wegen „Menschenrechtswidrigkeit" nicht angewendet hatten (Rdn. 447 ff), rügten nach erfolgloser Verfassungsbeschwerde 109 die Verletzung von Art. 7 Abs. 1 EMRK. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat auch in diesem Fall einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 EMRK verneint, weil die Strafbarkeit für die Täter vorhersehbar war (näher dazu Rdn. 449). 1 1 0
102
103
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105
80
Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950, BGBl. II 1952 S. 686. Frowein/Peukert EMRK-Kommentar, Einf Rdn. 6; Münch J Z 1961 153; SchmidtAßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 251; vgl. auch BVerfGE 10 271, 274; BayVerfGH NJW 1961 1619; Degenhart in Sachs Art. 103 Rdn. 76a; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 6; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 62. Vgl. nur Grabenwarter EMRK § 24 Rdn. 88. Ambos KritV 2 0 0 3 31, 41; Frowein/Peukert
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109 110
Art. 7 EMRK Rdn. 4; Gollwitzer in Löwe/ Rosenberg Art. 7 MRK Rdn. 9; A. Peters Einführung in die EMRK S. 143. S. W. v. Vereinigtes Königreich, Urt. v. 27.10.1995, para 10. R (Regina) v. R, Urt. v. 23.10.1991, AC 1992 599. S. W. v. Vereinigtes Königreich, Urt. v. 22.11.1995, para 36; C. R. v. Vereinigtes Königreich, Urt. v. 22.11.1995, para 34; vgl. auch Ambos Internationales Strafrecht § 10 Rdn. 65 f; Demko HRRS 2 0 0 4 19, 2 0 f. BVerfGE 95 96 ff. EGMR NJW 2001 3 0 3 5 ff.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
b b ) B e s t i m m t h e i t s g e b o t . Sodann gilt das primär an den Gesetzgeber gerichtete Bestimmtheits- und K l a r h e i t s g e b o t : 1 1 1 D e m N o r m u n t e r w o r f e n e n muss es möglich sein, aus dem W o r t l a u t des Gesetzes zu schließen, welche H a n d l u n g e n oder Unterlassungen strafbar s i n d . 1 1 2 D a b e i werden an die Vorhersehbarkeit je nach Beruf des B e t r o f f e n e n unterschiedlich h o h e Anforderungen gestellt. 1 1 3 Es k o m m t also auf die individuelle Vorhersehbarkeit an (siehe a u c h R d n . 9, 4 4 9 ) . D a s Bestimmtheitsgebot betrifft s o w o h l die Umschreibung der mit Strafe bedrohten H a n d l u n g als a u c h die Sanktionsseite, w o b e i auch die Art der S a n k t i o n und die S a n k t i o n s h ö h e v o r h e r s e h b a r sein müssen, ohne dass dadurch das richterliche Ermessen bei der Strafbemessung ausgeschlossen w i r d . 1 1 4
8
cc) Analogieverbot. Weiterhin enthält Art. 7 Abs. 1 E M R K ein Analogieverbot. D i e ses wird verstanden als Verbot einer extensiven Auslegung strafrechtlicher N o r m e n z u m Nachteil des Beschuldigten, durch welche die Strafbarkeit begründet w i r d . 1 1 5 Hingegen wird das A n a l o g i e v e r b o t nicht in dem Sinne verstanden, dass der Wortsinn die Grenze der zulässigen Auslegung b i l d e t . 1 1 6 Vielmehr soll es nach Auffassung des E G M R nur darauf a n k o m m e n , dass sich ein bestimmtes Verhalten o h n e W i l l k ü r unter eine Vorschrift subsumieren lässt und der Bürger die rechtlichen K o n s e q u e n z e n seines Verhaltens vorhersehen bzw. sein Verhalten a m R e c h t ausrichten k a n n . 1 1 7 Es wird also allein die individuelle Vorhersehbarkeit geschützt, und es werden nicht die durch Art. 1 0 3 Abs. 2 G G garantierten objektiven Grenzen g a r a n t i e r t . 1 1 8
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dd) Rückwirkungsverbot. Schließlich wird aus Art. 7 Abs. 1 E M R K ein R ü c k w i r kungsverbot hergeleitet, 1 1 9 das jedoch nicht vor einer Ausdehnung der Verjährungsfrist schützt.120
10
ee) „ N ü r n b e r g - K l a u s e l " . Außerdem genügt es nach der sog. „ N ü r n b e r g - K l a u s e l " , 1 2 1 wenn eine Straftat nach „allgemeinen von der Völkergemeinschaft a n e r k a n n t e n R e c h t s grundsätzen", d. h. nach Völkergewohnheitsrecht, strafbar w a r . 1 2 2 Diese Klausel, die G e wohnheitsrecht als strafbegründende Rechtsquelle genügen lässt, wurde, da sie mit Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nicht vereinbar ist, von der Bundesrepublik Deutschland nicht ratifiz i e r t . 1 2 3 Diese Klausel darf daher in Deutschland nicht angewendet werden. V i e l m e h r bestimmen sich die Grenzen hier nach Art. 1 0 3 Abs. 2 G G ( R d n . 4 4 9 , 4 5 1 ) .
11
111
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EGMR Serie A 260-A, Z. 52 (Kokkinakis); EGMR Nr. 20166/92, Serie A 260-A 355-B, Z. 34 ff (S. W.). EGMR Serie A 260-A, Z. 52 (Kokkinakis); EGMR RJD 2000-VII, Z. 145; EGMR Nr. 55103/00, Z. 25 (Puhk). EGMR RJD 1996-V, Z. 35 (Cantoni). EGMR Nr. 20166/92, Serie A 260-A 355-B, Z. 35 f (5. W.). EGMR Serie A 260-A, Z. 52 (Kokkinakis); EGMR RJD 1996-V, Z. 2 9 (Cantoni). Ambos KritV 2 0 0 3 31, 41; Arnold/Karsten/ Kreicker NJ 2001 561, 562. Sunday Times v. Vereinigtes Königreich Urt. v. 26.4.1979, para 49; dazu Ambos NJ 2003 31, 38 ff. Ambos NJ 2 0 0 3 31, 41; Arnold/Karsten/
Kreicker NJ 2001 561, 567; Kreicker Art. 7 EMRK S. 4 9 ff; aA Gollwitzer LR Art. 7 MRK Rdn. 9. 1 , 9 EGMR Nr. 55103/00, Z. 32, 40 (Puhk). 1 2 0 EGMR RJD 2000-VII, Z. 149 (Coeme u.a.). 1 2 1 Näher dazu Frowein/Peukert Art. 7 EMRK Rdn. 8; Gollwitzer LR Art. 7 MRK Rdn. 10; Meyer-Goßner Art. 7 MRK Rdn. 2; Pieroth W D S t R L 51 (1992) 91, 103 f. 122 Rudolphi SK Rdn. 1; Guradze Die Europäische Menschenrechtskonvention (1968) Art. 7 Anm. 11. 123 Yg] d a z u J e n v o n d e r Bundesrepublik eingelegten Vorbehalt gegen Art. 7 Abs. 2 EMRK, BGBl. II 1954 S. 14.
Gerhard Dannecker
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§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
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b) Genfer Abkommen. Die gleiche Garantie wie in Art. 7 Abs. 1 E M R K findet sich in Art. 9 9 des Genfer Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 1 2 . 8 . 1 9 4 9 1 2 4 und sinngemäß in Art. 65 des Genfer Abkommens vom 1 2 . 8 . 1 9 4 9 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten. 1 2 5 Die Bundesrepublik Deutschland hat diese Verträge ratifiziert und sich damit zugleich zur völkerrechtlichen Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips bekannt. 1 2 6
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c) Art. 11 Abs. 2 A E M R und Art. 15 IPBPR. Eine Bestätigung der weltweiten Anerkennung des „nullum crimen "-Satzes bedeutete die Aufnahme in Art. 11 Abs. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Generalversammlung der Vereinten Nationen ( A E M R ) vom 1 0 . 1 2 . 1 9 4 8 und in Art. 15 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) vom 1 9 . 1 2 . 1 9 6 6 , 1 2 7 dort ergänzt um den Vorrang des milderen Rechts (näher dazu § 2 Rdn. 6). Allerdings enthält Art. 15 Abs. 2 IPBPR eine wesentliche Einschränkung: Unter dem Einfluss des common law, das die Unterscheidung von Recht und Gesetz weniger strikt sieht und sich aus dem überlieferten Recht speist, genügt es im Völkerrecht, dass eine Straftat zur Zeit ihrer Regelung nach allgemeinen, von der Völkergemeinschaft anerkannten Rechtsgrundsätzen strafbar war (vgl. auch Rdn. 16). 1 2 8 Dadurch entsteht die Gefahr, dass Machthaber infolge eingeschränkter Rückwirkungsverbote ohne großes Risiko über Menschenrechte verfügen können. 1 2 9 Außerdem enthält Art. 15 Abs. 2 IPBPR eine der „Nürnberg-Klausel" des Art. 7 Abs. 2 E M R K (Rdn. 11) vergleichbare Regelung.
14
Das Verbot rückwirkender Strafgesetze wird in Art. 15 IPBPR ausdrücklich auch auf die Rechtsfolgen der Straftat bezogen und ist daher im Wortlaut weiter als Art. 103 Abs. 2 G G , der nur die gesetzliche Bestimmtheit der „Strafbarkeit" fordert, jedoch auch auf die Rechtsfolgen angewandt wird (näher dazu Rdn. 2 2 3 ff).
15
d) Bedeutung von Art. 103 Abs. 2 GG neben den internationalen Regelungen. Art. 103 Abs. 2 G G und § 1 sind ihrerseits insofern weiter als Art. 7 E M R K und Art. 15 IPBPR, als geschriebenes Recht erforderlich ist, während in den internationalen Regelungen unter „ R e c h t " auch ungeschriebenes Recht verstanden wird. 1 3 0 Insofern bleiben E M R K und IPBPR in ihrer Reichweite hinter Art. 103 Abs. 2 G G zurück. 1 3 1 Außerdem garantiert Art. 103 Abs. 2 G G ein „echtes" Grundrecht (Rdn. 5 3 ) , das im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann (Rdn. 71). Allerdings schützt Art. 7 E M R K die individuelle Vorhersehbarkeit und ist insofern weiter als die Garantie des Art. 103 Abs. 2 G G , der eine objektive Garantie enthält (Rdn. 9). Dies bedeutet, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den Mauerschützenfällen zwingend auf die Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit für die Täter hätte abstellen müssen. Dies hätte
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BGBl. II 1 9 5 4 S. 8 3 8 . BGBl. II 1 9 5 4 S. 917. Näher dazu ]escheck/Weigend AT § 15 II 4; Krey Strafe S. 1 0 4 ff. BGBl. II 1 9 7 3 S. 1 5 3 3 . Näher dazu Buchner S. 3 9 f, 2 3 7 ff, 2 7 4 ff; Triffterer in Lampe (Hrsg.) Deutsche Wiedervereinigung, Bd. 2 : Die Verfolgung von Regierungskriminalität der D D R nach der Wiedervereinigung ( 1 9 9 3 ) S. 131, 135 ff, 145 ff; Werle Z S t W 1 0 9 ( 1 9 9 7 ) 8 0 8 ff; s. auch Ambos StV 1 9 9 7 3 9 ff. Amelung JuS 1 9 9 3 637, 6 4 2 ; Welke KritJ 2 8
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( 1 9 9 5 ) 369, 3 7 0 f; zust. Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 1 0 3 Rdn. 5. E G M R N J 2 0 0 1 2 6 1 , 2 6 2 (Streletz, Keßler, Krem gg. Deutschland); Ambos KritV 2 0 0 3 31, 4 1 ; A. Peters Einführung in die E M R K S. 143; Frowein/Peukert Art. 7 E M R K Rdn. 4; Gollwitzer LR Art. 7 M R K Rdn. 9. Ambos Internationales Strafrecht § 10 Rdn. 6 4 ; Grabenwarther Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. ( 2 0 0 5 ) § 2 4 Rdn. 1 2 8 ; Kadelbach Konkordanzkommentar Kap. 15 Rdn. 6 ff.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
eine Differenzierung zwischen den Führungstätern, das heißt, den Mitgliedern der politischen Entscheidungsorgane, und den Grenzsoldaten erfordert (siehe dazu unten Rdn. 4 4 9 ) . 2 . Völkerstrafrecht. Im Völkerrecht gelten im Vergleich zum binnenstaatlichen Strafrecht folgende Besonderheiten: Das Rückwirkungsverbot besagt, dass der Täter von seiner Bestrafung nicht überrascht werden darf. Dies ist der Fall, wenn die fragliche Tat einem völkerstrafrechtlichen Verbrechenstatbestand unterfiel, der zum Zeitpunkt der Tat im Völkerrecht Geltung beansprucht hat. Hinreichend bestimmte Straftatbestände des Völkerrechts müssen zumindest eine generelle Strafdrohung enthalten; es gilt also der Grundsatz „nulla poena sine lege" (Rdn. 2 8 ) . Auch im Völkerstrafrecht gilt das Verbot der analogen Anwendung von Straftatbeständen. 1 3 2 Eine direkte Anwendung völkergewohnheitsrechtlich geltender Straftatbestände ist in Deutschland nicht möglich (Rdn. 11); Art. 103 Abs. 2 G G erfordert als Bestrafungsgrundlage ein geschriebenes Gesetz. 1 3 3
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Da Völkerstrafrecht, das eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Einzelnen begründen soll, 1 3 4 auf dem Weg über Tatbestände des Strafrechts der Bundesrepublik Deutschland (Rdn. 3 0 ff) von deutschen Gerichten durchgesetzt wird, gilt Art. 103 Abs. 2 G G auch hierfür: 1 3 5 Die Tatbestände des Völkerstrafgesetzbuches müssen sich an den Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 G G messen lassen (näher dazu Rdn. 3 2 ff). 1 3 6
17
a) Rechtslage vor Inkrafttreten des Rom-Statuts. Soweit allgemeine (gewohnheitsrechtlich oder in zwischenstaatlichen Vereinbarungen anerkannte) Regeln des Völkerrechts über das nationale Strafrecht hinaus Straftatbestände enthalten h a b e n , 1 3 7 konnten Letztere - im Zweifelsfall nach ihrer Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 2 G G ) - gemäß Art. 2 5 G G als Bestandteil des Bundesrechts zwar formal § 1 verdrängen, wenn sie dessen Anforderungen nicht genügten. Materiell waren sie dazu aber nicht in der Lage, weil allgemeine Regeln des Völkerrechts, die nach Art. 2 5 G G Bundesrecht sind, keinen Verfassungsrang h a b e n 1 3 8 und deshalb ihrerseits dem (mit § 1 inhaltsgleichen) Art. 103 Abs. 2 G G weichen mussten. 1 3 9
18
Das Völkerrecht selbst bot dem Beschuldigten vor Inkrafttreten des IGH-Statuts (näher dazu Rdn. 21 ff) nicht die gleichen Garantien wie die deutschen Vorschriften. 1 4 0 Denn es war zweifelhaft, ob der Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz" zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehörte. In den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen nach 1 9 4 5 ging man über ihn hinweg; und auch im Schrifttum wurde seine völkerrechtliche Geltung mit der Begründung bezweifelt, dass für seine Anwendung nur in Rechtsordnungen Raum sei, die - anders als das sich stetig fortentwickelnde Völkerrecht - im Wesent-
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Näher dazu Ambos Internationales Strafrecht § 10 Rdn. 6 4 ; A. Peters Einführung in die E M R K S. 1 4 3 ; M. Schmidt S. 4 4 6 ff; Triffterer Dogmatische Unterschungen S. 39,
M. Schmidt Externe Strafpflichten - Völkerstrafrecht und seine Wirkungen im deutschen Strafrecht ( 2 0 0 2 ) S. 4 3 ; Tomuschat Sanktionen S. Q 6 0 . 137
126. Vgl. nur Werte N J W 2 0 0 1 3 0 0 1 , 3 0 0 3 . 134 Yg[ n u r E)abm Zur Problematik des Völkerstrafrechts S. 12 f, 14 f. 13·' Vgl. Dahm Z u r Problematik des Völkerstrafrechts S. 5 4 , 69. 133
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Hollweg J Z 1 9 9 3 9 8 5 ; Ambos
FS Eser 2 5 5 ;
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Vgl. Dahm Z u r Problematik des Völkerstrafrechts S. 5 4 f, 7 0 . Mattnz in ders./Dürig Art. 2 5 Rdn. 2 3 . Dahm Z u r Problematik des Völkerstrafrechts S. 7 0 f. Näher dazu Satzger JuS 2 0 0 4 9 4 3 , 9 4 4 f; Werte Principles Rdn. 9 6 ff; jeweils m.w.N.
Gerhard Dannecker
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§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
liehen kodifiziert und in sich geschlossen sind. 141 Inzwischen ist die gewohnheitsrechtliche Geltung des Satzes „nullum crimen, nulla poena sine lege" anerkannt. 1 4 2 Insbesondere wird hieraus hergeleitet, dass das verbotene Verhalten so klar wie möglich geregelt sein muss; allerdings bleiben die Anforderungen an die Bestimmtheit hinter den nationalen Standards zurück. 1 4 3 Weiterhin werden das Analogieverbot und das Rückwirkungsverbot anerkannt, 1 4 4 ohne dass sich ein striktes Rückwirkungsverbot durchgesetzt hätte. Schließlich wird der Grundsatz auf Sanktionen erstreckt; 145 allerdings ist auch hier das internationale Recht weniger restriktiv als das deutsche System. 146 20
Der Grundsatz „nullum crimen sine lege" spielte nach den Nürnberger Prozessen eine Rolle für den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien und den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda. Beide haben mehrfach die Geltung dieses Prinzips bestätigt. 147
21
b) IGH-Statut. Zur Verfolgung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen entwickelt sich derzeit eine internationale Strafgerichtsbarkeit. In dem auf einer internationalen Bevollmächtigungskonferenz der Vereinten Nationen am 17.7.1998 beschlossenen und am 1.7.2002 in Kraft getretenen Statut von Rom haben sich die Staaten über die Errichtung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs verständigt. Deutschland hat dieses Statut ratifiziert und der deutsche Gesetzgeber hat die innerstaatliche Strafbarkeit der in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fallenden Verbrechen in einem neu geschaffenen Völkerstrafgesetzbuch gesondert geregelt. In diesem Gesetz findet sich der Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege" als allgemeiner strafrechtlicher Grundsatz in Art. 22 und 24 in Teil 3 des IGH-Statuts. 148
22
Art. 22 (nullum crimen sine lege) lautet: (1) Eine Person ist nur dann nach diesem Statut strafrechtlich verantwortlich, wenn das fragliche Verhalten zurzeit der Tat den Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens erfüllt. (2) Die Begriffsbestimmung eines Verbrechens ist eng auszulegen und darf nicht durch Analogie erweitert werden. Im Zweifelsfall ist die Begriffsbestimmung zugunsten der Person auszulegen, gegen die sich die Ermittlungen, die Strafverfolgung oder das Urteil richten. (3) Dieser Artikel bedeutet nicht, dass ein Verhalten nicht unabhängig nach dem Völkerrecht strafbar beurteilt werden kann.
141
142
84
Dahm Z u r Problematik des Völkerstrafrechts S. 56, 58, 63 ff, 70; ders. Völkerrecht, Bd. 3 § 48 I S. 316 f. Bassiouni Introduction to International Criminal Law (2003) S. 198 ff; Broomhall in Triffterer (ed.) Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court (1999) Art. 22 Rdn. 15; Dannecker S. 177 ff; Jescheck JICJ 1 (2004) 38, 40 ff; Schmidt-Aßmann in Maunz/Diirig Art. 103 II Rdn. 249; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 5; teilweise wird hierin auch ein allgemeiner Rechtsgrundsatz gesehen; vgl. dazu die Nachw. bei Werle Principles Rdn. 91 Fn. 172.
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146 147
148
von diesem Statut als
Werle Principles Rdn. 91. Näher dazu Cassese International Criminal Law S. 145 ff; König Völkerrechtliche Legitimation S. 186 ff. Werle Principles Rdn. 91; aA Cassese International Criminal Law S. 157 Jescheck/Weigend AT § 15 III 4. Nachw. dazu bei Werle Principles Rdn. 92 Fn. 177, 178. Zur Entstehungsgeschichte Lamb in Casses/ Gaeta/J. R. W. D. Jones (eds.) The Rome Statute of the International Criminal Court Vol. 1 (2002) S. 734, 746 ff.
Gerhard Dannecker
§1
Keine Strafe ohne Gesetz
Art. 23 (nulla poena sine lege) lautet:
23
Eine vom Gerichtshof für schuldig erklärte Person darf nur nach Maßgabe dieses Statuts bestraft werden.
Art. 24 (Rückwirkungsverbot ratione personae) lautet: (1) Niemand
ist nach diesem Statut für ein Verhalten strafrechtlich
Inkrafttreten des Statuts stattgefunden
24 verantwortlich,
das vor
hat.
(2) Ändert sich das auf einen bestimmten Fall anwendbare
Recht vor dem Ergebnis des rechts-
kräftigen Urteils, so ist das für die Person, gegen die sich die Ermittlungen, gung oder das Urteil richten, mildere Recht
die Strafverfol-
anzuwenden.
Der Grundsatz „nullum crimen sine lege" wird damit in seinen vier Ausprägungen anerkannt: Es bedarf also einer völkerrechtlichen lex scripta, praevia, certa et stricta. 149 Außerdem gilt gemäß Art. 24 Abs. 2 IGH-Statut das Milderungsgebot.
25
aa) Gesetzlichkeitsprinzip und Bestimmtheitsgrundsatz. Eine Person darf nach Art. 22 Abs. 1 IGH-Statut nur für Taten bestraft werden, die nach dem Statut zum Tatzeitpunkt strafbar waren (lex scripta). Da der Gerichtshof jedoch nach Art. 11 IGH-Statut nur für Verbrechen zuständig ist, die nach dem Statut strafbar sind, muss das anzuwendende Strafgesetz im Statut geregelt sein. Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordert, dass das in Frage stehende Täterverhalten in den - zumindest nach völkerstrafrechtlichem Maßstab hinreichend bestimmbaren - Anwendungsbereich eines völkerrechtlichen Straftatbestandes fällt.
26
bb) Gebot der restriktiven Auslegung und Analogieverbot. Art. 22 Abs. 2 S. 1 IGHStatut enthält ein Gebot restriktiver Auslegung und verbietet, einen bestehenden Straftatbestand zum Nachteil des Täters durch einen Analogieschluss auf ähnliche Fälle auszuweiten, um ein Verhalten, das nicht durch einen völkerstrafrechtlichen Verbrechenstatbestand erfasst wird, für strafbar zu erklären. Weitergehend ist in Zweifelsfällen die dem Beschuldigten jeweils günstigere Regelung zu wählen (Art. 22 Abs. 2 S. 2 IGH-Statut). 150 Damit geht das IGH-Statut weiter als das deutsche Recht: Zum einen gilt im nationalen Recht kein Gebot der restriktiven Auslegung (näher dazu Rdn. 293); außerdem ist im nationalen Recht der Zweifelsgrundsatz auf Tatsachenfragen beschränkt.
27
cc) Rückwirkungsverbot. Weiterhin gilt gemäß Art. 24 Abs. 1 IGH-Statut das Rück- 2 8 Wirkungsverbot: Der völkerstrafrechtliche Verbrechenstatbestand muss bereits zum Zeitpunkt der Tat im Völkerrecht Geltung beansprucht haben. Damit ist das Rom-Statut auf Straftaten vor seinem Inkrafttreten nicht anwendbar. Allerdings können völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Verbrechenstatbestände, die schon vor dem Inkrafttreten des IGH-Statuts existiert haben, strafbarkeitsbegründend sein. Sie dürfen jedoch vom Internationalen Strafgerichtshof nicht angewendet werden.151
149
Näher dazu Ambos Internationales Strafrecht § 7 Rdn. 8; Jescheck JICJ 1 (2004) 38, 40 ff; König Völkerrechtliche Legitimation S. 185 ff; Montovani JICJ 1 (2003) 26, 2 9 ff; Shahabuddeen JICJ 2 (2004) 1007 ff; May Crimes against humanity (2005) S. 2 0 7 ff; Weigend AIDP 2 0 0 4 319, 323 f.
150
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Näher dazu Ambos Internationales Strafrecht § 7 Rdn. 8 m.w.N. Ambos Internationales Strafrecht § 7 Rdn. 8; Satzger Internationales und Europäisches Strafrecht § 14 Rdn. 13.
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§ 1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
29
dd) Nulla poena sine lege. Schließlich gilt im Völkerstrafrecht, wie auch Art. 2 3 I G H - S t a t u t zeigt, der Grundsatz „nulla poena sine l e g e " . 1 5 2 D a b e i dürfen an die Bestimmtheit der Strafdrohung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Entsprechend enthält auch Art. 7 7 I G H - S t a t u t nur einen allgemeinen Strafrahmen, der in den allgemeinen Tatbeständen nicht weiter präzisiert wird.
30
c) Völkerstrafgesetzbuch. U m den nationalen Gerichten zu ermöglichen, die völkerrechtlichen Verbrechen, wie sie im IGH-Statut niedergelegt sind, zu bestrafen, wurde das deutsche Strafrecht durch das V ö l k e r s t r a f g e s e t z b u c h 1 5 3 ergänzt, das a m 3 0 . 6 . 2 0 0 2 in K r a f t getreten ist. In diesem Gesetz werden die Straftatbestände des R o m - S t a t u t s ausformuliert und in die Systematik des deutschen Strafrechts eingepasst.
31
Diese Regelungen sind auch von praktischer Bedeutung, da das R o m - S t a t u t auf einem K o n z e p t basiert, nach dem es in erster Linie die Staaten selbst sind, die völkerrechtliche Verbrechen nach ihrem Strafrecht durch ihre eigenen nationalen Gerichte aburteilen sollen. D e r Internationale Strafgerichtshof übt seine Gerichtsbarkeit nur aus, wenn ein Staat, der eigentlich zur Aburteilung durch seine nationalen Gerichte zuständig wäre, insbesondere weil das völkerrechtliche Verbrechen auf seinem Staatsgebiet begangen w o r den ist, „nicht willens oder nicht in der Lage ist" (Art. 17 I G H - S t a t u t ) , eine solche Strafverfolgung durchzuführen.
32
W e n n völkerrechtliche Verbrechen von einem deutschen Gericht abgeurteilt werden, stellt sich die Frage, o b Art. 1 0 3 Abs. 2 G G in demselben M a ß e für das Völkerstrafgesetzbuch wie für das Strafgesetzbuch Geltung b e a n s p r u c h t . 1 5 4 Grundsätzlich gilt bei in deutsches R e c h t transformierten völkerrechtlichen Verträgen die verfassungsrechtliche Vorschrift des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G . 1 5 5 Dies hat zur Folge, dass gegen die unbestimmten Generalklauseln und ausfüllungsbedürftigen T a t b e s t a n d s m e r k m a l e sowie gegen die k o m plizierten Verweisungen auf und innerhalb völkerrechtlicher Ü b e r e i n k o m m e n , wie sie insbesondere bei den Kriegsverbrechen bestehen, unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes und des G e b o t s der lex scripta, das einer gewohnheitsrechtlich begründeten Strafbarkeit entgegensteht (Rdn. 1 6 9 ff), verfassungsrechtliche Bedenken besteh e n . 1 5 6 Hierbei ist j e d o c h zu berücksichtigen, dass die „völkerrechtsfreundliche T e n d e n z " des Grundgesetzes, die aus der Präambel des Grundgesetzes und den Bestimmungen der Art. 2 4 bis 2 6 G G und Art. 1 Abs. 2 , 9 Abs. 2 G G hergeleitet w i r d , 1 5 7 mit dem Grundsatz „nullum crimen sine lege" im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich zu bringen ist, so dass in diesem Bereich nur ein abgeschwächtes M a ß an Bestimmtheit g i l t . 1 5 8 Insbesondere soweit es sich u m „ E x p e r t e n s t r a f r e c h t " 1 5 9 handelt,
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Ambos Internationales Strafrecht § 7 Rdn. 8; Bassiouni Crimes against Humanity in International Criminal Law, 2. Aufl. (1999) S. 123 ff, 144; Satzger Internationales und Europäisches Strafrecht § 14 Rdn. 14; Triffterer FS Eser 91, 92 ff; ders. in Hankel/Stuby (Hrsg.) Strafgerichte gegen Menschheitsverbrechen: Zum Völkerstrafrecht 50 Jahre nach den Nürnberger Prozessen (1995) S. 218 f; Werte Principles Rdn. 89; aA Cassese International Criminal Law S. 157. BGBl. I 2002 2254. Kreicker in ders./Eser, Nationale Strafverfol-
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gung völkerrechtlicher Verbrechen (2007) Bd. 1 S. 82 ff; Satzger NStZ 2 0 0 2 127 ff. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 251 m.w.N. Näher dazu Satzger NStZ 2 0 0 2 127 ff; ders. JuS 2 0 0 4 943, 946. BVerfGE 31 58, 75; eingehend dazu Kreicker in ders./Eser, Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen Bd. 1 S. 82, 83 ff. So zutreffend Satzger JuS 2 0 0 4 943, 946; vgl. auch ders. NStZ 2 0 0 2 127, 130. Näher dazu Satzger Europäisierung S. 242 ff m.w.N.
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Keine Strafe ohne Gesetz
§1
wie dies bei den Kriegs verbrechen der Fall ist, 160 ist eine solche Relativierung der Anforderungen an das Gesetzlichkeitsprinzip vertretbar, da ansonsten die Strafbarkeit nur durch den Internationalen Strafgerichtshof durchgesetzt werden könnte, was wiederum der Intention des Rom-Statuts widerspräche, wonach die Staaten völkerrechtliche Verbrechen durch ihre eigenen nationalen Gerichte aburteilen sollen (Rdn. 31). Hingegen können völkergewohnheitsrechtlich geltende Straftatbestände auch nicht über die völkerrechtsfreundliche Auslegung direkt angewendet werden. 161 3. Europäisches Strafrecht. Der Grundsatz „nullum crimen sine lege" gilt auch im europäischen Strafrecht. 162 Der Europäische Gerichtshof sieht hierin einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der im Gemeinschaftsrecht verbindlich ist, 163 und beruft sich dabei auch auf Art. 7 Abs. 1 EMRK. 1 6 4 Nach Art. 6 Abs. 2 EU sind neben den Grundrechten der Europäischen Menschenrechtskonvention auch die sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergebenden Grundrechte zu achten; hierzu gehört auch der Grundsatz „nullum crimen sine lege" (Rdn. 43 ff). Dieser Grundsatz enthält als Einzelprinzipien das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage (Rdn. 34), das Bestimmtheitsgebot (Rdn. 35 ff), das Analogieverbot (Rdn. 38) und das Rückwirkungsverbot (Rdn. 39).
33
a) Gesetzlichkeitsprinzip. Erste Ausprägung des Grundsatzes „nullum crimen, nulla poena sine lege" ist das Gesetzlichkeitsprinzip; nur der demokratisch legitimierte Gesetzgeber ist berechtigt, Strafgesetze zu erlassen. Eine solche Kompetenz wird der Europäischen Gemeinschaft von der h.M. nicht zugestanden; 165 die Kompetenz zur Setzung unmittelbar anwendbarer Strafnormen steht nur den Nationalstaaten zu. 166 Allerdings ist diese Frage für Verordnungen offen.
34
Werle/Jeßberger J Z 2 0 0 2 7 3 0 . Werle N J W 2 0 0 1 3 0 0 1 , 3 0 0 3 . 162 Ygi n u r j\ m l) O S Internationales Strafrecht
8 9 6 , 8 9 7 ; Fromm Der strafrechtliche Schutz der Finanzinteressen der EG ( 2 0 0 4 ) S. 3 6 ff; Gröblinghoff Die Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ( 1 9 9 6 ) S. 141; Satzger Europäisierung S. 9 0 ff; ders. Internationales und Europäisches Strafrecht Rdn. 2 3 ff; C. Schröder Europäische Richtlinien S. 1 0 3 ff, 1 7 9 ff; Sieber Z S t W 1 0 3 ( 1 9 9 1 ) 9 5 7 , 9 6 3 ; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 8 2 und 2 5 0 , jeweils m.w.N.
160 161
§ 10 Rdn. 6 4 ff; Dannecker in Schiinemann/ Suárez González (Hrsg.) Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts S. 3 3 1 , 3 4 4 ff; ders. Z S t W 117 ( 2 0 0 5 ) 6 9 7 , 7 3 6 ff; Hecker § 10 Rdn. 3 6 m.w.N.; Satzger Europäisierung S. 1 7 7 ff; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 2 5 9 ff. 163
Vgl. E u G H Slg. 1 9 8 4 3 2 9 1 (Könecke)·, vgl. auch E u G H Slg. 1 9 8 1 1931 (Gondrand Frère)·, Satzger Europäisierung S. 1 7 7 f.
164
E u G H Slg. 1 9 8 4 2 6 8 9 , 2 7 1 8 ( R e g i n a / K i r k ) ; EuGH Slg. 1 9 9 6 6 6 0 9 , 6 6 3 7 (Telecom Italia).
165
BGHSt 2 5 1 9 0 , 1 9 3 f; Albrecht/Braum KritV 2 0 0 1 312, 319 f; Böse Strafen und Sanktionen S. 5 4 ff; Dannecker F G B G H 5 0 Bd. IV 3 3 9 , 3 4 6 ff; ders. Z S t W 117 ( 2 0 0 5 ) 697, 7 2 3 ; ders. Jura 2 0 0 5 95, 9 6 ; Deutscher Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften zur originären Strafgesetzgebung ( 2 0 0 0 ) S. 3 3 5 ff; Eisele Jura 2 0 0 0
166
E u G H E u Z W 2 0 0 5 6 3 2 ff. Allerdings bejaht der E u G H in dieser Entscheidung eine Annexkompetenz hinsichtlich der bereits nach dem EG-Vertrag bestehenden Kompetenzen der Gemeinschaft mit der Folge, dass mittels EG-Richtlinien verbindliche Vorgaben für das Strafrecht getroffen werden dürfen; vgl. dazu Böse GA 2 0 0 6 2 1 1 ff; Braum wistra 2 0 0 6 121 ff; Hefendehl ZIS 2 0 0 6 161 ff; Heger J Z 2 0 0 6 310 ff; Streinz JuS 2 0 0 6 1 6 4 ff; Wegener/Greenawalt ZUR 2 0 0 5 5 8 5 ff.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
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b) Bestimmtheitsgrundsatz. Das Bestimmtheitsgebot erfordert, dass der Gesetzgeber die Strafrechtssätze bestimmt fassen muss, weil nur so erreicht werden kann, dass der Gesetzgeber und nicht der Rechtsanwender über die Grenzen der Strafbarkeit entscheidet. 1 6 7 Der Europäische Gerichtshof führt aus, dass der Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit strafbarer Handlungen und Strafen es verbiete, die Strafverfolgung wegen eines Verhaltens einzuleiten, dessen Strafbarkeit sich nicht eindeutig aus dem Gesetz ergibt. 1 6 8 Eine Verweisung auf außerstrafrechtliche Regelungen ist folglich erst dann unwirksam, wenn sie unklar ist und auslegungsbedürftig zu werden beginnt. 1 6 9 Dadurch soll die Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit für den Bürger garantiert werden. Diese Garantie muss sich auch auf blankettausfüllende Gemeinschaftsnormen beziehen.
36
Der Europäische Gerichtshof geht allerdings davon aus, dass gemeinschaftsrechtliche N o r m e n stets gleich auszulegen sind, sei es im Rahmen eines außerstrafrechtlichen Verfahrens oder im Rahmen des Strafrechts, wenn dieses auf außerstrafrechtliche Regeln des Gemeinschaftsrechts Bezug nimmt. 1 7 0 Es darf bei der Auslegung nicht danach unterschieden werden, so der E u G H im Urteil „Roeser",171 „ob das innerstaatliche Verfahren, in dem der Vorabentscheidungsantrag gestellt worden ist, ein Strafverfahren oder ein anderes Verfahren" ist. Der Gerichtshof stellt für das Strafrecht keine erhöhten Anforderungen. 1 7 2 Demgegenüber hatte die Kommission gegen die vom Gerichtshof favorisierte Auslegung vorgebracht, die zu beurteilende Regelung enthalte eine Lücke: „Im Hinblick auf die strengen Bestimmtheitsanforderungen, die an Strafvorschriften zu stellen sind, darf die gemeinschaftsrechtliche Vorschrift nicht extensiv oder sogar gegen ihren Wortlaut ausgelegt w e r d e n . " 1 7 3 Damit wird das Verbot der strafbegründenden oder -schärfenden Analogie bzw. das Gebot der „strikten Auslegung" strafbegründender oder -schärfender Strafrechtssätze von der Kommission zutreffend auch auf die blankettausfüllende N o r m bezogen (zur nationalen Rechtslage s. Rdn. 257).
37
Im Ergebnis anerkennt der Europäische Gerichtshof zwar den Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege". Bei der Auslegung der einzelnen Ausprägungen bleibt er aber deutlich hinter dem Standard zurück, der in Deutschland gilt. 174 Da der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts 1 7 5 grundsätzlich auch für das Verfassungsrecht Geltung beansprucht, kann nicht auf die nationalen Verfassungsgarantien, sondern nur auf das gemeinschaftliche Verfassungsrecht als einzuhaltende Schranke zurückgegriffen werden. 1 7 6
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c) Analogieverbot. Eine weitere Konkretisierung des Gesetzlichkeitsprinzips ist das Verbot der den Täter belastenden Analogie. Hiernach ist es unzulässig, den Rechtsgedanken von N o r m e n auf vom Gesetzeswortlaut nicht mehr gedeckte Sachverhalte anzuwenden. Kommission und Gerichtshof haben bislang zu diesem Prinzip noch keine Stellung
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Hammer-Strnad Das Bestimmtheitsgebot als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Europäischen Gemeinschaftsrechts (1999) S. 71 f; Satzger Europäisierung S. 544; C. Schröder Europäische Richtlinien S. 33, 386. EuGH Slg. 1996 6689, 6637 (Telecom Italia). Tiedemann FS Roxin 1401, 1405; vgl. auch Hecker § 7 Rdn. 79 ff. EuGH Slg. 1986 805 ff (Gemeinsame Marktorganisation für Wein).
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EuGH Slg. 1986 795 (Roeser); dazu Hilf/ Willms EuGRZ 1987 176, 185 f. EuGH Slg. 1986 795, 806 (Roeser). Kommission in EuGH Slg. 1986 795, 797 (Roeser). Dannecker ZStW 117 (2005) 697, 737 ff. Grundlegend dazu EuGH Slg. 1964 1251 (Costa/Enel) sowie bereits EuGH Slg. 1963 1 (Van Gend & Loos). Dannecker ZStW 117 (2005) 697, 739 m.w.N.; Vogel ZStW 109 (1997) 335, 349.
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bezogen. Gleichwohl gilt das Analogieverbot als allgemeiner Rechtsgrundsatz 1 7 7 auch im Gemeinschaftsrecht. 1 7 8 Es lässt eine Auslegung nur innerhalb des Wortlauts der einschlägigen Rechtsnormen zu. Die Grenze des möglichen Wortsinns darf nicht überschritten werden.179 d) Rückwirkungsverbot. D e r Gerichtshof hat bereits im „Bosch"-Urteil festgestellt, dass das Rückwirkungsverbot als elementare Ausprägung des Gesetzlichkeitsprinzips im Gemeinschaftsrecht Geltung b e a n s p r u c h t . 1 8 0 Aus diesem Grund wendet der G e r i c h t s h o f z.B. das europäische Kartellordnungswidrigkeitenrecht erst ab dem Z e i t p u n k t des Beitritts eines Mitgliedstaates a u f wettbewerbswidrige Praktiken der Unternehmen a n . 1 8 1 S o stellte er im Verfahren „Tepea/Watts" darauf a b , dass die zwischen einem englischen und einem niederländischen Unternehmen seit M i t t e der fünfziger J a h r e praktizierte Marktaufteilung erst seit dem 1. Juni 1 9 7 3 - dem Beitritt G r o ß b r i t a n n i e n s zur Europäischen Gemeinschaft - ordnungswidrig gewesen sei, denn erst a b diesem Z e i t p u n k t sei
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der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt worden; zuvor habe sich die Vereinbarung lediglich auf den Binnenhandel der Niederlande ausgewirkt. Für die außerstrafrechtlichen Normierungen wird dagegen eine R ü c k w i r k u n g für möglich g e h a l t e n . 1 8 2 e) Vertrag über eine Verfassung für Europa. Art. 11-109 Abs. 1 S. 1 und 2 E W sieht nahezu wortgleich mit Art. 7 Abs. 1 E M R K (Rdn. 6) vor: „ N i e m a n d darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem R e c h t nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere
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als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt w e r d e n . " 1 8 3 D a m i t wird der Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine l e g e " festgeschrieben. 1 8 4 In Art. 11-109 E W wird das Gesetzlichkeitsprinzip allerdings mit „Gesetzmäßigkeit" und nicht mit „Gesetzlichkeit" überschrieben. Die Wahl dieses Begriffs k a n n im Z u s a m menhang mit Straftaten und Strafen seinen Grund darin haben, dass für die Strafbarkeit nicht unbedingt eine gesetzliche - im Sinne der „lex s c r i p t a " - , sondern lediglich eine rechtliche Grundlage vorausgesetzt wird, so dass es für die Gestaltung des nationalen Strafrechts den jeweiligen Gesetzgebern der EU-Mitgliedstaaten überlassen bleibt, in wel-
177
Eingehend dazu Bacigalupo in Commmission Européenne (ed.) Etude Comparative des Dispositions Législatives, Réglementaires et Administratives des Etats Membres relatives aux Agissement Frauduleux Commis au Préjudice du Buget Communautaire, O.J. S. 15 f.
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Grasso S. 9 7 ; Tiedemann FS Jescheck 1411, 1 4 2 7 ; siehe hierzu auch Papakiriakou Das europäische Unternehmensstrafrecht in Kartellsachen ( 2 0 0 2 ) S. 2 2 ff. Krit. zum Wortlautkriterium im Hinblick auf die verschiedenen jeweils gültigen Sprachfassungen Engels S. 6 9 f. EuGH Slg. 1 9 6 2 97 ff; vgl. auch E u G H Slg. 1 9 8 4 2 6 8 9 , 2 7 1 8 ( R e g i n a / K i r k ) ; E u G H Slg. 1 9 8 4 3 2 9 1 , 3 3 0 2 (Könecke); E u G H Slg. 1 9 8 7 3 9 6 9 , 3 9 8 6 (Kolpingbuis Nijmegen BV); E u G H Slg. 2 0 0 2 1-1613 Rdn. 1 0 9
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(Brugg Rohrsysteme)·, E u G H Slg. 2 0 0 5 1 - 0 5 4 2 5 Rdn. 2 0 2 (Dansk Rorindustri)·,
EuG Slg. 2 0 0 3 11-2597 Rdn. 3 6 (Archer Daniels Midland)·, vgl. auch Dannecker in Wabnitz/Janovsky Kap. 2 Rdn. 136 ff; Friedmann S. 2 3 4 ff; Heukels S. 2 3 2 ff; Satzger Europäisierung S. 5 4 9 ff; C. Schröder Europäische Richtlinien S. 3 4 0 ff; Zuleeg J Z 1 9 9 2 761, 7 6 5 . 181
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E u G H Slg. 1 9 7 8 1415 ff; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 2 6 0 . E u G H Slg. 1 9 9 0 4 0 2 3 ff (Fedesa); Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 2 6 1 . Diese Regelung entspricht wörtlich Art. 4 9 Abs. 1 Charta der Grundrechte. Bezüglich des in Satz 2 geregelten Milderungsgebots kann auf die Ausführungen unter § 2 Rdn. 101 zum Milderungsgebot bei gemeinschaftsrechtlichen Regelungen verwiesen werden. Näher dazu Dannecker Z S t W 117 ( 2 0 0 5 ) 697, 7 4 5 f.
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eher Form sie die Rechtsgrundlage der Strafbarkeit bestimmen wollen. Damit steht es den Ländern aus dem common law-Bereich offen, Straftaten auf der Grundlage des richterlichen case law zu verfolgen, sofern der Grundsatz des „stare decisis" eingehalten wird, nach dem die Gerichte ihre Entscheidungstätigkeit auf die bisherige Tradition aufbauen, sich von dieser binden lassen und mit ihr argumentativ auseinandersetzen. 185 Den kontinentaleuropäischen Mitgliedstaaten wie Deutschland bleibt es entsprechend überlassen, am Erfordernis eines Gesetzes im formellen Sinne festzuhalten (Rdn. 114 ff, 117 ff). 42
Berücksichtigt man allerdings, dass nach dem Verfassungsvertrag durch Art. III-415 Abs. 4 E W die Kompetenz der Europäischen Union zur Einführung eigener Straftatbestände eingeräumt werden soll, so ist diesbezüglich am Gesetzlichkeitsprinzip, das die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen beherrscht, festzuhalten, zumal auch im common law-Bereich bezüglich der Neueinführung von Strafgesetzen eine Entwicklung hin zum Gesetzlichkeitsprinzip festzustellen ist. 1 8 6
43
4. Rechtsvergleichende Hinweise. Das Gesetzlichkeitsprinzip ist im kontinentaleuropäischen Strafrecht allgemein anerkannt 1 8 7 und findet sich in allen Rechtsordnungen der Europäischen Union; 1 8 8 zudem entspricht es der gemeinsamen wissenschaftlichen Überzeugung in der Fachwelt. 1 8 9 Es ist, sieht man von England a b , 1 9 0 mit seinen unterschiedlichen Elementen in den europäischen Verfassungen garantiert, so z.B. in Art. 14 Verf. Belgien 1994, Art. 5 Abs. 3 Verf. Bulgarien 1991, Art. 2 3 Abs. 1 und 2 Verf. Estland 1992, Art. 8 Verf. Finnland 1999, Art. 7 Abs. 1 Verf. Griechenland 1975, Art. 14 Verf. Art. 15 Abs. 5 Verf. Irland 1937, Art. 2 5 Abs. 2 Verf. Italien 1947, Art. 94 Verf. Lettland 1998, Art. 31 Abs. 3 Verf. Litauen 1992, Art. 14 Verf. Luxemburg 1868, Art. 16 Verf. Niederlande 1983, §§ 9 6 S. 1, 97 Verf. Norwegen 1814/1992, Kap. 2 Art. 4 2 Abs. 1 Verf. Polen 1997, Art. 2 3 Abs. 9 Verf. Rumänien 1991, Kap. 2 § 10 Abs. 1 Verf. Schweden 1975, Art. 5 0 Abs. 6 Verf. Slowakische Republik 1992, Art. 2 8 Verf. Slowenien 2 0 0 4 , Art. 2 5 Abs. 1 Verf. Spanien 1978, Art. 3 9 Verf. der Grundrechte und Freiheiten i.V.m. Art. 112 Verf. Tschechische Republik 1992, Art. 5 7 Abs. 4 Verf. Ungarn 1949. 1 9 1
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Praktisch alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union anerkennen das eigentliche Gesetzlichkeitsprinzip (nullum crimen, nulla poena sine lege scripta; Rdn. 45), das im Grundsatz an den Gesetzgeber gerichtet ist und bestimmt gefasste Strafrechtssätze verlangt (nullum crimen, nulla poena sine lege certa; Rdn. 46), weil nur so der Gesetzgeber und nicht der Rechtsanwender über die Grenzen der Strafbarkeit entscheidet. Schließlich gilt ganz überwiegend das Verbot der strafbegründenden oder -schärfenden Analogie bzw. das Gebot der strikten Auslegung strafbegründender oder -schärfender Strafrechtssätze (nullum crimen, nulla poena sine lege stricta; Rdn. 4 7 ) . Sämtliche europäische Rechtsordnungen kennen schließlich das Verbot der rückwirkenden Strafbegründung und -schärfung (nullum crimen, nulla poena sine lege praevia; Rdn. 4 8 f).
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Eser in Meyer (Hrsg.) Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 49 Rdn. 13. Tiedemann ZStW 110 (1998) 497, 514. Grundlegend dazu Jiménez de Asúa ZStW 63 (1951) 166 ff. Heidelmeyer Die Menschenrechte, 3. Aufl. (1982); Vogel in Tiedemann (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union S. 91, 92 ff.
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Jiménez de Asúa ZStW 63 (1951) 166, 184 ff; Jescheck FS Miyazawa 363 ff; ders./Weigend AT § 15 II 4 m.w.N. Zur Sonderrolle des common law Tiedemann in ders. (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union S. 3, 7 ff. Zum Recht der USA vgl. nur Ransiek S. 13 ff m.w.N.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
a) Nullum crimen, nulla poena sine lege scripta. Der Grundsatz „nullum crimen sine lege" findet sich in allen kontinentalen Rechtsordnungen (franz. principe de légalité, span, principio de legalidad) und erfordert einen geschriebenen Strafrechtssatz für die Strafbegründung und -schärfung. Hingegen kennt das englische Recht nach wie vor „common law offences", die von den Gerichten statuiert worden sind und - in kontinentaler Sicht - Gewohnheits- oder Richterrecht sind. Allerdings sind inzwischen die meisten Delikte in geschriebenen Parlamentsgesetzen („statute law") kodifiziert. Auch das englische Recht kennt ein „principle of legality", das insbesondere die rückwirkende Bestrafung zur Tatzeit straflosen Verhaltens im Grundsatz ausschließt, und zwar auch für „common law offences". Insbesondere die Rechtsprechung hat ihre Befugnis, neue „common law offences" zu schaffen, bereits im Jahre 1975 aufgegeben. 192 Das House of Lords nimmt jedoch für sich in Anspruch, bestehendes „common law" neuen sozialen, wirtschaftlichen oder kulturellen Entwicklungen anzupassen, wie die viel diskutierte Entscheidung zur Vergewaltigung in der Ehe zeigt, in der die Fiktion, die Ehefrau willige mit
45
der Eheschließung unwiderruflich in den Geschlechtsverkehr mit dem Ehemann ein, aufgegeben wurde. 193 Hierin wurde auch kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot gesehen, weil sich der Täter am Rande der Legalität und damit „auf dünnem Eis" („thin ice principle") bewegt habe. 1 9 4 b) Nullum crimen, nulla poena sine lege certa. Neben das Gesetzlichkeitsprinzip tritt das an den Gesetzgeber gerichtete Gebot, Strafrechtssätze bestimmt zu fassen, weil nur auf diese Weise erreicht werden kann, dass die Rechtsanwender an die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden sind. Außerdem muss der Gesetzgeber Strafrahmen vorgeben.
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c) Nullum crimen, nulla poena sine lege stricta. Auch das Analogieverbot bzw. das Gebot der „strikten Auslegung" („interprétation stricte") bindet den Richter, nur in den ausdrücklich geregelten Fällen der Strafbarkeit eine Strafe zu verhängen. Der Wortlaut des Gesetzes darf nicht überschritten werden. Lediglich das dänische Strafgesetzbuch von 1966 lässt eine strafbegründende Analogie in beschränktem Umfang zu. 1 9 5
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d) Nullum crimen, nulla poena sine lege praevia. Sämtliche europäische StrafrechtsOrdnungen anerkennen das Verbot der rückwirkenden Strafbegründung. Dieses erstreckt sich auch auf den Fall, dass nach der Tatbegehung eine Strafschärfung eingeführt wird. 196
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e) Ergebnis. Die europaweite Anerkennung des Grundsatzes „nullum crimen sine lege" hat zur Folge, dass die Rechtsprechung die vier Ausprägungen des Gesetzlichkeitsprinzips nur in sehr engen Grenzen einschränken darf. Im Ergebnis entsprechen die Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten in ihrem Kern den Anforderungen, die der Gerichtshof für Menschenrechte Art. 7 Abs. 1 EMRK entnimmt (zur Bedeutung der Verfassungsüberlieferungen für die Geltung als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts s. Rdn. 33). Dies bedeutet, dass im Gemeinschaftsrecht geringere Anforderungen gelten, die aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts zu einer Einschränkung des Art. 103 Abs. 2 GG führen (Rdn. 37).
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Rechtssache v. Wihters (1975) A. C. 8 4 2 . R (Regina) v. R, Urt. v. 2 3 . 1 0 . 1 9 9 1 , AC 1992 5 9 9 ; näher dazu Ambos Internationales Strafrecht § 10 Rdn. 65. Vogel in Tiedemann (Hrsg. ) Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union S. 91, 93; näher dazu Watzek S. 2 2 f m.w.N.
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196
Näher dazu Gomard Z S t W 83 (1971) 341 ff. Vgl. nur Vogel in Tiedemann (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union S. 91, 9 4 f.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1 III.
Fundierung u n d Reichweite des Grundsatzes „nullum c r i m e n , nulla p o e n a sine l e g e "
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1. Ratio legis des „nullum crimen"-Satzes. Das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG richtet sich speziell gegen die staatliche Strafgewalt. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass im Strafen auf die Persönlichkeit durch hoheitliche Missbilligung von Schuld zugegriffen wird 1 9 7 und eine solche Wertung besondere rechtsstaatliche Sicherungen erfordert. 198 Wenngleich es sich bei dem Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege" unstreitig um ein herausragendes Rechtsprinzip handelt, dessen hoher Wert allgemein anerkannt ist, bestehen über die ratio des Gesetzlichkeitsprinzips keine einheitlichen Vorstellungen.
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Die Begründungsansätze beruhen auf dem Rechtsstaatsprinzip (Rdn. 5 2 ff); 1 9 9 teilweise werden allein oder ergänzend das Demokratieprinzip (Rdn. 55 f) und die Gewaltenteilung (Rdn. 5 5 f ) , 2 0 0 weiterhin (speziell zur Fundierung des Rückwirkungsverbots) die Menschenwürde (BVerfGE 7 89, 92; 95 96, 131; Rdn. 3 7 4 ff), der Schuldgrundsatz (Rdn. 61 f, s. auch Rdn. 3 7 4 ff) 2 0 1 sowie generalpräventive Überlegungen (Rdn. 59 f) herangezogen, 2 0 2 und in der schweizerischen Lehre wird traditionellerweise auf den allgemeinen Gleichheitssatz als Gehalt des „nullum crimen"-Satzes verwiesen (Rdn. 6 3 ) . 2 0 3 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gesetzlichkeitsprinzip verschiedene Einzelprinzipien umfasst, die auf jeweils unterschiedlichen Grundgedanken beruhen (zum Gesetzlichkeitsprinzip s. Rdn. 114; zum Bestimmtheitsgrundsatz s. Rdn. 179; zum Analogieverbot s. Rdn. 241 ff; zum Rückwirkungsverbot s. Rdn. 3 7 0 ff). Daher bedarf es einer differen-
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Eingehend dazu Appel S. 24 ff; SchmidtAßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 165; kritisch zu dem Zusammenhang mit dem Schuldprinzip aber Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 204 m.w.N. Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 11; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 193. Näher dazu BVerfGE 7 89, 92; 47 109, 120; 78 374, 382; 85 69, 73; 87 209, 224; 92 1, 12; Degenhart in Sachs Art. 103 Rdn. 49; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 40; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 103 Rdn. 17; Rudolphi SK Rdn. 2; Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 14 f; Schmidt-Aßmann in Maunz/ Dürig Art. 103 II Rdn. 166; Schmitz MK Rdn. 8; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 15; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 193; Tröndle/Fischer Rdn. 1; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 44. Geitmann S. 72; Grünwald ZStW 76 (1964) 1, 13 ff; ders. FS Arthur Kaufmann 433, 436; Mangakis ZStW 81 (1996) 997, 1003; Ransiek S. 12 ff; Roxin AT I § 5 Rdn. 20;
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Schiinemann Nulla poena S. 9; SchmidtAßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 166; diesen Aspekt hebt auch das Bundesverfassungsgericht hervor, vgl. BVerfGE 47 109, 120; 71 108, 114; 73 206, 235; aA Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 18, der hierin lediglich einen Rechtsreflex sieht. Buchner S. 47 f; Epping Der Staat 34 (1995) 260; Kielwein Grundgesetz und Strafrechtspflege S. 127 ff, 135; Roxin AT I § 5 Rdn. 24 f; Sax Grundsätze S. 909, 998 f; vgl. auch Schmidt-Aßmann in Maunz/ Dürig Art. 103 II Rdn. 165; kritisch dazu Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 192. v. Feuerbach Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 14. Aufl. (1847) § 70; Schünemann Nulla poena S. 11 ff, 23 ff; näher dazu Bringewat Rdn. 229; Roxin AT I § 5 Rdn. 22 ff. v. Cleric SchwJZ 9 (1912/13) 329, 332; Noll SchwZStrafR 72 (1957) 361, 364; Schwander Das schweizerische Strafgesetzbuch unter besonderer Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Praxis, 2. Aufl. (1964) S. 17 Nr. 27, S. 59 Nr. 109 f.
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Keine Strafe ohne Gesetz
§1
zierenden S i c h t , 2 0 4 wenngleich der Gesetzlichkeitsgrundsatz mit seinen Einzelausprägungen durchgängig auf dem Rechtsstaatsprinzip beruht (Rdn. 5 2 ff). a) Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Prinzip der gewaltenteilenden Demokratie. N a c h h . M . ist das Gesetzlichkeitsprinzip Teil des in Art. 2 0 Abs. 3 G G enthaltenen Rechtsstaatsprinzips 2 0 5 und konkretisiert dieses für den Bereich der Strafrechtspflege. Funktional betrachtet dient das Gesetzlichkeitsprinzip der Berechenbarkeit und Sicherheit der Rechtsanwendung und damit dem Schutz des Bürgers vor willkürlichen Entscheidungen. 2 0 6 Einerseits soll gewährleistet werden, dass dem Bürger Freiheit außerhalb der durch die Strafgesetze erfassten Bereiche gesichert wird. Andererseits soll der Bürger auch im Falle des Rechtsbruchs sicher sein, dass er nur wegen der gesetzlich verbotenen Handlungen und nur zu der gesetzlich bestimmten Strafe verurteilt werden kann (Strafgesetze als „magna charta des V e r b r e c h e r s " 2 0 7 ) . Die strafrechtlichen Reaktionen des Staates sollen berechenbar sein. Deshalb betont das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang immer wieder zu Recht den Aspekt des Willkürverbots 2 0 8 und des Vertrauensschutzes, 2 0 9 die dem materiellen Bedürfnis nach Gerechtigkeit Grenzen setzen. 2 1 0 Der Satz „Kein Verbrechen ohne Gesetz" gestattet keine Durchbrechungen aus Gerechtigkeitserwägungen, auch wenn diese mit Rücksicht auf das Ergebnis sachgerecht sein m ö g e n ; 2 1 1 er beinhaltet eine Entscheidung für die Rechtssicherheit, auch gegen die materielle Gerechtigkeit, 2 1 2 und ermöglicht damit, durch die Maschen des Strafgesetzes hindurchzuschlüpfen. 2 1 3 Damit stellt sich aber die Problematik, inwieweit faktische Umgehungshandlungen und rechtliche Umgehungsgeschäfte, die insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht (Rdn. 2 6 3 , 2 6 6 ) , 2 1 4 aber auch im Allgemeinen Teil, so bei der Notwehrprovokation (Rdn. 2 6 3 ) und der actio libera in causa (Rdn. 178), auftreten, strafrechtlich erfasst werden können (Rdn. 2 6 3 ff).
52
Im Vordergrund steht die „freiheitsgewährleistende Funktion" des Gesetzlichkeitsprinzips (BVerfGE 75 329, 3 4 1 ) , 2 1 5 bei dem es sich nicht nur um ein Justizgrundrecht
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Dannecker S. 251; Grünwald ZStW 76 (1964) 1, 13; ders. FS Arthur Kaufmann 434 ff; Krey Studien S. 206; ders. Strafe Rdn. 122; zustimmend Rogali KK-OWiG 3 § 3 Rdn. 8. BVerfGE 7 89, 92; 47 109, 120; 85 69, 73; 87 209, 224; 92 1, 12; 95 96, 130; BayVerfGH 4 194, 203; Class FS Eb. Schmidt, S. 122, 135; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 104; Jescheck/Weigend AT § 15; Jung FS Wassermann 883 ff; Kohlmann S. 284 ff; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 103 Rdn. 17; Maurach/Zipf AT/1 § 10 Rdn. 1 ff; Roxin AT I § 5 Rdn. 2; Rudolphi SK Rdn. 2; Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 14 f; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 40; Schreiber S. 213 ff; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 193; Tröndle/Fischer Rdn. 1; Warda Die Abgrenzung von Tatbestandsund Verbotsirrtum bei Blankettstrafgesetzen (1955) S. 43 f; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 44; kritisch Jakobs AT 4/6 ff. Krey Strafe Rdn. 122 ff; Maurach/Zipf
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AT/1 § 10 Rdn. 1, 9; Rudolphi SK Rdn. 2; Schreiber S. 213 ff; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 190 ff. v. Liszt Aufsätze und Vorträge, Bd. II S. 75, 80. BVerfG NStZ 2001 240. BVerfGE 13 261, 271; 25 269, 285, 290; 64 389, 394; 95 96, 131; vgl. auch Krahl S. 22 f; Krey Studien S. 206 ff; Waiblinger S. 212, 224 f; für die Weimarer Reichsverfassung bereits Gerland in Nipperdey, Grundrechte S. 386. Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 14 m.w.N. Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 17. BGHSt 18 136, 140; Kohlmann S. 296 f; Krahl S. 284 ff. Roxin AT I § 5 Rdn. 3. Vgl. dazu Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 137 ff m.w.N. Näher dazu Steinberger Konzeption und Grenzen freiheitlicher Demokratie (1974) S. 342; Hassemer/Kargl NK Rdn. 9 f; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 225.
Gerhard Dannecker
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§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
handelt. 2 1 6 Teilweise wird hierin ein subjektives grundrechtsgleiches Recht gesehen, 2 1 7 das dem Bürger einen (negativen) Abwehranspruch gegen den Staat verleihe. 2 1 8 Da dieser Abwehranspruch mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann (Art. 9 3 Abs. 1 Nr. 4 a G G , § 9 0 Abs. 1 BVerfGG; Rdn. 71 ), 2 1 9 weist dieser den Charakter eines „echten" Grundrechts a u f . 2 2 0 Dieses Verständnis deckt sich nur zum Teil mit der dogmengeschichtlichen Entwicklung, nach der das „genaue Gesetz" als Anordnung des Landesherrn diesem ermöglichen sollte, gegen „anmaßende" richterliche Freiheit vorzugehen (s. oben Entstehungsgeschichte). Neben ihrem subjektivrechtlichen Gehalt besitzt die Vorschrift des Art. 103 Abs. 2 G G bzw. des § 1 auch eine objektivrechtliche Bedeutung: 2 2 1 Zum einen sollen willkürliche ad-hoc-Entscheidungen des Gesetzgebers ausgeschlossen werden, 2 2 2 und zum anderen sollen die erhöhten Anforderungen an die Ausübung der rechtsstaatlichen Strafgewalt wegen ihrer besonders hohen Eingriffsintensität voraussehbar, berechenbar und messbar sein. 2 2 3 Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen (vgl. nur BVerfGE 8 0 2 4 4 , 2 5 6 f; 105 135, 152 f). Dadurch soll jedermann voraussehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist, damit er sich danach richten k a n n . 2 2 4 Allerdings kommt es weniger auf den Schutz des Straftäters vor Überraschungen als auf die objektive Disziplinierung der Staatsgewalt an, die nicht distanzlos wirklichen oder vermeintlichen Strafbedürfnissen und Rechtsgefühlen oder politischen Bedürfnissen ad hoc nachgeben darf. 2 2 5 Daher enthält Art. 103 Abs. 2 G G einen strengen Gesetzesvorbehalt für das S t r a f r e c h t 2 2 6 und zugleich eine spezielle Ausgestaltung des Willkürverbots für die Strafgerichtsbarkeit. 2 2 7 Insoweit wird das Rechtsstaatsprinzip objektivrechtlich konkretisiert. Dies hat zur Folge, dass es für die Vorhersehbarkeit nicht auf die Erkennbarkeit für den konkreten Täter ankommt, sondern auf die objektive Vorhersehbarkeit für den Bürger, denn die Verbindlichkeit einer abstrakten Rechtsnorm wie auch des konkreten Sollens-
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Näher dazu Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 1 0 3 II Rdn. 14. BVerfGE 85 69, 7 2 ; Bringewat Rdn. 2 2 8 ; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 1 0 3 Rdn. 4 0 ; Degenhart in Sachs, Vorbem. Art. 103 Abs. 2 G G Rdn. 2 7 ff, 39. Vgl. nur BVerfGE 71 108, 114; SchmidtAßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 191. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 1 0 3 II Rdn. 1 9 3 ; Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 ; Rudolphi SK Rdn. 1; Hassemer/ Kargl N K Rdn. 1. Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck Art. 1 0 3 Abs. 2 Rdn. 1 0 3 ; Otto AT § 2 Rdn. 1. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 1 0 3 II Rdn. 1 6 6 . Jakobs AT 4 / 9 . Degenhart in Sachs Art. 1 0 3 Rdn. 5 0 ; Hettinger JuS 1 9 9 7 L 17, 18 ff; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 1 8 4 ; Wassermann A K - G G Art. 1 0 3 Rdn. 4 4 .
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BVerfGE 7 111, 119; 2 5 2 6 9 , 2 8 5 ; 2 6 41, 4 2 ; 2 8 175, 1 8 3 ; 3 2 3 4 6 , 3 6 2 ; 3 3 2 0 6 , 2 1 9 ; 3 7 2 0 1 , 2 0 7 ; 4 1 3 1 4 , 319; 4 5 3 4 6 , 3 5 1 ; 3 6 3 , 3 7 0 ; 4 7 109, 1 2 0 ; 4 8 4 8 , 5 6 ; 51 6 0 , 7 3 ; 5 7 2 5 0 , 2 6 2 ; 6 4 3 8 9 , 3 9 3 f; 71 108, 114; 7 3 2 0 6 , 2 3 4 f; 7 5 3 2 9 , 3 4 1 ; 7 6 3 7 4 , 3 8 2 ; ebenso BGHSt 21 135, 136 f; B G H N J W 1 9 9 7 1695, 1696.
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Näher dazu Grünwald M D R 1 9 6 5 5 2 1 , 5 2 3 ; ders. Z S t W 7 4 ( 1 9 6 4 ) 14 ff; Mangakis Z S t W 81 ( 1 9 6 9 ) 997, 1 0 0 0 ; Naucke FS Coing 2 2 5 , 2 4 6 ; Welke KritJ 2 8 ( 1 9 9 5 ) 369, 3 7 4 ff; vgl. auch Jakobs AT 4 / 9 ff, welcher in der „Objektivitätsgarantie" sogar die Hauptbedeutung der Gesetzesbindung sieht.
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Vgl. BVerfGE 71 1 0 8 , 1 1 4 ; 7 3 2 0 6 , 2 3 4 f; 8 7 209, 224. BVerfGE 6 4 3 8 9 , 3 9 4 ; 71 108, 114; 7 3 2 0 6 , 2 3 5 ; 7 5 3 2 9 , 3 4 1 ; 7 6 3 7 4 , 3 8 2 ; BVerfG N S t Z 2 0 0 1 2 4 0 f.
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Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
befehls entsteht unabhängig von der Kenntnis des Täters. Die Rechtsgeltung hängt allein und ausschließlich vom Vertrauen der Rechtsgemeinschaft und der objektiven Erkennbarkeit ab. Insoweit stellt die Rechtsgeltung höhere Anforderungen an die Vorhersehbarkeit als die Rechtssicherheit, die dem subjektiv zu bestimmenden Vertrauensschutz dient. Daneben wird auch das Vertrauen des Bürgers, das heißt, die subjektive Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des Rechts, geschützt. 228 Wenn ein Gesetz diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht entspricht, ist es verfassungswidrig und deshalb nichtig. Die Verwerfungskompetenz steht dem Bundesverfassungsgericht zu. Wenn Normen nicht vollständig, sondern nur teilweise verfassungswidrig sind, führt dies zu einer Teilnichtigerklärung, die gleichermaßen vom Bundesverfassungsgericht vorzunehmen ist. Da die Kompetenz zur Strafgesetzgebung dem Gesetzgeber zugewiesen ist, handelt es sich auch um eine Konkretisierung des Gewaltenteilungs- und des Demokratieprinzips. 229 Da die Bestrafung einen einschneidenden Eingriff in die Freiheit des Bürgers darstellt, muss die Legitimation zur Bestimmung ihrer Voraussetzungen beim Parlament als der gewählten Volksvertretung liegen. Durch die Gewaltenteilung, die im Gesetzlichkeitsprinzip ihren Ausdruck findet, wird die Aufgabe des Richters auf die Rechtsanwendung begrenzt und die Exekutive von der Mitwirkung bei der Bestrafung gänzlich ausgeschlossen. 2 3 0
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Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzip dürfen dabei nicht isoliert als Begründung des Gesetzlichkeitsprinzips im Strafrecht herangezogen werden, sondern stehen im Zusammenhang mit dem Gedanken der Freiheitsverbürgung durch Gesetzesbindung. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass das Prinzip der gewaltenteilenden Demokratie einer rückwirkenden Anwendung von Strafgesetzen nicht entgegenstünde, denn eine Rückwirkung würde die Gesetzesbindung des Richters und den Vorrang der Legislative nicht tangieren. 231
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Entsprechend führt das Bundesverfassungsgericht232 in der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Wegfalls der Höchstdauer der erstmaligen Sicherungsverwahrung aus, dass der Maßstab der (strafrechtlichen) Entscheidung von vornherein gesetzlich festgelegt sein müsse. 233 Nur wer diesen Maßstab kennen und sich auf die Rechtsfolgen seines Tuns einstellen könne, sei verantwortliches Subjekt. Gerade im Strafrecht, wo ein Unwerturteil über ein eigenverantwortliches Verhalten eines Menschen gefällt wird, habe der Einzelne einen Anspruch auf Gewissheit über die Möglichkeit einer Sanktion. Die traditionell aus dem „nullum crimen"-Grundsatz abgeleiteten Gewährleistungen (Gesetzlichkeitsprinzip, Bestimmtheitsgebot, Analogieverbot und Rückwirkungsverbot) hätten eine gemeinsame Grundlage: Sie sollen dem Einzelnen die Möglichkeit geben, im Bereich des Strafrechts sein Verhalten eigenverantwortlich so einzurichten, dass eine Strafbarkeit vermieden werden kann. In dem Urteil zum Europäischen Haftbefehl charakterisiert das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips als „eine spezielle rechtsstaatliche Garantie des Vertrauens in die Verlässlichkeit der Rechts-
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Schreiber Z S t W 8 0 ( 1 9 6 8 ) 3 4 8 , 3 5 0 ; vgl. auch BVerfGE 13 2 6 1 , 2 7 1 ; 14 2 8 8 , 2 9 7 ; 15 313, 3 2 4 ; 2 5 2 6 9 , 2 8 5 ; 2 6 41, 4 2 ; 3 7 2 0 1 , 207.
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BVerfGE 71 108, 114; 7 3 2 0 6 , 2 3 4 f; 9 2 1,
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Roxin AT I § 5 Rdn. 21. BVerfGE 1 0 9 133, 171.
BVerfGE 7 5 329, 3 4 1 , 3 4 2 ; 7 8 3 7 4 , 3 8 2 ; Grünwald Z S t W 7 6 ( 1 9 6 4 ) 1, 13 f, 16; Ransiek S. 4 0 ff; Schünemann Nulla poena
233
S. 9 ff; Schütz S. 5 5 ; Rudolphi SK Rdn. 2; Volkmann Z R P 1 9 9 5 2 2 0 , 2 2 1 ff.
12. 232
Z u r Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gesetzlichkeitsprinzip Grünwald FS Arthur Kaufmann 4 3 3 , 4 3 7 ff.
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§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Ordnung, die eine klare Orientierung zu geben hat, was strafbar und was straflos ist. O h n e eine solch verlässliche Orientierung vermag sich individuelle Freiheit nicht zu entfalten."234 58
D u r c h die Verknüpfung der Strafgesetzlichkeit mit der Subjektstellung des Bürgers und seiner Freiheit hat das Bundesverfassungsgericht der Verbindung der Idee der Freiheitsrechte mit dem Gesetzlichkeitsprinzip, wie sie in der Z e i t der Aufklärung entstanden ist, R e c h n u n g getragen und die staatsrechtliche Fundierung des „nullum c r i m e n " - S a t z e s wieder in den Vordergrund gerückt. Das G e r i c h t hat herausgestellt, dass sich Art. 1 0 3 A b s . 2 G G nicht in dem Postulat erschöpft, der Einzelne müsse wissen k ö n n e n , was strafrechtlich verboten ist und welche Strafe ihm für den Fall einer Straftat droht. Es geht letztlich um die Stellung als selbstverantwortliches Subjekt, in dessen Freiheit der Gesetzgeber nur durch Gesetze, d.h. durch gleichmäßige, berechenbare und allgemeine strafrechtliche Regelungen eingreifen darf.
b) Generalpräventive Begründung des Gesetzlichkeits- und Schuldprinzips. Um das
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Gesetzlichkeitsprinzip zu legitimieren, wird teilweise auch auf die Generalprävention und das Schuldprinzip abgestellt. 60
aa) Generalprävention. Die Herleitung des „nullum crimen " - S a t z e s aus der Generalprävention ist strafrechtlicher Natur. Sie findet sich bereits bei v. Feuerbach, der im R a h m e n der T h e o r i e des psychologischen Zwanges darauf abgestellt hat, dass die a b s c h r e c k e n d e W i r k u n g durch Strafe nur erreicht werden k a n n , wenn die verbotene H a n d l u n g vor der Tat möglichst e x a k t im Gesetz festgelegt wird (s. dazu Entstehungsgeschichte V o r R d n . I ) . 2 3 5 Im Hinblick darauf, dass nur ein geringer Teil der kriminalitätsgeneigten M e n s c h e n überlegt an eine Straftat herangeht und insbesondere nicht die H ö h e der angedrohten Strafe, sondern die Tatsache, dass bestraft wird, generalpräventiv im Sinne der Abschreckung der Allgemeinheit (negative Generalprävention) wirkt, ist die T h e o r i e des psychologischen Zwanges jedoch erheblicher Kritik ausgesetzt. D e s h a l b muss der Abschreckungsgedanke durch die positive Generalprävention ersetzt werden, u m den „nullum c r i m e n " - S a t z straftheoretisch zu b e g r ü n d e n : 2 3 6 Wenn die Androhung und Verhängung von Strafe wesentlich dazu dienen soll, die Rechtstreue der Bevölkerung zu stabilisieren und in vielen Fällen normentsprechende Verhaltensdispositionen überhaupt erst aufzubauen, so ist dies nur bei klarer gesetzlicher Regelung des strafbaren Verhaltens m ö g l i c h . 2 3 7
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bb) Schuldprinzip. Eine weitere strafrechtliche Begründung des „nullum-crimen"-Satzes soll sich aus dem Schuldprinzip ergeben: Wenn Strafe Schuld voraussetzt, k ö n n e man nur dann von Schuld sprechen, wenn der T ä t e r vor seiner Tat wusste oder wenigstens Gelegenheit hatte zu erfahren, dass sein Verhalten verboten ist. Das setze aber voraus, dass die Strafbarkeit vor der Tat gesetzlich bestimmt w a r . 2 3 8 Gleichwohl spricht sich die h . M . gegen eine Herleitung des Gesetzlichkeitsprinzips aus dem Schuldprinzip aus, da Anknüpfungspunkt für den Schuldvorwurf nicht die Kenntnis des Strafgesetzes, sondern des Verbots der betreffenden Handlung i s t . 2 3 9 A u ß e r d e m setzt strafrechtliche Schuld nur das
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BVerfGE 113 273, 308. Roxin AT I § 5 Rdn. 22 f; vgl. auch BGHSt 2 8 72, 73 f. Grundlegend Schünemann Nulla poena S. 11 ff. Roxin AT I S 5 Rdn. 21. Sax Grundsätze S. 909, 998 ff; Schmidt-
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Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 165; vgl. auch Roxin AT I § 5 Rdn. 24. Dannecker S. 257 f; Grünwald ZStW 76 (1964) 1, 11 f; Krey Strafe Rdn. 128; Ransiek S. 25 f; Schünemann Nulla poena S. 15; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 192.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
Bewusstsein der Rechtswidrigkeit und nicht a u c h der Strafbarkeit oder gar der H ö h e der angedrohten Strafe v o r a u s . 2 4 0 D e s h a l b k a n n aus dem Schuldprinzip insbesondere nicht hergeleitet werden, dass auch die Deliktsfolgen dem Gesetzlichkeitsprinzip unterlieg e n . 2 4 1 Insoweit geht das Gesetzlichkeitsprinzip über die Erfordernisse des Schuldprinzips hinaus. G l e i c h w o h l erfordert § 17 die M ö g l i c h k e i t , ein tatbestandsbezogenes Unrechtsbewusstsein zu erlangen, und dies setzt in der Regel voraus, dass der T ä t e r die Strafvorschrift hätte kennen k ö n n e n . 2 4 2 J e d o c h betrifft § 17 nicht die U n b e s t i m m t h e i t des Gesetzes. Bei Art. 1 0 3 Abs. 2 G G handelt es sich um eine objektive G a r a n t i e , die nicht auf die individuelle Vorhersehbarkeit begrenzt ist ( R d n . 5 4 ) , wie dies bei Art. 7 Abs. 1 E M R K der Fall ist (Rdn. 15). Insofern k a n n das Schuldprinzip zu den Voraussetzungen des Gesetzlichkeitsprinzips gezählt werden, das einen engen Z u s a m m e n h a n g zur Gesetzestatbestandlichkeit aufweist, j e d o c h wesensmäßig nicht unmittelbar mit ihm verknüpft ist.
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cc) Gleichheitsgrundsatz. Insbesondere in der schweizerischen Lehre wird das Bestimmtheitserfordernis als W i l l k ü r v e r b o t verstanden, das traditionellerweise aus dem Gleichheitsgrundsatz hergeleitet wird (Rdn. 1 7 9 ) . D a s schweizerische Bundesgericht hat seit dem J a h r e 1 9 0 5 aus Art. 4 der Bundesverfassung hergeleitet, dass jede richterlich ausgesprochene Strafe sich auf eine R e c h t s n o r m stützen muss und dass kein T a t b e s t a n d mit Strafe belegt werden darf, den das Gesetz offensichtlich nicht hat treffen w o l l e n . 2 4 3 Wenig später hat v. Cleric jedes Strafgesetz, welches nicht von vornherein einer willkürlichen Auslegung R a u m bietet als genügend b e s t i m m t b e z e i c h n e t . 2 4 4 Dieser Z u s a m m e n hang von Gleichheit und „nullum crimen " - G e b o t ist in der Folgezeit ständig b e t o n t w o r den und k a n n w o h l als dogmatischer G r u n d für die B e s c h r ä n k u n g des „nullum crimen " - S a t z e s auf das Willkürverbot angesehen werden. Z w a r m ö g e n u n b e s t i m m t e Gesetzesvorschriften in besonderem M a ß e geeignet sein, R e c h t in ungleicher Weise anzuw e n d e n . 2 4 5 J e d o c h handelt es sich beim W i l l k ü r v e r b o t nicht u m ein K r i t e r i u m , das für eine unmittelbare Sinndeutung des Bestimmtheitserfordernisses als objektive G a r a n t i e , die über die individuelle Vorhersehbarkeit hinausgeht ( R d n . 5 4 ) , geeignet i s t . 2 4 6
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2 . Reichweite des § 1 StGB a) Kriminalstrafrecht. D e r Anwendungsbereich des Grundsatzes „ K e i n e Strafe o h n e G e s e t z " , wie er in § 1 normiert ist, gilt für die Voraussetzungen der S t r a f b a r k e i t , u n a b hängig davon, o b es sich dabei um Regelungen des Besonderen Teils oder des Allgemeinen Teils handelt ( R d n . 81 ff), sowie für die Deliktsfolgen (Rdn. 8 9 ff). Er reicht a b e r auch, wenn das Strafrecht durch Blankettgesetze auf außerstrafrechtliche Regelungen verweist, über die Strafnormen im engeren Sinne hinaus und ist auf die in Bezug g e n o m menen außerstrafrechtlichen Regelungen a n w e n d b a r ( R d n . 115 ff).
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J e d o c h erfasst § 1 - abweichend von Art. 1 0 3 Abs. 2 G G - nur das S t r a f r e c h t im engeren Sinne, da sich im Ordnungswidrigkeitenrecht in § 3 O W i G eine inhaltlich § 1 entsprechende Vorschrift findet (Rdn. 6 9 ) . D e m g e g e n ü b e r betrifft Art. 1 0 3 Abs. 2 G G generell das Strafrecht im weiteren Sinne ( R d n . 6 9 f).
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Rudolpbi SK Rdn. 2 . Näher dazu Schreiber S. 211 ff; ders. ZStW 80 (1968) 359 f. Roxin AT I § 5 Rdn. 25; siehe auch Rdn. 445. BGE 31 1 , 1 1 ff.
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v. Cleric SchwJZ 9 (1912/13) 329, 332. BVerfGE 4 352, 354, 357; 11 234, 238; Class FS Eb. Schmidt 122, 137 f; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 192. Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 192.
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§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
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b) Abgrenzung des Kriminalstrafrechts zum Strafrecht im weiteren Sinne. Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Art. 103 Abs. 2 G G gilt über das Kriminalstrafrecht hinaus mit gewissen, sich aus der Natur der Rechtsmaterie ergebenden Abweichungen auch für das „Strafrecht im weiteren Sinne", insbesondere für das Ordnungswidrigkeitenrecht (Rdn. 6 9 ) 2 4 7 sowie für ehrengerichtliche und Disziplinarstrafen (Rdn. 7 0 ) . 2 4 8
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Die Abgrenzung zwischen Kriminalstrafrecht und Strafrecht im weiteren Sinne nimmt das Bundesverfassungsgericht danach vor, ob ein mit staatlicher Autorität versehenes sozialethisches Unwerturteil getroffen wird: Jede Strafnorm und jede Strafe enthalte ein mit staatlicher Autorität versehenes sozialethisches Unwerturteil über die jeweils pönalisierte Handlungsweise. 2 4 9 Der Verhängung der Kriminalstrafe werde ein ehrenrühriges, autoritatives Unwerturteil über eine Verhaltensweise des Täters, der Vorwurf einer Auflehnung gegen die Rechtsordnung zugeschrieben. 2 5 0
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Das sozialethische Unwerturteil ist allerdings als Abgrenzungskriterium fragwürdig, da es nur ermöglicht, das je eigene subjektive Vorverständnis vom Strafcharakter oder der Strafähnlichkeit einer Maßnahme in die Entscheidung einzubringen. 2 5 1 Daher ist es erforderlich, die Kriminalstrafe vor dem Hintergrund von Funktion und Stellung des Strafrechts im demokratischen Verfassungsstaat vom Strafrecht im weiteren Sinne abzugrenzen und darauf abzustellen, ob eine besondere Gefährdungslage für den Bürger besteht, weil er in einem besonderen staatlichen Verfahren demonstrativ zur Rechenschaft gezogen und ihm seine defizitäre Einstellung zur Verhaltensnorm verbindlich vorgehalten wird, indem ihm ein materielles Übel als Reaktion auf die Normverletzung auferlegt wird. Fehlt es hieran, so findet § 1 keine Anwendung, wohl aber können Art. 103 Abs. 2 G G und Art. 7 Abs. 1 E M R K eingreifen.
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aa) Ordnungswidrigkeitenrecht. Für das Ordnungswidrigkeitenrecht sieht § 3 OWiG eine § 1 entsprechende Regelung v o r 2 5 2 und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass Art. 103 Abs. 2 G G auf das Ordnungswidrigkeitenrecht anwendbar ist. § 1 greift im Ordnungswidrigkeitenrecht angesichts der dortigen Spezialregelung nicht ein. Zum Anwendungsbereich des Grundsatzes „nullum crimen sine lege" (Art. 103 Abs. 2 GG) außerhalb des Strafgesetzbuchs vgl. auch §§ 1, 5 ff B D O , §§ 14, 95, 9 7 BNotO, §§ 43, 113 ff BRAO, §§ 2 , 9, 13, 17 ff J G G , §§ 6 ff, 2 3 SG i.V.m. §§ 7 ff, 18 ff W D O , §§ 5 7 ff, 89 ff StBerG, § 3 Abs. 1, §§ 9 ff, 15 ff WStG, §§ 5 2 ff, 58 ff Z O G .
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bb) Standesrecht. Sodann entspricht es der herkömmlichen Struktur des Standesrechts, dass die Berufspflichten der Standesangehörigen nicht in einzelnen Tatbeständen erschöpfend umschrieben werden können. Eine vollständige Aufzählung sämtlicher mit einem Beruf verbundener Pflichten ist nämlich nicht möglich. Deshalb werden die Berufs-
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248
98
BVerfGE 9 167, 169 f; 38 348, 371; 41 314, 319 f; 42 261, 263; 55 144, 152; 71 108, 114; 81, 132, 135; 87 399, 411; ferner BGHSt 42 79 = NStZ 1996 342 m. Anm. Günther, BGH NStZ-RR 1996 340; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 41; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 103 Rdn. 19; Rogali KK-OWiG § 3 Rdn. 2; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 195; Schmitz MK Rdn. 18; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 46. BVerfGE 26 186, 203 f; 42 261, 262 f; 45 346, 351; 57 29, 35; 60 215, 234; 66 337,
249
250 251 252
355 f; vgl. auch BGHSt 28 333, 336 f; aA Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 78; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 196; Schmitz MK Rdn. 18. BVerfGE 6 389, 439; 8 197, 207; 21 391, 403 f; 22 125, 132; 25 269, 286; 27 18, 29, 33; 43 101, 105; 45 187, 259 f; 88 203, 258; 90 145, 172; 92 277, 329, 333. BVerfGE 22 49, 80; 43 101, 105. So zutreffend Appel S. 487. Vgl. BVerfGE 55 144, 152; 71 108, 114; Sch/Schröder/Eser Rdn. 4.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
pflichten im Allgemeinen lediglich in einer Generalklausel zusammengefasst, die die Berufsangehörigen zu gewissenhafter Berufsausübung und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Berufs anhält. Eine abschließende Umschreibung aller denkbaren Berufspflichten wird auch nicht für notwendig gehalten, weil es sich hierbei um Normen handele, die nur den Kreis der Berufsangehörigen betreffen, die sich aus der ihnen gestellten Aufgabe ergeben und daher für sie im Allgemeinen leicht erkennbar sind. Diese seit jeher bestehenden Besonderheiten des Standesrechts hat der Grundgesetzgeber durch Art. 103 Abs. 2 G G nicht ändern wollen. Es wird daher in der Rechtsprechung anerkannt, dass derartige Generalklauseln eine hinreichend bestimmte Grundlage für eine berufsgerichtliche Bestrafung darstellen. 2 5 3 Allerdings greift auch in diesen Fällen § 1 nicht ein. Vielmehr ergeben sich die Grenzen des „nullum crimen"-Satzes für das Standesrecht unmittelbar aus der Verfassungsnorm des Art. 103 Abs. 2 G G . 2 5 4 3. Überprüfung strafrechtlicher Normen durch das Bundesverfassungsgericht a) Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Wird ein Angeklagter unter Verstoß gegen § 1 zu einer Strafe verurteilt, so kann er eine hierin liegende Grundrechtsverletzung (Art. 103 Abs. 2 GG) nach Erschöpfung des Rechtszuges im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend m a c h e n . 2 5 5 Hält ein Gericht ein nachkonstitutionelles Strafgesetz (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a G G , § 13 Nr. 8a, §§ 9 0 , 9 2 ff BVerfGG), auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 G G für verfassungswidrig, so hat es das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen (Art. 100 Abs. 1 S. 1 G G ) . 2 5 6 Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung des Art. 103 Abs. 2 G G durch Landesrecht handelt (Art. 100 Abs. 1 S. 2 GG). Allerdings betont das Bundesverfassungsgericht die Pflicht der Fachgerichte zur verfassungskonformen Auslegung, indem es die Zulässigkeit einer Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 G G davon abhängig macht, dass das vorlegende Gericht zunächst jede Möglichkeit nutzt, die Beurteilung der Norm als verfassungswidrig und damit die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zu vermeiden. 2 5 7 Hingegen können die Fachgerichte vorkonstitutionelle Strafgesetze selbst verwerfen. 2 5 8
71
b) Überblick über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das BundesVerfassungsgericht hat bislang folgende Strafvorschriften wegen Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 G G für nichtig erklärt (§ 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG):
72
253
254 255
256
257
Vgl. BVerfGE 26 186, 203; 45 346, 351 f; 53 96, 99; 60 215, 230; 66 337, 355 f; aA Riiping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 78; Schmidt-Aßmann in Maunz/Diirig Art. 103 II Rdn. 196. Näher dazu nur Appel S. 290 ff m.w.N. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 163 ff; Schmidt-Bleibtreu/Klein Art. 103 Rdn. 1; Sax Grundsätze S. 909, 997. BVerfGE 8 210, 213; 14 245, 249; 16 230, 231. BVerfGE 85 329, 333 f; 86 71, 77; kritisch dazu Vosskuhle AöR 125 (2000) 177, 199 f;
258
vgl. auch Kuhlen S. 8 f; Umbach/Clemens/ Dollinger Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. (2005) § 80 BVerfGG Rdn. 55; aA Bettermann Verfassungskonforme Auslegung S. 31 f; Stern Staatsrecht Bd. I S. 316; Skouris Teilnichtigkeit von Gesetzen (1973) S. 106 ff, die hierin einen Verstoß gegen die Verwerfungskompetenz des BVerfG sehen. BVerfGE 1 184, 201; Maurach Staatsrechts I, 2. Aufl. (2001) § 20 Rdn. 104 f; Maunz in ders./Dürig Art. 100 Rdn. 12; vgl. auch Krey JZ 1978 361, 363.
Gerhard Dannecker
99
§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
73
§ 43a StGB, der durch Art. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität vom 15.7.1992 (BGBl. I S. 1302) in den Allgemeinen Teil des StGB eingestellt w u r d e ; 2 5 9 § 366 Nr. 10 StGB a.F. in Verbindung mit § 2 der bayerischen Verordnung über die öffentliche Verbreitung von Plakaten, Flugblättern und Flugschriften vom 7.11.1951 (BayGVBl. S. 2 1 4 ) ; 2 6 0 § 15 Abs. 2 Buchst, a FernmG; 2 6 1 § 49 StVO i.d.F. der VO zur Änderung der StVZO und der StVO vom 24.8.1953 (BGBl. I S. 1131) und der Bekanntmachungen der StVO vom 24.8.1953 (BGBl. I S. 1166, 1201) und vom 29.3.1956 (BGBl. I S. 271, 3 2 7 ) ; 2 6 2 § 71 StVZO i.d.F. der VO zur Änderung der StVZO und der StVO vom 24.8. 1953 (BGBl. I S. 1131) und der Bekanntmachungen der StVZO vom 24.8.1953 (BGBl. I S. 1166), vom 29.3.1956 (BGBl. I S. 271) und vom 6.12.1960 (BGBl. I S. 8 9 7 ) ; 2 6 3 § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB i.d.F. des 8. StRÄndG. 2 6 4
74
Dagegen haben folgende Vorschriften einer Überprüfung nach Art. 103 Abs. 2 G G durch das Bundesverfassungsgericht standgehalten:
75
Straftatbestände: § 13 S t G B ; 2 6 5 § 94 Abs. 1 StGB i.d.F. der Bekanntmachung vom 2.1.1975 (BGBl. I S. I ) ; 2 6 6 § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB i.d.F. des 8. S t R Ä n d G ; 2 6 7 § 100 Abs. 1 i.V.m. § 99 StGB i.d.F. des 1. StRÄndG, und zwar auch insoweit, als er den publizistischen Landesverrat umfasste; 2 6 8 § 100c Abs. 1 i.V.m. § 99 StGB i.d.F. des 1. S t R Ä n d G ; 2 6 9 § 100e Abs. 1 StGB i.d.F. des 1. StRÄndG i.V.m. § 99 StGB i.d.F. des 8. S t R Ä n d G ; 2 7 0 § 170b StGB i.d.F. der Bekanntmachung vom 2.1.1975 (BGBl. I S. I ) ; 2 7 1 § 177 Abs. 1 Nr. StGB i.d.F. des 33. StrÄndG v. 1.7.1997 (BGBl. I S. 1 6 0 7 ) ; 2 7 2 § 184 Abs. 1 Nr. 7 StGB i.d.F. der Bekanntmachung vom 2.1.1975 (BGBl. I S. I I ) ; 2 7 3 § 187a StGB, eingefügt durch das 1. StRÄndG; 2 7 4 § 240 Abs. 1 StGB, soweit darin Nötigungen mit dem Mittel der Gewalt unter Strafe gestellt werden; 2 7 5 § 220a StGB, soweit die Gerichte die Zerstörungsabsicht anders als i. S. einer physisch-biologischen Vernichtung verstehen; 2 7 6 §§ 242, 248a StGB n.F., soweit sie in Verbindung mit Art. 300 EGStGB einen vor dem 1.1.1975 begangenen „ M u n d r a u b " (§ 370 Abs. 1 Nr. 5 StGB a.F.) als Vergehen erfassen; 2 7 7 § 315 Abs. 3 Nr. 1 StGB i.d.F. des StrRG vom 16.1.1998; 2 7 8 § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB i.d.F. des 18. StRÄndG i.V.m. § 4 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 BImSchG, soweit danach bestraft wird, wer eine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Genehmigung betreibt; 2 7 9 § 353d Nr. 3 StGB i.d.F. der Bekanntmachung vom 2.1.1975 (BGBl. I S. 1), soweit die in dieser Bestimmung unter Strafe gestellte wörtliche öffentliche Mitteilung der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke ohne oder gegen den Willen des von der Berichterstattung Betroffenen geschehen ist; 2 8 0 § 360 Abs. 1 Nr. 11 StGB a.F.,
259 BVerfGE 105 135, 151. 260 BVerfGE 23 265, 2 7 0 .
261 BVerfGE 78 374. 262 BVerfGE 14 2 5 4 , 255, 2 5 8 ; 16 211, 213. 263 BVerfGE 14 174, 175. 264 BVerfGE 5 7 2 5 0 , 2 6 2 . 265 BVerfGE 9 6 68, 97 ff. 266 BVerfGE 4 5 363, 372.
271 BVerfGE 5 0 142, 164 f. 272 BVerfG StV 2 0 0 5 2 6 2 f. 273 BVerfGE 4 7 109, 120 ff.
274 BVerfGE 4 352, 357. 275 BVerfGE 73 2 0 6 , 2 3 2 f, 236 ff; 76 211, 216;
276
267 BVerfGE 5 7 2 5 0 , 2 6 2 . 268 BVerfGE 2 0 162, 177; 21 239, 242. 269 BVerfGE 21 239, 2 4 2 . 270 BVerfGE 2 8 175, 183, 189; 5 7 2 5 0 , 263,
277 278 279 280
92 1, 13 f, 18; 104 92 ff; BVerfG N J W 2 0 0 2 2308, 2309. BVerfG N S t Z 2 0 0 1 2 4 0 , 241. BVerfGE 4 6 188, 192. BVerfGE 9 7 198 ff. BVerfGE 75 329, 340, 343. BVerfGE 71 2 0 6 , 217, 219.
270.
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Gerhard Dannecker
§1
Keine Strafe ohne Gesetz
2. Alternative - „grober Unfug"; 2 8 1 § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1 9 7 7 ; 2 8 2 § 370 AO i.V.m. § § 8 Abs. 2, 12 Abs. 1 M O G ; 2 8 3 § 25 Abs. 1 AZO i.d.F. der VO vom 30.4.1938 (RGBl. I S. 447) i.V.m. Nr. 37 AV AZO vom 12.12.1938 (RGBl. I S. 1 7 9 9 ) ; 2 8 4 §§ 42, 47 BVerfGG, aufgehoben durch § 28 VereinsG vom 5.8.1984 (BGBl. I S. 5 9 3 ) ; 2 8 S § 53 Abs. 1 ZOG i.d.F. vom 16.7.1965 (BGBl. I S. 9 8 4 ) ; 2 8 6 § 6 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 GjS vom 9.6.1953 (BGBl. I S. 3 7 7 ) ; 2 8 7 § 30 Buchst, a, § 31 Abs. 1 S. 2 HeimarbeitsG vom 14.3.1951 (BGBl. I S. 191.) i.d.F. des Gesetzes vom 25.6.1969 (BGBl. I S. 645), soweit sie einen Verstoß gegen die Vorschrift über die Listenführung (§ 6 HeimarbeitsG) hinsichtlich der in § 1 Abs. 1 HeimarbeitsG bezeichneten Personen unter Strafe stellten; 2 8 8 § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 J G G ; 2 8 9 § 240 Abs. 1 Nr. 4 KO, aufgehoben durch Art. 5 Nr. 4 des 1. WiKG, in der bis zum 31.8.1976 geltenden Fassung in Verbindung mit § 39 Abs. 2 H G B ; 2 9 0 § 52 Abs. 1 Nrn. 9 und 10 L M B G i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2b L M B G ; 2 9 1 Art. VIII MRG Nr. 53 (Neufassung) i.V.m. Art. I Nr. 1 Buchst, d und Nr. 2 dieses Gesetzes; 292 § 392 Abs. 1 S. 1 RAbgO in Verbindung mit §§ 9, 15 MinöStG i.d.F. vom 20.12.1963 (BGBl. I S. 1004), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.6.1973 (BGBl. I S. 691) und mit § 36 MinöStG vom 26.5.1953 (BGBl. I S. 237), zuletzt geändert durch die 14. ÄndVO vom 3.1.1969 (BGBl. I S. 13); 2 9 3 § 21 StVG vom 19.12.1952 (BGBl. I S. 837) i.d.F. des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet des Verkehrsrechts und Verkehrshaftpflichtrechts vom 16.7.1957 (BGBl. I S. 710), soweit er Zuwiderhandlungen gegen die Rechtsverordnungen mit Strafe bedroht, die über den Straßenverkehr zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den öffentlichen Wegen oder Plätzen erlassen worden sind; 2 9 4 § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Abs. 2 Nr. 1 StVG vom 19.12.1952 (BGBl. I S. 837) i.d.F. des 2. Straßenverkehrssicherungsgesetzes (geändert durch EGOWiG und EGStGB) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 S. 1 StVG; 2 9 5 § 2 0 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG i.d.F. vom 25.6.1968 (BGBl. I S. 7 4 1 ) ; 2 9 6 § 26 Abs. 1 WaffG vom 18.3.1938 (RGBl. I S. 265) in Verbindung mit §§ 11 und 14 WaffG, soweit darin das Veräußern, Überlassen, der Erwerb und das Führen von Waffen ohne Waffenerwerbsschein oder Waffenschein unter Strafe gestellt waren. 2 9 7 Strafrahmen: § 94 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 2 StGB i.d.F. der Bekanntmachung vom 2.1.1975 (BGBl. I S. I ) ; 2 9 8 § 212 Abs. 2 StGB. 2 9 9
76
Verjährungsvorschriften: Art. 2 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 des hessischen Gesetzes zur Ahndung nationalsozialistischer Straftaten vom 29.5.1946 (GVB1. S. 146), der nachträglich für bestimmte Vergehen und Verbrechen eine Hemmung der Verjährungsfristen in der Zeit vom 30.1.1933 bis zum 1.7.1945 vorsah; 3 0 0 Art. I § 1 der inhaltsgleichen Verordnung des Zentraljustizamts für die Britische Zone zur Beseitigung nationalsozia-
77
281 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291
292
BVerfGE 2 6 41, 4 2 . BVerfG N S t Z 1 9 9 1 88. BVerfG N S t Z - R R 2 0 0 4 2 7 5 , 2 7 8 . BVerfGE 2 2 1, 9, 18 ff. BVerfGE 2 5 4 4 , 5 5 . BVerfGE 2 3 127, 131 f; 2 4 3 6 2 , 3 6 6 . BVerfGE 11 2 3 4 , 2 3 7 . BVerfGE 4 1 314, 3 2 3 . BVerfGE 7 4 1 0 2 , 115, 1 2 6 . BVerfGE 4 8 4 8 , 5 7 ff.
293
BVerfGE 3 7 2 0 1 , 2 0 9 betr. Steuerhinterziehung durch „Vorbeilieferung" von Mineralöl, das mit einer bedingten Steuerschuld belastet ist, an einem genehmigten Steuerlager, mit abweichender Meinung der Richter Seuffert und Hirsch a a O 2 1 3 ff.
294
BVerfGE 14 2 4 5 , 2 5 4 ; 1 6 2 1 1 , 2 1 3 ; 2 2 21, 25.
295
BVerfGE 51 6 0 , 7 0 . BVerfGE 8 0 2 4 4 , 2 5 6 f.
296
BVerfG Z L R 1 9 8 8 6 3 2 ; vgl. dazu auch Achenbach N S t Z 1 9 8 9 4 9 7 , 4 9 8 m.w.N. BGHSt 31 3 2 3 , 3 3 2 f betr. den innerdeutschen Handel.
297 298 299 300
BVerfGE 3 3 2 0 6 , 2 1 9 f. BVerfGE 4 5 3 6 3 , 3 7 0 . BVerfG J R 1 9 7 9 2 8 mit Anm. BVerfGE 1 4 1 8 , 4 2 3 .
Gerhard Dannecker
Bruns.
101
§1
78
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
listischer Eingriffe in die Strafrechtspflege vom 23.5.1947 (VOBIBrZ S. 65); 3 0 1 § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 13. April 1965 (BGBl. I S. 315); 3 0 2 § 78a StGB in der Auslegung, dass bei fortgesetzter Handlung die Strafverfolgungsverjährung für sämtliche Teilakte erst mit der Beendigung des letzten Teilaktes beginnt; 303 § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB, durch den der Gesetzgeber bei Straftaten nach den §§ 176 bis 179 StGB das Ruhen der Verfolgungsverjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers angeordnet hat. 3 0 4 Die Übersicht zeigt, dass die Zahl der Strafvorschriften, die der verfassungsrechtlichen Überprüfung standgehalten haben, die Zahl der nach Art. 103 Abs. 2 GG für verfassungswidrig erklärten Vorschriften bei weitem übersteigt. Hierin spiegelt sich wider, dass die wesentliche Bedeutung des Gebots gesetzlicher Bestimmtheit der Strafbarkeit im Grundsätzlichen liegt und seine Umsetzung in der Praxis dem Gesetzgeber einen erheblichen Spielraum lässt, der von der Rechtsprechung sachgerecht auszufüllen ist. Allerdings zeigen gerade die neueren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensstrafe (Rdn. 227 ff) 3 0 5 und zum Europäischen Haftbefehl (Rdn. 106, 412, 422), 3 0 6 dass nunmehr strengere Maßstäbe angelegt werden, was zu einer deutlichen Aufwertung des Art. 103 Abs. 2 GG führt.
IV. Geltungsbereich des § 1 StGB 79
1. Begriff der Tat. Mit dem Begriff der „Tat" meint § 1 ebenso wie in zahlreichen anderen Vorschriften (§§ 5, 6, § 11 Nrn. 5 und 6) zunächst tatbestandsmäßiges Verhalten. 307 Darin erschöpft sich der Begriff hier aber nicht. 308 Er umfasst vielmehr jegliches menschliche Tun und Unterlassen. Die Bedeutung des § 1 liegt gerade auch darin, dass er nicht tatbestandsmäßiges Verhalten für straffrei erklärt (nullum crimen) 309 und die Bestrafung einer zwar tatbestandsmäßigen, aber nicht mit einer gesetzlich bestimmten Strafe bedrohten Handlung (nulla poena) verbietet.
80
2. Reichweite des Begriffs der Strafbarkeit. § 1 verlangt, dass „die Strafbarkeit" vor Begehung der Tat gesetzlich bestimmt sein muss. Der Begriff der „Strafbarkeit" lässt sich vom Wortlaut her - verschieden auslegen: Man kann ihn allein auf die Straftatbestände des Besonderen Teils, die Verhaltensanforderungen für den Bürger normieren, aber auch auf alle rechtlichen Voraussetzungen der Bestrafung, einschließlich der Regeln des Allgemeinen Teils (Rdn. 82 ff), beziehen, und schließlich zudem auf die Strafen als Rechtsfolgen der Tat (Rdn. 89 ff) erstrecken, welche die rechtswidrige und schuldhafte Verwirklichung des Straftatbestands zur Folge haben sollen. Darüber hinaus ist es denkbar, den Begriff auf weitere, insbesondere prozessuale Voraussetzungen anzuwenden, welche die Zulässigkeit der Strafverfolgung betreffen (Rdn. 104 ff).
81
a) Straftatbestände des Besonderen Teils. Unstreitig ist, dass die strafrechtlichen Verbotsnormen des Besonderen Teils § 1 und Art. 103 Abs. 2 GG unterfallen. Hingegen
301
O G H S t 3 9 3 , 9 5 ; B G H N J W 1 9 5 2 271.
305
302
BVerfGE 2 5 2 6 9 , 2 8 6 ff; vgl. auch BVerfGE 5 0 4 2 , 4 7 f; BVerfG N J W 1 9 9 5 145. BVerfG N S t Z 1 9 9 1 3 8 3 ; B G H R AO § 3 7 0 Abs. 1 - Gesamtvorsatz 9.
306
BVerfG N J W 2 0 0 0 1 5 5 4 ff.
309
303
304
102
BVerfGE 1 0 5 135, 151. BVerfGE 113 2 7 3 , 3 0 8 f. 307 NicJjj erforderlich ist ein schuldhaftes Verhalten; aA Rudolphi SK Rdn. 4 a . 308
AA Tröndle/Fischer Rdn. 2 a . Schmitz M K Rdn. 11.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz besteht hinsichtlich der übrigen Strafbarkeitsvoraussetzungen und der Tatfolgen keine Einigkeit. b) Regelungen des Allgemeinen Teils. Umstritten ist insbesondere, ob das Gesetzlichkeitsprinzip auch für den Allgemein Teil des Strafgesetzbuchs gilt, der - anders als der Besondere Teil - keine Verhaltensregeln enthält, an denen sich der Bürger orientieren soll, 3 1 0 sondern aus Regeln über die Geltung und Anwendung des Strafrechts besteht, welche die Bedingungen nennen, die erfüllt sein müssen, damit die N o r m e n des Besonderen Teils überhaupt zur Anwendung gelangen können. Sodann enthält der Allgemeine Teil Vorschriften über die Begründung und den Ausschluss der Zurechnung (Vorsatz, Fahrlässigkeit, Irrtum, Zwangslage, Zurechnung fremden Normbruchs zu Teilnehmern etc.). Schließlich finden sich im Rahmen der Rechtfertigungsgründe Vorrangregeln für Fälle der Kollision subjektiver Rechte zum Ausschluss der Rechtswidrigkeit. Die Geltungs-, Anwendungs-, Zurechnungs- und Vorrangregeln fordern kein Verhalten, sondern setzen ein normwidriges Verhalten voraus. 3 1 1
82
Der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht gehen davon aus, dass Art. 103 Abs. 2 G G im Grundsatz auf das gesamte materielle Strafrecht anwendbar ist, wie die Entscheidungen zum Strafanwendungsrecht, 3 1 2 zum unechten Unterlassungsdelikt, 3 1 3 zum Erlaubnistatbestandsirrtum bei fehlender pflichtgemäßer Prüfung, 3 1 4 zur actio libera in causa (näher dazu Rdn. 1 7 8 ) 3 1 5 und zur Einschränkung der Notwehr bei der Absichtsprovokation (Rdn. 2 6 3 ) 3 1 6 belegen. 3 1 7 Jedoch werden von der Rechtsprechung im Bereich des Allgemeinen Teils geringere Anforderungen an die Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit gestellt, um Elastizität bei der Rechtsanwendung im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit zu erreichen (Rdn. 2 1 9 f). Auch die Literatur geht unter Berufung auf den Wortlaut und den Grundgedanken des Art. 103 Abs. 2 G G ganz überwiegend von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Art. 103 Abs. 2 G G auf den Allgemeinen Teil aus. 3 1 8
83
Für die Erstreckung des Art. 103 Abs. 2 G G auf den Allgemeinen Teil spricht zunächst, dass die h . M . in den Normen über Anstiftung und Beihilfe, Versuch und R ü c k tritt vom Versuch, Irrtum und Schuld vor die Klammer gezogene ergänzende Bestandteile der im Besonderen Teil vertypten Verbote sieht. 3 1 9 Wenn es sich aber bei den Regelungen des Allgemeinen Teils lediglich um vor die Klammer gezogene Bestandteile des Besonderen Teils handelt, muss Art. 103 Abs. 2 G G auch hierauf angewendet werden. Ansonsten könnte der Gesetzgeber durch die Entscheidung, ob er eine Regelung in den Allgemeinen oder den Besonderen Teil einstellt, der Anwendbarkeit des Art. 103 Abs. 2 G G ausweichen. So gibt es keinen vernünftigen Grund, eine Bestrafung wegen „fahrlässiger Sachbeschädigung" nur deshalb nicht als Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzips anzusehen, weil
84
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Jescheck/Weigend AT § 3 III 2. Tiedemann FS Baumann 7 ff; vgl. auch R. Schreiber Die Geltung von Rechtsnormen (1966) S. 25. BGHSt 45 64 ff mit Anm. Ambos NStZ 1999 404. Vgl. dazu BVerfGE 96 68, 97. BGHSt 35 347, 350; BGH J Z 1977 139 mit Anm. C. Schroeder. BGHSt 42 235 ff. BGHSt 39 374, 378; BGH NStZ 1983 452. Siehe dazu nur Jähnke FS BGH 50 393 ff.
3.8
3.9
Vgl. nur Frister AT 4. Kap. Rdn. 35; Jakobs AT 4/9; Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 67; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 197; Schmitz MK Rdn. 13; Stratenwerth/Kuhlen AT § 3 Rdn. 8, jeweils m.w.N.; Tiedemann Verfassungsrecht und Strafrecht S. 36 f; aA Hardwig ZStW 78 (1966) 1, 8 f m.w.N. Baumann/Weber/Mitsch AT § 5 Rdn. 2; Krey Studien S. 229 f; Roxin AT I § 1 Rdn. 15.
Gerhard Dannecker
103
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
sich die alleinige Strafbarkeit der vorsätzlichen Sachbeschädigung nicht aus der Strafdrohung des § 303 selbst, sondern aus der das Vorsatzerfordernis vor die Klammer ziehenden allgemeinen Regel des § 15 ergibt. 320 85
Allerdings unterscheiden sich die Regelungen des Allgemeinen und des Besonderen Teils inhaltlich dadurch, dass nur Letztere Verhaltensnormen statuieren. Gleichwohl ist Art. 103 Abs. 2 GG auf sämtliche Strafbarkeitsvoraussetzungen anzuwenden. Denn wenn es bei Art. 103 Abs. 2 GG um die Subjektstellung des Bürgers und seine Freiheit geht, die durch gesetzliche Regelungen über die Strafbarkeit garantiert werden müssen (Rdn. 56 ff, vgl. auch Rdn. 374 ff), verliert die einfachrechtliche Zuordnung der gesetzlichen Regelungen zum Besonderen oder Allgemeinen Teil des Strafrechts im Hinblick auf das Gesetzlichkeitsprinzip ihre Bedeutung. Entscheidend ist dann nur, ob der Bürger durch eine gesetzliche Regelung einer möglichen Bestrafung ausgesetzt und so in seiner Freiheit betroffen wird. Dieses Verständnis hat eine umfassende Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips auch für den Allgemeinen Teil zur Folge. Entsprechend geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass Art. 103 Abs. 2 GG grundsätzlich auch auf den Allgemeinen Teil anwendbar ist, so etwa wenn es die Regelung des § 13 über die Strafbarkeit des Unterlassens 321 am Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG misst oder in den Mauerschützenfällen 322 die Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG nur deshalb verneint, weil das Vertrauen auf menschenrechtswidrige Straffreistellungsgründe nicht geschützt sei. 3 2 3
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In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege" nicht um einen allgemein gültigen Satz handelt, der losgelöst von der jeweiligen Entwicklungsstufe des Strafrechts gilt. Zutreffend hebt Arthur Kaufmann hervor, dass dieser Satz nur in einem umfassend kodifizierten Strafrecht, das echte Tatbestände hat, Geltung beanspruchen kann, nicht hingegen für ein nur unvollkommen kodifiziertes Strafrecht oder ein System des richterlichen Fallrechts. 324 Dies bedeutet für den Allgemeinen Teil, dass erst mit zunehmender Ausgestaltung durch den Gesetzgeber eine Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG in Betracht kommen konnte. Dieser Gedanke findet sich im Ansatz bereits bei v. Feuerbach, der den Allgemeinen Teil noch als „philosophisch" gegen den „positiven" Besonderen Teil abgrenzte und die „Philosophie des Strafrechts" als Quelle des Rechts nur anerkannte, „soweit dies in ihrer Anwendung nicht durch positiv gesetzliche Bestimmungen beschränkt wird". 3 2 5 Erst wenn der Gesetzgeber in einem Allgemeinen Teil Regelungen getroffen hat, wie dies im Strafgesetzbuch geschehen ist, ist die Judikative hieran gebunden (zur Bedeutung der einzelnen Ausprägungen des Gesetzlichkeitsprinzips für den Allgemeinen Teil s. Rdn. 172 ff, 218 ff, 259 ff, 390 ff). Dies bedeutet, dass überall dort, wo der Allgemeine Teil über den Besonderen Teil hinausgehende straferweiternde Vorschriften enthält, wie dies beim Versuch, der Mittäterschaft und Teilnahme der Fall ist, Art. 103 Abs. 2 GG anwendbar ist. 3 2 6
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Inzwischen ist auch in Rechtsprechung und Literatur weitgehend anerkannt, dass das Strafanwendungsrecht der §§ 3 ff der Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG bzw. des § 1 unterfällt. Dies ist zu billigen, da es sich hierbei um einen Teil des materiellen Strafrechts
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323
Frister AT 4. Kap. Rdn. 35. BVerfGE 96 68, 98 f. BVerfGE 95 96, 133; kritisch dazu Classen GA 1998 215 ff; dazu P. A. Alexi NJ 1997 1 f; Starck J Z 1997 141 ff. Kritisch dazu Paeffgen NK Vor § § 3 2 bis 35 Rdn. 5 7 m.w.N.
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Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip, 2. Aufl. (1976) S. 92 Fn. 31. v. Feuerbach Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts § 4. Roxin AT I § 5 Rdn. 41. Zu den Bestimmtheitsanforderungen an die Vorschriften des Allgemeinen Teils siehe Rdn. 218 ff.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
handelt und die Strafbarkeit der in den Anwendungsnormen genannten Taten bestimmt wird. 327 Aber auch strafeinschränkende Vorschriften wie der Rücktritt vom Versuch, Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe oder Irrtumsregelungen enthalten Begrenzungen für die Strafverfolgungsorgane und schützen so den Freiheitsbereich des Bürgers. Daher sind die Strafverfolgungsorgane gehalten, die gesetzlichen Vorgaben zu beachten und dürfen die Freiheit des Bürgers nicht durch Verhängung von Strafen weitergehend einschränken, als das Gesetz es vorsieht. 328 Dies ist allerdings in Bezug auf die Rechtfertigungsgründe äußerst umstritten, da diese allen Rechtsbereichen entstammen können (eingehend dazu Rdn. 221 f, 261 ff).
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c) Strafrechtliche Rechtsfolgen. Nach dem Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG bezieht sich der Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege" nur auf die Strafbarkeit und nicht auch auf die Rechtsfolgen der Tat. Das Bundesverfassungsgericht hat gleichwohl von Anfang an auch die Rechtsfolgen der Tat in den Anwendungsbereich des Art. 103 Abs. 2 GG einbezogen, 329 weil Tatbestand und Rechtsfolge gemessen an der Idee der Gerechtigkeit sachlich aufeinander abgestimmt sein müssten. Das Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen Wertung des Gesetzgebers beigemessene Unwertgehalt, lasse sich in aller Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen. Insofern sei auch die Strafdrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung. Von daher werde unmittelbar einsichtig, dass sich Art. 103 Abs. 2 GG sowohl auf den Unrechtstatbestand als auch auf die Höbe der Strafdrohung beziehe. 330 § 1 bezieht sich daher nicht nur auf die rechtlichen Voraussetzungen für die Bestrafung einer Tat, sondern auch auf die strafrechtlichen Rechtsfolgen. 331 Dies gilt sowohl für die Art 3 3 2 als auch für das Ausmaß 3 3 3 der strafrechtlichen Rechtsfolgen (Rdn. 223 ff, 268 ff, 400 ff).
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Die Strafe ist im Gegensatz zur reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, dass sie - wenn nicht ausschließlich, so doch auch - auf Repression und Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. 334 Hingegen sind zivilrechtliche und zivilprozessrechtliche Regelungen und Maßnahmen wie Schmerzensgeld 335 , Verwirkung von Ansprüchen 336 und zivilgerichtliche Verfahren 337 von vornherein nicht von Art. 103 Abs. 2 GG erfasst.
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BVerfG wistra 2 0 0 3 255, 2 7 7 (zu § 3 7 0 Abs. 7 AO a.F.); BGHSt 2 0 22, 25; 27 30 ff; 4 5 64, 71; Sch/Schröder/Eser § 2 Rdn. 20; Rudolphi SK § 2 Rdn. 8a; Schmitz MK Rdn. 17; Tröndle/Fischer Rdn. 2a, 4. Vgl. nur Otto AT § 2 Rdn. 8. BVerfGE 25 269, 2 8 6 ff. Vgl. auch BVerfGE 105 135, 153. So die ganz h.M; vgl. nur Rudolphi SK Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 1; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 1, 2 3 ; Roxin AT I § 5 Rdn. 4; Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 70 ff; Tröndle/Fischer Rdn. 4. BVerfGE 25 269, 285; 4 5 363, 371; BGHSt 18 40; Langer FS Dünnebier 4 3 3 ; Rudolphi SK Rdn. 11; Schmitz MK Rdn. 52; Sch/
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Schröder/Eser § 2 Rdn. 23; Tröndle/Fischer Rdn. 6. Grundlegend BVerfGE 105 135, 153 f m.w.N.; BGHSt 13 190 ff; Sch/Schröder/ Eser § 2 Rdn. 23; Schmitz MK Rdn. 52; Tröndle/Fischer Rdn. 6. BVerfGE 2 0 323, 331; Appel S. 217 ff; Frister AT 1. Kap. Rdn. 1 ff; Jescheck/Weigend AT § 8 I 2; Otto AT § 1 Rdn. 8 ff; Schmidhäuser Der Begriff der Strafe in der deutschen Strafrechtswissenschaft der Gegenwart (1987) S. 11 ff, 16; Stratenwerth/ Kuhlen AT § 1 Rdn. 3 ff; jeweils m.w.N. BVerfGE 34 269, 293. BVerfGE 27 231, 235. BVerfGE 84 82, 89.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1 91
aa) Strafen. „ B e s t r a f u n g " im Sinne des § 1 ist d e m n a c h Zufügung eines strafrechtlichen oder strafrechtsähnlichen Übels als staatliche Reaktion auf vorwerfbares Verhalten des Beschuldigten, das sich in erster Linie am M a ß der Vorwerfbarkeit orientiert. Für die B e a n t w o r t u n g der Frage, ob eine von staatlicher Seite verhängte S a n k t i o n gegen den T ä t e r „ S t r a f e " in diesem Sinne ist, k o m m t es nicht d a r a u f an, ob es sich um eine gesetzliche oder im Gesetz nicht (oder zur Tatzeit noch nicht) vorgesehene R e a k t i o n auf die Tat handelt. § 1 verbietet auch die Verhängung von „ S t r a f e n " , die das Gesetz für eine tatbestandsmäßige T a t nicht zulässt. Soweit es um gesetzliche Folgen einer Tat geht, hängt deren Eigenschaft als „ S t r a f e " nicht notwendig von der gesetzlichen Bezeichnung a b , sondern von dem normativen C h a r a k t e r der M a ß n a h m e . Die Bezeichnung kann jedoch ein wichtiger A n h a l t s p u n k t dafür sein, wie der einfache Gesetzgeber eine Tatfolge bewertet (vgl. § 6 1 ) .
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Als „Strafe" in diesem Sinne k o m m e n demnach in Betracht: die T o d e s s t r a f e 3 3 8 , K ö r perstrafen, lebenslange und zeitige Freiheitsstrafe (§ 3 8 ) , Strafarrest (§ 9 W S t G ) , Jugendstrafe (§§ 17 ff J G G ) , Vermögensstrafen wie Geldstrafe (§§ 4 0 ff) und Einziehung nach § 5 6 W a f f G , sofern sie Strafcharakter h a t , 3 3 9 sodann die Einziehung, der Verfall und die U n b r a u c h b a r m a c h u n g ( § § 7 3 f f ) , 3 4 0 soweit sie Straf- oder strafähnlichen C h a r a k t e r haben.341
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bb) Maßregeln der Besserung und Sicherung. Umstritten ist, o b die strafrechtliche Unterscheidung von Strafen (§§ 3 8 bis 4 5 b) und Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 6 1 ) auch im Hinblick auf den Grundsatz „Keine Strafe ohne G e s e t z " g i l t . 3 4 2
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D a s Bundesverfassungsgericht hat zunächst in mehreren Entscheidungen offen gelassen, o b sich Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nicht nur auf die Voraussetzungen der Strafe und die Strafe selbst, sondern auch auf alle sonstigen R e a k t i o n e n im Hinblick auf strafrechtlich missbilligtes Verhalten, also auch auf M a ß r e g e l n der Besserung und Sicherung, b e z i e h t . 3 4 3 N u n m e h r hat das Gericht in der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Wegfalls der H ö c h s t d a u e r der erstmaligen Sicherungsverwahrung an der Abgrenzung zwischen Strafen einerseits und M a ß r e g e l n der Besserung und Sicherung andererseits festgehalten und Art. 1 0 3 Abs. 2 G G zu R e c h t für nicht a n w e n d b a r erklärt (BVerfG N J W 2 0 0 4 7 3 9 , 7 4 4 ff). Dies wird damit begründet, dass die neben einer Strafe verhängte M a ß r e g e l im Allgemeinen nicht der Tatvergeltung, sondern einem schuldunabhängigen Z w e c k diene. Sie sei ein zur Strafe hinzutretendes Übel, das dem T ä t e r im Interesse des Schutzes der Öffentlichkeit vor einer von ihm ausgehenden Gefahr auferlegt wird.
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In der Literatur wird demgegenüber teilweise eine Anwendung von Art. 1 0 3 Abs. 2 G G auf strafähnliche M a ß n a h m e n gefordert, bei denen der M a ß r e g e l c h a r a k t e r hinter den strafähnlichen Zielen oder W i r k u n g e n der Sanktion derart zurückbleibe, dass dem Präventionsgedanken nur noch untergeordnete Bedeutung z u k o m m e . 3 4 4 S o fordert Jung 338
339 340
341
Abgeschafft durch Art. 102 GG, in Westberlin durch Gesetz vom 9.1.1951, GVB1. S. 57. BVerfGE 44 3 08, 313, 321. Dannecker S. 309 ff; Pieroth in Jarass/ Pieroth Art. 103 Rdn. 42; Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 60; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 17; Sch/Schröder/ Eser § 2 Rdn. 5. Näher dazu Herzog NK, Vor § 73 ff Rdn. 7 ff; Sch/Schröder/Eser Vorbem § 73 Rdn. 14, 16, 19.
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Eingehend dazu Appel S. 507 ff; Dannecker S. 290 ff; Jung FS Wassermann 875 ff. BVerfGE 74 102, 126; 83 119, 128. Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 42; ders./Schlink Grundrechte Rdn. 1086; Rudolphi SK Rdn. 18; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 Rdn. 46; Sch/Schröder/Eser Rdn. 16; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 17; Stratenwerth/ Kuhlen AT § 3 Rdn. 12; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 46.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
fordert für den gesamten Bereich der strafrechtlichen Sozialkontrolle ein Eingreifen des Art. 103 Abs. 2 G G , nachdem sich Strafen und Maßregeln näher gerückt seien und der Vollzug der Maßregel vor der Strafe unter Anrechung auf die Strafe zur Regel geworden sei. Letztlich sei das Sanktionssystem zu einem untrennbar verfügten Gerüst aus präventiven und repressiven Elementen geworden, zumal die Einordnung als Strafe oder Maßregel im Belieben gesetzgeberischer Entscheidung stehe. Der Gesetzgeber dürfe aber die verfassungsrechtliche Garantie nicht durch den Übergang zu einem Maßregelrecht unterlaufen. 3 4 5 Vereinzelt wird sogar die Auffassung vertreten, § 2 Abs. 6 sei verfassungswidrig. Nach dieser Vorschrift ist über Maßregeln der Besserung und Sicherung nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Wenn man Art. 103 Abs. 2 G G dahingehend auslegt, dass die Voraussehbarkeit aller Deliktsfolgen sichergestellt und die in der Strafrechtspflege wirkende Staatsgewalt gebunden werden soll, liegt ein Verstoß gegen dieses Grundrecht vor. 3 4 6 Maßregeln der Besserung und Sicherung unterscheiden sich jedoch grundlegend von Strafen, da sie keinen sozialethischen Vorwurf ausdrücken 3 4 7 und auch kein Verschulden voraussetzen. Es fehlt das normative Element, dass ein Schuldvorwurf erhoben und deshalb Vergeltung geübt werden soll. 3 4 8 Das Wesen der Maßregeln erschließt sich erst vollständig, wenn der mit ihnen verfolgte Zweck, die Sicherung der Gemeinschaft gegen zukünftige Gefahren durch spezialpräventive Einwirkung auf den T ä t e r , 3 4 9 einbezogen wird. Maßregeln sind nur zulässig, um der Gefahr weiterer Straftaten vorzubeugen. Der Zweck der Maßregeln ist insoweit zwar teilidentisch mit dem Z w e c k der Spezialprävention. Andere Ziele wie die Einwirkung auf die Allgemeinheit, die Wiederherstellung des Rechtsfriedens oder der Ausgleich von Schuld werden durch die Verhängung von M a ß regeln nicht verfolgt und dürfen auch bei der Bemessung der Maßregeln keine Rolle spielen. 3 5 0 Außerdem unterscheiden sich Strafen und Maßregeln hinsichtlich der Legitimation: Die Maßregel richtet ihren Blick nach dem Willen des Gesetzgebers nur in die Zukunft; sie knüpft gerade nicht an den Vorhalt der defizitären Einstellung zur N o r m an, sondern an die voraussichtliche Entwicklung des Täters in der Zukunft. Damit fehlt es an einer ausreichenden Verknüpfung zwischen dem Vorhalt der Normverletzung und dem auferlegten Übel. Mangels Strafcharakters der Maßregeln gelten deshalb die spezifisch strafrechtlichen Verfassungsgarantien des Art. 103 Abs. 2 G G nicht.
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Der Bundesgerichtshof hat deshalb die Anwendbarkeit des Art. 103 Abs. 2 G G auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu Recht verneint. 3 5 1 Er hat ebenso entschieden für die durch die Führungsaufsicht ersetzte Polizeiaufsicht des früheren Rechts, 3 5 2 für die Entziehung der Fahrerlaubnis 3 5 3 und für die Einziehung und Unbrauchbarmachung, soweit sie Sicherungsmaßnahmen sind. 3 5 4 § 2 Abs. 4 S t G B 1969, der § 2 Abs. 6 der geltenden Fassung entspricht, wurde ausdrücklich als mit Art. 103 Abs. 2 G G
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Jung FS Wassermann 875, 8 8 4 ff. Diefenbach S. 2 2 , 8 0 ; Diet ζ S. 1 2 9 ; phi SK § 2 Rdn. 18; Schorn S. 37.
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Rudol-
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BVerfGE 2 2 7 9 ; 2 5 2 8 6 ; 2 7 2 9 ; 4 3 1 0 5 ; 105 135, 151; BGHSt 5 3 2 ; 11 2 6 6 ; Jescheck/ Weigend AT § 9 II; R. Schmitt FS Württenberger 2 7 7 .
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So schon Birkmeyer Strafe und sichernde Maßnahmen ( 1 9 0 6 ) S. 15, 39.
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BVerfGE 55 31. Vgl. nur Frisch Z S t W 1 0 2 ( 1 9 9 0 ) 3 5 8 m.w.N. B G H bei Dallinger M D R 1 9 7 5 7 2 2 ; näher dazu Dannecker S. 3 0 7 f. BGHSt 2 4 103, 1 0 4 ff. BGHSt 5 168, 173. BGHSt 16 4 9 , 5 6 .
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§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
vereinbar angesehen. 355 Unter Hinweis auf die Begründung zum E 1 9 6 2 3 5 6 hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, der Grundgesetzgeber habe eine Strafrechtsordnung vorgefunden, die zwischen Strafe und Maßregel scharf unterscheidet. Da die Verfassungsbestimmung nur die Strafe unter Art. 103 Abs. 2 GG stelle, müsse hieraus geschlossen werden, dass der einfache Gesetzgeber hinsichtlich der Maßregeln freigestellt sei. 3 5 7 98
Problematischer ist die Einordnung der im Jugendgerichtsgesetz als Erziehungsmaßregel vorgesehenen Weisungen, Arbeitsleistungen zu erbringen (§ 5 Abs. 1, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 JGG). Das Bundesverfassungsgericht konnte die Frage offen lassen, ob sich das Gebot der gesetzlichen Bestimmtheit nach Art. 103 Abs. 2 GG nur auf die Voraussetzungen der Strafe und diese selbst bezieht oder ob es darüber hinaus für alle Reaktionen auf missbilligtes Verhalten gilt, weil die Voraussetzungen, Ziele, Dauer und Begrenzungen dieser Weisungen in § 10 Abs. 1 S. 1 und 2, § 11 Abs. 1 und 2 J G G so eingehend geregelt sind, wie es in einem notwendig abstrakt gehaltenen Gesetz, das eine dem Einzelfall gerecht werdende erzieherische Einflussnahme des Richters auf den Jugendlichen ermöglichen soll, verfassungsrechtlich geboten ist. 3 5 8 Da es bei den Weisungen, Arbeitsleistungen zu erbringen, nicht um Ahndung und Sühne, sondern allein darum geht, der durch die konkrete Straftat erkennbar gewordenen Erziehungsbedürftigkeit des Täters mit sachgerechten und zumutbaren Mitteln Rechnung zu tragen, ist § 1 bzw. Art. 103 Abs. 2 GG nicht anwendbar. 359
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Umstritten ist weiterhin, inwieweit Bewährungsauflagen nach §§ 56b ff den Garantien des Art. 103 Abs. 2 GG und des § 1 unterliegen. Die h.M. verneint dies. 360 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts soll § 56b Abs. 2 Nr. 3 nicht das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verletzen. 361 Die Gegenmeinung beruft sich darauf, dass es sich bei den Bewährungsauflagen um Rechtsfolgen handele, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Strafausspruch stehen. 362 Dies ist zwar zutreffend; gleichwohl betrifft die Strafaussetzung zur Bewährung ihrer rechtlichen Konstruktion nach nicht die Strafe, sondern bedeutet eine Modifikation der Vollstreckung der Freiheitsstrafe, die zum Aufschub der Vollstreckung und zum späteren Erlass der Strafe führt, sofern der Täter die Widerrufsvoraussetzungen nicht erfüllt. 363 Außerdem sieht § 56c vor, dass Bewährungsauflagen nachträglich geändert werden dürfen. Die Rechtsprechung behandelt die Strafaussetzung zur Bewährung auch als Modifikation der Vollstreckung, indem sie die Strafhöhe unabhängig von der Aussetzung bemisst. 364 Zwar kann die einfachrechtliche Regelung des § 56c die Verfassungsnorm des Art. 103 Abs. 2 GG nicht ändern. 365 Jedoch hat es der Gesetzgeber in der Hand, eine Rechtsfolge so auszugestalten, dass es sich bei dieser nicht um eine Strafe handelt, und dies ist bei der Strafaussetzung zur Bewährung und den Bewährungsauflagen der Fall. Deshalb greifen nur die allgemeinen rechtsstaatlichen Garantien (dazu sogleich Rdn. 100), nicht aber Art. 103 Abs. 2 GG ein.
355 356 357 358 359
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BGHSt 2 4 103, 106. BTDrucks. IV/650 S. 108. Im Ergebnis ebenso Lackner/Kühl Rdn. 8. BVerfGE 74 102, 126. BVerfGE 74 102, 122 f; aA Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 74; Schmitz MK Rdn. 16. Rudolphi SK Rdn. 3; Tröndle/Fischer Rdn. 4; jeweils m.w.N. BVerfG NStZ 1991 181.
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OLG Schleswig NJW 1978 2107, 2108; Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 74; Schmitz MK Rdn. 16; Sch/Schröder/Eser Rdn. 8, 16. BGHSt 7 189; Lackner/Kühl § 56 Rdn. 2 m.w.N. BGHSt 2 9 319; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997 2. So zutreffend Schmitz MK Rdn. 16.
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Keine Strafe ohne Gesetz
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Da das Bundesverfassungsgericht in späteren Entscheidungen immer wieder klar gestellt hat, dass sich Strafen einerseits und Maßregeln der Besserung und Sicherung andererseits in ihrer Zwecksetzung erheblich voneinander unterscheiden und nunmehr auch bezüglich der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung ein Eingreifen des Art. 103 Abs. 2 G G ausdrücklich verneint wurde (Rdn. 4 0 8 ) , sind auf Maßregeln der Besserung und Sicherung lediglich die allgemeinen rechtsstaatlichen Garantien anwendbar: Die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind allgemein an Gesetz und Recht gebunden (Art. 2 0 Abs. 3 G G ) . Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden (Art. 1 0 4 Abs. 1 S. 1 GG). Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden (Art. 104 Abs. 2 S. 1 G G ) . Auch das Eigentum ist von Verfassungs wegen gewährleistet (Art. 14 Abs. 1 und 3 G G ) .
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Der Gesetzgeber hat das Problem des fehlenden Eingreifens des Art. 103 Abs. 2 G G weiter dadurch entschärft, dass er für den Bereich der Maßregeln der Besserung und Sicherung mit den § § 6 2 bis 7 2 Regelungen geschaffen hat, die dem Gebot gesetzlicher Bestimmtheit weitgehend Rechnung tragen. Jedoch setzt § 2 Abs. 6 das Rückwirkungsverbot des § 1 für sie grundsätzlich außer Kraft (Rdn. 4 0 7 ; § 2 Rdn. 136 ff). Deshalb bleibt die Haltung des Bundesverfassungsgerichts, das Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht unter den Begriff der „Strafbarkeit" im Sinne des Art. 103 Abs. 2 G G subsumiert, von praktischer Bedeutung. Wenn der Gesetzgeber die Maßregeln der Besserung und Sicherung so ausgestaltet, dass es sich um „strafrechtliche R e a k t i o n e n " handelt, bedarf es einer verfassungskonformen restriktiven Auslegung des § 2 Abs. 6. Indizien hierfür sind, dass die Verhängung einer Maßregel nur eine Anlasstat und nicht auch weitere nicht-strafrechtliche Merkmale voraussetzt und dass die Ausgestaltung der Maßregelvollstreckung nicht der eigenständigen Zielsetzung der Maßregel entspricht und nicht außerstrafrechtlichen (verwaltungsrechtlichen) Grundsätzen folgt. Wenn die gesetzgeberische Einordnung als außerstrafrechtliches Reaktionsmittel hingegen nicht gerechtfertigt ist, sondern willkürlich erscheint, bedarf es des umfassenden Freiheitsschutzes des Art. 103 Abs. 2 G G . 3 6 6
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cc) Außerstrafrechtliche Rechtsfolgen. § 1 gilt - ebenso wie Art. 103 Abs. 2 G G nicht für sonstige Rechtsfolgen, die keine Strafen darstellen. Dabei ist der Anwendungsbereich des § 1 insofern enger als der des Art. 103 Abs. 2 G G , als die Verfassungsnorm auch das Strafrecht im weiteren Sinne, insbesondere das Ordnungswidrigkeitenrecht erfasst, für das § 3 O W i G eine § 1 StGB vergleichbare Regelung enthält, die den Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege" normiert (Rdn. 6 9 ) .
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Als Strafe sind nicht gewertet worden: die Teilnahme an einem Verkehrsunterricht auf Grund einer Vorladung nach § 6 StVO a.F., der dem geltenden § 4 8 StVO e n t s p r i c h t ; 3 6 7 die Entziehung der Verteidigungsbefugnis eines R e c h t s a n w a l t s 3 6 8 vor Einführung der §§ 138a, 138b StPO durch das Gesetz zur Ergänzung des 1. S t V R G vom 2 0 . 1 2 . 1 9 7 4 ; 3 6 9 die Versagung rückerstattungsrechtlicher Ansprüche nach § 4 3 a B R ü G i.d.F. des Gesetzes vom 2 . 1 0 . 1 9 6 4 (BGBl. I S. 8 0 9 ) . 3 7 0
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d) Verfahrensrecht. Verfahrensrechtliche Vorschriften, die ausschließlich die Verfolgungsvoraussetzungen betreffen, werden nach h . M . von Art. 103 Abs. 2 G G nicht er-
104
366
Dannecker S. 296; zur verfassungskonformen Auslegung des § 2 Abs. 6 vgl. auch Ullenbruch NStZ 1998 326 ff; Jung FS Wassermann 875, 878 f, 884 ff.
367 368 369 370
BVerfGE 22 Vgl. BGHSt BVerfGE 22 BVerfGE 27
Gerhard Dannecker
21, 24, 25 f. 15 326. 114, 119. 231, 236 f.
109
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
fasst. 371 So hat das Bundesverfassungsgericht in einem Fall, der die Verfassungskonformität von Observationen unter Einsatz des Global Positioning Systems (GPS) betraf, ausdrücklich hervorgehoben, dass die strengeren Anforderungen des Gebots der Gesetzesbestimmtheit in Art. 103 Abs. 2 GG für die Vorschriften des Strafverfahrensrechts keine Geltung beanspruchen. 372 Dies wird damit begründet, dass das Gesetzlichkeitsprinzip nicht dazu diene, dem Bürger zu ermöglichen, sich über das Ob und Wie der Verfolgbarkeit einer Straftat zu informieren. 373 105
Demgegenüber beruft sich eine Mindermeinung darauf, dass auch das Strafprozessrecht strafbestimmend sein könne, da nur die justizförmig bewiesene Tat strafbar sei. Wenn die Strafbarkeit in einem Rechtsstaat nur durch ein justizförmiges Verfahren festgestellt werden könne, werde das Verfahren auf diese Weise selbst zur Strafbarkeitsvoraussetzung und das Verfahrensrecht damit zu einem untrennbaren Teil des Strafrechts. 374 Außerdem wird für „eingreifende" Verfahrensakte jedenfalls das Eingreifen des Analogieverbots gefordert. 375
106
Ähnlich deutet das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Europäischen Haftbefehl an, dass das strafrechtliche Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG auch dann in Erwägung zu ziehen sein könnte, wenn sich ein bislang vor Auslieferung absolut geschützter Deutscher für Taten in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union verantworten muss, die keinen maßgeblichen Auslandsbezug aufweisen und zum Zeitpunkt ihrer Begehung in Deutschland straffrei waren (näher dazu Rdn. 412, 422). Diese Rechtsänderung könne einer materiellen rückwirkenden Rechtsänderung gleichstehen. 376 Diese Ausführungen stimmen mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überein, wonach Art. 103 Abs. 2 GG verbietet, im Falle einer bereits eingetretenen Verjährung im Nachhinein die Tat wieder für strafbar zu erklären, 377 auch wenn es sich bei der Verjährung nach h.M. nicht um ein rein prozessrechtliches Rechtsinstitut handelt (Rdn. 424). Bezüglich der Anwendbarkeit des Art. 103 Abs. 2 GG auf verfahrensrechtliche Vorschriften ist eine Differenzierung nach den verschiedenen Ausprägungen des „nullum crimen "-Satzes erforderlich (näher dazu Rdn. 272 ff, 411 ff).
107
3. Personeller Schutzbereich. Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 gelten für jedermann, also für natürliche und auch für juristische Personen, sofern letztere Sanktionen staatlicher Strafgewalt unterworfen werden. 378
371
BVerfGE 2 5 2 6 9 , 2 8 6 f; BVerfG N J W 1 9 9 5 1 1 4 5 ; BGHSt 4 0 113, 118; Kindhäuser LPK Vor §§ 7 8 - 7 8 c Rdn. 3; Lackner/Kühl § 78 Rdn. 5 ; Jescheck/Weigend AT § 15 IV 4 ; Rudolphi SK Rdn. 10; Schmitz M K Rdn. 17.
375
372
BVerfGE 112 3 0 4 , 315.
377
373
Jescheck/Weigend AT § 15 III 2 c ; Kindhäuser LPK Vor § § 7 8 bis 7 8 c Rdn. 3; Rudolphi SK Rdn. 10 m.w.N.
378
374
So Jäger GA 2 0 0 6 615, 6 1 9 ; näher dazu Rdn. 2 7 4 .
110
376
Tiedemann F G Peters 131, 1 3 3 ff; Roxin/ Arzt/Tiedemann Einführung in das Strafrecht und Strafprozeßrecht S. 115; näher dazu unten Rdn. 2 7 4 . BVerfGE 113 2 7 3 , 3 0 8 f. BVerfGE 2 5 2 6 9 , 2 8 6 , 287. Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 2 3 .
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
V. Gewährleistungsgehalt des „nullum crimen, nulla poena sine lege"-Satzes (Art. 103 Abs. 2 GG; § 1 StGB) Das Gesetzlichkeitsprinzip richtet sich gegen folgende vier Möglichkeiten der Beeinträchtigung einer rechtsstaatlichen Ausübung der Strafgewalt:379 das Gesetzlichkeitsprinzip (Rdn. 109, 114 ff); den Bestimmtheitsgrundsatz (Rdn. 110, 179 ff), das Analogieverbot (Rdn. 111, 238 ff) und das Rückwirkungsverbot (Rdn. 112, 360 ff). Es setzt für die Strafbegründung und Strafschärfung einen geschriebenen Strafrechtssatz voraus (nullum crimen, nulla poena sine lege scripta).380 Gesetzliches Recht ist stets nur das geschriebene, das verschriftlichte Recht. Ganz allgemein ist daher unter Gesetz im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 jede geschriebene, aus einer verfassungsmäßig anerkannten Quelle stammende und mit verbindlicher Kraft ausgestattete (Rechts)Norm zu verstehen (Rdn. 117 f). 381 Daraus ergibt sich folgerichtig das Verbot jeglicher Strafbegründung und Strafschärfung durch ungeschriebenes Recht, gleichviel, ob es sich dabei um Gewohnheitsrecht oder sonst ungeschriebenes Recht handelt. 382 Es gelten ein strikter Vorbehalt des Strafgesetzes (Rdn. 54, 118) und das Verbot des Gewohnheitsrechts in malam partem (Rdn. 169). Dabei ist insbesondere umstritten, inwieweit Gewohnheitsrecht im Bereich des Allgemeinen Teils auch in malam partem zulässig ist (Rdn. 171 ff).
108
109
Hinzu tritt ein im Grundsatz an den Gesetzgeber gerichtetes Gebot, diese Strafrechtssätze hinreichend bestimmt zu fassen (nullum crimen, nulla poena sine lege certa), um Strafen auf der Grundlage ungenauer und damit manipulierbarer Gesetze auszuschließen (Rdn. 179 ff). Durch das Bestimmtheitsgebot soll dem Bürger ermöglicht werden, das strafrechtlich verbotene Verhalten zu erkennen und sein Verhalten danach auszurichten. Verstößt der Gesetzgeber hiergegen, so führt dies zur Verfassungswidrigkeit der Strafnorm (Rdn. 54). 383 Darüber hinaus richtet sich das Bestimmtheitsgebot auch an den Richter, der bei unbestimmten Tatbestandsmerkmalen im Wege der verfassungskonformen Auslegung den Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG entsprechen muss (Rdn. 326 ff).
110
Das Verbot der strafbegründenden und strafschärfenden Analogie 384 (nullum crimen, nulla poena sine lege stricta) bindet den Rechtsanwender an den möglichen Wortsinn, der nicht zum Nachteil des Strafrechtsunterworfenen überschritten werden darf (Rdn. 238 ff). Es dient der Absicherung der Garantiefunktion des Strafgesetzes und ergänzt das Bestimmtheitsgebot, indem es dem Strafrichter untersagt, einen gesetzlichen Straftatbestand auf einen von ihm „an sich" nicht erfassten, rechtsähnlichen Fall (Lebenssachverhalt) zu erstrecken. Sowohl die Gesetzesanalogie, bei der die Übertragung einer einzelnen Rechtsregel auf einen im Gesetz nicht geregelten anderen Fall im Wege eines Ähnlichkeitsschlusses erfolgt, als auch die Rechtsanalogie, bei der ein aus mehreren Vorschriften abzuleitender Rechtsgedanke übertragen wird, sind im Strafrecht unzulässig (Rdn. 244). 385 Dabei ist es erforderlich, die verbotene Analogie von der erlaubten Aus-
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379
380 381
382 383
384
Vgl. dazu Krahl S. 284 ff; Roxin AT I § 5 Rdn. 7 ff. BVerfGE 32 346, 362; 33 206, 219. Rudolphi SK Rdn. 4; Sch/Schröder/Eser Rdn. 8. BVerfGE 75 329, 340. Vgl. nur BVerfGE 105 135, 152 ff; Schmitz MK Rdn. 6; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18. Nach h.M. handelt es sich hierbei um eine vierte selbständige Gewährleistung des
385
Gesetzlichkeitsprinzips; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 163; Krey Strafe Rdn. 35 ff, 106 ff; Rudolphi SK Rdn. 5; siehe auch D. Felix S. 194, 201; Schroeder N J W 1999 89. Teilweise wird hierin eine Konsequenz des Bestimmtheitsgebots gesehen, so Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 13. BVerfGE 41 261, 263; 75 329, 340.
Gerhard D a n n e c k e r
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
legung des Gesetzes abzugrenzen (Rdn. 247 ff). Weiterhin muss die Auslegung den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen (Rdn. 291 ff). 112
Als weitere Unterausprägung des Gesetzlichkeitsprinzips ist das Rückwirkungsverbot (nullum crimen, nulla poena sine lege praevia) zu nennen (Rdn. 360 ff): Die Strafrechtssätze müssen zur Tatzeit gültig und anwendbar sein, 386 dürfen demnach mit rückwirkender Kraft weder erlassen werden noch zur Anwendung kommen. 3 8 7 Dies gilt auch für nach Tatbegehung erfolgende Strafschärfungen. Das Rückwirkungsverbot richtet sich sowohl an den Gesetzgeber als auch an den Strafrichter.
113
Alle vier Ausformungen des Gesetzlichkeitsprinzips 388 gehören eng zusammen und bringen erst in ihrer Gesamtheit die Aufgabe des Gesetzlichkeitsprinzips zustande, die darin liegt, die Strafrechtspflege verlässlich, voraussehbar, täuschungsfrei und nachprüfbar zu machen. 3 8 9
114
1. Vorbehalt des Strafgesetzes und Verbot des Gewohnheitrechts. Art. 103 Abs. 2 GG gebietet formell, dass die Strafbarkeit und die Art der Strafen grundsätzlich in einem parlamentarischen Gesetz bestimmt sein müssen (nullum crimen sine lege scripta). 390 Insoweit wird der allgemeine Gesetzesvorbehalt konkretisiert, um den Normadressaten dahingehend zu schützen, dass für ihn vorhersehbar ist, welches Verhalten strafbar ist. 3 9 1 Dennoch darf die verhaltenssteuernde Wirkung von Strafgesetzen (Rdn. 54) nicht überschätzt werden. 3 9 2 Wichtiger ist, dass objektivrechtlich sichergestellt werden soll, dass der parlamentarische Gesetzgeber und nicht die Exekutive oder Judikative über die Strafbarkeit der Bürger entscheidet 393 und der Strafrichter an das geschriebene Gesetz hinsichtlich der Rechtsquelle gebunden ist (Rdn. 54 ff).
115
Straftatbestände sind vielfach auf eine Ausfüllung durch andere Rechtsakte angelegt und angewiesen. Da sich der parlamentarische Strafgesetzesvorbehalt nur auf die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit und Straffolge erstreckt, ist es nicht erforderlich, dass alle Einzelheiten in einem Gesetz im formellen Sinn geregelt sind. Vielmehr kann in Strafgesetzen auch auf Ausfüllungsnormen verwiesen werden (Rdn. 125 ff). In der strafrechtlichen Literatur wird die Konkretisierungsbedürftigkeit des Strafgesetzes durch einen weiteren Rechtsakt der Legislative oder Exekutive in der Regel als Problematik der Blankettstrafgesetze behandelt (Rdn. 148 ff). Außerdem ist strafbegründendes und strafschärfendes Gewohnheitsrecht mit § 1 und Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar; dies-
386
387
388
389 390
Vgl. BVerfGE 14 178, 185; 2 5 269, 285; 32 346, 362; 4 4 308, 313. BVerfGE 7 111, 119; 4 4 297, 300; 75 329, 340. Marxen GA 1985 535 ff entnimmt dem Gesetzlichkeitsprinzip weiterhin das Verbot einer experimentellen Strafgesetzgebung. Hiergegen spricht jedoch, dass angesichts der Aufgabe des Gesetzgebers zur Planung und Gestaltung jedes Gesetz die Vermutung einer dauerhaften Regelung in sich trägt. Deshalb hat das BVerfG die Unterscheidung zwischen Dauer- und Maßnahmegesetz zu Recht für verfassungsrechtlich irrelevant erklärt (BVerfGE 25 371, 396). Hassemer/Kargl NK Rdn. 13. BVerfGE 75 329, 3 4 2 ; 78 374, 382; 85 69;
112
391
392
393
72; 87 399, 411; Dannecker S. 2 2 2 f; Degenhart in Sachs Art. 103 Rdn. 60; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 24. BVerfGE 87 399, 411; Appel S. 117 f; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 43; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 24; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 241 m.w.N.; krit. Grünwald FS Arthur Kaufmann 433, 4 3 5 ff. Dannecker S. 2 5 9 ; Ransiek S. 14 ff; Schünemann Nulla poena S. 12 ff; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 45. BVerfGE 71 108, 114; 87 399, 411; 89 209, 2 2 4 ; Schütz Strafe S. 55; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 248.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
bezüglich ist insbesondere problematisch, inwieweit dies auch für den Allgemeinen Teil des Strafrechts gilt (Rdn. 169, 171 ff). a) Verweisung der Strafnormen auf andere Rechtsakte. Gesetz im Sinne des § 1 meint die einzelne gesetzliche Vorschrift, nicht das Gesetzeswerk im Ganzen. 3 9 4 Als gesetzliche Vorschriften in diesem Sinne kommen nach h.M. alle geschriebenen Normen (leges scriptae) in Betracht, die aus einer verfassungsmäßig anerkannten Rechtsquelle stammen. 3 9 5 Deshalb kann in formellen Strafgesetzen nicht nur auf andere förmliche Gesetze (Rdn. 117), sondern auch auf andere Normen wie Rechtsverordnungen (Rdn. 126 ff), Satzungen (Rdn. 129 ff) und (normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften (Rdn. 132) sowie auf administrative Einzelentscheidungen (Rdn. 133) verwiesen werden. Dabei steht außer Frage, dass die Gesetzeskette lückenlos sein muss. 3 9 6
116
aa) Gesetzesbegriff des Art. 103 Abs. 2 GG und des § 1 StGB. „Gesetze" sind in erster Linie formelle Gesetze, also Rechtsnormen, die im vorgeschriebenen Gesetzgebungsverfahren beschlossen worden sind. Es kann sich im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 7 2 , 74 Nr. 1 GG) um Bundes- oder Landesrecht handeln. Fraglich ist allerdings, ob der strafrechtliche Gesetzesvorbehalt ein formelles Gesetz erfordert oder ob auch materielle Gesetze, insbesondere Rechtsverordnungen ausreichen, um den Anforderungen des Gesetzlichkeitsprinzips zu entsprechen.
117
Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet als Gesetz im Sinne des Art. 103 Abs. 2 G G nicht nur formelle Gesetze, sondern auch Rechtsverordnungen, die im Rahmen von Ermächtigungen ergangen sind (BVerfGE 14 174, 185; 51 6 0 , 73) sowie kommunale Satzungsvorschriften (BVerfGE 32 2 4 6 , 3 6 3 ; 3 8 3 4 8 , 371 f; 71 108, 114 ff). 3 9 7 Es geht damit von einem materiellen Gesetzesbegriff aus. Allerdings wird teilweise auch betont, Art. 103 Abs. 2 G G enthalte einen strengen Gesetzesvorbehalt (BVerfGE 4 7 109, 120; 91 1, 11 f) bzw. setze diesen voraus (BVerfGE 14 174, 185; 2 9 183, 196; 7 3 2 0 6 , 2 3 4 ) . Hier wird deutlich, dass das materielle Verständnis des Gesetzesbegriffs auf der Blankettdefinition beruht: Wenn der Straftatbestand bei Blanketten durch Verweisungs- und Ausfüllungsnorm gebildet und die Ausfüllungsnorm in das Blankett inkorporiert wird, erstrecken sich die Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 G G auch auf die Ausfüllungsvorschrift, sofern es sich hierbei um eine Rechtsverordnung handelt, die den Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 G G genügt. Hiergegen spricht jedoch, dass der strafrechtliche Gesetzesvorbehalt eine Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers erfordert (Rdn. 54), und eine solche ist nur gewährleistet, wenn Art. 103 Abs. 2 G G ein formelles Gesetz erfordert. Deshalb ist - entgegen der h . M . 3 9 8 - bei Art. 103 Abs. 2 G G nicht von einem einheitlichen Gesetzesbegriff auszugehen: Während beim Bestimmtheitsgebot ein weiter Gesetzesbegriff zugrunde zu legen ist, der alle geschriebenen Normen umfasst, die aus einer verfassungsmäßig anerkannten Rechtsquelle fließen 3 9 9 und damit die objektiv-individuelle Vorhersehbarkeit für den Bürger garantieren, erfordert der Gesetzesvorbehalt im Interesse der demokratischen Legitimation des Freiheitseingriffs durch Strafrecht einen formellen Gesetzesbegriff: Das förmliche Gesetz muss bei echten Blankettgesetzen, bei denen nur die verweisende Vorschrift ein formelles Gesetz ist
118
395
Tröndle/Fischer Rdn. 2a. Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 47; Rudolphi SK Rdn. 4; Sch/Schröder/Eser
396
Rdn. 8. OLG Stuttgart NStZ-RR 1999 379. Vgl. auch BVerfG NStZ 1990 394.
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Käckell S. 228 ff; Sch/Schröder/Eser
§2
Rdn. 4 9 m.w.N. 399
Vgl. nur Rudolphi SK Rdn. 4; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 8; Tröndle/Fischer Rdn. 2 Vor § 1; jew. m.w.N.
Gerhard Dannecker
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
( R d n . 1 5 0 ) , auf der Tatbestandsseite nicht nur den geschützten Wert (so die h . M . ) , sondern auch die strafbaren Verhaltensweisen beschreiben ( R d n . 1 2 7 ) . 4 0 0 Hingegen reicht es bei unechten Blankettgesetzen, da sowohl das verweisende als auch das in Bezug genommene Gesetz formelle Gesetze sind, aus, wenn der abstrakte Pflichtenverstoß und der geschützte W e r t aus dem formellen Gesetz hervorgehen, während der k o n k r e t e U m f a n g der Pflicht sich auch durch Auslegung ergeben k a n n . 4 0 1 119
Spezifizierende Vorschriften (näher dazu R d n . 1 2 7 ) müssen nicht in einem formellen Gesetz enthalten sein. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Regelungstechnik des parlamentarischen Gesetzgebers sind dahingehend zu interpretieren, dass dieser entscheiden muss, o b er auf Gemeinschafts-, Landes-, k o m m u n a l e s oder administratives R e c h t verweist. E r selbst muss die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit bestimm e n . Die rechtsstaatlich-demokratische K o m p o n e n t e des Gesetzlichkeitsprinzips erfordert - entgegen der h . M . , die auch Rechtsverordnungen ausreichen lässt (Rdn. 127) - die F ö r m l i c h k e i t des Gesetzes für die wesentlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen entsprechend der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts ( B V e r f G E 4 9 89, 1 2 6 ) . Diesen Anforderungen tragen jedenfalls die neueren Blankettgesetze Rechnung, bei denen das Schutzgut aus dem Gesetz selbst oder dem Gesetzeszusammenhang entnommen werden kann und die zumindest generische A n g a b e n des deliktischen Verhaltens vorgeben. Die untergesetzlichen Akte dürfen U m f a n g und Inhalt der Strafbarkeitsvoraussetzungen nicht selbst kraft Delegation gestalten. Sie k ö n n e n nur die gesetzgeberische Entscheidung konkretisieren oder, wie das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, spezifiz i e r e n . 4 0 2 Eine über die bloße Spezifizierung hinausgehende Konkretisierung des förmlichen Gesetzes durch Gesetze im materiellen Sinne ist mit dem rechtsstaatlich-demokratischen Gehalt des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nicht vereinbar.
120
Im Gegensatz zur neuen Verabschiedung des ganzen Inhalts eines schon bisher geltenden und nur zum Teil geänderten Gesetzes durch die gesetzgebenden Körperschaften selbst und zur Verkündung des derart neu gesetzten R e c h t s 4 0 3 ist die Bekanntmachung eines Gesetzes durch einen Bundesminister kein konstitutiver gesetzgeberischer Akt. Er unterliegt daher nicht Art. 1 0 3 Abs. 2 G G .
121
Gilt ein Strafgesetz des früheren Reichsrechts, das nicht aufgehoben worden ist, nach Art. 1 2 3 Abs. 1 und Art. 1 2 5 G G als Bundes- oder Landesrecht fort, so verstößt dies nicht gegen Art. 1 0 3 Abs. 2 G G . D u r c h die Überleitung bestehender Strafvorschriften wird die Strafbarkeit nicht neu oder erstmals begründet. D a s von dem normalen Gesetzgebungsverfahren abweichende Fortgelten von altem R e c h t kann nicht gegen eine andere Verfassungsbestimmung von gleichem R a n g verstoßen. Die verfassungsrechtliche G a r a n tie, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde, wird jedenfalls durch die Z u o r d n u n g der Strafvorschrift zur Landesgesetzgebung nicht verletzt. 4 0 4 Eine Ersatzfreiheitsstrafe kann nicht an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe treten, wenn die Verurteilung zur Geldstrafe nicht auf einer gültigen Strafvorschrift b e r u h t . 4 0 5
122
Ein S o n d e r p r o b l e m stellen Anweisungen des EG-Gesetzgebers an die Mitgliedstaaten dar, S t r a f n o r m e n einzuführen. In diesem Bereich werden den Mitgliedstaaten zunehmend
400
401
402
Enderle S. 216 ff; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 254 ff, 258. Vgl. BVerfGE 75 329, 342; 87 399, 407; Appel S. 129. Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 253.
114
403 404
405
BVerfGE 8 210, 213; 10 185, 191 f. BVerfGE 33 206, 219 f; Pieroth in Jarass/ Pieroth Art. 103 Rdn. 45. BVerfGE 14 254, 259.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
detaillierte Vorgaben zum Inhalt der Sanktionsnormen gemacht. 4 0 6 Teilweise werden die strafbaren Handlungen sogar wörtlich vorgegeben; weiterhin finden sich Mindestvorschriften für Art und Höhe der Strafen. 4 0 7 Wenn vorformulierte Verbotsregelungen vorgegeben werden, ist den Mitgliedstaaten die „Tatbestandskompetenz", so Tiedemann, entzogen. 4 0 8 Hiergegen werden von der h.M. keine grundsätzlichen Bedenken erhoben, da den nationalen Parlamenten nur irgendein Entscheidungsspielraum zustehen müsse, und dieser sei bei den Sanktionen gegeben. 409 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, soweit es sich tatsächlich um strafwürdiges und strafbedürftiges Verhalten handelt und die Ausgestaltung des Straftatbestands rechtsstaatlichen Anforderungen entspricht. 410 Dies ist nicht gewährleistet, wenn verwaltungsrechtliche Normen in Bezug genommen werden, die dem verwaltungsrechtlichen Vorsorgeprinzip 411 Rechnung tragen, so wenn lebensmittelrechtliche Verbotsnormen in Bezug genommen werden, die das Inverkehrbringen von potentiell gesundheitsschädlichen Lebensmitteln verbieten und das Gefahrenpotential von den Auswirkungen auf nachfolgende Generationen abhängig machen (Art. 14 Abs. 4 lit. a Basisverordnung). Denn das Vorsorgeprinzip weist den konzeptionellen Nachteil auf, dass es seinem Ansatz nach auf unbegrenzte Ausweitung angelegt ist und deshalb auch keine immanenten Grenzen kennt. Es lässt sich gegenständlich, räumlich und zeitlich unbegrenzt ausdehnen und eröffnet damit immer weiterreichende Inpflichtnahmen sozialen Verhaltens. 412 Deshalb taugt eine solche Norm nicht als Grundlage für eine Strafbewehrung. 413 Die damit einhergehende extreme Vorverlagerung des Gesundheitsschutzes 414 ist mit so erheblichen Bewertungs- und Feststellungsunsicherheiten verbunden, dass solche Normen die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit im Strafrecht nicht erfüllen (näher dazu Rdn. 166). 415 Hierbei handelt es sich nicht nur um ein punktuelles Problem des Lebensmittelrechts. Denn die Kommission gesteht dem Vorsorgeprinzip in ihrer Mitteilung den Status eines allgemeinen Grundsatzes für den gesamten Umweltund Gesundheitsbereich 416 zu. 4 1 7 Davon erfasst sein sollen all jene Fälle, in denen zwar Unsicherheit, aufgrund einer vorläufigen objektiven wissenschaftlichen Bewertung aber auch berechtigter Grund für die Besorgnis besteht, dass die möglichen Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen nicht hinnehmbar oder mit dem hohen Schutzniveau der Gemeinschaft unvereinbar sein könnten. Wenn in solchen Fällen der Bürger in die Problemlösung durch Ge- und Verbote eingebunden wird, eignen sich solche Rechtssätze nicht als Anknüpfungspunkte für das Strafrecht. Vielmehr bedarf es zunächst konkretisierender Akte, z.B. des Erlasses von Verwaltungsakten (Rdn. 133), deren Verletzung dann unter Sanktionsandrohung gestellt werden kann. Auf
406 407 408
409
410
411
412
Vgl. dazu Sieber ZStW 103 (1991) 957, 965. Böse R.A.E. - L.E.A. 2001 - 2002 S. 103 ff. So Tiedemann NJW 1993 23, 26; zustimmend Kühne J Z 1998 1070 f; vgl. auch Rupp Z R P 1990 1, 3 m.w.N. So Gröblinghoff S. 127 ff, 135 f; Tiedemann FS Roxin 1401, 1404; enger Moll S. 270 ff. Näher dazu Dannecker ZStW 117 (2005) 698, 724 f. Vgl. dazu Appel in Schmidt/Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.) Methoden der Verwaltungswissenschaft (2004) S. 327, 330 ff; Holle ZLR 2004 307 ff; jeweils m.w.N. Eingehend dazu Appel in Hendler/Marbur-
413 414
4,5 416
417
ger/Reinhardt/Schröder (Hrsg.) Das europäische Weißbuch zur Chemikalienpolitik (2003) S. 95 ff. Dannecker ZStW 117 (2005) 697, 725 ff. Näher dazu von Danwitz ZLR 2001 209, 219 ff; Gorny ZLR 2001 501, 509 ff. Dannecker ZStW 117 (2005) 697, 725. Mitteilung der Kommission über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, K O M (2000) 1, Brüssel 2.2.2000; vgl. dazu Falke ZUR 2000 265. Vgl. dazu auch Trute Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im Bundesimmissionsschutzgesetz (1989) passim.
Gerhard Dannecker
115
§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
diese Weise kann die erforderliche Vorhersehbarkeit hergestellt werden. E b e n s o ist es unzulässig, in Strafgesetzen auf gemeinschaftsrechtliche „ P r o g r a m m s ä t z e " zu verweisen bzw. solche zur Konkretisierung strafrechtlicher N o r m e n heranzuziehen. So darf nicht auf Art. 19 B a s i s V O zurückgegriffen werden, w o n a c h der Inverkehrbringer eines unsicheren Lebensmittels verpflichtet ist, „die Verbraucher effektiv und genau über den G r u n d für die R ü c k n a h m e " eines unsicheren Lebensmittels zu unterrichten, um die strafrechtliche Pflicht aus § 13 zu konkretisieren. 4 1 8 123
bb) Gesetzesbegriff des Art. 1 0 4 Abs. 1 S. 1 GG. Bei Art. 1 0 4 Abs. 1 S. 1 G G ergibt sich bereits aus dem W o r t l a u t dieser Verfassungsnorm, dass Grundlage einer freiheitsbeschränkenden M a ß n a h m e nur ein formelles Gesetz sein darf. Diese Verfassungsvorschrift schützt die körperliche Bewegungsfreiheit vor Verhaftung, Festnahme und ähnlichen Eingriffen, also vor unmittelbarem Z w a n g . 4 1 9 Deshalb ist, wenn Freiheitsstrafe angedroht wird, g e m ä ß Art. 1 0 4 Abs. 1 S. 1 G G stets ein förmliches Gesetz (oder eine ihm gleichstehende gesetzesvertretende Verordnung, R d n . 1 2 5 ) e r f o r d e r l i c h . 4 2 0 D a s Bundesverfassungsgericht leitet aus Art. 1 0 4 Abs. 1 S. 1 G G für die Verfassungsmäßigkeit echter Blankettstrafgesetze ab, dass ein förmliches Gesetz vorliegen muss und Rechtsverordnungen, wenn Freiheitsstrafe angedroht wird, nicht ausreichen. Eine Rechtsverordnung soll selbst dann kein förmliches Gesetz im Sinne des Art. 1 0 4 Abs. 1 S. 1 G G sein, wenn sie auf G r u n d einer im förmlichen Gesetz enthaltenen Ermächtigung erlassen w o r d e n ist. Deshalb müssten die Voraussetzungen, unter denen der Eingriff als solcher überhaupt zulässig ist, und die N a t u r des Eingriffs in dem förmlichen Gesetz selbst geregelt sein (BVerfGE 14 174, 1 8 6 f). D a m i t vertritt das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Strafgesetze, die Freiheitsstrafe androhen, dasselbe Ergebnis, das hier für alle Strafgesetze vertreten wird (Rdn. 118).
124
Allerdings lässt das Bundesverfassungsgericht auch im R a h m e n des Art. 1 0 4 Abs. 1 S. 1 G G eine Spezifizierung durch den Verordnungsgeber zu (BVerfGE 14 1 7 4 , 1 8 7 ) . D e m steht der W o r t l a u t des Art. 1 0 4 Abs. 1 G G nicht im Wege, verlangt dieser doch nur, dass die Freiheitsstrafe „auf G r u n d eines förmlichen Gesetzes" verhängt werden m u s s . 4 2 1 In den ersten Entscheidungen prüfte das Bundesverfassungsgericht die Anforderungen des Art. 1 0 4 Abs. 1 G G bei Strafgesetzen, die Freiheitsstrafen androhten, grundsätzlich separ a t . 4 2 2 Seit B V e r f G E 14 2 4 5 , 2 5 2 f geht das Gericht von einem Gesamtanforderungsprofil der Art. 1 0 3 Abs. 2 , 8 0 Abs. 1, 1 0 4 Abs. 1 G G an Strafblankette a u s 4 2 3 oder spricht von „dem in Art. 1 0 3 Abs. 2 G G vorgeschriebenen, dem Art. 1 0 4 Abs. 1 G G ähnlichen G e b o t bestimmter gesetzlicher R e g e l u n g " (BVerfGE 2 9 1 8 3 , 1 9 6 ) . Auch wenn für die Verordnung die Vorgaben des Art. 8 0 Abs. 1 S. 2 G G Bedeutung erlangen, darf dies nicht dazu führen, dass Abstriche gegenüber den aus Art. 1 0 3 Abs. 2 G G resultierenden Bestimmtheitsanforderungen gemacht werden. Im Bereich des Strafrechts k a n n Art. 8 0 Abs. 1 S. 2 G G nicht isoliert vom Bestimmtheitsgebot des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G gesehen
418 419 420
Dannecker ZStW 117 (2005) 697, 725. BVerfGE 22 21, 26. BVerfGE 14 174, 186, 254; 75 329, 342; OLG Hamburg GA 1964 56; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 8; aA OLG Düsseldorf NJW 1961 1831; OLG Köln NJW 1962 1214; kritisch auch Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 251 ff.
116
421
422 423
Vgl. Veit S. 99; Krey EWR 1981 109, 184; Satzger Europäisierung S. 248. Näher dazu Enderle S. 213 f. BVerfGE 22 1, 19; 51 60, 70; 78 205, 213; 374, 383; BVerfG NJW 1992 35; BVerfG NJW 1992 107.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
werden. Vielmehr gilt Art. 8 0 G G in einer „strafrechtstypischen Verschärfung" (BVerfGE 51 6 0 , 71 ) . 4 2 4 cc) Gesetzesvertretende Verordnungen. Für Art. 103 Abs. 2 (und demnach auch für § 1) und Art. 104 Abs. 1 S. 1 G G sind die mit dem Rang eines förmlichen Gesetzes erlassenen gesetzesvertretenden Verordnungen der Weimarer Zeit den förmlichen Gesetzen im Sinne des Grundgesetzes ebenso gleich zu achten wie die vom Reichstag der Weimarer Zeit beschlossenen Gesetze. 4 2 5 Gesetzesvertretende Verordnungen können unter der Geltung des Grundgesetzes nicht mehr erlassen werden. Die Gültigkeit der früheren gesetzesvertretenden Verordnungen bleibt durch Art. 129 Abs. 3 G G aber unberührt. Diese Vorschrift knüpft an die von der Staatsrechtslehre der Weimarer Zeit vorgenommene Unterscheidung zwischen gesetzesvertretenden (das heißt, den Vorrang des Gesetzes besitzenden) Verordnungen und einfachen Verordnungen an. Da nach Art. 129 Abs. 3 G G in Verbindung mit Art. 123 Abs. 1 G G nur die Ermächtigungen erlöschen, die den „an Stelle von Gesetzen" erlassenen Verordnungen zugrunde liegen, und da gesetzesvertretende Verordnungen seit Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht mehr ergehen können, ergibt sich aus Art. 129 Abs. 3 G G , dass die Fortgeltung dieser Verordnungen vom Grundgesetz als ranggleich mit förmlichen Gesetzen zu erachten sind. 4 2 6
125
dd) Rechtsverordnungen. Unter den Gesetzesbegriff des Art. 103 Abs. 2 G G fallen nach der h . M . in Rechtsprechung und Literatur (Rdn. 118) ferner Rechtsverordnungen, die im Rahmen einer nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmten Ermächtigung (Art. 80 Abs. 1 G G ) von einer Behörde erlassen worden sind. 4 2 7 Wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach ausgeführt hat, unterliegt die inhaltliche Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm für Eingriffe und zumal für Strafgesetze strengen Anforderungen: Der Gesetzgeber muss die Ermächtigung zur Strafdrohung unzweideutig aussprechen und Inhalt, Z w e c k und Ausmaß der Ermächtigung so genau umreißen, dass die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe aus der Ermächtigung oder der auf sie gestützten Verordnung voraussehbar sind. 4 2 8 Dabei ist nach der Rechtsprechung keine Festlegung aller Einzelheiten erforderlich; vielmehr soll es ausreichen, wenn „mögliche Straftatbestände einschließlich der Schuldform und der Art und des Höchstmaßes der Strafe nach den anerkannten Regeln juristischer Auslegung hinreichend deutlich bestimmt" werden k ö n n e n . 4 2 9
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425 426 427
Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 1 0 3 II Rdn. 2 1 0 ; Veit S. 9 9 ; zustimmend Satzger Europäisierung S. 2 4 8 ; aA Schiinemann FS Lackner 367, 3 7 9 Fn. 4 2 . BVerfGE 2 2 1, 12 f. BVerfGE 2 2 1, 12. BVerfGE 14 174, 185; 2 2 21, 2 5 ; 3 2 3 4 6 , 3 6 2 ; 3 8 3 4 8 , 3 7 1 ; 51 6 0 , 7 3 ; 7 5 3 2 9 , 3 4 2 ; 7 6 3 7 4 , 3 8 2 ; 7 8 3 7 4 , 3 8 2 ; BVerfG N S t Z - R R 2 0 0 1 2 2 ; von Danwitz iura 2 0 0 2 9 3 ff; Jescheck/Weigend AT § 13 II, § 15 III; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Bd. 3 Art. 1 0 3 Rdn. 2 2 ; Rudolphi SK Rdn. 4 ; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 1 0 3 II Rdn. 183, 2 0 9 ; Eser Rdn. 8.
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2 5 1 , 2 5 8 ; 14 175, 185 f; 2 2 21, 2 5 ; 51 7 3 ; 7 5 3 4 1 ; 7 8 3 7 4 , 3 8 2 f; BVerfG N Z V 1 9 9 6 2 8 4 , 2 8 5 ; BVerfG N S t Z - R R 2 0 0 1 2 2 ; O L G Koblenz N J W 1 9 9 9 3 1 3 6 ; Enderle S. 1 8 7 ff; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 1 0 3 Rdn. 2 3 ; Maurach/Zipf AT/1 § 10 Rdn. 11; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 1 0 3 Rdn. 4 5 ; Schmidt-Aßmann in M a u n z / D ü r i g Art. 1 0 3 II Rdn. 2 1 0 ; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 1 0 3 II Rdn. 2 9 ; Wassermann A K - G G Art. 1 0 3 Rdn. 4 7 ; Zierlein in Umbach/Clemens, Grundgesetz Art. 1 0 3 Rdn. 1 2 8 ; kritisch aber Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 2 5 4 ff.
Sch/Schröder/ 429
BVerfGE 3 2 3 4 6 , 3 6 3 .
BVerfGE 1 14, 6 0 ; 2 3 0 7 , 3 3 4 ; 5 71, 7 6 ; 10
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§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
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Dem Verordnungsgeber darf folglich nur die Spezifizierung des Straftatbestands überlassen bleiben. 430 Dies ist unproblematisch, wenn es um eine detaillierte Regelung überwiegend technischer Fragen auf einer (auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage beruhenden) Rechtsverordnung geht. 431 Die h.M. fordert, dass der Gesetzgeber im förmlichen Gesetz zumindest eine normative Wertbestimmung vorgibt, welche den Rahmen des Strafbaren angibt (BVerfGE 22 1, 25). Dies hat zwar zur Folge, dass nicht der bloße Ungehorsam inkriminiert werden darf, sondern sichergestellt ist, dass nur materiell wertwidrige Verhaltensweisen als strafbar erfasst werden. Trotz dieser gesetzlichen Inhaltsbestimmung der Strafbarkeit bleiben Bedenken hinsichtlich des Gesetzlichkeitsprinzips des Art. 103 Abs. 2 GG bestehen, da die Beschränkung der gesetzgeberischen Vorgabe auf eine Wertverletzung sämtliche die Wertverwirklichung störenden Verhaltensweisen potenziell umfasst, so dass die Verwaltung zu einer sehr weitgehenden Entscheidung über die Ausgestaltung der Strafbarkeit ermächtigt ist. Letztlich bleiben Art und Umfang der Ausgestaltung des Wertschutzes, über die generelle Tendenz der schützenden untergesetzlichen Akte, über Vorverlagerung oder Zurückziehung der strafrechtlichen Verteidigungslinien usw. offen. 4 3 2 Diese Offenheit stellt sich nicht mehr als bloße Spezifizierung von gesetzgeberischen Entscheidungen dar, sondern erfordert weitreichende eigene Wertungen der Verwaltung, wodurch das Entscheidungsmonopol des Gesetzgebers über Inhalt und Umfang des Strafbaren unterlaufen wird. Außerdem besteht die Gefahr, dass die objektiv-individuelle Vorhersehbarkeit für den Bürger zur Fiktion wird, wenn es um den Strafschutz von Anordnungen geht, die nur mittelbar dazu dienen, die Ordnung und Sicherheit (z.B. im Straßenverkehr) zu erhalten. 433 Dies wird besonders deutlich, wenn der Bundesgerichtshof unter Billigung des Bundesverfassungsgerichts 434 bezüglich des strafrechtlichen Schutzes des Verkehrsunterrichts davon ausgeht, dass jeder Bürger damit rechnen „kann und muß", dass jedes wirksam erlassene staatliche Gebot oder Verbot strafbewehrt ist. 4 3 5 Dieser Schluss von der Existenz einer verwaltungsrechtlichen Regelung auf die Vorhersehbarkeit ihrer strafrechtlichen Relevanz bedeutet eine „völlige Entwertung des Kriteriums der Vorhersehbarkeit als eigenes Moment im Strafrecht". 4 3 6 Deshalb ist entgegen der h.M. zusätzlich zur Erkennbarkeit des geschützten Wertes dessen Verbindung mit der Handlung bereits im abstrakten Gesetz zu fordern, indem auch die strafrechtlich relevanten Verhaltensumschreibungen im förmlichen Gesetz geregelt werden. 437
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Ebenso wie das nachträgliche Erlöschen 438 ist auch die nachträgliche Änderung einer Ermächtigung ohne Einfluss auf den Rechtsbestand der vor ihrer Änderung ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnungen. 439 Der Angeklagte kann nur nach der Bestimmung desjenigen Gesetzes oder der mit gesetzlicher Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnung bestraft werden, durch welche die Strafbarkeit begründet ist. Die Bestrafung auf Grund einer nicht auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Verordnung kann nicht
430
431 432 433
BVerfGE 14 174, 186 f; 14 245, 254, 2 5 7 f; 22 1, 19; 2 3 265, 2 7 0 ; 37 201, 2 0 9 ; 51 60, 70 f; 65 248, 2 5 8 ff; 75 329, 3 4 2 ; 76 374, 383; BVerfG N J W 1992 107; Bringewat Rdn. 254; Enderle S. 211 f; Pieroth/Schlink Grundrechte Rdn. 1090; vgl. auch Clemens AöR 111 (1986) 63, 112 f. BVerfGE 75 329, 345. Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 258. Näher dazu Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 2 5 4 ff.
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BVerfGE 2 2 21, 25. BGHSt 21 135, 136. So zutreffend Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 255. So zutreffend Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 2 5 8 ff. BVerfGE 9 3, 12; 12 341, 347. BVerfGE 14 245, 249.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
damit gerechtfertigt werden, dass die Strafbarkeit in einer anderen Vorschrift bestimmt gewesen sei. 440 cc) Satzungen. Schließlich umfasst der Gesetzesbegriff auch Satzungen. 441 So können 1 2 9 in Gemeindesatzungen wirksame Strafgesetze enthalten sein, 442 wenn sie auf einer ausreichenden Ermächtigung durch Landesgesetz beruhen. 4 4 3 Das Bundesverfassungsgericht hat die Ermächtigung zum Erlass „bewehrter Satzungen" prinzipiell zugelassen und misst sowohl die Ermächtigung durch ein förmliches Gesetz als auch die Satzung selbst an Art. 103 Abs. 2 GG (BVerfGE 32 3 46, 361 ). 444 Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG ist insoweit nicht anwendbar. 4 4 5 Satzungen sollen sogar selbst wieder dynamisch, das heißt, auf künftiges Recht, verweisen dürfen. 4 4 6 Allerdings reichen die allgemeinen Satzungsklauseln in den Kommunalgesetzen nicht aus; dies ergibt sich aus Art. 103 Abs. 2 GG in seiner Ausprägung des Vorbehalts eines förmlichen Gesetzes. 447 Den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG ist nur Genüge getan, wenn sowohl die Satzung als auch die gesetzliche Ermächtigung hinreichend bestimmt ist. Schon aus der Ermächtigung müssen sich die möglichen Straftatbestände und die Strafe bestimmen lassen. Anderenfalls kann weder der Bürger noch der Richter abwägen, ob der Satzungsgeber zum Erlass einer bestimmten strafbewehrten Satzung überhaupt befugt war und ob die ihm übertragene Strafgewalt ausreichte. Die Ermächtigung müsse deshalb so gehalten sein, dass sich aus ihr ablesen lässt, ob der in der Satzung geregelte Straftatbestand nach den Intentionen des Gesetzgebers überhaupt statuiert und wie er bewehrt werden könnte. 4 4 8
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Die Ermächtigung braucht allerdings die Straftatbestände nicht in allen Einzelheiten zu regeln. Es genügt, wenn sich aus ihr die Wertverletzungen einschließlich der Schuldform sowie der Art und des Höchstmaßes der Strafe nach den anerkannten Regeln juristischer Auslegung hinreichend deutlich bestimmen lassen. Dabei kann der Gesetzgeber den Inhabern der Satzungsgewalt - sofern es sich nicht um unter den Gesetzesvorbehalt des Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG stehende Freiheitsbeschränkungen handelt - auch ein gewisses Ermessen hinsichtlich des Strafrahmens einräumen, um ihnen die Möglichkeit offen zu halten, den Unrechtsgehalt der pönalisierten Satzungsverstöße nach den örtlichen Ge-
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440
BVerfGE 14 174, 186. BVerfGE 32 346, 362 f; BVerfG NStZ 1990 394; BGHSt 42 79, 84 = NStZ 1996 342 m. Anm. Günther, OLG Köln N V w Z 1994 935, 936; OLG Frankfurt NStZ-RR 2000 246 f; OLG Braunschweig NStZ-RR 2004 52, 53; Degenhart in Sachs Art. 103 Rdn. 63; Enderle S. 203 f; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 103 Rdn. 24; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 45; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 30; krit. Geitmann NJW 1972 1856 ff. 442 BVerfG NStZ 1990 394 m. Anm. Mertens NStZ 1991 288. 443 Vgl. z.B. BGH N J W 1991 1691. 444 vgl. a u c j , Degenhart in Sachs Art. 103 441
445
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447 448
Rdn. 63; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 103 Rdn. 24. Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 31. So Degenhart in Sachs Art. 103 Rdn. 64; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 103 Rdn. 24a; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 215; M. Schröder W D S t R L 50 (1991) 196, 215 ff; zweifelnd Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 31. BVerfGE 32 346, 362 f; Appel S. 129 f. BVerfGE 32 346, 361 f; Enderle 200 f; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 103 Rdn. 23, 24; Schmitz MK Rdn. 19; Zierlein in Umbach/Clemens, Grundgesetz Art. 103 Rdn. 129.
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gebenheiten unterschiedlich zu b e w e r t e n . 4 4 9 Hiergegen bestehen jedoch Bedenken, weil nicht m e h r der d e m o k r a t i s c h legitimierte Gesetzgeber über den Strafrahmen als ein zentrales Kriterium der Strafe im Sinne der Wesentlichkeitstheorie entscheidet und damit dem d e m o k r a t i s c h e n G e h a l t des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nicht R e c h n u n g getragen wird ( R d n . 119). 132
ff) Verwaltungsvorschriften. Verweisungen von Strafrechtsnormen auf Verwaltungsvorschriften sind grundsätzlich, da dem Z w e c k des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G zuwiderlaufend, unzulässig. Sie k ö n n e n ein strafloses Verhalten nicht zu kriminellem Unrecht e r k l ä r e n . 4 5 0 Eine A u s n a h m e k a n n nur für normspezifizierende Verwaltungsvorschriften, wie sie sich insbesondere im U m w e l t - und Technikrecht finden, gelten, sofern die gesetzlich begründeten Pflichten lediglich näher spezifiziert werden. 4 5 1 Für die Anerkennung einer solchen W i r k u n g spricht das in Verwaltungsvorschriften angelegte Potenzial an Rechtsklarheit, denn Pflicht und Pflichtenverstoß sind für den N o r m a d r e s s a t e n in den detaillierten Verwaltungsvorschriften regelmäßig leichter vorhersehbar als in einer gesetzgeberischen Generalklausel. Allerdings darf der durch Art. 1 0 3 Abs. 2 G G garantierte Gesetzesvorbehalt nicht gänzlich aufgegeben werden. Deshalb muss die Verwaltungsvorschrift in der strafrechtlichen Verweisungsnorm genau bezeichnet sein und ihrerseits rechtsstaatlichen Publizitätserfordernissen g e n ü g e n . 4 5 2 Solche Erlass- und Bekanntgabeverfahren sehen insbesondere umweltrechtliche Gesetze wie das Abfallbeseitigungsgesetz, das Bundesimmissionsschutzgesetz und das Wasserhaushaltsgesetz vor. N u r die so qualifizierten Vorschriften, die zwischen den gesetzesinterpretierenden und den gesetzesvertretenden Verwaltungsvorschriften stehen, können als normspezifizierende V e r w a l t u n g s v o r s c h r i f t e n 4 5 3 den Anforderungen des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G entsprechen. Sie sind in dem M a ß e , in dem sie Verwaltungsgerichte b i n d e n , 4 5 4 auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G ausreichend.
133
gg) Verwaltungsakte. Strafrechtsnormen dürfen grundsätzlich auch auf Verwaltungsakte Bezug n e h m e n , 4 5 5 wie dies insbesondere im Umweltstrafrecht der Fall ist, soweit Anordnungen dort Auflagen und Untersagungen in Bezug nehmen. So hat der Z w e c k des § 3 2 7 Abs. 2 Nr. 1, dem Betreiben genehmigungsbedürftiger Anlagen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes ohne die erforderliche G e n e h m i g u n g auch mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzuwirken, zwangsläufig eine enge Verzahnung von Strafrecht und Verwaltungsrecht zur F o l g e . 4 5 6 D a b e i k a n n die Strafbarkeit auch an einen sofort vollziehbaren, aber n o c h nicht unanfechtbaren Verwaltungsakt geknüpft w e r d e n , 4 5 7
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BVerfGE 32 346, 362 f; 38 348, 371 f; Enderle S. 200 f; Geitmann NJW 1972 1856 f; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 103 Rdn. 23, 24; SchmidtBleibtreu/Klein Art. 103 Rdn. 9; Schmitz MK Rdn. 19; BGHSt 11 241, 252; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 248 ff m.w.N. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 215; M. Schröder W D S t R L 5 0 (1991) 196, 218. Degenhart in Sachs Art. 103 Rdn. 64; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 215. Ossenbühl HStR Bd. 3 § 65 Rdn. 17 ff, 55 ff.
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Ossenbühl HStR Bd. 3 § 65 Rdn. 60; s. auch BVerfGE 78 214, 227; BVerwG NVwZ 1988 824 f. BVerfGE 78 374, 382 f; BVerfG NJW 1987 3176; OLG Saarbrücken NJW 1988 368; Dannecker S. 468 ff; Rühl JuS 1999 521 ff; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 216 ff, M. Schröder W D S t R L 50 (1991) 196, 220 f; SchulzeFielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 32; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 260 ff. BVerfGE 75 329, 346. So Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 220.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
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sofern sich dies aus der Formulierung des gesetzlichen Tatbestands ergibt. 4 5 8 Auch Allgemeinverfügungen sind Verwaltungsakte, auf die Strafnormen verweisen können. Auch in Bezug auf Verwaltungsakte gilt, dass der Gesetzgeber selbst die Verbotsmaterie und das strafbare Verhalten in Grundzügen im förmlichen Gesetz umschreiben muss. 4 5 9 Den Verwaltungsakten darf nur die Rolle der Spezifizierung der im förmlichen Gesetz getroffenen Vorgaben zukommen (Rdn. 119). Diesbezüglich fordert das Bundesverfassungsgericht, dass die Ermächtigung der Exekutive zum Erlass belastender Verwaltungsakte nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein muss, so dass deren Eingriffe messbar und in bestimmtem Umfang für den Bürger voraussehbar und berechenbar sind (BVerfGE 8 2 7 4 , 325). Allerdings soll es im Bereich der Wirtschaftsverwaltung zulässig sein, dass sich der Gesetzgeber abstrakter und unbestimmter Formulierungen bedient, „um die Verwaltungsbehörden in die Lage zu versetzen, ihren Aufgaben, den besonderen Umständen des einzelnen Falles und schnell wechselnden Situationen des wirtschaftlichen Lebens gerecht zu w e r d e n " . 4 6 0 Dieser Verzicht auf Bestimmtheit hat die Gefahr zur Folge, dass durch Verweisung auf Verwaltungsakte der bloße Ungehorsam bestraft werden kann (s. auch Rdn. 127). Die Pflicht besteht in den Fällen der Verwaltungsaktsakzessorietät nicht mehr in einem materiellen Bezug auf konkretisierte Werte und Interessen, sondern in dem selbst als wertvoll angesehenen Gehorsam gegenüber der staatlichen Anordnung. Eine formelle Ungehorsamskonzeption der Straftat ist jedoch unannehmbar. 4 6 1 Deshalb ist es auch bei auf Verwaltungsakte verweisenden Strafgesetzen erforderlich, keine abgeschwächten Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen (Rdn. 135) und die Verwaltungsakte als Tatumstände der richterlichen Überprüfung zu unterwerfen (Rdn. 140 f f ) . 4 6 2
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Somit sind, wenn eine Strafdrohung an die Nichtbefolgung eines Verwaltungsakts geknüpft wird, an die Bestimmtheit der Strafnorm im förmlichen Gesetz keine geringeren Anforderungen zu stellen, als wenn die nähere Spezifizierung des Tatbestandes einer Rechtsverordnung überlassen wird. 4 6 3 Die Stellung des Gesetzgebers gegenüber der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt wird in beiden Fällen durch dieselben Grundsätze, nämlich durch den Vorbehalt eines förmlichen Gesetzes und durch das Gewaltenteilungsprinzip, geprägt. Ebenso wenig wie es für die Bestimmtheit der Strafnorm genügt, dass sich die Merkmale des Tatbestands einer Rechtsverordnung entnehmen lassen, die auf einer selbst nicht hinreichend bestimmten Ermächtigung beruht, reicht die pauschale Anknüpfung einer Strafdrohung an Verstöße gegen inhaltlich nicht näher bestimmte Verwaltungsakte a u s . 4 6 4 Auch in diesen Fällen muss der Gesetzgeber selbst über die Strafbarkeit entscheiden (BVerfGE 78 374, 3 8 3 f ) . 4 6 5 Deshalb ist es erforderlich, dass das Gesetz selbst Typus und Regelungsumfang des Verwaltungsakts jedenfalls so weit festlegt, wie der Verstoß gegen die entsprechende Verhaltenspflicht straf-
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BVerfGE 80 254, 256; BVerfG NJW 1993 581,582. BVerfGE 78 374, 383; Enderle S. 261. BVerfGE 8 274, 326. Grundlegend Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 277; ders. JZ 1968 761, 769; zust. Baumann ZRP 1969 85, 86; vgl. auch BayObLG NJW 1965 1973, 1977. Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 272 ff. Näher dazu Kühl FS Lackner 834 ff; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 216 ff.
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BVerfGE 78 374, 382, 389; SchmidtAßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 219; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 46. Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 46; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 219; Schulze-Belitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 32; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 103.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
bewehrt werden soll. Die Verwaltung darf nicht durch die Ausgestaltung des Verwaltungsakts auf Inhalt und U m f a n g der Strafbarkeit bestimmenden Einfluss n e h m e n . 4 6 6 A u f diese Weise wird sichergestellt, dass nicht der bloße U n g e h o r s a m pönalisiert wird, sondern eine materiale Konzeption der Straftat gewährleistet ist. Deshalb ist z.B. die Strafbarkeit der Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot, das weder im Gesetz n o c h in der Verbotsverfügung tatbestandlich bestimmt wird, verfassungswidr i g . 4 6 7 W e n n demgegenüber überwiegend als Gesetz im Sinne des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nicht nur das formelle Gesetz, sondern auch Rechtsverordnungen und jeder geschriebene R e c h t s s a t z oder überhaupt jedes geschriebene R e c h t bezeichnet wird, ist diese Ansicht folgerichtig auch auf von der Verwaltung erlassene R e c h t s a k t e auszudehnen, sofern sie schriftlich b e k a n n t gegeben oder ordnungsgemäß publiziert werden. D a m i t wird das Gesetzlichkeitsprinzip jedoch auf das Rechtssicherheitsinteresse des Einzelnen reduziert und die demokratische Bedeutung des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G unberücksichtigt g e l a s s e n . 4 6 8 136
Weiterhin muss der Verwaltungsakt selbst hinreichend bestimmt s e i n ; 4 6 9 diesbezüglich k a n n auf die Anforderungen des § 3 7 V w V f G zurückgegriffen w e r d e n . 4 7 0
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D e n durch Art. 1 0 3 Abs. 2 , Art. 1 0 4 Abs. 1 S. 1 G G gestellten Anforderungen genügten nicht: § 15 Abs. 2 Buchst, a FernmG, der die Zuwiderhandlung gegen gesetzlich nicht umschriebene Verleihungsbedingungen mit Strafe b e d r o h t ; 4 7 1 § 12 Abs. 2 StVZO in Verbindung mit § 6 9 a Abs. 1 Nr. 6 S t V Z O und § 2 1 StVG, w o n a c h ein Verstoß gegen eine Auflage, unter der eine Fahrerlaubnis erteilt ist, als Ordnungswidrigkeit zu ahnden ist, w ä h r e n d ein Verstoß gegen eine Beschränkung der Fahrerlaubnis auf eine bestimmte Fahrzeugart oder ein bestimmtes Fahrzeug mit besonderen, im Führerschein genau zu bezeichnenden Einrichtungen als Vergehen strafbar i s t . 4 7 2 Als gesetzlich bestimmt ist dagegen die Strafbarkeit wegen Störung der Tätigkeit eines Gesetzgebungsorgans, § 1 0 6 b StGB in Verbindung mit § 8 9 der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtags, angesehen w o r d e n . 4 7 3
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D a s Prinzip der „Verwaltungsakzessorietät", das insbesondere das Umweltstrafrecht und das Außenwirtschaftsstrafrecht beherrscht, deren Tatbestände oft an ein H a n d e l n o h n e verwaltungsbehördliche Genehmigung anknüpfen, berührt den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit nicht nur im Z u s a m m e n h a n g mit der Verweisungsproblematik, sondern auch insofern, als es um die Reichweite der Tatbestandswirkung fehlerhafter Verwaltungsakte g e h t . 4 7 4 Dies gilt insbesondere für die B e a n t w o r t u n g der Frage, o b der Strafrichter an eine rechtswidrig erteilte, bestehende Genehmigung selbst dann gebunden ist, w e n n er bei Sonderdelikten aus diesem Bereich die strafrechtliche Verantwortlichkeit beteiligter Amtsträger p r ü f t . 4 7 5
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BVerfGE 78 374, 389; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 219. Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 46; aA BVerfG NJW 2 0 0 0 3637. Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 248 f. BVerfGE 8 274, 326 f; Bringewat Rdn. 254; Enderle S. 262. OLG Saarbrücken NStZ 1988 368; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 219. BVerfGE 78 374, 383. Vgl. BGHSt 28 72, wo der BGH bei der
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Prüfung der Frage, ob die Strafbarkeit gesetzlich hinreichend bestimmt ist, zu Unrecht in erster Linie auf die Eindeutigkeit des Verwaltungsaktes - der einschränkenden Eintragung im Führerschein - abstellt. OLG Celle NStZ 1986 410, 411. Eingehend dazu Kühl FS Lackner 815, 834 ff; Schall NJW 1990 1263, 1267; Steindorf LK 11 Vor § 324 Rdn. 24 ff. Vgl. LG Hanau NJW 1988 571; Keller FS Rebmann 241, 255.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
Knüpft ein Straftatbestand an die Tatbestandswirkungen eines Verwaltungsakts an, so darf dieser nicht nichtig sein. 4 7 6 Nach fast einhelliger Ansicht (BGHSt 2 3 86, 91; B G H N J W 2 0 0 5 2 0 9 5 , 2 0 9 7 ) 4 7 7 entfaltet eine nichtige oder wegen fehlerhafter Bekanntgabe verwaltungsrechtlich unwirksame Genehmigung keine strafrechtliche Wirkung. 4 7 8 Hingegen ist umstritten, wie sich eine rechtswidrige, aber verwaltungsrechtlich wirksame Genehmigung auf die Strafbarkeit auswirkt: Hierbei ist nach h.M. danach zu differenzieren, ob es sich bei der Genehmigung um einen Tatbestandsausschluss- oder einen Rechtfertigungsgrund handelt. Dies wird nach der verwaltungsrechtlichen Unterscheidung zwischen präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt und repressiven Verboten mit Befreiungsvorbehalt bestimmt. 4 7 9 Bei präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt ist das in Frage stehende Verhalten an sich sozialadäquat, und das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung bezweckt lediglich die Kontrolle über möglicherweise entstehende Gefahren. Hierbei handelt es sich um ein negatives Tatbestandsmerkmal, das schon auf Tatbestandsebene zu berücksichtigen ist (so z.B. die behördliche Genehmigung bei der Luftverunreinigung nach § 325). Bei repressiven Verboten mit Befreiungsvorbehalt wird ein sozial unerwünschtes und deshalb an sich verbotenes Verhalten nach Abwägung kollidierender Interessen im Einzelfall mit Rücksicht auf höherrangige Interessen ausnahmsweise gestattet. Durch eine solche Genehmigung wird erst die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen 4 8 0 (so z.B. bei der Genehmigung bei der Gewässerverunreinigung nach § 324).
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Eine tatbestandsausschließende Genehmigung, die nicht nichtig ist, schließt die Tatbestandsmäßigkeit grundsätzlich aus, ohne dass es auf die Umstände des Zustandekommens ankommt. Nach zutreffender Auffassung kann bei Erschleichung oder sonstigem Missbrauch der Genehmigung nicht auf die Rechtswidrigkeit der wirksamen Genehmigung durchgegriffen werden. Einem solchen Durchgriff steht Art. 103 Abs. 2 G G entgegen, wenn nicht ausnahmsweise eine bereichsspezifisch normierte Rechtsmissbrauchsklausel, wie sie sich etwa in § 3 3 0 d Nr. 5 S t G B , 4 8 1 § 3 4 Abs. 8 AWG und § 16 Abs. 6 CWÜAG (Ausführungsgesetz zum Chemiewaffen-Übereinkommen; BGBl. 1 1 9 9 4 S. 1954 ff) findet, eine Durchbrechung der Verwaltungsrechtsakzessorietät (§ 48 VwVfG) vorsieht. Diese Rechtsmissbrauchsklauseln sind nicht verallgemeinerungsfähig (BGH N J W 2 0 0 5 2 0 9 5 , 2 0 9 8 ) . 4 8 2 Im Bereich des Umweltstrafrechts können nach Auffassung der Rechtsprechung Einschränkungen der tatbestandsausschließenden Wirkung vor allem mit dem Wortlaut der §§ 3 2 7 ff begründet werden. Sofern die entsprechenden Delikte auf eine „erforderliche Genehmigung" abstellen, sei in das Erforderlichkeitskriterium die Rechtmäßigkeit der Genehmigung hineinzulesen. Diese Argumentation überdehnt jedoch die Grenzen des Wortsinns als äußerste Grenze der Auslegung (Rdn. 3 0 1 ) . 4 8 3 Hiermit ist es
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OLG Oldenburg NVwZ 1992 607; M. Schröder W D S t R L 50 (1991) 196, 221 ff. Sch/Schröder/Lenckner Rdn. 62 Vor § 32; Heghmanns Grundzüge S. 216 ff; Jescheck/ Weigend AT § 33 VI 3; Kühl AT § 9 Rdn. 28 m.w.N.; Tiedemann/Kindhäuser NStZ 1998 337, 343; Rogali GA 1995 299, 309 f. Näher dazu Rönnau LK 2 Vor § 32 Rdn. 279 m.w.N. Eingehend dazu Heghmanns Grundzüge S. 179 ff.
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Rönnau LK Vor § 32 Rdn. 274 m.w.N. Näher dazu Rogali in Dolde S. 795, 825 ff; D. Felix S. 320 ff, 356 ff; Heghmanns Grundzüge S. 209 ff; jeweils m.w.N. Sch/Schröder/Cramer/Heine Vor § 324 Rdn. 17 m.w.N.; aA Schmitz Verwaltungshandeln S. 62 ff; zustimmend Perschke wistra 1996 161, 165. Fortun Genehmigung S. 77 ff; Heider Duldung S. 113; Roxin AT I § 17 Rdn. 63; Schall NJW 1990 1263, 1268; krit. auch Frisch Verwaltungsakzessorietät S. 115 mit Fn. 333.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
nicht zu vereinbaren, eine verwaltungsrechtlich wirksame, wenn auch rechtswidrige Genehmigung nicht als die „erforderliche" im Sinne der entsprechenden Tatbestände anzusehen. Eine solche teleologische Reduktion des Garantietatbestandes zu Lasten des Täters ist als Rechtsfortbildung mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar. 484 Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit den Rechtsmissbrauchsklauseln für deren Anwendungsbereich gerade zum Ausdruck gebracht, dass auch rechtswidrige Genehmigungen grundsätzlich tatbestandsausschließend wirken, und damit die Verwaltungsakzessorietät implizit anerkannt. 4 8 5 Ansonsten wären die Umgehungsregelungen überflüssig, wenn eine rechtsmissbräuchlich erlangte Genehmigung schon nach allgemeinen Grundsätzen strafrechtlich unbeachtlich wäre. 4 8 6 141
Bei rechtfertigenden Genehmigungen vertritt die h.M. eine eingeschränkte Verwaltungsakzessorietät, welche die verwaltungsrechtliche Bestandskraft der Genehmigung als Basis des Rechtswidrigkeitsausschlusses anerkennt, und durchbricht die Verwaltungsakzessorietät ausnahmsweise in den Fällen einer rechtsmissbräuchlich erlangten Genehmigung (so genannte Rechtsmissbrauchslösung). 487 Hierbei wird häufig der Regelungsgehalt der Rechtsmissbrauchsklauseln auf rechtfertigende Genehmigungen übertragen 488 oder mit der Parallele zum Notwehrrecht und zum Charakter des Rechtsmissbrauchsgedankens als naturrechtlichem Prinzip der Rechtsordnungen zurückgegriffen. 489 Die Verwaltungsakzessorietät müsse jedenfalls dann eingeschränkt werden, wenn die Inanspruchnahme der Gestattung rechtsmissbräuchlich sei (BGHSt 3 9 381, 387 m. Anm. Horn J Z 1994 636 und Rudolphi NStZ 199 4 4 3 3 ) . 4 9 0 Der Bundesgerichtshof sieht bei der Rechtsmissbrauchslösung jedoch inzwischen die Gefahr, dass letztlich auf Billigkeitserwägungen zurückgegriffen wird, weil die Voraussetzungen und Grenzen strafbaren Verhaltens im Einzelfall von zufällig nachweisbaren Umständen abhängig sind (BGH NJW 2005 2095, 2098). 4 9 1 Auch eine Parallele zur missbräuchlichen Ausnutzung der Notwehrlage lehnt er ab, weil die behördliche Genehmigung eine Tatbestands- und Feststellungswirkung entfaltet, die über den Kreis der Verfahrensbeteiligten hinausreicht (BGH NJW 2005 295 f). 4 9 2 Da das Korrektiv des Rechtsmissbrauchs gesetzlich nur sektoral und abschließend positiviert ist, verstieße seine Anwendung in allen sonstigen Fällen der Genehmigung gegen Art. 103 Abs. 2 G G : 4 9 3 Weil die Tatbestände ausdrücklich
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Lenckner FS Pfeiffer 27, 33 ff; Paeffgen FS Stree/Wessels 587, 610; Winkelbauer Verwaltungsakzessorietät S. 67; Kühl AT § 9 Rdn. 130 m.w.N. Rönnau LK Vor § 32 Rdn. 281. BGH NJW 2 0 0 5 2095, 2 0 9 8 (zum AuslG); ebenso Sch/Schröder/Cramer/Heine Vor § 324 Rdn. 17a; Jiinemann Rechtsmissbrauch S. 156; Rogali GA 1995 299, 308 f. Lenckner FS Pfeiffer 2 7 ff; Sch/Schröder/ Lenckner Vor § 32 Rdn. 63, Tröndle/ Fischer Vor § 3 2 4 Rdn. 7; ebenso Bloy ZStW 100 (1988) 485, 5 0 4 ; Dölling J Z 1995 461, 4 6 9 ; Horn NJW 1981 1, 3; Kloepfer/Vierhaus Umweltstrafrecht Rdn. 33; Niering Schutz der Gewässer S. 75; Sch/Schröder/Cramer/Heine Vor § 324 Rdn. 16a, 17; vgl. auch Kölbel GA 2 0 0 5 36 ff; Mummberg Rechtsmissbrauch
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S. 3 9 ff; Scheele Bindung des Strafrichters S. 124 ff. So Rogali in Dolde S. 795, 8 2 4 ff; Paetzold NStZ 1996 170, 171; Baumann/Weber/ Mitsch AT § 17 Rdn. 131; Möhrenschlager NStZ 1994 513, 515; Fenner Rechtsmissbrauch S. 28; näher dazu Roxin AT I § 17 Rdn. 64. So Otto Jura 1991 808, 313; ders. Jura 1995 134, 139 m.w.N. Otto Jura 1991 308, 313; Rudolphi NStZ 1984 193, 197. Vgl. auch Rogali FS Universität Köln 505, 5 2 6 f m.w.N. Rengier ZStW 101 (1998) 874, 895 f; Dolde N J W 1988 2329, 2 3 3 3 ; Wimmer J Z 1993 67, 69. Rönnau LK Vor § 32 Rdn. 385.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
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ein „Handeln ohne Genehmigung" voraussetzen, wäre es ein Verstoß gegen das Verbot teleologischer Reduktion zu Lasten des Täters, wenn mit Rechtsmissbrauchserwägungen eine verwaltungsrechtlich wirksame Genehmigung als nicht vorhanden bewertet würde. 494 Soweit allerdings das Erschleichen einer Genehmigung oder deren Ausnutzung ausdrücklich unter Strafdrohung gestellt ist, wie dies bei § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG oder § 95 Abs. 2 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz der Fall ist, bestehen hiergegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Gleiches gilt für § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG und § 134 VAG. De lege lata ist daher außerhalb der Reichweite der gesetzlich geregelten Missbrauchsklauseln die Rechtsmissbrauchslösung aus den genannten Gründen abzulehnen (BGH NJW 2 0 0 5 2095, 2098). Mit der geltenden Rechtslage ist daher nur die Lehre von der strengen Verwaltungsakzessorietät vereinbar, welche die strafrechtliche Wirkung des Verwaltungsakts ausschließlich nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben, bezogen auf den Zeitpunkt des Täterhandelns, bestimmt. 495 Nach den ausdrücklichen verwaltungsrechtlichen Vorgaben in § 48 Abs. 3 S. 2, Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG wirkt demnach auch eine rechtsmissbräuchlich erlangte, gleichwohl wirksame Genehmigung rechtfertigend. Das in den Fällen von Täuschung, Drohung, Bestechung und Kollusion bestehende Sanktionsbedürfnis muss in diesen Fällen mit Hilfe der strafrechtlichen Beteiligungsvorschriften erfasst werden. 4 9 6 Die materielle Genehmigungsfähigkeit, also das Vorliegen der materiellen verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung, die nicht beantragt oder nicht erteilt worden ist, bleibt bei der Beurteilung der Strafbarkeit nach h.M. unberücksichtigt und schließt die Strafbarkeit nicht aus (BGHSt 37 21, 2 9 ) , 4 9 7 wirkt aber strafmildernd, da unrechtsmildernd. 498 Hierbei handelt es sich nicht um ein Problem des Art. 103 Abs. 2 GG, sondern um ein solches der Verhältnismäßigkeit. 499
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hh) Behördliche Auskünfte, Warnhinweise und Verlautbarungen. Auf Verwaltungsentscheidungen, welche nicht die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts aufweisen (Auskünfte, Warnhinweise, Verlautbarungen), soll durch Strafnormen nicht verwiesen werden dürfen. 500 Hierfür spricht, dass ansonsten der bloße Verwaltungsungehorsam
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Baumann/Weber/Mitsch AT § 17 Rdn. 130; Dolde NJW 1988 2329, 2331; Paeffgen NK, Vor § 32 Rdn. 2 0 4 m.w.N.; Roxin AT I § 17 Rdn. 63; Schall NJW 1990 1263, 1267; Winkelbauer NStZ 1988 202; Wimmer J Z 1993 67, 69. So Rönnau LK Vor § 32 Rdn. 286; Hirsch LK 11 Vor § 32 Rdn. 165; Schlehhofer NK Vor § 32 Rdn. 152; Heghmanns Grundzüge S. 219; Ipsen W D S t R L 50 (1991) 310 f; Kuhlen WiVerw 1992 215, 246 ff; Musknug W D S t R L 50 (1991) 329 f; Ossenbühl/ Huschens UPR 1991 161, 167; Ransieck NK Vor § 324 Rdn. 46; Rengier ZStW 101 (1989) 874, 888 ff, 896 ff; Rogali NStZ 1992 561, 565 f; ders. NJW 1995 922, 924; Scheele Bindung des Strafrichters S. 161 ff; M. Schröder W D S t R L 50 (1991) 196, 225; Steindorf FS Salga 167, 181 ff; Wimmer J Z 1993 67, 70. Jakobs AT 16/29a; Rönnau LK Vor § 32 Rdn. 286.
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OLG Frankfurt JR 1987 508; OLG Köln wistra 1991 74, 75; vgl. auch BVerwG DVB1. 1979 67; Bergmann Strafbewährung S. 52 ff; Breuer NJW 1988 2072, 2079; Dannecker in Tiedemann (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht in der EU, S. 369, 401; Dötting J Z 1985 461, 4 6 2 f, 468; Tiedemann/Kindhäuser NStZ 1988 337, 343; näher zum Streitstand Heghmanns Grundziige S. 2 3 4 ff; Brauer Genehmigungsfähiges Verhalten S. 32 ff; Rönnau LK Vor § 32 Rdn. 2 9 0 f; A. Schröder Genehmigungen S. 161 ff. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 205. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 219; M. Schröder W D S t R L 50 (1991) 196, 226; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 205. So Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 215.
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inkriminiert würde. Wenn man eine formelle Ungehorsamskonzeption der Straftat ablehnt (Rdn. 134) und davon ausgeht, dass „die Verfassungsordnung nur einen materiell verstandenen Ungehorsam gegenüber Verwaltungsbefehlen als Straftat anerk e n n t " 5 0 1 , muss der Gesetzgeber in Bereichen, in denen die Verwaltung keine konstitutiven Hoheitsakte setzt, die Strafbarkeitsvoraussetzungen selbst bestimmen und die Kriterien benennen, die für die Strafbarkeit relevant sind. Er darf die Entscheidung über die Strafbarkeit nicht der Verwaltung überlassen, die in den genannten Bereichen überwiegend nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten entscheidet. 144
ii) Konstitutive Gerichtsurteile. In Strafgesetzen kann auf konstitutive Gerichtsurteile Bezug genommen werden, insbesondere auf statusgestaltende Zivilrechtsurteile wie Ehescheidungen und Vaterschaftsfeststellungen, die für die Zukunft den Status einer Peron gegenüber Jedermann festlegen sollen. 5 0 2 Solche statusgestaltenden Entscheidungen sind für das Strafrecht verbindlich; die materielle Aufhebbarkeit oder Vernichtbarkeit ist solange unbeachtlich, bis eine entsprechende gerichtliche Entscheidung vorliegt. 5 0 3
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jj) Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft. Zunehmend wird auch europäisches Gemeinschaftsrecht durch Strafrechtsnormen in Bezug genommen. Trotz verfassungsrechtlicher Bedenken, die aus dem Demokratieprinzip 5 0 4 und dem Bestimmtheitsgeb o t 5 0 5 hergeleitet werden, entspricht es der heute ganz h . M . , dass nationale Strafgesetze auf das Recht der Europäischen Gemeinschaft verweisen k ö n n e n : 5 0 6 „Gemeinschaftsrecht und nationales Recht der Mitgliedstaaten sind zwar zwei verschiedene Rechtordnungen [...]. Diese vielfältige Verschränkung von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht verbietet es, Verweisungen auf Gemeinschaftsrecht anders zu beurteilen als Verweisungen auf nationales Recht (vgl. BVerfGE 2 6 3 3 8 , 3 6 7 für bundesrechtliche Verweisungen auf L a n d e s r e c h t ) . " 5 0 7 Durch die Verknüpfung der tatbestandsmäßigen Handlung mit der in Bezug genommenen EG-Verordnung entsteht ein gemeinschaftsrechtsakzessorischer Tatbestand, der sich am M a ß s t a b des Art. 103 Abs. 2 G G messen lassen muss. Für die Vorschriften, die in EG-Verordnungen selbst geregelt sind, gilt der Vorrang des Gemeinschaftsrechts (Rdn. 37). Sie werden deshalb vom Bundesverfassungsgericht nicht im Hinblick auf ihre Bestimmtheit an Art. 103 Abs. 2 G G überprüft. 5 0 8 Insoweit kann nur der europäische Bestimmtheitsgrundsatz zum Tragen kommen (Rdn. 35 ff).
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Wenn ein nationaler Straftatbestand auf eine bestimmte EG-Verordnung verweist und diese EG-Verordnung durch eine andere, inhaltlich weitgehend identische Verordnung ersetzt wird, k o m m t eine Strafbarkeit mit Rücksicht auf Art. 103 Abs. 2 G G , der einen eindeutig bestimmten Straftatbestand fordert, nicht in Betracht (BGHSt 2 7 181, 1 8 2 ) . 5 0 9 Art. 103 Abs. 2 G G verbietet es, die Verweisung auf eine bestimmte Vorschrift in eine Verweisung auf die entsprechende EG-Verordnung umzuinterpretieren, selbst wenn die neue Verordnung inhaltlich keine wesentliche Änderung gebracht hat. Z w a r kann ein Mitgliedstaat nach Art. 10 EG verpflichtet sein, in einem solchen Fall den Schutzbereich des nationalen Strafrechts auf Verletzungen des Gemeinschaftsrechts zu erstrecken. Jedoch ist es auch nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für eine Bestrafung erfor-
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Tiedemann J Z 1968 761, 769. Dannecker S. 470. RGSt 60 246; 61 199. Fuß FS Paulick 293, 315. Krey EWR 1981 109, 166 f. Dannecker in Wabnitz/Janovsky 2. Kap. Rdn. 151 ff; Enderle S. 54 ff, 198 ff, 265 ff;
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Hecker § 7 Rdn. 79 ff; Moll S. 23 ff; Satzger Europäisierung S. 210 ff; jeweils ra.w.N. BVerfGE 29 210; ebenso BGHSt 25 196. Näher dazu Enderle S. 212. Vgl. auch LG Bad Kreuznach ZLR 2001 898.
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derlich, dass der Rechtsverstoß unter den Wortlaut des nationalen Strafgesetzes subsumiert werden kann. Dies folgt aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz „nullum crimen sine lege scripta", den der E u G H anerkannt hat (Rdn. 33 ff). 5 1 0 Mit der Entscheidung BGHSt 2 7 181 ff war die Grundlage für die Oberlandesgerichte geschaffen, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Blankettgesetzverweisungen weiter zu konkretisieren. So haben das O L G Koblenzsn und das OLG Stuttgart512 dargelegt, dass eine von einer Blankettvorschrift des Weingesetzes in Bezug genommene EG-Verordnung, die durch eine neue EG-Verordnung geändert wird, die Strafbarkeit nicht mehr begründen kann, wenn das Blankettstrafgesetz nicht an die geänderte Rechtslage angepasst wird und auf die neue Verordnung verweist. Dabei erklärte das O L G Koblenz ergänzend in einem obiter dictum, dass es mit dem Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar sei, wenn im Weingesetz durch eine Ermächtigungsklausel die deklaratorische Anpassung des Weingesetzes an das Gemeinschaftsrecht ohne förmliches Gesetzgebungsverfahren vorgenommen werden könnte, indem auf die jeweils geltende EG-Verordnung verwiesen wird. Einer derartigen dynamischen Verweisung stünde weiterhin das Demokratieprinzip entgegen, weil sonst dem Gemeinschaftsgesetzgeber die Rechtsmacht zur inhaltlichen Ausgestaltung von deutschen Strafgesetzen im Wege der Veränderung von Gemeinschaftsbestimmungen eingeräumt würde. 5 1 3 An diesen Einschränkungen, die sich im neueren Schrifttum nicht mehr finden, um dem Gesetzgeber eine atemlose und von gemeinschaftsrechlicher Normgebung gehetzte Gesetzgebung zu ersparen, 5 1 4 ist festzuhalten. Nationale Strafvorschriften können nach ganz h.M. Richtlinien nicht in Bezug nehmen, weil Letztere keine an den Bürger gerichteten Vorschriften enthalten. 5 1 5
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b) Blankettgesetzgebung. Die Konkretisierungsbedürftigkeit des Strafgesetzes durch einen weiteren Rechtsakt der Legislative oder der Exekutive wird in der strafrechtlichen Literatur in der Regel als die Problematik des Blankettstrafgesetzes behandelt. Die h . M . betrachtet den Begriff des Blankettgesetzes als verfassungsrechtliche Kategorie, die insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Garantiefunktion des Gesetzestatbestands (Art. 103 Abs. 2 GG) relevant ist. Unter einem Blankettstrafgesetz (vgl. dazu auch § 2 Rdn. 2 9 ff) werden im Anschluss an Binding Strafgesetze verstanden, bei denen die Ausfüllung des „offenen" Tatbestandes einer anderen Instanz überlassen wird. 5 1 6 Die Beschreibung des Straftatbestandes erfolgt aber auch (ganz oder teilweise) durch die Verweisung auf eine Ergänzung im selben Gesetz oder in anderen - auch zukünftigen - Gesetzen oder Rechtsverordnungen. Werden die Ergänzungen nicht von derselben rechtssetzenden Instanz erlassen, spricht man von Außenverweisungen. 5 1 7 Außerdem kann auf Verwaltungsakte verwiesen werden. Schließlich können Gemeinschaftsrechtsnormen in Bezug genommen werden, sofern der nationale Gesetzgeber selbst die wesentliche Grundentscheidung
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Dannecker FG BGH 50 Bd. IV 339, 373. OLG Koblenz LRE 23 249 mit Anm. Koch, ZLR 1989 199 ff. OLG Stuttgart NStZ 1990 88 ff mit Anm. Koch ZLR 1990 188 ff. Koch ZLR 1989 202 f. So M. Schröder ZLR 2004 265; zustimmend A. H. Meyer in ders./Streinz LFGB, BasisVO, Kommentar (2007) § 58 LFGB Rdn. 3. C. Schröder Europäische Richtlinien S. 20 f; Emmert EWS 1992 56, 63 Fn. 74; Jarass Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung
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des EG-Rechts (1994) S. 87; Winter DVB1. 1991 657, 660. Vgl. dazu nur Enderle S. 173 ff, 205 ff; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 94, 239 ff; ders. Artikel „Blankettstrafgesetz", HWiStR S. 1; ders. Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 99 ff. BVerfGE 14 245, 252; BVerfG NStZ-RR 2004 275, 278; RGSt 46 393, 395 f; Binding Die Normen und ihre Übertretungen Bd. I, 4. Aufl. (1922) S. 161 ff; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 100.
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§1
getroffen und lediglich die Ausgestaltung des Inhalts im Einzelnen delegiert h a t . 5 1 8 Wenn gegen diesen Grundsatz verstoßen wird, so hat dies zur Folge, dass das verweisende Strafgesetz verfassungswidrig und damit nichtig ist. 149
aa) Abgrenzung zu normativen Tatbestandsmerkmalen. Kein Blankettstrafgesetz liegt dort vor, w o einzelne T a t b e s t a n d s m e r k m a l e einer Strafrechtsnorm außerstrafrechtliche Rechtsbegriffe und Rechtsregeln voraussetzen, wie es beim Begriff „ f r e m d " in § 2 4 2 mit Teilen der zivilrechtlichen Sachenrechtsordnung der Fall ist. Hierbei handelt es sich um recfefsnormative Tatbestandsmerkmale, die durch Recht und Gesetz begründet w e r d e n . 5 1 9 D a b e i ist die Abgrenzung zwischen B l a n k e t t m e r k m a l e n und normativen Tatbestandsm e r k m a l e n danach vorzunehmen, o b das M e r k m a l das Schutzobjekt des Straftatbestandes bezeichnet, weil dann das fragliche M e r k m a l dem Schutz des außerstrafrechtlichen Rechtsinstituts (z.B. der Eigentumsordnung, der Unterhaltspflicht etc.) d i e n t . 5 2 0 Die Strafbestimmungen gestalten in diesen Fällen den Tatbestand inhaltlich selbst, sind also vollständig, auch wenn sich einzelne Rechtsbegriffe aus anderen Rechtsteilen ergeben, deren ursprüngliche Auslegung sich die Strafnorm zu eigen m a c h t . Wenn aber die strafrechtliche Regelung an das außerstrafrechtliche Rechtsinstitut als solches anknüpft, ohne seine Umschreibung oder Benennung zu einer strafrechtlichen zu m a c h e n , gilt Art. 1 0 3 Abs. 2 G G bezüglich der Ausfüllungsnormen nicht. Die Anforderungen des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G richten sich allein an die S t r a f r e c h t s n o r m . 5 2 1 N u r sie muss gesetzlich geregelt sein und das erforderliche M a ß an Vorhersehbarkeit gewährleisten. D e s h a l b bestehen auch keine Bedenken, die Fremdheit nach einer ausländischen R e c h t s o r d n u n g zu bestimmen, w e n n der Erwerbsvorgang nicht dem inländischen R e c h t unterlag, o b w o h l eine ausländische R e c h t s o r d n u n g dem Gesetzesvorbehalt des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nicht R e c h nung tragen k a n n . 5 2 2 Auch ist eine analoge Anwendung der außerstrafrechtlichen Regelungen möglich. Die begrifflich einbezogenen außerstrafrechtlichen N o r m e n und Rechtsinstitute gelangen nicht unter das spezielle strafrechtliche B e s t i m m t h e i t s g e b o t , 5 2 3 so dass der N o r m a d r e s s a t bei Zweifeln über die Auslegung nur über das strafrechtliche Vorsatzerfordernis geschützt werden k a n n . 5 2 4 Unter Zugrundelegung dieser Abgrenzung ist die Steuerhinterziehung g e m ä ß § 3 7 0 A O entgegen der h . M . kein B l a n k e t t s t r a f g e s e t z . 5 2 5 Vielmehr handelt es sich um einen hochgradig normativ bestimmten Straftatbestand. Das als „ A n g a b e n m a c h e n " näher bestimmte Verhalten wird durch die im Tatbestand umschriebene Verbotsmaterie weiter begrenzt: Die Angaben müssen sich auf steuererhebliche Tatsachen beziehen und bewirken, dass die Steuerschuld des Erklärenden verkürzt wird. Die M e r k m a l e der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Angaben über steuererhebliche Tatsachen setzen das Bestehen eines Steueranspruchs voraus, der von den steuerrechtlichen Vorschriften a b h ä n g t , unter die der Sachverhalt zu subsumieren ist. J e d o c h ist die Art der Steuer oder der geringere oder höhere Betrag, um den die Steuer verkürzt wird, für die Unrechtsvertypung irrelevant. Es k o m m t allein auf die Unrichtigkeit oder
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Tiedemann FS Roxin 1401, 1404. Dazu Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 100. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 108. So BVerfGE 78 205, 213, zu § 23 badenwürttembergisches Denkmalschutzgesetz, wonach bestimmte Kulturdenkmäler mit ihrer Entdeckung Eigentum des Landes werden.
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BGHSt 21 279; Dannecker S. 478. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 108; aA Appel S. 128 f; Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 41. BVerfGE 78 205, 213. So aber BVerfGE 37 201, 208; BVerfG wistra 1991 175; BGHSt 34 272, 382; BGH NStZ 1982 206; NStZ 1984 510.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
Unvollständigkeit der tatsächlich gemachten Angaben im Vergleich zu den im konkreten Fall normativ geforderten Angaben an. § 370 AO wird auch nicht dadurch zum Blankettstrafgesetz, dass die Angaben steuerlich erheblich sein müssen und eine Verkürzung der Steuer bewirkt werden muss. Dies spiegelt sich schon darin wider, dass nicht nur die für einen Steuertatbestand relevanten Umstände steuerlich erheblich sind, sondern auch sonstige Umstände, die nur mittelbar für die Entstehung des Steueranspruchs und dessen Feststellung durch die Finanzbehörde relevant sein können, unter den Straftatbestand fallen. 526 Zwar wird das Tatobjekt des § 370 AO - das staatliche Steueraufkommen durch Rechtsnormen konstituiert. 527 § 370 Abs. 1 AO verweist jedoch nicht auf die Voraussetzungen des Steueranspruchs, sondern auf das Bestehen eines Steueranspruchs in bestimmter Höhe als Rechtsfolge der steuerrechtlichen Normen und dient dem Schutz eines außerstrafrechtlichen Rechtsguts: dem Anspruch des Staates auf den vollen Ertrag der jeweils tatbetroffenen Steuer. Da die strafrechtliche Regelung des § 370 AO an das außerstrafrechtliche Rechtsinstitut als solches anknüpft und den Tatbestand inhaltlich selbst gestaltet (so BVerfGE 78 205, 213), ist sie vollständig, auch wenn sich die steuerliche Erheblichkeit und die Steuerverkürzung aus dem Steuerrecht ergeben, deren ursprüngliche Auslegung sich die Strafnorm zu eigen macht. Deshalb enthält der Steuerhinterziehungstatbestand normative Tatbestandsmerkmale und ist keine Blankettgesetzverweisung. 528 bb) Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG an Blankettstrafgesetze. Unter staatsrechtlichem Blickwinkel wird unter einem Blankettstrafgesetz ein solches verstanden, bei dem die Ausfüllung einer anderen Instanz (z.B. dem Landesgesetzgeber oder der Verwaltung) überlassen wird (echtes Blankettgesetz). Wenn die Strafvorschrift hingegen in demselben Gesetz geregelte und fest umrissene Tatbestände mit Strafe bewehrt (so genannte Binnenverweisungen), handelt es sich um ein unechtes Blankettgesetz, das verfassungsrechtlich unbedenklich ist.
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Bei den Blankettvorschriften unterliegen sowohl die verweisende als auch die in Bezug genommene Vorschrift dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG und müssen an dessen Maßstäben gemessen werden. 529 Zunächst muss das verweisende Gesetz selbst, unabhängig vom Vorliegen eines echten oder unechten Blanketts, hinreichend bestimmt sein und die einschlägige Ausfüllungsnorm sowie deren möglichen Gegenstand und Inhalt hinreichend genau - in der Sprache des Bundesverfassungsgerichts: „hinreichend klar" (BVerfGE 110 33, 62 ff) - bezeichnen und abgrenzen. 530 Es muss hinreichend deutlich
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526 vgl. dazu nur Dannecker Steuerhinterziehung im internationalen Wirtschaftsverkehr ( 1 9 8 4 ) S. 1 8 9 ff m.w.N. 527 528
Vgl. Tiedetnann L K 1 1 § 2 8 3 Rdn. 188. Bachmann Vorsatz und Rechtsirrtum im Allgemeinen Strafrecht und im Steuerstrafrecht ( 1 9 9 3 ) S. 1 7 2 f; Backes Z u r Problematik der Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum im Steuerstrafrecht ( 1 9 8 1 ) S. 158; Enderle S. 2 4 3 f; Fissenewert Der Irrtum bei der Steuerhinterziehung ( 1 9 9 3 ) S. 2 2 0 ff; von der Heide Tatbestands- und Vorsatzprobleme bei der Steuerhinterziehung nach § 3 7 0 AO ( 1 9 8 6 ) S. 1 9 4 ff; Tiedetnann Z S t W 1 0 7 ( 1 9 9 5 ) 597, 6 4 0 f; aA Andrejitscbitsch in Wannemacher, Hand-
buch Steuerstrafrecht, 5. Aufl. ( 2 0 0 4 ) Rdn. 2 4 ; Bürger Steuerflucht ( 2 0 0 6 ) S. 131 ff; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Aufl. ( 2 0 0 5 ) Einl. Rdn. 5. 529
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Eingehend dazu Enderle S. 1 7 3 ff, 2 0 5 ff; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 9 9 ff. BVerfGE 2 3 2 6 5 , 2 6 9 ; 7 5 3 2 9 , 3 4 2 ; 7 8 3 7 4 , 3 8 3 ; BVerfG N J W 1 9 9 2 2 6 2 4 ; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Bd. 3, Art. 1 0 3 Rdn. 2 3 ; Schmitz M K Rdn. 5 0 ; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 2 4 1 ff und Z B B 2 0 0 5 1 9 0 , 191; ebenso Achenbach/Schröder Z B B 2 0 0 5 135, 137 m.w.N.
Gerhard Dannecker
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§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
sein, worauf sich die Verweisung bezieht. 531 Dabei liegt es in der Gestaltungsfreiheit des Bundesgesetzgebers, ob er Strafsanktionen für Verstöße gegen Bundesgesetze im jeweiligen Fachgesetz (das heißt, im Nebenstrafrecht) oder etwa zur Betonung ihrer besonderen Bedeutung für das Wohl der Allgemeinheit im Strafgesetzbuch vorsieht, 5 3 2 wie dies beim Umweltstrafrecht geschehen ist. Umstritten ist allerdings, ob die Verweisung auszulegen ist, was insbesondere bei höchst deskriptiven Begriffen wie Zahlenangaben nicht möglich ist, oder aber eigenen Kriterien der Klarheit unterliegt. Im Hinblick darauf, dass Art. 103 Abs. 2 G G die individuell-objektive Vorhersehbarkeit für den Bürger garantieren will, kommt es entscheidend auf die Klarheit der Verweisung (Rdn. 54) a n . 5 3 3 152
Da der Straftatbestand bei Blanketten durch Verweisungs- und Ausfüllungsnorm insgesamt gebildet und die Ausfüllungsnorm in das Blankett inkorporiert wird, erstrecken sich die Bestimmtheitsanforderungen des Art. 103 Abs. 2 G G auch auf die Ausfüllungsvorschrift. Deshalb muss auch die in Bezug genommene Norm an den strafrechtlichen Maßstäben des Art. 103 Abs. 2 G G gemessen werden.
153
Bei echten Blankettgesetzen, die auf Rechtsakte der Verwaltung verweisen, reicht es nicht aus, wenn rechtstechnisch einwandfrei auf die Ausfüllungsnorm verwiesen wird. Vielmehr müssen die Voraussetzungen der Strafbarkeit für den Bürger bereits aus der gesetzlichen Ermächtigung ersichtlich sein. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Fernmeldeanlagegesetz von 1977 dargelegt, dass der demokratische Gesetzgeber selbst zumindest eine Grundentscheidung darüber treffen muss, was strafbar sein soll. 5 3 4 Diese Entscheidung darf der Gesetzgeber nicht an eine andere Instanz delegieren. Aus Art. 103 Abs. 2 G G in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 G G und - soweit Freiheitsstrafe angedroht ist - aus Art. 104 Abs. 1 S. 1 G G folgt, dass die möglichen Fälle der Strafbarkeit, die Sanktionsart und der Sanktionsrahmen in der Blankettvorschrift selbst oder in einer anderen Bezugsvorschrift, die ein förmliches Gesetz ist, schon auf Grund des Gesetzes und nicht erst auf Grund einer Rechtsverordnung hinreichend deutlich umschrieben sein müssen. 5 3 5 Art. 103 Abs. 2 G G schließt jede Rechtsanwendung aus, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. 5 3 6 Die Verwaltungsbehörde darf somit nicht die Grenzen des strafbaren Verhaltens bestimmen, 5 3 7 sondern die Sanktionsnorm lediglich weiter präzisieren (grundlegend BVerfGE 78 3 7 4 , 381 ff). 5 3 8 So darf der Anwendungsbereich einer Strafnorm „spezifiziert" werden
531
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BVerfGE 4 8 4 8 , 5 5 ; 51 6 0 , 74; 7 5 329, 3 4 2 ; BGHSt 3 7 2 6 6 , 2 7 2 ; Degenhart in Sachs, Art. 103 Rdn. 61; Enderle S. 185 ff; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 1 0 3 Rdn. 4 4 ; Ransiek S. 106 ff; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 1 0 3 II Rdn. 2 8 ; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 108. BVerfGE 7 5 3 2 9 , 3 4 3 . Krey E W R 1 9 8 1 109, 137; Tiedemann ZBB 2 0 0 5 1 9 0 , 1 9 2 (unter Hinweis auf den parallelen Begriff der Bilanzklarheit); aA Schmitz M K Rdn. 51. BVerfGE 7 5 2 3 9 , 3 4 2 ; 7 8 3 7 4 , 3 8 5 ff; näher dazu Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 1 0 2 ff. BVerfGE 14 2 4 5 , 2 5 2 ; 2 2 1, 18; 2 3 2 6 5 , 2 6 9 ; 3 7 2 0 1 , 2 0 9 ; 4 1 3 1 4 , 3 1 9 ; 7 5 329, 3 4 2 ; 7 8 3 7 4 , 3 8 2 ; BVerfG N S t Z 1 9 9 1 4 5 ff;
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BVerfG N J W 1 9 9 2 3 5 ; BVerfG N S t Z - R R 2 0 0 4 2 7 5 , 2 7 8 ; BGHSt 3 7 2 6 6 , 2 7 2 ; Degenhart in Maunz/Dürig Art. 103 Rdn. 6 2 ; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 2 9 ; Tiedemann Verfassungsrecht und Strafrecht S. 4 6 . 536
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BVerfGE 8 7 3 9 9 , 411 unter Hinweis auf BVerfGE 4 7 109, 1 2 0 f; 8 2 2 3 6 , 2 6 9 . Achenbach/Schröder Z B B 2 0 0 5 137; Otto Jura 2 0 0 5 5 3 8 ; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 103. Vgl. auch BVerfGE 14 2 4 5 , 2 5 1 ; 2 2 1, 18; 2 2 21, 2 5 ; 2 3 2 6 5 , 2 6 9 ; 3 7 2 0 1 , 2 0 9 ; 51 6 0 , 7 0 f; 7 5 3 2 9 , 3 4 2 ; BVerfG N J W 1 9 9 2 2 6 2 4 ; auch B G H N S t Z 1 9 9 0 4 4 3 ; Degenhart in Sachs, Art. 103 Rdn. 6 3 ; Pieroth in Jarass/ Pieroth Art. 1 0 3 Rdn. 4 5 ; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 1 0 3 II Rdn. 29.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
(Rdn. 127), indem z.B. die Liste der in der Anlage zum Gesetz aufgeführten verbotenen Stoffe und Zubereitungen geändert wird (§ 1 Abs. 2 BtMG). 5 3 9 Art. 103 Abs. 2 GG ist somit verletzt, wenn der Beschuldigte auf Grund eines Blankettstrafgesetzes verurteilt wird, ohne dass eine Verordnung vorhanden ist, die zur Spezifizierung der Blankettnorm hätte dienen können, oder wenn eine Rechtsnorm zur Spezifizierung herangezogen wird, die nach ihrer Zielsetzung zur Ausfüllung des Blankettstrafgesetzes ungeeignet ist. 540 Aus dem Grundgesetz können Bedenken dagegen, dass der Bund Landesrecht (durch ein Blankettstrafgesetz) mit Kriminalstrafe bewehrt, nicht hergeleitet werden. 5 4 1
154
Allerdings werden an die Grundentscheidung des Gesetzgebers von der Verfassungsrechtsprechung keine hohen Maßstäbe angelegt, wie ein Blick auf das Verkehrsstrafrecht zeigt. Dort wurde in Bezug auf § 21 StVG a.F. die Ermächtigung zur Schaffung von Regelungen zur „Abwehr von Gefahren für die Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs" als hinreichend bestimmt angesehen, um sämtliche Regelungen, die nicht völlig untauglich zur Gefahrenbekämpfung im Straßenverkehr waren, abzudecken. 5 4 2 Verfassungsrechtliche Bedenken werden auch gegen die Delegation des § 20a Abs. 5 W p H G erhoben, der das Bundesfinanzministerium ermächtigt, die Täuschungshandlungen bei dem Straftatbestand der Kurs- und Marktmanipulation zu bestimmen. Diese Vorschrift wird als noch verfassungsgemäß angesehen, weil sie durch die EGRichtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen vom 28.1.2003, auf der sie beruht, konkretisiert wird. 5 4 3
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Als Blankettstrafgesetze sind z.B. angesehen worden: § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB i.d.F. des 18. StRÄndG; 5 4 4 § 366 Nr. 10 StGB a.F.; 545 § 367 Abs. 1 Nr. 15 StGB a.F.; 546 § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977; 5 4 7 § 34 Abs. 1 Nr. 3 AWG a.F.; 5 4 8 § 25 Abs. 1 A Z O i.d.F. der VO vom 30.4.1938 (RGBl. I S. 446); 5 4 9 §§ 42, 4 7 BVerfGG, aufgehoben durch § 28 VereinsG vom 5.8.1964 (BGBl. I S. 593); 5 5 0 § 30 Buchst, a, § 31 Abs. 1 S. 2 HeimarbeitsG vom 14.3.1951 (BGBl. I S. 191) i.d.F. des Gesetzes vom 25.6.1969 (BGBl. I S. 645); 5 5 1 § 392 Abs. 1 S. 1 RAbgO i.d.F. des Art. 161 Nr. 2a EGStGB; 552 § 21 StVG vom 19.12. 1952 (BGBl. I S. 837) i.d.F. des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Ver-
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BVerfG NJW 1998 669 f; s. auch BVerfG NJW 1997 1910, 1911; Degenhart in Sachs Art. 103 Rdn. 62; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 29; krit. Volkmann ZRP 1995 220, 221. BVerfGE 23 265, 270 f. BVerfGE 2 3 113, 125; 33 206, 219. Kritisch dazu bereits Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 254 ff. BGH ZIP 2003 2358; Schmitz ZStW 115 (2003) 501, 528; Vogel in Assmann/Schneider, W p H G , 3. Aufl. (2003) Rdn. 17 Vor § 20a; ders. W M 2003 2437, 2440, jeweils m.w.N; zustimmend Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 103. BVerfGE 75 329, 343. BVerfGE 23 265, 269.
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BVerfGE 23 113, 125. 547 BVerfG, 3. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 21.3.1989 - 2 BvR 162/89 und 2 BvR 201/89; BVerfG NStZ 1991 88; BGH NStZ 1982 206 = wistra 1982 108 m. Anm. Jobski wistra 1983 12 m. Anm. Olsenheimer; krit. aber Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 100 m.w.N. 548 BVerfG NJW 1993 1909; zur Neufassung Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht BT Rdn. 73. 549 BVerfGE 22 1, 18. 550 BVerfGE 25 44, 55. 551 BVerfGE 41 314, 320, 323. 552 BVerfGE 37 201, 208 f; BVerfG NStZ-RR 2004 275, 278; BGH NStZ 1982 206.
Gerhard Dannecker
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
kehrsrechts und Verkehrshaftpflichtrechts vom 16.7.1957 (BGBl. I S. 7 1 0 ) ; 5 5 3 § 6 7 Abs. 1 Nr. 1 WeinG. 5 5 4 157
cc) Statische Verweisungen. Blankettbestimmungen, die eine statische Verweisung auf eine bereits existierende nationale Rechtsnorm oder EG-Verordnung enthalten, sind im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 G G verfassungsrechtlich unbedenklich, da sie die Art des Verstoßes hinreichend deutlich umschreiben. 5 5 5 Wenn eine Verordnung, die durch das nationale Strafrecht in Bezug genommen wird, durch eine andere Verordnung ersetzt wird, so dass die Verweisung im Strafgesetz ins Leere läuft, darf keine Bestrafung erfolgen, auch wenn das Verhalten nach der neuen Verordnung verboten ist. 5 5 6 Wenn die neue Verordnung dagegen eine Regelung enthält, dass Verweisungen auf die frühere Verordnung als Verweisungen auf die neue Verordnung anzusehen sind, ist dies bei Verweisungen auf nationale Regelungen zulässig, nicht hingegen im EG-Recht. Wenn die neue EG-Verordnung schließlich vorsieht, dass Verweisungen auf die alte EG-Verordnung als Verweisungen auf die neue EG-Verordnung anzusehen sind, kann dies die Strafbarkeit nicht begründen, da die Gemeinschaft über keine Rechtsetzungskompetenz im Bereich des Strafrechts verfügt. 5 5 7
158
dd) Dynamische Verweisungen. Im Bereich des Strafrechts werden dynamische Verweisungen, die auf wechselndes und deshalb auch auf zukünftiges Recht verweisen, 558 zu Recht stark kritisiert (s. auch Rdn. 1 4 6 ) . 5 5 9 Demgegenüber vertritt das Bundesverfassungsgericht die Auffassung, dass Art. 103 Abs. 2 G G dynamischen Verweisungen nicht entgegenstehe, wenn eine Konkretisierung des Straftatbestandes durch Inbezugnahme der jeweils geltenden Fassung erfolge. 5 6 0 Das Demokratieprinzip erfordert, dass der Strafgesetzgeber selbst die Voraussetzungen der Strafbarkeit bestimmt und diese Entscheidungen nicht anderen Organen überlässt. Deshalb ist bei blankettausfüllenden untergesetzlichen Normen im Falle von dynamischen Verweisungen besonders darauf zu achten, dass der Gesetzgeber selbst die Verbotsmaterie formuliert hat und die in Bezug genommene Regelung lediglich Detailfragen konkretisiert. 5 6 1
159
Zusätzliche Probleme entstehen, wenn der dynamische Blankettverweis nicht auf nationales, sondern auf Gemeinschaftsrecht abzielt. 5 6 2 In diesen Fällen ist die Vereinbarkeit der Blankettverweisungstechnik mit dem Demokratieprinzip und dem Bestimmt-
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BVerfGE 14 2 4 5 , 2 5 2 . BVerfG Z L R 1 9 7 9 2 0 3 f; O L G Koblenz N S t Z 1 9 8 9 1 8 8 , 1 8 9 ; O L G Stuttgart N S t Z 1 9 9 0 8 8 , 8 9 ; Schnell Verweisungsbedingte Normkomplexität nebenstrafrechtlicher Tatbestände am Beispiel des Weingesetzes ( 1 9 8 6 ) passim; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht BT Rdn. 5 2 1 m.w.N.
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BVerfGE 4 7 2 8 5 , 312; BVerfG Z L R 1 9 7 8 2 0 3 f; Enderle S. 1 8 0 ff; Satzger Europäisierung S. 2 7 6 ff; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 109.
556
BayObLGSt 1 9 9 8 121. BayObLGSt 1 9 9 8 121; zustimmend Hecker § 7 Rdn. 9 6 . Z u r Abgrenzung statischer von dynami-
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schen Verweisungen Satzger Europäisierung S. 2 1 6 f. Enderle S. 180 ff; Moll S. 2 7 0 ff; Satzger Europäisierung S. 2 6 3 f; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 109.
560
So BVerfGE 14 2 4 5 , 2 5 2 ff (zu S 21 StVG); BVerfGE 7 5 3 2 9 , 3 4 5 ff (zu § 3 2 7 Abs. 2 StGB); BVerfG N S t Z - R R 2 0 0 4 2 7 5 , 2 7 8 (zu § 3 7 0 AO i.V. m. §§ 8 Abs. 2, 12 Abs. 1 M O G ) . Z u r Zulässigkeit steuerstrafrechtlicher Blankettgesetze vgl. auch BVerfGE 3 7 2 0 1 , 2 0 8 f; B G H N S t Z 2 0 0 3 2 6 8 .
561
BGHSt 4 2 79, 8 4 f; Schmitz M K Rdn. 5 0 ; Tröndle/Fischer Rdn. 5. Eingehend dazu Moll S. 2 7 0 ff.
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heitsgrundsatz besonders fragwürdig. 5 6 3 Hier gelten grundsätzlich dieselben Anforderungen wie bei Verweisungen auf nationales R e c h t . 5 6 4 Jedoch darf die E G - N o r m nicht einem nationalen förmlichen Gesetz gleichgestellt werden, 5 6 5 da die E G keine Strafrechtskompetenz hat. Deshalb kann eine Klausel im Gemeinschaftsrecht, dass die neue Verordnung an die Stelle der alten getreten ist, im Strafrecht nicht als ausreichend angesehen werden, um die Strafbarkeit nach der neuen Rechtsverordnung zu begründen. 5 6 6 ee) Riickverweisungsklauseln. Problematisch sind sodann so genannte Rückverweisungsklauseln, in denen der nationale Verordnungsgeber ermächtigt wird festzulegen, welche Ge- oder Verbote sanktionsbewehrt sein sollen. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, ein zeitaufwendiges Gesetzgebungsverfahren zu vermeiden, welches unverzichtbar wäre, wenn sich das in Bezug genommene Gemeinschaftsrecht ändert. Solche Rückverweisungsklauseln tragen zwar zu einer erhöhten Bestimmtheit bei. Jedoch darf der Strafgesetzgeber die Entscheidung über das „ O b " der Strafbarkeit nicht dem Verordnungsgeber überlassen und damit den von Art. 103 Abs. 2 G G geforderten Parlamentsvorbehalt unterlaufen, indem er den Verordnungsgeber zum Erlass von Rückverweisungsklauseln ermächtigt. Dies ist der Fall, wenn ein nationaler Verordnungsgeber ermächtigt wird, durch Rückverweisungsklauseln gemeinschaftsrechtliche Normen zu benennen, deren Verletzung strafbewehrt sein soll. Daher sind Regelungen, in denen die Strafbewehrung des jeweils geltenden Gemeinschaftsrechts von der Entscheidung des nationalen Verordnungsgebers darüber abhängig gemacht wird, ob die zu bewehrende EG-Verordnung inhaltlich einer nationalen strafbewehrten Regelung entspricht, verfassungswidrig. Solche Ermächtigungsnormen entsprechen nicht den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 G G . 5 6 7
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Gleiches gilt, wenn der nationale Verordnungsgeber gesetzlich ermächtigt wird, innerhalb eines bestimmten Rahmens zur Absicherung und Durchsetzung gemeinschaftsrechtlicher Ge- oder Verbote Strafvorschriften zu erlassen. Auch hierbei bleibt dem Verordnungsgeber überlassen, die EG-Rechtsakte zu bestimmen, die einer Regelung nach dem nationalen Recht entsprechen, und er darf selbst entscheiden, welche EG-Rechtsakte sanktionsbewehrt werden sollen. 5 6 8 Dies verstößt aber gegen den strafrechtlichen Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG.
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Daneben gibt es rein deklaratorische Techniken der Rückverweisung, die unbedenklieh sind (BVerfGE 75 329, 3 4 3 ) , 5 6 9 und die Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit steigern
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BGHSt 42 219 ff; Enderle S. 198 ff, 266; Krey EWR 1981 109, 143; Moll S. 61 ff, 75 ff; Satzger Europäisierung S. 237; ders. JuS 2004 943, 948; vgl. auch Böse Strafen S. 439; Kert Lebensmittelstrafrecht im Spannungsfeld des Gemeinschaftsrechts (2004) S. 435 f; aA Streinz WiVerw 1993 1, 33. BVerfGE 75 329, 342; BVerfG ZLR 1978 89 ff; ebenso vorhergehend OLG Zweibrücken ZLR 1978 89 ff mit Anm. Koch; vgl. auch BGHSt 25 190, 196; 42 219, 222; dazu Dannecker Jura 1998 79, 85; ders. FG BGH 50 Bd. IV 339, 370 ff; Kert Lebensmittelstrafrecht im Spannungsfeld des Gemeinschaftsrechts (2004) S. 443; Enderle S. 266 hält demgegenüber nur statische Verwei-
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sungen auf EG-Recht für zulässig; ebenso OLG Stuttgart NJW 1990 657 f. So aber Eisele JZ 2001 1157, 1164. OLG Koblenz NStZ 1989 188, 189; Bungert NStZ 1993 421, 424; Schmitz MK Rdn. 51. Dannecker EntSanktionierung der Straf- und Bußgeldvorschriften des Lebensmittelrechts (1996) S. 88 ff; Enderle S. 265 ff; Kühne ZLR 2001 379, 387 ff; Satzger Europäisierung S. 282 f; Schmitz MK Rdn. 51; aA M. Schröder ZLR 2004 265, 270 ff; Zipfel/ Rathke Lebensmittelrecht Bd. 2 Vor § 56 LMBG Rdn. 2 ff. Hecker § 7 Rdn. 108 f. Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 268.
Gerhard Dannecker
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
(z.B. § 3 Abs. 1 WiStG). 5 7 0 Erforderlich sind solche Verweisungen allerdings nicht, wenn die Verweisungskette von der Blankettnorm auf die ausfüllenden Vorschriften geschlossen ist und dadurch das strafbare Verhalten in verfassungsrechtlich ausreichender Weise erkannt werden kann (BVerfG 1993 1909 f). Soweit in der Literatur gegen die inzwischen üblich gewordene deklaratorische Rückverweisungstechnik der Einwand erhoben wird, der Exekutive werde dadurch die Macht übertragen, über die Anwendbarkeit einer Strafvorschrift zu entscheiden, 571 handelt es sich um ein strukturelles Problem aller Verweisungen. Wenn die Ausfüllung einer anderen Instanz überlassen wird, entsteht nur dann eine anwendbare Strafnorm, wenn diese Instanz eine entsprechende Ausfüllung vornimmt. 5 7 2 163
ff) „Extensionale Verweisungstechnik". Blankettverweisungen können schließlich noch unter dem Gesichtpunkt problematisch sein, dass es sich um eine „extensionale Verweisungstechnik" handelt. Eine solche liegt vor, wenn ein Strafgesetz auf ein anderes Gesetz verweist, das seinerseits wieder auf Gesetze Bezug nimmt, so dass Verweisungsketten entstehen.
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Beispielhaft kann auf das Naturschutzstrafrecht und das Weinstrafrecht verwiesen werden, die lange Verweisungsketten auf Verordnungen und Richtlinien nebst Anhängen enthalten. 5 7 3 So wurde mit der sog. Artenschutznovelle 574 vom 10.12.1986 der Straftatbestand des § 30a BNatSchG eingeführt, der bestimmten Formen des nationalen und internationalen Handels mit gefährdeten Arten entgegenwirken sollte. Hiernach machte sich strafbar, wer eine gesetzlich näher bezeichnete Handlung beging, die sich auf eine vom Aussterben bedrohte Art bezog. Was eine „vom Aussterben bedrohte Art" ist, bestimmte sich nach einer EG-Verordnung, 575 auf die in den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes verwiesen wurde und die den im Bundesnaturschutzgesetz verwendeten Begriff der „besonders geschützten Art" konkretisiert. Der Bundesgerichtshof sah hierin keinen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, weil der nationale Gesetzgeber die Voraussetzungen der Strafbarkeit selbst hinreichend genau umschrieben und nur zur weiteren Spezifizierung des Straftatbestandes auf die EG-Verordnung verwiesen habe, die unter Übernahme des Washingtoner Artenschutzabkommens vom 3. März 1973 in das europäische Recht eine ins Einzelne gehende Bezeichnung der bedrohten Tierarten vornehme. Eine längere Verweisungskette sei im Nebenstrafrecht üblich und diene der lückenlosen Erfassung komplexer Materien. 5 7 6 In der Literatur werden Bedenken gegen dieses „unübersichtliche Strafrecht" erhoben, das erst aus Einzelregelungen des Bundesnaturschutzgesetzes, der immer wieder geänderten EG-Verordnung und der Bundesartenschutzverordnung mit angehängten Katalogen ermittelt werden müsse. 5 7 7 Der Bundesgerichtshof verwarf diese Bedenken zwar im Ergebnis, machte aber deutlich, dass es sich um eine speziell gelagerte Konstellation handelt. Bei dieser Entscheidung dürfte eine
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Vgl. dazu nur Enderle S. 186 f; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 110; näher dazu H. Schneider Gesetzgebung, 3. Aufl. (2002) Rdn. 77 ff. So Freund ZLR 1994 261, 286, 290; Volkmann ZIP 1995 220 f. So zutreffend Enderle S. 187. Näher dazu Dannecker FG BGH 50 Bd. IV 339, 372 f, 375 f; Hecker § 7 Rdn. 92 ff. m.w.N. BGBl. I 1986 S. 2349.
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Anhang A/Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 3626/92 des Rates zur Anwendung des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere oder Pflanzen in der Gemeinschaft vom 3.12.1982, ABl. 1982 Nr. L 384 vom 31.12.1982 S. 1. BGH wistra 1997 25, 26. "Weber Naturschutz mit den Mitteln des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts (1991) S. 86 ff m.w.N.
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Rolle gespielt haben, dass sich der konkrete Fall angesichts der eindeutigen Rechtsverstöße nicht geeignet hat, um Blankettverweisungen auf das Gemeinschaftsrecht für verfassungswidrig zu erklären. 5 7 8 Jedenfalls hat sich der Bundesgerichtshof mit dieser Entscheidung die Möglichkeit offen gehalten, in etwas anders gelagerten Fällen zur Unvereinbarkeit eines Blankettstrafgesetzes mit dem Verfassungsrecht zu kommen und so den Gesetzgeber zu klareren und übersichtlicheren Regelungen zu zwingen. Ein weiteres Beispiel stellt das Außenwirtschaftsstrafrecht mit seinen zahlreichen, unübersichtlichen Verweisungen auf nationales und europäisches Recht - das Außenwirtschaftsgesetz verweist auf die Außenwirtschaftsverordnung und diese wiederum auf die sog. „Ausfuhrliste", die diejenigen Waren aufzählt, deren Ausfuhr nur mit Genehmigung des Bundesausfuhramts zulässig ist - d a r . 5 7 9 Der Bundesgerichtshof musste sich in seiner Grundsatzentscheidung vom 2 1 . 4 . 1 9 9 5 5 8 0 mit § 3 4 Abs. 4 AWG, der die Vorschriften der Außenwirtschaftsverordnung in Bezug nimmt und mit dem Verhältnis der drei über die Blankettnorm miteinander verflochtenen Rechtsverordnungen befassen. 5 8 1 Zunächst stellte der B G H fest, dass sich der deutsche Gesetzgeber bei der Ausfüllung der Blankettvorschrift durch die Außenwirtschaftsverordnung im Rahmen der vom Sicherheitsrat verhängten M a ß n a h m e n , auf die der Gesetzeswortlaut ausdrücklich verweist, halten müsse, über deren Regelungsgehalt er „schon im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Gesetzesgebundenheit im Strafrecht" nicht hinausgehen d ü r f e . 5 8 2 An diesem Ergebnis ändere - so der Bundesgerichtshof - auch nichts, dass der Wortlaut der in Bezug genommenen Außenwirtschaftsverordnungsvorschrift mit der entsprechenden Passage in der EG-Verordnung übereinstimme. Letztere sei zwar in Deutschland unmittelbar geltendes Recht, jedoch komme ihr mangels kriminalstrafrechtlicher Kompetenz der E G keine strafrechtliche Bedeutung z u . 5 8 3 Wenngleich die Blankettnorm des § 3 4 Abs. 4 AWG auch auf EG-Verordnungen verweise, müssten diese Verordnungen aufgrund einer autonomen, gerade im Hinblick auf § 3 4 Abs. 4 A W G getroffenen Entscheidung des zuständigen Organs nach dem Wortlaut des Strafgesetzes im Bundesgesetzblatt oder Bundesanzeiger veröffentlicht sein, um eine Strafbarkeit begründen zu k ö n n e n . 5 8 4 Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 3 4 Abs. 4 AWG. Da somit weder die Vorschriften der Außenwirtschaftsverordnung noch der EG-Verordnung taugliche „Bezugsobjekte" der Blankettnorm des § 3 4 Abs. 4 AWG waren, verneinte der B G H die Strafbarkeit in dem konkreten Fall. Der Bundesgerichtshof stellt in dieser Entscheidung zutreffend nicht auf die Vorhersehbarkeit für den Bürger ab, sondern überprüft, ob objektiv die Voraussetzungen des strafrechtlichen Gesetzesvorbehalts erfüllt sind. Wenn diese Anforderungen erfüllt sind, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen die vom Gesetzgeber gewählte Regelungstechnik, deren Legitimation sich daraus ergibt, dass der Gesetzgeber im Außenwirtschaftsrecht schnell und flexibel, auch im Verordnungswege, auf überraschend
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Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 30.4.1998 (BGBl. I 1998 S. 823), das am 9.5.1998 in Kraft getreten ist, wurde der unbefriedigende Rechtszustand behoben und § 30a BNatSchG neu geregelt; näher dazu Pfohl wistra 1999 161 ff. Eingehend dazu Dannecker/Freitag ZStW 116 (2004) 797, 800 ff; ders. FG BGH 50 Bd. IV S. 339, 374 f. Zur Neuregelung des
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Außenwirtschaftsstrafrechts L. Schulz ZIS 2006 499, 504 ff. BGHSt 41 127 ff. Vgl. dazu Böse Strafen und Sanktionen im europäischen Gemeinschaftsrecht S. 437 f; Samson/Gustafsson wistra 1996 201 ff; dies. wistra 1997 206 f. BGHSt 41 127, 130. BGHSt 41 127, 131. BGHSt 41 127, 132.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
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eintretende Umstände reagieren können muss. 585 Hingegen sind gemeinschaftsrechtliche Vorschriften, die auf § 34 Abs. 4 AWG verweisen, mangels strafrechtlicher Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und wegen Verstoßes gegen die Wortlautgrenze verfassungswidrig. 586 166
Schließlich kennt das Lebensmittelstrafrecht extensionale Verweisungen, wenn die Strafgesetze zunächst nationale Verbotsvorschriften in Bezug nehmen, die dann wiederum auf Vorschriften in nationalen oder europäischen Rechtsverordnungen verweisen. 587 Diese Verweisungen führen insbesondere im Zusammenhang mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu einer extremen Unbestimmtheit der Straftatbestände, die mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht mehr vereinbar ist. 588 Allerdings steht einer Anwendung dieser Verfassungsnorm der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts entgegen, so dass der gemeinschaftsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz den einzuhaltenden Maßstab setzt (Rdn. 46). So verweist § 58 Abs. 2 Nr. 1 LFGB auf § 5 Abs. 2 Nr. 2 LFGB, der wiederum Art. 14 Abs. 2 Buchst, a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 in Bezug nimmt. Gerade letztere Vorschrift ist aber durch eine ungewöhnlich große Unbestimmtheit gekennzeichnet, weil der in diesem Rechtsgebiet geltende vorbeugende Gesundheitsschutz dadurch noch weiter vorverlagert wird, dass nach Art. 14 Abs. 2 BasisVO bei der Entscheidung, ob ein Lebensmittel potenziell gesundheitsschädlich ist, nicht nur die wahrscheinlichen sofortigen und/oder kurzfristigen und/oder langfristigen Auswirkungen des Lebensmittels auf die Gesundheit des Verbrauchers, sondern auch die Auswirkungen auf nachfolgende Generationen berücksichtigt werden müssen (Art. 14 Abs. 4 lit. a BasisVO). Die rechtlich geforderte Berücksichtigung auch künftiger Generationen birgt sowohl ein Zeitproblem als auch ein Maßstabsproblem und ein Steuerungsproblem in sich, das mit den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG an strafrechtliche Normen nicht vereinbar ist: Die Zeitproblematik besteht darin, dass Rechtsnormen auf den Erkenntnisstand, die Bewertungen und Ziele zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes bezogen sind. Recht soll aber auch für gegenwärtige und zukünftige Sachverhalte wirken. Auf veränderte, unvorhersehbare Situationen kann das Recht nur reagieren und mit der Dynamik von Wissenschaft und Technik mithalten, wenn es als „lernendes Recht" seine Erkenntnisgrundlagen fortlaufend aktualisiert. Das Maßstabsproblem besteht darin, dass auch unter Ungewissheitsbedingungen Entscheidungen getroffen werden müssen. Der Gesetzgeber kann zwar auf konkrete Regelungen verzichten, muss dann aber die Risiken abschätzen, die mit dem Nichtstun für bestimmte Rechtsgüter verbunden sind. Das Steuerungsproblem schließlich liegt darin, dass staatliche Entscheidungen unter Ungewissheitsbedingungen vielfach davon abhängen, dass die Bürger die staatlichen Impulse aus eigener Motivation
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BVerfG NJW 1992 2634; NJW 1993 1909, 1910 („Störung der auswärtigen Beziehungen"); Bieneck wistra 1994 173 ff; ders. in Müller-Gugenberger/Bieneck (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht § 62 Rdn. 2; Hütt in Tiede mann (Hrsg.) Die Verbrechen in der Wirtschaft, 2. Aufl. (1972) S. 74 f; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht BT Rdn. 62; kritisch Trouert FS Krause 407, 419 ff. Bedenken unter dem Gesichtpunkt der Tatbestandsbestimmtheit erheben Dannecker/Freitag ZStW 116 (2004) 797, 813 f. Dannecker/Freitag ZStW 116 (2004) 797, 810 f.
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Dannecker ZStW 117 (2005) 697, 725 ff; vgl. auch Schnell Verweisungsbedingte Normkomplexität nebenstrafrechtlicher Tatbestände am Beispiel des Weingesetzes (1986) passim. Dannecker ZStW 117 (2005) 697, 725 ff; Kert Lebensmittelstrafrecht im Spannungsfeld des Gemeinschaftsrechts (2004) S. 440 ff; allgemein zur Fragwürdigkeit des Bestimmtheitsgebots im Lebensmittelstrafrecht Hufen Verfassungsrechtliche Maßstäbe und Grenzen lebensmittelstrafrechtlicher Verantwortung (1987) passim.
G e r h a r d Dannecker
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heraus annehmen. Staatliche Steuerung durch Befehl und Zwang kann hier mitunter nur wenig bewirken, da dem Staat Bürger gegenüberstehen, die zum einen spezielles Erfahrungs- und Risikowissen, zum anderen auch eine besondere Verhinderungsmacht haben. Der rechtliche Schlüsselbegriff für dieses Problem ist der der Vorsorge (Rdn. 122). Unter dem Vorzeichen von Vorsorge wird hier Recht angewendet, obwohl ungewiss ist, ob dazu wirklich Anlass besteht. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, obwohl ungewiss ist, ob und inwieweit diese Maßnahmen dem Schutzgut tatsächlich dienen. Risikovorsorge geht ihrem Ansatz nach von unsicheren Ursache-Wirkungs-Beziehungen aus und operiert mit einem mehr oder weniger offenen Spektrum an möglichen schädlichen Entscheidungs- bzw. Ungewissheitsfolgen. Ein solches rechtliches Programm für den Umgang mit Ungewissheit ist aus der Perspektive des Strafrechts nicht vertretbar, da es in seinem Ansatz nach auf unbegrenzte Ausweitung angelegt ist. Vorsorge ist konzeptionell weder limitiert noch kennt sie immanente Grenzen. Sie lässt sich gegenständlich, räumlich und zeitlich unbegrenzt ausdehnen und eröffnet damit eine immer weiterreichende Inpflichtnahme der Bürger. Als Grundlage für eine Strafbewehrung sind solche Normen gänzlich ungeeignet. Die extreme Vorverlagerung des lebensmittelrechtlichen Gesundheitsschutzes 589 ist mit so erheblichen Bewertungs- und Feststellungsunsicherheiten verbunden, dass Unvereinbarkeit mit den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG an die Vorhersehbarkeit im Strafrecht vorliegt. Da die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auch dann, wenn sie durch Strafnormen in Bezug genommen werden, am Vorrang des Gemeinschaftsrechts teilhaben und deshalb am gemeinschaftsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu messen sind, steht jedoch zu befürchten, dass der Europäische Gerichtshof die lebensmittelrechtliche Auslegung der in Bezug genommenen Vorschriften übernimmt und keine erhöhten Anforderungen im Strafrecht gestellt werden (s. dazu Rdn. 36 f). c) Berichtigung von Redaktionsversehen. Wenn eine Unrichtigkeit des Gesetzes vorliegt, die für Jedermann erkennbar und deshalb offenbar ist, kann eine solche nach BVerfGE 105 313 mit Blick auf „die Erfordernisse einer funktionsfähigen Gesetzgebung in Anknüpfung an die überkommene Staatspraxis" durch die oberste Verwaltung berichtigt werden, sofern der materielle Normgehalt hierdurch nicht angetastet wird. 590 Der materielle Normgehalt bleibt jedenfalls dann unberührt, wenn der zu korrigierende Fehler außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens liegt. Eine solche Berichtigung hat nur deklaratorische Bedeutung 591 und steht deshalb einer Strafbarkeit grundsätzlich nicht entgegen. In diesen Fällen greift Art. 103 Abs. 2 GG, da es nicht um eine Gesetzesänderung geht und die oberste Exekutive und nicht die Judikative tätig wird, grundsätzlich nicht ein. Wenn allerdings infolge des Fehlers die Anforderungen an die Gesetzesklarheit des Straftatbestandes nicht gewahrt sind, weil der Fehler nicht offensichtlich und damit für den Bürger auch nicht vorhersehbar war, steht nicht das Gesetzlichkeitsprinzip in seiner Ausprägung der lex scripta, sondern der Bestimmtheitsgrundsatz einer Bestrafung entgegen.
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Von Fehlern außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens zu trennen sind Fehler, die dem Gesetzgeber unterlaufen sind. Soweit es sich um eine fehlerhafte Binnenverweisung handelt, darf nicht im Wege der Auslegung eine Korrektur vorgenommen werden, um die
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Näher dazu von Danwitz Z L R 2001 209, 219 f; Gorny Z L R 2 0 0 1 501, 5 0 9 ff. v. Mangoldt/Klein/Starck Art. 82 Rdn. 11; Staats ZRP 1974 183; Zippelius/Würtenber-
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ger Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl. (2005) § 4 5 III 3b S. 4 0 5 f. BVerfGE 14 2 5 0 ; BVerfG wistra 2 0 0 3 255, 2 5 7 ; BGH wistra 2 0 0 1 263, 264.
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Strafbarkeit auf die fälschlicherweise nicht in Bezug genommene Vorschrift zu stützen. 5 9 2 Da Schreib- und Rechenfehler nicht im Wege der Auslegung korrigiert werden könn e n 5 9 3 - dies gilt insbesondere für Verweisungen auf bestimmte Ziffern, da es sich hierbei um höchst deskriptive Merkmale handelt - , stellt sich die Frage, ob der Richter ebenso wie die oberste Verwaltungsbehörde - offensichtliche Schreib- oder Fassungsfehler des Gesetzes berichtigen darf oder ob Art. 103 Abs. 2 G G eine solche Berichtigung dem Gesetzgeber vorbehält. Der Bundesgerichtshof hat mehrfach die Berechtigung des Richters zur Korrektur von Redaktionsversehen b e j a h t . 5 9 4 Die Grenze der Zulässigkeit muss in diesen Fällen, da es nicht um eine Frage der Auslegung geht, Art. 103 Abs. 2 G G entnommen werden, so dass es auf die objektive Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit für den Normadressaten ankommt (Rdn. 5 4 ) . Wenn der Fehler des Gesetzgebers hinreichend erkennbar ist, steht Art. 103 Abs. 2 G G einer nur deklaratorischen Klarstellung des Gesetzestextes 5 9 5 zur Beseitigung eines offensichtlichen Redaktionsversehens nicht entgegen, da sowohl dem Demokratieprinzip und der Gewaltenteilung als auch dem Schutz des Bürgers durch das M e r k m a l der Klarheit Rechnung getragen ist. 169
d) Verbot des Gewohnheitsrechts und Ermächtigung zur Rechtsfortbildung „intra legem". § 1 und Art. 103 Abs. 2 G G verbieten strafbegründendes oder strafschärfendes Gewohnheitsrecht, 5 9 6 das zu einer Verschlechterung der Rechtsposition des Täters f ü h r t . 5 9 7 Nur das geschriebene Gesetz vermag den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 G G zu genügen (Prinzip der lex scripta).
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Gewohnheitsrecht ist Recht, das nicht durch förmliche Setzung, sondern durch längere Übung entstanden ist, welche eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine sein muss und von den Normunterworfenen als verbindliche N o r m anerkannt w i r d . 5 9 8 Die allgemeine Überzeugung, ein Verhalten sei strafwürdig, ersetzt den geschriebenen Rechtssatz nicht. Im Strafrecht kann Gewohnheitsrecht nur durch Übung der Strafinstanzen, vor allem der Gerichte, entstehen. 5 9 9 Hinzu kommen muss die Anerkennung der dauernden Übung als Rechtsanwendung durch die Gemeinschaft. 6 0 0
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So BVerfGE 9 7 157, 1 6 7 f zu einer fehlerhaften Verweisung in einer Bußgeldvorschrift (!).
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Schorn Die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten in Hoheitsakten der Gesetzgebung ( 1 9 8 4 ) S. 7 2 ; Tiedemann Z B B 2 0 0 5 1 9 0 , 192; unzutreffend Hellmann/Beckemper Wirtschaftsstrafrecht Rdn. 5 1 5 i.V.m.
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BVerfGE 14 174, 185; 71 108, 115; 7 3 2 0 6 , 2 3 5 ; BGHSt (GS) 4 0 167, 1 6 8 ; BGHSt 4 2 2 3 5 , 2 4 1 ; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Bd. 3 Art. 1 0 3 Rdn. 2 5 ; Lackneri Kühl Rdn. 3; Otto AT § 2 Rdn. 2 7 ff; Rudolphi SK Rdn. 17 ff; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 2 2 2 ; Sch/Schröder/Eser Rdn. 9; Stratenwerth/ Kuhlen AT § 3 Rdn. 2 5 ; vgl. auch Maurach/ Zipf AT/1 § 8 Rdn. 41.
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BVerfGE 71 108, 115 f; 7 3 2 0 6 , 2 3 5 , Wassermann AK-GG Art. 1 0 3 Rdn. 47. Vgl. auch RGSt 5 8 6, 9 ; BVerfGE 2 2 114,
Fn. 1 4 4 . 594
B G H N J W 1 9 5 3 1 9 2 6 (Nr. 2 8 ) ; BGH wistra 2 0 0 1 2 6 2 , 2 6 4 ; zustimmend Jahr FS Arthur Kaufmann 1 5 6 ; Jescheck/Weigend AT $ 17 IV 5 ; Höpfel JB1. 1 9 7 9 5 7 5 ff; Tiedemann Z B B 2 0 0 5 1 9 0 , 1 9 2 ; aA Krey Studien S. 1 6 8 ff, 171 ff; Lackner FS Universität Heidelberg 39, 5 8 ; Rüthers J Z 2 0 0 5 21 f; Schmitz M K Rdn. 7 5 ; ders./Wulf wistra 2 0 0 1 361, 3 6 2 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 37.
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Rudolphi SK Rdn. 17; AT § 3 Rdn. 2 4 , 2 8 .
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Jescheck/Weigend Hassemer/Kargl
BVerfGE 14 2 4 5 , 2 5 0 ; 2 2 1, 14; 9 7 157, 1 5 8 ; Tiedemann Z B B 2 0 0 5 1 9 0 , 192.
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Stratenwerth/Kuhlen
AT § 12 IV 1; vgl. auch N K Rdn. 6 5 f.
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Für den Bereich des Allgemeinen Teils wird die Geltung des G e w o h n h e i t s r e c h t s Verbots nicht einheitlich beurteilt. Ein Teil des Schrifttums verneint die Geltung unter Hinweis auf die zahlreichen Lehren und Institute des Allgemeinen Teils, die sich a u c h zuungunsten des T ä t e r s auswirken. Dabei wird h e r v o r g e h o b e n , dass es sich nur u m ergänzendes G e w o h n h e i t s r e c h t , also um gewohnheitsrechtlich a n e r k a n n t e Auslegung handele und der gesetzlich vorgegebene R a h m e n nicht gesprengt werden d ü r f e . 6 0 1 N u r diese Auffassung werde der Tatsache gerecht, dass vor allem allgemeine Lehren des Strafrechts „ihre Rechtsgeltung aus dem G e w o h n h e i t s r e c h t " beziehen dürfen. D e m g e g e n ü b e r geht eine M i n d e r m e i n u n g im Schrifttum von der Geltung des G e w o h n h e i t s r e c h t s v e r b o t s auch im Allgemeinen Teil a u s . 6 0 2
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aa) Notwendigkeit einer Kodifizierung strafbarkeitsbegriindender und strafbarkeitsausdehnender Regelungen im Bereich des Allgemeinen Teils. Ein Teil der (traditionellen) Lehre bezieht die G a r a n t i e f u n k t i o n des Gesetzes von vornherein nur a u f die besonderen Straftatbestände, die Verhaltensnormen s t a t u i e r e n . 6 0 3 Hingegen geht die h . M . davon aus, dass die verfassungsrechtliche Notwendigkeit besteht, strafbarkeitsbegründende und -ausdehnende N o r m e n auch im Bereich des Allgemeinen Teils gesetzlich zu r e g e l n . 6 0 4 Die Kodifikation des Allgemeinen Teils hat inzwischen ein solches Stadium erreicht, dass es für den Gesetzgeber praktisch zur Selbstverständlichkeit geworden ist, auch Regeln des Allgemeinen Teils in Gesetzesform zu erlassen. Strafbarkeitsbegründende und -ausdehnende Regelungen wie diejenigen zu Fahrlässigkeit, Unterlassen, Versuch, T ä t e r s c h a f t und Teilnahme müssen sogar zwingend gesetzlich geregelt werden. Dies gilt insbesondere, wenn durch solche Regelungen Verhaltensnormen neu geschaffen oder bestehende ausgeweitet werden, wie dies bei der Anstiftung und Beihilfe oder beim unechten Unterlassungsdelikt der Fall ist. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers, hierüber in abstrakt-genereller F o r m zu entscheiden, da es sich um wesentliche Voraussetzungen der Strafbarkeit h a n d e l t . 6 0 5 Ein gewohnheitsrechtlicher Satz etwa des Inhalts, die erfolglose Beihilfe zu bestrafen, w ä r e u n z u l ä s s i g . 6 0 6
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bb) Ermächtigung zur Rechtsfortbildung „intra l e g e m " . J e d o c h erfordert Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nach h . M . nicht, dass die Voraussetzungen der Strafbarkeit ausschließlich der Rechtsquelle des förmlichen Gesetzes entspringen; auch die ständige Praxis der Gerichte wird im Allgemeinen Teil prinzipiell als Rechtsquelle a n e r k a n n t , wenn sich die R e c h t sprechung in dem durch den Gesetzgeber gesteckten R a h m e n b e w e g t . 6 0 7 D a s Gesetz enthält in solchen Fällen eine E r m ä c h t i g u n g zur R e c h t s f o r t b i l d u n g „intra l e g e m " . 6 0 8 N o t wendig ist allerdings, dass der Gesetzgeber über die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit entschieden hat. Diesem Erfordernis wurde nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch § 13 R e c h n u n g getragen, weil hiernach eine Rechtspflicht zur Abwendung des deliktischen Erfolgs erforderlich sei und das Unterlassen bei wertender Betrachtungsweise der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands durch aktives T u n
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Maurach/Zipf AT/1 § 8 Rdn. 41; Sch/ Schröder/Eser Rdn. 15; Tröndle/Fischer Rdn. 9. Dannecker FS Otto, S. 25, 34 ff; Roxin AT I § 5 Rdn. 47; Stratenwerth/Kuhlen AT § 3 Rdn. 25; Rudolphi SK Rdn. 18. Lemmel S. 137; R. Schmitt FS Jescheck 223, 224 ff; Gribbohm LK 11 Rdn. 71; Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 53. Vgl. nur Roxin AT I § 5 Rdn. 41 m.w.N.
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Zusammenfassend Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht in der EU S. 8 u.ö.; zur gewaltenteilungssichernden Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes BVerfGE 75 329, 341 m.w.N. Straftenwerth/Kuhlen AT § 23 Rdn. 25. Küper FS Heidelberg 451 ff. Krey ZStW 101 (1989) 838 ff; übereinstimmend Tiedemann FS Baumann 7, 16.
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entsprechen müsse. Die Anbindung an eine Rechtspflicht und an eine auf langjähriger Tradition beruhende einheitliche und klare richterrechtliche Umschreibung möglicher Garantenstellungen gewährleiste, dass das R i s i k o einer Bestrafung für den N o r m a d r e s s a ten voraussehbar w e r d e . 6 0 9 174
cc) Richterrechtliche Begründung der materiellen Strafbarkeit im R a h m e n der Allgemeinen Lehren und Zurechnungsregeln. Auch eine richterrechtliche Begründung der materiellen Strafbarkeit ist ausgeschlossen, 6 1 0 wenn dadurch die vom Gesetzgeber gezogene Grenze der Strafbarkeit überschritten w i r d . 6 1 1 N i c h t hingegen steht Art. 1 0 3 Abs. 2 G G ergänzendem R i c h t e r r e c h t in F o r m der H a n d h a b u n g der allgemeinen Lehren der Strafrechtsdogmatik und der Entwicklung von Zurechnungsregeln e n t g e g e n . 6 1 2 Hierbei geht es nicht d a r u m , allgemeine Zurechnungsregeln auf eine gewohnheitsrechtliche Geltung zu stützen, sondern u m die Entfaltung von Zurechnungsregeln neben den gesetzlich ausformulierten Regeln der Z u r e c h n u n g strafbaren V e r h a l t e n s . 6 1 3 Hinsichtlich der allgemeinen Lehren, z.B. über die Kausalität und objektive Z u r e c h n u n g , Vorsatz und Fahrlässigkeit, ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung hierüber nicht in einem „rechtsfreien R a u m " entscheidet, sondern auf einem G e b i e t , auf dem der Gesetzgeber sich auf die Setzung eines Normrahmens beschränkt h a t . 6 1 4 Auch hier gilt, dass die Ausfüllung dieses R a h m e n s zum großen Teil bewusst an die O r g a n e der Rechtsanwendung delegiert worden ist. Ihnen ist daher gewohnheitsrechtlicher C h a r a k t e r abzusprechen. Es handelt sich um ergänzendes Richterrecht, 6 1 5 und dieses wird durch Art. 1 0 3 Abs. 2 G G unter Zugrundelegung der Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht nicht ausg e s c h l o s s e n . 6 1 6 Dies gilt gleichermaßen, wenn der Gesetzgeber bestimmte Entscheidungen bewusst der R e c h t s p r e c h u n g überlässt, so z.B. bei der Ausgestaltung der Irrtumsregelungen, die keine Spezialnorm für die Behandlung des Irrtums über Rechtfertigungsgründe enthalten.
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D a s V e r b o t , G e w o h n h e i t s r e c h t im Strafrecht anzuwenden, gilt nur, soweit es den Beschuldigten beschwert. Hingegen steht der gewohnheitsrechtlichen Geltung von Rechtfertigungs-, Schuld- und Strafausschließungsgründen Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nicht e n t g e g e n , 6 1 7
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BVerfGE 96 68, 98 f; kritisch dazu aber Tiedemann Verfassungsrecht und Strafrecht S. 44; ders. Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 116; Tatbestandsfunktionen S. 196 m.w.N. BVerfGE 71 108, 115 f; 73 206, 235; 92 1, 12; BGHSt 37 226, 230; 38 144, 151; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 47; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Bd. 3 Art. 103 Rdn. 25; Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 44 ff; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 25; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 47. BVerfGE 95 96, 132; Rudolphi SK Rdn. 20 f m.w.N.; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 Rdn. 197, 222; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 43. Rudolphi SK Rdn. 21; Sch/Schröder/Eser Rdn. 15 m.w.N. Hassemer/Kargl NK Rdn. 67 ff; Roxin AT I § 5 Rdn. 46 ff; Tiedemann FS Bau-
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mann 7, 15; zustimmend Otto AT § 2 Rdn. 29. Jakobs AT 4/46; ähnlich Tiedemann FS Baumann 7, 15. Otto AT § 2 Rdn. 29; Roxin AT I § 5 Rdn. 4 7 ff; Rudolphi SK Rdn. 18, 21; Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 52; Schreiber J Z 1973 713, 126; Stratenwerth/Kuhlen AT § 23 Rdn. 25; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 48. Dannecker S. 277. BVerfGE 95 96, 132, RGSt 5 9 404, 406 f; BGHSt 11 241, 244 f; BayObLG MDR 1982 1040 m. Anm. Sack JR 1983 123; Hassemerl Kargl NK Rdn. 67; Rudolphi SK Rdn. 18, 20 f; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 Rdn. 197, 222; Sch/Schröder/Eser Rdn. 14; Stratenwerth/Kuhlen AT § 3 Rdn. 27; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 48.
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da sie den Täter begünstigen. 6 1 8 Allerdings führt die Anerkennung gewohnheitsrechtlich gebildeter Rechtfertigungsgründe, weil die Erweiterung der Rechtfertigungsmöglichkeiten für den Täter zu einer Einschränkung der Befugnisse des Opfers führt, auf diese Weise unter Umständen auch zu einer Erweiterung der Strafbarkeit. 6 1 9 Solche Erweiterungen der Strafbarkeit sind nach der ratio des Art. 103 Abs. 2 G G nicht vom Verbot belastenden Gewohnheitsrechts erfasst, da dieses Verbot auf den eigentlichen Unrechtstatbestand beschränkt ist. 6 2 0 Sie fallen ebenso wie die außerstrafrechtlichen Rechtfertigungsgründe von vornherein nicht unter das Gewohnheitsrechtsverbot. 6 2 1 dd) Aufhebung von Gesetzen durch Gewohnheitsrecht. Gewohnheitsrecht kann ein Strafgesetz aufheben (desuetudo), 6 2 2 mag dies auch ein seltener Ausnahmefall s e i n 6 2 3 und vor allem im Nebenstrafrecht eine Rolle spielen. 6 2 4 Zweifel der zuständigen Behörden an der Weitergeltung einer Rechtsvorschrift setzen diese nicht außer Kraft, selbst wenn die Zweifel dazu führen, dass die Vorschrift vorübergehend nicht angewendet wird. 6 2 5 Erforderlich ist vielmehr eine entsprechende einheitliche Rechtsüberzeugung. 6 2 6
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ee) Einschränkungen gesetzlicher Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe. Von größerer praktischer Bedeutung sind Einschränkungen von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen aus sozialethischen Gründen, deren Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot das eigentliche Kernproblem der Rechtswidrigkeitsmerkmale darstellt. 6 2 7 Solche Einschränkungen sind mit Art. 103 Abs. 2 G G nicht vereinbar, 6 2 8 da durch sie die Strafbarkeit zu Lasten des Täters unmittelbar erweitert w i r d . 6 2 9 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Grundsatz „nullum crimen sine lege" nur dann eingreift und solche Begrenzungen verbietet, wenn der Wortlaut des Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes der Einschränkung entgegensteht. 6 3 0 Ist die Einschränkung hingegen mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar, wie bei der rechtfertigenden Notwehr nach § 3 2 über das Merkmal der Gebotenheit, so bestehen im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 G G keine Beden-
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Jakobs AT 4 / 4 6 ; Roxin AT I § 5 Rdn. 4 6 ff. Eingehend dazu Suppert S. 2 9 4 ff; vgl. auch Krey Studien S. 2 3 3 ff. Hirsch L K » Vor § 32 Rdn. 3 6 ; Rudolphi Rdn. 2 0 ; Sch/Schröder/Eser Rdn. 14; Suppert S. 2 9 7 . Hirsch FS Tjong 6 3 ff; Krey Studien S. 2 3 4 ff; Rudolphi SK Rdn. 2 5 a .
Braunschweig N J W 1 9 5 5 3 5 5 ; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 11; ähnlich Hassemer/Kargl NK Rdn. 6 5 ; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 6 2 .
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So Sch/Schröder/Lenckner/Eisele Rdn. 6 6 ; zustimmend Rönnau Vor § 32 Rdn. 4 2 .
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Engels GA 1 9 8 2 1 0 9 ff; Engisch FS Mezger 127, 131; Frister GA 1 9 8 8 3 1 5 ; Hirsch L K U Vor § 3 2 Rdn. 3 7 ; ders. GedS Z o n g 5 0 ,
Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Bd. 3 Art. 1 0 3 Rdn. 2 5 m.w.N.; Maurach/ Zipf A T / 1 § 8 Rdn. 4 2 ; Rudolphi SK Rdn. 19; Sch/Schröder/Eser Rdn. 11; Τrändle/ Fischer Rdn. 9; BGHSt 5 12, 2 3 ; 8 3 6 0 , 3 8 1 ; vgl. auch OGHSt 1 63, 6 6 ; 1 3 4 3 , 3 5 3 .
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O L G Braunschweig N J W 1 9 5 5 3 5 5 ; vgl. auch Hassemer/Kargl N K Rdn. 65.
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Sch/Schröder/Eser Rdn. 11 f; Stratenwerth! Kuhlen AT § 3 Rdn. 2 7 ; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 6 2 f m.w.N.
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BGHSt 5 12, 2 3 f; 8 3 6 0 , 381 f; O L G Braunschweig N J W 1 9 5 5 3 5 5 ; zust. Rudolphi SK Rdn. 19; vgl. auch Rogali K K - O W i G § 3 Rdn. 2 0 .
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BGHSt 5 12, 2 3 f; 8 3 6 0 , 381 f; O L G
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5 5 ff; Kratzsch GA 1 9 7 1 65, 7 2 ; Otto AT § 8 Rdn. 6 0 ff; Paeffgen N K Rdn. 6 3 Vor Η 32 bis 3 5 ; Schmitz M K Rdn. 14; Sch/Schröder/Eser Rdn. 14; a A Amelung J Z 1 9 8 2 617, 6 2 0 ; Krey Studien S. 2 3 3 ff; Lenckner GA 1 9 6 8 1, 9; ders. JuS 1 9 6 8 2 4 9 , 2 5 2 ; Roxin AT I, § 5 Rdn. 4 2 . 629
Die Einschränkung von Rechtfertigungsgründen lehnen generell ab: Paeffgen N K , Vor § 3 2 Rdn. 1 4 7 f; Hruschka J R 1 9 7 9 1 2 5 ff (zu § 3 4 ) ; vgl. auch die zahlreichen Nachw. bei Sickenberg JA 2 0 0 1 894, 903.
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In diesem Sinne BGHSt (GS) 4 0 1 6 7 ; AT I § 5 Rdn. 4 7 .
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
k e n . 6 3 1 Allerdings darf hierfür nicht auf den G e d a n k e n der missbräuchlichen Rechtsausübung zurückgegriffen und das gesetzliche M e r k m a l von außen an das N o t w e h r r e c h t herangetragen werden. V i e l m e h r muss die Einschränkung aus der Grundkonzeption der Rechtfertigungsgründe im Allgemeinen sowie aus den Grundstrukturen und Schutzaspekten des N o t w e h r r e c h t s im Speziellen e r f o l g e n . 6 3 2 Eine solche Einschränkung ist nur dort möglich, w o wertungsoffene N o r m m e r k m a l e , wie dies bei dem Gebotensein bei § 3 2 oder der Interessenabwägung bei § 3 4 gegeben ist, vorliegen. In diesen Fällen ist eine teleologische Auslegung der jeweiligen Rechtsbegriffe m ö g l i c h , 6 3 3 zumal die Anknüpfung an solche M e r k m a l e für den Bereich der N o t w e h r auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers e n t s p r i c h t . 6 3 4 Hingegen ist der überwiegend zur N o t w e h r e i n s c h r ä n k u n g herangezogene Begründungsansatz über die missbräuchliche R e c h t s a u s ü b u n g 6 3 5 entgegen der h . M . , die den Rechtsmissbrauchsgedanken auf der E b e n e der Rechtswidrigkeit z u l ä s s t , 6 3 6 wegen der G a r a n t i e des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G verfassungsrechtlich fragwürd i g . 6 3 7 Verfassungsrechtlich wenig problematisch ist auch eine Einschränkung der gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtfertigungsgründe, etwa der Pflichtenkollision, weil nur eine gewohnheitsrechtliche Privilegierung ausgeformt wird. Hingegen muss es als Verstoß gegen Art. 1 0 3 Abs. 2 G G gewertet werden, wenn ein geschriebener R e c h t fertigungsgrund entgegen seinem Wortsinn eingeschränkt w i r d . 6 3 8 178
ff) Actio libera in causa. I m Hinblick auf Art. 1 0 3 Abs. 2 G G ist weiterhin die Eins c h r ä n k u n g des Schuldgrundsatzes über die Rechtsfigur der „actio libera in c a u s a " p r o b l e m a t i s c h , weil nach § 2 0 die Schuld „bei Begehung der T a t " vorliegen muss. D e r 4 . Strafsenat des Bundesgerichtshofs sah hierin für die Straßenverkehrsgefährdung und das Fahren o h n e Führerschein zu R e c h t einen Verstoß gegen Art. 1 0 3 Abs. 2 G G , 6 3 9 weil das den Schuldausschluss herbeiführende Verhalten wegen Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nicht als tatbestandsmäßiges Verhalten uminterpretiert werden k a n n . Dies muss auch über die verhaltensbezogenen Delikte hinaus gelten, weil der Gesetzgeber mit den Regelungen über die Teilnahme von einem restriktiven Täterbegriff ausgeht, der grundsätzlich die Ausführung der tatbestandsmäßigen H a n d l u n g fordert. Diese gesetzgeberische Bewertung darf nicht über die „ a c t i o libera in c a u s a " außer Kraft gesetzt w e r d e n . 6 4 0 D a in den
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Roxin ZStW 93 (1981) 68, 78 f. Bitzilekis S. 106 ff; Herzog, in NK 2 § 32 Rdn. 98 f; Jescheck/ Weigend AT 5 § 32 III 3; Klesczewski FS E. A. Wolff 225, 226 ff; Kühl FS Triffterer 149, 151; Lackner/Kühl § 32 Rdn. 15; Otto AT § 8 Rdn. 93; ders. FS Wiirttenberger 129, 138; Sch/Schröder/ Lenckner/Perron § 32 Rdn. 4 7 m.w.N. Krey AT I Rdn. 521; Freund NK Vor S 13 Rdn. 262; Roxin ZStW 93 (1981) 68, 78 f; ablehnend Paeffgen NK Vor § 32 Rdn. 142 („belastende Analogie") und Kratzsch Begrenzende Strafbarkeit S. 52 f, der in Bezug auf § 32 davon ausgeht, dass der Wortlaut keiner Auslegung zugänglich ist. BTDrucks. V/4095 S. 14 zur Gebotenheit; näher dazu Roxin ZStW 93 (1981) 68, 79; Matt NStZ 1993 271, 272; Sickenberg JA 2001 894, 895 f. So BGHSt 24 356; BGH NJW 1962 308;
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BGH GA 1969 24; GA 1975 305; NStZ 2001 143; BayObLGSt 54 65; Frister GA 1988 313; Rudolphi JuS 1969 461, 464; Tröndle/Fischer § 32 Rdn. 18. Näher dazu Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 206. BGH NJW 1983 2 2 6 7 ; 1962 308, 309; Roxin AT I § 15 Rdn. 65; Sickenberg JA 2001 894, 897; Denker JuS 1979 779, 782. Rönnau LK Vor § 32 Rdn. 103. BGHSt 42 235, 236 mit Anm. Ambos NJW 1997 2296 ff; Fahnenschmidt/Klumpe DRiZ 1997 77 ff; Hirsch NStZ 1997 230 ff; Horn StV 1997 2 6 4 ff; Hruschka J Z 1997 22 ff; Neumann StV 1997 23 ff; Otto Jura 1999 217 ff; Spendel JR 1997 133 ff; M. Wolff NJW 1992 2032 f. Grundsätzlich ablehnend Hettinger Die „actio libera in causa": Strafbarkeit wegen Begehungstat trotz Schuldunfähigkeit?
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Fällen der „actio libera in causa" die Schuld „bei Begehung der T a t " gerade nicht vorliegt, kommt allenfalls eine Einschränkung des § 2 0 StGB wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens in Betracht. Der „nullum crimen"-Satz verbietet aber in einem kodifizierten Allgemeinen Teil vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckte Einschränkungen gesetzlicher Regelungen, welche die Strafbarkeit ausschließen. Es kann daher nur darum gehen, die Reichweite der Zurechnungsregeln, die nicht in vollem Umfang gesetzgeberisch ausformuliert sind, zu konkretisieren. 6 4 1 Die ansonsten weithin zu verzeichnende Offenheit des Strafgesetzbuchs gegenüber allgemeinen Zurechnungsgrundsätzen und deren Fortentwicklung besteht hier jedoch gerade nicht, wie ein Vergleich mit den Regelungen der § § 1 7 und 35 StGB zeigt. Angesichts solcher Sonderregelungen, die im Rahmen einer Kodifikation getroffen worden sind, kann auch im Bereich des Allgemeinen Teils nicht mehr auf den allgemeinen Missbrauchsgedanken zurückgegriffen werden, um die „actio libera in causa" zu legitimieren. 6 4 2 Das „Ausnahmemodell" kann somit im Rahmen des § 2 0 nur de lege ferenda gefordert, 6 4 3 nicht aber aktuell angewendet werden. Auch die „actio illicita in causa" ist im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 G G problematisch. Mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot ist es bedenklich, wenn die einzelnen Straftatbestände durch die Vorverlagerung ausgedehnt werden und dadurch ihre Konturen verlieren. 6 4 4 Eine Anknüpfung an das Vorverhalten ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Täter ein verhaltensgebundenes oder eigenhändiges Delikt begeht, da sich schwerlich sagen lässt, in dem Vorverhalten liege bereits die tatbestandumschriebene Handlung. 6 4 5 2 . Bestimmtheitsgebot. Das Bestimmtheitsgebot dient ebenso wie der Gesetzesvorbehalt einem doppelten Z w e c k : 6 4 6 Jedermann soll „vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist" (BVerfGE 73 2 0 6 , 2 3 4 unter Verweis auf BVerfGE 71 108, 114 f f ) , 6 4 7 damit er sein Verhalten entsprechend einrichten k a n n . 6 4 8 Es soll Orientierungsgewissheit für den Bürger schaffen. 6 4 9 Dabei ist Erkennbarkeit nicht als
(1988) S. 437 ff; Köhler AT S. 327; Paeffgen ZStW 97 (1985) 322 ff; Sydow Die actio libera in causa nach dem Rechtsprechungswandel des Bundesgerichtshofs (2002) S. 225. 64> Otto FG BGH 50 Bd. IV 111, 125. 6 4 2 So aber Otto FG BGH 50 Bd. IV 111, 125 f. 6 4 3 Näher dazu Dencker JZ 1984 454; Hruschka JZ 1996 64 ff; Neumann FS Arthur Kaufmann 581, 591; Sick/Renzikowski ZRP 1997 487; Streng JZ 1994 709; ders. JZ 2000 20, 26 f. 644 Paeffgen NK Vor § 32 Rdn. 147; Herzog NK § 32 Rdn. 125; Kühl AT § 7 Rdn. 243; § 8 Rdn. 144; Hruschka JR 1979 125, 127; Bizilekis Einschränkung des Notwehrrechts S. 144 f; Mitsch Straflose Provokation S. 119; Rönnau LK Vor § 32 Rdn. 104. 645 Paeffgen NK Vor § 32 Rdn. 147; Roxin AT I § 16 Rdn. 64; Kühl AT § 8 Rdn. 144; Mitsch Straflose Provokation S. 118; Küper Der verschuldete rechtfertigende Notstand S. 52, 155. 6 4 6 BVerfGE 87 209, 224; 92 1, 12.
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Vgl. auch BVerfGE 87 399, 411; 92 1, 12; 105 135, 153; BGHSt 23 167, 171; Degenhart in Sachs Art. 103 Rdn. 67; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 48; Moll S. 122 ff. BVerfGE 25 269, 285; 78 374, 381 f; 87 363 391; 92 1, 12; Bringewat Rdn. 2151; Dannecker S. 254; Rudolphi Rdn. 11; Schürmann S. 156 ff; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 33. Krey Strafe Rdn. 133; Sch/Schröder/Eser Rdn. 17; Rudolphi Rdn. 11; aA Grünwald ZStW 76 (1964) 1, 10 ff; Lemmel S. 74 ff; 154 ff; krit. auch Schmidhäuser GedS Martens 240. Sogar außerhalb des Strafrechts entspricht nach dem österreichischen VfGH eine Vorschrift unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht dem erforderlichen Mindestmaß an Verständlichkeit, wenn „zu deren Sinnermittlung subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung und geradezu archivarischer Fleiß von Nöten ist"; VfSlg 12420.
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individualpsychologischer Befund, sondern als generalisierende Erkenntnismöglichkeit, die durch die O b j e k t i v i e r u n g nicht frei von generalisierenden Elementen sein k a n n , zu v e r s t e h e n . 6 5 0 D a m i t ist das Bestimmtheitsgebot Grundlage für die generalpräventive W i r kung der N o r m e n (Rdn. 5 9 f f ) . 6 5 1 Außerdem soll gewährleistet sein, dass der Gesetzgeber selbst und nicht das rechtsanwendende Gericht über die R e i c h w e i t e der Strafbarkeit e n t s c h e i d e t . 6 5 2 Die Verpflichtung des Gesetzgebers, „die Voraussetzungen der Strafbarkeit so k o n k r e t zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln l a s s e n " (BVerfGE 7 5 3 2 9 , 3 4 1 ; 81 2 2 8 , 2 3 7 ) , dient in erster Linie dem „rechtsstaatlichen Schutz des Normadressat e n " und entfaltet damit die freiheitsgewährleistende Funktion des Gesetzlichkeitsprinzips (näher dazu R d n . 5 3 , 5 6 ff). Zugleich wird dem Demokratieprinzip R e c h n u n g getragen, da der Gesetzgeber die Strafbarkeitsvoraussetzungen festlegen muss (Rdn. 5 5 f). Schließlich stellt das Bestimmtheitsgebot eine spezielle Ausprägung des Willkürverbotes dar (BVerfGE 6 4 3 8 9 , 3 9 4 ; 7 3 2 0 6 , 2 3 4 ff; 7 8 3 7 4 , 3 8 2 ) , weil durch hinreichend k o n krete Gesetze k a u m n o c h R a u m für richterliche W i l l k ü r b l e i b t . 6 5 3 J e d o c h reicht der Schutz des W i l l k ü r v e r b o t s letztlich nicht weiter als der der individuellen Vorhersehbarkeit (Rdn. 5 2 ) , und diese wiederum bleibt hinter den Anforderungen der objektiven Vorhersehbarkeit zurück ( R d n . 5 4 ) . D a m i t k o m m e n im Verbot unbestimmter Strafgesetze bzw. dem ihm entsprechenden Bestimmtheitsgebot alle das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip tragenden strafrechtlichen und staatstheoretischen Erklärungs- und Begründungsansätze zum A u s d r u c k . 6 5 4 D a s Bestimmtheitsgebot richtet sich in erster Linie an den Gesetzgeber, der zum Erlass hinreichend bestimmter Straftatbestände verpflichtet i s t . 6 5 5 Die Legislative muss die Grenzen der Strafbarkeit selbst bestimmen und darf diese Entscheidung nicht der Strafjustiz überlassen. Sie hat die Aufgabe, im R a h m e n der Gesetzesauslegung für die Berechenbarkeit des R e c h t s zu s o r g e n . 6 5 6 D e s h a l b ist das Bestimmheitsgebot auch H a n d lungsanweisung an den Strafrichter und verbietet diesem, ein unbestimmtes Gesetz von sich aus allgemein n a c h z u b e s s e r n . 6 5 7 Die Rechtsprechung hat die von ihr anzuwendenden S a n k t i o n s n o r m e n stets auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 1 0 3 Abs. 2 G G zu überprüfen und gegebenenfalls im Wege der Vorlage nach Art. 1 0 0 Abs. 1 G G zu v e r f a h r e n . 6 5 8 D e r Bestimmtheitsgrundsatz kann aber auch eine restriktive Auslegung erfordern (Rdn. 189, 2 0 7 f).659
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Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 24. BVerfGE 37 201, 207; Eser FS Lenckner 25 ff; Rudolphi SK Rdn. 11. BVerfGE 14 245, 251; 26 41, 43; 41 314, 320; 75 329, 341; 78 374, 382; 87 399, 411; 95 96, 131; BVerfG NJW 1995 3050, 3051; D. Felix S. 195; Moll S. 126 ff; Schulze-Belitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 33; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 184 f. Degenhart in Sachs Art. 103 Rdn. 67; Grünwald ZStW 76 (1964) 1, 13 ff; Jescheck/Wegend AT § 15 III 3; Krey FS Blau 132; Rudolphi SK Rdn. 11; Schmitz MK Rdn. 39; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 185. Bringewat Rdn. 251.
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Vgl. etwa BVerfGE 75 329, 340 f; 92 1, 12; Maurach/Zipf AT/1 § 10 Rdn. 12; Schmitz MK Rdn. 39. Bleckmann J Z 1995 685 ff. BVerfGE 47 109, 120; 64 389, 393; 73 206, 235; 105 135, 152 f. Vgl. Krey Strafe Rdn. 121; Rogali KK-OWiG S 3 Rdn. 26. Vgl. auch BVerfGE 73 106, 236 ff; Amelung NJW 1995 2586 f; Küper JuS 1996 783, 785; Roxin AT I § 5 Rdn. 79; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 115 ff; aA Rogali KK-OWiG § 3 Rdn. 26, der die Rechtsanwendung nur am Analogieverbot und am Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG messen will.
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Keine Strafe ohne Gesetz
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a) Entscheidungsleitende Gesichtpunkte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aa) E r h ö h t e Anforderungen des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G an die B e s t i m m t h e i t . Art. 1 0 3 Abs. 2 G G bedeutet eine strafrechtsspezifische Verschärfung der B e s t i m m t h e i t s a n f o r d e rungen (BVerfGE 4 9 1 6 8 , 181; 7 8 3 7 4 , 3 8 1 ff) gegenüber dem allgemeinen Bestimmtheitsg e b o t . 6 6 0 Insbesondere k a n n die im Verwaltungsrecht bestehende Sorge, die Exekutive k ö n n e Aufgaben notwendiger G e f a h r e n a b w e h r nicht w a h r n e h m e n , nicht auf das Strafrecht übertragen und zur Begründung von Einschränkungen und Relativierungen des Bestimmtheitsgebots angeführt werden. Angesichts des fragmentarischen C h a r a k t e r s des Strafrechts dürfen auch unter dem Gesichtspunkt von entstehenden Strafbarkeitslücken keine weniger strikten Anforderungen an die Bestimmtheit gestellt werden. Entsprechend führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Dieses gilt a u c h d a n n , w e n n als Folge der wegen des Bestimmtheitsgebots möglichst k o n k r e t abzugrenzenden S t r a f n o r m besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, m a g auch das Verhalten in ähnlicher Weise strafwürdig erscheinen. Insoweit m u ß sich der Gesetzgeber beim W o r t nehmen lassen. Es ist seine Sache zu entscheiden, o b er die sich aus einer möglichen Strafbarkeitslücke ergebende Lage bestehen lassen oder eine neue Reglung schaffen w i l l " ( B V e r f G E 7 1 1 0 8 , 1 1 6 ; 7 3 2 0 6 , 2 3 6 B V e r f G N J W 1 9 9 8 2 9 4 5 ) .
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Für die Bestimmtheit k o m m t es entscheidend auf den Verständnishorizont des B ü r gers an. D e r Einzelne soll wissen k ö n n e n , was strafrechtlich v e r b o t e n ist und welche Strafe ihm für den Fall eines Verstoßes gegen das V e r b o t d r o h t , damit er in der Lage ist, sein Verhalten danach a u s z u r i c h t e n . 6 6 1 Der vom Bundesverfassungsgericht formulierte Grundsatz lautet, dass es dem N o r m a d r e s s a t e n a n h a n d der gesetzlichen Vorschrift m ö g lich sein muss, die Strafbarkeit eines Verhaltens vorauszusehen, w o b e i ausnahmsweise die Erkennbarkeit des R i s i k o der Bestrafung ausreichen soll (näher dazu R d n . 1 8 4 ) . Desh a l b soll der Wortsinn der S t r a f n o r m „aus der Sicht des Bürgers zu b e s t i m m e n " sein (BVerfGE 71 1 0 8 , 1 1 6 ) 6 6 2 und nicht aus der Sicht des R e c h t s a n w e n d e r s . Entscheidend ist somit der Verständnishorizont des N o r m a d r e s s a t e n und nicht der des R e c h t s a n w e n d e r s . Dies hat zur Folge, dass das P r o b l e m der Verstehbarkeit nicht a u f die juristische Fachsprache verlagert wird (näher dazu R d n . 3 0 2 ff). Diese k a n n aber durchaus sichernd wirken, wenn z.B. der Begriff des G m b H - G e s c h ä f t s f ü h r e r s technisch und nicht faktisch verwendet wird und hieran bestimmte Pflichten geknüpft w e r d e n . 6 6 3
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Gleichwohl fordert das Bundesverfassungsgericht nicht, dass der parlamentarische Gesetzgeber die S t r a f n o r m so detailliert und präzise wie nur m ö g l i c h selbst formuliert
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So das BVerfG in ständiger Rechtsprechung seit den achziger Jahren; BVerfGE 71 108, 114; 78 374, 381 ff; vgl. auch Degenhart in Sachs, Art. 103 Rdn. 67; Jescheck/Weigend AT § 15 III 3; Kunig S. 253; ders. in v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Bd. 3 Art. 103 Rdn. 27; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 43; Maurer Staatsrecht $ 8 Rdn. 38; Schmidt-Aßmann in Maunz/Diirig Art. 103 II Rdn. 185; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 34; Tiedemann Tatbestandsfunktion S. 197 ff. BVerfGE 25 269, 285; 78 374, 381 f; 87 363, 391 f; 92 1, 12.
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Vgl. auch BVerfGE 4 7 109, 120 ff; 73 106, 236; 87 209, 224; 92 1, 18; zustimmend Lackner FS Heidelberg 39, 58 f; SchmidtAßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 185; aA Bleckmann JuS 2 0 0 2 942, 944; Reichenbach JR 2 0 0 5 4 0 5 ff; Schmidhäuser Form und Gehalt der Strafgesetze (1988) S. 48 f; ders. FS Martens 231, 241; Simon Gesetzesauslegung S. 483; differenzierend Satzger JuS 2 0 0 4 943 f. BVerfGE 92 1, 16; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 135.
Gerhard Dannecker
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§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
und nur deskriptive, exakt fassbare Tatbestandsmerkmale verwendet. 6 6 4 Der Gesetzgeber sei nicht gehalten, alle Einzelheiten im förmlichen Gesetz selbst zu regeln; er könne vielmehr seine Vorgaben abstrakt umreißen und hierbei auch auf unbestimmte Gesetzesbegriffe zurückgreifen, wenn sie der näheren Deutung im Wege der Auslegung zugänglich seien (BVerfGE 7 8 3 8 4 , 3 8 9 ) . Auch im Strafrecht gelten allgemeine Begriffe, die der Auslegung bedürfen und deren Gehalt erst durch Rückgriff auf normative Leitideen zu erschließen ist, als unvermeidlich, damit das Strafrecht der Vielzahl der sozialen Phänomene Herr werden kann (grundlegend BVerfGE 4 5 363, 371 ) . 6 6 5 Das Gebot der Bestimmtheit dürfe nicht übersteigert werden. Sonst seien die Gesetze zu kasuistisch und könnten dem Wandel der Verhältnisse und der Besonderheit des Einzelfalles nicht mehr gerecht werden (BVerfGE 75 329, 3 4 2 ) . Über die konkrete Reichweite sollen die Besonderheiten des jeweiligen Straftatbestandes unter Berücksichtigung der Umstände, die zur gesetzlichen Regelung geführt haben, entscheiden. Die Verwendung unbestimmter, wertausfüllungsbedürftiger Klauseln sei daher nicht generell ausgeschlossen (BVerfGE 6 6 337, 3 5 5 ; 9 2 1, 12; 9 6 68, 9 7 f), sofern sie der näheren Deutung im Wege der Auslegung (näher dazu Rdn. 198 ff) zugänglich sind (BVerfGE75 329, 341; 78 3 7 4 , 3 8 9 ) . 184
In Grenzfällen soll Vorhersehbarkeit sogar schon bei bloßer Erkennbarkeit des Risikos der Strafbarkeit vorliegen. 6 6 6 So soll es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts für die Bestimmtheit einer Strafnorm ausreichen, wenn man das Risiko der Strafbarkeit des Verbrennens von Gurtabfällen zur Gewinnung der darin enthaltenen Kupfernadeln in Verbindung mit „der breiten Ökologiediskussion in der Öffentlichkeit" erkennen konnte, nämlich „die Bedeutung der (...) Emissionen für die Menschen und die U m w e l t " . 6 6 7 Wenn, sei es auch nur in Grenzfällen, tatsächlich darauf abgestellt wird, ob bereits das Risiko einer Strafbarkeit nach dem Gesetz und seiner richterlichen Auslegung erkennbar ist, wird der Aspekt der Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit für den Einzelnen auf ein Minimum reduziert und der in der Vorhersehbarkeit strafrechtlicher Sanktionen liegende besondere Aspekt des Vertrauensschutzes zur bloßen Fiktion, da letztendlich bei jeder staatlichen Verhaltensnorm mit einer Strafbewehrung gerechnet werden muss. 6 6 8 Die Erkennbarkeit des Risikos, bestraft zu werden, reicht deshalb nicht aus, um Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit zu b e j a h e n . 6 6 9
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bb) Relativierung der Bestimmtheitsanforderungen. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts finden sich neben der Begrenzung der Vorhersehbarkeit auf die Erkennbarkeit des Risikos weitere Leitgesichtspunkte, die zu einer erheblichen Relativierung der Bestimmtheitsanforderungen führen:
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BVerfGE 4 5 3 6 3 , 3 7 1 ; 4 8 4 8 , 5 6 ; zustimmend Lenckner JuS 1 9 6 8 2 4 9 , 2 5 2 ff; Nickel S. 161; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 185; vgl. auch Freund S. 75 f, 1 2 5 f. BVerfGE 4 3 5 2 , 3 5 8 ; 11 2 3 4 , 2 3 7 ; 2 6 41, 4 2 ; 2 8 175, 1 8 3 ; 3 7 2 0 1 , 2 0 8 ; 4 7 109, 1 2 0 ; 4 8 4 8 , 5 6 ; vgl. auch BGHSt 18 1 0 2 , 1 0 5 ; 3 0 2 8 5 , 2 8 7 ; BayObLGSt 1 9 7 7 89, 9 0 ; BayObLG GA 1 9 6 9 181, 1 8 2 ; KG J R 1 9 6 5 3 1 2 , 313; O L G Hamburg N J W 1 9 6 4 1814, 1815 f; N J W 1 9 7 2 115, 116.
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BVerfGE 8 7 2 0 9 , 2 2 4 ; 8 7 3 6 3 , 3 9 1 f; 9 2 1,
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BVerfGE 7 5 329, 3 4 5 ; vgl. auch BVerfGE 2 2 21, 2 5 f. So bereits zutreffend Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 2 5 4 ff.
12.
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Appel S. 119; Schmidhäuser Form und Gestalt S. 4 9 ; Schünemann Nulla poena S. 2 9 ff; Tiedemann Verfassungsrecht und Strafrecht S. 4 4 f.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
Die Anforderungen an die Bestimmtheit sollen von der Schwere der Strafe abhängen: Die Anforderungen an die Bestimmtheit sollen umso höher sein, je belastender die Auswirkungen eines Gesetzes sind. Das Bundesverfassungsgericht fordert eine umso präzisere Bestimmung der Strafbarkeitsvoraussetzungen durch den Gesetzgeber, je schwerer die angedrohte Strafe ist (BVerfGE 7 5 329, 3 4 2 m . w . N . ) . 6 7 0 Generell bestehen jedoch Bedenken gegen die auf den ersten Blick sinnvoll erscheinende stufenweise Abschichtung, die zu einer erheblichen Relativierung des Bestimmtheitsgebots führt und insbesondere nicht zur Folge haben darf, dass bei Bagatellstraftaten das Bestimmtheitsgebot preisgegeben w i r d ; 6 7 1 auch hier ist der Gesetzgeber verpflichtet, größtmögliche Präzision zu erreichen (Rdn. 195 f). Im Hinblick darauf, dass die spezifisch strafrechtlichen Garantien der Verfassung einer besonderen Gefährdungslage begegnen sollen, die mit dem Einsatz aller strafrechtlichen Mittel verknüpft ist, ist eine Relativierung der Bestimmtheitsanforderungen im Strafrecht - anders als im Rahmen des allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots für verschieden eingriffsintensive M a ß n a h m e n 6 7 2 - nicht hinnehmbar, wenn Art. 103 Abs. 2 G G nicht von vornherein entwertet und dem allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot weitgehend gleichgestellt werden soll. 6 7 3
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Außerdem soll das besondere Fachwissen der Adressaten einer N o r m berücksichtigt werden. 6 7 4 Bei Normen, die sich nur an Angehörige spezieller Berufsgruppen wenden, sollten die Adressaten aufgrund ihrer besonderen Fachkenntnisse zur Orientierung an der N o r m in der Lage sein (näher dazu Rdn. 211).
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Schließlich soll durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung eine Konkretisierung unbestimmter Strafgesetze möglich sein (näher dazu Rdn. 2 0 1 ) . 6 7 5 So hat das Bundesverfassungsgericht zunächst den Wortsinn, den ein Tatbestandsmerkmal in der Rechtsprechung erhalten hat, in die Bandbreite zulässiger Interpretationsmöglichkeiten einbezogen. 6 7 6 Anschließend hat es in der dritten Sitzblockaden-Entscheidung hiervon Abstand genommen, 6 7 7 sich jedoch bereits in der Entscheidung zu § 185 auf eine hundertjährige, im Wesentlichen einheitliche Rechtsprechung wieder bezogen. 6 7 8 Die Tatbestandauslegung darf sich dabei jedoch nicht gänzlich vom allgemeinen Sprachgebrauch lösen; 6 7 9 sie muss für den Normadressaten vorhersehbar bleiben. 6 8 0
188
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BVerfGE 14 2 4 5 , 2 5 1 f; 2 6 41, 4 3 ; 4 1 3 1 4 , 3 2 0 ; 8 6 2 8 8 , 3 1 1 ; 1 0 5 135, 1 5 5 f; BVerfG N J W 1 9 9 3 1 9 0 9 , 1910.
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Köhler AT S. 8 9 ; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 1 0 3 Rdn. 2 9 ; Roxin AT I § 5 Rdn. 7 0 ; Schünemann Nulla poena S. 32 f.
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So z.B. BVerfGE 5 9 1 0 4 , 114; 4 9 89, 133; 8 6 2 8 8 , 310.
673
Appel S. 119 f; kritisch auch Degenbart in Sachs Art. 1 0 3 Rdn. 6 8 ; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 1 0 3 Rdn. 2 9 ; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 1 9 7 ff; Wassermann A K - G G Art. 1 0 3 Rdn. 5 2 .
674
BVerfGE 4 8 4 8 , 5 7 (zu S 2 4 0 Abs. 1 Nr. 4 KKO a.F., wonach die Jahresbilanz innerhalb der in einem ordnungsgemäßen
Geschäftsgang entsprechenden Zeit zu erstellen war); BVerfGE 9 2 1, 16; Hill HStR VI § 156 Rdn. 6 3 ff, 6 6 ; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 189. Vgl. auch BGHSt 2 9 6, 8 (für das „ärztlich begründete" Verschreiben von Betäubungsmitteln). 675
BVerfGE 4 5 3 6 3 , 3 7 1 f; 4 8 4 8 , 5 6 f; 8 5 69, 7 3 ; 9 3 2 6 6 , 2 9 2 ; 9 4 3 7 2 , 3 9 4 ; 9 6 6 8 , 9 8 f; vgl. dazu Birkenstock Bestimmtheit S. 115 Fn. 3 5 0 .
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BVerfGE 7 3 2 0 6 , 2 4 2 ff für den Gewaltbegriff; vgl. auch BVerfGE 2 6 4 1 , 4 3 ; 4 5 363, 371; 57 2 5 0 , 262.
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BVerfGE 9 2 1, 13 ff. BVerfGE 9 3 2 6 6 , 2 9 2 f. BVerfGE 7 3 2 0 6 , 2 4 2 ff.
678 679 680
BVerfGE 9 2 1, 13.
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147
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1 189
Weiterhin geht das Bundesverfassungsgericht von einer generellen Befugnis des Rechtsanwenders aus, unbestimmte Strafnormen durch interpretatorische Verengung erst bestimmt zu machen (Rdn. 2 0 6 ff). 6 8 1
190
Hierbei handelt es sich um einschneidende Relativierungen, die insbesondere dann, wenn sie miteinander kombiniert werden, zu einer weitgehenden Entwertung des Bestimmtheitsgrundsatzes führen. Entsprechend heftig ist die Kritik, auf die diese Rechtsprechung in der Literatur gestoßen i s t : 6 8 2 Weder biete der Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 G G für solche Einschränkungen und Differenzierungen Anlass, 6 8 3 noch bestehe ein Bedürfnis nach einer so weitreichenden Elastizität, wie sie die Rechtsprechung v o r n i m m t . 6 8 4 Letztlich sei fraglich, ob diese Rechtsprechung dem Gesetzgeber und der Strafrechtsanwendung eine wirksame Schranke errichte. 6 8 5
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Kasuistik: Nach diesen Grundsätzen sind als ausreichend „gesetzlich bestimmt" i.S.d. § 1, Art. 103 Abs. 2 G G folgende Tatbestandsmerkmale oder tatbestandsähnliche Merkmale in Strafvorschriften des S t G B angesehen w o r d e n : 6 8 6 § 13 als Umschreibung der Garantenstellung; 6 8 7 § 5 6 b Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. §§ 5 6 , 5 6 a , der die Auflage, gemeinnützige Leistungen zu erbringen, r e g e l t ; 6 8 8 § 9 4 Abs. 1 „Staatsgeheimnis"; 6 8 9 § 9 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 „besonders schwerer N a c h t e i l " ; 6 9 0 § 9 9 Abs. 1 Nr. 1 „geheimdienstliche T ä t i g k e i t " ; 6 9 1 §§ 99, 100 Abs. 1, § 100c Abs. 1 i.d.F. des 1. StRÄndG „Staatsgeheimn i s " ; 6 9 2 § 100e i.d.F. des 1. StRÄndG „Beziehungen aufnehmen oder u n t e r h a l t e n " ; 6 9 3 § 107a Abs. 1 „unrichtiges Ergebnis einer Wahl h e r b e i f ü h r t " ; 6 9 4 § 131 i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Jugendschutzes in der Öffentlichkeit „in einer die Menschenwürde verletzenden W e i s e " ; 6 9 5 § 170b „Verletzung der Unterhaltspflicht"; 6 9 6 § 170d i.d.F. vor dem 4 . StrRG „Gefährdung des sittlichen Wohles eines K i n d e s " ; 6 9 7 § 180a Abs. 1 Nr. 2 „Förderung der Prostitution"; 6 9 8 § 184 Abs. 1 Nr. 1 i.d.F. des Art. 1 Nr. 11
681
So insbesondere BVerfGE 2 6 4 1 , 4 3 zur Strafbarkeit des groben Unfugs nach § 3 6 0 Abs. 1 Nr. 11 StGB a.F.; vgl. auch BVerfGE 4 3 5 2 , 3 5 8 zu § 187a StGB a.F. und BVerfGE 4 5 3 6 3 , 3 7 1 f zur Verfassungsmäßigkeit des Straftatbestands des Landesverrats nach § 9 4 StGB; zustimmend Lenkner JuS 1 9 6 8 3 0 8 f und Tiedemann Verfassungsrecht und Strafrecht S. 4 2 sowie bereits Tatbestandsfunktionen S. 38 ff m.w.N.; kritisch aber Duttge Z u r Bestimmtheit des Handlungsunwerts von Fahrlässigkeitsdelikten S. 172 f; Grünwald FS Arthur Kaufmann 4 3 3 , 4 3 9 ; Köhler AT S. 8 8 ; Ridder A ö R 8 7 ( 1 9 6 2 ) 3 1 1 , 3 2 5 .
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BVerfGE 9 6 6 8 , 9 7 f. BVerfGE 83 119, 1 2 8 ; näher dazu oben Rdn. 9 4 . BVerfGE 4 5 3 6 3 , 3 7 2 . BVerfGE 4 5 3 6 3 , 3 7 2 . BVerfGE 5 7 2 5 0 , 2 6 2 . BVerfGE 2 0 1 6 2 , 1 7 7 ; 21 2 3 9 , 2 4 2 . BVerfGE 2 8 175, 183, 189; 5 7 2 5 0 , 2 6 3 , 270. BVerfG N J W 1 9 9 3 5 5 f.
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BVerfGE 8 7 2 0 9 , 2 2 8 f, soweit darunter Darstellungen von grausamen und unmenschlichen Gewalttätigkeiten verstanden werden, die darauf angelegt sind, beim Betrachter eine Einstellung zu erzeugen, die den jeden Menschen zukommenden fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugnen.
696
BVerfGE 5 0 1 4 2 , 164 f. B G H N s J W 1 9 5 2 4 7 6 ; BayObLG N J W 1952 988. BVerfG N J W 1 9 9 3 1911.
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Geitmann S. 6 8 ff; Krahl S. 3 9 1 f, 4 0 2 ff; Krey Strafe Rdn. 1 2 8 Fn. 132; ders. FS Blau 125, 136; Rüping BK Art. 1 0 3 Abs. 2 Rdn. 2 0 ; Schmidhäuser FS Martens 2 3 1 ff; Schünemann Nulla poena S. 6 ff, 2 9 ff; vgl. auch Callies N J W 1 9 8 9 1338 f; ders. N S t Z 1987 209, 210.
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Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 1 0 3 Rdn. 2 9 .
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Hill HStR VI § 1 5 6 Rdn. 6 6 .
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Schmidhäuser FS Martens 2 3 1 ff. Umfassend zur Rechtsprechung Faller FS Merz 61 ff, 6 3 ff, 6 8 ff; Krahl passim.
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Keine Strafe ohne Gesetz
§1
EGOWiG „unzüchtige Schriften verbreitet"; 6 9 9 § 184 Abs. 1 Nr. 7 „Entgelt, das ganz oder überwiegend für diese Vorführung verlangt w i r d " ; 7 0 0 § 185 „Beleidigung"; 7 0 1 § 187a „im politischen Leben des Volkes stehende Person"; 7 0 2 § 220a „Völkermord"; 7 0 3 § 240 „Gewalt", „Drohung mit einem empfindlichen Übel"; 7 0 4 § 241 Abs. 1 „Bedrohung"; 7 0 5 § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB; 7 0 6 § 360 Abs. 1 Nr. 11 a.F. „grober U n f u g " ; 7 0 7 § 366 Nr. 10 a.F. „Übertretung von Polizeiverordnungen, die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen erlassen wurden. 7 0 8 Außerhalb des Strafgesetzbuchs hat die Rechtsprechung im Nebenstrafrecht folgende Tatbestandsmerkmale für genügend bestimmt erachtet: § 370 AO „unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen"; 7 0 9 § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG; 7 1 0 § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 JGG „Weisungen, Arbeitsleistungen zu erbringen; 7 1 1 Art. VIII MRG Nr. 53 (Neufassung), soweit er verbotene Geschäfte nach Art. I Nr. 1 Buchst, d und unerlaubtes Verbringen (Art. I Nr. 2) im Rahmen des innerdeutschen Handels mit Strafe bedroht; 7 1 2 § 369 RAO, Steuerhinterziehung; 713 § 7 Abs. 1 S. 1 StVO (in der 1963 geltenden Fassung) „einen zur selbständigen Leitung geeigneten Führer"; 7 1 4 § 21 StVG a.F. „Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des öffentlichen Straßenverkehrs". 7 1 5 Weiterhin wurde die Verfassungsmäßigkeit verwaltungsrechtlich festgelegter Begrifflichkeiten als strafrechtlicher Anknüpfungspunkt anerkannt für Merkmale wie das Betreiben einer genehmigungspflichtigen Anlage ohne Genehmigung, 716 die außenwirtschaftliche Betätigung nach § 34 AWG, 717 der Begriff des Arzneimittels, 718 § 19 Abs. 2 TransplantationsG; 719 das Gebot, die Jahresbilanz innerhalb der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit zu erstellen, 720 sowie Listen nach dem Heimarbeitsgesetz zu führen. 7 2 1 Selbst der Verweis von § 26 Nr. 2 VersG auf § 14 VersG wurde als verfassungsmäßig angesehen, obwohl erst durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 VersG die Tatbestandsgrenzen festgelegt worden sind. 7 2 2
699
700 701 702 703 704
705
706 707
708 709
710 711
BVerfG (Vorprüfungsausschuss) NJW 1982 1512; vgl. auch BGHSt 2 3 40, 41. BVerfGE 47 109, 120 ff. BVerfGE 93 266, 291 f. BVerfGE 4 352, 357. BVerfG EuGRZ 2001 78 f. BVerfGE 73 206, 236 ff; 76 211, 216; 92 1, 13 ff; vgl. auch BGHSt 35 270, 273 ff; 41 231, 240 f. BVerfG N J W 1995 2776 f; näher dazu Küper JuS 1996 783 ff. BVerfGE 75 329, 343 ff. BVerfGE 26 41, 43; kritisch dazu Rüping BK Art. 103 Abs. 2 Rdn. 29; Rudolphi SK Rdn. 14; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18; F. C. Schroeder J Z 1969 775 ff. BVerfGE 23 265, 269. BVerfG NJW 1992 35; vgl. auch BGHSt 37 266, 272. BVerfG EuGRZ 1997 521. BVerfGE 74 102, 126; s. dazu auch oben Rdn. 98.
712
713 714 715 716
717 718
719 720 721 722
BVerfG N J W 1999 3325; vgl. auch BGHSt 31 323, 333; 13 190, 193. BVerfGE 37 201, 208. BGHSt 18 359, 362. BVerfGE 14 245, 253 f. BVerfGE 75 329, 343 ff; ausführlich dazu U. Weber in H. J. Koch/Scheuing (Hrsg.) GK-BImSchG (1995) § 62 Rdn. 28 ff; Otto Jura 1991 308 ff; Η. P. Eisenbach Probleme der Verwaltungsakzessorietät im Umweltstrafrecht (1989). BVerfG N J W 1993 1909, 1910. BVerfG N J W 1992 2624; BVerfG NJW 2000 3417; vgl. auch BGHSt 43 336, 342 f. BVerfG N J W 1999 3400. BVerfG 48 48, 57 ff. BVerfGE 41 314, 320 ff. BVerfGE 85 69, 72 ff, 75; aA BVerGE 85 77 ff - Sondervotum Seibert/Hentschel.
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193
Auch der Bundesgerichtshof hat in der Regel einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot verneint, so bei § 142 a.F. Nichtrückkehr an den unvorsätzlich, erlaubt oder schuldlos verlassenen Unfallort als „Flucht"; 7 2 3 bei § 244 Abs. 1 Nr. 2 „Bande" bei einer Verbindung von zwei Personen; 724 bei § 261 Abs. 1 und 5 „leichtfertige Geldwäsche"; 725 § 263a „unbefugte Verwendung von Daten"; 7 2 6 § 265b „unrichtige oder unvollständige Unterlagen, die für die Entscheidung über einen Kreditantrag erheblich sind"; 7 2 7 § 315b Abs. 1 Nr. 3 „einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt". 7 2 8 In der fachgerichtlichen Rechtsprechung wurde etwa § 370a AO („Steuerverkürzung in großem Ausmaß") als verfassungswidrig angesehen, 729 weiterhin das Verbot, sich „nach Art eines Land- oder Stadtstreichers herumzutreiben" 730 oder „dem Anschluß- und Benutzerzwang zuwiderzuhandeln.731 Selbst Klauseln wie die „guten Sitten" in § 228, die in der Literatur als zu unbestimmt kritisiert werden, 732 sollen hinreichend bestimmt sein, wenn sie restriktiv ausgelegt werden (näher dazu Rdn. 207). Der Bundesgerichtshof räumt zwar ein, die Vorschrift knüpfe mit dem Ausdruck „gute Sitten", der „für sich gesehen allerdings konturenlos" bleibe, „an außerrechtliche, ethisch-moralische Kategorien" an. Hieraus folge jedoch kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot, sondern lediglich die Notwendigkeit einer Beschränkung des gesetzlichen Begriffs „auf seinen Kern". Ein Verstoß der Tat „gegen die Wertvorstellungen einzelner gesellschaftlicher Gruppen oder des mit der Tat befaßten Strafgerichts" genüge daher nicht; vielmehr sei erforderlich, dass die Tat „gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" verstößt (näher dazu Rdn. 207). 7 3 3
194
Einwände des Schrifttums734 haben dazu geführt, dass sich der Gesetzgeber in manchen Bereichen um bestimmtere Tatbestandsfassungen bemüht hat, z.B. in § 170d i.d.F. des 4. StrRG und in § 118 OWiG, der Nachfolgevorschrift über den „groben Unfug" (§ 360 Abs. 1 Nr. 11 a.F.). Ob vorgenommene Änderungen stets zu einer Verbesserung geführt haben, mag zweifelhaft sein. Bereits Tröndle735 hat zutreffend darauf hingewiesen, dass begriffliche Unschärfen in neuen Straftatbeständen verfassungsrechtlich bedenklicher sein können als in alten, weil ihnen die Präzisierung fehlt, die eine ständige Rechtsprechung zu bieten vermag (zu den hiergegen bestehenden Bedenken und Einschränkungen s.o. Rdn. 188, 201).
195
b) Bestimmtheitsgebot als Optimierungsgebot. Angesichts der Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts, Strafrechtsnormen wegen fehlender Bestimmtheit für verfassungswidrig zu erklären, 736 und des neueren „Trends zum ungenauen Strafrecht" 7 3 7 wurde in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, das Bestimmtheitsgebot sei
723
BGHSt 14 2 1 3 , 2 1 7 f; 18 114, 118 ff; krit. dazu Roxin AT I 4 § 5 Rdn. 3 4 .
724
BGHSt 2 3 2 3 9 f.
725
BGHSt 4 3 BGHSt 3 8 BGHSt 3 0 1982 430. BGHSt 2 2
726 727
728 729
730
731 732
1 5 8 , 1 6 7 f. 1 2 0 , 121. 2 8 5 , 2 8 6 ff m. Anm. Lampe
Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 1 0 3 Rdn. 5 9 ; Rüping BK Art. 1 0 3 Abs. 2 Rdn. 6 9 ; w.N. bei Hirsch L K 1 1 § 2 2 8 Rdn. 2; aA BGHSt 4 2 4 , 3 2 ; 4 9 3 4 , 4 1 ; Lackner/Kühl § 228 Rdn. 11; Sch/Schröder/Stree § 2 2 8 Rdn. 6; Tröndle/Fischer § 2 2 8 Rdn. 8.
JR 733
BGHSt 4 9 3 4 , 4 1 ; vgl. dazu Herzberg Symposium für Schünemann S. 31, 4 9 ff m.w.N.
B G H N J W 2 0 0 4 2 9 9 0 , 2 9 9 1 f; N J W 2 0 0 5 3 7 4 ff; näher dazu Rdn. 2 0 9 . V G H Baden-Württemberg N J W 1 9 8 4 5 0 7 , 508.
734
O L G Köln N u R 1 9 9 5 1 6 3 f. Degenhart in Sachs Art. 1 0 3 Rdn. 6 9 a ;
737
Zusammenfassend Tröndle L K 1 0 Rdn. 16. Tröndle L K 1 0 Rdn. 16. Näher dazu Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 4 9 ff. Achenbach JuS 1 9 8 0 81, 88.
150
3 6 5 , 3 6 6 f. 735 736
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
„weitestgehend preisgegeben" 7 3 8 oder bei strenger Fassung als „rechtsstaatliche Utopie" zu betrachten. 7 3 9 Gerade die jüngeren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs sollen allerdings belegen, dass der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz „Konjunktur" h a t 7 4 0 und nicht mehr so zurückhaltend wie noch vor 2 0 Jahren gehandhabt wird. 7 4 1 In der Literatur findet insbesondere die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts überwiegend Zustimmung, 7 4 2 weil sie, entgegen der früheren Zurückhaltung und im Einklang mit deren verbreiteten Kritik durch die Literatur dazu beitrage, dem in Art. 103 Abs. 2 G G positivierten Gesetzlichkeitsprinzip, und damit einem Grundpfeiler unseres rechtsstaatlichen Strafrechts, praktische Geltung zu verschaffen. 7 4 3 Gleichwohl ist fraglich, ob der Bestimmtheitsgrundsatz stärker respektiert wird als früher, 7 4 4 denn das Bundesverfassungsgericht ist bislang lediglich in einer überschaubaren Anzahl von Entscheidungen zur Verfassungswidrigkeit strafrechtlicher Normen gekommen (Rdn. 73), weil die Strafbarkeit unklar w a r 7 4 5 bzw. sich erst aus einer Ermessensentscheidung der Exekutive ergab. 7 4 6 Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht die Wortlautgrenze auch in früheren Entscheidungen respektiert. 7 4 7 Gleichwohl entfaltet sich der Bestimmtheitsgedanke präventiv in der regulativen Idee, ob eine bestimmtere Gesetzesfassung unproblematisch praktisch möglich erscheint. 7 4 8 Um zu vermeiden, dass das Bestimmtheitsgebot jegliche Bedeutung verliert, 7 4 9 wird dieses in der Literatur zutreffend als „Präzisierungs- bzw. Konkretisierungsgebot" 7 5 0 oder als „Gebot relativer Bestimmtheit" 7 5 1 verstanden. Hierbei handelt es sich um ein Optimierungsgebot, 7 5 2 verstanden als ein Prinzip, das durch Gegenprinzipien der Verfassung begrenzt werden k a n n , 7 5 3 welches darauf gerichtet sein muss, das gesetzgeberische Programm zu sichern. 7 5 4 Hierbei ist stets zu beachten, dass es sich bei Art. 103 Abs. 2 G G um ein abwägungsresistentes Grundrecht handelt, das auf dem Gewaltenteilungsprinzip (Rdn. 5 2 f) und einem gesunden Misstrauen gegenüber der Staatsgewalt beruht. 7 5 5 So hebt auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Leitsatz zur „Mauerschützen-Entscheidung" hervor, dass Art. 103 Abs. 2 G G absolut sei und seine rechtsstaatliche und grundrechtliche Gewährleistungsfunktion durch eine strikte Formalisierung erfülle (BVerfGE 95 96). Das Bestimmtheitsgebot erfordert insbe-
738 739
740 741
742
743 744
745
746
So Schünemann Nulla poena S. 8. So Schmidhäuser FS Martens 2 3 1 , 2 3 8 ff, 2 4 1 ; s. auch R. Schmitt FS Jescheck 2 2 6 ff. So Reichenbach J R 2 0 0 5 4 0 5 . Eingehend dazu Krahl S. 1 0 4 ff; vgl. auch Birkenstock Bestimmtheit S. 1 0 3 ff, Schünemann Nulla poena S. 4. Birkenstock Bestimmtheit S. 133 ff, 1 4 3 ; Herzberg Symposium für Schünemann S. 31, 51 ff. So Kuhlen S. 8 6 f. Dies verneint Kargl J Z 2 0 0 5 5 0 3 , 5 0 5 , der zu dem Ergebnis kommt, das Gesetzlichkeitsprinzip existiere praktisch nicht mehr; zurückhaltend auch Kuhlen S. 8 8 .
747
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752
Näher dazu Birkenstock Bestimmtheit S. 1 0 7 ff; Simon Gesetzesauslegung S. 4 7 ff, 1 0 0 ff. Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 1 0 3 II Rdn. 3 8 . S. dazu Meyer-Ludewig MDR 1962 262, 2 6 4 , der in Art. 1 0 3 Abs. 2 GG eine „überlebte dogmatische Auffassung" sieht. So Sch/Schröder/Eser Rdn. 2. So Schmidhäuser GedS Martens 2 4 3 ; vgl. dazu auch Jakobs AT 4 / 1 . Denninger S. 13 ff; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 1 0 3 II Rdn. 3 5 ; Paeffgen N K Rdn. 5 7 Vor § § 3 2 bis 3 5 ; vgl. auch Dubs SchwJT 1 9 7 4 S. 2 2 3 ff; zust. Rogali KKO W i G § 3 Rdn. 27.
BVerfGE 17 3 0 6 , 3 1 4 f betr. §§ 1 Abs. 2 Nr. 1; 2 Abs. 1; 4 6 Abs. 2 ; 6 0 Personenbeförderungsgesetz a.F.
753
BVerfGE 7 8 3 7 2 , 3 8 3 ff betr. S 15 Abs. 2 lit. a FAG a.F. mit Anm. Sachs JuS 1 9 9 0 5 8 ; vgl. auch Kilger N J W 1 9 9 0 1714 f.
Denninger S. 13 ff; zust. Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 1 0 3 II Rdn. 3 5 ; vgl. auch Rogali K K - O W i G § 3 Rdn. 27.
754
Hassemer/Kargl N K , Rdn. 2 0 . Zielinski FS Grünwald 8 1 1 , 8 2 8 f.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
sondere, dass der Vorschrift ein klarer gesetzgeberischer Schutzzweck entnommen werden kann. Hierfür ist es erforderlich, dass aus dem Kontext des Regelungszusammenhangs oder aus dem Kontext der legislativen Entscheidung die Bewertung des Gesetzgebers zu erkennen ist, die es ermöglicht, Bewertungskriterien zu entwickeln. 7 5 6 Wenn der Vorschrift kein klarer gesetzgerberischer Schutzzweck entnommen werden kann, fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit. 7 5 7 Außerdem muss - entgegen der h . M . - das Gesetz die tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen umschreiben (Rdn. 127). Das Optimierungsgebot beinhaltet nicht nur den Auftrag an den Gesetzgeber, dass er sich vermeidbarer Unbestimmtheit enthält, 7 5 8 ohne auf die erforderliche Allgemeinheit des Gesetzes zu verzichten. 7 5 9 Wenn eine präzisere Gesetzesabfassung möglich ist, weil „funktional äquivalente" Begriffsalternativen zur Verfügung stehen und genauere, inhaltsreichere Rechtsbegriffe verwendet werden können, muss der Gesetzgeber hierauf zurückgreifen. 7 6 0 Er muss auch das Regelungsmodell austauschen, wenn sich nur auf diese Weise erreichen lässt, dass die Verfolgung des Gesetzeszwecks mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar ist. 7 6 1 197
c) Beschreibung des tatbestandsmäßigen Verhaltens. Das Bestimmtheitsgebot bezieht sich zunächst auf die Beschreibung der tatbestandsmäßigen Handlung (nullum crimen sine lege). 7 6 2 Hierzu gehört nicht nur der objektive Tatbestand, sondern auch die innere Tatseite; eine strafrechtliche Ahndung einer Tat ohne Schuld des Täters wäre rechtsstaatswidrig. 7 6 3 Begriffe, mit denen der Gesetzgeber die Vorwerfbarkeit nach dem M a ß der Schuld abstuft, sind z.B. „wider besseres Wissen" bei § 145d Abs. 1, § 164 Abs. 1, „in der Absicht" bei § 2 4 2 Abs. 1, § 2 6 3 Abs. 1, „böswillig" bei § 2 2 3 b Abs. 1 und „rücksichtslos" bei § 315c Abs. 1 Nr. 2. Hingegen ist umstritten, ob und in welchem Umfang es sich auch auf den Allgemeinen Teil (Rdn. 218 ff) und auf die Deliktsfolgen (Rdn. 2 2 3 ff) bezieht.
198
aa) Zulässigkeit allgemeiner Begriffe. Straftatbestände lassen sich unterschiedlich genau umschreiben. Während die Verwendung deskriptiver Merkmale (wie „Sache" bei § 2 4 2 ) insbesondere in kasuistischen Regelungen den Vorzug größerer Präzision hat, erweisen sich normative (wertausfüllungsbedürftige) Begriffe (z.B. „zuzumuten" bei § 3 2 3 c ) wegen ihrer Geschmeidigkeit bei der Rechtsanwendung oft als praktikabel, weil sie knappere Vorschriften ermöglichen und Einzelheiten der Entwicklung der Rechtsprechung überlassen. Es liegt auf der Hand, dass die Verwendung solcher wertausfüllungsbedürftiger Merkmale und Generalklauseln dem Grundgedanken des § 1 und Art. 103 Abs. 2 G G an sich widerspricht. Zutreffend bemerkt der Bundesgerichtshof in einer Auseinandersetzung mit der Lehre von der Typenkorrektur bei § 211, das Kriterium der „besonderen Verwerflichkeit" sei von generalklauselartiger Weite und stelle infolgedessen Berechenbarkeit und Gleichmäßigkeit der die Tatbestandsfrage betreffenden Rechtsan-
756
Schroth
757
Roxin AT I § 5 Rdn. 7 5 ; Müller-Dietz FS Lenckner 179, 191; vgl. auch Lemmel S. 1 8 0 ff. Näher dazu Jakobs AT 4 / 2 5 ; Köhler AT
758
759
S. 1 0 8 ; Köhler
AT S. 87.
S. 8 7 ; Lenckner JuS 1 9 6 8 3 0 4 , 3 0 5 ; Naucke Generalklauseln S. 3 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 0 m.w.N. Näher dazu Hassemer/Kargl N K Rdn. 2 0 ; Löwer J Z 1 9 7 5 6 2 5 ; Naucke Generalklauseln S. 3 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 0 ; vgl.
152
auch Dannecker S. 1 4 7 ff.
S. 7 4 f;
Schürmann
760
Hassemer/Kargl N K Rdn. 4 ; Kohlmann S. 2 5 2 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 0 , jeweils m.w.N.
761
Kausch S. 157, 165 ff; Kohlmann S. 2 5 2 ff; Loos FS Remmers 5 6 5 ff. BVerfGE 2 5 2 6 9 , 2 8 5 ; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18; Tröndle/Fischer Rdn. 5. BVerfGE 2 0 3 2 3 , 3 3 1 ; 2 3 127, 132; 2 5 2 6 9 , 285; 57 250, 275.
762
763
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
Wendung in einem zentralen Bereich des Strafrechts in Frage. 764 Ebenso zutreffend hat das Bundesverfassungsgericht zur Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 hervorgehoben, durch sie werde die Entscheidung darüber, was im Einzelfall als Nötigung zu bestrafen sei, in erheblichem Umfang auf den Richter verlagert. Damit entstehe die Gefahr, dass nicht mehr die vor der Tat getroffene Konfliktsregelung des Gesetzgebers, sondern die nach der Tat vom Richter empfundene Strafwürdigkeit zur Grundlage der Bestrafung werde. 765 Deshalb ist der Einschätzung Welzels zuzustimmen, dass die dem Gesetzlichkeitsprinzip drohenden Gefahren nicht aus der Analogie des Richters, sondern aus unbestimmten Strafgesetzen herrühren. 766 Gleichwohl kann auch das Strafrecht nicht völlig darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, die nicht eindeutig allgemeingültig umschrieben werden können und die an die Auslegung durch den Richter besondere Anforderungen stellen. Ohne die Verwendung solcher Begriffe wäre der Gesetzgeber nicht in der Lage, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden. 767 Sie sind unentbehrlich, und ihre Verwendung ist in gewissen Grenzen legitim. 768 Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit bedeutet also nicht, dass der Gesetzgeber gezwungen wäre, sämtliche Straftatbestände ausschließlich mit rein deskriptiven, exakt fassbaren Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben. Generalklauseln oder unbestimmte, wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht sind nicht von vornherein verfassungsrechtlich zu beanstanden, 769 zumal auch durch deskriptive Tatbestandsmerkmale nicht immer eine größere Tatbestandsbestimmtheit erreicht werden kann. Sie unterscheiden sich nicht grundsätzlich von den normativen Tatbestandsmerkmalen. 770 Vielmehr stehen alle rechtlichen Begriffe in einem normativen Verhältnis und haben bewertende Aufgaben und Ziele. 771
199
Das Verfassungsgebot der inhaltlichen Bestimmtheit der Strafgesetze büßt durch die Einsicht, dass der Gesetzgeber ihm zwar stets nach Kräften zu folgen hat, es aber nie vollkommen erfüllen kann, nichts von seiner Bedeutung ein. Ob die einzelnen Straftatbestände den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots genügen, ist nicht selten umstritten. Es handelt sich hierbei um eine Maßfrage. Welchen Grad an gesetzlicher Bestimmtheit der einzelne Straftatbestand haben muss, lässt sich dabei nicht allgemein sagen. Die erforderliche Gesetzesbestimmtheit hängt von der Besonderheit des jeweiligen Straftatbestandes und von den Umständen ab, die zu der gesetzlichen Regelung geführt haben. 7 7 2 Maßgebend ist in erster Linie der für den Adressaten verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Straftatbestandes (Rdn. 3 00). 7 7 3 Einerseits ist sicher, dass die erforderliche Bestimmtheit fehlt, wenn sich nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorhersehen lässt, welches
200
764 765
BGHSt 3 0 1 0 5 , 115. BVerfGE 7 3 2 0 6 , 2 3 8 .
Rdn. 4 2 ; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 1 0 3 II Rdn. 35. Jakobs AT 4 / 2 9 ; Kohlmann S. 2 4 1 ff, 2 5 9 ff; Krey Studien S. 4 5 , 71, 101; Lenckner JuS 1 9 6 8 2 4 9 , 2 5 6 ; Sch/Schröder/Eser Rdn. 19.
766
Welzel Lehrbuch § 5 II 3; vgl. auch Krahl S. 1 0 4 ff, 2 7 7 ff; Lemmel S. 3 5 ff; 1 8 0 ff; Naucke Generalklauseln, passim; Lenckner JuS 1 9 6 8 2 4 9 ff, 3 0 4 ff.
770
767
BVerfGE 7 5 3 2 9 , 341. BVerfGE 4 3 5 2 , 3 5 7 f; 11 2 3 4 , 2 3 7 ; 2 6 41, 4 2 f; 2 8 175, 1 8 3 ; 3 7 2 0 1 , 2 0 8 ; 4 5 3 6 3 , 3 7 1 ; 4 7 109, 1 2 0 f; 4 8 4 8 , 5 6 ; 71 108, 115; 7 3 2 0 6 , 2 3 5 ; 7 5 3 2 9 , 341.
771
Hassemer/Kargl N K Rdn. 3 5 ff; vgl. auch Sch/Schröder/Eser Rdn. 19.
772
BVerfGE 2 6 41, 4 3 ; 2 8 175, 1 8 3 ; 41 3 1 4 , 320. BVerfGE 4 7 109, 121; 71 108, 115; 7 3 2 0 6 , 2 3 5 ; 7 5 329, 341.
768
769
BVerfGE 4 5 3 6 3 , 3 7 1 ; 4 8 4 8 , 5 6 ; Degenhart in Sachs, Art. 1 0 3 Rdn. 6 8 ; Schmitz M K
773
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
Verhalten mit Strafe bedroht ist. 7 7 4 Deshalb sind die Tatbestandsmerkmale so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. 7 7 5 Daran mangelt es, wenn erst eine über den Wortsinn hinausgehende Interpretation zu dem Ergebnis führt, dass ein Verhalten strafbar sei. 7 7 6 Andererseits dürfen die Anforderungen an den Gesetzgeber nicht übersteigert werden; die Gesetze würden sonst zu starr und kasuistisch werden. 7 7 7 Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit müssen zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden. 7 7 8 Es ist nicht ausreichend, lediglich eine kriminalpolitische Entscheidung zum Rechtsgüterschutz zu fordern und dieses Bestimmtheitskonzept „intersubjektiv" zu ergänzen. 7 7 9 201
bb) Konkretisierung unbestimmter Begriffe durch eine gefestigte Rechtsprechung. Lässt der Wortlaut einer Strafvorschrift, die zum überlieferten Bestand an Strafrechtsnormen gehört, eine weite Auslegung zu, so kann der Tatbestand nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch eine gefestigte Rechtsprechung hinreichend präzisiert worden sein. 7 8 0 Allerdings ist fragwürdig, ob dadurch die Unbestimmtheit für die Rechtsanwendung tatsächlich beseitigt wird. Diesbezüglich kann auf das Merkmal „Verteidigung der Rechtsordnung" verwiesen werden, das dem Richter nicht vorgibt, unter welchen Voraussetzungen die Rechtsordnung zu verteidigen ist. 7 8 1 Gleichwohl hat dieses M e r k m a l in Rechtsprechung und Lehre inzwischen eine weitgehende Konkretisierung erfahren. 7 8 2 Dem Hinweis auf eine ständige Rechtsprechung kommt auch Bedeutung zu, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, ob Steuern durch einen „Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten" (§ 4 2 AO) verkürzt worden sind (näher dazu Rdn. 2 6 6 ) . 7 8 3 Allerdings ist die Anerkennung einer gefestigten Rechtsprechung als zuverlässige Grundlage für das Normverständnis nicht unproblematisch, weil die eigenständige Bestimmtheit der N o r m zugunsten ihrer bloßen Konkretisierungsfähigkeit aufgegeben zu werden d r o h t . 7 8 4 Hier besteht die Gefahr, dass durch die nachträgliche „Heilung" der verfassungswidrigen Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe die Gewaltenteilung unterlaufen wird. 7 8 5 Dies gilt insbesondere, sofern es sich um neuere Gesetze handelt. 7 8 6 Wenn es Anliegen des Art. 103 Abs. 2 G G ist, die Erkennbarkeit des Umfangs strafrechtlich sanktionierten Verhaltens bereits von der Strafrechtsnorm selbst zu verlangen, so
774
BVerfGE 14 2 4 5 , 2 5 2 ; 2 5 2 6 9 , 2 8 5 ; 2 6 41, 4 2 ; 2 8 175, 1 8 3 ; 3 7 2 0 1 , 2 0 7 ; 4 7 109, 121; 7 8 3 7 4 , 389.
775
BVerfGE 41 314, 3 1 9 ; 4 7 109, 118, 120; 5 0 1 4 2 , 1 6 4 f; 5 7 2 5 0 , 2 6 2 ; 71 108, 114; 7 3 206, 234.
776
BVerfGE 4 7 109, 121; 7 5 3 2 9 , 341. BVerfGE 14 2 4 5 , 2 5 1 ; 41 314, 3 2 0 ; 4 5 3 6 3 , 3 7 1 f; 4 8 4 8 , 5 6 ; 7 5 3 2 9 , 3 4 2 f; BGHSt 18 359, 362.
777
778
Hassemer/Kargl N K Rdn. 16 ff, 19 ff; Rudolphi SK Rdn. 13.
779
So aber Ransiek S. 4 5 ff, 5 5 ff, 6 8 ff, 8 7 ; krit. dazu Rogali K K - O W i G § 3 Rdn. 3 2 . BVerfGE 2 6 41, 4 3 ; 2 8 175, 183, 185; 3 7 2 0 1 , 2 0 8 ; 4 5 3 6 3 , 3 7 2 ; 7 3 2 0 6 , 2 3 4 ff; 9 6 68, 98.
780
781
Eingehend dazu Νaucke Über Generalklauseln S. 135 ff; Maiwald GA 1 9 8 3 4 9 ff;
154
Hassemer Einführung in die Grundlagen des Strafrechts S. 2 3 7 , 3 0 0 f. 782
Vgl. insbesondere BGHSt 2 4 4 0 , 6 4 ; Jescheck/Weigend AT § 7 9 I 4 b; Horn SK § 4 7 Rdn. 3 0 ff; Lackner/Kühl $ 47 Rdn. 4 f; Tröndle/Fischer § 4 7 Rdn. 5.
783
BGH NStZ 1982 206. Krabi S. 1 0 4 ff; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 103 Rdn. 2 9 ; Rogali K K - O W i G § 3 Rdn. 3 3 ; Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 0 .
784
785
Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 103 Rdn. 4 8 ; Schmitz M K Rdn. 4 6 ; vgl. auch Hassemer/ Kargt N K Rdn. 2 8 .
786
BVerfGE 17 3 0 6 , 314 ff; 3 7 2 0 1 , 2 0 8 ; Geitmann S. 1 5 6 ff; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 1 0 3 Rdn. 2 9 ; Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 1 0 3 Rdn. 4 8 .
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
wird dieses Ziel nur unvollkommen erreicht, wenn die Norm erst im Zusammenhang mit der zu ihrer Auslegung ergangenen, nicht selten widersprüchlichen Rechtsprechung „verstanden" werden kann. 7 8 7 Insofern kann gerade auch der Stand der Rechtsprechung zu Einzelfragen dem Gesetzgeber Anlass geben, klarstellend einzugreifen und seiner durch Art. 103 Abs. 2 GG zugewiesenen Rolle gerecht zu werden. 7 8 8 cc) Zulässigkeit von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen. Die Wertausfüllungsproblematik stellt sich stets, wenn der Gesetzgeber Generalklauseln oder Begriffe verwendet, die dem Richter ein wertendes Urteil abverlangen, so z.B. § 228, der zur Berücksichtigung von Sitte und Anstand verpflichtet, oder die „sonstigen niedrigen Beweggründe" beim Mord oder die für die Rechtswidrigkeit der Nötigung erforderliche Verwerflichkeit (§ 2 4 0 Abs. 2). Hier stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen in einer pluralistischen Gesellschaft, in der verschiedene Wertvorstellungen toleriert werden, ein sicheres positives oder negatives Werturteil über ein menschliches Verhalten abgegeben werden kann. 7 8 9 In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass dem Richter die Aufgabe zugewiesen wird, „anstelle des Gesetzgebers durch eine unmittelbare Wertung zu entscheiden". 7 9 0 Hierin liegt eine unzulässige Verschiebung der Gesetzgebungskompetenz infolge Unbestimmtheit der gesetzlichen Regelung auf den Richter. 791 Deshalb kann die neuere Rechtsprechung zu § 2 2 8 im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht überzeugen, die sich bei der Feststellung der Sittenwidrigkeit an der Schwere des einverständlich durchgeführten Körpereingriffs orientiert und den Zweck nur subsidiär und täterbegünstigt heran zieht, um insbesondere bei medizinischer Behandlung offensichtlich unbillige Ergebnisse zu vermeiden (BGHSt 4 9 34, 4 2 ; vgl. auch BGHSt 4 9 166, 171 ff). 7 9 2 Vielmehr entspricht § 228 nicht den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG. 7 9 3
202
Während in der Literatur teilweise wertausfüllungsbedürftige Begriffe als unzulässig angesehen werden, weil der Gesetzgeber „größtmögliche Bestimmtheit herstellen müsse", 7 9 4 sucht das Bundesverfassungsgericht die Lösung in der Annahme, dass die Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit mit der Höhe der angedrohten Strafe wachse (Rdn. 186) und die Konkretisierung eines unbestimmten Gesetzes durch die Rechtsprechung dem Verfassungsgebot genüge (Rdn. 188, 201). 7 9 5 Damit werden aber die Anforderungen des Gewaltenteilungsprinzips - die Art. 103 Abs. 2 GG sichern will
203
787
So BVerfGE 9 2 1, 14 ff.
788
Kargl/Hassemer N K Rdn. 2 8 ; Kunig in v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 3 Art. 1 0 3 Rdn. 2 9 ; kritisch auch Rüping BK Art. 1 0 3 Abs. 2 Rdn. 4 6 ; Schürmann S. 162 f.
789
Vgl. Tröndle L K 1 0 Rdn. 15; Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 2 . So BGHSt 2 1 9 4 , 196 zur Bestimmung der Rechtswidrigkeit der Nötigung. Roxin AT I § 5 Rdn. 69.
790
791 792
793
Zustimmend Moosbacher J R 2 0 0 4 3 9 0 , 3 9 1 ; krit. Sternberg-Lieben JuS 2 0 0 4 9 5 4 ff; vgl. auch Hirsch F G B G H Bd. IV 199, 2 1 9 ; Rönnau LK Vor § 3 2 Rdn. 1 9 0 . Ebenso Sternberg-Lieben Objektive Schranken S. 136 ff; ders. GedS M a u r e r 2 8 9 ff;
ders. JuS 2 0 0 4 9 5 4 , 9 5 5 f; Paeffgen N K § 2 2 8 Rdn. 4 4 ff, 5 5 m.w.N.; Köhler AT S. 2 4 7 ; vgl. auch Rönnau Willensmängel S. 165 ff; Class FS Eberhard Schmidt 1 2 2 , 1 2 9 ; R. Schmitt FS M a u r a c h 118 ff; ders. GedS Schröder 1 2 9 ; Woesner N J W 1 9 6 3 2 7 5 . Verfassungsrechtliche Bedenklichkeit nehmen an: Amelung N S t Z 1 9 9 9 4 5 8 , 4 6 0 ; Amelung/Eymann JuS 2 0 0 1 937, 9 4 0 f; Kühl GedS M a u r e r 5 4 5 , 5 5 4 f; vgl. auch Kargl J Z 2 0 0 2 3 8 9 , 3 9 9 , der sich für eine Streichung des § 2 2 8 ausspricht. 794
795
So Jakobs AT 4 / 2 5 ; Kohlmann S. 2 4 7 ff; Naucke Generalklauseln S. 3 ff; Schlüchter AT 8; Schmitz M K Rdn. 41 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 0 . BVerfGE 14 2 4 5 , 2 5 2 ; 2 6 41, 4 2 .
Gerhard Dannecker
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
(Rdn. 55 f) - aufgegeben und Art. 103 Abs. 2 GG für leichtere Straftaten in unzulässiger Weise relativiert. 796 204
Teilweise wird die Zulässigkeit wertausfüllungsbediirftiger Begriffe auf Fälle beschränkt, in denen die Belange einer gerechten Einzelfallentscheidung das durch Art. 103 Abs. 2 GG geschützte Rechtssicherheitsinteresse überwiegen. Diese Abwägung ist aber mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar, da dieses Grundrecht (Rdn. 53) absolut gilt (Rdn. 52). Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit als Ausprägungen der verhältnismäßigen Gerechtigkeit müssen bereits bei der legislativen Wertentscheidung berücksichtigt werden, und die Gesetzesbestimmtheit darf nicht zugunsten richterlicher Gerechtigkeitsvorstellungen aufgegeben werden. 797
205
Wenn man von den Grundlagen des Art. 103 Abs. 2 GG ausgeht und insbesondere der staatsrechtlichen Fundierung Rechnung trägt, nach der der Gesetzgeber selbst die Wertentscheidung treffen muss und diese Aufgabe nicht der Rechtsprechung überlassen darf (Rdn. 119, 127), ist es erforderlich, dass der Gesetzgeber in seinen Gesetzen einen Regelungsrahmen vorgibt, dessen konkretisierende Ausfüllung noch als Auslegung eines bestimmten Gesetzes durch den Richter gelten kann. Hierfür ist es erforderlich, dass zumindest aus dem Kontext des Regelungszusammenhanges oder aus dem Kontext der legislatorischen Entscheidung eine Bewertung des Gesetzgebers zu erkennen ist. 798 Nur wenn der Regelung mittels Auslegung ein gesetzgeberischer Schutzzweck entnommen werden kann, wird den Mindestanforderungen, die sich aus der gesetzlichen Bestimmtheit ergeben, entsprochen. 799 Unter Zugrundelegung dieser Auffassung ist die Beleidigung nach § 185 noch verfassungskonform, da eine Kundgabe der Missachtung ihren Zweck nur erreicht, wenn sie auch als solche verstanden wird. Gleiches gilt für die „sonstigen niedrigen Beweggründe" beim Mord, denn aus den explizit genannten niedrigen Beweggründen - Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebes, Habgier - kann auf die erforderliche Verwerflichkeit geschlossen werden. 800
206
Allerdings weist das Merkmal der „sonstigen niedrigen Beweggründe" insoweit Besonderheiten auf, als es sich hierbei um eine Verweisung auf außerrechtliche Normen handelt. Als weitere Beispiele, die solche Verweise enthalten, können die Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 und die „guten Sitten" in § 22 8 8 0 1 genannt werden. Die Wertausfüllungsbedürftigkeit dieser Begriffe ist keine qualitative, sondern - da auf die Wirklichkeit verwiesen wird - eine quantitative. 802 Hier kommt es nach der Rechtsprechung auf die allgemeine Überzeugung an, so dass ein gesichertes Urteil vorliegen muss und Einzel- und Sonderansichten ausgeschlossen sind. 803 Soweit der Gesetzgeber durch wertausfüllungsbedürftige Begriffe auf außerrechtliche Normen verweist, hat er zwar auf eine eigene legislatorische Entscheidung verzichtet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er auch von der allgemeinen Auffassung abweichende Ansichten gelten lassen will. 804 Umstritten ist insbesondere, ob es ausreicht, dass sich ein eindeutiges negatives moralisches Urteil, z.B. im Rahmen des § 228, treffen lässt, weil alle vertretbaren Interpretationen zum Vorliegen
796 797
798 799
800
So zutreffend R o x i « AT I § 5 Rdn. 7 0 . Lemmel S. 1 0 6 ff; Roxin AT I § 5 Rdn. 7 2 ; Scbünemann Nulla poena S. 3 2 . Schroth S. 1 0 8 ; Köhler AT S. 87. Roxin AT I § 5 Rdn. 7 5 ; Müller-Dietz FS Lenckner 191; vgl. auch Lemmel S. 1 8 0 ff. Vgl. dazu Roxin AT I § 5 Rdn. 7 6 .
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801 802
Eingehend dazu Kargl J Z 2 0 0 2 3 9 4 ff. Hassemer/Kargl N K Rdn. 3 8 m.w.N.
803
BGHSt 4 32 (zu § 2 2 8 ) ; ähnlich BGHSt 2 1 9 4 , 1 9 6 ; 17 3 2 9 , 3 3 1 (zu § 2 4 0 Abs. 2); zustimmend Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 119.
804
So aber Sch/Schröder/Eser
Gerhard Dannecker
Rdn. 2 2 .
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
des wertausfüllungsbedürftigen Begriffs führen, 8 0 5 oder o b dieses Urteil einer Konkretisierung des Missbilligungsurteils anhand anderer gesetzlicher Vorschriften b e d a r f , 8 0 6 mit der Folge, dass der Begriff der „guten Sitten" in § 2 2 8 in Anlehnung an § 2 1 6 restriktiv auf konkret lebensgefährliche Körperverletzungen und irreversible schwerste Beeinträchtigungen beschränkt werden und die Verwerflichkeit in § 2 4 0 Abs. 2 auf rechtlich legitimierbare soziale Ordnungsprinzipien zurückgeführt werden m u s s . 8 0 7 Gegen die erstgenannte Auffassung könnte zum einen sprechen, dass auch eine allgemein verbreitete moralische Auffassung im Einzelfall auf verfassungsrechtlich bedenklichen Vorurteilen beruhen kann, welche die Rechtsprechung nicht übernehmen sollte. Deshalb sind solche Interpretationen als (rechtlich) nicht vertretbar auszuscheiden. Z u m anderen sind Fälle denkbar, in denen sich eine legislatorische Wertentscheidung eindeutig aus dem Gesetzeskontext entnehmen lässt, so dass der Richter hieran gebunden ist, auch wenn diese Bewertung in der Allgemeinheit nicht geteilt wird. 8 0 8 Deshalb ist es erforderlich, moralisierende Strafbegründungen als außerrechtliche Wertungen auf rechtlich vertretbare Wertungen zu reduzieren, die sich aus dem strafrechtlichen Regelungszusammenhang, aber auch und insbesondere aus dem Verfassungsrecht ergeben k ö n n e n . 8 0 9 Die „guten Sitten" können deshalb nicht mit Hilfe demoskopischer Untersuchungen eindeutig aufgeklärt werden; sie sind auch normativ zu bestimmen. 8 1 0 Für eine pluralistische Gesellschaft mit weit auseinander laufenden Vorstellungen über Ethik und M o r a l ist es allerdings geradezu typisch, dass bei Verweisen auf ethisch/ moralische Vorstellungen in der Bevölkerung ein eindeutiges Sittenwidrigkeitsurteil nicht festgestellt werden kann. Damit wird aber die Vereinbarkeit von Verweisungen - wie sie sich in § 2 2 8 finden - mit Art. 103 Abs. 2 G G fragwürdig. 8 1 1 Geht man gleichwohl von der Verfassungsmäßigkeit aus, so müsste das Fehlen eines Sittenwidrigkeitsurteils in der Gesellschaft zur Folge haben, dass die Einwilligung des Verletzten die Strafbarkeit wegen Körperverletzung stets ausschließt und ihre Wirksamkeit nicht an § 2 2 8 scheitern kann. Diesen Schluss zieht der Bundesgerichtshof jedoch nicht, sondern stellt auf einen „rechtlichen K e r n " der „guten Sitten" ab ( B G H S t 4 9 166, 169). Er nimmt eine restriktive Auslegung vor, indem er fordert, dass „bei vorausschauender objektiver Betrachtung der Einwilligende durch die Körperverletzung in konkrete Todesgefahr gebracht w i r d " . 8 1 2 Angesichts der zunehmenden Verflüchtigung eindeutiger Sittenwidrigkeitsurteile sollte der Gesetzgeber solche Regelungen streichen und seiner Verantwortung nachkommen, die Strafbarkeit und ihre Grenzen selbst zu bestimmen, indem er den Verweis auf Ethik
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Engisch FS H. Mayer 3 9 9 , 4 0 1 ; Grünwald Z S t W 7 6 ( 1 9 6 4 ) 1, 16; Jescheck/Weigend AT § 15 I 4; Ransiek S. 6 8 ff, 7 8 ; Roxin JuS 1 9 6 4 3 7 3 , 3 7 9 ff; Schlächter N S t Z 1 9 8 4 3 0 0 , 3 0 1 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 2 . So Roxin AT I § 5 Rdn. 75, 7 7 Roxin AT I § 5 Rdn. 77. Roxin AT I § 5 Rdn. 7 3 ; vgl. auch Jakobs AT 4 / 3 2 . Vgl. auch BGHSt 4 9 1 6 6 , 169, der - anders als BGHSt 4 9 3 4 - nicht auf die „guten Sitten" im klassischen Sinne abstellt, sondern nach dem „rechtlichen K e r n " der guten Sitten fragt. Weitergehend Jakobs AT 4 / 3 2 , der nicht nur eine Reduzierung der moralischen Werturteile auf rechtlich vertretbare,
sondern eine Ersetzung der moralischen durch rechtliche Wertungen fordert. Vgl. auch Hassemer/Kargl N K Rdn. 38. 811 Verfassungswidrigkeit nehmen an: Paeffgen N K $ 2 2 8 Rdn. 5 3 ; Rönnau Jura 2 0 0 2 6 6 5 , 6 6 8 ; Sternberg-Lieben Die objektiven Schranken der Einwilligung im Strafrecht ( 1 9 9 7 ) S. 136, 1 6 2 ; ders. GedS Keller ( 2 0 0 3 ) 2 8 9 ff. 810
812
BGHSt 4 9 1 6 6 ; vgl. auch BGHSt 4 9 3 4 , 4 4 ; zustimmend Hirsch J R 2 0 0 4 4 7 5 ; Stree N S t Z 2 0 0 5 4 0 ; vgl. auch Krey/Heinrich BT gier AT BT
1 Rdn. 3 1 1 ; Otto AT S 8 Rdn. 1 2 2 ; RenStrafrecht BT II § 2 0 Rdn. 2 b; Roxin I § 13 Rdn. 61 ff; Wessels/Hettinger 1 Rdn. 3 1 8 a .
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207
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
und Moral durch eine Formulierung ersetzt, die auf die mit der Körperverletzung verbundene konkrete Todesgefahr für den Einwilligenden abstellt. 8 1 3 208
Neben Generalklauseln wie den „guten Sitten" und der Verwerflichkeit im Rahmen des § 2 4 0 Abs. 2 sind gesetzliche Maßfiguren wie die des ordentlichen Kaufmanns oder des sorgfältigen Geschäftsleiters oder Maßstäbe wie der der gewissenhaften Rechnungslegung oder der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu nennen, die gleichermaßen auf außerrechtliche Anschauungen und Übungen verweisen. Die bewusste Weite dieser Klauseln dient dem Zweck, eine Anpassung an die Veränderung der Auffassungen und Verhältnisse zu ermöglichen, ohne dass das Gesetz den tatsächlichen Veränderungen angepasst werden muss. Bezüglich des empirischen Bestandteils ist der Grundsatz in dubio pro reo anzuwenden. Bezüglich der normativen Anteile sind die unbestimmten Gesetzesbegriffe und Maßstäbe im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 G G vom Strafrichter restriktiv auszulegen. 8 1 4 So sollen Falschbewertungen nur bei Willkür, das heißt, bei NichtVerwendung rationaler, überprüfbarer Maßstäbe strafbar sein, wenn die Wertangabe als „schlechterdings nicht mehr vertretbarer erscheint". 8 1 5 Entsprechend wird für die Feststellung einer strafrechtlich erheblichen Überschuldung, die Voraussetzung der Strafbarkeit nach § 2 8 3 StGB und § 8 4 G m b H G ist, eine Berechnung als maßgebend angesehen, die auch ernsthaft vertretbaren abweichenden Berechnungsweisen gerecht wird. 8 1 6 Die Unwirtschaftlichkeit von Ausgaben bei § 2 8 3 Abs. 1 Nr. 2 wird nur im Falle eindeutiger kaufmännischer Unvertretbarkeit angenommen. 8 1 7 Soweit Straftatbestände die kaufmännische Verkehrssitte in Bezug nehmen, enthält dieser Verweis wiederum zwei Bestandteile: einen empirischen Bestandteil - nämlich die Verkehrsübung und einen normativen Bestandteil, der in dem Erfordernis der Anerkennung oder Werthaftigkeit der Übung zum Ausdruck kommt. Letzterer wird durch Rechtsprechung und Lehre mitgestaltet. Auch hier dürfen der normativ-wertenden Entscheidung nur gesicherte allgemeine Maßstäbe und Wertungen sowie eine „gefestigte" Rechtsprechung zugrunde gelegt werden. Es gilt, dass die Wertung des Täters eindeutig unvertretbar sein muss. 8 1 8
209
Allgemein lässt sich somit sagen: Gegen die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und wertausfüllungsbedürftiger Generalklauseln, die als extreme Formen normativ unbestimmter Tatbestandsmerkmale verstanden werden können, 8 1 9 bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden - insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, unter Berücksichtigung des Normzusammenhangs mit anderen Gesetzen oder auf Grund einer gefestigten Rechtsprechung (Rdn. 188, 201) - eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt, so dass der Einzelne die Möglichkeit hat, den durch die Strafnorm geschützten Wert sowie das Verbot bestimmter Verhaltensweisen zu erkennen und
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815
Kühl FS Otto 6 3 , 71. BVerfGE 4 8 4 8 , 61 f; grundlegend Lenckner JuS 1 9 6 8 3 0 4 ff; Tiedemann in Belke/ Oehmichen S. 3 4 f; vgl. auch ders. Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 161; Vogel in Assmann/Schneider (Hrsg.) W p H G , 3. Aufl. ( 2 0 0 3 ) Rdn. 18 Vor § 2 0 a .
816
So Sch/Schröder/Lenckner/Perron ξ 265b Rdn. 3 9 ; ebenso Kießner Kreditbetrug § 2 6 5 b (1985) S. 6 4 ; Lackner/Kühl $ 2 6 5 b Rdn. 5; Tiedemann LK 1 1 § 2 6 5 b Rdn. 68; ders. Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 117; vgl. auch Schlüchter NStZ 1 9 8 4 301.
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BGH wistra 2 0 0 3 457, 4 5 9 ; Tiedemann LK 1 1 Rdn. 158 Vor § 2 8 3 m.w.N. Tiedemann LK 1 1 § 2 8 3 Rdn. 65 m.N. Rönnau/Hohn N S t Z 2 0 0 4 113, 118; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität Bd. I S. 198 f; ders. Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 120. Enderle S. 186 f im Anschluss an Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 95 ff m.w.N.
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die staatliche Reaktion vorauszusehen. 820 Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn eine Strafvorschrift einen „Verstoß gegen die öffentliche Ordnung" oder ein „Handeln gegen die Interessen" der alliierten Streitkräfte oder eines ihrer Mitglieder für strafbar erklärt. 8 2 1 Ebenso ist das Merkmale des „großen Ausmaßes" bei der Steuerhinterziehung (§ 370a AO) zu unbestimmt, denn durch Auslegung lässt sich nicht bestimmen, unter welchen Voraussetzungen dieses Merkmal zu bejahen ist, zumal dieses Merkmal die Abgrenzung von dem Vergehen des § 370 AO und dem Verbrechen des § 370a AO leisten soll (s. auch Rdn. 314). 8 2 2 Deshalb ist mit der Rechtsprechung des fünften Senats des Bundesgerichtshofs 823 und weiten Teilen der Literatur 8 2 4 von der Verfassungswidrigkeit des § 370a AO auszugehen. Selbst eine Häufung unbestimmter Rechtsbegriffe soll nach der Rechtsprechung mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar sein, wenn mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden eine hinreichend bestimmte Auslegung der Norm möglich ist. 8 2 5 Hiergegen wird eingewandt, dass dadurch die Erkennbarkeit der Strafbarkeit für den Bürger vernachlässigt werde. Der Umstand, dass es dem Rechtsanwender mit Hilfe juristischer Technik möglich sei, eine Strafnorm zu interpretieren, heiße gerade nicht, dass sie auch für den Laien verständlich und damit das Verbot erkennbar sei. Hierbei werde die Forderung des Bundesverfassungsgerichts 8 2 6 nicht ernst genommen, dass ein Tatbestand nur dann hinreichend bestimmt sei, wenn die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret umschrieben sind, dass der Einzelne die Möglichkeit hat, sein Verhalten auf die Rechtsfolge einzurichten, und wenn außerdem die Tragweite des Anwendungsbereichs des Straftatbestandes erkennbar ist. Gerade dies sei bei einer solchen Häufung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht der Fall. 8 2 7 Abgrenzungskriterium für die noch hinreichende Bestimmtheit muss auch hier sein, dass die tatbestandliche Grenzziehung wesentlich vom Gesetzgeber geleistet worden sein muss und nur im praktischen Ausnahmefall dem Auslegungsspielraum des Rechtsanwenders überlassen sein darf. Zwar sind pauschale Forderungen nach größtmöglicher Bestimmtheit durch deskriptive Begriffe und sonstige Quantifizierungen von Tatbestandsmerkmalen zu Lasten wertausfüllungsbedürftiger Begriffe nicht realisierbar und die in der Literatur teilweise geforderte höchstmögliche Präzision 828 hätte zur Folge, dass nicht unerhebliche Teile des deutschen Strafrechts verfassungswidrig wären. 8 2 9 Wohl aber ist die Forderung nach einer „Optimierung" des Bestimmtheits-
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BVerfGE 4 5 363, 371 f; 4 8 48, 56 f; BVerfG NStZ 1991 383; problematisierend Baumann/Weber/Mit sch AT § 9 Rdn. 13 ff; Claß FS Eb. Schmidt 122 ff; Naucke Generalklauseln S. 3 ff; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 111 ff m.w.N. BayVerfGH BayGVBl. 1952 8 f. Eingehend zu den hieraus resultierenden Konsequenzen Fahl ZStW 114 (2002) 794, 804. BGH NJW 2 0 0 4 2 9 9 0 ff; NJW 2 0 0 5 374 ff. Vgl. nur Harms FS Kohlmann 413, 419 ff; Kohlmann Steuerstrafrecht § 370a Rdn. 5 ff; Rüping DStR 2 0 0 4 1780; aA Hunsmann NStZ 2 0 0 5 72, 75.
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BVerfGE 4 5 363, 371 f; 87 209, 2 2 5 betr. § 131; 92 1, 12; 96 68, 97 ff betr. § 13; BGHSt 28 312, 313; Degenhart in Sachs Art. 103 Rdn. 69; Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 35; Tröndle/ Fischer Rdn. 5b. BVerfGE 14 174, 185; 25 269, 2 8 5 ; 32 3 4 6 , 362; 87 209, 2 2 4 ; 105 135, 153. So Schmitz MK Rdn. 45. BVerfGE 4 5 363, 371 f; 9 2 1, 12; Lenckner JuS 1968 304, 3 0 5 ; Sch/Schröder/Eser Rdn. 20; Wassermann AK-GG Art. 103 Rdn. 52; kritisch Schmitz MK Rdn. 41. Hassemer/Kargl NK Rdn. 17; Jakobs AT 4/1; Schmitz MK Rdn. 41, 44, 46.
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grundsatzes zu stellen, verstanden als ein Prinzip, das durch Gegenprinzipien der Verfassung begrenzt werden k a n n (näher dazu R d n . 1 9 5 f ) . 8 3 0 211
dd) Berücksichtigung des Adressatenkreises. Ein allgemeiner Leitgesichtspunkt, der bei der Bestimmung der Bestimmheitsanforderungen zu berücksichtigen ist, kann - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Rdn. 1 8 7 ) - neben der Schwere der Strafe ( R d n . 1 8 6 ) der Adressatenhorizont sein: Die Vorhersehbarkeit k a n n mit davon a b h ä n g e n , an welchen Kreis von Adressaten sich die Strafvorschrift wendet. R i c h t e t sie sich ausschließlich an Personen, bei denen auf G r u n d ihrer Ausbildung oder praktischen Erfahrung bestimmte Fachkenntnisse regelmäßig vorauszusetzen sind, und regelt sie Tatbestände, auf die sich solche Kenntnisse zu beziehen pflegen, so begegnet die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe unter dem Gesichtspunkt des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nach h . M . keinen B e d e n k e n , wenn allgemein davon ausgegangen werden kann, dass der Adressat a u f G r u n d seines Fachwissens imstande ist, den Regelungsinhalt solcher Begriffe zu verstehen und ihnen k o n k r e t e Verhaltensanweisungen zu e n t n e h m e n . 8 3 1 D a d u r c h werden Erkundigungspflichten statuiert, deren Verletzung mit dem Verstoß gegen die S t r a f n o r m zum Teil gleichgesetzt w i r d . 8 3 2 Dies ist allenfalls dann gerechtfertigt, w e n n es sich um einen feststehenden Kreis spezieller Normadressaten handelt, der seinerseits hinreichend bestimmt sein m u s s . 8 3 3 Hiervon ist auch das Bundesverfassungsgericht ausgegangen, das den Adressatenkreis zunächst für das Disziplinarrecht der Beamten und das Standesrecht der R e c h t s a n w ä l t e h e r a u s g e a r b e i t e t 8 3 4 und sodann auf Pflichten von Kaufleuten nach dem Handelsgesetzbuch und der (früheren) K o n k u r s o r d n u n g (jetzt: Insolvenzordnung) übertragen h a t . 8 3 5 Schließlich wurde dieser G e d a n k e auf Betreiber gewisser technischer Anlagen angewandt, von denen erwartet werden k ö n n e , dass sie sich in Zweifelsfällen über die Genehmigungsbedürftigkeit sachkundig m a c h e n . 8 3 6 D a m i t ist der äußerste R a h m e n erreicht, der durch das Abstellen auf den Kreis von Adressaten der Vorschrift noch vertretbar e r s c h e i n t . 8 3 7 Erwägungen dieser Art sowie der Umstand, dass es nur um die Abgrenzung zur Ordnungswidrigkeit ging, mögen dazu beigetragen h a b e n , dass die Gültigkeit einer so dehnbaren N o r m wie § 3 W i S t G 1 9 5 4 i.d.F. v o m 2 1 . 1 2 . 1 9 5 8 8 3 8 trotz der H ä u f u n g unbestimmter Abgrenzungskriterien (s. dazu R d n . 2 1 0 ) in der Rechtsprechung anscheinend nicht in Zweifel gezogen worden i s t . 8 3 9 N a c h dieser Vorschrift hing die Strafbarkeit von Zuwiderhandlungen gegen bestimmte wirtschaftsrechtliche Vorschriften und Preisregelungen davon a b , o b „1. die Tat ihrem Umfang oder ihrer Auswirkung nach geeignet ist, die Ziele der 'Wirtschaftsordnung, insbesondere einer geltenden Marktordnung oder Preisregelung, erheblich zu beeinträchtigen, oder
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Denninger S. 13 ff; zust. Schulze-Fielitz in Dreier-III Art. 103 II Rdn. 35; Paeffgen NK Rdn. 57 Vor S § 32 bis 35. BVerfGE 14 245, 252; 48 48, 57; 75 329, 342 f; 78 374, 382 f; BVerfG NJW 1992 2 6 2 4 ; BGHSt 37 266, 272; Hill HStR VI § 156 Rdn. 63 ff, 66; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 189. So Schmitz MK Rdn. 49; vgl. auch Kunig in v. Miinch/Kunig, Grundgesetz, Bd. 3, Art. 103 Rdn. 29; Krahl S. 319 f; Wassermann AK-GG Art. 103 Abs. 2 Rdn. 52.
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Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 189. 8 3 4 BVerfGE 26 186, 204. 8 3 5 BVerfGE 48 48, 57. 8 3 6 BVerfGE 75 329, 345. 837 Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 189. 8 3 8 BGBl. I S. 949. 839 vgl. ¿¡e Kommentierung bei Ebisch Wirtschaftsstrafgesetz (1959) S 3 Rdn. 1 ff. 833
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2. der Täter die Zuwiderhandlung hartnäckig wiederholt, gewerbsmäßig, aus verwerflichem Eigennutz oder sonst verantwortungslos handelt und durch sein Verhalten zeigt, dass er das öffentliche Interesse an dem Schutz der "Wirtschaftsordnung, insbesondere einer geltenden Marktordnung oder Preisregelung, missachtet. "
Immerhin wurde diese Klausel vom Gesetzgeber aber wegen ihrer Unbestimmtheit aufgehoben. 8 4 0
212
ee) Rolle der Rechtsprechung. Unklarheiten, die in Grenzfällen über die Reichweite eines Strafgesetzes bestehen können, machen das Gesetz (auch ein Blankettstrafgesetz) nicht ungültig. Solche Unklarheiten müssen durch die Rechtsprechung oder weitere Gesetzgebung behoben werden. 8 4 1 Die Konkretisierung des Gesetzes durch Richterspruch ist der klassische Weg, die Offenheit des Gesetzes in eine bestimmte Entscheidung zu überführen. Hiervon geht die grundgesetzliche Gewaltenteilung aus. Dies gilt auch für strafrechtliche Spezialgebiete wie das verwaltungsakzessorisch ausgestaltete Umweltstrafrecht, z.B. für § 327 Abs. 2 Nr. I; 8 4 2 allerdings können sich auf Grund der Eigengesetzlichkeiten und Regelungsziele des Verwaltungsrechts einerseits und des Strafrechts andererseits im Einzelfall bei der Anwendung dieser Strafvorschrift Probleme ergeben. 8 4 3 Derartige Auslegungsschwierigkeiten können und müssen aber mit den im Strafrecht und Strafprozessrecht zur Verfügung stehenden Möglichkeiten bewältigt werden. 8 4 4 Wenn Art. 103 Abs. 2 GG gleichwohl erhöhte Anforderungen an die Bestimmtheit des Strafrechts stellt, soll dadurch die Vorhersehbarkeit für den Normadressaten in höherem als dem sonst notwendigen Maße sichergestellt und der Parlamentsvorbehalt gestärkt werden. 8 4 5 Deshalb ist es bedenklich, wenn generell auf die gefestigte Rechtsprechung verwiesen wird, um Normen die erforderliche Bestimmtheit zu attestieren (Rdn. 188, 201). 8 4 6 Wortsinn und anerkannte Rechtsprechung sind gerade nicht gleichrangige Erkenntnisquellen. 847
213
Außerdem besteht bei Unklarheiten über die Reichweite eines Strafgesetzes die Möglichkeit einer restriktiven verfassungskonformen Auslegung, durch die sichergestellt wird, dass nur Rechtsverstöße, die den Kernbereich der Strafnorm betreffen, zur Strafbarkeit führen, und im Randbereich auf die Anwendung des Strafrechts verzichtet wird (näher dazu Rdn. 326 ff).
214
Allein aus dem Grund, dass der maßgebende Gesetzeswortlaut zu unbefriedigenden Ergebnissen führen kann, wird ein hinreichend bestimmtes Strafgesetz nicht zu einem (im dargelegten Sinne) unzureichend bestimmten. Art. 103 Abs. 2 GG schützt nicht gegen sachlich missglückte Strafvorschriften. Er besagt vielmehr, dass sich der Gesetzgeber beim Wort nehmen lassen muss. Den Gerichten ist es verwehrt, ihn zu korrigieren. 848 Daraus sich ergebende Möglichkeiten einer „Umgehung" des Tatbestandes sind als Folge
215
840
841
842 843
Τiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 72 m.N. BVerfGE 14 245, 253; 51 60, 73 f; 75 329, 341 f. BVerfGE 75 329, 340 ff. Etwa zur Frage der Auswirkungen einer mit schweren Mängeln behafteten erteilten Genehmigung, der behördlichen Duldung einer nicht genehmigten Anlage nach § 20 Abs. 2 S. 1 BImSchG oder der irrtümlichen Annahme der Verwaltungsbehörde, eine Anlage sei nicht genehmigungsbedürftig.
844 845
846
847
848
BVerfGE 75 329, 346. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 185. BVerfGE 45 363, 371 f; 48 48, 56 f; 85 69, 73; 93 266, 292; 94 372, 394; 96 68, 98 f; BGHSt 38 120, 121 f; 43 158, 167 f. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 229. BVerfGE 47 109, 123 f; 64 389, 393; 71 108, 115 f; 73 206, 236.
Gerhard Dannecker
161
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
der Verpflichtung des Gesetzgebers hinzunehmen, die Voraussetzungen der Strafbarkeit durch konkrete Umschreibung der Tatbestandsmerkmale möglichst präzise zu bestimmen. 8 4 9 Entsprechendes gilt, wenn besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, auch wenn das Verhalten - in ähnlicher Weise wie das vom Gesetzeswortlaut erfasste - strafwürdig erscheint. 8 5 0 Umgehungssachverhalte dürfen allerdings im Rahmen der Auslegung in den Grenzen des Art. 103 Abs. 2 G G erfasst werden (Rdn. 2 6 4 ff). 216
d) Bestimmtheitserfordernis bei blankettausfüllenden außerstrafrechtlichen Normen. Das Strafrecht wird zunehmend auch als Mittel zur Ahndung von Verstößen gegen Normen des Verwaltungs- und Wirtschaftsrechts eingesetzt. Dadurch werden die Tatbestände keineswegs zwingend unbestimmt. Ganz im Gegenteil wird gerade durch die Inbezugnahme detaillierter außerstrafrechtlicher Regelungen ein hoher Grad an Bestimmtheit erreicht. Die Konkretisierung offener Tatbestandsmerkmale durch andere Rechtsakte verbindet die Vorteile allgemeiner und nach Maßgabe der rechtsstaatlichen Publikationsgebote vorhersehbarer Maßstabsetzung mit den Vorzügen einer schrittweisen Verdichtung des Normprogramms, welche die Vorhersehbarkeit erhöhen. 8 5 1 Allerdings erfordert dies vom Normadressaten nicht selten, dass er sich hierüber erst informieren muss, weil es sich in diesem Bereich nicht um delieta per se, sondern mala prohibita handelt. Damit der Bestimmtheitsgrundsatz nicht leer läuft, müssen auch Vorschriften, die selbst keine Strafgesetze sind, jedoch zur Ausfüllung eines strafrechtlichen Blanketts in Bezug genommen werden, den für Strafgesetze geltenden Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 G G entsprechen (Rdn. 1 5 2 ) . 8 5 2 Insbesondere bei mehrfach gestuften Blanketten, wie bei § 3 4 Abs. 4 AWG a.F., 8 5 3 verflüchtigt sich die Bestimmtheit allerdings im Sinne einer Erkennbarkeit der Verbotsmaterie immer stärker, so dass diese Tatbestände auch unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheit fragwürdig werden können. Insbesondere muss auf den Verständnishorizont des Normadressaten und nicht des Rechtsanwenders abgestellt werden. Allerdings darf hierbei berücksichtigt werden, dass es sich in der Regel um Rechtsnormen handelt, die sich ausschließlich an einen bestimmten Adressatenkreis richten (näher dazu Rdn. 211).
217
e) Bestimmtheitsanforderungen an rechtsnormative Tatbestandsmerkmale. Hingegen gilt der strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz nicht für Normen, die zur Konkretisierung rechtsnormativer Tatbestandsmerkmale erforderlich sind, so z.B. für die gesetzlichen Vorschriften über die Eigentumsordnung, die für die Anwendung strafrechtlicher Tatbestände wie der §§ 2 4 2 , 2 4 6 erheblich sind (zur Abgrenzung zwischen Blankettmerkmalen und normativen Tatbestandsmerkmalen s. Rdn. 149). 8 5 4
218
f) Allgemeiner Teil. Wenig geklärt ist, ob und in welchem Umfang der Bestimmtheitsgrundsatz für den Allgemeinen Teil des Strafrechts gilt (Rdn. 173 f). Der Gesetzgeber hat sich in diesem Bereich weitgehend aus den dogmatischen Streitfragen herausgehalten und deren Fortentwicklung der Rechtsprechung überlassen (Rdn. 174).
849 850 851
852
BVerfGE 71 2 0 6 , 217. BVerfGE 7 3 2 0 6 , 2 3 6 . Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 1 0 3 II Rdn. 1 8 8 ; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 9 7 ff, 2 3 9 ff.
853
Näher dazu L. Schulz ZIS 2 0 0 6 4 9 9 , 5 0 4 ff; Herzog wistra 2 0 0 0 41, 4 4 , sieht darin eine „zunehmende Ersetzung von Recht durch Politik und damit eine Zersetzung der Garantiefunktionen des Strafrechts".
BVerfGE 14 2 4 5 , 2 5 1 ; 7 5 3 2 9 , 3 4 2 ; BVerfG N J W 1 9 9 2 107; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 2 4 1 ff.
854
BVerfGE 7 6 2 0 5 , 2 1 3 ; Tiedemann schaftsstrafrecht AT Rdn. 108.
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Gerhard Dannecker
Wirt-
Keine Strafe ohne Gesetz
Der Gesetzgeber trägt dem Bestimmtheitsgebot insoweit in erster Linie durch die Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit (§§ 15, 18) sowie durch die Anordnung Rechnung, dass strafbar nur vorsätzliches Handeln ist, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht (§ 15). Die Ausführungen zur Zulässigkeit der Verwendung relativ unbestimmter Merkmale im Tatbestandsbereich (Rdn. 198 ff) gelten in diesem Zusammenhang entsprechend.
219
Zweifel werden gelegentlich im Bereich des Allgemeinen Teils an der Verfassungsmäßigkeit der Gleichstellungsklausel des § 13 8 5 5 und der Fahrlässigkeitsinkriminierung gemäß § 15 geäußert, weil sich der Gesetzgeber jeder Definition enthalten hat. 8 5 6 Die h.M. bejaht sowohl im Hinblick auf die Strafbarkeit des unechten Unterlassungsdelikts gemäß § 13 als auch auf die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gemäß §15 die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz. 857 So hat das Bundesverfassungsgericht 858 entschieden, dass § 13 dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG genügte. 859 Wie dargelegt (Rdn. 174), setzt Art. 103 Abs. 2 GG nach h.M. nicht voraus, dass strafrechtliche Regelungen ausschließlich der Rechtsquelle des förmlichen Gesetzes entspringen; gerade auf dem Gebiet des Allgemeinen Teils kann der Gesetzgeber zur Rechtsfortbildung „intra legem" ermächtigen, indem er nur über die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit entscheidet (Rdn. 173). Unter diesem Gesichtspunkt können Regelungen wie § 13 und § 15 in Übereinstimmung mit der h.M. 8 6 0 als noch mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar angesehen werden. 8 6 1
220
Die h.M. in der Literatur verneint ein Eingreifen des Art. 103 Abs. 2 GG bei den strafrechtlichen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen, 862 während das Bundesverfassungsgericht und auch der Bundesgerichtshof zu Recht davon ausgehen, dass Rechtfertigungsgründe nicht generell vom Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgebots
221
855
856
857
858 855
860
Dannecker S. 276 f; Köhler AT S. 89; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103 II Rdn. 232; Schmitz MK Rdn. 25; Wohlers MK § 13 Rdn. 13. Duttge S. 208 ff; ders. FS Kohlmann 13, 26 ff; ders. MK § 15 Rdn. 36 f; Schmitz MK Rdn. 47 f. Bohnert ZStW 94 (1982) 68 ff; Lenckner JuS 1968 304; Rudolphi SK Rdn. 14; vgl. aber auch Tiedemann Verfassungsrecht und Strafrecht S. 42 m.w.N. (Beschränkung auf eindeutige Maßstäbe). BVerfGE 96 68, 98 f. Hingegen nehmen Köhler AT S. 89; Schöne Unterlassene Erfolgsabwendungen und Strafgesetz (1974) S. 341 ff und Schmitz MK Rdn. 25, Verfassungswidrigkeit des § 13 StGB an. Zu § 13: Rudolphi SK Rdn. 14; Rogali KKOWiG § 3 Rdn. 39, jeweils m.w.N.; Zur Fahrlässigkeit: Herzberg GA 2001 568 ff; ders. NStZ 2004 593 ff; Jescheck/ Weigend AT § 5 I 3; Rudolphi SK Rdn. 14; Sch/Schröder/Eser Rdn. 19, jeweils m.w.N., siehe aber auch Bohnert ZStW 94 (1982) 68 ff, 71 ff.
861
862
Zur Sonderproblematik der Vereinbarkeit gemeinschaftsrechtlicher Sorgfaltsnormen mit dem Bestimmtheitsgebot und zur „Europäisierung der Unterlassungsdelikte" C. Schröder NStZ 2007 669, 673. Amelung J Z 1982 617, 620; ders. in Schiinemann, Grundfragen S. 85, 95; Günther FS Grünwald 213 ff; Hardwig ZStW 78 (1966) 1, 8 f; Hassemer/Kargl NK Rdn. 67; Jakobs AT 4/44; Krey JZ 1979 612; ders. Studien S. 233 ff; ders. AT-1 Rdn. 103; Lenckner JuS 1968 249, 252; Gribbohm LK 11 Rdn. 73; Maurach J Z 1964 529, 536 f; ders./Zipf AT/1 § 8 Rdn. 41; Otto Jura 1986 426, 430 f; ders. AT § 2 Rdn. 26, 29; R. Schmitt FS Jescheck 223, 231 f; Schroeder J Z 1992 990, 991; Suppert Studien S. 299; Wessels/Beulke AT Rdn. 55; aA Dannecker FS Otto 25, 26; Erb ZStW 108 (1996) 266, 284 ff; 296 f; Hirsch LK 11 Rdn. 35 Vor §§ 32 ff; Paeffgen NK Rdn. 59 Vor § 32 bis 35; Ransiek S. 100 ff, 112 f; Rudolphi SK Rdn. 25a; Sch/Schröder/Eser Rdn. 17; Stratenwerth/ Kuhlen AT § 3 Rdn. 8; Würtenberger FS Rittler 125, 133. Zur Einordnung von „Metaregeln" Tiedemann FS Baumann 7, 16 f.
Gerhard Dannecker
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§1
ausgeschlossen s i n d . 8 6 3 Allerdings kann es nicht überzeugen, außerstrafrechtliche R e g e lungen, die für das Strafrecht Geltung erlangen wie die zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe, v o m Anwendungsbereich des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G auszunehmen (s. oben R d n . 1 7 7 ) . 8 6 4 Freilich gilt Art. 1 0 3 Abs. 2 G G nur, soweit Regelungen zu Lasten des Bürgers angewendet werden (zum Nichteingreifen des Bestimmtheitsgrundsatzes bei Einschränkungen der Strafbarkeit sogleich R d n . 2 2 2 ) . Es kann also allein darum gehen, eine zu enge Auslegung, die den Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund entgegen der gesetzgeberischen Bewertung einschränkt, als verfassungswidrig - da mit dem Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar - zu kennzeichnen. 222
D a s Bestimmtheitsgebot gilt - anders als für den Straftatbestand und die Schuldformen - nicht für Strafausschließungsgründe im weitesten Sinne, welche die Strafbarkeit eines bestimmt umschriebenen Bereiches einschränken und sich insofern zugunsten des Täters auswirken. Solche Gründe hängen nicht selten von den Umständen des Einzelfalls ab. Insofern entziehen sie sich einer im Voraus bestimmbaren normativen Umschreibung. In derartigen Fällen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Gesetzgeber mit sprachlich verständlichen, wertungsabhängigen Begriffen begnügt und deren Anwendung im Einzelfall dem Richter überträgt. D a s gilt unabhängig davon, wie diese Gründe dogmatisch genau einzuordnen s i n d , 8 6 5 o b als tatbestandsregulierendes Korrektiv, Rechtfertigungs-, Entschuldigungs-, Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund.
223
g) Strafdrohung. D a s G e b o t der Gesetzesbestimmtheit gilt nicht nur für den Straftatbestand, sondern auch für die angedrohten S t r a f e n . 8 6 6 D a b e i besteht Einigkeit, dass die Bestimmtheit der Rechtsfolge sowohl bezüglich der Art als auch bezüglich der H ö h e der Strafe vorliegen m u s s 8 6 7 und der Gesetzgeber abstrakte Sanktionsunter- und Sanktionsobergrenzen festzulegen h a t . 8 6 8
224
Bei der Grenzziehung der noch hinreichend bestimmten und schon zu unbestimmten Strafdrohungen geraten zwei Verfassungsprinzipien in ein Spannungsverhältnis: Rechtssicherheit durch Rechtsfolgenbestimmtheit auf der einen Seite und schuldbezogene Einzelfallgerechtigkeit auf der anderen Seite. H i e r bedarf es einer A b w ä g u n g , bei der beiden für das Strafrecht unverzichtbaren Prinzipien möglichst viel an Substanz belassen bleibt ( R d n . 1 9 5 f): D e r Gesetzgeber muss durch die Wahl der Strafdrohung seine Bewertung der gesetzlich beschriebenen Delikte sowohl für den Strafrichter als auch für den Bürger deutlich zum Ausdruck bringen. Auch der Bürger muss das M a ß der drohenden Strafe abschätzen k ö n n e n . Außerdem muss dem Strafrichter die Festsetzung einer schuldangemessenen Strafe möglich bleiben. Dabei hat der Gesetzgeber die grundsätzlichen Entscheidungen über die Art und das A u s m a ß der Rechtsfolgen selbst zu treffen. Hierbei gilt, dass die Anforderungen umso strenger sind, je intensiver der Eingriff wirkt. J e schwerer die angedrohte Strafe ist, desto h ö h e r sind die Anforderungen an den Strafgesetzgeber bezüglich der Bestimmtheit (Rdn. 1 8 6 ) .
863 864 865
866
BGHSt 39 1, 27. Vgl. dazu Jakobs AT 4/44 Fn. 75. BVerfGE 73 206, 238 f; kritisch dazu aber Tiedemann Verfassungsrecht und Strafrecht S. 48. BVerfGE 14 245, 252; 25 269, 285; 45 363, 371; BGHSt 18 136, 140; BVerfG 105 135, 153; Degenhart in Sachs, Art. 103 Rdn. 67; Hassemer/Kargl NK Rdn. 15; Roxin AT I
164
867
868
S 5 Rdn. 80 f; Rudolphi SK Rdn. 15; Schmitz MK Rdn. 39; Sch/Schröder/Eser Rdn. 23. Baumann/Weber/Mitsch AT § 9 Rdn. 17; kritisch zu den überweiten Strafrahmen im Besonderen Teil Schünemann Nulla poena S. 37. BVerfGE 73 206, 253 f.
Gerhard Dannecker
Keine Strafe ohne Gesetz
§1
aa) Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof war in diesem Bereich bislang großzügiger, als es mit der Verfassung vereinbar ist. So hat es der Bundesgerichtshof nicht für erforderlich gehalten, dass die Strafart festgelegt ist und daher die Androhung einer Bestrafung „mit jeder zulässigen Strafe, jedoch mit Ausnahme der Todesstrafe" als hinreichend bestimmt angesehen. 869 Ebenso wurde ein grenzenloser Strafrahmen bei einer Geldstrafenandrohung in unbestimmter Höhe akzeptiert, 870 obwohl dies zur Folge hat, dass keine hinreichende Sicherheit gegen Willkür besteht. 871 Das Problem hat für den Anwendungsbereich der Geldstrafe insofern an Bedeutung verloren, als Art. 12 Abs. 2 EGStGB die Geldstrafe von unbeschränkter Höhe 8 7 2 aus dem Sanktionensystem gestrichen hat. 8 7 3 Aber auch die derzeitige Weite des Strafrahmens bei der Geldstrafe von fünf bis einhundertachtzig bzw. bei einer Gesamtgeldstrafe von bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen ist im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot rechtsstaatlich bedenklich und deshalb schwerlich hinzunehmen. 874 Der Bundesgerichtshof erklärte auch die Vermögensstrafe für noch verfassungsmäßig (näher dazu Rdn. 227 ff, 231 ) 8 7 5 .
225
Auch das Bundesverfassungsgericht war zunächst eher zurückhaltend bei der Überprüfung der strafrechtlichen Sanktionen am Maßstab des Bestimmtheitsgrundsatzes und hat zunächst offen gelassen, ob wegen der unterschiedlichen Funktion der einzelnen Bestandteile der Strafnorm (Tatbestandsbestimmung und Rechtsfolgenbestimmung) unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots unterschiedliche Anforderungen an die gesetzgeberische Ausgestaltung des jeweiligen Normteils gestellt werden müssen. 876
226
Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht neue Impulse in der Entscheidung zur Vermögensstrafe im Jahr 2002 gesetzt und Leitgedanken für eine verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit gesetzlicher Strafdrohungen formuliert (BVerfGE 105 135, 152 ff). In dieser Entscheidung wird die generelle Zurückhaltung bei der Kontrolle im Bereich der Sanktionsgestaltung, wie sie sich z.B. in der Entscheidung zur lebenslangen Freiheitsstrafe widerspiegelt, 877 aufgegeben, und es werden hohe Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit der Rechtsfolgen der Tat gestellt. Drei Richter - di Fabio, Jentsch und Mellinghoff - kommen bezüglich der Vermögensstrafe in einem Minderheitsvotum zu dem Ergebnis, dass die Vermögensstrafe jedenfalls in der Auslegung durch den Bundesgerichtshof 878 (vgl. Rdn. 225) mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar sei, 879 weil der Bestimmtheitsgrundsatz in erster Linie den Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs betreffe und gesetzliche Verhaltenssteuerung durch Vorhersehbarkeit nur für die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie für Art und Obergrenze der Strafe erforderlich sei, nicht aber für die im Einzelfall angemessene Strafart und Strafhöhe. Demgegenüber fordert das Bundesverfassungsgericht mehrheitlich, dass der parlamentarische Gesetzgeber genau festlegen muss, ob eine Vermögensstrafe zu verhängen ist. 8 8 0 Außerdem müssten sich dem Straf-
227
869
BGHSt 13 191.
875
BGHSt 41 2 0 ff.
870
BGHSt 3 2 6 2 . So zutreffend Roxin AT I § 5 Rdn. 81.
876
BVerfGE 4 5 3 6 3 , 371. BVerfGE 4 5 187, 2 4 5 ff; näher dazu Tiedemann Verfassungsrecht und Strafrecht
871 872
873 874
Vgl. § 2 7 c Abs. 3 a.F.; kritisch dazu Rudolph! SK Rdn. 16 m.w.N. Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 3 . Bringewat Rdn. 2 6 1 ; Roxin AT I § 5 Rdn. 81; Stratenwerth/Kuhlen AT § 3 Rdn. 17; vgl. auch Jescheck/Weigend AT § 15 I 5; aA Rudolphi SK Rdn. 16; Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 3 .
877
878 879 880
S. 3 4 f. BGHSt 41 2 0 , 2 4 ff. BVerfGE 1 0 5 135, 1 7 2 ff. BVerfGE 1 0 5 135, 1 5 9 ff.
Gerhard Dannecker
165
§1
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
rahmen grundsätzlich das Mindestmaß einer Strafe sowie eine Sanktionsobergrenze entnehmen lassen, damit der Gesetzgeber durch den begrenzten Strafrahmen einen Orientierungsrahmen für die richterliche Abwägung nach Tatunrecht und Schuldmaß festlege. Dabei ist es zulässig, dass sich das Mindestmaß der jeweiligen Strafe aus Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafrechts ergibt. 881 Schließlich habe der Gesetzgeber die „eigentliche Zumessung der Strafe" zu regeln. Dies habe er nicht getan, obwohl er das „ohne Schwierigkeiten" hätte tun können. 882 228
Damit hat sich das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gegen uferlose Strafrahmen gewendet, welche die Bestimmung der konkreten Strafe zu einem unberechenbaren Akt richterlicher Entscheidung machen, weil dann das Verhältnis zwischen Unrecht und Schuld einerseits und der Sanktion andererseits unklar bleibt. 883 Die bereits unter der Weimarer Verfassung viel diskutierte Frage, ob nach oben unbegrenzte Strafen mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar sind, hat das Bundesverfassungsgericht hiermit verneint.
229
Das Bundesverfassungsgericht fordert weiterhin, dass der Gesetzgeber dem Richter über die herkömmlichen Strafregeln hinaus besondere Leitlinien an die Hand gibt, die dessen Entscheidung hinsichtlich der Auswahl und der Bemessung der Sanktion vorhersehbar machen. 884 Der Gesetzgeber muss Wertungskriterien benennen, an die sich die strafrechtliche Entscheidung bei der Auswahl der Strafart und bei der Ausfüllung des konkreten Strafrahmens zu halten hat. Diesbezüglich führt das Bundesverfassungsgericht aus: 885 „Dabei sind die allgemeinen Regeln des Strafgesetzbuchs zur Strafbemessung (§§ 4 6 ff) - neben ihrer Bedeutung als Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Schuldprinzips (BVerfGE 86 288, 313) - auch eine Bedingung der Verwirklichung des Bestimmtheitsgebots. Nur mit Hilfe der kodifizierten und richterrechtlich konkretisierten Strafzumessungsregeln wird es im Einzelfall gelingen, weite Strafrahmen handhabbar zu machen. So bieten erst die in § 4 6 aufgezählten traditionellen Strafzumessungsgründe und ihre richterrechtliche Ausformung die Gewähr dafür, dass eine Strafe nicht unbegrenzter richterlicher Diskretion überlassen ist, sondern innerhalb eines strukturierten Rahmens gefunden werden kann. Nur so ist sie für den Normadressaten voraussehbar und für die Strafjustiz kontrollierbar. Auch hier gilt, dass die Anforderungen an den Gesetzgeber in dem Maße wachsen, in dem er Rechtsfolgen androht, die besonders intensiv in Grundrechte eines Verurteilten eingreifen."
230
Diese Anforderungen sind an alle strafrechtlichen Deliktsfolgen (Rdn. 89 ff) anzulegen. Sie stimmen mit der Forderung der Literatur überein, dass dem Richter wegen des Bestimmtheitsgebots hinreichend konkrete Kriterien für die Strafbemessung zur Verfügung gestellt werden müssen, wie dies z.B. durch die Strafzumessungsrichtlinien in § 46 geschehen ist. 886 Dieses Postulat ist umso wichtiger, als bei den Rechtsfolgen eine größere Unbestimmtheit als bei den Strafbarkeitsvoraussetzungen hingenommen wird, die durch die kodifizierten Strafzumessungsgrundsätze bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. 887
231
Das Bundesverfassungsgericht orientiert sich in der Entscheidung zur Vermögensstrafe sehr stark am Gesetzlichkeitsprinzip, das eine Bewertung der Tat durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber erfordert, und weniger an der Bestimmtheit im Sinne der Vorhersehbarkeit. Wenn der Gesetzgeber eine neue Strafart einführt, muss er selbst
881 882 883 884
BVerfGE 105 135, 163 ff. BVerfGE 105 135, 168 ff. Bringewat Rdn. 263. BVerfGE 105 135, 155 f.
166
885 886
887
BVerfGE 105 135, 156 f. Vgl. nur Baumann/Weber/Mitsch Rdn. 17. Roxin AT I § 5 Rdn. 82.
Gerhard D a n n e c k e r
AT
itz GA 2 0 0 5 625; Lagodny StV 2 0 0 5 515; Ranft wistra 2 0 0 5 361; Schünemann StV 2 0 0 5 681; Vogel J Z 2 0 0 5 807.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
407
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
3 6 4 ) . Ein Strafverfahren sei in erster Linie dort zu führen, w o die Tat begangen worden sei. J e d e r Staatsangehörige solle - soweit er sich im Staatsgebiet aufhält - vor den „Unsicherheiten einer Aburteilung unter einem ihm fremden Rechtssystem und in für ihn schwer durchschaubaren fremden Verhältnissen bewahrt w e r d e n " (BVerfG N J W 2 0 0 5 2 2 8 9 , 2 2 9 0 ) . M i t Blick auf eine Regelung des Verhältnisses konkurrierender nationaler Strafgewalten zueinander ergibt sich daraus, dass etwa die Übertragung der Strafverfolgung von Inlandstaten eines Inländers an einen anderen verfolgungsbereiten Staat nicht in B e t r a c h t k o m m t . 51
4 . Regelungen in zwischenstaatlichen A b k o m m e n , Richtlinien und Rahmenbeschlüssen. Regeln über den Geltungsbereich des staatlichen Strafrechts finden sich in zahlreichen zwischenstaatlichen, meist multilateralen A b k o m m e n . 5 2 D e r Z w e c k dieser A b k o m men besteht in erster Linie darin, eine Grundlage für die internationale Z u s a m m e n a r b e i t bei der B e k ä m p f u n g bestimmter Straftaten zu schaffen. Dazu geben die A b k o m m e n den Vertragsstaaten auf, diese internationalen S t r a f t a t e n 5 3 in ihrem staatlichen R e c h t mit Strafe zu bedrohen. Sie begründen zudem die Befugnis und vielfach sogar die Verpflichtung (näher R d n . 31 f f ) , die staatliche Strafgewalt unter bestimmten Voraussetzungen auf diese Taten zu erstrecken.
52
I m Z u g e der fortschreitenden politischen und gesellschaftlichen Integration finden sich auch auf europäischer Ebene neben den geltungsbereichsrelevanten Konventionen des E u r o p a r a t e s und den Ü b e r e i n k o m m e n im R a h m e n des Art. 3 4 Abs. 2 Buchst, d E U V weitere R e c h t s a k t e im Gemeinschafts- und Unionsrecht, insbesondere Richtlinien und R a h m e n b e s c h l ü s s e , die für die Auslegung oder Anwendung der Geltungsbereichsnormen des deutschen R e c h t s bedeutsam s i n d . 5 4
53
Von Bedeutung sind die völkerrechtlichen A b k o m m e n und die europarechtlichen R e c h t s a k t e aber nicht nur deshalb, weil sie k o n k r e t e Umsetzungspflichten begründen. Vielmehr sind sie auch bei der Auslegung des deutschen Strafanwendungsrechts zu beachten. Dies ergibt sich daraus, dass deutsches R e c h t völkerrechtskonform 5 5 , gemeins c h a f t s r e c h t s k o n f o r m 5 6 und - nach der jüngsten Rechtsprechung des E u G H ( E u G H N J W 2 0 0 5 2 8 3 9 ) 5 7 - auch unionsrechtskonform auszulegen ist.
54
Von den einschlägigen völkerrechtlichen Vereinbarungen, Richtlinien und R a h m e n b e schlüssen seien im Folgenden die wichtigsten aufgeführt, welche für die Bundesrepublik verbindlich sind. D a b e i wird ihr wesentlicher Inhalt wiedergegeben, soweit er für das Verständnis, die Auslegung und die Anwendung einzelner Bestimmungen des Strafanwendungsrechts von Bedeutung sein kann.
55
N i c h t aufgeführt sind im Folgenden solche A b k o m m e n , die für die Bundesrepublik mangels Ratifikation (noch) nicht wirksam sind. Z u nennen sind hier die Convention on C y b e r c r i m e des Europarates vom 2 3 . 1 1 . 2 0 0 1 ( E T S Nr. 1 8 5 ) , die Criminal L a w Convention on C o r r u p t i o n des Europarates vom 2 7 . 1 . 1 9 9 9 ( E T S Nr. 1 7 3 ) , die Convention on the Prevention o f Terrorism des Europarates, vom 1 6 . 5 . 2 0 0 5 ( E T S Nr. 1 9 6 ) , das Zweite P r o t o k o l l v o m 2 6 . 3 . 1 9 9 9 zur Haager Konvention von 1 9 5 4 zum Schutz von Kulturgut
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Vgl. auch Boister European Journal of International Law 14 (2003) 953; Wilkitzki ZStW 9 9 (1987) 455. Zum Begriff Werte Rdn. 98 ff und Wilkitzki ZStW 9 9 (1987) 455, 472. Näher dazu Dannecker ZStW 117 (2005) 697, 723 ff; zur Wirkung von Richtlinien
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und Rahmenbeschlüssen Hecker § 4 Rdn. 64, § 5 Rdn. 71. Hierzu Steinberger HdbStR VII § 173 Rdn. 50. Näher und zusf. zur Rechtsprechung Hecker S 10. Hierzu Wehnert NJW 2005 3760.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
bei bewaffneten Konflikten (ILM 38 [1999] 769) sowie die am 31.10.2003 von der VNGeneralversammlung angenommene Konvention gegen Korruption (ILM 43 [2004] 37). Soweit der Gesetzgeber den völkervertraglichen Verpflichtungen durch Schaffung neuer Tatbestände im Ordnungswidrigkeitenrecht Rechnung getragen hat, wurde ebenfalls auf eine Darstellung verzichtet. Vgl. insoweit aber Gribbohm LK 1 1 Rdn. 10 und 14 zum Internationalen Vertrag zur Unterdrückung des Branntweinhandels unter den Nordseefischern auf hoher See vom 16.11.1887 i.d.F. der Zusatzprotokolle vom 14.2.1893 und vom 11.4.1894 (RGBl. S. 427, 435, 436) sowie zum Internationalen Abkommen zur Bekämpfung des Alkoholschmuggels vom 19.8.1925 (G vom 14.4.1926, RGBl. II S. 220; Bek. vom 23.8.1927, RGBl. II S. 878). Die in den angeführten Abkommen, Richtlinien und Rahmenbeschlüssen geregelten internationalen Straftaten lassen sich sechs Deliktsgruppen zuordnen: Es handelt sich erstens um Angriffe gegen den Weltfrieden und die internationale Sicherheit (Rdn. 78 ff, 82 ff, vgl. auch Rdn. 94 ff), zweitens um schwere Verletzungen grundlegender Menschenrechte (Rdn. 58 ff, 157 ff), drittens um (internationalen) Terrorismus (Rdn. 107 ff, 127 ff, 133 ff, 150 ff, 176 ff), viertens um organisierte Kriminalität, insbesondere Menschen· und Betäubungsmittelhandel sowie Korruption (Rdn. 58 ff, 72 ff, 99 ff, 197 ff, 206 ff, 210 ff), fünftens um Umweltstraftaten (Rdn. 164 ff) sowie sechstens um Taten gegen die finanziellen Interessen der EU (Rdn. 188).
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Auf die Angabe zusätzlicher Fundstellen zu den folgenden Abkommen wird verzichtet, soweit die im Folgenden angeführten Abkommen und Rechtsakte im Bundesgesetzblatt, im Reichsgesetzblatt oder im Amtsblatt veröffentlicht sind. Hingewiesen sei jedoch auf die folgenden Textsammlungen, in denen ein Teil der im Folgenden angesprochenen Abkommen abgedruckt ist: Sartorius II, Internationale Verträge und Europarecht, Textsammlung, Loseblattausgabe (Stand: Februar 2006); Grützner/Pötz Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 2. Aufl., Loseblattausgabe (Stand: April 2006); Randelzhofer (Hrsg.) Völkerrechtliche Verträge, 10. Aufl. (2004); Tomuschat (Hrsg.) Völkerrecht, 3. Aufl. (2005); sowie - in englischer Sprache - Van den Wyngaert/Stessens/Van Daele (Hrsg.) International Criminal Law, 2. Aufl. (2000).
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a) Sklaverei und Menschenhandel. Einschlägig sind: Internationales Übereinkommen 5 8 zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen den Mädchenhandel vom 18.5.1904 (RGBl. 1905 S. 695) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 4.5.1949 (Bek. vom 19.10.1972, BGBl. II S. 1478); Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels vom 4.5.1910 (RGBl. 1913 S. 31) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 4.5.1949 (Bek. vom 19.10.1972, BGBl. II S. 1482); Internationale Übereinkunft zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels vom 30.9.1921 (RGBl. 1924 II S. 181) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 12.11.1947 (Bek. vom 19.10.1972, BGBl. II S. 1489); Übereinkommen betreffend die Sklaverei vom 25.9.1926 (RGBl. 1929 II S. 63) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 7.12.1953 (Bek. vom 19.10.1972, BGBl. II S. 1473); Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken vom 7.9.1956 (G vom 4.7.1958, BGBl. II S. 203; Bek. vom 14.3. 1959, BGBl. II S. 407); 5 8 Gemeinsame Maßnahme vom 24.2.1997 betreffend (die Bekämpfung des Menschenhandels und) die sexuelle Ausbeutung von Kindern (ABl. 1997 L 63, S. 2 ff); Rahmenbeschluss des Rates vom 19.7.2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels (ABl. 2002 L 203, S. 1 ff); Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom 22.12.2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinder-
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Vgl. Oehler Rdn. 440, 448.
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
pornografie ( A b L E U 2 0 0 4 L 13, S. 4 4 ff); Z u s a t z p r o t o k o l l zur Verhütung, B e k ä m p f u n g und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Ü b e r e i n k o m m e n der Vereinten N a t i o n e n gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ( V N g r e n z ü O K Ü b k . ) v o m 1 5 . 1 1 . 2 0 0 0 ( B G B l . 2 0 0 5 II S. 9 5 4 ) . - Vergleiche auch die Konvention zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Ausbeutung von Prostituierten vom 2 1 . 3 . 1 9 5 0 ( G B l . - D D R 1 9 7 5 II S. 2 ) , 5 9 nicht in Kraft für die Bundesrepublik. 59
W ä h r e n d das Ü b e r e i n k o m m e n von 1 9 0 4 die beteiligten Staaten in einschlägigen Fällen nur zu Ermittlungen und Verwaltungsmaßnahmen verpflichtet, haben sie nach dem Ü b e r e i n k o m m e n von 1910 bestimmte F o r m e n der Anwerbung, Verschleppung und Entführung von Frauen und M ä d c h e n zur Unzucht innerstaatlich mit Strafe zu bedrohen, auch w e n n die einzelnen tatbestandsmäßigen Handlungen in verschiedenen Staaten begangen werden (Art. 1 bis 3). Die Übereinkunft von 1 9 2 1 erstreckt die Verpflichtung auf den Kinderhandel (Art. 2 ) , auf den Versuch des Frauen- und M ä d c h e n h a n d e l s sowie „innerhalb der gesetzlichen G r e n z e n " - auf Vorbereitungshandlungen hierzu (Art. 3).
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N a c h dem Ü b e r e i n k o m m e n von 1 9 2 6 ist Sklaverei die Rechtsstellung oder Lage einer Person, an der einzelne oder alle mit dem Eigentumsrecht verbundene Befugnisse ausgeübt werden (Art. 1 Nr. 1). Sklavenhandel ist jeder Akt der Festnahme, des Erwerbs und der Abtretung einer Person in der Absicht, sie in den Z u s t a n d der Sklaverei zu versetzen, sowie jeder Handel mit und die Beförderung von Sklaven (Art. 1 Nr. 2 ) . Die Vertragsstaaten verpflichten sich, jeder für seine Gebiete, den Sklavenhandel zu verhindern und zu unterdrücken und auf die vollständige Abschaffung der Sklaverei hinzuarbeiten (Art. 2 ) ; ferner, die Ein- und Ausschiffung und die Beförderung von Sklaven in ihren Hoheitsgewässern und auf allen Schiffen zu verhindern, die ihre Flagge führen (Art. 3 Abs. 1). In Art. 6 verpflichten sich die Vertragsstaaten, Verstöße gegen Gesetze oder sonstige Vorschriften zur Verwirklichung der Ziele des Ü b e r e i n k o m m e n s mit schweren Strafen zu belegen. Das Z u s a t z ü b e r e i n k o m m e n von 1 9 5 6 passt die Vorschriften über den Sklaventransport den Verhältnissen des m o d e r n e n internationalen Verkehrs an (Art. 3) und sieht überdies das Kennzeichnen von Sklaven z.B. durch Verstümmeln oder Brandm a r k e n (Art. 5 ) sowie die Beteiligung an der Versklavung einer Person (Art. 6 ) als strafwürdig an. D a s Z u s a t z a b k o m m e n richtet sich auch gegen die Leibeigenschaft, die definiert (Art. 1 Buchst, b) und als sklavenähnliche Rechtsstellung bezeichnet wird (Art. 6 Abs. 2 ) .
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D a s Z u s a t z p r o t o k o l l zum V N g r e n z ü O K Ü b k . von 2 0 0 0 ( R d n . 1 9 7 ) , das für Deutschland a m 9 . 9 . 2 0 0 5 in K r a f t getreten ist, zielt auf die B e k ä m p f u n g des Menschenhandels, insbesondere des Handels mit Frauen und Kindern; dieses Ziel soll u.a. durch die Förderung der Z u s a m m e n a r b e i t der Vertragsstaaten verwirklicht werden (Art. 2 ) .
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Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, die in Art. 3 näher beschriebenen F o r m e n des M e n s c h e n h a n d e l s , einschließlich des Versuchs und der Organisation solcher Handlungen sowie der Beteiligung an solchen Handlungen (Art. 5 Abs. 2 ) , als Straftaten zu umschreiben (Art. 5 Abs. 1). M e n s c h e n h a n d e l wird definiert als A n w e r b u n g , Beförderung oder A u f n a h m e von Personen durch Nötigung, Entführung, Betrug, Täuschung, M i s s b r a u c h von M a c h t oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch G e w ä h r u n g oder Entgegennahme von Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Z w e c k e der sexuellen Ausbeutung oder der Ausbeutung der Arbeitskraft oder des Körpers ( O r g a n e n t n a h m e ) . Voraussetzung ist - entspre-
ss
Abdruck bei Simma/Fastenratb Menschenrechte, 3. Aufl. (1992) S. 136.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
chend Art. 3 des Übereinkommens (Rdn. 199) - , dass die Straftaten grenzüberschreitender Natur sind (Art. 3 Abs. 2) und eine organisierte kriminelle Gruppe (Art. 2 Buchst, a) daran mitwirkt. Mit Blick auf die Begründung der Gerichtsbarkeit und die Verpflichtung zur Strafverfolgung finden die Bestimmungen des Übereinkommens (hierzu näher Rdn. 2 0 0 f f ) entsprechende Anwendung (Art. 1 Abs. 2 und 3).
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Auf europäischer Ebene wurden erste Schritte zur Bekämpfung des Menschenhandels im Zusammenhang mit der Gemeinsamen M a ß n a h m e von 1 9 9 7 unternommen. Diese wurde durch den Rahmenbeschluss von 2 0 0 2 , soweit sie den Menschenhandel betraf, ersetzt (vgl. Art. 9 des Rahmenbeschlusses), blieb im Übrigen - das heißt vor allem mit Blick auf die Definition des Straftatbestandes der sexuellen Ausbeutung von Kindern (Titel I) und die Verpflichtung zur Begründung von Gerichtsbarkeit über einschlägige Inlandstaten und Auslandstaten von Inländern (Titel II Abschn. A Buchst, f) - aber anwendbar. Durch den Rahmenbeschluss von 2 0 0 3 wurde die Gemeinsame M a ß n a h m e schließlich vollständig aufgehoben.
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Art. 1 des Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung des Menschenhandels von 2 0 0 2 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Anwerbung, Beförderung und Aufnahme einer Person unter Strafe zu stellen und mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Strafen (Art. 3) zu bedrohen, wenn diese unter den qualifizierten Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Buchst, a bis d (u.a. Nötigung, Täuschung, Missbrauch einer Machtstellung) und zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung oder der Ausbeutung der Arbeitskraft der betroffenen Person erfolgt.
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Jeder Mitgliedstaat hat seine Gerichtsbarkeit über die genannten Taten für die Fälle zu begründen, dass diese ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen werden (Art. 6 Abs. 1 Buchst, a) oder dass diese von einem Staatsangehörigen im Ausland begangen werden und der betreffende Mitgliedstaat eigene Staatsangehörige nicht ausliefert (Art. 6 Abs. 3). N a c h Art. 6 Abs. 1 Buchst, b und c i.V.m. Abs. 2 können die M i t gliedstaaten ihre Gerichtsbarkeit ferner allgemein für Auslandstaten eigener Staatsangehöriger oder sonstige Auslandstaten begründen, die zu Gunsten einer im Inland niedergelassenen juristischen Person begangen werden.
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Nach dem Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie von 2 0 0 3 sind die Mitgliedstaaten gehalten, Taten der sexuellen Ausbeutung von Kindern (Art. 2) und der Kinderpornografie (Art. 3), einschließlich Teilnahme und Versuch (Art. 4 ) , unter Strafe zu stellen und mit in Art. 5 im Einzelnen ausgewiesenen Sanktionen zu bedrohen. Die Bestimmung über die Begründung der Gerichtsbarkeit (Art. 8) entspricht der Vorschrift im Rahmenbeschluss von 2 0 0 2 (Rdn. 6 6 ) .
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Aus der Kolonialzeit gibt es in Deutschland das G betreffend die Bestrafung des Skiavenraubs und des Sklavenhandels vom 2 8 . 7 . 1 8 9 5 (RGBl. S. 4 2 5 ) mit letzten Änderungen durch Art. 5 8 des 1. StrRG vom 2 5 . 6 . 1 9 6 9 (BGBl. I S. 6 4 5 ) und Art. 148 E G S t G B vom 2 . 3 . 1 9 7 4 (BGBl. I S. 4 6 9 ) . Das Gesetz bedroht den Sklavenraub (als Unternehmen) und den Sklavenhandel (einschließlich des Sklaventransports) als Verbrechen mit - unter Umständen lebenslanger - Freiheitsstrafe. Der Weltrechtspflegegrundsatz, der durch § 5 des Gesetzes vom 2 8 . 7 . 1 8 9 5 (i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 R S t G B ) für die Verfolgung von Sklavenraub und Sklavenhandel eingeführt worden war, wurde insoweit (spätestens) durch Art. 148 Nr. 2 E G S t G B aufgehoben.
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Sklaventransporte auf deutschen Schiffen und Flugzeugen sind nach § 4 auch im Ausland strafbar, womit den Artikeln 3 der Übereinkommen von 1 9 2 6 und 1956 genügt ist. § 6 Nr. 9 greift nicht ein, weil die beiden Übereinkommen die Vertragsstaaten (über § 4
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
hinaus) nicht verpflichten, Sklaverei im Ausland zu verfolgen. Die völkervertragsrechtliche Gesamtregelung lässt vielmehr erkennen, dass grundsätzlich jeder Staat strafrechtlich nur die Taten ahnden soll, die innerhalb des eigenen Hoheitsbereiches (dem Hoheitsgebiet mit Häfen, Flughäfen und Küsten) begangen werden. 70
Seit Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuches zum 3 0 . 6 . 2 0 0 2 ist die Versklavung eines Menschen unter Anmaßung eines Eigentumsrechtes an ihm gem. § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB als Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafbar, wenn die Versklavung im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung erfolgt. Insoweit gilt gem. § 1 VStGB der Weltrechtspflegegrundsatz (Rdn. 4 5 5 ) .
71
Mit dem 37. StÄndG v. 1 1 . 2 . 2 0 0 5 (BGBl. I S. 2 3 9 ) hat der Gesetzgeber die Straftatbestände des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Ausbeutung der Arbeitskraft sowie der Förderung des Menschenhandels (§§ 2 3 2 bis 2 3 3 a ) neu eingefügt und zugleich die §§ 180b, 181 a.F. aufgehoben (hierzu Schroeder N J W 2 0 0 5 1393). Mit der Neuregelung und der gebotenen redaktionellen Änderung des § 6 Nr. 4 hat der Gesetzgeber die Verpflichtungen, die sich aus dem Zusatzprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen und dem Rahmenbeschluss des Rates von 2 0 0 2 ergeben, umgesetzt ( T r ö n d i e / F i s c h e r 5 3 § 2 3 2 Rdn. 2); siehe auch § 6 Rdn. 6 0 ff.
72
b) Fälschung und Betrug im Zusammenhang mit Zahlungsmitteln. Einschlägig sind: Internationales Abkommen zur Bekämpfung der Falschmünzerei vom 2 0 . 4 . 1 9 2 9 (Bek. vom 10.11.1933, RGBl. II S. 913); Rahmenbeschluss des Rates vom 2 9 . 5 . 2 0 0 0 über die Verstärkung des mit strafrechtlichen und anderen Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro (ABl. 2 0 0 0 L 140, S. 1 ff); Rahmenbeschluss des Rates vom 2 8 . 5 . 2 0 0 1 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln (ABl. 2 0 0 1 L 149, S. 1 ff).
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Das Abkommen von 1 9 2 9 legt die Tatbestände fest, die „nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts" als Falschmünzerei bestraft werden sollen (Art. 3). Die Strafbestimmungen sollen keinen Unterschied zwischen inländischem und ausländischem Geld machen. Vertragsstaaten, die die Auslieferung eigener Staatsangehöriger nicht zulassen, sollen Auslandstaten von Inländern so bestrafen, wie wenn die Tat im Inland begangen worden wäre (Art. 8 Abs. 1); dies soll auch für Personen gelten, die erst nach der Tat die Staatsangehörigkeit erworben haben. Auch einschlägige Auslandstaten von Ausländern sollen wie Inlandstaten behandelt werden (Art. 9 Abs. 1), dies jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen: Ein Verfolgungszwang trifft die Vertragsstaaten nur, wenn der Ausländer im Inland betroffen und seine Auslieferung beantragt wird, aber wegen eines Umstandes, der mit der Tat selbst nicht zusammenhängt, nicht durchgeführt werden kann (Art. 9 Abs. 2). Art. 17 stellt klar, dass der Beitritt zum Abkommen den „grundsätzlichen Standpunkt, den die vertragschließenden Teile in der allgemeinen Frage des Geltungsbereichs der Strafgerichtsbarkeit als einer Frage des internationalen Rechts einnehmen", unberührt lässt.
74
Die Rahmenbeschlüsse von 2 0 0 0 und 2 0 0 1 bauen auf dem Abkommen von 1929 auf und erweitern den Strafrechtsschutz mit Blick auf die Einführung des Euro und die Verbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs.
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Der Rahmenbeschluss gegen Geldfälschung von 2 0 0 0 verpflichtet die Mitgliedstaaten, bestimmte Handlungen im Zusammenhang mit der Fälschung von Geld (Art. 3 bis 5) unter Strafe zu stellen und mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Strafen zu bedrohen (Art. 6). Die Mitgliedstaaten haben ihre Gerichtsbarkeit in den Fällen zu begründen, dass die Tat ganz oder teilweise auf ihrem Hoheitsgebiet begangen wird oder die Voraussetzungen der Art. 8, 9 oder 17 des Abkommens von 1 9 2 9 (Rdn. 73) vorliegen
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
(Art. 7 Abs. 1). Nach Art. 7 Abs. 2 haben die Mitgliedstaaten ferner sicherzustellen, dass die Geldfälschung, zumindest die Fälschung des Euro, unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Täters und vom Tatort verfolgt werden kann. Der Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln von 2 0 0 1 zielt darauf, sicher zu stellen, dass auch Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit allen Formen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (Kreditkarten, Euroscheckkarten, Reiseschecks) als strafbare Handlungen gelten (Art. 2 bis 5) und in allen Mitgliedstaaten mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Strafen geahndet werden (Art. 6). Art. 9 verpflichtet jeden Mitgliedstaat, seine Gerichtsbarkeit für einschlägige Taten zu begründen, die ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet oder - fakultativ - von einem seiner Staatsangehörigen oder zu Gunsten einer juristischen Person mit Sitz in diesem Mitgliedstaat begangen werden. Liefert ein Mitgliedstaat eigene Staatsangehörige nicht aus, muss er seine Gerichtsbarkeit auch für Auslandstaten von Inländern begründen und seine Behörden mit den Fällen befassen, in denen seine Staatsangehörigen beschuldigt werden, in einem anderen Mitgliedstaat eine einschlägige Straftat begangen zu haben, damit gegebenenfalls eine Verfolgung durchgeführt werden kann (Art. 10 Abs. 1).
76
Deutschland trägt dem Abkommen von 1929 und den genannten Rahmenbeschlüssen mit den Strafvorschriften über Geld- und Wertpapierfälschung und deren Vorbereitung (§§ 146, 149, 151 und 152) sowie über die Fälschung von Zahlungskarten, Schecks, Wechseln und Vordrucken für Euroschecks (§ 152a und b) Rechnung. Mit Blick auf die Verfolgung von Auslandstaten geht das deutsche Recht mit § 6 Nr. 7 über das völkerund europarechtlich gebotene Minimum hinaus (näher § 6 Rdn. 8 9 ff).
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c) Völkermord. Einschlägig ist die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords vom 9 . 1 2 . 1 9 4 8 (G vom 9.8.1954, BGBl. II S. 7 2 9 ; Bek. vom 14.3.1955, BGBl. II S. 210).
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In der Völkermordkonvention bestätigen die Vertragsstaaten, „dass Völkermord, ob im Frieden oder im Krieg begangen, ein Verbrechen gemäß internationalem Recht ist". Sie verpflichten sich zu dessen Verhütung und Bestrafung (Art. I). Sie definieren den Begriff des Völkermordes (Art. II) und legen den Umfang der Strafbarkeit (für Verschwörung, Versuch, Vollendung und Teilnahme) fest (Art. III), und zwar auch für Regierungsmitglieder und „öffentliche Beamte" (Art. IV). Die Vertragsstaaten verpflichten sich insbesondere, zur Durchsetzung der Konvention „wirksame Strafen" für Schuldige vorzusehen (Art. V).
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Die Konvention ist für die Bundesrepublik Deutschland am 2 2 . 2 . 1 9 5 5 (Bek. vom 14.3.1955, BGBl. II S. 210) in Kraft getreten. Das Zustimmungsgesetz vom 9.8.1954 (BGBl. II S. 7 2 9 ) ist wiederholt geändert worden (vgl. EGStGB vom 2 . 3 . 1 9 7 4 , BGBl. I S. 469, 5 6 4 ) .
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§ 2 2 0 a a.F. wurde durch G vom 9.8.1954 (BGBl. II S. 7 2 9 ) eingefügt und stellte den Völkermord unter Strafe; § 6 Nr. 1 i.d.F. des 2. StrRG vom 4 . 7 . 1 9 6 9 (BGBl. I S. 717) verfügte die Geltung des Weltrechtsprinzips für Völkermordtaten. Beide Vorschriften sind durch Art. 2 des Gesetzes zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches vom 2 6 . 6 . 2 0 0 2 (BGBl. I S. 2 2 5 4 ) aufgehoben worden. Seit dem 3 0 . 6 . 2 0 0 2 ist Völkermord in § 6 V S t G B mit Strafe bedroht. Gem. § 1 V S t G B gilt deutsches Strafrecht für das Verbrechen des Völkermordes auch, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist (vgl. auch Rdn. 4 5 5 f; § 6 Rdn. 34).
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d) Kriegsverbrechen. Einschlägig sind: 1. Genfer Abkommen vom 1 2 . 8 . 1 9 4 9 (Feldabkommen, BGBl. 1954 II S. 783); 2. Genfer Abkommen vom 1 2 . 8 . 1 9 4 9 (Seeabkommen,
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
BGBl. 1954 II S. 813); 3. Genfer Abkommen vom 12.8.1949 (Kriegsgefangenenabkommen, BGBl. 1954 II S. 838); 4. Genfer Abkommen vom 12.8.1949 (Zivilpersonenabkommen, BGBl. 1954 II S. 917); G über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den vier Genfer Rotkreuz-Abkommen vom 12.8.1949, vom 21.8.1954 (BGBl. II S. 781); Bekanntmachung über das Inkrafttreten der vier Genfer Rotkreuz-Abkommen vom 12.8.1949, vom 4.11.1954 (BGBl. II S. 1133); Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12.8.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) vom 8.6.1977 (BGBl. 1990 II S. 1551); Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12.8.1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II) vom 8.6.1977 (BGBl. 1990 II S. 1637); G zu den Zusatzprotokollen I und II zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949, vom 11.12.1990 (BGBl. II S. 1550, 1637); Bekanntmachung über das Inkrafttreten der Zusatzprotokolle I und II zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949, vom 30.7.1991 (BGBl. II S. 968). 83
Die vier Genfer Abkommen 6 0 dienen dem Schutz von Personen in bewaffneten Konflikten, die entweder nicht oder nicht mehr an den Kampfhandlungen teilnehmen. Die Vertragsparteien verpflichten sich, „alle notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Festsetzung von angemessenen Strafbestimmungen für solche Personen zu treffen, die irgendeine der im folgenden Artikel umschriebenen schweren Verletzungen des vorliegenden Abkommens begehen oder zu einer solchen Verletzung den Befehl erteilen" (Art. 49 Abs. 1 1. Genfer Abk., Art. 50 Abs. 1 2. Genfer Abk., Art. 129 Abs. 1 3. Genfer Abk., Art. 146 Abs. 1 4. Genfer Abk.).
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Zu den schweren Verletzungen in diesem Sinne gehören, sofern sie gegen geschützte Personen oder Güter begangen werden (Art. 50 1. Genfer Abk., Art. 51 2. Genfer Abk., Art. 130 3. Genfer Abk., Art. 147 4. Genfer Abk.), nach allen Abkommen: vorsätzliche Tötung, Folterung oder unmenschliche Behandlung, einschließlich biologischer Versuche; vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit. Dieser Katalog erweitert sich in dem 1. dem 2. und dem 4. Genfer Abkommen um Zerstörung und Aneignung von Eigentum, die durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigt sind und in großem Ausmaß rechtswidrig und willkürlich vorgenommen werden. Im 3. Genfer Abkommen treten hinzu: Nötigung eines Kriegsgefangenen zur Dienstleistung in den Streitkräften der feindlichen Macht und Entzug seines Anrechts auf ein den Vorschriften entsprechendes Gerichtsverfahren; vom 4. Genfer Abkommen werden ferner erfasst: rechtswidrige Verschleppung oder rechtswidrige Verschickung, rechtswidrige Gefangenhaltung, Nötigung einer geschützten Person zur Dienstleistung in den Streitkräften der feindlichen Macht, Entzug ihres Anrechts auf ein den Vorschriften entsprechendes Gerichtsverfahren und das Festnehmen von Geiseln.
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Das Protokoll I dehnt den Katalog der schweren Verletzungen durch Art. 85 für alle Abkommen im Einzelnen weiter aus. 86 Die Bundesrepublik Deutschland ist den Abkommen durch G vom 21.8.1954 (BGBl. II S. 781) beigetreten. Die Abkommen sind für sie am 3.3.1955 in Kraft getreten (Bek. vom 4.11.1954, BGBl. II S. 1133), 61 die Zusatzprotokolle (Protokolle I und II) am 14.8.1991 (Bek. vom 30.7.1991, BGBl. II S. 968). 87
Die Vertragsstaaten trifft die Verpflichtung, Personen, die mutmaßlich schwere Verletzungen begangen haben, zu ermitteln und sie - ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit -
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Hierzu Ipsen in Ipsen §§ 63 ff; Werte Rdn. 776.
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III R 2 Rdn. 1.
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vor die eigenen Gerichte zu stellen oder an einen anderen Vertragsstaat, der an der gerichtlichen Verfolgung interessiert ist, auszuliefern (Art. 4 9 Abs. 2 Genfer Abkommen I, Art. 50 Abs. 2 Genfer Abkommen II, Art. 129 Abs. 2 Genfer Abkommen III, Art. 146 Abs. 2 Genfer Abkommen IV). Diese Bestimmung wird überwiegend so aufgefasst, dass sie die Befugnis der Staaten, auch schwere Verletzungen zu verfolgen, die im Ausland von Ausländern begangen werden, voraussetzt. 6 2 Die Vereinbarungen sagen nicht ausdrücklich, ob der einzelne Staat auch wegen Auslandstaten von Ausländern ermitteln und eventuell Anklage erheben muss. Die Frage ist jedoch zu bejahen (Gasser FS Haug (1986) 69, 75 f; Werte Rdn. 185). Das ergibt sich aus der im Vertragswerk vorgesehenen Auslieferungsmöglichkeit. Denn an der Aburteilung von Kriegsverbrechen sind in der Regel gerade die Staaten interessiert, auf deren Gebiet sich solche Taten ereignet haben, wie auch aus Art. 88 Abs. 2 Satz 2 Prot. I hervorgeht; und der Beschuldigte, der im Inland ergriffen worden ist, kann nach dem für die Auslieferung maßgebenden Recht des Aufenthaltsstaats nicht selten selbst dann nicht ausgeliefert werden, wenn er Ausländer ist. Siehe auch § 6 Nr. 9 und § 7 Abs. 2 Nr. 2.
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Zu beachten ist, dass die genannten Bestimmungen über die schweren Verletzungen (Rdn. 83 bis 88) nach dem gemeinsamen Art. 2 der vier Genfer Abkommen nur in internationalen bewaffneten Konflikten (zum Begriff Werte Rdn. 8 2 4 ff) anwendbar sind. Für den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt sieht der gemeinsame Art. 3 der Genfer Abkommen Mindeststandards vor. O b die nur unter dem Vorbehalt der Auslieferung stehende Ermittlungs- und Aburteilungspflicht (Rdn. 88) auch für Verstöße gegen die Genfer Abkommen in nichtinternationalen bewaffneten Konflikten gilt, ist nicht abschließend geklärt (offen gelassen in BGHSt 4 6 2 9 2 , 3 0 2 ) . Die weitgehende Assimilierung der in internationalen und nichtinternationalen bewaffneten Konflikten geltenden Regeln (vgl. BTDrucks. 14/8524 S. 2 5 ) spricht jedoch dafür, eine entsprechende Verpflichtung auch für nichtinternationale Konflikte anzunehmen. 6 3
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Die Regelungen des deutschen Rechts genügen den völkerrechtlichen Anforderungen. Bis zum Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuches hatte sich der deutsche Gesetzgeber mit der Möglichkeit begnügt, Kriegsverbrechen nach den Strafvorschriften des allgemeinen Strafrechts zu ahnden, etwa als Mord, Totschlag, Körperverletzung oder Nötigung. Obwohl man in der Masse der Fälle auf diese Weise tatsächlich zur Strafbarkeit gelangte, waren die Kriegsverbrechen damit vor Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuches nur unzureichend erfasst. Zum einen kam der völkerrechtliche Unrechtsgehalt der Verbrechen nicht angemessen zur Geltung; zum anderen ergaben sich teilweise Deckungslücken, so dass einzelne Verhaltensweisen zwar nach Völkerrecht, nicht aber nach deutschem Recht strafbar waren. 6 4 Eine Anpassung der deutschen Gesetzgebung an die strafrechtlichen Bestimmungen der Genfer Abkommen, die von Deutschland im Jahre 1954 ratifiziert wurden (BGBl. II S. 781), erfolgte nicht, obwohl die Bundesregierung selbst die Notwendigkeit einer Anpassung in der Begründung zum Beitrittsgesetz festgestellt hatte (BTDrucks. 11/152, VII). Ein im Jahre 1 9 8 0 durch das Bundesministerium der Justiz vorgelegter Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bestrafung von Verletzungen des Kriegsvölkerrechts („Völkerrechtsstrafgesetz") 6 5 blieb folgenlos.
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Ipsen in Ipsen § 42 Rdn. 11; Randall Texas Law Review 66 (1988) 785, 818; vgl. auch Pictet Commentary Geneva Convention I (1952) S. 358. Ambos NStZ 1999 226, 228; Werle Rdn. 185; ders. ZStW 109 (1997) 808, 818 f.
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Näher Kreß Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuches (2000) S. 9 ff; Werle J Z 2000 755, 756 ff. Dazu Wilkitzki ZStW 99 (1987) 455, 467.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
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Seit Beginn der neunziger J a h r e wurde diese alte Gesetzeslage zunehmend zu einem A n a c h r o n i s m u s . In Politik und Rechtsprechung wurde die Ablehnung des Völkerstrafrechts durch neue Positionen überholt, die sich unter dem Stichwort der Völkerstrafrechtsfreundlichkeit zusammenfassen l a s s e n . 6 6 Im Z u g e dieser Entwicklung w a r es folgerichtig, dass die Bundesrepublik die Umsetzung des I S t G H - S t a t u t s zum Anlass n a h m , um das materielle Völkerstrafrecht in einem Völkerstrafgesetzbuch (siehe auch R d n . 4 5 5 ) zu kodifizieren. Gerade mit Blick auf die Regelung der Kriegsverbrechen hat die deutsche Gesetzgebung hierbei ein eigenständiges Profil entwickelt. Z u nennen sind vor allem die Systematisierung und N e u o r d n u n g des Rechtsstoffes und die weitgehende Assimilierung von Kriegsvölkerstrafrecht und Bürgerkriegsvölkerstrafrecht. 6 7
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M i t den § § 8 bis 12 V S t G B hat der Gesetzgeber Kriegsverbrechen mit W i r k u n g zum 3 0 . 6 . 2 0 0 2 umfassend unter Strafe gestellt. Dabei sind auch die Regelungen der Genfer A b k o m m e n berücksichtigt, namentlich in § 8 V S t G B ( B T D r u c k s . 1 4 / 8 5 2 4 S. 2 3 f f ) . Auslandstaten von Ausländern können nach § 1 V S t G B sowie - je nach Lage des Falles nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 oder nach § 6 Nr. 9 (hierzu § 6 R d n . 1 3 3 ) verfolgt werden. Vergleiche auch § l a Abs. 1 und 2 W S t G für Taten, die nach diesem Gesetz mit Strafe bedroht sind.
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e) Seeräuberei. Einschlägig sind: Genfer Ü b e r e i n k o m m e n über die H o h e See vom 2 9 . 4 . 1 9 5 8 ( B G B l . 1 9 7 2 II S. 1 0 9 1 ) ; G zu dem Ü b e r e i n k o m m e n v o m 2 9 . 4 . 1 9 5 8 über die H o h e See, v o m 2 1 . 9 . 1 9 7 2 ( B G B l . II S. 1 0 8 9 ) ; B e k a n n t m a c h u n g über das Inkrafttreten des Ü b e r e i n k o m m e n s über die H o h e See, v o m 1 5 . 5 . 1 9 7 5 ( B G B l . II S. 8 4 3 ) ; Seerechtsübereink o m m e n der Vereinten N a t i o n e n vom 1 0 . 1 2 . 1 9 8 2 ( B G B l . 1 9 9 4 II S. 1 7 9 9 ) ; 6 8 G zu dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten N a t i o n e n vom 1 0 . 1 2 . 1 9 8 2 (Vertragsgesetz Seerechtsübereinkommen), v o m 2 . 9 . 1 9 9 4 ( B G B l . II S. 1 7 9 8 ) ; B e k a n n t m a c h u n g über das Inkrafttreten des Seerechtsübereinkommens der Vereinten N a t i o n e n v o m 1 0 . 1 2 . 1 9 8 2 , vom 1 5 . 5 . 1 9 9 5 ( B G B l . II S. 6 0 2 ) ; Ü b e r e i n k o m m e n vom 2 8 . 7 . 1 9 9 4 zur Durchführung des Teiles X I des Seerechtsübereinkommens der Vereinten N a t i o n e n vom 1 0 . 1 2 . 1 9 8 2 ( B G B l . 1 9 9 4 II S. 2 5 6 6 ) ; Verordnung zu diesem Ü b e r e i n k o m m e n , v o m 4 . 1 0 . 1 9 9 4 ( B G B l . II S. 2 5 6 5 ) ; G zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 1 0 . 1 2 . 1 9 8 2 sowie des Ü b e r e i n k o m m e n s v o m 2 8 . 7 . 1 9 9 4 zur Durchführung des Teils X I des Seerechtsübereinkommens (Ausführungsgesetz Seerechtsübereinkommen 1 9 8 2 / 1 9 9 4 ) , vom 6 . 6 . 1 9 9 5 ( B G B l . I S. 7 7 7 ) .
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D a s Genfer Übereinkommen über die H o h e See ( H o S e e Ü b k . ) von 1 9 5 8 ist - neben den Ü b e r e i n k o m m e n über das Küstenmeer und die Anschlusszone ( K ü M Ü b k . ) 6 9 , über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Schätze der H o h e n See ( F i Ü b k . ) 7 0 sowie über den Festlandsockel (FestlSÜbk.) 7 1 - eines der vier G e n f e r Seerechtsübereinkommen vom 2 9 . 4 . 1 9 5 8 , mit denen versucht wurde, die Rechtsverhältnisse in den bezeichneten Seegebieten völkerrechtlich zu regeln. D a s Ü b e r e i n k o m m e n über die H o h e See wird nach seiner P r ä a m b e l von den Vertragsstaaten im Wesentlichen als Feststellung geltender Grundsätze des Völkerrechts verstanden. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SeeRÜbk.) von 1 9 8 2 enthält, soweit es um die Unterdrückung und Verfolgung der Seeräuberei geht, im Wesentlichen gleichlautende Vorschriften. Es hat zwischen
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Näher Werle/Jeßberger J Z 2 0 0 2 725, 729 ff. Im Einzelnen Werle/Jeßberger J Z 2002 725, 731 f. Zu dem Übereinkommen Borchmann NJW 1995 2956, 2957; speziell zu den Bestimmungen über Seeräuberei Oehler Rdn. 431 ff.
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UNTS Bd. 516, S. 205. UNTS Bd. 559, S. 289. UNTS Bd. 499, S. 311.
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Vor § 3
den Vertragsparteien Vorrang vor den vier Genfer Seerechtsübereinkommen von 1958 (Art. 311 Abs. 1 SeeRÜbk.). Für die strafrechtliche Verfolgung der Seeräuberei kommt es hierauf wegen der Übereinstimmung der einschlägigen Vorschriften allerdings nicht an. Aus den Übereinkommen ergibt sich, dass alle Vertragsstaaten zusammenarbeiten, um die Seeräuberei zu unterdrücken (Art. 14 HoSeeÜbk., Art. 100 SeeRÜbk.). Art. 101 SeeRÜbk. definiert Seeräuberei als Gewalttat, Freiheitsberaubung oder Plünderung, die auf hoher See (vgl. § 5 Rdn. 48 ff) oder an einem anderen Ort, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht, gegen ein Schiff, gegen ein Luftfahrzeug, gegen Personen oder gegen Vermögenswerte begangen werden; Täter der Seeräuberei sind die Besatzung oder die Fahrgäste eines privaten Schiffes oder Luftfahrzeuges, die zu privaten Zwecken handeln. Erfasst sind auch die Beteiligung am Einsatz eines Seeräuberschiffes oder eines entsprechenden Luftfahrzeuges (Art. 103 SeeRÜbk.), die Anstiftung zu einer der genannten Handlungen sowie deren Erleichterung (Art. 101 Buchst, a und b SeeRÜbk.). Jeder Staat hat das Recht, auf hoher See oder an anderen Orten, die keiner staatlichen Hoheitsgewalt unterworfen sind, Seeräuberschiffe aufzubringen und die an Bord befindlichen Personen festzunehmen, über deren Bestrafung seine Gerichte entscheiden können (Art. 19 HoSeeÜbk., Art. 105 SeeRÜbk.). Eine Verpflichtung, dies zu tun, wird nicht ausgesprochen.
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Das HoSeeÜbk. ist für die Bundesrepublik Deutschland am 25.8.1973 in Kraft getreten (Bek. vom 15.5.1975, BGBl. II S. 843), das SeeRÜbk. am 16.11.1994 (Bek. vom 15.5.1995, BGBl. II S. 602), nachdem der Bundestag dem Beitritt durch G vom 2.9.1994 (BGBl. II S. 1798) zugestimmt hatte.
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Seeräuberei fällt unter den Tatbestand des § 316c, der nach § 6 Nr. 3 auch für AusIandstaten von Ausländern unabhängig vom Recht des Tatortes gilt.
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f) Betäubungsmittelkriminalität. Einschlägig sind: Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe vom 30.3.1961 i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 25.3.1972 (EinhÜbk., BGBl. 1973 II S. 1354); 7 2 G zu dem Einheits-Übereinkommen vom 30.3.1961 über Suchtstoffe, vom 4.9.1973 (BGBl. II S. 1353); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Einheits-Übereinkommens über Suchtstoffe, vom 15.8.1974 (BGBl. II S. 1211); G zu dem Protokoll vom 25.3.1972 zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe, vom 18.12.1974 (BGBl. 1975 II S. 2); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Protokolls zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe, vom 22.10.1975 (BGBl. II S. 2158); Bekanntmachung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe in der durch das Protokoll zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 geänderten Fassung, vom 4.2.1977 (BGBl. II S. 111); Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe vom 21.2.1971 (BGBl. 1976 II S. 1478); G zu dem Übereinkommen vom 21.2.1971 über psychotrope Stoffe, vom 30.8.1976 (BGBl. II S. 1477); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens vom 21.2.1971 über psychotrope Stoffe, vom 31.8.1978 (BGBl. II S. 1239); Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen vom 20.12.1988 (BGBl. 1993 II S. 1137); G zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20.12.1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (Vertragsgesetz Suchtstoffübereinkommen 1988), vom 22.7. 1993 (BGBl. II S. 1136); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen, vom 28.2.1994 (BGBl. II S. 496).
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Zur Entstehungsgeschichte s. III Β 1 Rdn. 1 ff.
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Die Übereinkommen dienen der Bekämpfung des unerlaubten Umgangs mit Betäubungsmitteln, das von 1988 insbesondere der Bekämpfung der internationalen Rauschgiftkriminalität. Sie enthalten zum Teil eingehende Bestimmungen darüber, wie einschlägige Taten zu bestrafen und zu verfolgen sind, wozu sich die Vertragsstaaten verpflichten (Art. 36 EinhÜbk. 1961, Art. 2 2 Übk. 1971, Art. 3 Übk. 1988). Doch richtet sich die Bestrafung stets nach innerstaatlichem Recht (Art. 36 Abs. 4 EinhÜbk. 1961, Art. 22 Abs. 5 Übk. 1971, Art. 3 Abs. 11 Übk. 1988).
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Es sind für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft: das EinhÜbk. 1961 seit dem 2.1.1974 (Bek. vom 15.8.1974, BGBl. II S. 1211), das Übereinkommen von 1971 seit dem 2.3.1978 (Bek. vom 31.8.1978, BGBl. II S. 1239) und das Übereinkommen von 1988 seit dem 28.2.1994 (Bek. vom 28.2.1994, BGBl. II S. 496).
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Sachlichrechtlich tragen die Straftatbestände des BtMG i.d.F. der Bek. vom 1.3.1994 (BGBl. I S. 358) den Übereinkommen Rechnung, die - wie namentlich das Übereinkommen von 1988 - umfassende Kataloge von Handlungen vorsehen, die die Vertragsstaaten unter Strafe stellen und mit angemessenen Sanktionen bedrohen müssen (vgl. Art. 3 Übk. 1988).
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Nach den Übereinkommen von 1961 und 1971 ist die Bundesrepublik ferner in bestimmten Fällen zur Strafverfolgung verpflichtet; bei Inlandstaten gilt dies unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Täters, bei Auslandstaten dann, wenn der noch nicht verfolgte und verurteilte Beschuldigte im Inland betroffen und nicht ausgeliefert wird (Art. 36 Abs. 2 Buchst, a Ziff. iv EinhÜbk. 1961, Art. 22 Abs. 2 Buchst, a Ziff. iv Übk. 1971).
104
Das Übereinkommen von 1988 differenziert weiter: Es schreibt den Vertragsstaaten die Begründung eigener Gerichtsbarkeit zwingend vor über Inlandstaten und über Taten an Bord eines inländischen Schiffs oder Luftfahrzeugs (Art. 4 Abs. 1 Buchst, a); ferner, wenn sich der Beschuldigte im Inland befindet und nicht ausgeliefert wird, weil er die Tat im Inland oder an Bord eines inländischen Schiffs oder Luftfahrzeugs begangen hat (Art. 4 Abs. 2 Buchst, a Ziff. i) oder weil er Inländer ist (Art. 4 Abs. 2 Buchst, a Ziff. ii). Die Ausübung eigener Gerichtsbarkeit wird, soweit sie nicht vorgeschrieben ist, nach Ermessen zugelassen: bei Taten von Inländern und bei Ausländern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (Art. 4 Abs. 1 Buchst, b Ziff. i); unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen, wenn die Tat an Bord eines fremden Schiffes begangen wird (Art. 4 Abs. 1 Buchst, b Ziff. ii); bei Teilnahme an einer Inlandstat vom Ausland her (Art. 4 Abs. 1 Buchst, b Ziff. iii) sowie für den Fall, dass der im Inland befindliche Beschuldigte nicht an eine andere Vertragspartei ausgeliefert wird (Art. 4 Abs. 2 Buchst, b).
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Der Sinn der Unterscheidungen kann an dieser Stelle nicht im Einzelnen erläutert werden. Sie verlieren einen Teil ihrer möglichen Bedeutung dadurch, dass alle Abkommen als Grundsatz hervorheben: Auch für die Gerichtsbarkeit sei das innerstaatliche Recht maßgebend (Art. 36 Abs. 4 EinhÜbk. 1961); das Übereinkommen schließe die Ausübung einer Strafgerichtsbarkeit nicht aus, die von einer Vertragspartei (nur) nach innerstaatlichem Recht begründet ist (Art. 36 Abs. 3 EinhÜbk. 1961, Art. 2 2 Abs. 3 Übk. 1971, Art. 4 Abs. 3 Übk. 1988).
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Das deutsche Strafanwendungsrecht genügt den völkerrechtlichen Anforderungen auf dem Betäubungsmittelsektor mit den §§ 3, 4, 6 Nr. 5 und § 7. Dem BGH (BGHSt 34 334, 336; 2 7 30, 32) ist darin zu folgen, dass das Völkerrecht die Anwendung des Universalitätsprinzips (Rdn. 2 3 7 ff) auf den unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln nicht verlangt (hierzu § 6 Rdn. 79 f). Nach Inkrafttreten des Übereinkommens von 1988 gilt aber mehr denn je, dass die Völkergemeinschaft an einer wirksamen Bekämpfung der
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Strafanwendungsrecht
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Betäubungsmittelkriminalität ein erhebliches Interesse hat (vgl. Art. 2 Abs. 1 Übk. 1988) und Bemühungen auf diesem Gebiet grundsätzlich nicht deshalb beanstandet, weil ein Vertragsstaat mehr als das ihm vorgeschriebene Minimum tut. Doch haben die Vertragsparteien ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen in einer Weise zu erfüllen, die mit den Grundsätzen der souveränen Gleichheit und territorialen Unversehrtheit der Staaten sowie der Nichteinmischung in fremde innere Angelegenheiten vereinbar ist (vgl. Art. 2 Abs. 2 und 3 Übk. 1988; BGHSt 34 334, 336, 338 ff; 27 30, 32). g) Straftaten gegen die Sicherheit der zivilen Luftfahrt. 73 Einschlägig sind: Abkommen über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen vom 14.9.1963 - Tokioter Abkommen (BGBl. 1969 II S. 123); 74 G zu dem Abkommen vom 14.9.1963 über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen, vom 4.2.1969 (BGBl. II S. 121); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Abkommens, vom 4.5.1970 (BGBl. II S. 276); Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Inbesitznahme von Luftfahrzeugen vom 16.12.1970 Haager Übereinkommen (BGBl. 1972 II S. 1506); G zu dem Übereinkommen vom 16.12.1970 zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen, vom 6.11.1972 (BGBl. II S. 1505); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens, vom 8.5.1975 (BGBl. II S. 1204); Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt vom 23.9.1971 - Montrealer Übereinkommen (BGBl. 1977 II S. 1230); G zu dem Übereinkommen vom 23.9.1971 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt, vom 8.12.1977 (BGBl. II S. 1229); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens, vom 6.3.1978 (BGBl. II S. 314); Protokoll vom 24.2.1988 zur Bekämpfung widerrechtlicher gewalttätiger Handlungen auf Flughäfen, die der internationalen Zivilluftfahrt dienen, in Ergänzung des Montrealer Übereinkommens vom 23.9.1971 (BGBl. 1993 II S. 867); G zu dem Protokoll vom 24.2.1988 zur Bekämpfung widerrechtlicher, gewalttätiger Handlungen auf Flughäfen, die der internationalen Zivilluftfahrt dienen, vom 9.6.1993 (BGBl. II S. 866); Berichtigung vom 3.5.1994 (BGBl. II S. 620); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Protokolls vom 24.2.1988, vom 9.12.1994 (BGBl. 1995 II S. 30).
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Diese Abkommen haben zum Ziel, weltweit die Bestrafung von Gewalttaten gegen den Zivilluftverkehr sicherzustellen und dadurch zugleich mögliche Täter von solchen Taten abzuschrecken. 75 Das Tokioter Abkommen von 1963 regelt die Frage, welchem Staat die Gerichtsbarkeit bei strafbaren Handlungen zustehen soll, die an Bord eines Zivilluftfahrzeuges während des Fluges (Art. 1) begangen werden. Erfasst sind dabei neben „Zuwiderhandlungen gegen das Strafgesetzbuch" insbesondere auch Taten der Luftpiraterie. Dieser Begriff umfasst die gewaltsame Entführung eines Luftfahrzeugs und ähnliche Fälle, in denen eine Person an Bord widerrechtlich mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Herrschaft über ein im Flug befindliches Luftfahrzeug ausübt (Art. 11 Abs. 1).
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Das Abkommen erklärt den Staat zur Verfolgung für zuständig, bei dem das Luftfahrzeug eingetragen ist (Art. 3 Abs. 1): Jeder Vertragsstaat ist verpflichtet, seine Gerichtsbarkeit über Taten zu begründen, die an Bord eines bei ihm registrierten Flugzeuges begangen werden (Art. 3 Abs. 2). Doch wird dadurch eine Strafgerichtsbarkeit eines anderen Vertragsstaates nicht ausgeschlossen, die nach nationalem Recht ausgeübt wird
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Vgl. Jescheck GA 1981 49, 65 ff. Dazu Oehler Rdn. 491 ff.
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Grützner/Pötz III L 1 Rdn. 1; III L 2 Rdn. 1, 2; III L 3 Rdn. 1, 2.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
(Art. 3 Abs. 3), mag sie auch in bestimmter Weise eingeschränkt sein (Art. 4). Ziel der Regelung ist es, Lücken bei der Strafverfolgung zu schließen und Kompetenzkonflikte zwischen den beteiligten Staaten zu vermeiden. 76 Das Haager Ubereinkommen von 1970 soll die Strafverfolgung von Flugzeugentführern im Vergleich zum Tokioter Abkommen verbessern. Die Flugzeugentführung (d.h. die widerrechtliche Inbesitznahme oder Beherrschung eines im Flug befindlichen zivilen Luftfahrzeugs) wird, auch in der Form des Versuchs oder der Beteiligung, zur strafbaren Handlung erklärt (Art. 1, Art. 3 Abs. 1 und 2), welche die Vertragsstaaten mit schweren Strafen zu bedrohen haben (Art. 2). Die Vertragsstaaten verpflichten sich, in den folgenden Fällen eigene Gerichtsbarkeit über die strafbaren Handlungen zu begründen: wenn das Luftfahrzeug bei ihnen eingetragen (registriert) ist (Art. 4 Abs. 1 Buchst, a), wenn es mit dem Verdächtigen an Bord in ihrem Hoheitsgebiet landet (Art. 4 Abs. 1 Buchst, b) oder wenn der Verdächtige sich in ihrem Hoheitsgebiet befindet und nicht ausgeliefert wird (Art. 4 Abs. 2), ohne dass durch diese Regelung eine andere Zuständigkeit ausgeschlossen würde, die (nur) nach nationalem Recht ausgeübt wird (Art. 4 Abs. 3). Der Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Beschuldigte betroffen wird, ist (wenn der Vertragsstaat nicht ausliefert) verpflichtet, den Fall „ohne irgendeine Ausnahme und unabhängig davon, ob die strafbare Handlung in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde, seinen zuständigen Behörden zum Zwecke der Strafverfolgung zu unterbreiten" (Art. 7 Satz 1). Die Verfolgungspflicht bezieht sich für den Vertragsstaat als Ergreifungsstaat nach Art. 4 Abs. 2 nur auf die „strafbare Handlung" im Sinne des Art. 1, d.h. auf die Entführung des Luftfahrzeugs selbst. Nicht erfasst ist damit zum Beispiel die vorsätzliche Tötung eines Passagiers bei geöffneter Flugzeugtür nach der Landung (vgl. BGH NJW 1991 3104).
113
Das Montrealer Übereinkommen von 1971 ergänzt das Haager Übereinkommen. Es erfasst weitere Straftaten gegen den Zivilluftverkehr, insbesondere die Sabotage. 77 114 Das Übereinkommen erklärt zu Straftaten (einschließlich Versuch und Beteiligung) folgende Handlungen (Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 2): Gewaltanwendung gegen eine Person an Bord eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs, die geeignet ist, die Sicherheit dieses Luftfahrzeugs zu gefährden (Art. 1 Abs. 1 Buchst, a); Zerstörung oder erhebliche Beschädigung eines im Einsatz (Art. 2 Buchst, b) befindlichen Luftfahrzeugs (Art. 1 Abs. 1 Buchst, b); Verbringen einer „Vorrichtung" oder einer „anderen Sache" in ein solches Luftfahrzeug, die geeignet ist, es zu zerstören oder erheblich zu beschädigen (Art. 1 Abs. 1 Buchst, c); Sabotage an Flugzeugnavigationseinrichtungen, die geeignet ist, die Sicherheit eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs zu gefährden (Art. 1 Abs. 1 Buchst, d); die Abgabe wissentlich unrichtiger Angaben, wenn dadurch die Sicherheit eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs gefährdet wird (Art. 1 Abs. 1 Buchst, e). Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, diese strafbaren Handlungen mit schweren Strafen zu bedrohen (Art. 3). 115
Die Vertragsstaaten haben eigene Gerichtsbarkeit über diese Taten zu begründen (Art. 5). Das Montrealer Übereinkommen erweitert den Katalog obligatorischer Gerichtsbarkeiten des Haager Übereinkommens (Rdn. 112) um weitere Fälle. Danach ist jeder Vertragsstaat verpflichtet, seine Gerichtsbarkeit für den Fall zu begründen, dass die Tat in seinem Hoheitsgebiet (Art. 5 Abs. 1 Buchst, a) oder gegen ein bei ihm eingetragenes Luftfahrzeug (nicht also notwendig an dessen Bord) begangen wird (Art. 5 Abs. 1 Buchst, b). Wie beim Haager Übereinkommen (Rdn. 112) schließt auch hier die vereinbarte Zuständigkeit eine Strafgerichtsbarkeit nicht aus, die (nur) nach nationalem Recht
76
Grützner/Pötz
420
III L 1 R d n . 2.
77
Grützner/Pötz
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
III L 3 R d n . 2.
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
ausgeübt wird (Art. 5 Abs. 3). Die Pflicht zur Strafverfolgung nach Art. 7 entspricht der nach Art. 7 des Haager Übereinkommens (Rdn. 112). Das Montrealer Protokoll von 1988 erweitert den Katalog der strafbaren H a n d l u n gen, auf die sich das Übereinkommen von 1971 bezieht, und demgemäß auch die Zuständigkeitsregelung für die Strafverfolgung. Der Katalog der strafbaren Handlungen umfasst nun auch Terroranschläge gegen Personen auf Flughäfen, welche der internationalen Zivilluftfahrt dienen, sowie Terroranschläge auf Einrichtungen eines solchen Flughafens oder gegen Flugzeuge, die sich - außer Einsatz - auf ihm befinden (Art. 2); vgl. Borchmann N J W 1994 3057, 3063.
116
Z u r Strafverfolgung erklärt das Protokoll den Staat für zuständig, in dessen Hoheitsgebiet sich der Beschuldigte aufhält, ohne dass er ausgeliefert würde (Art. 3).
117
Für die Bundesrepublik Deutschland ist das Tokioter Abkommen am 16.3.1970 (Bek. vom 4.5.1970, BGBl. II S. 276) in Kraft getreten, das Haager Übereinkommen am 10.11.1974 (Bek. vom 8.8.1975, BGBl. II S. 1204), das Montrealer Übereinkommen am 5.3.1978 (Bek. vom 6.3.1978, BGBl. II S. 314) und das Montrealer Protokoll von 1988 am 25.5.1994 (Bek. vom 9.12.1994, BGBl. 1995 II S. 30).
118
Soweit sich die Bundesrepublik Deutschland in den Haager und Montrealer Übereinkommen verpflichtet hat, die bezeichneten internationalen Delikte nach deutschem Strafrecht mit schwerer Strafe zu bedrohen, genügt sie dem im Wesentlichen durch § 316c, der auch Angriffe gegen den Luftverkehr betrifft. 7 8 Das deutsche Strafanwendungsrecht ermöglicht eine ausreichende Verfolgung durch die §§ 3, 4, 6 N r n . 3 und 9 sowie § 7 Abs. 1 und 2 . 7 9
119
h) Betreiben eines „Piratensenders". Einschlägig sind: Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Rundfunksendungen, die von Sendestellen außerhalb der staatlichen Hoheitsgebiete gesendet werden, vom 22.1.1965 (BGBl. 1969 II S. 1940); 8 0 G zu dem Europäischen Übereinkommen vom 22.1.1965 zur Verhütung von R u n d f u n k s e n d u n g e n , die von Sendestellen außerhalb der staatlichen Hoheitsgebiete gesendet werden, vom 26.9.1969 (BGBl. II S. 1939); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens, vom 24.4.1970 (BGBl. II S. 258); Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (SeeRÜbk., Rdn. 94).
120
Das Europäische Übereinkommen von 1965 bezieht sich auf Rundfunksendestellen, die an Bord von See- oder Luftfahrzeugen oder anderen schwimmenden oder von der Luft getragenen Gegenständen errichtet oder betrieben werden. Voraussetzung ist, dass ihre außerhalb der staatlichen Hoheitsgebiete ausgestrahlten Sendungen ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei empfangen werden sollen oder können oder dass die Sendungen bei einem genehmigten Funkdienst schädliche Störungen verursachen (Art. 1).
121
Jede Vertragspartei verpflichtet sich, solche Sendestellen („Piratensender"), deren Betrieb sowie die wissentliche Mitwirkung daran als „Zuwiderhandlungen" zu verfolgen (Art. 2 Abs. 1). Was als „Mitwirkung" gilt, wird in Art. 2 Abs. 2 definiert, z.B. die Lieferung, Wartung oder Instandsetzung von Betriebsanlagen (Art. 2 Abs. 2 Buchst, a). Jede Vertragspartei ist gehalten, Zuwiderhandlungen sowohl eigener Staatsangehöriger als auch von Ausländern zu verfolgen (Art. 3). Sie darf den Kreis der möglichen Zuwiderhandlungen und der Normadressaten nach innerstaatlichem Recht erweitern und das
122
78
Einzelheiten bei Grützner/Pötz III L 2 Rdn. 2 a.E., III L 3 Rdn. 2.
79 80
Vgl. Jescheck GA 1981 49, 66. Vgl. Oehler Rdn. 441.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
421
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Übereinkommen auch auf Rundfunksendestellen anwenden, „die auf Gegenständen errichtet oder betrieben werden, welche auf dem Meeresgrund befestigt sind oder darauf ruhen", wie Plattformen oder künstliche Inseln (Art. 4); zum Ganzen Oehler Piratensender. 123
Das Übereinkommen ist für die Bundesrepublik Deutschland am 28.2.1970 in Kraft getreten (Bek. vom 24.4.1970, BGBl. II S. 258). Das Zustimmungsgesetz vom 26.9.1969 (BGBl. II S. 1939) i.d.F. des Art. 263 EGStGB vom 2.3.1974 (BGBl. I S. 469, 623) sieht für Zuwiderhandlungen (Errichten oder Betreiben einer Rundfunksendestelle, Bestellung oder Durchführung einer Sendung bei einer solchen Stelle) als Vergehen Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor, sofern die Tat nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FernmG mit schwerer Strafe bedroht ist (Art. 2 Abs. 1). Für Auslandstaten gilt das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts (Art. 4).
124
Das SeeRÜbk. sieht eine Zusammenarbeit aller Staaten bei der Bekämpfung nicht genehmigter Rundfunksendungen von der hohen See aus vor (Art. 109 Abs. 1).
125
Im Sinne dieses Übereinkommens bedeuten „nicht genehmigte Rundfunksendungen" die Übertragung von Hörfunk- oder Fernsehsendungen zum Empfang durch die Allgemeinheit von einem Schiff oder einer Anlage auf hoher See aus unter Verletzung internationaler Vorschriften (Art. 109 Abs. 2). Wer solche Sendungen verbreitet, darf von den folgenden Staaten gerichtlich verfolgt werden: vom Flaggenstaat des Schiffes; vom Registerstaat der Anlage; von dem Staat, dessen Angehöriger der Beschuldigte ist; von jedem Staat, in dem die Sendungen empfangen werden können, sowie von jedem Staat, in dem genehmigte Funkverbindungen dadurch gestört werden (Art. 109 Abs. 3).
126
Das SeeRÜbk. ist für die Bundesrepublik Deutschland am 16.11.1994 in Kraft getreten. Als Straftatbestand kommt § 15 FernmG in Betracht. Da nach diesem Übereinkommen keine völkerrechtliche Verpflichtung besteht, einschlägige Taten zu verfolgen, greift § 6 Nr. 9 insoweit nicht ein.
127
i) Straftaten gegen Diplomaten und sonstige völkerrechtlich geschützte Personen.81 Einschlägig sind: Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschließlich Diplomaten (Diplomatenschutzkonvention) vom 14.12.1973 (BGBl. 1976 II S. 1746); G zu dem Übereinkommen vom 14.12.1973 über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschließlich Diplomaten (Diplomatenschutzkonvention), vom 26.10.1976 (BGBl. II S. 1745); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens, vom 31.5.1977 (BGBl. II S. 568).
128
Das Übereinkommen soll der weltweiten Verfolgung von terroristischen Anschlägen gegen Diplomaten und andere völkerrechtlich geschützte Personen dienen und dadurch zugleich potenzielle Täter abschrecken. Wegen der Zunahme einschlägiger Taten war es notwendig geworden, diesen Teilbereich des Terrorismus zum Gegenstand eines besonderen Übereinkommens zu machen. 8 2
129
Der geschützte Personenkreis umfasst Staatsoberhäupter, Regierungschefs, Außenminister und Diplomaten, wenn sie sich in einem fremden Staat aufhalten, sowie sie begleitende Familienmitglieder (Art. 1 Abs. 1). Die Konvention betrifft vorsätzliche Angriffe gegen Leben, Leib, Freiheit, Diensträume, Privatwohnungen und Beförderungsmittel des genannten Personenkreises einschließlich Versuch, Teilnahme und Bedrohung mit einem solchen Angriff (Art. 2 Abs. 1). Jeder Vertragsstaat hat derartige Taten mit Strafen zu bedrohen, die ihrer Schwere angemessen sind (Art. 2 Abs. 2). 81
Vgl. hierzu Jescheck GA 1981 49, 61 ff.
422
82
Grützner/Pötz
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
III D 1 Rdn. 2.
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Jeder Vertragsstaat ist verpflichtet, seine Gerichtsbarkeit für folgende Fälle zu begründen (Art. 3): wenn die Tat in seinem Hoheitsgebiet oder an Bord eines bei ihm eingetragenen Schiffs oder Luftfahrzeugs begangen wird; wenn der Verdächtige ein eigener Staatsangehöriger ist; wenn die Tat gegen eine geschützte Person begangen wird, die Aufgaben für den Vertragsstaat wahrnimmt, oder wenn sich der Verdächtige in seinem Hoheitsgebiet befindet und nicht (zur Verfolgung wegen der Tat) ausgeliefert wird (Art. 6 Abs. 1, Art. 7). Gemäß Art. 7 ist der Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Verdächtige befindet, verpflichtet, wenn der Verdächtige nicht ausgeliefert wird, den Fall ohne irgendeine Ausnahme und ohne unangemessene Verzögerung seinen zuständigen Behörden zum Zweck der Strafverfolgung zu unterbreiten.
130
Die Konvention ist am 2 4 . 2 . 1 9 7 7 für die Bundesrepublik in Kraft getreten 31.5.1977, BGBl. II S. 5 6 8 ) .
(Bek. vom
131
Nach deutschem Strafrecht können die bezeichneten Taten - je nach Lage des Falles unter eine Vielzahl in Betracht kommender Straftatbestände fallen, so unter §§ 102, 211, 212, 239, 2 3 9 a , 2 3 9 b und 241. Die Geltung deutschen Rechts (und damit zugleich die Zuständigkeit der deutschen Gerichte) kann sich je nach den näheren Umständen aus den §§ 3, 4 , 5 Nr. 14, 6 Nr. 9 oder aus S 7 Abs. 1 oder 2 ergeben.
132
j) Terrorismus. Einschlägig sind: Europäisches Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus (EuTerrÜbk.) vom 27.1.1977 (BGBl. 1978 II S. 322); G zu dem Europäischen Übereinkommen vom 27.1.1977 zur Bekämpfung des Terrorismus, vom 28.3.1978 (BGBl. II S. 321); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens, vom 8.6.1978 (BGBl. II S. 9 0 7 ) ; Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge (IntTerrBombÜbk.) vom 15.12.1997 (BGBl. 2 0 0 2 II S. 2 5 0 7 ) ; G zu dem Internationalen Übereinkommen vom 15.12.1997 zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge, vom 5 . 1 0 . 2 0 0 2 (BGBl. II S. 2 5 0 6 ) ; Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus (IntFinTerrÜbk.) vom 9 . 1 2 . 1 9 9 9 (BGBl. 2 0 0 3 II S. 1923); G zu dem Internationalen Übereinkommen vom 9.12.1999 zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, vom 19.12.2003 (BGBl. 2 0 0 3 II S. 1922); Rahmenbeschluss des Rates vom 1 3 . 6 . 2 0 0 2 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. 2 0 0 2 L 164, S. 3 ff).
133
Das Europäische Ubereinkommen von 1 9 7 7 will die Verfolgung terroristischer Taten insbesondere dadurch verbessern, dass es sie aus dem Bereich der politischen Straftaten oder politischen Zusammenhangstaten herausnimmt, derentwegen eine Auslieferung nach bestehenden zwei- oder mehrseitigen Auslieferungsverträgen nicht möglich ist; ferner werden die Vertragsstaaten unter bestimmten Voraussetzungen zur Ausübung eigener Gerichtsbarkeit verpflichtet. 8 3
134
Das Übereinkommen betrifft nach Art. 1 Straftaten (einschließlich Versuch und Teilnähme) im Sinne des Haager Übereinkommens vom 1 6 . 1 2 . 1 9 7 0 (Rdn. 107, 111 f ) und des Montrealer Übereinkommens vom 23.9.1971 (Rdn. 107, 113 f); schwere Straftaten, die in einem Angriff auf das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit völkerrechtlich geschützter Personen einschließlich Diplomaten bestehen; 8 4 Entführung, Geiselnahme und schwere widerrechtliche Freiheitsentziehung; ferner Straftaten, bei deren Begehung eine Bombe, eine Handgranate, eine Rakete, eine automatische Schusswaffe oder eine Sprengstoffsendung verwendet wird, wenn dadurch Personen gefährdet werden.
135
83
Grützner/Pötz III 8, S. 4; Gusy NJW 197 8 1717.
84
Vgl. die Diplomatenschutzkonvention vom 14.12.1973, Vor § 3 Rdn. 127.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
423
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
136
Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, eigene Gerichtsbarkeit für die genannten Straftaten nach Art. 1 des Übereinkommens zu begründen und den Fall ihren zuständigen Behörden zur Strafverfolgung zu unterbreiten, wenn sich der Verdächtige in ihrem Hoheitsgebiet befindet und sie ihn nach Eingang eines Auslieferungsersuchens eines anderen Vertragsstaats unter bestimmten auslieferungsrechtlichen Voraussetzungen nicht ausliefern (Art. 6 und 7). Das Übereinkommen schließt eine weiterreichende Strafgerichtsbarkeit nicht aus, die allein nach innerstaatlichem Recht ausgeübt wird (Art. 6 Abs. 2).
137
Artikel 2 gibt den Vertragsstaaten ein Ermessen, bei anderen, nicht unter Artikel 1 fallenden schweren Gewalttaten gegen Personen (Absatz 1) oder Sachen (Absatz 2) die Auslieferung auch dann zu bewilligen, wenn sie nach den auslieferungsrechtlichen Vereinbarungen sonst wegen des politischen Charakters der Straftat hätte abgelehnt werden müssen. 85 Nach dem Gesetz vom 28.3.1978 (Rdn. 133) ist die Auslieferung gemäß Artikel 2 des Übereinkommens in der Regel zulässig, wenn die Tat den Tod oder eine schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) des Opfers verursacht, wenn sie das Leben oder die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen gefährdet oder wenn sie grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln begangen wird.
138
Das Übereinkommen ist am 4.8.1978 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten (Bek. vom 8.6.1978, BGBl. II S. 907). 86 Wegen der Straftatbestände, die bei seiner Anwendung in Betracht kommen können, wird auf die Randnummern 119 und 135 verwiesen. Die Geltung des deutschen Strafrechts für einschlägige Auslandstaten kann sich aus den §§ 4, 6 Nr. 3 und § 7 Abs. 2 ergeben. Zu § 6 Nr. 9 siehe dort.
139
Das Internationale Übereinkommen von 1997, das am 23.5.2003 für die Bundesrepublik in Kraft getreten ist, verpflichtet die Vertragsstaaten, die folgenden Taten (einschließlich Versuch und Beteiligung, Art. 2 Abs. 2 und 3) als Straftaten einzustufen und mit angemessenen Strafen zu bedrohen (Art. 4): Beförderung eines Sprengsatzes oder einer anderen tödlichen Vorrichtung zu einem öffentlichen Ort, einer staatlichen oder öffentlichen Einrichtung, einem öffentlichen Verkehrssystem oder einer Versorgungseinrichtung oder In-Anschlag-Bringen, Auslösen oder Zur-Explosion-Bringen einer solchen Vorrichtung an einem der genannten Orte (Art. 2 Abs. 1). Voraussetzung ist, dass der Täter in der Absicht handelt, den Tod oder eine schwere Körperverletzung zu verursachen oder die weitgehende Zerstörung des betroffenen Ortes herbeizuführen, wenn diese zu einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden führen kann. Keine Anwendung findet das Übereinkommen auf einschlägige Straftaten, die keine Auslandsberührung aufweisen (Art. 3).
140
Jeder Vertragsstaat ist verpflichtet, seine Gerichtsbarkeit über die genannten Straftaten in den folgenden Fällen zu begründen: wenn die Tat in seinem Hoheitsgebiet begangen wird (Art. 6 Abs. 1 Buchst, a); wenn die Tat an Bord eines Schiffes oder Luftfahrzeugs begangen wird, das im Vertragsstaat registriert ist (Art. 6 Abs. 1 Buchst, b); wenn der Täter ein Staatsangehöriger des Vertragsstaates ist (Art. 6 Abs. 1 Buchst, c); wenn der Täter sich im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates befindet und nicht an einen anderen Vertragsstaat ausgeliefert wird (Art. 6 Abs. 4).
141
Jeder Vertragsstaat kann darüber hinaus seine Gerichtsbarkeit in den folgenden Fällen begründen: wenn die Tat gegen einen Staatsangehörigen des Vertragstsaates begangen wird (Art. 6 Abs. 2 Buchst, a); wenn die Tat gegen eine Einrichtung des Vertragsstaates im Ausland begangen wird (Art. 6 Abs. 2 Buchst, b); wenn die Tat von einem Staatenlosen begangen wird, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Vertragsstaat hat (Art. 6 Abs. 2 Buchst, c); wenn die Tat in der Absicht begangen wird, den Vertragsstaat zu
85
Grützner/Fötz
424
III 8, S. 13 Fußn. 13.
86
Grützner/Pötz
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
III 8 Rdn. 1.
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
einem Tun oder Unterlassen zu nötigen (Art. 6 Abs. 2 Buchst, d); w e n n die T a t an B o r d eines Luftfahrzeuges begangen wird, das von der Regierung des Vertragsstaates betrieben wird (Art. 6 Abs. 2 Buchst, e). D a r ü b e r hinaus schließt das Ü b e r e i n k o m m e n nicht die Ausübung einer Strafgerichtsbarkeit aus, die von einem Vertragsstaat nach seinem innerstaatlichen R e c h t begründet ist (Art. 6 Abs. 5). Beansprucht m e h r als ein Staat die Gerichtsbarkeit über eine Tat, sind die betroffenen Vertragsstaaten gehalten, sich u m die K o o r d i n a t i o n ihrer V e r f o l g u n g s m a ß n a h m e n zu b e m ü h e n (Art. 7 Abs. 5 ) . Befindet sich der Verdächtige im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates, so ist dieser, wenn er den Verdächtigen nicht ausliefert, in den Fällen des Art. 6 verpflichtet, den Fall o h n e irgendeine A u s n a h m e und unabhängig davon, o b die Tat in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde, seinen zuständigen Behörden z u m Z w e c k der Strafverfolgung zu unterbreiten (Art. 8 Abs. 1; A u s n a h m e bei Art. 8 A b s . 2 ) .
142
D a s Internationale Übereinkommen von 1 9 9 9 verpflichtet die Vertragsstaaten, das Sammeln und Zur-Verfügung-Stellen von finanziellen M i t t e l n , in der A b s i c h t oder in Kenntnis davon, dass diese zur Begehung terroristischer Straftaten verwendet werden (Art. 2 ) , in ihrem innerstaatlichen R e c h t als Straftaten einzustufen und mit angemessenen Strafen zu bedrohen (Art. 4 ) .
143
Die Bestimmungen betreffend die Begründung und Ausübung von G e r i c h t s b a r k e i t über die genannten Taten entsprechen im Wesentlichen denjenigen des A b k o m m e n s von 1 9 9 7 (Rdn. 1 4 0 ) , vgl. Art. 7. D a s Gleiche gilt für die R e i c h w e i t e der Verfolgungspflicht (Art. 10).
144
(Noch) nicht ratifiziert h a t Deutschland das Internationale Ü b e r e i n k o m m e n zur Bekämpfung des nuklearen Terrorismus vom 1 3 . 4 . 2 0 0 5 ( I L M 4 4 [ 2 0 0 5 ] 8 1 5 ) sowie die Convention o n the Physical Protection o f N u c l e a r M a t e r i a l vom 2 6 . 1 0 . 1 9 7 9 8 7 .
145
D e r Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung von 2 0 0 2 zielt a u f die Angleichung der Definitionen terroristischer Straftaten in den Mitgliedstaaten der E U und die Festlegung gerichtlicher Zuständigkeiten, u m auf diese Weise die w i r k s a m e Verfolgung terroristischer Straftaten sicherzustellen.
146
N a c h Art. 1 Abs. 1 müssen die Mitgliedstaaten bestimmte, in Buchst, a bis i genannte Handlungen als terroristische Straftaten einstufen, wenn diese mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung einzuschüchtern, öffentliche Stellen zu nötigen oder die G r u n d strukturen eines Landes oder einer internationalen O r g a n i s a t i o n zu zerstören. Die Art. 2 und 3 geben den Mitgliedstaaten ferner auf, bestimmte Straftaten im Z u s a m m e n h a n g mit einer terroristischen Vereinigung oder mit terroristischen Aktivitäten unter Strafe zu stellen. Taten nach den Art. 1 bis 4 sind mit w i r k s a m e n , angemessenen und a b s c h r e c k e n den Strafen zu bedrohen (Art. 5). Z u r U m s e t z u n g des R a h m e n b e s c h l u s s e s in deutsches R e c h t siehe R d n . 2 0 5 .
147
Art. 9 des Rahmenbeschlusses enthält einen umfangreichen K a t a l o g von Fällen, in denen die Mitgliedstaaten ihre Gerichtsbarkeit in Bezug auf einschlägige T a t e n begründen müssen oder k ö n n e n . D a n a c h muss jeder Mitgliedstaat in den folgenden Fällen seine Gerichtsbarkeit begründen: wenn die Tat in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde (Abs. 1 Buchst, a Satz 1); wenn die Tat an B o r d eines im Inland registrierten Schiffes oder Flugzeugs begangen wurde (Abs. 1 Buchst, b); wenn der T ä t e r Staatsangehöriger oder Gebietsansässiger dieses Mitgliedstaates ist (Abs. 1 Buchst, c); wenn die T a t zu G u n s t e n einer juristischen Person mit Sitz in seinem Hoheitsgebiet begangen w u r d e (Abs. 1
148
87
Abgedruckt in Van den Van Daele S. 509.
Wyngaert/Stessens/
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Buchst, d); wenn die Tat gegen seine Institutionen oder seine Bevölkerung oder gegen ein Organ der Europäischen Union oder eine gemäß EGV oder EUV geschaffene Einrichtung mit Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat begangen wurde (Abs. 1 Buchst, e). Ferner trifft jeden Mitgliedstaat die Verpflichtung, seine Gerichtsbarkeit für den Fall zu begründen, dass er die Überstellung oder Auslieferung eines Tatverdächtigen an einen anderen Mitgliedstaat oder Drittstaat ablehnt (Art. 9 Abs. 3). Schließlich kann jeder Mitgliedstaat seine Gerichtsbarkeit für den Fall begründen, dass die Tat im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates begangen wurde (Art. 9 Abs. 1 Buchst, a Satz 2). 149
Besonders hervorzuheben ist die Regelung in Art. 9 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses, die den Fall betrifft, dass mehreren Mitgliedstaaten die Gerichtsbarkeit über eine Tat zusteht (vgl. auch Rdn. 45 ff). Art. 9 Abs. 2 Satz 1 nennt das Ziel, „die Strafverfolgung nach Möglichkeit in einem einzigen Mitgliedstaat zu konzentrieren", das durch die Zusammenarbeit der betreffenden Mitgliedstaaten und gegebenenfalls unter Einschaltung von Eurojust erreicht werden soll. Art. 9 Abs. 2 Satz 3 bestimmt, dass „nacheinander [...] den folgenden Anknüpfungspunkten Rechnung getragen [werden soll]": In erster Linie soll derjenige Mitgliedstaat die Gerichtsbarkeit ausüben, in dessen Hoheitsgebiet die Straftat begangen wurde; in zweiter Linie derjenige, dessen Staatsangehörigkeit der Täter besitzt oder in dem dieser gebietsansässig ist; in dritter Linie der Mitgliedstaat, aus dem die Opfer stammen; und schließlich derjenige, auf dessen Gebiet der Täter ergriffen wurde.
150
k) Geiselnahme. 88 Einschlägig sind: Internationales Übereinkommen gegen Geiselnahme (Geiselnahmekonvention) vom 18.12.1979 (BGBl. 1980 II S. 1361); G zu dem Internationalen Übereinkommen vom 18.12.1979 gegen Geiselnahme, vom 15.10.1980 (BGBl. II S. 1361); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens, vom 23.6.1983 (BGBl. II S. 461).
151
Die Konvention enthält ein lückenloses (völkerrechtliches) Verbot jeder Art von Geiselnahme ohne Rücksicht auf das Motiv und die Person des Täters und des Opfers. Sie verpflichtet die Vertragsstaaten, jeden Geiselnehmer (bei Taten mit Auslandsberührung, vgl. Art. 13) ohne Ausnahme entweder auszuliefern oder selbst strafrechtlich zu verfolgen. Zur Einschränkung des Anwendungsbereichs der Konvention bei Geiselnahme im Rahmen bewaffneter Konflikte siehe Art. 12 sowie Grützner/Pötz III G 1 S. 25 Fußn. 17.
152
Geiselnahme im Sinne des Übereinkommens begeht, wer eine andere Person („Geisel") in seine Gewalt bringt oder in seiner Gewalt hält und mit dem Tod, mit Körperverletzung oder mit der Fortdauer der Freiheitsentziehung für diese Person droht, um einen Dritten (einen Staat, eine internationale zwischenstaatliche Organisation, eine natürliche oder juristische Person oder eine Gruppe von Personen) zu einem Tun oder Unterlassen als ausdrückliche oder stillschweigende Voraussetzung für die Freigabe der Geisel zu nötigen (Art. 1 Abs. 1). Unter die Konvention fallen auch der Versuch und die Beteiligung (Art. 1 Abs. 2).
153
Jeder Vertragsstaat ist gehalten, solche Taten mit einer angemessenen Strafe zu bedrohen (Art. 2). Er ist auch verpflichtet, seine Gerichtsbarkeit für folgende Fälle zu begründen: wenn die Tat in seinem Hoheitsgebiet oder an Bord eines bei ihm eingetragenen Schiffes oder Luftfahrzeugs (Art. 5 Abs. 1 Buchst, a), von einem seiner Staatsangehörigen (Art. 5 Abs. 1 Buchst, b erste Alternative) oder deshalb begangen wird, um ihn zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen (Art. 5 Abs. 1 Buchst, c). Eine Pflicht zur Begründung eigener Gerichtsbarkeit besteht ferner dann, wenn sich der Verdächtige im Hoheitsgebiet
88
Hierzu Jescheck GA 1981 49, 64 f.
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Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
des betreffenden Vertragsstaates befindet und nicht an einen nach Art. 5 Abs. 1 zuständigen Vertragsstaat ausgeliefert wird (Art. 5 Abs. 2, Art. 8). Ergänzt werden die genannten zwingenden Bestimmungen zum Geltungsbereich des Strafrechts der Vertragsstaaten durch weitere fakultative Regelungen. Sofern ein Vertragsstaat es für angebracht hält, kann er seine Gerichtsbarkeit auch für Auslandstaten von Staatenlosen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet haben (Art. 5 Abs. 1 Buchst, b zweite Alternative), und für Taten begründen, die in Bezug auf eine Geisel begangen wurden, die Staatsangehörige dieses Staates ist (Art. 5 Abs. 1 Buchst, d). Die Konvention schließt nicht aus, dass das innerstaatliche Recht eine weitergehende Strafgerichtsbarkeit vorsieht (Art. 5 Abs. 3).
154
Wird der Verdächtige nicht ausgeliefert, begründet das Übereinkommen ferner die Pflicht des Ergreifungsstaates, den Fall den zuständigen Behörden zum Zwecke der Strafverfolgung zu unterbreiten, unabhängig davon, ob die Tat in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde (Art. 8 Abs. 1 Satz 1).
155
Die Geiselnahmekonvention ist für die Bundesrepublik Deutschland am 3.6.1983 in Kraft getreten (Bek. vom 23.6.1983, BGBl. II S. 461). Die von ihr erfassten Taten können im Rahmen eines „Dreipersonenverhältnisses" (Täter - Geisel - Dritter) die Straftatbestände der §§ 239a, 2 3 9 b erfüllen. 89 Die Zuständigkeit deutscher Gerichte für Auslandstaten ergibt sich - je nach den Umständen des Falles - aus den §§ 4, 6 Nr. 9 oder § 7.
156
1) Folter. Einschlägig sind: Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10.12. 1984 (Folterkonvention, BGBl. 1990 II S. 247); G zu dem VN-Übereinkommen vom 10.12.1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, vom 6.4.1990 (BGBl. II S. 246); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens, vom 9.2.1993 (BGBl. II S. 715).
157
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen soll die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten fördern.
158
Nach der Definition der Folterkonvention ist Folter jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zu einem der in Art. 1 Abs. 1 genannten Zwecke zugefügt werden, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren Einverständnis verursacht werden (Art. 1 Abs. 1). Außergewöhnliche Umstände wie Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand sind keine Rechtfertigung für Folter (Art. 2 Abs. 2). Das Gleiche gilt für Weisungen Vorgesetzter oder eines Trägers öffentlicher Gewalt (Art. 2 Abs. 3).
159
Der in der Folterkonvention niedergelegte menschenrechtliche Begriff der Folter und der - etwa in Art. 7 Abs. 1 Buchst, f IStGH-Statut zugrunde gelegte - (völker-)strafrechtliche Begriff der Folter sind nicht vollständig deckungsgleich; insbesondere setzt Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit abweichend von Art. 1 der Folterkonvention nicht voraus, dass die Schmerzzufügung einem bestimmten Zweck, etwa der Erlangung einer Aussage, dient; das Völkerrechtsverbrechen der Folter verlangt ferner nicht, dass der Täter in amtlicher Eigenschaft handelt; näher Werle Rdn. 693 ff.
160
Die Vertragsstaaten haben alle Folterhandlungen (einschließlich Versuch und Tatbeteiligung) für strafbar zu erklären und sie mit Strafen zu bedrohen, die der Tatschwere
161
89
Vgl. Jescheck GA 1981 49, 64.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
427
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
angemessen sind (Art. 4 ) . Sie sind verpflichtet, die Taten in eigener Zuständigkeit gerichtlich zu verfolgen (Art. 5). D i e eigene Gerichtsbarkeit ist obligatorisch in den Fällen des Art. 5 Abs. 1 und 2 , die denen des Art. 5 Abs. 1 Buchst, a, b erste Alternative und d sowie Abs. 2 der Geiselnahmekonvention (Rdn. 1 5 0 ) entsprechen (Rdn. 1 5 3 f ) . D o c h schließt das Ü b e r e i n k o m m e n eine weitergehende Strafgerichtsbarkeit nicht aus, die nach innerstaatlichem R e c h t ausgeübt wird (Art. 5 Abs. 3). Entsprechend Art. 8 Abs. 1 der Geiselnahmekonvention ist der Ergreifungsstaat unter bestimmten Umständen zur Strafverfolgung verpflichtet (Art. 7 Abs. 1). 162
Das Ü b e r e i n k o m m e n ist für die Bundesrepublik Deutschland g e m ä ß B e k a n n t m a chung v o m 9 . 2 . 1 9 9 3 ( B G B l . II S. 7 1 5 ) am 3 1 . 1 0 . 1 9 9 0 in Kraft getreten. Sachlichrechtlich genügt die Bundesrepublik ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen durch die § § 3 4 0 , 3 4 3 und - soweit diese Bestimmungen für Ausländer in ausländischen Diensten nicht gelten - durch die § § 2 2 3 ff. Foltertaten in bewaffneten Konflikten oder im R a h m e n eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung werden als Kriegsverbrechen (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 V S t G B ) bzw. als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 V S t G B ) erfasst. Für einschlägige Auslandstaten von Ausländern k a n n deutsches Strafrecht - je nach Lage des Falles - g e m ä ß § 6 Nr. 9 und § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 2 sowie g e m ä ß § 1 V S t G B gelten.
163
D a s Europäische Ü b e r e i n k o m m e n vom 2 6 . 1 1 . 1 9 8 7 zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (G v o m 2 9 . 1 1 . 1 9 8 9 , B G B l . II S. 9 4 6 ; B e k . v o m 2 3 . 5 . 1 9 9 0 , B G B l . II S. 4 9 1 ) sowie die Protokolle Nr. 1 und Nr. 2 v o m 4 . 1 1 . 1 9 9 3 zu diesem Ü b e r e i n k o m m e n (G v o m 1 7 . 7 . 1 9 9 6 , B G B l . II S. 1 1 1 4 ) haben keine strafrechtliche Bedeutung, sondern sollen durch Inspektionen eines internationalen K o n trollausschusses präventiven Z w e c k e n dienen ( G r ü t z n e r / P ö t z III 18 R d n . 3, 6).
164
m) Straftaten gegen die Umwelt, insbesondere die Meeresumwelt. Einschlägig sind: Seerechtsübereinkommen der Vereinten N a t i o n e n v o m 1 0 . 1 2 . 1 9 8 2 (Rdn. 9 4 ) ; Übereink o m m e n vom 2 8 . 7 . 1 9 9 4 zur Durchführung des Teils X I des Seerechtsübereinkommens der Vereinten N a t i o n e n v o m 1 0 . 1 2 . 1 9 8 2 ( B G B l . 1 9 9 4 II S. 2 5 6 6 ) ; G zur Ausführung des Seer e c h t s ü b e r e i n k o m m e n s der Vereinten N a t i o n e n v o m 1 0 . 1 2 . 1 9 8 2 sowie des Ü b e r e i n k o m mens vom 2 8 . 7 . 1 9 9 4 zur Durchführung des Teils X I des Seerechtsübereinkommens (Ausführungsgesetz Seerechtsübereinkommen 1 9 8 2 / 1 9 9 4 ) , v o m 6 . 6 . 1 9 9 5 ( B G B l . I S. 7 7 8 ) . Siehe ferner Art. 8 und 9 des Rahmenbeschlusses des Rates v o m 2 7 . 1 . 2 0 0 3 über den Schutz der U m w e l t durch das Strafrecht (AblEU 2 0 0 3 L 2 9 , S. 5 5 ff); dieser wurde v o m E u G H mit Urteil v o m 13. September 2 0 0 5 für nichtig erklärt (C-176/03 = J Z 2 0 0 6 3 0 7 m . A n m . Heger).
165
Dass eine heile Umwelt und namentlich eine gesunde Meeresumwelt ein bedeutendes internationales Rechtsgut darstellt, ergibt sich aus zahlreichen völkerrechtlichen Vereinbarungen der letzten Jahrzehnte, die ihrem Schutz d i e n e n . 9 0 Hier seien genannt:
166
Internationales Ü b e r e i n k o m m e n zur Verhütung der Verschmutzung der See durch Ö l v o m 1 2 . 5 . 1 9 5 4 ( B G B l . 1 9 5 6 II S. 3 8 1 ) , revidiert in den J a h r e n 1 9 6 2 ( B G B l . 1 9 6 4 II S. 7 4 9 ) , 1 9 6 9 und 1 9 7 1 ( B G B l . 1 9 7 8 II S. 1 4 9 3 , 1515), mit Gesetzen vom 2 1 . 3 . 1 9 5 6 ( B G B l . II S. 3 7 9 ) , 1 3 . 9 . 1 9 6 1 ( B G B l . II S. 1 5 9 5 ) , 2 6 . 6 . 1 9 6 4 ( B G B l . II S. 7 4 9 ) und 2 2 . 1 2 . 1 9 7 8 ( B G B l . II S. 1 4 9 3 ) ;
90
Zusf. zu den folgenden Abkommen Geiger S. 193 ff; zur Frage, ob und inwieweit die Schädigung der Umwelt ein Verbrechen
428
gegen das Völkerrecht darstellen kann: Tomuschat FS Rudolf, S. 105 ff.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Internationales Übereinkommen über Maßnahmen auf hoher See bei Ölverschmutzungs-Unfällen vom 29.11.1969 (BGBl. 1975 II S. 139) mit Gesetz vom 27.1.1975 (BGBl. II S. 137) und Bekanntmachung vom 6.8.1975 (BGBl. II S. 1196);
167
Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen durch Schiffe und Luftfahrzeuge vom 15.2.1972 (BGBl. 1977 II S. 169) sowie Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen vom 29.12.1972 (BGBl. 1977 II S. 180) mit G vom 11.2.1977 (BGBl. II S. 165) sowie Bekanntmachungen vom 21.12.1977 (BGBl. II S. 1492) und 22.1.1979 (BGBl. II S. 273); Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen durch Schiffe und Luftfahrzeuge, vom 2.3.1983 (BGBl. 1986 II S. 999) mit G vom 21.11.1986 (BGBl. II S. 998) und Bekanntmachung vom 20.9.1989 (BGBl. II S. 789);
168
Internationales Abkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe vom 2.11.1973 (BGBl. 1982 II S. 4) und Protokoll vom 17.2.1978 (BGBl. 1982 II S. 24) mit G vom 23.12.1981 (BGBl. II S. 2) sowie Bekanntmachungen vom 19.9.1983 (BGBl. II S. 632), 29.3.1989 (BGBl. II S. 398) und 5.1.1994 (BGBl. II S. 252); Bekanntmachung der Neufassung der amtlichen deutschen Übersetzung des internationalen Übereinkommens von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und des Protokolls von 1978 zu diesem Übereinkommen, vom 12.3.1996 (BGBl. II S. 399); Verordnung über die Inkraftsetzung von Änderungen internationaler Vorschriften über den Umweltschutz im Seeverkehr (Inkraftsetzungsverordnung Umweltschutz-See) vom 19.6.1996 (BGBl. II S. 977);
169
Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus vom 4.6. 1974 (BGBl. 1981 II S. 871) mit G vom 18.9.1981 (BGBl. II S. 870) und Bekanntmachung vom 1.4.1982 (BGBl. II S. 445); Protokoll zur Änderung des Übereinkommens, vom 26.3.1986 mit G vom 21.2.1989 (BGBl. II S. 170) und Bekanntmachung vom 30.7.1990 (BGBl. II S. 808). Dieses Übereinkommen wird im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien durch das Übereinkommen vom 22.9.1992 zum Schutz der Meeresumwelt des Nordatlantiks ersetzt (BGBl. 1994 II S. 1355, 1360).
170
Übereinkommen zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Verschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe vom 13.9.1983 (BGBl. 1990 II S. 71), in Kraft seit dem 1.9.1989 (Bek. vom 12.12.1989, BGBl. 1990 II S. 70), mit Änderungen vom 22.9.1989, in Kraft seit dem 1.4.1994 (Bek. vom 17.1.1995, BGBl. II S. 179); Internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden (Haftungsübereinkommen von 1984) vom 25.5.1984 (BGBl. 1988 II S. 825) mit G vom 31.8.1988 (BGBl. II S. 705) und Bekanntmachung vom 8.9.1988 (BGBl. II S. 824).
171
Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets (Helsinki-Übereinkommen) vom 9.4.1992 (G vom 23.8.1994, BGBl. II S. 1355, 1397); siehe dazu Bochmann NJW 1995 2956, 2 9 6 2 f.
172
Auch Art. 192 SeeRÜbk. (Rdn. 94) verpflichtet die Staaten (und auch die Bundesrepublik), die Meeresumwelt zu schützen und zu bewahren. Das Übereinkommen überträgt ihnen die Aufgabe, im Einzelnen Vorschriften zu schaffen und durchzusetzen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresumwelt von Land aus, durch Tätigkeiten auf dem Meeresboden, durch Einbringen von Abfällen (dumping) durch Schiffe, aus der Luft und durch die Luft (Art. 2 0 7 ff, 213 ff SeeRÜbk.).
173
Dabei sind die Staaten im Rahmen einer komplizierten Zuständigkeitsregelung (Art. 213 ff ) auch befugt, Strafverfahren zu führen, dies unter näher bezeichneten Voraussetzungen selbst bei Gesetzesverstößen durch fremde Schiffe. Bestimmte Straftaten gegen
174
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
429
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
die Umwelt (§§ 3 2 4 , 3 2 6 , 3 3 0 und 3 3 0 a ) , begangen im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (§ 5 Rdn. 5 5 ff), bewertet das Gesetz allerdings so, als wären sie allein gegen inländische staatliche Interessen gerichtet (vgl. auch § 5 Rdn. 143 ff). Doch erweitert Art. 12 AusfGSeeRÜbk. den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts auch auf solche Taten, die von einem Schiff aus in der Nordsee oder Ostsee außerhalb der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in den eigenen Hoheitsgewässern oder in den Hoheitsgewässern eines anderen Staates begangen werden (siehe § 5 Entstehungsgeschichte). 175
Die auf europäischer Ebene zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt geschaffenen Rechtsinstrumente haben (noch) keine Wirksamkeit für die Bundesrepublik erlangt. Die Convention on the Protection of the Environment through Criminal Law des Europarates vom 4 . 1 1 . 1 9 9 8 (ETS Nr. 172) ist von Deutschland zwar gezeichnet, aber bislang nicht ratifiziert worden. Insofern haben die Regelungen zur Gerichtsbarkeit (Art. 5) auch keine Wirkungen auf das deutsche Strafanwendungsrecht. Der Rahmenbeschluss des Rates vom 2 7 . 1 . 2 0 0 3 über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht (AblEU 2 0 0 3 L 29, S. 55 ff) wurde vom E u G H mit Urteil vom 13. September 2 0 0 5 für nichtig erklärt (Rdn. 164), weil der R a t damit in die nach Art. 175 E G V der Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten übergegriffen habe; die Kommission hatte bereits zuvor einen Vorschlag für eine entsprechende Richtlinie vorgelegt (ABl. 2 0 0 1 C 180 E, S. 2 3 8 ff).
176
n) Straftaten gegen die Sicherheit der zivilen Seeschifffahrt. Einschlägig sind: Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt vom 1 0 . 3 . 1 9 8 8 (G vom 1 3 . 6 . 1 9 9 0 , BGBl. II S. 4 9 4 ; Bek. vom 1 6 . 6 . 1 9 9 2 , BGBl. II S. 5 2 6 ) ; Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit fester Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel befinden, vom 1 0 . 3 . 1 9 8 8 (G vom 1 3 . 6 . 1 9 9 0 , B G B l . II S. 4 9 4 , 5 0 8 ; Bek. vom 9 . 9 . 1 9 9 2 , BGBl. II S. 1061).
177
Die weltweite Eskalation terroristischer Gewalthandlungen ist einer der Gründe, die zu dem Übereinkommen von 1988 (Seeschifffahrtübereinkommen) und dessen Ergänzung durch das Protokoll geführt haben. Beide sind den Montrealer Vereinbarungen von 1971 und 1 9 8 8 (Rdn. 113 ff; 116) nachgebildet, die dem Schutz des zivilen Flugverkehrs dienen, und sollen so zur Sicherheit der Schifffahrt und auf See beitragen.
178
Das Übereinkommen gilt für Schiffe, die dem Verkehr dienen (Art. 2 Abs. 1 Buchst, c). „Schiffe" sind Wasserfahrzeuge jeder Art, die nicht dauerhaft am Meeresboden befestigt sind, einschließlich Unterwassergeräts und anderen schwimmenden Geräts (Art. 1). Das Übereinkommen gilt nur für zivile Schiffe, nicht für Kriegsschiffe (Art. 2 Abs. 1 Buchst, a) und andere Staatsschiffe im engeren Sinne (Art. 2 Abs. 1 Buchst, b). Geschützt wird die internationale Schifffahrt. Das Schiff muss also tatsächlich oder nach Fahrplan in Gewässer einfahren, Gewässer durchfahren oder aus Gewässern kommen, die jenseits der seewärtigen Grenze des Küstenmeeres (§ 3 Rdn. 41 ff) eines einzelnen Staates oder jenseits der seitlichen Grenzen seines Küstenmeers zu angrenzenden Staaten liegen (Art. 4 Abs. 1; Ausnahme: Art. 4 Abs. 2).
179
Die Vertragsstaaten verpflichten sich, folgende Straftaten (einschließlich Versuch und Beteiligung) mit angemessenen Strafen zu bedrohen (Art. 3, 5): Inbesitznahme eines Schiffes oder Ausübung der Herrschaft darüber durch Gewalt, Drohung mit Gewalt oder durch eine andere Form der Einschüchterung (Art. 3 Abs. 1 Buchst, a); Gewalttätigkeit gegen eine Person an Bord eines Schiffes, wenn dadurch dessen sichere Führung gefährdet werden kann (Art. 3 Abs. 1 Buchst, b); Zerstörung eines Schiffes oder Beschädigung von Schiff oder Ladung, wenn dadurch dessen sichere Führung gefährdet werden kann (Art. 3 Abs. 1 Buchst, c); Verbringen einer „Vorrichtung" oder einer anderen „Sache"
430
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
in ein Schiff, die geeignet ist, das Schiff zu zerstören oder so zu beschädigen, dass die sichere Führung gefährdet wird oder werden kann (Art. 3 Abs. 1 Buchst, d); Zerstörung oder sicherheitsgefährdende Beschädigung von Seenavigationseinrichtungen (Art. 3 Abs. 1 Buchst, e); die Abgabe wissentlich unrichtiger Angaben, wenn dadurch die sichere Führung eines Schiffes gefährdet wird (Art. 3 Abs. 1 Buchst, f ); Verletzung oder Tötung einer Person im Zusammenhang mit einer der genannten (u.U. nur versuchten) Taten (Art. 3 Abs. 1 Buchst, g). Jeder Vertragsstaat hat eigene Gerichtsbarkeit für die Taten zu begründen, wenn sie begangen werden: gegen ein Schiff oder an Bord eines Schiffes, das seine Flagge führt (Art. 6 Abs. 1 Buchst, a); in seinem Hoheitsgebiet einschließlich seines Küstenmeeres (Art. 6 Abs. 1 Buchst, b; § 3 Rdn. 41 ff); von einem seiner Staatsangehörigen (Art. 6 Abs. 1 Buchst, c); oder wenn sich der Beschuldigte in seinem Hoheitsgebiet befindet und nicht an einen anderen Vertragsstaat ausgeliefert wird, der (nach Art. 6 Abs. 1 oder 2) für die Verfolgung zuständig ist (Art. 6 Abs. 4).
180
Der Vertragsstaat kann eigene Gerichtsbarkeit auch begründen, wenn die Tat von einem Staatenlosen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland begangen wird (Art. 6 Abs. 2 Buchst, a); wenn bei ihrer Begehung ein eigener Staatsangehöriger festgehalten, bedroht, verletzt oder getötet wird (Art. 6 Abs. 2 Buchst, b); oder wenn sie mit dem Ziel begangen wird, den Staat zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen (Art. 6 Abs. 2 Buchst, c). Das Übereinkommen schließt eine weitergehende Strafgerichtsbarkeit nach innerstaatlichem Recht nicht aus (Art. 6 Abs. 5).
181
Art. 10 des Übereinkommens begründet schließlich eine Art. 8 der Geiselnahmekonvention (Rdn. 155) entsprechende Verpflichtung zur Strafverfolgung.
182
Das Protokoll erstreckt den strafrechtlichen Schutz auf feste Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel (§ 5 Rdn. 63 ff) befinden. Da sich der Festlandsockel seewärts an das Küstenmeer (§ 3 Rdn. 41 ff) eines Küstenstaates anschließt (vgl. Art. 76 Abs. 1 SeeRÜbk.), würden feste Plattformen im Küstenmeer oder in den ihm landwärts vorgelagerten inneren Gewässern (§ 3 Rdn. 32) in den Schutz an sich nicht miteinbezogen. Auch auf solche Fälle ist das Protokoll jedoch anzuwenden, wenn der Beschuldigte im Hoheitsgebiet eines anderen als des Vertragsstaates betroffen wird, in dessen inneren Gewässern oder Küstenmeer sich die feste Plattform befindet (Art. 1 Abs. 2).
183
Unter „fester Plattform" wird eine künstliche Insel, eine Anlage oder ein Bauwerk verstanden, die oder das Zweck der Erforschung oder Ausbeutung von Ressourcen oder zu anderen wirtschaftlichen Zwecken dauerhaft am Meeresboden befestigt ist (Art. 1 Abs. 3).
184
Die Straftaten, um deren internationale Verfolgung es geht (Art. 2 Abs. 1 und 2), entsprechen sinngemäß denen des Art. 3 Abs. 1 Buchst, a bis d und g sowie Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens (Rdn. 179).
185
Die Regelung, die Art. 3 Prot, über die Gerichtsbarkeit der Vertragsstaaten trifft, entspricht der des Art. 6 Abs. 1 Buchst, a und c, Abs. 2 Buchst, a bis c, Abs. 4 und 5 des Übereinkommens (Rdn. 180 f).
186
Übereinkommen und Protokoll sind für die Bundesrepublik Deutschland am 1.3.1992 in Kraft getreten (Bek. vom 1 6 . 6 . 1 9 9 2 und 9.9.1992, BGBl. II S. 5 2 6 , 1061). Durch das Zustimmungsgesetz vom 13.6.1990 (BGBl. II S. 4 9 4 ) hat der Gesetzgeber den zivilen Seeverkehr in den Schutzbereich des § 316c einbezogen und § 6 Nr. 3 entsprechend geändert.
187
o) Delikte gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften. Einschlägig sind: Übereinkommen vom 26.7.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen
188
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1995 C 316, S. 49 ff); G zu dem Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 10.9.1998 (BGBl. II S. 2322); Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 27.9.1996 (ABl. 1996 C 313, S. 1); G vom 10.9.1998 zu dem Protokoll vom 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (BGBl. II S. 2340). 189
Die Europäische Gemeinschaft treibt den strafrechtlichen Schutz ihrer finanziellen Interessen bereits seit langem als ein Ziel von vorrangiger Bedeutung voran.
190
Das Übereinkommen von 1995, das nach Ratifizierung durch sämtliche Mitgliedstaaten am 17.10.2002 in Kraft getreten ist, bezweckt den Schutz des Haushalts der EG gegen Subventions- und Abgabenbetrug. Das Übereinkommen verpflichtet jeden Vertragsstaat, Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (Art. 1 Abs. 1 und 3) in seinem innerstaatlichen Recht als Straftat zu erfassen und sicherzustellen, dass entsprechende Handlungen durch wirksame, angemessene und abschreckende Strafen geahndet werden können (Art. 1 Abs. 2, Art. 2).
191
Art. 4 verpflichtet jeden Mitgliedstaat, seine Gerichtsbarkeit zu begründen, wenn ein Betrug (einschließlich Teilnahme und Versuch) zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ausschließlich oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen worden ist (Art. 4 Abs. 1 Sp. 1) oder wenn eine in seinem Hoheitsgebiet befindliche Person einen solchen Betrug im Hoheitsgebiet eines anderen Staates unterstützt oder dazu anstiftet (Art. 4 Abs. 1 Sp. 2). Jeder Mitgliedstaat kann ferner seine Gerichtsbarkeit auf Auslandstaten eigener Staatsangehöriger erstrecken, wobei die Strafbarkeit nach dem Recht des Tatorts zur Voraussetzung der eigenen Gerichtsbarkeit gemacht werden kann (Art. 4 Abs. 1 Sp. 3, Abs. 2). Liefert ein Mitgliedstaat eigene Staatsangehörige nicht aus, muss er seine Gerichtsbarkeit auch für Auslandstaten von Inländern begründen und seine Strafverfolgungsbehörden mit den Fällen befassen, in denen seine Staatsangehörigen beschuldigt werden, in einem anderen Mitgliedstaat eine einschlägige Straftat begangen zu haben, damit gegebenenfalls eine Verfolgung durchgeführt werden kann (Art. 5 Abs. 1 und 2).
192
Das mit dem Übereinkommen in Kraft getretene Protokoll von 1996 ergänzt das Übereinkommen mit Blick auf Bestechungshandlungen, welche die finanziellen Interessen der EG schädigen können.
193
Zu diesem Zweck verpflichtet es die Mitgliedstaaten, Gemeinschaftsbeamte sowie Mitglieder der Kommission, des Europäischen Parlaments, des EuGH und des Rechnungshofes mit Blick auf Bestechungshandlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (Art. 1 bis 3) in seinem Strafrecht in gleicher Weise zu behandeln wie nationale Beamte und Mitglieder nationaler Institutionen (Art. 4). Straftaten nach Art. 2 und 3 sind mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Strafen zu ahnden (Art. 5).
194
Jeder Mitgliedstaat ist gehalten, eigene Gerichtsbarkeit über solche Taten zu begründen, wenn die Straftat ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen worden ist (Art. 4 Abs. 1 Buchst, a). Eigene Gerichtsbarkeit kann ferner in den folgenden Fällen begründet werden (Art. 4 Abs. 1, Abs. 2): wenn ein Staatsangehöriger oder Beamter des betreffenden Mitgliedstaates die Tat begeht (Art. 6 Abs. 1 Buchst, b); wenn die Tat sich gegen einen Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaates richtet (Art. 6 Abs. 1 Buchst, c), der Beamter (u.U. eines anderen Mitgliedstaates), Gemeinschaftsbeamter im Sinne des Art. 1 oder Mitglied der Kommission, des Parlaments, des EuGH oder des Europäischen Rechnungshofes ist; wenn der Täter ein Gemeinschaftsbeamter eines
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Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Organs der Europäischen Gemeinschaften oder einer gem. EGV/EUV geschaffenen Einrichtung ist, die ihren Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat hat. Art. 5 Abs. 1, 2 und 4 des Übereinkommens (Rdn. 191) gilt entsprechend (Art. 7 Abs. 1). Das zweite Protokoll von 1997 (Geldwäscheprotokoll) ist von Deutschland durch G vom 21.10.2002 (BGBl. II S. 2722) ratifiziert worden, aber noch nicht in Kraft. D a s Protokoll verpflichtet die Mitgliedstaaten, Geldwäschetaten gegen die finanziellen Interessen der EG (Art. 1) unter Strafe zu stellen (Art. 2). Die Bestimmungen zur Gerichtsbarkeit aus Art. 4 und 5 des Übereinkommens sind grundsätzlich entsprechend anwendbar (Art. 12).
195
Der Gesetzgeber hat dem Übereinkommen von 1995 - soweit die Taten nicht bereits durch die §§ 263, 2 6 4 a.F. erfasst wurden - durch das EGFinSchG vom 10.9.1998 (BGBl. II S. 2322) Rechnung getragen und § 2 6 4 Abs. 7 neu gefasst. Strafanwendungsrechtlich werden entsprechende Taten durch § 6 Nr. 8 erfasst (§ 6 Rdn. 95 ff). D a s Protokoll von 1996 ist durch das EuBestG v. 10.9.1998 (BGBl. II S. 2 3 4 0 ) umgesetzt und der Anwendungsbereich der §§ 332, 3 3 4 bis 336, 338 ausgedehnt worden; hierzu § 5 Rdn. 192 ff.
196
p) Grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Einschlägig sind: Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 15.11.2000 (BGBl. 2 0 0 5 II S. 956); G zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15.11.2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität sowie zu den Zusatzprotokollen gegen den Menschenhandel und gegen die Schleusung von Migranten, vom 1.9.2005 (BGBl. II S. 954); Gemeinsame Maßnahme vom 21.12.1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. 1998 L 351, S. 1 f).
197
Zweck des Übereinkommens von 2 0 0 0 ist es, die internationale Zusammenarbeit zu verbessern und auf diese Weise die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität wirksamer zu bekämpfen.
198
Gegenstand des Übereinkommens sind gem. Art. 3 Abs. 1 die in den Art. 5, 6, 8 und 23 im Einzelnen genannten Straftaten, soweit sie mit einer Höchststrafe von mindestens vier Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind (Art. 3 Abs. 1 Buchst, b, Art. 2 Buchst, b), grenzüberschreitender Natur sind (Art. 3 Abs. 2) und eine organisierte kriminelle Gruppe (Art. 2 Buchst, a) daran mitwirkt. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, die im Übereinkommen näher geregelten Straftaten der Beteiligung an einer organisierten kriminellen Gruppe (Art. 5), der Geldwäsche (Art. 6), der Korruption (Art. 8) und der Behinderung der Rechtspflege (Art. 23) mit angemessenen Strafen zu bedrohen (Art. 11 Abs. 1).
199
Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, ihre Gerichtsbarkeit für die genannten Straftaten zu begründen, wenn diese im Inland (Art. 15 Abs. 1 Buchst, a) oder an Bord eines inländischen Schiffes oder Luftfahrzeugs begangen werden (Art. 15 Abs. 1 Buchst, b). D a s Gleiche gilt, wenn der Verdächtige sich im Inland aufhält und nur deshalb nicht ausgeliefert wird, weil er Staatsangehöriger des betreffenden Vertragsstaates ist (Art. 15 Abs. 3); in diesem Fall ist der Vertragsstaat verpflichtet, den Fall auf Ersuchen des Staates, der sich um die Auslieferung bemüht hat, zum Zweck der Strafverfolgung seinen zuständigen Behörden zu unterbreiten.
200
Die Vertragsstaaten können ihre Gerichtsbarkeit ferner begründen, wenn die Tat gegen einen Staatsangehörigen (Art. 15 Abs. 2 Buchst, a), von einem Staatsangehörigen oder von einem Staatenlosen, der seinen dauernden Aufenthalt in dem betreffenden Vertragsstaat hat, begangen wird (Art. 15 Abs. 2 Buchst, b). D a s Gleiche gilt bei Auslandstaten nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1, die im Zusammenhang mit der Begehung eines
201
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Verbrechens im Inland stehen (Art. 15 Abs. 2 Buchst, c) sowie dann, wenn der Verdächtige sich im Inland aufhält und - aus einem anderen Grund als wegen seiner Staatsangehörigkeit - nicht ausgeliefert wird (Art. 15 Abs. 4). 202
Im Übereinkommen wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Staaten ihre Verpflichtungen in Einklang mit den Grundsätzen der souveränen Gleichheit, der territorialen Integrität und der Nichteinmischung ausüben (Art. 4 Abs. 1). Erlangt ein Vertragsstaat, der seine Gerichtsbarkeit entsprechend den Bestimmungen des Abkommens ausübt, davon Kenntnis, dass auch in einem oder mehreren anderen Vertragsstaaten Verfolgungsmaßnahmen wegen derselben Tat durchgeführt werden, müssen die zuständigen Verfolgungsbehörden, soweit dies angemessen ist, darüber beraten, wie ihre Maßnahmen zu koordinieren sind (Art. 15 Abs. 5).
203
Sachlichrechtlich werden die Taten vor allem durch die §§ 129, 257, 261, 331 bis 334 sowie durch die Bestimmungen des Kreditwesengesetzes und des Geldwäschegesetzes erfasst. Strafanwendungsrechtlich kann Deutschland seiner Verpflichtung durch die § § 3 bis 7 entsprechen (vgl. auch BTDrucks. 15/5150 S. 80).
204
Die Gemeinsame Maßnahme von 1998 zielt auf eine wirksamere Bekämpfung krimineller Vereinigungen innerhalb der Europäischen Union (Art. 1). Danach verpflichten sich die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass eine oder beide der in Art. 2 Abs. 1 Buchst, a und b beschriebenen Verhaltensweisen durch wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Strafen geahndet werden können. Nach Art. 4 haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass entsprechende Handlungen, die sich in ihrem Hoheitsgebiet ereignen, auch dann geahndet werden können, wenn die Vereinigung ihre Operationsbasis in einem anderen Mitgliedstaat hat.
205
Mit Einfügung des § 129b durch das 34. StÄndG v. 22.8.2002 (BGBl. I S. 3390) hat der Gesetzgeber die Gemeinsame Maßnahme von 1998 umgesetzt, vor dem Hintergrund der terroristischen Anschläge vom 11.9.2001 in den USA allerdings ohne eine Beschränkung auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (BTDrucks. 14/7025, 14/8893; vgl. hierzu auch den Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung Rdn. 146ff). Danach gilt das deutsche Strafrecht uneingeschränkt auch für terroristische Vereinigungen außerhalb der EU.
206
q) Schleuserkriminalität. Einschlägig sind: Richtlinie vom 28.11.2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. 2 0 0 2 L 328, S. 17 f); Rahmenbeschluss vom 28.11.2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. 2002 L 328, S. 1 ff).
207
Die Richtlinie von 2 0 0 2 definiert den Tatbestand der Unterstützung (einschl. Teilnahme und Versuch) bei der unerlaubten Ein- und Durchreise sowie beim unerlaubten Aufenthalt und legt fest, dass jeder Mitgliedstaat einschlägige Handlungen in seinem innerstaatlichen Recht mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen zu ahnden hat (Art. 1, 3).
208
Der Rahmenbeschluss knüpft an die Definition der Richtlinie an und spezifiziert die Bestimmungen mit Blick auf Sanktionen und Gerichtsbarkeit. Nach Art. 4 muss jeder Mitgliedstaat seine Gerichtsbarkeit begründen, wenn die Tat ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen wird (Art. 4 Abs. 1 Buchst, a). Liefert ein Mitgliedstaat eigene Staatsangehörige nicht aus, muss er seine Gerichtsbarkeit auch für Auslandstaten von Inländern begründen und seine Behörden mit den Fällen befassen, in denen seine Staatsangehörigen beschuldigt werden, in einem anderen Mitgliedstaat eine einschlägige Straftat begangen zu haben, damit gegebenenfalls eine Verfolgung durchgeführt werden
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
kann (Art. 5 Abs. 1 Buchst, a und b). Fakultativ (Art. 4 Abs. 2) ist die Begründung eigener Gerichtsbarkeit über Auslandstaten eigener Staatsangehöriger (Art. 4 Abs. 1 Buchst, b) sowie über Taten zu Gunsten einer im Inland niedergelassenen juristischen Person (Art. 4 Abs. 1 Buchst, c). Zur Strafbarkeit des Einschleusens von Ausländern nach deutschem Recht vgl. § 96 AufenthG; die Verpflichtungen aus dem Rahmenbeschluss werden durch Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des Strafanwendungsrechts, insbesondere der § § 3 und 7, erfüllt.
209
r) Korruption. Einschlägig sind: Übereinkommen vom 17.12.1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (Abdruck BRDrucks. 269/98); G zu dem Übereinkommen vom 17.12.1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, vom 10.9.1998 (BGBl. II S. 2327); Rahmenbeschluss des Rates vom 22.7.2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (AblEU 2003 L 192, S. 54 ff).
210
Das Übereinkommen von 1997 verpflichtet die Vertragsstaaten, die Bestechung von 2 1 1 Amtsträgern (Art. 1 Abs. 4 Buchst, a) ausländischer Staaten, einschließlich Teilnahme und Versuchs, mit wirksamen und angemessenen Strafen zu bedrohen (Art. 1 und 3). Aus Art. 4 ergibt sich die Pflicht, eigene Gerichtsbarkeit für solche Straftaten zu begründen, wenn diese ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet des betreffenden Vertragsstaates begangen werden (Art. 4 Abs. 1 ) und - soweit nach innerstaatlichem Recht die Gerichtsbarkeit für Auslandstaten eigener Staatsangehöriger begründet ist - diese Gerichtsbarkeit auch auf die Bestechung ausländischer Amtsträger im Ausland durch eigene Staatsangehörige zu erstrecken. Der Rahmenbeschluss von 2 0 0 3 verpflichtet die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Bestechung und Bestechlichkeit im privaten Sektor (Art. 2; Teilnahme: Art. 3) für strafbar zu erklären und sicherzustellen, dass entsprechende Handlungen mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Strafen geahndet werden können (Art. 4). Nach Art. 7 muss jeder Mitgliedstaat seine Gerichtsbarkeit begründen, wenn die Tat ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen wird (Art. 7 Abs. 1 Buchst, a). Übergibt ein Mitgliedstaat eigene Staatsangehörige (noch) nicht auf Grundlage des Europäischen Haftbefehls, muss er seine Gerichtsbarkeit auch für Auslandstaten von Inländern begründen (Art. 7 Abs. 3). Fakultativ (Art. 7 Abs. 2) ist die Begründung eigener Gerichtsbarkeit über Auslandstaten eigener Staatsangehöriger (Art. 7 Abs. 1 Buchst, b) sowie über Taten zu Gunsten einer im Inland niedergelassenen juristischen Person (Art. 7 Abs. 1 Buchst, c) vorgesehen.
212
Bestechungshandlungen hat auch das Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 27.9.1996 (ABl. 1996 C 313, S. 1) zum Gegenstand; siehe hierzu bereits Rdn. 192 ff.
213
Gezeichnet, aber nicht ratifiziert hat Deutschland ferner die Criminal Law Convention on Corruption des Europarates vom 27.1.1999 (ETS Nr. 173) sowie die am 31.10. 2003 von der VN-Generalversammlung angenommene Konvention gegen Korruption (ILM 43 [2004] 37).
214
Vor dem Hintergrund des Übereinkommens von 1997 dehnt das IntBestG vom 10.9.1998 (BGBl. II S. 2327) den Anwendungsbereich der §§ 332 ff auf Amtsträger ausländischer Staaten und internationaler Organisationen aus, hierzu Rdn. 464. Siehe zum EuBestG Rdn. 196, § 5 Rdn. 192 ff.
215
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
IV. Die völkerrechtlichen Geltungsprinzipien 216
Die völkerrechtlichen Geltungsprinzipien bezeichnen den Bereich, in dem das Völkerrecht die Ausübung von Strafgewalt erlaubt (siehe auch R d n . 2 6 ) . 9 1 Insofern k o m m t ihnen eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung des völkerrechtlichen R a h m e n s staatlicher Strafgewalt zu. J e nach Sichtweise (näher R d n . 2 4 f ) sind in den Geltungsprinzipien „legitimierende A n k n ü p f u n g s p u n k t e " vertypt (z.B. inländischer T a t o r t , T ä t e r mit inländischer Staatsangehörigkeit) oder völkerrechtliche E r l a u b n i s n o r m e n verkörpert. In diesem Sinne werden die Geltungsprinzipien auch als Anknüpfungsprinzipien oder Anknüpfungspunkte bezeichnet.92
217
Oehler93 ordnet die Prinzipien in zwei Gruppen. W ä h r e n d sich die Ausübung von Strafgewalt in der ersten Gruppe aus dem Gesichtspunkt des Selbstschutzes des Staates (Territorialitäts-, Staatsschutz-, passives Personalitätsprinzip) ergebe, stehe bei der zweiten Gruppe der G e d a n k e der Solidarität der Staaten (aktives Personalitätsprinzip, Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege, Universalitätsprinzip) im Vordergrund.
218
Bei der Ausgestaltung des staatlichen Strafanwendungsrechts k ö n n e n die völkerrechtlichen Geltungsprinzipien vom Gesetzgeber nach seinem Ermessen aufgegriffen w e r d e n . 9 4 D a b e i ist der Gesetzgeber nicht gehindert, seine eigenen kriminalpolitischen Ziele auch durch die K o m b i n a t i o n mehrerer Prinzipien zu verwirklichen 9 5 und diese - innerhalb des völkerrechtlichen R a h m e n s - zu modifizieren, wie dies zum Teil in den § § 3 ff geschieht.
219
V o n den völkerrechtlichen Geltungsprinzipien strikt zu unterscheiden sind die G r u n d sätze des staatlichen Strafanwendungsrechts. 9 6 D a b e i handelt es sich u m allgemeine Rechtssätze, die sich aus den Bestimmungen eines staatlichen, etwa des deutschen, Strafanwendungsrechts gewinnen lassen; sie bezeichnen G r u n d und U m f a n g der Geltung der staatlichen Strafgesetze und sind Teil der jeweiligen staatlichen R e c h t s o r d n u n g , nicht des Völkerrechts. Es dient deshalb der Klarheit, wenn die Zugehörigkeit dieser Rechtssätze zu unterschiedlichen Rechtsordnungen auch terminologisch zum Ausdruck k o m m t ; deshalb ist hier von den völkerrechtlichen Geltungsprinzipien einerseits und von den innerstaatlichen Grundsätzen des Strafanwendungsrechts andererseits die R e d e . Z u diesen Grundsätzen zählen etwa der Gebietsgrundsatz, der Flaggengrundsatz, der Staatsschutzgrundsatz, der (aktive und passive) Personalgrundsatz, der Domizilgrundsatz, der Weltrechtspflegegrundsatz und der Grundsatz stellvertretender Strafrechtspflege.
220
Die Unterscheidung zwischen den völkerrechtlichen Geltungsprinzipien und den innerstaatlich verwirklichten Grundsätzen des staatlichen Strafanwendungsrechts ist von grundlegender Bedeutung für die Bewertung der innerstaatlichen Gesetzeslage. Die Unterscheidung verdeutlicht nämlich die Notwendigkeit, die innerstaatlichen Grundsätze auf ein
91
92
93
Vgl. BVerfG N J W 2001 1848, 1852; Jakobs 5. Abschn. Rdn. 1; Jescheck/Weigend $ 18 II; anders Gribbohm LK 1 1 Rdn. 140 und 142 („vorwiegend methodische Bedeutung"); zur „Dogmengeschichte" Granitza S. 26 ff. Vgl. etwa BVerfG NJW 2001 1848, 1852; Ambos MK Rdn. 25; Jakobs 5. Abschn. Rdn. 1; Jescheck/Weigend § 18 II; Sch/Schröder/Eser Rdn. 4. Oehler Rdn. 122, 133, so übereinstimmend schon in FS Grützner, S. 115; ebenso Schröder J Z 1968 241.
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Henrich S. 21 f („Wegweiserfunktion"); Pappas S. 87; Sch/Schröder/Eser Rdn. 4 („Auswahlprinzipien"). Henrich S. 24; Jescheck/Weigend § 18 II Vor 1. Zutreffend Ambos MK Rdn. 24; eingehend hierzu demnächst Jeßberger Der transnationale Geltungsbereich des deutschen Strafrechts.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
völkerrechtliches Geltungsprinzip zurückzuführen. Nur soweit dies möglich ist, ist die innerstaatliche Gesetzeslage völkerrechtskonform. 9 7 In der Regel wird der in der innerstaatlichen Gesetzgebung verwirklichte Grundsatz einem völkerrechtlichen Geltungsprinzip entsprechen. Dies ist etwa beim Rückgriff auf das Territorialitätsprinzip sowie beim aktiven und passiven Personalitätsprinzip unbedenklich der Fall; hier sind allenfalls Randbereiche problematisch. Es sind jedoch auch Konstellationen denkbar, in denen die hier vorgenommene Unterscheidung zur Klärung der Rechtslage beiträgt und gesetzgebungskritisches Potenzial entfaltet. Dies betrifft namentlich die Verwirklichung des Universalitätsprinzips, des Staatsschutzprinzips und in gewissem Umfang auch des Stellvertretungsprinzips. Insoweit ermöglicht es die hier getroffene Unterscheidung, etwa im Rahmen des § 6 zwischen der innerstaatlichen Ausdeutung des Weltrechtspflegegrundsatzes und der Reichweite des völkerrechtlichen Universalitätsprinzips zu differenzieren. Hieraus ergeben sich Folgerungen für die Anwendung des geltenden Rechts; zur völkerrechtskonformen Reduktion siehe insbesondere § 6 Rdn. 25 ff.
221
1. Territorialitätsprinzip. 98 Das Territorialitätsprinzip besagt, dass das Strafrecht eines Staates für alle Taten gilt, die auf seinem Staatsgebiet, also im Inland (§ 3 Rdn. 2 4 f f ) , begangen werden, gleichgültig, wer sie begeht und gegen wen sie sich richten. Dieses Prinzip folgt der Erwägung, dass sich die innerstaatliche Rechtsordnung gegenüber jedermann durchsetzen muss, der sich im Inland aufhält. Das Territorialitätsprinzip ist im Völkerrecht fest verankert. 9 9 Eine Vielzahl völkerrechtlicher Abkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, Gerichtsbarkeit für Taten, die innerhalb ihres Hoheitsgebietes begangen werden, zu begründen (im Einzelnen Rdn. 5 8 ff). Als Anknüpfungspunkt entspricht das Territorialitätsprinzip den Grundsätzen der Gebietshoheit, der Unabhängigkeit und der Gleichheit der souveränen Staaten. 1 0 0
222
Die Reichweite des Territorialitätsprinzips hängt entscheidend von der Bestimmung des Begehungsortes ab. Völkerrechtlich unstrittig ist, dass es für die Ausübung von Strafgewalt auf Grundlage des Territorialitätsprinzips genügt, wenn entweder der Ort der Handlung oder der Ort, an dem der tatbestandliche Erfolg eintritt, im Inland liegt. 1 0 1 Keine hinreichende Grundlage im Völkerrecht findet dagegen die Ansicht, wonach es zur Ausübung von Strafgewalt nach dem Territorialitätsprinzip genügt, dass die Handlung irgendeine, u.U. auch nur tatsächliche Wirkung im Hoheitsgebiet des Staates h a t . 1 0 2 Aus dem weiten Begriff des Tatortes ergibt sich, dass eine Tat durchaus mehrere Begehungsorte haben kann, die durchaus in jeweils einem anderen Staat liegen können. Insofern ist die Behauptung von Ambos ( M K Rdn. 25) nicht zutreffend, dass das Territorialitätsprinzip „zwischenstaatliche Kollisionen a limine ausschließt". Siehe auch § 9 Rdn. 5, 5 4 ff.
223
97
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100
Vgl. auch Ambos MK Rdn. 24; Roggemann Strafrechtsanwendung S. 13 f. Ambos MK Rdn. 25; Oebler Rdn. 152 ff; Jescheck/Wetgend § 18 II 1; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 4; Zieher S. 75 f. Vgl. nur BVerfGE 92 277, 320; Ambos MK Rdn. 25; Epping/Gloria in Ipsen § 23 Rdn. 3. Jescheck/Weigend § 18 II 1; Oehler Rdn. 125, 152 ff.
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BGHSt 44 52, 56; Akehurst British Yearbook of International Law 46 (1972/73) 145, 152; Kunig/Uerpmann Jura 1994 186, 193; Meng AVR 27 (1989) 156, 183; Miller/ Rackow ZStW 117 (2005) 379, 385. Jennings/Watts Oppenheim's International Law (1992) 460; Mann S. 72 f; Shaw S. 612 f; aA Blakesley in Bassiouni S. 53; Restatement (Third) § 402 (1) (c); siehe auch Ambos MK Rdn. 29.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
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2 . Flaggenprinzip. 1 0 3 Das Flaggenprinzip besagt, dass das Strafrecht eines Staates, dessen Flagge ein See- oder Binnenschiff (gleich welcher Art) führt oder bei dem ein Luftfahrzeug registriert ist, auch für solche Taten gilt, die an Bord dieses Schiffes oder Luftfahrzeuges begangen werden. Es kommt hierbei nicht darauf an, welche Staatsangehörigkeit der Täter hat, auf wessen Hoheitsgebiet die Tat begangen wird oder ob sie auf oder über der hohen See begangen wird. Das Prinzip trägt dem Interesse der Staaten an Aufrechterhaltung der Ordnung in bestimmten Verkehrsmitteln Rechnung, die häufig und bestimmungsgemäß ihren Standort zwischen Inland, Ausland und hoheitsfreiem Raum wechseln. 1 0 4 Auch das Flaggenprinzip ist völkerrechtlich abgesichert. 1 0 5 M i t dem Territorialitätsprinzip ist es insofern verwandt, als es die uneingeschränkte Ausübung von Hoheitsgewalt des Flaggenstaates über Handlungen und Ereignisse an Bord inländischer Schiffe oder Luftfahrzeuge rechtfertigt. Unzutreffend ist dagegen die frühere Ansicht, wonach das Flaggenprinzip eine Erweiterung des Hoheitsgebietes fingiere (näher § 3 Rdn. 7 0 ff; § 4 Rdn. 1 2 ) . 1 0 6
225
3. Staatsschutzprinzip. 107 Nach dem Staatsschutzprinzip ist jeder Staat befugt, sein Strafrecht auf Taten zu erstrecken, die sich unmittelbar gegen die eigenen staatlichen Rechtsgüter richten. Seine innere Berechtigung erfährt das Staatsschutzprinzip daraus, dass der Täter selbst eine Beziehung zur Strafgewalt des betroffenen Staates hergestellt hat und sich dieser Staat nur durch Ausübung eigener Strafgewalt gegen Angriffe von Ausländern aus dem Ausland wehren kann, da der Tatortstaat ihm diesen Schutz in der Regel mangels Strafbarkeit nicht gewähren kann oder nicht gewähren will.
226
Das Staatsschutzprinzip ist heute im Grundsatz unbestritten und völkerrechtlich anerkannt. 1 0 8 Es ist in zahlreichen internationalen Abkommen verwirklicht (Rdn. 141, 144, 153, 181; siehe auch Rdn. 148). Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, seine völkerrechtlichen Grenzen zu bestimmen. Unstreitig ist, dass nicht jedes Verhalten, das sich mittelbar oder unmittelbar gegen staatliche Interessen richtet, die Ausübung von Strafgewalt auf Grundlage des Staatsschutzprinzips zu rechtfertigen vermag. Ebenfalls gesichert ist, dass jedenfalls ein Kernbereich essenzieller Staatsinteressen dem Staatsschutzprinzip unterfällt; hierzu zählen die Sicherheit, die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit des Staates. 1 0 9 In den Anwendungsbereich des Staatsschutzprinzips einbezogen sind damit insbesondere Staatsschutzdelikte im engeren Sinne wie Friedensverrat, Landesverrat, Hochverrat und Spionage; siehe auch § 5 Rdn. 75 ff, 79 ff, 87 ff.
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Welche staatlichen Belange darüber hinaus den Schutz durch die Ausdehnung der Strafgewalt zu rechtfertigen vermögen, ist ungeklärt. Die staatlichen Gesetzgebungen weisen insoweit erhebliche Unterschiede auf. Maßgeblich sollte der Zweck des Staatsschutzprinzips sein, zu verhindern, dass der Staat straflos vom Ausland aus angegriffen werden kann. Erforderlich ist danach, dass die Tat sich unmittelbar gegen ein Rechtsgut
103
104 105 106 107
Ambos MK Rdn. 34; jescheck FS Maurach, S. 583; Jescheck/Weigend § 18 II 2; Oehler Rdn. 132, 422 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 5; Wille S. 40; Zieher S. 84. Sch/Schröder/Eser Rdn. 5; Zieher S. 84. Vgl. nur Restatement (Third) § 502. Ambos MK Rdn. 34. Ambos MK Rdn. 40; Jescheck/Weigend § 18 II 4; Oehler Rdn. 542 ff; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 7; eingehend Cameron S. 30 ff.
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BVerfGE 92 III, 321; Ambos MK Rdn. 40; Oehler Rdn. 577; Sch/Schröder/Eser Rdn. 7; Verdross/Simma S 1184; Zieher S. 104. Ambos MK Rdn. 41; Blakesley/Lagodny S.52 ff; Harvard Draft, Art. 7, S. 543; Zieher S. 78; vgl. auch BVerfGE 92 277, 321 („Existenz oder andere wichtige Rechtsgüter").
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Strafanwendungsrecht
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des Staates richtet, dass es sich um ein wesentliches Rechtsgut handelt und dass Angriffe gegen dieses Rechtsgut im Ausland nicht verfolgt werden. 4. Passives Personalitätsprinzip.110 Das passive Personalitätsprinzip ist mit dem Staatsschutzprinzip verwandt. Anders als bei jenem geht es hier aber nicht um den Schutz staatlicher Rechtsgüter vor Angriffen aus dem Ausland, sondern um den Schutz der eigenen Staatsangehörigen. Begründen lässt sich die Ausdehnung der Strafgewalt auf Straftaten gegen Inländer mit der Nähebeziehung, die zwischen dem Heimatstaat und dem Opfer der Tat besteht, sowie mit der auch völkerrechtlich fundierten 1 1 1 Schutzpflicht, die den Staat gegenüber seinen Angehörigen trifft.
228
Das passive Personalitätsprinzip ist völkerrechtlich umstritten. Verbreitet wird die Ausübung von Strafgewalt über Auslandstaten gegen Inländer zwar für völkerrechtlich bedenklich, aber doch für zulässig gehalten. 112 Die Gegenansicht geht davon aus, dass es an einer hinreichend einheitlichen Staatenpraxis und damit an einer tragfähigen Grundlage im Völkerrecht fehle. 113 Dabei wird indes nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich das Prinzip nicht nur in zahlreichen internationalen Abkommen findet (Rdn. 141, 144, 154, 181, 201; vgl. auch Rdn. 130), sondern zudem - teilweise mit Einschränkungen (vgl. etwa § 7 Abs. 1) - in vielen staatlichen Gesetzgebungen verwirklicht ist. 114 Auch zeigen sich Staaten, die, wie die USA, Großbritannien und Frankreich, dem passiven Personalitätsprinzip traditionell kritisch gegenüberstehen, in jüngerer Zeit gegenüber der Erstreckung des staatlichen Strafrechts auf Auslandstaten gegen Inländer zunehmend aufgeschlossen. 115
229
Im deutschen strafrechtlichen Schrifttum wird das passive Personalitätsprinzip ganz überwiegend nur in seiner durch das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit eingeschränkten Form für völkerrechtlich unbedenklich gehalten; 116 die Ausdehnung des Strafrechts auf Auslandstaten gegen Inländer soll danach nur erlaubt sein, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist. Diese Auffassung ist abzulehnen. Dem Völkerrecht lässt sich eine solche Einschränkung des passiven Personalitätsprinzips durch das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit nicht entnehmen. 1 1 7 Die Staatsangehörigkeit des Tatopfers bildet vielmehr einen völkerrechtlich ausreichenden Anknüpfungspunkt für die Ausübung staatlicher Strafgewalt. Ist die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht strafbar oder sogar rechtmäßig, kann allerdings im Einzelfall ein Verbotsirrtum anzunehmen sein (vgl. auch Rdn. 453).
230
Zur Erfassung von Taten gegen juristische Personen mit inländischer Staatszugehörigkeit und von Taten gegen inländische Amtsträger siehe § 5 Rdn. 122, 205.
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5. Aktives Personalitätsprinzip. 118 Das aktive Personalitätsprinzip besagt, dass das Strafrecht des Heimatstaates für Straftaten seiner Staatsangehörigen Geltung beanspruchen kann, gleichgültig, ob diese Straftaten im Inland oder im Ausland begangen wer-
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Akehurst British Yearbook of International Law 46 (1972/73) 145, 162; Ambos MK Rdn. 42; Sch/Schröder/Eser Rdn. 7; eingehend Henrich S. 25 ff. Zum Institut des diplomatischen Schutzes Verdross/Simma §§ 1226 ff. Blakesley in Bassiouni S. 70 Fußn. 207; Doehring Völkerrecht (1999) Rdn. 817; Jakobs 5. Abschn. Rdn. 8; Jescheck/Weigend § 18 II 4; Verdross/Simma § 1184; Roßwog S. 113; Vogler FS Maurach, S. 596; Zieher S. 76 f. Li Die Prinzipien des internationalen Straf-
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117 118
rechts (1991) S. 182; Mann S. 78 f; vgl. auch Restatement (Third) § 402, Comment g. Rechtsvergleichender Überblick bei Henrich S. 198 ff. Shaw S. 590 f m.w.N.; vgl. auch Restatement (Third) § 402 Comment g. Ambos MK Rdn. 44; Jescheck/Weigend S 18 II 4; Oehler Rdn. 666; Roßwog S. 190; Satzger § 4 Rdn. 11; Sch/Schröder/Eser Rdn. 7. Vgl. Cassese S. 282 f; Henrich S. 189 ff. Ambos MK Rdn. 35; Oehler Rdn. 733 ff, 775 ff; eingehend A. Schmitz S. 175 ff.
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
den. Die Anwendung inländischen Strafrechts auf Straftaten von Inländern wurzelt in der Personalhoheit des Staates über seine Angehörigen. Das aktive Personalitätsprinzip ist völkerrechtlich abgesichert, in zahlreichen internationalen Abkommen vorgesehen (vgl. etwa Rdn. 104, 130, 140, 144, 153, 161, 180, 201) und in den staatlichen Gesetzgebungen verbreitet. Völkerrechtlich ist das aktive Personalitätsprinzip auch dann nicht zu beanstanden, wenn die Tat nach dem Recht des Tatortstaates nicht strafbar ist. 119 233
Das aktive Personalitätsprinzip lässt sich unterschiedlich rechtfertigen, je nachdem, ob man es als herrschenden Grundsatz innerhalb eines Strafanwendungsrechts begreift oder - wie nunmehr im geltenden Recht (Rdn. 257) - auf dem Boden des Territorialitätsprinzips (Rdn. 222 ff) lediglich als ergänzendes Prinzip zur Erfassung der Auslandstaten von Inländern.
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Im ersten Sinne besagt das aktive Personalitätsprinzip, dass das Strafrecht für die Tat eines Inländers gilt, einerlei, ob er sie im Inland oder Ausland begeht. In diesem Sinne folgt das Prinzip dem Gedanken, ein Staat könne von seinen Staatsangehörigen erwarten und fordern, dass sie die Gebote und Verbote der eigenen Rechtsordnung beachten, gleichgültig, wo sie sich aufhalten. Es wird hierbei auf die Bindung des Einzelnen an das heimatliche Strafrecht und auf die Treupflicht des Bürgers gegenüber dem eigenen Staat hingewiesen. 120 Das absolute aktive Personalitätsprinzip kommt autoritärem Staatsdenken entgegen 121 und wurde in Deutschland bezeichnenderweise vom nationalsozialistischen Gesetzgeber eingeführt (Entstehungsgeschichte).
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Als Ergänzung des Territorialitätsprinzips lässt sich das aktive Personalitätsprinzip mit dem Gedanken internationaler Solidarität begründen. Es besagt nur etwas über Auslandstaten von Inländern. Es findet sich häufig in solchen Rechtsordnungen, die die Auslieferung eigener Staatsangehöriger an das Ausland ablehnen. Da in diesem Fall die Verfolgung der Auslandstat erfolgt, um die Durchsetzung des Strafanspruchs des Tatortstaates zu unterstützen, liegt es nahe - ohne dass dies aus völkerrechtlicher Sicht zwingend wäre (Rdn. 232) - , die Strafbarkeit der Tat nach Tatortrecht zur Voraussetzung der Ausübung von Strafgewalt zu machen (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1).
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Das aktive Personalitätsprinzip rechtfertigt die Ausübung von Strafgewalt auch bei Taten, die von Amtsträgern oder anderen Personen begangen werden, welche Hoheitsgewalt für den Strafgewaltsstaat ausüben. In diesem Fall begründet das zum Strafgewaltsstaat bestehende Dienstverhältnis die besondere personale Bindung, siehe auch § 5 Rdn. 199.
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6. Universalitätsprinzip. 122 Das Universalitätsprinzip besagt, dass das inländische Strafrecht für Taten gilt, die sich gegen die gemeinsamen Interessen der Staatengemein-
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Doehring Völkerrecht (1999) Rdn. 817; Holthausen NJW 1992 214, 215; Oehler Rdn. 751; Restatement (Third) § 402 (2); Schröder J Z 1968 241; Shaw S. 588; siehe auch Blakesley in Bassiouni S. 61 f; Brownlie S. 301; Cassese S. 281; aA Ambos MK Rdn. 37. Ambos MK Rdn. 36; Lackner/Kühl Rdn. 2; hiergegen Oehler Rdn. 139 ff; ders. FS Grützner, S. 123; Sch/Schröder/Eser § 3 Rdn. 2. Jescheck/Weigend § 18 II 3; Oehler Rdn. 706.
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Ambos MK Rdn. 47; Bassiouni Virginia Journal of International Law 42 (2001) 81; Behrendt S. 53 ff; Cassese S. 284 ff; Eser FS Meyer-Goßner, S. 3 ff; ders. FS Trechsel, S. 219 ff; Gärditz Weltrechtspflege (2006); Henzelin S. 24 ff; Jescheck/ Weigend § 18 II 5; Kelter GA 2006 25; Merkel in Lüderssen S. 237ff; Oehler Rdn. 147 ff, 844 ff; Reydams S. 26 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 8; Tomuschat FS Steinberger, S. 315 ff; Weigend FS Eser, S. 955 ff; Zieher S. 79 ff; siehe auch Princeton Principles on Universal Jurisdiction und
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
schaft richten, gleichgültig, wer sie begeht oder wo oder gegen wen sie begangen werden. 1 2 3 Die im deutschen Schrifttum verbreitete Formel, wonach das Universalitätsprinzip Taten erfasse, „durch die gemeinsame, in allen Kulturstaaten anerkannte Rechtsgüter verletzt" würden, 1 2 4 begegnet nicht nur wegen der Verwendung des wenig zeitgemäßen Begriffes der „Kulturstaaten" Bedenken; nicht überzeugend ist die „Kulturstaaten-Formel" vielmehr vor allem deswegen, weil es beim Universalitätsprinzip nicht um die universelle Anerkennung eines Rechtsgutes gehen kann - was fraglos für das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit gilt - , sondern allein darum, ob das verletzte Interesse ein solches der Staatengemeinschaft ist. 1 2 5
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Rechtfertigen lässt sich das Universalitätsprinzip mit zwei Erwägungen: Zum einen ist der Tatortstaat häufig nicht in der Lage oder nicht willens, die angegriffenen Rechtsgüter hinreichend zu schützen und Verletzungen zu verfolgen. 1 2 6 Zum anderen betreffen Taten gegen die gemeinsamen Interessen der Staatengemeinschaft stets auch jedes einzelne ihrer Mitglieder (Zieher S. 83). Im Grundsatz ist das Universalitätsprinzip völkerrechtlich nicht bestritten. Die Schwierigkeit besteht indes darin, seinen Anwendungsbereich und seine Grenzen zu bestimmen.
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Einigkeit besteht darüber, dass der Weltfrieden und die internationale Sicherheit Weltgemeinschaftsinteressen ( K r e ß Z S t W 114 ( 2 0 0 2 ) 818, 836) im genannten Sinne darstellen; Straftaten, die sich gegen den Weltfrieden und die internationale Sicherheit richten, unterliegen dem Weltrechtsprinzip. Erfasst sind damit die Völkerrechtsverbrechen des Völkermordes (§ 6 VStGB), der Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) und der Kriegsverbrechen (§§ 8 bis 12 VStGB); mit Blick auf das Aggressionsverbrechen ist die Rechtslage zweifelhaft. 1 2 7
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Höchst umstritten ist, ob es über die Völkerrechtsverbrechen hinaus weitere Straftaten gibt, deren Verfolgung nach dem Universalitätsprinzip völkerrechtlich erlaubt ist; die verschiedenen Positionen sind jüngst im Haftbefehlsfall (Demokratische Republik Kongo gegen Belgien) vor dem IGH deutlich geworden. 1 2 8 Hierzu ist das Folgende zu bemerken:
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Maßgeblich für die Reichweite des Universalitätsprinzips ist allein das Völkerrecht. Hierbei kann sich die universelle Strafbefugnis aller Staaten zum einen daraus ergeben, dass die Tat unmittelbar nach universellem Völkergewohnheitsrecht strafbar ist, wie dies
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die Resolution des Institute of International Law vom 26.8.2005 (Universal Jurisdiction with regard to the crime of genocide, crimes against humanity and war crimes), hierzu Kreß Journal of International Criminal Justice 4 (2006) 561. BVerfG NJW 2001 1848, 1852; Ambos MK Rdn. 47; Blakesley in Bassiouni S. 70; Princeton Principles on Universal Jurisdiction, Principle 1; Restatement (Third) § 404; einschränkend Cassese International criminal Law (2003), 284 ff; Keller GA 2006 25. So Gribbohm LK11 Rdn. 135; Lemke NK Rdn. 13; Sch/Schröder/Eser Rdn. 8; vgl. auch Hoyer SK Rdn. 13. Krit. auch Ambos MK Rdn. 49; Hilgendorf FS 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, S. 333, 348; Merkel in Lüderssen S. 245.
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Vgl. nur Hilgendorf YS 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, S. 333, 353; Abweichende Auffassung Van den Wyngaert zu IGH EuGRZ 2003 563 Nr. 46. BVerfG NJW 2001 1848, 1852 (für Völkermord); Ambos MK Rdn. 54; Eser FS Trechsel, S. 219, 229; Gärditz Weltrechtspflege (2006) 294 ff; Satzger § 5 Rdn. 70; Weigend FS Eser, S. 97; siehe auch Brownlie S. 594 ff; Shaw S. 303; Werle Rdn. 171 ff m.w.N. IGH EuGRZ 2003 563 (Haftbefehlsfall), siehe insbesondere die Sondervoten des Präsidenten Guillaume und der Richter Higgins, Kooijmans und Buergenthal sowie die abweichende Auffassung der ad fooc-Richterin Van den Wyngaert-, zusf. Kreß ZStW 114 (2002) 818.
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bei allen Völkerrechts verbrechen zutrifft (Rdn. 2 4 0 ) . Zum anderen lässt sich die universelle Strafbefugnis aber auch bei solchen Taten annehmen, die zwar nicht unmittelbar nach Völkerrecht strafbar sind, deren Verfolgbarkeit nach dem Universalitätsprinzip aber völkergewohnheitsrechtlich mit Wirkung erga omnes anerkannt ist. 1 2 9 243
Nicht ohne weiteres eine Grundlage für die Ausübung von Strafgewalt nach dem Weltrechtsprinzip bilden dagegen internationale Abkommen. 1 3 0 Dies ergibt sich schon daraus, dass Verträge nur inter partes wirken, Nichtvertragsstaaten durch die Vertragsbestimmungen also nicht gebunden werden (Rdn. 2 5 0 ) . Die Ansicht, es könne einem Vertragsstaat nicht verwehrt sein, eine Tat dem Universalitätsprinzip zu unterstellen, wenn in einem völkerrechtlichen Abkommen zum Ausdruck gebracht werde, dass diese nicht straflos sein solle (so Ambos M K Rdn. 51), ist unzutreffend. Bei Ratifikation durch eine große Zahl von Staaten können Bestimmungen in internationalen Abkommen freilich Indizien für eine entsprechende Regel des Völkergewohnheitsrechts sein. Die hier vertretene restriktive Auffassung entspricht der Tendenz im neueren Schrifttum, das Universalitätsprinzip auf seinen völkerrechtlich gesicherten Kern zurückzuführen. 131
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Bei Anlegung dieses Maßstabes ergibt sich, dass das Universalitätsprinzip derzeit nur für die Völkerrechtsverbrechen zweifelsfrei gilt (siehe auch Rdn. 2 4 0 ) . 1 3 2 Folterhandlungen und Terrorismus sind nur dann Völkerrechtsverbrechen - und unterliegen nur dann dem Universalitätsprinzip - , wenn zugleich die Merkmale von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen im konkreten Fall erfüllt sind. 133 Demgegenüber wird die Geltung des Universalitätsprinzips bei Folter und internationalem Terrorismus im Schrifttum auch unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen eines Völkerrechtsverbrechens bejaht (so Ambos M K Rdn. 54). Insgesamt ist die Völkerrechtsentwicklung in diesem Bereich derzeit im Fluss. 1 3 4
245
Neben den Völkerrechtsverbrechen (Rdn. 2 4 0 ) gibt es weitere Straftaten, die die Staaten mit bestimmten Einschränkungen von Völkerrechts wegen auch dann verfolgen dürfen, wenn sie im Ausland von Ausländern an Ausländern begangen werden. Im Gegensatz zum (echten) Universalitätsprinzip (Rdn. 2 3 7 ) ist die staatliche Strafbefugnis hier allerdings nicht universell, sondern ratione loci begrenzt; es lässt sich insoweit von einem unechten Universalitätsprinzip 135 sprechen.
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Vgl. auch Kreß NStZ 2000 617, 624; enger Behrendt S. 136 ff (ius cogens). Henzelin S. 63 ff, 123 ff; Kreß ZStW 114 (2002) 818, 832 f; Shaw S. 597; aA Ambos MK Rdn. 49. Vgl. Cassese International Criminal Law (2003) 289; ders. Journal of International Criminal Justice 1 (2003) 589; Eser FS Trechsel, S. 219, 229; Merkel in Lüderssen S. 237, 242 ff; Tomuschat in Werle (Hrsg.) Justice in Transition (2006) S. 157, 163 ff; Weigend FS Eser, S. 955, 957. So auch Behrendt S. 148; International Law Association S. 4 ff; Gärditz Weltrechtspflege (2006) 295 ff; Kreß ZStW 114 (2002) 818, 844; Satzger § 4 Rdn. 13; N. Schultz ZaöRV 62 (2002) 703, 733; Weigend FS Eser, S. 971; siehe auch Princeton Principles on Universal Jurisdiction, Principle 2(1); deut-
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lich weiter noch Gribbohm LK11 Rdn. 135. Weitergehend auch Ambos MK Rdn. 54 ff, der dem Universalitätsprinzip auch den Menschenhandel, den grenzüberschreitenden Handel mit Betäubungsmitteln und die Geldwäsche unterstellen will; weiter auch Restatement (Third) § 404. 133 Vgl. auch Brownlie S. 595. 134 Vgl. auch Shaw S. 602 mit Blick auf internationalen Terrorismus. 135 Yg[ auch Aust Handbook of International Law S. 46; Cassese European Journal of International Law 13 (2002) 853, 856 („conditional universal jurisdiction"); Shaw S. 698 („quasi-universal jurisdiction"); siehe auch Sondervotum Higgins, Buergenthal, Kooijmans zu IGH EuGRZ 2003 563, 574, Nrn. 41 ff (Haftbefehlsfall).
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Völkerrechtlich abgesichert ist das unechte Universalitätsprinzip zum einen für die Seeräuberei, die bereits per definitionem voraussetzt, dass die Tat auf hoher See, also außerhalb staatlichen Hoheitsgebietes begangen wird (näher Rdn. 96). 1 3 6
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Das unechte Universalitätsprinzip ist zum anderen in denjenigen internationalen Abkommen verwirklicht, aus denen sich ergibt, dass einschlägige Taten auch dann verfolgt werden dürfen (ζ. T. sogar müssen), wenn sie im Ausland von einem Ausländer begangen werden; 137 hier verbindet sich das Universalitätsprinzip mit dem Vertragsprinzip (Rdn. 250). Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Geiselnahmekonvention (Rdn. 150) und das Falschmünzübereinkommen von 1929 (Rdn. 73). Die in zahlreichen Abkommen (vgl. im Einzelnen Rdn. 38) vorgesehene Verpflichtung, Tatverdächtige entweder auszuliefern oder selbst abzuurteilen (aut dedere aut judicare), begründet nicht ohne weiteres die Befugnis zur Ausübung von Strafgewalt nach dem Universalitätsprinzip. 138 Voraussetzung ist der Aufenthalt des Verdächtigen im Vertragsstaat (Weigend FS Eser, S. 955, 956 Fußn. 4).
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7. Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege.139 Nach diesem Prinzip greift das inländische Strafrecht an Stelle einer ausländischen Strafrechtsordnung ein: Das Prinzip trifft die Fälle, in denen ein Täter im Inland ergriffen wird und der ausländische Staat, der an sich nach dem Territorialitätsprinzip zur Verfolgung berufen wäre, hieran aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen gehindert oder an der Verfolgung nicht interessiert ist. Der inländische Richter tritt also (mit Einschränkungen) für den ausländischen ein; er übt aber gleichwohl die Strafgewalt des eigenen Staates aus. Das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege setzt die Existenz einer identischen Norm (§ 7 Rdn. 17 ff) im Tatortstaat voraus. Es greift nur ein, wenn der Verdächtige nicht ausgeliefert wird; insofern ist seine Anwendung im Verhältnis zur Auslieferung subsidiär (Oehler Rdn. 823). Von den übrigen Prinzipien unterscheidet sich das Stellvertretungsprinzip dadurch, dass es nicht eine originäre, sondern lediglich eine vom Tatortstaat abgeleitete Strafgewalt begründet, 140 die gegenüber dessen Strafgewalt subsidiär ist.
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Völkerrechtlich ist das Stellvertretungsprinzip unbedenklich, soweit der originär strafbefugte Staat, also in der Regel der Tatortstaat, mit der stellvertretenden Ausübung von Strafgewalt einverstanden ist. Dies trifft ohne weiteres zu, wenn das Stellvertretungsprinzip eine Grundlage unmittelbar in internationalen Abkommen findet, etwa wenn nach den Vertragsbestimmungen der Ergreifungsstaat einen Tatverdächtigen entweder aburteilen oder ausliefern muss (aut dedere aut judicare).141 Ist auch der Tatortstaat Vertragsstaat, ergibt sich sein Einverständnis mit der Verfolgung des Täters durch den Ergreifungsstaat unmittelbar aus dem Übereinkommen. In allen übrigen Fällen wird man aus der Strafbarerklärung eines bestimmten Verhaltens bei gleichzeitigem Fehlen eines Verfolgungshindernisses entnehmen können, dass der Tatortstaat grundsätzlich mit der stellvertretenden Verfolgung durch den Ergreifungsstaat einverstanden ist (siehe auch § 7 Rdn. 115). Die Ermittlung eines auf die fragliche Sache konzentrierten Verfolgungswil-
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Hierzu Kontorovich Harvard International Law Journal 4 5 ( 2 0 0 4 ) 183. Hierzu auch Brownlie6 S. 5 9 7 f. A A Ambos M K Rdn. 5 1 ; eingehend zum Grundsatz aut dedere aut iudicare Maierhöfer „Aut dedere aut iudicare" ( 2 0 0 6 ) passim. BVerfG N J W 2 0 0 1 1 8 4 8 , 1 8 5 2 ; Eser J Z 1 9 9 2 8 7 5 ; Jescheck FS M a u r a c h , S. 5 8 0 ;
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Jescheck/Weigend % 18 II 6 ; Oehler Rdn. 1 4 3 ff, 8 0 2 ff; ders. FS Grützner, S. 1 2 4 ; Sch/Schröder/Eser Rdn. 9 ; Zieher S. 85 f; eingehend Pappas S. 9 ff. Ambos M K Rdn. 5 8 ; Pappas S. 1 0 0 ; Zieher S. 85. Ambos M K Rdn. 5 9 ; siehe auch Pappas S. 1 0 3 f.
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lens im Einzelfall, die im Schrifttum teilweise befürwortet wird, 1 4 2 führt zur Rechtsunsicherheit und zu kaum lösbaren praktischen Problemen. 8. Weitere Prinzipien 250
a) Vertragsprinzip. 143 Das Vertragsprinzip besagt, dass inländisches Strafrecht für Taten gilt, über deren Verfolgung sich mehrere Staaten in einem internationalen Abkommen verständigt haben. Das Vertragsprinzip ist völkerrechtlich unbedenklich. Zu beachten ist aber, dass der vertraglich begründete Kompetenztitel nicht über den Anwendungsbereich des Vertrages hinausreichen kann; dies ist insbesondere mit Blick auf Taten von Bedeutung, die in Nichtvertragsstaaten begangen werden. Siehe auch § 6 Rdn. 15 ff.
251
b) Gemeinschaftsschutzprinzip und europäisches Territorialitätsprinzip. Die Europäisierung des Rechts schlägt sich auch im Strafanwendungsrecht nieder. Die Europäische Gemeinschaft ist Trägerin einer Vielzahl von Rechtsgütern, verfügt aber über keine Kompetenz, um diese Rechtsgüter mit den Mitteln des Strafrechts zu schützen (näher Rdn. 2 8 1 f). Sie ist daher darauf angewiesen, dass die Mitgliedstaaten ihr nationales Strafrecht in den Dienst der Gemeinschaft stellen.
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Vor diesem Hintergrund besagt das Gemeinschaftsschutzprinzip, dass die Mitgliedstaaten der EG Taten, die sich gegen die Interessen der EG richten, auch dann verfolgen und bestrafen dürfen, wenn diese im Ausland begangen werden (vgl. auch Oehler Rdn. 913). Bei dem Gemeinschaftsschutzprinzip handelt es sich um eine Erweiterung des Staatsschutzprinzips (Rdn. 2 2 5 ) . Das Gemeinschaftsschutzprinzip ist völkerrechtlich abgesichert; es reagiert auf die Schutzlücke, die im Recht von Tatortstaaten außerhalb der E G mit Blick auf Gemeinschaftsrechtsgüter besteht. Insoweit gilt nichts anderes als im Zusammenhang mit dem Staatsschutzprinzip.
253
De lege ferenda ist die Weiterentwicklung des Territorialitätsprinzips zu einem gemeinschaftsrechtlichen oder europäischen Territorialitätsprinzip angesichts der fortschreitenden politischen und gesellschaftlichen Integration Europas konsequent. Bezugspunkt eines solchen erweiterten Territorialitätsprinzips wäre das Gebiet aller Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. 1 4 4 So ist das Prinzip etwa im Zusammenhang mit dem Zuständigkeitsbereich einer Europäischen Staatsanwaltschaft und im Zusammenhang mit bestimmten „Europa-Delikten" vorgeschlagen worden, zu deren Verfolgung und Aburteilung jeder Mitgliedstaat befugt sein soll, wenn die Taten auf dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft begangen werden. 1 4 5
254
c) Domizilprinzip. Den Personalitätsprinzipien nahe steht das Domizilprinzip. Es lässt für die Begründung der innerstaatlichen Strafgewalt den inländischen Wohnsitz des Täters (aktives Domizilprinzip) oder des Opfers (passives Domizilprinzip) genügen. 1 4 6 Es findet sich in mehreren neueren Abkommen (Rdn. 141, 144, 154, 181, 2 0 1 jeweils für
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Vgl. etwa Lagodny ZStW 101 (1989) 993; ähnlich Ambos MK § 7 Rdn. 30. Vgl. auch Sch/Schröder/Eser Rdn. 10 ( „Strafverfolgungszuständigkeit aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen"). Zum Vertragsprinzip demnächst eingehend Jeßberger Der transnationale Geltungsbereich des deutschen Strafrechts. Hierzu Ambos MK Rdn. 16 , 85; Satzger Europäisierung des Strafrechts (2001) S. 388.
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145 v g l. hierzu Delmas-Marty/Vervaele (Hrsg.) Implementation of the Corpus Juris in the Member States (2000), Band 1, S. 188 („European judicial area"); Vogel in Tiedemann (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union (2002) S. 91, 96. 146 Jescheck/Weigend § 18 II 3.
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Strafanwendungsrecht
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Staatenlose mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland) sowie im Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung (Rdn. 148). Gegenüber dem Personalitätsprinzip mit seiner starren Anknüpfung an das formelle Kriterium der Staatsangehörigkeit ist das Domizilprinzip deutlich flexibler; ob es bereits völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ist, ist zweifelhaft; die Entwicklung des Völkerrechts ist im Fluss. Gegenwärtig ist davon auszugehen, dass das Domizilprinzip die Ausübung von Strafgewalt grundsätzlich nur zu rechtfertigen vermag, wenn die betroffenen Staaten die Anknüpfung an den inländischen Wohnsitz vertraglich festgelegt haben. Im Einzelfall kann freilich die Verbindung mit anderen Gesichtspunkten, wie etwa dem passiven Personalitätsprinzip oder dem Schutz von hochrangigen Individualrechtsgütern zu einem anderen Ergebnis führen (vgl. § 5 Rdn. 112 ff). d) Kompetenzverteilungsprinzip. 1 4 7 Dem Kompetenzverteilungsprinzip liegt der Gedanke zugrunde, dass Staaten die Zuständigkeit zur Aburteilung von Taten aus Zweckmäßigkeitsgründen und um der Gerechtigkeit willen so festlegen, dass eine Überschneidung der Geltungsbereiche der Strafrechtsordnungen möglichst eingeschränkt, eine Doppelbestrafung vermieden oder die Vollstreckung eines fremden Urteils vereinbart wird (grdl. Oehler Rdn. 134 ff, 6 8 2 ff). Im geltenden Recht hat es bislang keinen Niederschlag gefunden.
255
Das Kompetenzverteilungsprinzip knüpft die Strafbefugnis nicht an den Tatort oder an die Staatsangehörigkeit des Täters, sondern an den Täterwohnsitz; zuständig soll der Staat sein, in dem die Verurteilung am zweckmäßigsten vorgenommen werden kann. Ausprägungen des Kompetenzverteilungsprinzips finden sich in den Europäischen Ubereinkommen über die Überwachung bedingt verurteilter oder bedingt entlassener Personen vom 3 0 . 1 1 . 1 9 6 4 , 1 4 8 über die internationale Gültigkeit von Strafurteilen vom 28.5. 1970 (ETS Nr. 70), über die Übertragung von Strafverfahren vom 15.5.1972 (ETS Nr. 73) und über die Ahndung von Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr vom 3 0 . 1 1 . 1 9 6 4 (ETS Nr. 5 2 ) . 1 4 9 Die Übereinkommen sind für die Bundesrepublik noch nicht in Kraft getreten. Zur Problematik konkurrierender Strafgewalten siehe Rdn. 45 ff.
256
V. Die gesetzliche Regelung des Strafanwendungsrechts 1. Die Verwirklichung der völkerrechtlichen Geltungsprinzipien im geltenden Recht. Seit dem Inkrafttreten des 2. StrRG am 1.1.1975 (§ 1 des G über das Inkrafttreten des 2. StrRG vom 30.7.1973, BGBl. I S. 909, und Art. 18 II Nrn. 2 f f , Art. 3 2 6 Abs. 1 EGStGB) ist der Gebietsgrundsatz (Rdn. 219, 2 2 2 ) - wie schon bis 1 9 4 0 - wieder Ausgangspunkt des deutschen Strafanwendungsrechts. 1 5 0 Diese Umkehr entsprach dem Vorschlag der vorangegangenen Entwürfe eines Strafgesetzbuches. 1 5 1 Die heutige Regelung liegt im Zuge der internationalen Rechtsentwicklung; es entspricht dem gegenwärtigen Verhältnis der Staaten zueinander besser, die eigene Strafgewalt grundsätzlich auf Taten zu beschränken, die im eigenen Gebiet begangen werden. In einem gewissen Gegensatz dazu steht allerdings jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht - eine zunehmende Tendenz, die immer zahlreicher werdenden internationalen Straftaten (Rdn. 51) weltweit zu bekämpfen und zu diesem
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Jescheck/Weigend § 18 II 7; Satzger § 4 Rdn. 17; krit. Ambos MK Rdn. 61. Abdruck bei Grützner/Pötz III 3 S. 3. Dazu Oehler Rdn. 788. Eingehend zur Entwicklung des Strafanwen-
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dungsrechts seit Mitte des 18. Jahrhunderts Eder S. 25 ff. § § 3 ff E 1962, Begründung S. 105, 109; § 4 AE.
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Zweck die völkerrechtliche Verpflichtung des Staates weiter auszubauen, den Geltungsbereich seines Strafrechts auch auf Auslandstaten zu erstrecken (siehe Rdn. 34 ff). 258
Der nationalsozialistische Gesetzgeber hatte die frühere Regelung durch die Geltungsbereichs VO vom 6.5.1940 152 - dem österreichischen Recht und früheren Entwürfen folgend - eingeführt. Sie beruhte auf dem aktiven Personalgrundsatz (Rdn. 219, 232). Dieser Grundsatz wurde als Ausdruck einer „völkischen Treuepflicht" verstanden und sollte die „blutsmäßige Bindung" aller Deutschen juristisch umsetzen. In diesem Sinne war die GeltungsbereichsVO von nationalsozialistischen Vorstellungen geprägt. 153 Gleichwohl war die Regelung nach 1945 nach herrschender Meinung rechtsstaatlich und verfassungsrechtlich unbedenklich. 154 Sie wurde sogar, soweit der Grundsatz der identischen Norm (Rdn. 17 ff) beachtlich war, aus dem Gedanken der internationalen Solidarität bei der Verbrechensbekämpfung als besonders wirksamer Schutz ausländischer Rechtsgüter gegen Angriffe Deutscher im Ausland begriffen. 155 Straftaten von Ausländern im Inland erfasste das frühere Recht auf Grundlage des Gebietsgrundsatzes (§ 4 Abs. 1 StGB a.F.).
259
Mit Recht wurde indes die Rückkehr zum Gebietsgrundsatz als Leitprinzip des deutschen Strafanwendungsrechts allgemein begrüßt. Kritik 156 richtete sich dagegen, dass dieser Grundsatz in wichtigen Bereichen und im Ganzen stärker durchbrochen wird, als dies vor 1940 der Fall war; siehe auch § 3 Rdn. 4 f. 260 Die heutige gesetzliche Regelung knüpft primär nicht mehr an Täter, sondern an Tatorte an. Das Gesetz stellt den Gebietsgrundsatz, wonach das deutsche Strafrecht für alle Inlandstaten gilt, an die Spitze (§ 3). Es lässt die Sonderregelung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen, der der Flaggengrundsatz zugrunde liegt, folgen (§ 4). Danach wird im Einzelnen geregelt, was gilt, wenn die Tat im Ausland begangen wird ( S S 5 bis 7). In diesen Vorschriften wird enumerativ aufgeführt, in welchen Fällen der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts auf das Ausland ausgedehnt wird. Das Gesetz verwirklicht dabei unterschiedliche Geltungsprinzipien, die vielfach miteinander kombiniert sind. So können nach dem Staatsschutzgrundsatz Auslandstaten etwa in den Fällen des S 5 Nrn. 1, 2, 3 Buchst, b, 4, 5 Buchst, a und 10 verfolgt werden. Der passive Personalgrundsatz liegt den Fällen des S 5 Nrn. 6 und 7 sowie des S 7 Abs. 1 zugrunde, in denen es um den Schutz Deutscher oder um den Schutz deutscher Unternehmen geht. Der aktive Personalgrundsatz ist - teilweise kombiniert mit dem Domizilgrundsatz unter anderem maßgebend in den Fällen des S 5 Nrn. 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8, 9 und 12. Er gilt ferner - freilich mit der Einschränkung der Strafbarkeit nach dem Recht des Tatorts sofern dieser einer Strafgewalt unterliegt - allgemein für Auslandstaten Deutscher (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 erste Alternative). Unter denselben Voraussetzungen werden auch Auslandstaten im Inland betroffener Ausländer nach dem Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege verfolgt, wenn diese nicht ausgeliefert werden (§ 7 Abs. 2 Nr. 2). In S 6 sind Auslandsstraftaten zusammengefasst, die auf Grundlage des Weltrechtspflegegrundsatzes, des Vertragsgrundsatzes oder des Gemeinschaftsschutzgrundsatzes verfolgt werden können.
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RGBl. I S. 754 (hierzu Werle Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich (1989) S. 308 ff), ergänzt durch das 3. StRÄndG (BGBl. 1953 I S. 735) und das 4. StRÄndG (BGBl. 1957 I S. 597). Jescheck/Weigend § 18 II 3, III 1.
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BGH NJW 1969 1542 f; 1951 769; BGHSt 2 160 f; OLG Hamburg J Z 1951 305; (Dehler GA 1960 121; vgl. dens. Rdn. 751. Jescheck/Weigend § 18 II 3; Oehler Rdn. 139. Gallas ZStW 80 (1968) 14; Schultz GA 1966 198; Vogler FS Grützner, S. 155.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Die gesetzliche Systematik lässt es zu, dass eine Tat die Voraussetzungen mehrerer Geltungsbereichsnormen erfüllt, die dann nebeneinander anwendbar sind.
261
Konkurrieren mehrere Geltungsbereichsnormen, so hat diejenige den Vorrang, die im Einzelfall am weitesten reicht, die es also gestattet, die Tat strafrechtlich so umfassend zu würdigen, wie nach dem Sachverhalt möglich, das heißt unter allen oder möglichst vielen sachlichrechtlichen Gesichtspunkten. 1 5 7
262
Abzulehnen ist deshalb die Auffassung des O L G Düsseldorf ( N J W 1 9 7 9 59, 61 f), § 5 stelle gegenüber § 7 eine Spezialvorschrift dar, welche die Strafbarkeit von Auslandstaten abschließend regele, und dies habe mit Blick auf § 5 Nr. 6 zur Folge, dass für eine im Ausland gegen einen Ausländer begangene politische Verdächtigung das deutsche Strafrecht „grundsätzlich" nicht gelte, dies selbst dann, wenn der Täter nach der Tat Deutscher geworden ist (OLG Düsseldorf N J W 1 9 7 9 59, 62). Richtigerweise kommt hier § 7 zum Z u g e ; 1 5 8 entsprechend gilt für einen Deutschen mit Lebensgrundlage im Ausland, der im Ausland die Voraussetzungen des § 218 verwirklicht, deutsches Strafrecht zwar nicht gemäß § 5 Nr. 9, aber - vorausgesetzt der Abbruch der Schwangerschaft ist nach dem Recht des Tatorts mit Strafe bedroht - gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1.
263
Eine Ausnahme von dem dargelegten Grundsatz (Rdn. 2 6 2 ) bildet § 7. Nach dem Gesetzeswortlaut ist eindeutig, dass Absatz 1 dieser Vorschrift deren Absatz 2 vorgeht, Absatz 2 also nur in Fällen eingreift, die nicht von Absatz 1 erfasst werden (Ambos M K Rdn. 77). Dadurch wird die Verfolgung von Auslandstaten erleichtert, die sich gegen Deutsche richten; wird sie doch ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Täters und unabhängig von den besonderen Voraussetzungen der Nummer 2 des § 7 Abs. 2 ermöglicht.
264
Als weitere Ausnahme regelt § 91 den internationalen Anwendungsbereich der §§ 8 4 (Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei), 85 (Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot) und 87 (Agententätigkeit zu Sabotagezwecken) speziell, weil wegen der Besonderheit der Materie die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen über das Strafanwendungsrecht nicht in Betracht kommt (Jescheck/Weigend5 § 18 III 6). Die Vorschrift entzieht die bezeichneten Straftatbestände damit der Anwendung des Ubiquitätsprinzips des § 9. Auch geht sie als Spezialnorm den § § 4 und 7 Abs. 2 Nr. 1 (zweite Alternative) vor, soweit es sich um Tätigkeiten im Ausland handelt. 1 5 9
265
In der Gesamtschau reicht der heutige Geltungsbereich des deutschen Strafrechts auch im internationalen Vergleich - äußerst weit. Zahlreiche Stimmen im Schrifttum fordern seine Begrenzung. 1 6 0
266
2. Die Rechtsnatur der Geltungsbereichsnormen. Die §§ 3 bis 7 sind Teil des sachliehen Rechts. 1 6 1 Als allgemeine Geltungsbereichsnormen legen sie den Geltungs- und Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts fest (Rdn. 3 ff). Zu den prozessualen Wirkungen der Geltungsbereichsnormen siehe Rdn. 10.
267
3. Geltungsbereichsnorm und Gesetzlichkeitsprinzip. Als Normen des sachlichen Rechts unterliegen die Vorschriften des Strafanwendungsrechts auch den Erfordernissen des Grundsatzes nullum crimen sine lege (Art. 103 Abs. 2 G G , § 1; BVerfG wistra 2 0 0 3
268
157 158
159 160
Zust. Ambos MK Rdn. 77. So auch Henrich S. 76; Lemke NK § 7 Rdn. 1; Sch/Schröder/Eser § 7 Rdn. 3. Vgl. die Erläuterungen zu § 91. Lackner/Kübl Rdn. 1; Lagodny/Nill-
161
TheobaldjR 2000 205, 207; Zieher S. 176 f; vgl. auch Sch/Schröder/Eser Rdn. 12. Ambos MK Rdn. 3; Lackner/Kühl Rdn. 10; Sch/Schröder/Eser Rdn. 1; aA Hoyer SK Rdn. 4 („Meta-Normen").
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
255, 257). 1 6 2 Dies hat zur Folge, dass das Rückwirkungsverbot, der Ausschluss strafbegründenden und strafschärfenden Gewohnheitsrechts (§ 1 Rdn. 169) und das Analogieverbot (§ 1 Rdn. 238) für die bezeichneten Vorschriften gelten (vgl. § 6 Rdn. 103, 105; § 7 Rdn. 87). Denn sie enthalten nicht allein Prozessvoraussetzungen (Rdn. 10), sondern bilden sachlichrechtlich zugleich objektive Bedingungen der Strafbarkeit (Rdn. 452), von denen es abhängt, ob eine bestimmte Tat vom deutschen Strafrecht überhaupt erfasst wird. 269
Auch im Zusammenhang mit dem Strafanwendungsrecht ist auf Grund deutschen Strafrechts zu beurteilen, ob die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Das gilt selbst in Fällen, in denen dieses Recht im Hinblick auf denselben Sachverhalt mit anderen Rechtsordnungen konkurriert. Art. 103 Abs. 2 GG ist dagegen nicht verletzt, wenn die fremde Rechtsordnung eine dem konkurrierenden deutschen Recht entsprechende Strafvorschrift nicht enthält oder wenn sie das nach deutschem Recht strafbare Verhalten ausdrücklich rechtfertigt (BVerfG EuGRZ 1995 203, 215).
270
Im Einklang mit diesen Erwägungen kann es im Rahmen des § 7 nicht darauf ankommen, ob die nach Auslandsrecht begründete Strafbarkeit am ausländischen Tatort (als Voraussetzung einer Erstreckung des deutschen Strafrechts) in einer Weise bestimmt ist, welche den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG genügt. Die Strafbarkeit muss im Ausland zwar zur Tatzeit bestehen. Sie könnte nach Auslandsrecht aber außerhalb eines formellen Gesetzes anerkannt sein und zum Beispiel auf ungeschriebenem Gewohnheitsrecht beruhen, wenn es sich einwandfrei feststellen ließe (vgl. Henrich S. 81; Schölten S. 130). Im Zusammenhang mit § 7 Abs. 1 und 2 wird Art. 103 Abs. 2 GG auch nicht verletzt, wenn Strafbarkeit nach ausländischem Tatortrecht angenommen wird, obwohl ein totalitäres Regime die auf seinem Gebiet begangene Tat durch willkürliche Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe, welche allgemein anerkannte Menschenrechte in schwer wiegender Weise missachten, von Strafe freistellt (vgl. BVerfG EuGRZ 1996 538; 548 f; BGHSt 39 1, 26 ff; Schölten S. 166 ff; näher § 7 Rdn. 38 f).
271
4. Tatbestandsmäßige Beschränkungen des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts. Die allgemeinen Grundsätze für die Geltung des deutschen Strafrechts sind aus dem Besonderen Teil zu ergänzen. Denn bei Taten mit Auslandsbezug können sich Grenzen bei der Anwendung einzelner Straftatbestände daraus ergeben, dass sich der Tatbestand auf den Schutz eines inländischen Rechtsguts beschränkt.
272
a) Problematik. Es gibt Handlungen von Inländern im Ausland, die scheinbar einen deutschen Straftatbestand erfüllen, obwohl dieser nur deutsche Interessen schützen soll, während sich die Auslandstat ausschließlich gegen Rechtsgüter des fremden Staats richtet. Unter welchen Voraussetzungen eine Strafvorschrift nur inländische Rechtsgüter schützt, ist eine Frage der Auslegung des deutschen Strafgesetzes 163 und für jeden Fall gesondert zu prüfen. 1 6 4
273
Die Frage, ob der Tatbestand einer deutschen Strafvorschrift das angegriffene Rechtsgut schützt, stellt sich erst, wenn die Geltung dieses Straftatbestandes feststeht. 165 Die
162
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Tröndle/Fiscber R d n . 1; vgl. auch Ambos M K R d n . 7 8 f. RGSt 19 192, 195 f; 14 124, 128 ff; O L G H a m m J Z 1960 576 m. Anm. Schröder; zur G e s a m t p r o b l e m a t i k s. Schlüchter FS Oehler, S. 3 0 7 ff; Lüttger FS Jescheck, S. 121 ff. Vgl. BGHSt 21 277, 2 8 0 ; 2 0 51 f; 8 349,
448
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3 5 5 ff. Z u r entsprechenden Problematik bei A n w e n d u n g der Regeln des interlokalen Strafrechts vgl. BGHSt 7 53, 5 6 f. Hoyer SK R d n . 31; Satzger § 3 Rdn. 9; Schroeder N J W 1990 1406; diff. Ambos M K R d n . 90.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
herrschende G e g e n a n s i c h t 1 6 6 stützt sich u.a. d a r a u f , Handlungen, die den Schutzbereich eines deutschen Straftatbestandes nicht betreffen, seien keine „ T a t e n " im Sinne der §§ 4 ff, weil sie nicht den T a t b e s t a n d eines Strafgesetzes verwirklichten. Sie lässt sich a b e r nicht damit vereinbaren, dass die Auslegung eines Straftatbestandes notwendig voraussetzt, dass dieser für die fragliche Tat Geltung beanspruchen k a n n . Die hier vertretene Ansicht trägt dem Umstand R e c h n u n g , dass die fehlende A n w e n d b a r k e i t des deutschen Strafrechts ein Verfahrenshindernis darstellt ( R d n . 10). Z u unterscheiden sind ausländische Rechtsgüter und inländische Rechtsgüter, also solche, die durch die staatliche R e c h t s o r d n u n g geschützt werden (siehe a u c h § 5 R d n . 6 ) . 1 6 7 Die Unterscheidung ist allerdings nur dort von Bedeutung, w o es sich u m staatliche Interessen handelt (eingehend hierzu Obermüller D e r Schutz ausländischer Rechtsgüter im deutschen Strafrecht, 1 9 9 9 ) . Die Frage stellt sich nicht, soweit es u m persönliche Rechtsgüter geht. Individualrechtsgüter wie das Leben, die Ehre, das V e r m ö g e n und die Freiheit der Willensbetätigung werden allgemein geschützt, gleichgültig, o b Inländer oder Ausländer Träger des Rechtsguts sind ( B G H S t 2 9 8 5 , 8 8 ) . 1 6 8 M a n k a n n diesen G e d a n k e n auch so formulieren: „ I n l ä n d i s c h e " Rechtsgüter in dem Sinne, dass sie grundsätzlich durch den einschlägigen deutschen Straftatbestand geschützt w e r d e n , sind alle Individualrechtsgüter, und zwar o h n e R ü c k s i c h t auf die N a t i o n a l i t ä t des Rechtsgutsinhabers oder die Belegenheit seines Rechtsguts.
274
Schützt ein Tatbestand außer inländischen staatlichen Interessen zugleich ein personliches R e c h t s g u t , 1 6 9 so dürfte es darauf a n k o m m e n , o b es sich insoweit um einen eigenständigen Schutzzweck handelt oder lediglich u m einen (nur tatsächlichen) Schutzreflex, dem keine eigenständige rechtliche Bedeutung z u k o m m t . N u r im ersten Fall ist eine Verletzung individueller Interessen t a t b e s t a n d s m ä ß i g und bei einer Erstreckung des deutschen Strafrechts auf einschlägige Auslandstaten s t r a f b a r . 1 7 0
275
Die Gleichstellung von Inländern und Ausländern ist, wenn es sich um den Schutz ihrer Individualrechtsgüter handelt, ein a n e r k a n n t e r Grundsatz des „ m i n i m u m standard o f j u s t i c e " , der als Ausfluss des völkerrechtlichen Fremdenrechts jeden Staat b i n d e t . 1 7 1 D a s bedeutet j e d o c h nicht, dass einschlägige Straftaten schon deshalb und u n a b h ä n g i g v o m Tatort der Strafgewalt eines jeden Staates unterlägen oder dass sie schon dadurch zu internationalen Straftaten (Rdn. 5 1 ) würden.
276
Geht es allein um die Interessen fremder Staaten, beispielsweise um den Schutz ihrer Hoheitsgewalt oder ihrer Verwaltung, so ist die deutsche Staatsgewalt in der Regel nicht berufen, diese strafrechtlich zu s c h ü t z e n . 1 7 2 D e s h a l b beziehen sich die in B e t r a c h t k o m menden Straftatbestände des deutschen Strafrechts grundsätzlich nicht auf den Schutz der Belange fremder Staaten.
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BGHSt 2 9 85, 88; Lackner/Kühl Rdn. 9; Lemke NK Rdn. 27; Sch/Schröder/Eser Rdn. 13; Tröndle/Fischer Rdn. 4; s. auch Gribbohm LK 1 1 Rdn. 179. Ambos MK Rdn. 83; Hoyer SK Rdn. 32; Lemke NK Rdn. 28; Sch/Schröder/Eser Rdn. 15 f. Ambos MK Rdn. 86; Hoyer SK Rdn. 33; Jescheck FS Maurach, S. 583; Jescheck/ Weigend § 18 III 8; Lemke NK Rdn. 29; Oehler Rdn. 233; ders. JR 1975 293; Sch/
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172
Schröder/Eser Rdn. 15; Tröndle/Fischer Rdn. 8. Vgl. OLG Celle JR 2 0 0 2 33 zu § 125 m. Anm. Hoyer. Ambos MK Rdn. 87. Jescheck/Weigend § 18 III 8; vgl. auch Ipsen in Ipsen § 50. BGHSt 22 282, 285; Ambos MK Rdn. 84; Jescheck/Weigend § 18 III 8; Lemke NK Rdn. 31; Nowakowski J Z 1971 634; Oehler Rdn. 233, 778 f; ders. FS Mezger, S. 98 f.
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
278
Anders ist es allerdings, wenn es der Gesetzgeber für erforderlich hält, den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts aus besonderem Grunde ausdrücklich auf ausländische staatliche Interessen oder internationale Institutionen auszudehnen, indem er einen an sich unanwendbaren Straftatbestand entsprechend erweitert, sei es im StGB oder außerhalb durch ein ergänzendes Gesetz (vgl. etwa Rdn. 465; § 5 Rdn. 192 f). 1 7 3 In einem solchen Fall ist es nicht Sache des Richters, die Anwendung eines Straftatbestands entgegen dessen Wortlaut im Rahmen des Territorialitätsprinzips „teleologisch zu reduzieren". 174
279
Beispiele für eine solche Ausdehnung des Schutzbereichs deutscher Straftatbestände finden sich etwa in den §§ 102 bis 104, in § 129b und in § 152. Zum Schutz der Vertragsstaaten des Nordatlantikpaktes und ihrer Truppen hat Art. 7 des 4. StRÄndG vom 11.6.1957 in der geltenden Fassung 175 zahlreiche zum Zwecke des Staatsschutzes erlassene Straftatbestände erweitert, so aus den Abschnitten Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 93 ff - vgl. BGHSt 38 75, 76 f = JR 1992 204 m. Anm. Schroeder; 32 104, 107 ff), Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109d ff), Widerstand gegen die Staatsgewalt (§§ 113 ff) sowie Straftaten im Amt (§§ 333, 334).
280
Von besonderer Bedeutung ist die Ausdehnung des Schutzbereichs nationaler Straftatbestände im Zusammenhang mit dem strafrechtlichen Schutz der Interessen der Europäischen Gemeinschaft (näher Hecker § 2 Rdn. 7, § 7 Rdn. 71 ff; M. Vormbaum Schutz der Rechtsgüter von EU-Staaten durch das deutsche Strafrecht, 2005).
281
Die Europäische Gemeinschaft ist Trägerin einer Vielzahl von Rechtsgütern, wie Vermögen, Eigentum, Funktionsfähigkeit der Verwaltung (Satzger § 8 Rdn. 88). Sie ist aber nicht in der Lage, ihre eigenen Interessen mit den Mitteln des Strafrechts selbst zu schützen. Die Europäische Gemeinschaft hat - abgesehen von der Befugnis der Kommission, in bestimmten Bereichen Geldbußen zu verhängen - bisher nämlich ebenso wenig wie die Europäische Union eine Kompetenz zur Strafrechtssetzung.176 Deshalb muss der strafrechtliche Schutz der Gemeinschaftsgüter mit Hilfe der nationalen Strafrechtsnormen und Gerichte durchgesetzt werden. 177 Die Mitgliedstaaten sind dabei nicht nur befugt, Gemeinschaftsinteressen strafrechtlich abzusichern, sondern hierzu auf Grundlage von Art. 10 EGV auch verpflichtet (näher Hecker § 7 Rdn. 23 ff). 1 7 8
282
Die Mindestanforderungen an den strafrechtlichen Schutz, den jeder Mitgliedstaat zu gewähren hat, sind in einer Reihe von Entscheidungen des EuGH entwickelt worden (insbesondere EuGHE 1989 2965 = EuZW 1990 99 m. Anm. Tiedemann-, EuGHE 1990 2911; 1991 4371). Der EuGH verlangt, dass die Mitgliedstaaten für jeden Fall der Verletzung von Gemeinschaftsrechtsgütern eine wirksame, verhältnismäßige Sanktion verhängen; die Wahl der konkreten Sanktion bleibt jedoch jedem Mitgliedstaat vorbehalten, „Brüche" mit der nationalen Strafrechtsordnung verlangt der EuGH nicht. 179 Sieht das innerstaatliche Recht eines Mitgliedstaates aber bereits Sanktionen für die Verletzung eines vergleichbaren nationalen Rechtsgutes vor, so trifft den Mitgliedstaat über die genannten Mindestanforderungen hinaus die Pflicht, die Verletzung des Gemeinschafts173 174
175
176
Hierzu Günther-Nicolay S. 115 ff. Lemke N K Rdn. 3 2 ; aA Schlüchter FS Oehler, S. 3 0 7 , 3 2 0 f gegen BGHSt 3 2 68, 75 ff zu §§ 1 4 8 , 152. Letztes Änderungsgesetz vom 1 9 . 1 2 . 1 9 8 6 (BGBl. I S. 2 5 6 6 ) . Hecker § 4 Rdn. 8 3 ff; vgl. auch B G H N S t Z 1995 548, 549; 1995 550, 551; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 8 2 m.w.N.
450
177
Ambos S 11 Rdn. 3 3 ; Oehler Rdn. 9 0 8 ; Satzger § 8 Rdn. 2 6 ; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 8 2 .
178
Dannecker Z S t W 117 ( 2 0 0 5 ) 697, 721 ff; Satzger § 8 Rdn. 2 6 .
179
Satzger $ 8 Rdn. 2 7 ; Tiedemann 2 3 , 2 7 m.w.N.
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NJW 1993
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
rechtsgutes nach den gleichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln zu ahnden wie vergleichbare Verstöße gegen nationales Recht (Assimilierungserfordernis). Die Einbeziehung von Rechtsgütern der Europäischen Gemeinschaft in den Schutzbereich deutscher Strafnormen ergibt sich teilweise unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Dies ist etwa bei den Tatbeständen des Subventionsbetruges (vgl. § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2; hierzu § 6 Rdn. 95 ff) und der Steuerhinterziehung (vgl. § 370 Abs. 6 AO; hierzu Rdn. 458) der Fall; 1 8 0 das Gesetz erstreckt damit den Anwendungsbereich der Strafnormen gegen Verkürzung der Ein- oder Ausfuhrabgaben, welche traditionell nur inländische fiskalische Belange schützen, auf Eingangsabgaben, die von einem anderen Mitgliedstaat der EU verwaltet werden oder einem Mitgliedstaat der EFTA zustehen (hierzu Tröndle/Fischer53 Rdn. 8). Ferner dehnt § 108d den Anwendungsbereich der §§ 107 bis 108c auch auf die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus; § 108e erfasst den Stimmenkauf oder -verkauf für eine Wahl oder Abstimmung im Europäischen Parlament (vgl. hierzu auch § 5 Rdn. 208 ff). Auch im deutschen Korruptionsstrafrecht findet sich die Gleichstellung von Gemeinschaftsinteressen mit deutschen Interessen; so hat der Gesetzgeber in Art. 2 § 1 und 2 EUBestG deutsche, mitgliedstaatliche und EGAmtsträger mit Blick auf die Strafvorschriften über Bestechung und Bestechlichkeit (SS 332 ff) gleichgestellt (hierzu § 5 Rdn. 192 f). 1 8 1 Siehe Rdn. 464 zu entsprechenden Gleichstellungsklauseln im IntBestG sowie § 2 des G ν. 21.6.2002 (BGBl. I S. 2162) betreffend Richter und Bedienstete des Internationalen Strafgerichtshofes.182
283
Teilweise ergibt sich die Ausdehnung deutscher Straftatbestände auf Gemeinschaftsinteressen im Wege der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des deutschen Strafrechts (hierzu Satzger S 8 Rdn. 84 ff; Tiedemann ZStW 116 (2004) 945, 950). Zu beachten ist dabei, dass Grenze jeder Auslegung der mögliche Wortsinn ist. Daraus folgt, dass dann, wenn der deutsche Gesetzgeber den Schutzbereich ausdrücklich auf den Schutz deutscher hoheitlicher Interessen beschränkt hat, eine Ausdehnung auf Gemeinschaftsrechtsgüter ausscheidet.183 Hier wäre die Grenze zur unzulässigen Analogie überschritten. In den genannten Grenzen kann die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung aber ergeben, dass etwa S 132 nicht auf inländische Ämter beschränkt ist, sondern auch öffentliche Ämter der EG umfasst; 184 weitere Beispiele bei Satzger S 8 Rdn. 93 ff; eingehend zum Ganzen Hecker S 10.
285
Der EuGH hat jüngst entschieden, dass sich auch aus dem Unionsrecht eine Pflicht der Mitgliedstaaten ergibt, das nationale Recht „so weit wie möglich" an Wortlaut und Zweck eines Rahmenbeschlusses auszurichten (EuGH NJW 2005 283). Damit hat der Gerichtshof die rahmenbeschlusskonforme Auslegung der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung weitgehend gleichgestellt.
286
Vielfach ergibt sich die Gleichstellung ausländischer Schutzinteressen mit den Schutzgütern deutscher Straftatbestände auch aus internationalen Abkommen; siehe zu Aussage- und Eidesdelikten vor internationalen Gerichten Rdn. 301 ff.
287
So werden in S 8 des Gesetzes vom 16.12.1997 zu dem Übereinkommen vom 26.7. 1995 auf Grund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union über die Errichtung des Europäischen Polizeiamtes (Europol-Gesetz; BGBl. 1997 II S. 2150) die An-
288
180 181
182
Hierzu Tiedemann N J W 1 9 9 0 , 2 2 2 6 . Hecker % 7 Rdn. 7 6 ; Tröndle/Fischer Rdn. 5. Eingehend zu den Gleichstellungsvorschriften Heinrich FS Keller, S. 103.
183 184
Satzger % 8 Rdn. 91. So Satzger § 8 Rdn. 9 2 .
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
gehörigen von Europol (Direktor, Bedienstete, Verbindungsbeamte) den Amtsträgern für die Strafvorschriften über die Verletzung von Privatgeheimnissen, die Verwertung fremder Geheimnisse und die Verletzung des Dienstgeheimnisses gleichgestellt. 289
Gemäß Art. 194 Abs. 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) vom 25.3.1957 (EuratomV; BGBl. II S. 1014) behandelt jeder Mitgliedstaat eine Verletzung der die Gemeinschaft betreffenden Geheimhaltungspflicht nach Absatz 1 als Verstoß gegen seine Geheimhaltungsvorschriften; er „wendet dabei hinsichtlich des sachlichen Rechts und der Zuständigkeit seine Rechtsvorschriften über die Verletzung der Staatssicherheit oder die Preisgabe von Berufsgeheimnissen an" (Art. 194 Abs. 2 Satz l ) . 1 8 5 So griff in einem einschlägigen Fall früher § 100e ein, der im Vorfeld des Landesverrats die Aufnahme oder Unterhaltung verräterischer Beziehungen zum Gegenstand hatte (BGHSt 17 121). Der BGH hat § 100e dort auf Grund einfacher Gesetzesauslegung für anwendbar gehalten, die den durch den Vertrag veränderten Umständen Rechnung trug. Die Entscheidung ist nicht so zu verstehen, als wäre Art. 194 Abs. 2 EuratomV durch das bloße Zustimmungsgesetz vom 27.7.1957 (BGBl. II S. 753, 1014, 1678) zu einer eigenständigen Strafvorschrift geworden, welche das geltende deutsche Strafrecht über die Grenzen seines Wortlauts hinaus erweitert hätte. Zu Bedenken gegen solche (indirekten) Änderungen nationaler Straftatbestände durch internationale Verträge vgl. Oebler Rdn. 9 2 0 bis 922.
290
Wesentlich ist, dass der Gesetzgeber in solchen Fällen grundsätzlich nicht gehindert ist, den aus begründetem Anlass gewährten strafrechtlichen Schutz zur besseren Zweckerreichung auch über das völkerrechtlich verbindliche Mindestmaß hinaus zu gewähren (BGHSt 32 104, 112; vgl. 34 334, 336; 34 1, 2 f). Doch kann dies - aus Gründen innerstaatlichen Rechts - im Einzelfall auch einmal anders sein.
291
Besonderheiten (im Sinne einer strikten Bindung) ergeben sich, wenn ein Blankettstrafgesetz (z.B. Art. 34 Abs. 4 AWG) durch Rechtsverordnung oder einen Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften erweitert werden soll, die der Durchsetzung wirtschaftlicher Sanktionen dienen, welche der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der VN-Charta beschlossen hat (BGHSt 41 127; BGH NStZ 1995 550, 551). Hierbei handelt es sich allerdings nicht nur um ein Problem der völkerrechtlichen Bindung (an die VN-Resolution), sondern auch um die ganz andere Frage, ob die deutsche Rechtsverordnung durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (§ 34 Abs. 4 AWG) gedeckt ist (vgl. auch § 1 Rdn. 165).
292
Die Übernahme einer völkerrechtlichen Verpflichtung, bestimmte internationale Straftaten (Rdn. 51) strafrechtlich zu verfolgen, hebt für sich allein nicht die Grenzen auf, die das innerstaatliche Recht der Strafbarkeit zieht.
293
Diese Grenzen würden sich zum Beispiel auswirken, wenn auf Grund der Folterkonvention (Rdn. 157) deutsches Strafrecht gegen einen türkischen Gefängnisbeamten angewendet werden müsste, der in einem türkischen Gefängnis durch körperliche Misshandlung türkischer Gefangener Aussagen erpresst hätte. Die §§ 341, 343 würden nicht eingreifen, weil Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 grundsätzlich nur ist, wer nach deutschem Recht dazu bestellt ist, Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrzunehmen. Die Anwendung der bezeichneten Strafvorschriften auf den türkischen Beamten würde also gegen das Verbot strafschärfender Analogie verstoßen, es sei denn, der Gesetzgeber erweiterte ihre Anwendbarkeit im Hinblick auf das Folterabkommen. Das ist
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Ambos MK Rdn. 16; Tröndle/Fischer Rdn. 5.
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Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
nicht geschehen. Durch das deutsche Strafrecht erfassbar sind Foltertaten im genannten Fall aber als Körperverletzung (§ 2 2 3 ) und Nötigung (§ 2 4 0 ) sowie gegebenenfalls als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen (§§ 7, 8 V S t G B ) . b) Einzelheiten aa) Beschränkung durch den Gesetzeswortlaut. Es gibt zahlreiche Tatbestände, bei denen sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, dass sie ausschließlich deutsche staatliche Interessen schützen.
294
Zu nennen sind: Friedensverrat (§§ 8 0 , 80a), Hochverrat (§§ 81 bis 83a), Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats (§§ 8 4 bis 92), Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit ( § § 9 3 bis 101a; zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals „gegen die Bundesrepublik Deutschland" in § 9 9 Abs. 1 Nr. 1 vgl. B G H S t 2 9 3 2 5 , 3 2 7 ff); Straftaten gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen und Abstimmungen (§§ 105 bis 1 0 6 b und §§ 107 bis 108e, soweit nicht ausdrücklich auf Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments (§ 108d) und Wahlen oder Abstimmungen im Europäischen Parlament (§ 108e) erstreckt (Rdn. 2 8 4 , § 5 Rdn. 2 0 8 ff); vgl. auch B G H S t 3 9 5 4 , 6 5 ) ; 1 8 6 Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109d bis 1 0 9 k ) ; 1 8 7 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§§ 113, 114 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 2); Gefangenenbefreiung im Falle des § 120 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4; Gefangenenmeuterei im Falle des § 121 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 ; 1 8 8 Strafvereitelung im Amt, soweit nicht die Bediensteten internationaler oder europäischer Institutionen deutschen Amtsträgern gleichgestellt sind (Rdn. 2 8 4 ) ; (§ 2 5 8 a i.V.m. § 11 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 - B G H S t 4 0 169, 186 f ) sowie Straftaten im Amt (§§ 331 bis 3 5 8 i.V.m. § 11 Abs. 1 N r n . 2 bis 4 ) . 1 8 9 Siehe aber Rdn. 2 7 9 ff.
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bb) Beschränkung nach dem Sinn und Zweck des gesetzlichen Tatbestands. In anderen Fällen ergibt sich die Beschränkung auf den Schutz deutscher staatlicher Interessen zwar nicht ohne weiteres aus dem Gesetzeswortlaut, wohl aber aus dem Sinn und Z w e c k der Norm, wie er sich dem Straftatbestand bei Anwendung der anerkannten Auslegungsmethoden entnehmen lässt. 1 9 0
296
So ist es bei den folgenden Bestimmungen: Wehrpflichtentziehung durch Verstümmelung oder Täuschung (§§ 109 und 1 0 9 a ) , 1 9 1 Gefangenenbefreiung im Falle des § 120 Abs. I , 1 9 2 Gefangenenmeuterei in den Fällen des § 121 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 , 1 9 3 Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, wie schwerer Hausfriedensbruch (§ 1 2 4 ) , Störung des öffentlichen Friedens (§ 126), Bildung bewaffneter Gruppen (§ 127), Volksverhetzung (§ 1 3 0 ) , 1 9 4 Vortäuschen einer Straftat (§ 145d) 1 9 5 und Strafvereitelung (§ 2 5 8 ) . 1 9 6
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Oehler Rdn. 781; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18. Vgl. Jescheck/Weigend $ 18 III 8; Oehler Rdn. 781; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18. Oehler Rdn. 781; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18. Oehler Rdn. 781; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18. Jescheck/Weigend § 18 III 8; Lemke NK Rdn. 27. Oehler Rdn. 781; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18; Tröndle/Fischer Rdn. 9.
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Sch/Schröder/Eser Rdn. 18; Vogler NJW 1977 1866, 1867. Ambos MK Rdn. 84; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18. BGHSt 46 212, 219; Tröndle/Fischer Rdn. 9. OLG Düsseldorf NJW 1982 1242 f = J R 1983 75 m. zust. Anm. Bottke·, Ambos MK Rdn. 84; Oehler Rdn. 237, 781. Ambos MK Rdn. 84.
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
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Auch dass der Tatbestand der gemeinschädlichen Sachbeschädigung (§ 304) vor dem Beitritt der D D R eine in Berlin (Ost) aufgestellte Tafel mit der Aufschrift „Sie betreten die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik" schützte, war wohl eher zu verneinen. 1 9 7
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cc) Besondere Fälle. Die Frage nach dem Schutzzweck eines Straftatbestandes ist für jeden Tatbestand und, falls vorhanden, für jede Tatbestandsvariante gesondert zu beantworten.
300
(1) Aufforderung zu Straftaten und Hausfriedensbruch. Bei öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111) ist der Charakter der Straftat maßgebend, zu der aufgefordert wird. 1 9 8 Dass Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 1) die Unverletzlichkeit der Wohnung des Einzelnen (Art. 13 Abs. 1 GG) und damit jedenfalls auch ein Individualrechtsgut berührt, ist offensichtlich und wird durch das Strafantragserfordernis gemäß § 123 Abs. 2 bestätigt. 1 9 9 Dem steht nicht entgegen, dass eine differenzierende Beurteilung am Platze ist, soweit die Tat Diensträume (zum Beispiel einer ausländischen Botschaft) betrifft. 2 0 0
301
(2) Aussagedelikte und Eidesverletzung. Die Straftatbestände gegen falsche uneidliche Aussage und Meineid (§§ 153 ff) dienen grundsätzlich nur dem Schutz der deutschen staatlichen Rechtspflege. 2 0 1 Sie sind auf das deutsche Recht abgestellt. Hinzu kommt, dass die Ausübung ausländischer staatlicher Rechtspflege nicht immer über den Verdacht des Missbrauchs erhaben ist und es nicht dem einzelnen Richter überlassen bleiben kann zu entscheiden, ob die ausländische Rechtspflege den Schutz durch das Strafrecht verdient. 2 0 2 Mit der hier vertretenen Auffassung steht im Einklang, dass § 5 Nr. 10 nur einschlägige Auslandstaten für strafbar erklärt, die sich auf inländische Verfahren beziehen. Danach ist zum Beispiel ein Meineid, den der Täter in einem ausländischen Prozess vor einem ausländischen Gericht leistet, nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 154 und folglich auch nicht auf dem Weg über § 7 mit Strafe bedroht. Die ältere Rechtsprechung 2 0 3 und Stimmen im älteren Schrifttum 2 0 4 haben sich demgegenüber auf den Standpunkt gestellt, dass die Aussagedelikte auch die ausländische Rechtspflege schützten.
302
Für Aussagedelikte und Eidesverletzungen, die vor internationalen Gerichtshöfen begangen werden, gelten die §§ 153 ff nicht ohne weiteres, sondern nur, wenn vertragliche Vereinbarungen den Anwendungsbereich des nationalen Strafrechts auf solche Delikte ausdrücklich ausdehnen. 2 0 5 Dies geschieht in Art. 3 0 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 2 6 . 2 . 2 0 0 1 (BGBl. II S. 1687), wonach jeder Mitgliedstaat die Eidesverletzung eines Zeugen oder Sachverständigen behan-
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So Schroeder JZ 1976 100; ders. NJW 1976 490; aA KG JZ 1976 99; LG Berlin JZ 1976 98; differenzierend Sch/Schröder/Eser Rdn. 18. Sch/Schröder/Eser Rdn. 18; aA Tröndle LK 10 Rdn. 26; wohl auch Oehler Rdn. 781. OLG Köln StV 1982 471 m. abl. Anm. Bernsmann S. 578; Ambos MK Rdn. 86; Oehler Rdn. 781. Bernsmann StV 1982 578; Sch/Schröder/Eser Rdn. 15 und 18. Ambos MK Rdn. 84 (siehe aber Rdn. 88); Lackner/Kühl Rdn. 9; Lüttger FS
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Jescheck, S. 159 ff; Oehler Rdn. 234, 782; Schröder JZ 1968 244; Tröndle/Fischer Rdn. 9; aA Hoyer SK Rdn. 35. Sch/Schröder/Eser Rdn. 21; Schröder JZ 1968 244; Schroeder JZ 1976 100; vgl. auch Nowakowski JZ 1971 634. RGSt 3 70, 72. Jescheck Internationales Recht und Diplomatie (1956) 78; Kohlrausch/Lange § 3 Anm. I 2; Welzel § 6 II 1. Lackner/Kühl Vor S 153 Rdn. 2; Lüttger FS Jescheck, S. 165 ff.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
delt wie eine vor seinen eigenen in Zivilsachen zuständigen Gerichten begangene Straftat. 2 0 6 Vorschriften über die innerstaatliche Verfolgung von Eidesverletzungen vor überoder zwischenstaatlichen Gerichten und Organisationen enthalten ferner Art. 72 der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 2.5.1991 (ABl. 1991 L 136, S. 1 ff), Art. 46 der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 18.9.1959 i.d.F. vom 27.11.1989 (BGBl. II S. 955) und der Bekanntmachung vom 3.1.1992 (BGBl. II S. 70) und Art. 70 Abs. 4 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes vom 17.7.1998 (IStGH-Statut, BGBl. 2000 II S. 1393).
303
In all diesen Fällen (Rdn. 302 f) erfasst das deutsche Strafrecht die Eidesdelikte, die vor den internationalen Gerichtshöfen begangen werden, ohne Änderung des Gesetzeswortlauts der §5 153 f f 2 0 7 allein auf Grund eines stillschweigenden Bedeutungswandels, der bestimmte ausländische Verfahren in den Strafrechtsschutz einbezieht und dem die Wortlautschranke des Strafgesetzes nicht entgegensteht. Anlass für die Änderung des Gesetzesverständnisses sind die völkerrechtlichen Vereinbarungen, nachdem ihnen der Bundestag gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt hat. Neben den Zustimmungsgesetzen wäre eine besondere Transformation der strafrechtlich relevanten Regelungen des Vertragsrechts und der bezeichneten Verfahrensvorschriften durch Gesetz aus Gründen der Rechtsklarheit allerdings zu empfehlen; notwendig ist sie aber nicht. 2 0 8
304
Eine Bestimmung über die innerstaatliche Verfolgung von Straftaten gegen die Rechtspflege durch internationale Strafgerichte findet sich auch in Art. 70 Abs. 4 IStGHStatut. Danach haben die Vertragsstaaten ihre zum Schutz der Rechtspflege bestehenden Strafgesetze auf Taten gegen die Rechtspflege durch den IStGH auszudehnen.
305
(3) Falsche Verdächtigung. Der Tatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164) schützt die inländische staatliche Rechtspflege. Insoweit gilt grundsätzlich Gleiches wie bei den §§ 153ff (Rdn. 301 ff). 2 0 9 Indessen greift § 164 wegen seiner Doppelnatur 2 1 0 auch dann ein, wenn ein Deutscher einen anderen vor einer ausländischen Behörde falsch verdächtigt (BGHSt 18 333; OLG Düsseldorf NJW 1982 1242, 1243). 211
306
(4) Verletzung der Unterhaltspflicht. Hingegen bleibt der Schutz, den der Tatbestand der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170b) gewährt, auf das Inland beschränkt, weil die Vorschrift die deutsche Allgemeinheit vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme zu schützen bestimmt ist und dieser Schutz nicht auf die ausländische öffentliche H a n d ausgedehnt werden kann (BGHSt 29 85, 87 ff). Die Vorschrift ist also unanwendbar, wenn ein im Inland lebender Ausländer seine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber im Ausland lebenden Unterhaltsberechtigten nichtdeutscher Staatsangehörigkeit verletzt. 212
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2,1
I. Erg. ebenso Satzger Europäisierung, S. 567f; aA Lackner/Kühl Vor § 153 Rdn. 2. Oehler Rdn. 150 und Rdn. 912 f. Oehler Rdn. 916 Fußn. 7. Ambos MK Rdn. 84; Lackner/Kühl Rdn. 9. BGHSt 14 240, 244 f; 9 240, 242; 5 66, 68; Sch/Schröder/Eser Rdn. 15; Sch/Schröder/ Lenckner § 164 Rdn. 1, 25. BGH NJW 1952 1385 (Behörde der französischen Besatzungsmacht); BGH JR 1965 307 (polnische Dienststelle); aA RGSt 60
212
317 f für französische Dienststellen während der Ruhrgebietsbesetzung 1923. BGHSt 29 85 = JR 1980 380 mit zust. Anm. Oehler; OLG Stuttgart NJW 1977 1601, 1602; OLG Saarbrücken JR 1975 291 m. krit. Anm. Oehler; LG Ravensburg N S t Z 1984 459 = NStZ 1985 269 m. Anm. Zuberbier/Becker; Oehler Rdn. 236; Sch/Schröder/Eser Rdn. 15; aA OLG Karlsruhe N J W 1978 1754 = JR 1978 379 m. abl. Anm. Oehler; Ambos MK Rdn. 88; Hoyer SK Rdn. 35.
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
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(5) Kreditbetrug. Nach Ansicht des OLG Stuttgart (NStZ 1993 545) schützt der Tatbestand des Kreditbetrugs (§ 265b) nur die Funktionsfähigkeit des inländischen Kreditwesens. 213 Diese Auffassung ist abzulehnen. Das OLG vermengt Fragen der Tatbestandsmäßigkeit mit solchen des Strafanwendungsrechts. Aus dem Umstand, dass das Strafrecht der Schweiz keinen dem § 265b entsprechenden Tatbestand kennt, lassen sich keine Schlüsse auf die Reichweite der deutschen Vorschrift ziehen. Ebenso verfehlt ist - als Begründung - die Erwägung, die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft sei nach Einschätzung des (deutschen) Gesetzgebers kein international geschütztes Rechtsgut, weil er sonst § 265b ebenso wie § 2 6 4 in den Katalog des § 6 aufgenommen hätte. Die Möglichkeit, dass ein solches Rechtsgut gleichwohl auf dem Weg über § 7 im Inland Strafrechtsschutz genießen kann, wird nicht gesehen.
309
Geschützt ist demnach auch das ausländische Kreditwesen, jedenfalls soweit das betreffende Kreditunternehmen seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der EU hat. 214 Dies entspricht der Bestimmung des Schutzbereichs des Versicherungsmissbrauchs (§ 265) durch den BGH (wistra 1993 225).
310
(6) Urkundsdelikte. Ob Urkunden mit Auslandsbezug durch die Urkundentatbestände (§ 267 bis 280) geschützt sind, lässt sich nicht einheitlich beurteilen. Uneingeschränkt wird dies zu bejahen sein, soweit die Tatbestände dem Schutz der Urkundenechtheit und -Unversehrtheit dienen. 215 Soweit es um Wahrheitsschutz geht (§§ 271 bis 273), ist zu beachten, dass diese Vorschriften nicht nur den allgemeinen Beweisverkehr schützen, sondern auch die staatliche Autorität in der besonderen Ausprägung der Beurkundungsbefugnis öffentlicher Urkundspersonen. Da die mittelbare Falschbeurkundung „die Umkehrung der Falschbeurkundung im Amt" 2 1 6 (§ 348) ist, diese aber ausländische Urkunden nicht erfasst, kann grundsätzlich für § 271 nichts anderes gelten (aA OLG Düsseldorf NStZ 1983 221, 222). Als Schutzobjekt der §§ 271 ff kommen jedoch ausländische Urkunden in Betracht, auf denen eine inländische Legalisierung angebracht ist oder die auf Grund von Staats- oder Konsularverträgen als öffentliche Urkunden anerkannt sind und einer derartigen Überbeglaubigung nicht bedürfen. 217 Nach BGHSt 18 333, 334 erfasst § 279 auch den Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse vor ausländischen Konsulaten im Inland. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.218
311
(7) Straßenverkehrsdelikte. Der frühere Meinungsstreit um die Frage, ob und inwieweit das deutsche Verkehrsstrafrecht auch für Verkehrsverstöße Deutscher auf ausländischen Straßen gilt, hat sich durch die Rückkehr zum Gebietsgrundsatz (Rdn. 257) im Wesentlichen erledigt. Verkehrsstraftaten Deutscher im Ausland unterliegen der deutschen Strafgewalt nur noch insoweit, als die Voraussetzungen des § 7 gegeben sind oder auf Grund eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen zwischenstaatlichen Abkommens die Verfolgbarkeit von Auslandstaten besonders vorgesehen ist (vgl. § 6 Nr. 9). 219 Soweit in diesem Sinne ein Anknüpfungspunkt für das deutsche Strafrecht vorhanden ist, sind die Vorschriften über die fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperver-
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Zust. Lackner/Kühl § 265b Rdn. 1; Obermüller (1999) 212. Tiedemann LK 1 1 § 265b Rdn. 119. Ambos MK Rdn. 88; auch Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht BT Rdn. 26 m.w.N. RGSt 66 132, 137; 27 100, 104. Niewerth NJW 1973 1219; Wedenbrüg
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NJW 1973 303; i. Erg. ebenso Oehler Rdn. 784. Oehler Rdn. 784. Vgl. zur Gesamtproblematik Schroeder NJW 1990 1406. Vgl. auch Lemke NK Rdn. 35; Sch/Schröder/Eser Rdn. 20; Tröndle/Fischer Rdn. 11.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
letzung (§§ 222, 229) auch auf Auslandstaten anwendbar, da diese Vorschriften dem Schutz von Individualinteressen dienen (Rdn. 274 f). 2 2 0 Dasselbe gilt grundsätzlich für die verkehrsrechtlichen Straftatbestände (§§ 315ff StGB, 21 ff StVG), soweit diese Bestimmungen nicht nur die Sicherheit der dort genannten Verkehrsarten, insbesondere die des Straßenverkehrs schützen, sondern auch der Sicherheit individueller Rechtsgüter dienen (zu § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst, a bei Trunkenheitsfahrt eines Ausländers offengelassen in BGHSt 42 235, 237). 2 2 1 Die Verhaltensnormen des Straßenverkehrsrechts jedes Landes enthalten ein Ordnungsgefüge, dessen abstrakte Gefährdungsnormen nicht ohne weiteres auf ein anderes, ausländisches Straßenverkehrsrecht passen. 2 2 2 Die Anwendbarkeit von verkehrsstrafrechtlichen Vorschriften ist daher grundsätzlich auf solche Auslandstaten beschränkt, welche die Voraussetzungen konkreter Gefährdungstatbestände erfüllen. 2 2 3 Freilich gilt diese Überlegung nur, soweit die abstrakte Gefährdungsnorm im Wesentlichen auf Besonderheiten der jeweiligen Rechts- und Straßenverkehrsordnung zugeschnitten ist; der abstrakte Gefährdungstatbestand der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), dem ein ganz allgemeines, in allen Straßenverkehrsordnungen geltendes Verhaltensgebot zugrunde liegt, gilt auch für Auslandstaten (OLG Karlsruhe N J W 1985 2 9 05), 2 2 4 ebenso die Vorschrift über unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142), 225 da sie das private Feststellungsinteresse der Unfallbeteiligten schützt.
312
Andere im Ausland begangene Verstöße gegen Straßenverkehrsvorschriften können nach deutschem Recht grundsätzlich nicht verfolgt werden. Als bloße Verkehrsordnungswidrigkeiten unterliegen sie dem Territorialitätsprinzip (§ 5 OWiG), soweit gesetzlich 226 oder durch ein ratifiziertes zwischenstaatliches Abkommen nichts anderes bestimmt ist. 227 Solche supranationalen Vereinbarungen gibt es bisher nur vereinzelt. 228
313
5. Grundbegriffe des geltenden Strafanwendungsrechts a) Tat. Die „Tat" im Sinne der § § 3 ff, für die das deutsche Strafrecht gilt, ist das konkrete Tatgeschehen (die einheitliche prozessuale Tat) unter allen sachlichrechtlichen Gesichtspunkten. Der Ausdruck „Tat", wie ihn die § § 3 f f verwenden, kann unterschiedlichen Inhalt haben (vgl. auch § 11 Rdn. 80). Je nachdem, wie und in welchem Zusammenhang er gebraucht wird, kann seine sachlichrechtliche oder auch seine prozessuale Bedeutung im Vordergrund stehen.
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BayObLG NJW 1972 1722; Ambos MK Rdn. 91; Oehler Rdn. 787; vgl. auch Sch/Schröder/Eser Rdn. 19; D. Schultz JR 1968 47. Ambos MK Rdn. 91; Hoyer SK Rdn. 33; Oehler Rdn. 787; Sch/Schröder/Eser Rdn. 19; Tröndle JR 1977 4. Vgl. BayObLG VRS 29 352; OLG Frankfurt NJW 1965 508; Lackner JR 1968 270; Oehler JZ 1968 191. Ambos MK Rdn. 87; Schröder NJW 1968 285; vgl. Sch/Schröder/Eser Rdn. 19.
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Ambos MK Rdn. 91; Hoyer SK Rdn. 33; Sch/Schröder/Eser Rdn. 19; Tröndle/ Fischer Rdn. 11. BayObLG VRS 26 101; Ambos MK Rdn. 91. Beispiele bei Göhler OWiG S 5 Rdn. 5. Seit der Umwandlung der Verkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten ist BGHSt 21 277 überholt. Z.B. mit der Schweiz (Art. 6 G vom 20.8. 1975, BGBl. II S. 1169); vgl. Ambos MK Rdn. 92; Göhler OWiG § 5 Rdn. 7; Seh/ Schröder/Eser Rdn. 19.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
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aa) Sachlichrechtliche Bedeutung. Im sachlichrechtlichen Sinne ist stets eine Straftat oder wenigstens eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5) gemeint. Ordnungswidrigkeiten scheiden aus; für sie gilt § 5 OWiG.
317
Sachlichrechtlich bestimmt das Gesetz den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts in unterschiedlicher Weise. Es kann - abgesehen von dem Merkmal der Begehung im Inland oder im Ausland - entweder an abstrakte Straftatbestände anknüpfen (wie etwa in § 5 Nrn. 1 und 2, § 6 Nrn. 2 bis 4) oder an außertatbestandliche Kriterien, von denen es die Geltung des deutschen Strafrechts abhängig macht (wie etwa in § 6 Nr. 9 und § 7). Es kann auch beide Methoden miteinander verbinden, wie es dies in vielen Fällen tut (wie etwa in § 5 Nrn. 6 bis 11).
318
In den Fällen, in denen die Geltung des deutschen Strafrechts - ausschließlich oder neben anderen Kriterien - an einen bestimmten Straftatbestand anknüpft, erstreckt sich die deutsche Strafgerichtsbarkeit nur auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt und den ihm zugrunde liegenden Sachverhalt. Das ist unabhängig davon, ob weitere Straftatbestände in sachlichrechtlicher Tateinheit erfüllt sind oder ob sie bei sachlichrechtlicher Tatmehrheit in prozessualer Tateinheit mit ihm verbunden sind (BGHSt 3 4 1, 3; B G H N J W 1991 3104). Zur Annexkompetenz bei der Verfolgung von Völkermord nach § 6 Nr. 1 a.F. siehe § 6 Rdn. 7.
319
In anderen Fällen, in denen das Gesetz von der „Tat" spricht, ohne sie rechtlich näher zu bestimmen (§§ 3, 4, 7), ist das konkrete Tatgeschehen gemeint, und zwar unter allen strafrechtlichen Gesichtspunkten. Hier entfällt die Beschränkung, die bei der Ausdehnung des deutschen Strafrechts auf Auslandstaten in der Anführung abstrakter Straftatbestände liegt (Rdn. 318).
320
Tat in diesem Sinne kann auch eine Teilnahme (Anstiftung oder Beihilfe) sein. 2 2 9 Anderenfalls würde es an einer Norm über die Geltung des deutschen Strafrechts für die im Inland oder Ausland begangene Teilnahme an Inlandstaten fehlen. Für die hier vertretene Auffassung spricht, dass das Gesetz in § 8 (anders als in § 9) nicht nur die Täterschaft, sondern auch die Teilnahme als „Tat" bezeichnet und dass es, wie die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 zeigt, ersichtlich davon ausgeht, bei Auslandstaten, die vom deutschen Strafrecht erfasst werden, sei grundsätzlich auch die Teilnahme strafbar. Aus dem Umstand, dass völkerrechtliche Abkommen nicht selten (vgl. etwa Rdn. 161, 179) die Teilnahme an bestimmten internationalen Delikten ausdrücklich zu strafbaren Handlungen erklären, lässt sich Gegenteiliges nicht herleiten. Das Argument, bei der hier vertretenen Auffassung wäre § 9 Abs. 2 Satz 2 überflüssig, 2 3 0 ist nicht überzeugend. Denn diese Vorschrift enthält - bei im Übrigen vorausgesetzter Strafbarkeit der Teilnahme nach deutschem Recht - nur einen Verzicht auf die limitierte Akzessorietät der Teilnahme für den Fall, dass die im Ausland verübte Haupttat, der die Teilnahme im Inland gilt, nach dem Recht des ausländischen Tatorts nicht mit Strafe bedroht und deshalb auch im Inland nicht strafbar ist (näher § 9 Rdn. 4 7 ff; vgl. Ambos § 1 Rdn. 25). Siehe auch § 5 Rdn. 21 ff.
321
bb) Prozessuale Bedeutung. Dem Tatbegriff der § § 3 ff kommt prozessuale Bedeutung zu. Das Fehlen deutscher Gerichtsbarkeit bildet ein Prozesshindernis für die Verfolgung der Tat insgesamt oder unter einem bestimmten sachlichrechtlichen Gesichtspunkt (Rdn. 10). Der prozessuale Einschlag des Tatbegriffs zeigt sich darüber hinaus darin, dass
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Ambos § 1 Rdn. 25 (anders noch ders. MK Rdn. 7); Lackner/Kühl Rdn. 1; Lemke NK S 3 Rdn. 6; Miller/Rackow ZStW 117
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(2005) 381 ff; aA Mitsch Jura 1989 194; Sch/Schröder/Eser § 3 Rdn. 4. Sch/Schröder/Eser § 3 Rdn. 4.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
die Geltung des deutschen Strafrechts nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 mit davon abhängt, ob der Täter wegen der Tat ausgeliefert wird. b) Inland - Ausland. Der Gebietsgrundsatz, der den Ausgangspunkt des deutschen Strafanwendungsrechts bildet (Rdn. 2 5 7 ff), erfordert eine Abgrenzung zwischen Inland einerseits und Ausland andererseits.
322
Inland ist das gesamte Gebiet, auf das sich die Hoheitsgewalt der Bundesrepublik erstreckt; erfasst sind insbesondere das Landgebiet, die Binnengewässer, das Küstenmeer sowie der jeweils darüber liegende Luftraum (näher § 3 Rdn. 2 4 ff). Hier gilt gemäß § 3 das deutsche Strafrecht. Seit dem Beitritt der D D R sind der strafrechtliche, der staatsrechtliche und der völkerrechtliche Begriff des Inlands ebenso deckungsgleich wie die Begriffe Inland und „räumlicher Geltungsbereich" des Strafgesetzbuches (vgl. § 3 Rdn. 20).
323
Im Ausland begangen ist die Tat, wenn der Begehungsort nicht im Inland liegt. Zum Ausland gehören deshalb nicht nur Räume unter fremder Gebietshoheit, sondern auch alle gebietshoheitsfreien Räume (näher § 5 Rdn. 4 2 ff).
324
c) Deutscher - Ausländer. Grundlegend für die Anwendung der § § 3 ff ist ferner die Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern, die vor allem im Hinblick auf das Personalitätsprinzip (Rdn. 2 2 8 , 2 3 2 , 2 6 0 ; vgl. auch § 7 sowie § 5) erforderlich ist.
325
Wer Deutscher ist, ergibt sich aus Art. 116 GG. Hierunter fallen vor allem Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland, daneben aber auch andere Personen, vgl. im Einzelnen § 7 Rdn. 5 5 ff.
326
Ausländer ist, wer zur Tatzeit nicht Deutscher war und es auch später nicht geworden ist, ferner, wer die Staatsangehörigkeit wieder verloren hat (näher § 7 Rdn. 93). Auch Staatenlose sind in strafanwendungsrechtlicher Sicht Ausländer.
327
d) Geltung. Die § § 3 ff ordnen als Rechtsfolge die „Geltung" des deutschen Strafrechts an. Geltung bedeutet sachlichrechtlich auch die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts bei der Prüfung, ob eine strafbare Handlung vorliegt (siehe auch Rdn. 3 ff). Darüber hinaus besagt der Ausdruck, dass die Gerichte unter den bezeichneten Voraussetzungen verfahrensrechtlich befugt sind, deutsche Strafgerichtsbarkeit auszuüben. Der Geltungsbegriff hat also eine strafrechtliche und eine strafprozessuale Seite (Rdn. 7, 10).
328
e) Deutsches Strafrecht. Die in den § § 3 ff angeordnete Geltung deutschen Strafrechts umfasst die Gesamtheit aller Normen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder, durch die rechtswidrige Taten (§ 11 Abs. 1 Nr. 5) tatbestandlich umschrieben und mit Rechtsfolgen belegt sind ( T r ö n d l e / F i s c h e r s 3 Rdn. 2). Hierzu gehört auch die Gesamtheit der Rechtfertigungs-, Schuld- und Strafausschließungsgründe sowie die Verfahrenshindernisse. Das gilt zum Beispiel für Rechtfertigungsgründe, soweit das deutsche Strafrecht nach § 7 auf Auslandstaten anzuwenden ist, und zwar unabhängig davon, ob das ausländische Recht einen gleichen Rechtfertigungsgrund kennt oder nicht (OLG Köln M D R 1 9 7 3 6 8 8 zu § 3 a.F.). Mögliche Rechtfertigungen nach deutschem und ausländischem Recht sind voneinander zu trennen. Strafbarkeit nach § 7 (jeweils erste Alternative) kommt nur in Betracht, wenn Rechtfertigungsgründe nach deutschem und ausländischem Recht ausscheiden; Straffreistellungsgründe im ausländischen Recht können wegen Verstoßes gegen den internationalen ordre public (§ 7 Rdn. 38) unbeachtlich sein. Deutsches Strafrecht wird auch angewendet, wenn zivil- oder verwaltungsrechtliche Vorfragen nach ausländischem Recht beurteilt werden müssen (Rdn. 3 3 0 ff; § 7 Rdn. 21 ff).
329
6. Strafanwendungsrecht und Fremdrechtsanwendung. Deutsche Gerichte wenden ausschließlich deutsches Recht an ( A m b o s M K Rdn. 1; siehe auch Rdn. 8). Dies bedeutet, dass der Richter die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Rechtsfolgen anhand
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
der deutschen Strafgesetze ermittelt. Fremdrechtsanwendung im Sinne der unmittelbaren Anwendung ausländischer Strafrechtsnormen ist im geltenden deutschen Strafrecht nicht vorgesehen. 331
Eine Fremdrechtsanwendung in einem weiteren Sinne kennt das deutsche Strafrecht aber durchaus; dies betrifft zum einen die rechtliche Behandlung außerstrafrechtlicher Vorfragen, zum anderen die Bedeutung der Rechtslage am ausländischen Tatort für die Geltung deutschen Strafrechts in den Fällen des § 7; eingehend zum Ganzen Cornils sowie Staubach.
332
Ausschlaggebend für die Geltung des deutschen Strafrechts kann ausländisches Strafrecht in den Fällen des § 7 sein. Bei der Prüfung, ob eine Auslandstat nach deutschem Strafrecht mit Strafe bedroht ist ( § 7 ) , muss ihm der Sachverhalt mit allen Tatumständen so, wie er sich wirklich ereignet hat, unverändert unterstellt werden (siehe auch § 7 Rdn. 21 ff). Demnach ist eine Auslandstat nicht als vollendete Unterschlagung mit Strafe bedroht, wenn der Täter nach der Rechtsordnung am ausländischen Tatort Eigentum an der von ihm verwerteten Sache erlangt hat, selbst wenn dies bei einem entsprechenden Erwerb in Deutschland nicht der Fall gewesen wäre. 231 Von noch gesteigerter Bedeutung ist das ausländische Tatortrecht dann, wenn man mit der zutreffenden Ansicht (§ 7 Rdn. 89, 92) davon ausgeht, dass in den Fällen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 zweite Alternative und Nr. 2 der Strafrahmen der ausländischen Tatortnorm zu Gunsten des Täters zu berücksichtigen ist.
333
Die Geltung und Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts schließt auch jenseits des § 7 nicht aus, dass ausländische Rechtssätze, in der Regel solche des Zivil- oder Verwaltungsrechts, bei der Subsumtion berücksichtigt werden ( L a c k n e r / K ü h l 2 5 Rdn. 1). So kann das Vorliegen eines normativen Tatbestandsmerkmals von einer nach ausländischem Recht zu beurteilenden Rechtsfrage abhängen. 232 Ausländische Normen können ferner für die Bestimmung der Sorgfaltspflicht bei Fahrlässigkeitsdelikten oder der Garantenpflicht bei Unterlassungsdelikten maßgeblich sein. 233
334
Aus der Geltung des deutschen Strafrechts folgt allerdings, dass zur Ausfüllung eines maßgebenden deutschen Strafgesetzes, welches als Blankettstrafgesetz (§ 1 Rdn. 148, § 2 Rdn. 77) ausdrücklich oder stillschweigend nur auf andere deutsche Rechtsvorschriften verweist, allein inländische Rechtsnormen heranzuziehen sind; denn nur sie vervollständigen dann - gleichsam als dessen Teil - den Straftatbestand, um dessen Anwendung es geht (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 1985 317 = NStZ 1989 182 m. abl. Anm. Liebelt234).
335
Doch ist zum Beispiel § 283b kein Blankettstrafgesetz (aA OLG Karlsruhe NStZ 1985 317). Vielmehr knüpft die Vorschrift - wie die §§ 242, 246 und 266 - bei Umschreibung des gesetzlichen Tatbestands lediglich (auch) an das Vorhandensein außerstrafrechtlicher Rechtsverhältnisse an, die zu den Tatumständen gehören; 235 damit ist bei einer Auslandstat insoweit die ausländische Rechtsordnung - konkret eine nach ausländischem Recht bestehende Buchführungspflicht - maßgebend. 236
231
Jescheck/Weigend § 18 I 1; vgl. auch Sch/ Scbröder/Eser Rdn. 2 3 .
234
Siehe auch Achenbach Cornils S. 17 f.
232
O L G Schleswig N J W 1 9 8 9 3 1 0 5 ; Hoyer SK Rdn. 4 2 ; Lemke N K Rdn. 36; Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 2 f. Jescheck/Weigend § 18 I 1; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 2 3 .
235
Vgl. Cornils S. 2 0 ff. So auch Sch/Schröder/Eser Rdn. 2 3 ; aA O L G Karlsruhe N S t Z 1 9 8 5 317.
233
460
236
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
N S t Z 1 9 8 7 97, 1 0 0 ;
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Nach diesen Grundsätzen (Rdn. 330 ff) kommt es auch für die Prüfung, ob sich der Täter durch eine im Ausland eingegangene Heirat der (verbotenen) Doppelehe (§ 172) schuldig gemacht hat, auf die Zivilrechtsordnung am Tatort an. 2 3 7 Die Frage, ob ein Ausländer nach einer ersten Auslandsehe mit einer Ausländerin durch Eingehung einer zweiten mit einer Deutschen in einem anderen ausländischen Staat im Sinne des § 172 (erneut) „eine Ehe geschlossen" hat, kann also strafrechtlich nicht nach den Regeln des deutschen IPR beurteilt werden, obwohl es sich um die Anwendung deutschen Strafrechts handelt.
336
Cornils (S. 71 ff, 98 f, 122) gelangt in den Fällen der von ihr sogenannten „stillschwei- 3 3 7 gend verweisenden Akzessorietät" des Strafrechts (S. 20 ff) jedenfalls weitgehend zum gleichen Ergebnis wie hier, wenn auch mit anderer Begründung. Nach ihrer Auffassung kommt es bei der Sachverhaltssubsumtion unter ein strafrechtliches Tatbestandsmerkmal, welches sich auf ein im Zivilrecht geregeltes Rechtsverhältnis bezieht, dann zur Fremdrechtsanwendung, wenn das in Bezug genommene Privatrechtsverhältnis einer allseitigen Kollisionsnorm des internationalen Privatrechts unterliegt, die auf Grund der Auslandsberührung eine fremdstaatliche Rechtsordnung für regelungszuständig erklärt (Cornils S. 98; vgl. OLG Schleswig NJW 1989 3105). Handelt es sich dagegen um ein Tatbestandsmerkmal verwaltungsrechtlicher Art, so soll die Fremdrechtsanwendung aus einem ungeschriebenen Grundsatz des internationalen Verwaltungsrechts folgen, nämlich dem Gebot der Respektierung fremder Hoheitsgewalt (Cornils S. 99). Gegen die kollisionsrechtliche Lösung zivilrechtlicher Vorfragen spricht, dass sie methodisch dem Strafrecht fremd ist. Die außerstrafrechtlichen Rechtsverhältnisse am ausländischen Tatort gehören zu den Tatumständen und damit zum wirklichen Sachverhalt, der - auch bei Auslandstaten - Gegenstand der strafrechtlichen Beurteilung sein muss. 238 Bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen, die im Ausland verursacht 3 3 8 werden, ist bei der Anwendung deutschen Strafrechts auf die Rechtslage am Tatort abzustellen, soweit es um Fragen der Verwaltungsakzessorietät geht. 2 3 9 Eingehend hierzu Günther-Nicolay, Martin und Hecker ZStW 116 (2004) 880. Zur Gesamtproblematik der „Fremdrechtsanwendung" im Rahmen des nationalen 3 3 9 Strafrechts gehört auch die Frage, in welchem Umfang Europarecht bei Inlands- und Auslandstaten auf die Auslegung und Anwendung deutschen Strafrechts einwirkt. Siehe hierzu Rdn. 280 ff und Weigend ZStW 105 (1993) 774, 780 f. 7. Konkurrenz mit ausländischen Strafrechtsordnungen und ne bis in idem Die §§ 3 bis 7 regeln die Reichweite der innerstaatlichen Strafgewalt (Rdn. 3f). Ob 3 4 0 die Strafgewalt ausgeübt wird, unterliegt bei Auslandstaten grundsätzlich dem Ermessen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden (§ 153c Abs. 1 Nr. 1 StPO; näher Rdn. 350 ff). Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts schließt nicht aus, dass dieselbe Tat auch nach dem Recht anderer Staaten strafbar und verfolgbar ist (vgl. auch Rdn. 45). Die § § 3 bis 7 besagen nichts darüber, was gilt, wenn eine solche Konkurrenz verschiedener Strafrechtsordnungen besteht; sie sind keine Kollisionsnormen. 240 Die verschiedenen bei Taten mit
237
238 239
StA München I NStZ 1996 436; Liebelt GA 1994 20 ff; wohl auch Sch/Schröder/Eser Rdn. 23; aA LG Hamburg NStZ 1990 280 = NStZ 1993 544 m. abl. Anm. Liebelt. Differenzierend Oehler Rdn. 151d. Hoyer SK Rdn. 43; diff. Sch/Schröder/
240
Eser Rdn. 24; diesem folgend Lemke NK Rdn. 38. Ambos MK Rdn. 73 ff; Hoyer SK Rdn. 5; Lemke NK Rdn. 1; Sch/Schröder/Eser Rdn. 1, 60.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
461
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Auslandsbezug eingreifenden Strafrechtsordnungen bestehen nebeneinander und richten sich nach den eigenen Gesetzen. 2 4 1 341
Das für die Aburteilung zuständige deutsche Gericht wendet inländisches Strafrecht an, soweit nach den Vorschriften der §§ 3 bis 7 hierfür Raum ist. Das gilt grundsätzlich (siehe aber Rdn. 3 4 2 ) auch, wenn der Täter der Auslandstat im Ausland schon verurteilt ist. Der Grundsatz ne bis in idem (Art. 103 Abs. 3 GG) gilt im Verhältnis zur ausländischen Verurteilung grundsätzlich nicht. 2 4 2
342
Ausnahmen hiervon bestehen neuerdings bei Aburteilung durch Gerichte anderer Mitgliedstaaten der EU und durch internationale Strafgerichte (eingehend Kniebiihler Transnationales „ne bis in idem" (2005).
343
Von großer praktischer Bedeutung sind die Artikel 5 4 ff des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 19.6.1990 (SDÜ; G vom 15.7.1993, BGBl. II S. 1010; in Kraft seit 1.9.1993, Bek. vom 2 0 . 4 . 1 9 9 4 , BGBl. II S. 631). Das Durchführungsübereinkommen soll den Wegfall der Grenzkontrollen im Raum der sog. Schengen-Staaten durch Begleitregelungen kompensieren; durch den Vertrag von Amsterdam ist es in den Besitzstand der Europäischen Union überführt worden und gilt seitdem für alle Mitgliedstaaten der EU.
344
Nach Art. 5 4 SDÜ darf, wer durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann; der nochmaligen Verurteilung steht dann ein Verfahrenshindernis entgegen.
345
Die Auslegung einzelner Merkmale der Vorschrift war lange Zeit umstritten. 2 4 3 Klarstellungen haben hier Entscheidungen des EuGH in Vorabentscheidungsverfahren 2 4 4 gebracht. In diesen hat der EuGH betont, dass maßgeblich für die Auslegung der Vorschrift nicht eine formale Sichtweise, sondern Sinn und Zweck der Norm sein soll (vgl. etwa EuGH N S t Z 2 0 0 3 3 3 2 ) ; 2 4 5 so soll es trotz des Wortlauts von Art. 5 4 SDÜ („rechtskräftig", „Urteil") nicht erforderlich sein, dass die Entscheidung durch ein Gericht und in Form eines Urteils getroffen wird, solange die verfahrensbeendende Entscheidung, etwa der Staatsanwaltschaft, Ahndungswirkung hat und mit ihr die Strafklage nach dem nationalen Recht endgültig verbraucht ist.
346
Auch bei Aburteilung einer Tat durch den Internationalen Strafgerichtshof, den Jugoslawien-Strafgerichtshof oder den Ruanda-Strafgerichtshof steht einem Verfahren in Deutschland ein Verfahrenshindernis entgegen, vgl. Art. 2 0 Abs. 2 IStGH-Statut, Art. 10 Abs. 1 JStGH-Statut, Art. 9 Abs. 1 JStGH-Statut.
241
242
243
BVerfGE 92 277, 324; Sch/Schröder/Eser Rdn. 60. BVerfGE 75 1, 18; 12 62; BGHSt 6 176, 177; BGH NJW 1969 1542; Ambos MK Rdn. 73; Radtke/Busch EuGRZ 2000 421, 423; Schomburg NJW 1995 1931, 1933; dagegen mit beachtlichen Argumenten für die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes Specht S. 182 ff. Vgl. BGH NJW 1999 1270; NStZ 1998 149, 150; OLG Köln NStZ 2001 558; vgl. auch Radtke NStZ 2001 662; Schomburg in
462
244
245
Schomburg u.a. Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. (2006), Art. 54 SDÜ Rdn. 9 ff. Deutschland hat die Zuständigkeit des EuGH für Vorabentscheidungsverfahren im Zusammenhang mit der Auslegung des SDÜ anerkannt, vgl. EuGH-Gesetz vom 6.8.1998 (BGBl. I S. 2035). Hierzu Stein NJW 2003 1162; näher zum Ganzen Satzger § 9 Rdn. 8; Schomburg FS Eser, S. 829.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Ist der Täter wegen derselben Tat im Ausland verurteilt und die Strafe vollstreckt worden, gilt das sogenannte Anrechnungsprinzip (§ 51 Abs. 3). Die im Ausland vollstreckte Strafe wird dann auf die im Inland verhängte Strafe bei deren Vollstreckung angerechnet, wofür das Gericht den Maßstab bestimmt (§ 51 Abs. 4 Satz 2). Ist die Strafe im Ausland bereits vollstreckt worden, eröffnet zudem § 153c Abs. 2 StPO Einstellungsmöglichkeiten (siehe auch Rdn. 35 6). 2 4 6
347
Diese gesetzliche Regelung ist rechtspolitischen Einwänden ausgesetzt. Verschiedentlieh wird verlangt, eine inländische Bestrafung - wie es im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten inzwischen geltendes Recht ist (Rdn. 344) - grundsätzlich nicht stattfinden zu lassen, wenn der Täter wegen einer Auslandstat im Ausland rechtskräftig freigesprochen oder verurteilt worden ist (Erledigungsprinzip - Oehler Rdn. 140; dagegen BGHSt 34 334, 340 m. krit. Anm. Rüter J R 1988 136).
348
8. Strafanwendungsrecht und Strafverfahrensrecht. Das Strafanwendungsrecht wird durch Regelungen im Verfahrensrecht ergänzt. 2 4 7 Von herausgehobener Bedeutung für Taten mit Auslandsberührung sind § 153c StPO sowie die Regelungen des Rechts der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen.
349
a) Einstellungsmöglichkeitcn bei Taten mit Auslandsberührung. Die Geltung des deutschen Strafrechts nach den § § 3 bis 7 hat nicht ohne weiteres zur Folge, dass die Tat auch durch die deutsche Strafjustiz verfolgt werden muss.
350
So kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung von Auslandstaten (§§ 4 bis 7) absehen (§ 153c Abs. 1 Satz 1 erste Alternative StPO); insoweit gilt das Opportunitätsprinzip. Siehe auch § 4 Rdn. 73 ff, S 5 Rdn. 224, § 6 Rdn. 141, § 7 Rdn. 119.
351
Der Verfolgungs- und Anklagezwang (§§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO) - mit den bekannten und großflächigen Durchbrechungen in den §§ 153 ff StPO - betrifft also grundsätzlich nur Inlandstaten ( § 3 ) .
352
Aber auch bei Inlandstaten, die Auslandsberührung aufweisen, ergeben sich aus § 153c StPO Einstellungsmöglichkeiten. So kann von der Verfolgung der im Inland begangenen Teilnahme dann abgesehen werden, wenn die Haupttat im Ausland begangen worden ist (§ 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zweite Alternative StPO); dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Inlandsteilnahme an einer Auslandstat gem. § 9 Abs. 1 selbst Inlandstat ist (§ 9 Rdn. 42). Das Opportunitätsprinzip erfasst auch Taten, die Ausländer auf einem ausländischen Schiff oder in (siehe § 4 Rdn. 72) einem ausländischen Luftfahrzeug in Deutschland begangen haben (§ 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO), also etwa in deutschen Küstengewässern (§ 3 Rdn. 41 ff), im deutschen Luftraum oder auf einem deutschen Flughafen. Entsprechend kann von der Verfolgung von Taten gem. §§ 129, 129a, 129b abgesehen werden, wenn die Vereinigung nicht oder nicht überwiegend im Inland besteht und die im Inland begangenen Beteiligungshandlungen von untergeordneter Bedeutung sind oder sich auf die bloße Mitgliedschaft beschränken (§ 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO).
353
Für Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch gilt § 153c Abs. 1 Satz 1 StPO (Rdn. 456 f) nicht (§ 153c Abs. 1 Satz 2 StPO). Insoweit greift die Sonderregelung des § 153f StPO. Danach besteht abweichend von § 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO der Verfolgungs- und Anklagezwang auch bei Auslandstaten, sofern diese einen Inlandsbezug aufweisen (näher Rdn. 456).
354
246
Hierzu Landau
FS Söllner, S. 627.
247
Vgl. auch § 6 Rdn. 37 f.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
463
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
355
Kein Verfolgungs- und Anklagezwang besteht ferner bei grenzüberschreitenden Distanzdelikten, wenn der Täter den Erfolg im Inland durch eine im Ausland ausgeführte Tätigkeit herbeigeführt hat (§ 153c Abs. 3 StPO); eingeschränkt werden die Einstellungsmöglichkeiten in diesem Fall durch die zusätzliche Voraussetzung, dass die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder dass der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
356
Von der Verfolgung kann die Staatsanwaltschaft schließlich auch absehen, wenn wegen der Tat im Ausland schon eine Strafe gegen den Beschuldigten vollstreckt worden ist und die im Inland zu erwartende Strafe nach Anrechnung der ausländischen nicht ins Gewicht fiele oder der Beschuldigte wegen der Tat im Ausland rechtskräftig freigesprochen worden ist (§ 153c Abs. 2 StPO). Damit ermöglicht es das Verfahrensrecht, der mit Blick auf die Aburteilung einer Tat im Ausland nur eingeschränkten Geltung des Grundsatzes ne bis in idem (hierzu Rdn. 341 ff) im Einzelfall Rechnung zu tragen. 2 4 8
357
Die Entscheidung, ob das Verfahren eingestellt wird, trifft die Staatsanwaltschaft nach pflichtgemäßem Ermessen und ohne Beteiligung des Gerichts, weil vielfach politische Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. 2 4 9 Sie ist grundsätzlich nicht anfechtbar. 2 5 0 Aus internationalen Abkommen kann sich ergeben, dass das Ermessen der Staatsanwaltschaft reduziert ist (näher § 6 Rdn. 142).
358
Die Einstellungsmöglichkeiten, die § 153c StPO bei Taten mit Auslandsberührung eröffnet, ermöglichen es, die weite Ausdehnung des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts im Einzelfall prozessual zu korrigieren. Auf diese Weise lässt sich der besonderen Konfliktsituation des Täters, der sich im Einklang mit dem Recht des ausländischen Tatorts verhalten hat, ebenso Rechnung tragen wie dem Umstand, dass neben der deutschen noch weitere Strafrechtsordnungen Geltung beanspruchen (vgl. auch Rdn. 3 4 0 ff). Von Bedeutung kann die Möglichkeit zur prozessualen Korrektur ferner dort sein, wo das deutsche Strafanwendungsrecht die völkerrechtlichen Grenzen staatlicher Strafgewalt überschreitet (vgl. hierzu § 6 Rdn. 37 f).
359
b) Rechtshilfe und Auslieferung. Bei der Durchsetzung deutscher Strafansprüche wegen Taten mit Auslandsberührung ist die deutsche Strafrechtspflege vielfach auf die Unterstützung durch das Ausland angewiesen. Dies gilt nicht nur, aber in besonderem Maße bei der Verfolgung von Auslandstaten und namentlich dann, wenn der Beschuldigte sich im Ausland aufhält und damit nicht dem direkten Zugriff der deutschen Strafverfolgungsbehörden unterliegt. Damit kommt den Möglichkeiten zwischenstaatlicher Rechtshilfe aus strafanwendungsrechtlicher Sicht große Bedeutung zu.
360
Rechtshilfe beruht auf dem Gedanken internationaler Solidarität. Jenseits vertraglicher Verpflichtungen besteht keine völkerrechtliche Pflicht eines Staates, die Strafverfolgung oder -Vollstreckung anderer Staaten zu unterstützen. Kennzeichnend für die internationale Zusammenarbeit sind die Prinzipien der Spezialität und der Gegenseitigkeit sowie das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit (näher zu den Voraussetzungen Vogel in Grützner/Pötz Vor § 1 IRG Rdn. 6 9 ff).
248 245 250
Vgl. auch Landau FS Söllner, S. 627, 638. Meyer-GoßnerA7 § 153c Rdn. 1. So die h.M., vgl. nur BGHSt 34 334, 341; Beulke in Löwe/Rosenberg25 § 153c
464
Rdn. 18; dagegen Landau FS Söllner, S. 627, 642 f; siehe auch OLG Stuttgart ZIS 2006 143 m. Anm. Singelnstein/Stolle.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Von großer praktischer Bedeutung sind die zahlreichen bi- und multilateralen Abkommen über die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen. 2 5 1 Voraussetzungen und Grenzen der vertraglosen Rechtshilfe sind seit dem 1.7.1983 durch das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) geregelt.
361
In jüngster Zeit haben sich mit der (vertikalen) Zusammenarbeit mit internationalen Strafgerichtshöfen 2 5 2 und mit dem Europäischen Haftbefehl zwei neue Formen der Rechtshilfe herausgebildet. Grundlage des Europäischen Haftbefehls ist der entsprechende Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union (ABl. 2 0 0 2 L 190, S. 1 f f ) . 2 5 3 Der Rahmenbeschluss bezweckt eine Vereinfachung des traditionellen Auslieferungsverfahrens und sieht dazu auch Einschränkungen des Prinzips der beiderseitigen Strafbarkeit vor. Das Europäische Haftbefehlsgesetz vom 2 1 . 7 . 2 0 0 4 (BGBl. I, S. 1748), mit dem der Gesetzgeber die Vorgaben des Rahmenbeschlusses in deutsches Recht umgesetzt und das Verbot der Auslieferung Deutscher (vgl. auch Rdn. 365) mit Blick auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgehoben hatte, ist vom BVerfG für nichtig erklärt worden (BVerfG N J W 2 0 0 5 2 2 8 9 ) 2 5 4 . Zum 2 . 8 . 2 0 0 6 ist das (neue) Europäische Haftbefehlsgesetz vom 2 0 . 7 . 2 0 0 6 (BGBl. I 1721), das den Vorgaben des BVerfG Rechnung tragen soll, in Kraft getreten (näher BTDrucks. 16/1024; Böhm N J W 2 0 0 6 2 5 9 2 ) .
362
Besonders klar tritt der Zusammenhang von Strafanwendungsrecht und Rechtshilferecht in § 7 Abs. 2 Nr. 2 hervor. Deutsches Strafrecht gilt danach für Auslandstaten von Ausländern, die nicht ausgeliefert werden, obwohl die Auslieferung zulässig wäre; siehe auch § 7 Rdn. 9 0 ff.
363
Seine innere Rechtfertigung im Auslieferungsrecht findet ferner § 7 Abs. 2 Nr. 1 (näher § 7 Rdn. 74, 86). Die Erstreckung deutscher Strafgewalt auf Auslandstaten Deutscher trägt dem Umstand Rechnung, dass der ausländische Tatortstaat angesichts des Auslieferungsverbotes aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 G G an der Durchsetzung des eigenen Strafanspruchs gehindert ist, wenn der deutsche Täter sich nach der Tat nach Deutschland begeben hat.
364
Seit Einfügung des Satzes 2 in Art. 16 Abs. 2 G G durch G vom 2 9 . 1 1 . 2 0 0 0 (BGBl. I S. 1633) besteht allerdings die Möglichkeit, das Recht auf Nichtauslieferung einzuschränken. Soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind, kann der Gesetzgeber danach die Auslieferung Deutscher an einen internationalen Gerichtshof oder an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union zulassen (siehe hierzu auch § 7 Rdn. 7 5 ) . 2 5 5
365
Die Grenzen der Rechtshilfe, die etwa das Verbot der Auslieferung eigener Staatsangehöriger zieht, sind aber nicht nur der Grund für die Ausdehnung des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts. Vielmehr bewirken die Regeln über die internationale Zusammenarbeit auch eine Begrenzung der faktischen Geltung des deutschen Strafrechts, indem sie der Durchsetzung des materiellen Geltungsanspruchs des deutschen Strafrechts im Einzelfall entgegenstehen. Dies zeigt sich etwa dann, wenn das deutsche Recht unabhän-
366
Übersichten, die den aktuellen Stand wiedergeben, finden sich bei Grützner/Pötz Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, bei Schomburg u.a. Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. (2006), sowie unter www.bundesgerichtshof.de. 252 Yg| J a z u Meißner Die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof nach dem Römischen Statut (2003); Stroh Die nationale Zusammenarbeit mit den inter251
nationalen Straftribunalen für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda (2002). 2 5 3 Hierzu v. Heintschel-Heinegg/Roblff GA 2003 44. 254 Yg] jm-h j j e Besprechungen der Entscheidung von Lagodny StV 2005 515; Ranft wistra 2005 361; Schünemann StV 2005 681 und Vogel JZ 2005 807. 2 5 5 Hierzu Uhle NJW 2001 1889; Zimmermann JZ 2001 233.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
465
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
gig vom Recht des Tatorts gilt (§§ 4 bis 6), aufgrund der Straflosigkeit der konkreten Tat am Tatort das Ersuchen auf Auslieferung des mutmaßlichen Täters vom Aufenthaltsstaat aber abgelehnt wird. 367
Bei der Verfolgung von Taten mit Auslandsberührung zu beachten sind ferner die Möglichkeiten zur Vollstreckungsübernahme (hierzu Mix Vollstreckungsübernahme im Internationalen Strafrecht, 2003). Ausländer, die durch ein deutsches Gericht wegen einer Straftat verurteilt worden sind, können nach dem Übereinkommen vom 21.3.1983 zur Überstellung verurteilter Personen zur Vollstreckung ausländischer Urteile (BGBl. 1991 II S. 1007) zur Vollstreckung an ihren Heimatstaat überstellt werden. Auf diese Weise wird sicher gestellt, dass der Strafanspruch in einer Weise durchgesetzt wird, die den Zwecken der Resozialisierung Raum lässt.
VI. Exterritoriale - Immunität und Befreiung von der Gerichtsbarkeit 368
1. Der Begriff „Exterritorialität". Exterritorialität ist die Exemtion, die ausländischen Staaten (oder internationalen Organisationen) sowie ihnen zuzurechnenden Personen und Sachen von der inländischen Rechtsordnung im Inland gewährt wird. 2 5 6
369
Die Exterritorialität interessiert im Zusammenhang mit den §§ 3 ff, soweit sie eine Bestrafung des Täters wegen einer in Deutschland mit Strafe bedrohten Handlung hindert. Insoweit gewährt sie einen auf Völkerrecht (Völkergewohnheitsrecht oder internationalen Abkommen) und innerstaatlichem Recht beruhenden persönlichen Status, der seinen Inhaber - je nach dessen Stellung - absolut oder zeitlich begrenzt der inländischen Strafgewalt entzieht.
370
Ihre Grundlage finden die persönlichen Befreiungen von der deutschen Gerichtsbarkeit im Völkerrecht. 257 Der völkerrechtliche Immunitätsschutz basiert auf zwei Grundgedanken:
371
Zum einen ist kein Staat befugt, über Hoheitsakte eines anderen Staates zu Gericht zu sitzen (par in parem non habet Imperium). Aber nicht nur der Staat selbst, sondern auch seine Amtsträger und Organe genießen völkerrechtliche Immunität und unterliegen damit - innerhalb der im Folgenden dargestellten Grenzen - nicht ausländischer Strafgewalt. Handelt der Täter in amtlicher Eigenschaft, greift die völkerrechtliche Immunität ratione materiae-, hoheitliche Handlungen werden dem Staat zugerechnet. Immunität genießen ferner auch Kriegs- und sonstige Staatsschiffe (Art. 32, 95 f SeeRÜbk; siehe auch Ambos MK Rdn. 106).
372
Zum anderen verlangt die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des zwischenstaatlichen Verkehrs ein Mindestmaß an äußerer Handlungs- und Bewegungsfreiheit. Vor diesem Hintergrund knüpft die Immunität ratione personae nicht an den hoheitlichen Charakter der Handlung, sondern an bestimmte Personen und Funktionsträger an; insoweit unterliegt auch privates Handeln der Immunität.
373
2. Rechtliche Wirkungen der Exterritorialität. Die Befreiung des Exterritorialen von der deutschen Gerichtsbarkeit bewirkt verfahrensrechtliche Immunität. Sie soll nicht den Bevorrechtigten als Person, sondern die ihm übertragene Aufgabe und damit den Entsen-
256
257
Baumann/Weber/Mitsch § 7 Rdn. 11; Epping in Ipsen ξ 2 6 Rdn. 18. Eingehend Liike Die Immunität staatlicher
466
Funktionsträger (2000); Tangermann Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern (2002).
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
destaat schützen. Es gibt keine völkerrechtlich anerkannte und damit innerstaatlich zu respektierende Verabredung von Immunität ad personam (BGHSt 32 275, 287 f ). Die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit bildet ein Verfahrenshindernis (BGHSt 32 275, 276, 290). 2 5 8 Sie hat aber keine Befreiung von der sachlichrechtlichen Geltung des deutschen Strafrechts zur Folge. Auch der Exterritoriale kann im Sinne des inländischen Strafrechts rechtswidrig und schuldhaft handeln, so dass Notwehr gegen ihn und strafbare Teilnahme an seiner Tat möglich sind; nur darf er, solange und soweit sein exterritorialer Status besteht, im Inland nicht verfolgt werden.
374
Die Annahme, Exterritorialität sei - vergleichbar etwa dem strafbefreienden Rücktritt vom Versuch - ein persönlicher Strafausschließungsgrund (so Sch/Schröder/Eser Rdn. 44; siehe auch Lemke NK Rdn. 62 f), ist unzutreffend: Denn die Exterritorialität kann nachträglich entfallen, sei es durch Verzicht des Entsendestaats auf das Vorrecht oder durch Aufhebung der dienstlichen Stellung, welche das Vorrecht begründete (Jescheck/ Weigend § 19 III 2). Ein persönlicher Strafausschließungsgrund aber kann nicht nach der Tat, vielleicht nach Monaten oder Jahren, mit der materiellrechtlichen Wirkung entfallen, dass eine zunächst straflose Tat nachträglich strafbar würde.
375
Nach einer im älteren Schrifttum 2 5 9 vertretenen Auffassung soll ein gegen einen Exterritorialen ergangenes Strafurteil „unbeachtlich" oder nichtig sein. Dies kann nur für Ausnahmefälle gelten, in denen der Mangel des Urteils offensichtlich ist. Ob der Angeklagte den Status eines Exterritorialen hat, ist nicht selten eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht schwierige Frage (vgl. BGHSt 32 275 zur völkerrechtlichen Stellung eines Sonderbotschafters). Ist sie im Verfahren geprüft und im verneinenden Sinne beantwortet worden, so ist das Urteil nach Rechtskraft grundsätzlich zu respektieren. Stellt sich (etwa auf Grund neuer Unterlagen) nachträglich heraus, dass es sich doch um einen Exterritorialen handelt, so darf das Urteil allerdings nicht vollstreckt werden.
376
Nach Beendigung der dienstlichen Stellung besteht jedenfalls für außerdienstlich begangene Handlungen kein Grund mehr, den Immunitätsschutz fortwirken zu lassen. Etwas anderes gilt für dienstliche Handlungen; bei ihnen bleibt das Interesse des Staates an der Aufrechterhaltung des Schutzes grundsätzlich auch nach Beendigung der dienstlichen Mission bestehen (BVerfGE 96 68, 80; OLG Düsseldorf NStZ 1987 87 f m. Anm. Jakobs). Doch ist anerkannt, dass eine Immunität die Existenz des Staates, dem der Betreffende angehört, nicht überdauert (BVerfGE 95 96, 108).
377
Eine Grenze findet die Immunität im Völkerstrafrecht. 260 Der Umstand, dass ein Völkerrechtsverbrechen - also ein Völkermord, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Kriegsverbrechen (vgl. §§ 6 bis 12 VStGB) - in amtlicher Stellung begangen wird, befreit den Täter grundsätzlich nicht von der Strafgerichtsbarkeit. 261
378
Der Internationale Gerichtshof hat jüngst bekräftigt, dass dieser Grundsatz uneingeschränkt für die Gerichtsbarkeit internationaler Strafgerichte gilt (näher Kreß GA 2003
379
258
259
RGSt 52 167 f; BayObLG N J W 1974 431; OLG Köln NStZ 2000 667; OLG Düsseldorf NStZ 1987 87 f m. Anm. Jakobs-, Ambos MK Rdn. 122 ff; Baumann/Weber/ Mitscb § 7 Rdn. 11; Jescheck/Weigend $ 19 III 2; Jescheck ZStW 65 (1953) 291; Lackner/Kühl Rdn. 10. Oehler Rdn. 529; dagegen Ambos MK Rdn. 130.
260
261
Epping in Ipsen § 26 Rdn. 37 ff; siehe auch OLG Köln NStZ 2001 665 m. Anm. Wirt h. Ambos MK Rdn. 15; vgl. auch die Entscheidung des britischen House of Lords im „Fall Pinochet", Regina v. Bartie and the Commissioner of Police for the Metropolis and Others, ex parte Pinochet, ILM 38 (1999) 581.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
467
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
25; Werle Rdn. 446 ff). Gleichzeitig hat er ihn aber mit Blick auf die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen vor staatlichen Strafgerichten eingeschränkt. Nach der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes im Haftbefehlsfall (EuGRZ 2003 563, 567 f) unterliegen jedenfalls amtierende Außenminister und Staatsoberhäupter fremder staatlicher Gerichtsbarkeit auch dann nicht, wenn sie der Begehung von Völkerrechtsverbrechen beschuldigt werden. Siehe auch Ambos M K Rdn. 135 ff; Cassese EJIL 13 (2002) 853 ff. 2 6 2 380
Die Exterritorialität erstreckt sich auf Wohn- und Dienstgebäude von Exterritorialen. D o r t dürfen auch Amtshandlungen gegen Personen, die selbst nicht von der Gerichtsgewalt befreit sind, nicht vorgenommen werden (BGHSt 37 30; 36 396). Damit ist ein Asylrecht für nichtexterritoriale Personen nicht verbunden. Wohn- und Dienstgebäude von Exterritorialen im Inland sind inländischer Begehungsort (RGSt 6 9 54, 56; § 3 Rdn. 68).
381
Werden solche Räume in rechtswidriger Weise von Ermittlungsmaßnahmen betroffen, so unterliegen die daraus gewonnenen Ermittlungsergebnisse einem strafprozessualen Verwertungsverbot jedenfalls in Verfahren, welche sich gegen völkerrechtlich mitgeschützte Personen richten (BGHSt 37 30, 31 f; 36 396, 398).
382
O b Exterritorialität vorliegt, entscheiden nicht die Regierungsstellen des Entsendeoder Empfangsstaates, sondern die zuständigen Gerichte eigenverantwortlich (BGHSt 32 275, 276; LG Heidelberg N J W 1970 1514). Doch enthalten die N r n . 193 ff RiStBV in der seit dem 1.2.1997 geltenden Fassung Richtlinien über die Behandlung der von der deutschen Gerichtsbarkeit befreiten Personen.
383
3. Durch Exterritorialität geschützter Personenkreis. 263 Von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind die Mitglieder der in der Bundesrepublik Deutschland errichteten Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausangestellten (§ 18 GVG); die Mitglieder der in der Bundesrepublik Deutschland errichteten konsularischen Vertretungen einschließlich der Konsularbeamten (§ 19 GVG); Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland in Deutschland aufhalten (§ 20 Abs. 1 GVG); andere Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind (§ 20 Abs. 2 GVG; vgl. auch Ambos MK Rdn. 112); sowie in beschränktem Umfange die in der Bundesrepublik stationierten ausländischen NATO-Streitkräfte (siehe näher Rdn. 4 0 0 ff).
384
a) Völkerrechtliche Vereinbarungen. Im Zusammenhang mit den Befreiungen sind folgende völkerrechtliche Vereinbarungen - teilweise u.U. noch für Altfälle (Rdn. 397 f) von Bedeutung:
385
Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) vom 18.4.1961 (G vom 6.8. 1964, BGBl. II S. 957; Bek. vom 13.2.1965, BGBl. II S. 147), 264 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24.4.1963 (G vom 26.8.1969, BGBl. II S. 1585; Bek. vom 30.11.1971, BGBl. II S. 1285, und vom 12.6.1974, BGBl. II S. 945).
262
Hierzu auch OLG Köln NStZ 2000 667 m. Anm. Wirth sowie den Beschluss des BGH v. 18.11.1998 (2 ARs 471/98, 474/98) bei Ahlbrecht/Ambos (Hrsg.) Der Fall Pinochets), S. 100.
468
263
264
Hierzu auch Ambos MK Rdn. 110 ff; Epping in Ipsen § 26 Rdn. 35. Zu Einzelheiten des Übereinkommens Oebler Rdn. 524 ff; vgl. auch BVerfGE 96 68, 80 ff.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland, vom 23.10.1954 (G vom 24.3.1955, BGBl. II S. 213; Bek. vom 5.5.1955, BGBl. II S. 6 2 8 ) mit Bekanntmachung der Bonner Verträge vom 2 6 . 5 . 1 9 5 2 in der durch das Protokoll vom 23.10. 1954 geänderten Fassung, vom 30.3.1955 (BGBl. II S. 301, 944); darunter der Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (Generalvertrag, BGBl. 1955 II S. 305) und - als Zusatzvertrag - der Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland (Truppenvertrag, BGBl. 1955 II S. 321); Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) v o m 19.6.1951 (G v o m 18.8.1961, BGBl. II S. 1183, 1190; Bek. vom 16.6.1963, BGBl. II S. 745, und vom 12.1.1967, BGBl. II S. 742) mit Zusatzabkommen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen, vom 3.8.1959 (G vom 18.8.1961, BGBl. II S. 1183, 1218; Bek. vom 16.6.1963, BGBl. II S. 745) und Unterzeichnungsprotokoll zum Z u s a t z a b k o m m e n , vom 3.8.1959 (G vom 18.8.1961, BGBl. II S. 1183, 1313; Bek. vom 16.6.1963, BGBl. II S.745); Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtsstellung von Urlaubern, vom 3.8.1959 (G vom 18.8.1961, BGBl. II S. 1183, 1384; Bek. vom 16.6.1963, BGBl. II S. 745).
386
Vertrag über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 20.9.1955, in Kraft ab 6.10.1955 ( G B l . - D D R I Nr. 107 S. 918); Abkommen zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über Fragen, die mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik zusammenhängen, vom 12.3.1957, in Kraft ab 27.4.1957 (GBl.-DDR I Nr. 28 S. 238).
387
Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland (Zwei-plus-Vier-Vertrag), vom 12.9.1990 (G vom 11.10.1990, BGBl. II S. 1317; Bek. vom 15.3.1991, BGBl. II S. 5 8 7 ) ; Gesetz über die Inkraftsetzung von Vereinbarungen betreffend den befristeten Aufenthalt von Streitkräften der Französischen Republik, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin und von sowjetischen Streitkräften auf dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet nach Herstellung der Deutschen Einheit, vom 24.9.1990 (BGBl. II S. 1246); Notenwechsel zu dem NATO-Truppenstatut und zu dem Z u s a t z a b k o m m e n nebst zugehörigen Übereinkünften, vom 25.9.1990 (VO v o m 28.9.1990, in Kraft ab 3.10.1990, BGBl. II S. 1250; G vom 3.1.1994, BGBl. II S. 2 6 ; in Kraft ab 14.1.1994); Notenwechsel zu dem befristeten Verbleib von Streitkräften der Französischen Republik, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin, vom 25.9.1990 (VO v o m 28.9.1990, in Kraft ab 3.10.1990, BGBl. II S. 1250; G v o m 3.1.1994, BGBl. II S. 2 6 ; in K r a f t ab 14.1.1994); Übereinkommen zur Regelung bestimmter Fragen in Bezug auf Berlin, v o m
388
25.9.1990 (VO vom 28.9.1990, in Kraft ab 3.10.1990, BGBl. II S. 1273; G vom 3.1.1994, BGBl. II S. 2 6 ; Übereinkommen nach seinem Art. 11 Abs. 2 in Kraft ab 13.9.1994, Bek. v o m 21.10.1994, BGBl. II S. 3703); Gesetz zur Überleitung von Bundesrecht nach Berlin (West) Sechstes Überleitungsgesetz, vom 25.9.1990 (BGBl. I S . 2 1 0 6 ) ; Vereinbarungen vom 25.9.1990 zu dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Bek. vom 8.10.1990, BGBl. II S. 1390); Vereinbarung v o m 27./28.9.1990 zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (in der geänderten Fassung) sowie zu dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (in der geänderten Fassung) - d.h. zum Generalvertrag und zum Überleitungsvertrag - (Bek. vom 8.10.1990, BGBl. II S. 1386); Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, vom 12.10.1990 (G vom 21.12.1991, BGBl. II S. 2 5 6 ) ; Notenwechsel über die Rechtsstellung der belgischen, kanadischen und niederländischen Truppen in Berlin, vom 23.9.1991 (G vom 3.1.1994, BGBl. II S. 26, in Kraft ab 14.1.1994); Gesetz zu den Notenwechseln vom 25.9.1990 und vom 23.9.1991 über die Rechtsstellung der in Deutschland stationierten
G e r h a r d Werle/Florian J e ß b e r g e r
469
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
verbündeten Streitkräfte und zu dem Übereinkommen vom 25.9.1990 zur Regelung bestimmter Fragen in Bezug auf Berlin, vom 3.1.1994 (BGBl. II S. 26); Abkommen zur Änderung des Zusatzabkommens vom 3.8.1959 in der durch das Abkommen vom 21.10.1971 und die Vereinbarung vom 18.5.1981 geänderten Fassung zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen, vom 18.3.1993 (BGBl. 1994 II S. 2 5 9 6 ; G vom 28.9.1994, BGBl. II S. 2 5 9 4 ) ; Notenwechsel vom 12.1.1994 zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, Kanada, dem Königreich der Niederlande, dem Königreich Großbritannien und Nordirland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Änderung des Notenwechsels vom 25.9.1990 zum NATO-Truppenstatut (BGBl. 1994 II S. 3716; G vom 23.11.1994, BGBl. II S. 3712).
b) Geschützte Personen 389
aa) Diplomatische Missionen und konsularische Vertretungen. Wer im Einzelnen zum Personenkreis des § 18 GVG (diplomatische Missionen) gehört, ist durch Verweisung auf das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961 (Rdn. 385) klargestellt, wer unter den Personenkreis des § 19 GVG (konsularische Vertretungen) fällt, durch Verweisung auf das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen von 1963 (Rdn. 385). Diese Vorschriften geben auch näher Auskunft über den Umfang der Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit, die im diplomatischen Bereich weiter geht als im konsularischen (vgl. BGHSt 37 30; 36 396).
390
Hiernach sind durch Vorrechte und Befreiungen begünstigt: Staatsoberhäupter (BGHSt 33 97, 98; dazu Blumenwitz J Z 1985 6 1 4 ) 2 6 5 mit begleitenden Angehörigen und Gefolge; Regierungsmitglieder bei Staatsbesuchen (Folz/Soppe NStZ 1996 576 f); sämtliche Angehörige diplomatischer Missionen, Familienangehörige und Hausangestellte von Missionsmitgliedern, nicht jedoch solche von Konsularbeamten.
391
Personen, die Befreiungen nach dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (Rdn. 385) genießen, sind wegen Verkehrszuwiderhandlungen nur exemt, wenn der Gebrauch des Kraftfahrzeuges in sachlichem Zusammenhang mit der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben steht (OLG Karlsruhe NJW 2004 3273; BayObLG NJW 1974 431). Das ist nicht schon der Fall, wenn ein Wahlkonsul mit deutscher Staatsangehörigkeit in alkoholisiertem Zustand fährt und am Fahrtziel für den Staat, den er konsularisch vertritt, ein politisches Gespräch führen will, ohne dass insoweit eine feste Vereinbarung mit dem Gesprächspartner besteht (AG Hannover NdsRpfl. 1975 127). Die Überwachung eines in den Diensträumen eines Konsulats eingerichteten Telefonanschlusses nach dem G 10 ist jedenfalls dann rechtswidrig, wenn sich der zugrunde liegende Verdacht auf strafbare Handlungen bezieht, die mit der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben zusammenhängen können (BGHSt 37 30, 31; 36 396).
392
bb) Andere Exterritoriale. Bei den anderen Personen (§ 20 GVG), die nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts begünstigt sind, handelt es sich um Sonderbotschafter (BGHSt 32 275) und durchreisende Gesandte fremder Staaten, Vertreter fremder Staaten auf internationalen Konferenzen und Kongressen, fremde Mitglieder zwischenstaatlicher Abordnungen mit repräsentativem Charakter, fremde Mitglieder internationaler Schiedsgerichte; ferner auch um Angehörige fremder Truppen, die in Friedenszeiten erlaubtermaßen für sie fremdes Herrschaftsgebiet betreten (vgl. RGSt 52 167); Besatzungen ausländischer Kriegsschiffe (§ 4 Rdn. 22 f) und anderer Staatsschiffe (§ 4 Rdn. 22 f) oder
265
O L G Köln NStZ 2 0 0 1 665 m. Anm. Wirth.
470
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Staatsluftfahrzeuge (§ 4 Rdn. 27), jeweils soweit sie in Erfüllung einer dienstlichen Aufgabe des Heimatstaates tätig werden und sich an Bord oder erlaubtermaßen in geschlossenen Abteilungen an Land befinden (Oehler Rdn. 541). Doch gibt es keinen anerkannten Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts, dass ein Spion Immunität genießt, wenn er vom Boden seines Heimatstaates aus handelt (BVerfGE 92 277; BGHSt 39 263 f ). Auch verbietet das Völkerrecht dem Gerichtsstaat nicht, einen politisch motivierten Mord zu verfolgen, den Mitarbeiter eines fremden Geheimdienstes auf seinem Gebiet im Auftrag eines ausländischen Staates begehen (Folz/Soppe NStZ 1996 580 f).
393
Auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften (§ 20 GVG) sind bestimmte Leiter, Vertreter und Beamte verschiedener überstaatlicher und zwischenstaatlicher Organisationen von der deutschen Gerichtsbarkeit ähnlich wie diplomatische oder konsularische Vertreter befreit. 266 Dies betrifft etwa die Richter, die Leiterin der Anklagebehörde und den Kanzler des Jugoslawien-Strafgerichtshofes (§ 6 JStGH-G, BGBl. 1995 I S. 480). Zu Fragen der Indemnität und Immunität von Abgeordneten und des Bundespräsidenten siehe Art. 46, 60 Abs. 4 GG und §§ 36, 37 StGB.
394
cc) Insbesondere ausländische Truppen Schrifttum Borchmann Die Bundesgesetzgebung zu internationalen Abkommen in den Jahren 1994 und 1995, NJW 1995 2956; ders. Die Bundesgesetzgebung zu internationalen Abkommen in den Jahren 1995 und 1996, NJW 1997 101; Marenbach Aktuelle Probleme des NATO-Truppenstatuts, N J W 1974 394, 1070 und 1598; Rumpf Das Recht der Truppenstationierung in der Bundesrepublik (1969); Schwenk Die strafprozessualen Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts, des Zusatzabkommens und des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen, NJW 1963 1425; ders. Strafprozessuale Probleme des NATO-Truppenstatuts, J Z 1976 581; Witzsch Deutsche Strafgerichtsbarkeit über die Mitglieder der US-Streitkräfte und deren begleitende Zivilpersonen (1970).
Allgemein zu Entwicklung sowie Sinn und Zweck des Rechtsinstituts der Immunität friedlicher fremder Truppen im Aufenthaltsstaat Oehler Rdn. 617 ff. Nach der Beendigung des Besatzungsregimes im Jahre 1955 (Rdn. 408) wurden die ausländischen Streitkräfte und ihre Mitglieder in der Bundesrepublik gemäß Art. 6 Abs. 1 TrV (Rdn. 386) grundsätzlich wie Exterritoriale behandelt. Doch konnten, soweit die Militärgerichte nach dem Recht der beteiligten Macht zur Ausübung der Strafgerichtsbarkeit über ein Mitglied ihrer Streitkräfte nicht zuständig waren, die deutschen Gerichte und Behörden die Strafgerichtsbarkeit hinsichtlich einer nach deutschem Recht strafbaren und gegen deutsche Interessen gerichteten Tat unter im Einzelnen dargelegten Bedingungen ausüben (Art. 6 Abs. 2 TrV). Auch konnten die Behörden der Streitkräfte mit Zustimmung der deutschen Behörden Gruppen von Strafsachen oder einzelne Fälle, für die sie nach Art. 6 Abs. 1 TrV ausschließlich zuständig waren, an die deutschen Gerichte oder Behörden zur Verfolgung abgeben (Art. 6 Abs. 4 TrV).
266
Hierzu Übereinkommen vom 13.2.1946 über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen (BGBl. 1980 II S. 941); G über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisa-
tionen der Vereinten Nationen vom 21.11. 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen, vom 22.6.1954 (BGBl. II S. 639).
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
471
395
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
396
Nach dem Beitritt der Bundesrepublik zur NATO gilt seit dem 1.7.1963 für die belgischen, französischen, kanadischen, niederländischen, britischen und US-amerikanischen Truppen in der Bundesrepublik (ohne Berlin) das NATO-Truppenstatut (NATO-TS) von 1951 mit dem Zusatzabkommen von 1959 (Rdn. 386).
397
Diese Verträge sind auch nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik im Jahre 1990 weiterhin maßgebend für die Rechtsstellung der ausländischen Streitkräfte in den alten Bundesländern. Nach dem Einigungsvertrag gelten sie nicht auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und in Berlin-West (Ani. I Kap. I Abschn. I Nr. 5 EinV; § 3 G vom 25.9.1990, BGBl. I S. 2106). Doch haben die Truppen der Entsendestaaten in den neuen Bundesländern (ohne Berlin) und die US-amerikanischen, britischen und französischen Truppen in Berlin seit dem 3.10.1990 die gleiche Rechtsstellung wie im alten Bundesgebiet, wie die Notenwechsel vom 25.9.1990 und 12.9.1994 (Rdn. 388) ergeben. Zur weiteren Entwicklung des NATO-Truppenstatuts siehe Borchmann NJW 1995 2956, 2957 f; zum Gesetz über die Rechtsstellung ausländischer Streitkräfte bei vorübergehendem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Streitkräfteaufenthaltsgesetz - SkAufG) vom 20.7.1995 (BGBl. II S. 554) siehe Borchmann NJW 1997 101. Die Mitglieder ausländischer Streitkräfte unterliegen bei einem solchen Aufenthalt, insbesondere auch hinsichtlich der Strafgerichtsbarkeit, grundsätzlich deutschem Recht (Art. 2 § 7 Abs. 1 SkAufG).
398
Für Altfälle aus der Zeit vor dem Beitritt der DDR enthält das Berlin-Übereinkommen vom 25.9.1990 (Rdn. 388) besondere Befreiungen von der deutschen Gerichtsbarkeit; so schließt Art. 3 Abs. 2 Buchst, c Übk. deutsche Strafverfahren gegen Angehörige der alliierten Streitkräfte aus, es sei denn, der Entsendestaat stimmt der Einleitung des Verfahrens zu. Bis zum Abschluss des Abzugs der sowjetischen Streitkräfte vom Gebiet der ehemaligen DDR und Berlins galten nach dem Vertrag mit der Sowjetunion (TrAufhV) vom 12.10.1990 (Rdn. 388) besondere Vorschriften für die Strafgerichtsbarkeit. Strafbare Handlungen, die (nach der Wiedervereinigung) von Mitgliedern der sowjetischen Truppen oder deren Familienangehörigen begangen wurden, unterlagen der deutschen Gerichtsbarkeit (Art. 18 Abs. 1 TrAufhV). Einschränkungen und die Möglichkeit, Verfahren an die jeweils andere Seite abzugeben, waren in Art. 18 Abs. 2 und 3 TrAufhV geregelt. Zu den Regelungen im Stationierungsvertrag betreffend die Rechtsstellung sowjetischer Streitkräfte in der DDR bis zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Gribbobm LK 1 1 Rdn. 358.
399
400
Das NATO-Truppenstatut (Rdn. 386), 2 6 7 das die materielle Strafgewalt der beteiligten Staaten unberührt lässt, 2 6 8 berücksichtigt, dass bei Straftaten, die Angehörige ausländischer Streitkräfte, die in einem anderen NATO-Staat stationiert sind, dort begehen, die Gebietshoheit des Aufnahmestaates und die Personalhoheit des Entsendestaates in Konflikt geraten.
401
Das NATO-TS unterscheidet zwischen ausschließlicher und konkurrierender Strafgerichtsbarkeit. Ausschließliche Strafgerichtsbarkeit besteht zu Gunsten der Behörden des Entsendestaates, wenn Personen, die dem Militärrecht des Entsendestaates unterstehen, eine Tat begehen, die nur nach dem Recht des Entsendestaates, nicht aber nach dem des Aufnahmestaates (der Bundesrepublik) strafbar ist (Art. VII Abs. 2 Buchst, a NATO-TS). Sie besteht ferner zu Gunsten des Aufnahmestaates (der Bundesrepublik), wenn Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges und deren Angehörige eine Tat begehen, die nur nach dem Recht des Aufnahmestaates, nicht aber nach dem des Entsendestaates strafbar ist (Art. VII Abs. 2 Buchst, b NATO-TS). Unter die ausschließliche Strafgerichts-
267
Dazu Ambos MK Rdn. 114 f; Oehler Rdn. 628.
472
268
Jescheck/Weigend5 Rdn. 536 f.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
S 18 I 3; Oehler
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
barkeit des Entsendestaates fallen daher vornehmlich militärische Delikte (wie militärischer U n g e h o r s a m und Desertion), unter die ausschließliche Strafgerichtsbarkeit der Bundesrepublik beispielsweise Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 1 7 0 b ) gegenüber unehelichen K i n d e r n 2 6 9 oder bestimmte V e r k e h r s d e l i k t e . 2 7 0 Die Frage, o b eine H a n d l u n g nach dem R e c h t des Entsendestaates strafbar ist, hat die zuständige deutsche B e h ö r d e nach den Vereinbarungen des Art. 17 Z u s A b k . in einem förmlichen Verfahren zu ermitteln (Bescheinigungsverfahren). Für das „Bescheinigungsverfahren" besteht eine deutschamerikanische „Verwaltungsvereinbarung zur D u r c h f ü h r u n g des N A T O - T r u p p e n s t a t u t s und der Zusatzvereinbarungen im J u s t i z b e r e i c h " . 2 7 1 D e r Begriff der Strafbarkeit im Sinne des Art. V I I N A T O - T S schließt Ordnungswidrigkeiten mit e i n . 2 7 2 Wenn die Tat nach dem R e c h t der beiden beteiligten Staaten strafbar ist, besteht eine konkurrierende Strafgerichtsbarkeit (Art. VII Abs. 1 N A T O - T S ; hierzu B V e r w G E 115 147, 1 4 9 f ) . N a c h dieser Zuständigkeitsregelung soll der T ä t e r einer auf dem G e b i e t des Aufnahmestaates begangenen T a t nicht straflos bleiben, sondern von den O r g a n e n entweder des einen oder des anderen Staates verfolgt werden ( B G H S t 2 8 9 6 , 9 9 ) . Die G e richtsbarkeit des Entsendestaates hat ein Vorrecht, wenn sich die T a t nur gegen ihn oder einen seiner Truppenangehörigen richtet oder wenn sie in Ausübung des D i e n s t e s 2 7 3 begangen wurde (Art. VII Abs. 3 Buchst, a N A T O - T S ) . Bei allen anderen Taten steht das Vorrecht dem A u f n a h m e s t a a t (der Bundesrepublik) zu (Art. VII Abs. 3 Buchst, b N A T O - T S ) . J e d e Seite k a n n d a r a u f verzichten, das V o r r e c h t auszuüben. D e r Verzicht ist nur im R a h m e n der konkurrierenden Strafgerichtsbarkeit statthaft, nicht etwa auch bei ausschließlicher Strafgerichtsbarkeit. Die Bundesrepublik hat a u f das V o r r e c h t vertraglich allgemein verzichtet (Art. VII Abs. 3 Buchst, c N A T O - T S i.V.m. Art. 19 Abs. 1 Z u s A b k . ) . 2 7 4
402
Die deutsche Staatsanwaltschaft k a n n den Verzicht im Einzelfall binnen 2 1 Tagen, nachdem ihr die Straftat von der zuständigen Stelle des Entsendestaates mitgeteilt w o r den ist, zurücknehmen, wenn nach den besonderen Umständen wesentliche Belange der deutschen Rechtspflege die Ausübung deutscher Gerichtsbarkeit erfordern. D a s k a n n vor allem in Staatsschutzstrafsachen der Fall sein, die zur Zuständigkeit b e s t i m m t e r O b e r l a n desgerichte im ersten Rechtszug gehören (§ 1 2 0 G V G ) , oder wenn es sich um T ö t u n g s d e likte, R a u b oder Vergewaltigung handelt, soweit die O p f e r nicht Angehörige der Truppe oder des zivilen Gefolges sind (Art. 19 Abs. 3 Z u s A b k . , Abs. 2 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 19 Z u s A b k . ) . In der M e h r h e i t der Fälle wird der allgemeine Verzicht allerdings nicht z u r ü c k g e n o m m e n . 2 7 5
403
D e r Verzicht bezieht sich nur auf das Vorrecht der Ausübung der G e r i c h t s b a r k e i t , nicht auf die Gerichtsbarkeit als solche ( O L G Stuttgart N J W 1 9 7 7 1 0 2 0 ) . 2 7 6 D e r allgemeine Verzicht begründet kein allgemeines und endgültiges Verfahrenshindernis ( O L G Stuttgart N J W 1 9 7 7 1 0 2 0 ) , sondern eine „Zuständigkei tsverschiebung zur Ausübung
404
269
270
271
272 273
Ambos MK Rdn. 117; Schwenk NJW 1963 1425. Vgl. OLG Stuttgart NJW 1967 508; Marenbach NJW 1974 1598, 1599; ferner Schwenk J Z 1976 581. Vgl. OLG Stuttgart NJW 1967 509; Marenbach NJW 1974 1070. Schwenk J Z 1976 581. Hierzu Schwenk J Z 1976 581, 582 und Art. 18 ZusAbk.
274
275
276
Ambos MK Rdn. 119; Tröndle/Fischer Rdn. 23. Siehe aber: BGH NJW 1966 2280; BGHSt 21 81; zum Verfahren Schwenk ZStW 79 (1967) 721. Marenbach NJW 1974 394; Schwenk J Z 1976 581, 582; Witzsch S. 113 ff.
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473
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
des Rechts zur Durchführung der Hauptverhandlung durch den Entsendestaat" (OLG Nürnberg N J W 1975 2153; Ambos M K Rdn. 120). Nehmen seine Militärbehörden ihr Vorrecht nicht wahr oder treffen sie ohne ersichtlichen Grund innerhalb angemessener Frist keine Entscheidung, so kann der Aufnahmestaat das Verfahren weiterbetreiben. Das Gleiche gilt, wenn die Immunität vor Einleitung eines Verfahrens erloschen ist ( O e h l e r Rdn. 5 3 7 ) . Scheidet zum Beispiel ein Angehöriger der Stationierungsstreitkräfte aus der US-Armee aus, ohne dass gegen ihn ein militärgerichtliches Verfahren wegen Straftaten während seiner Armeezugehörigkeit geführt worden ist, so ist er auch dann der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen, wenn die Staatsanwaltschaft den Verzicht auf das Vorrecht (vor seinem Ausscheiden) nicht zurückgenommen hat (BGHSt 2 8 96, 9 9 ) . 2 7 7 Stellt das zuständige Militärgericht die Sache jedoch ein, wenn auch nur aus prozessualen Gründen, so steht dies einem rechtskräftigen Freispruch im Sinne des Art. VII Nr. 8 NATO-TS gleich. 2 7 8 Wird in einem Fall der konkurrierenden Gerichtsbarkeit ein deutsches Gericht tätig und das Verfahren durch einen rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossen, ohne dass der Verzicht zurückgenommen ist, so ist die gerichtliche Entscheidung „unbeachtlich" (Rdn. 376), weil jedenfalls zur Zeit ihres Erlasses offensichtlich ein Verfahrenshindernis vorlag (Marenbach N J W 1974 3 9 5 ) . 405
Die deutschen Behörden sind in Fällen der konkurrierenden Gerichtsbarkeit befugt, die Entnahme von Blutproben schon vor der Rücknahme des Verzichts anzuordnen, 2 7 9 damit der Zweck dieser Maßnahme nicht vereitelt wird. Wird ein in einem deutschen Strafverfahren beschuldigter Angehöriger der US-Streitkräfte auf Grund eines deutschen Haftbefehls nach Art. 2 2 Abs. 1 bis 3 ZusAbk. in einem US-amerikanischen Militärgefängnis verwahrt, so befindet er sich in deutscher Untersuchungshaft, so dass die § § 121 ff StPO gelten. 2 8 0 Wird der Verzicht zurückgenommen, so haben Angehörige der Streitkräfte vor deutschen Gerichten ein ausdrücklich vereinbartes Recht auf „alsbaldige und schnelle Verhandlung" (Art. VII Abs. 9 Buchst, a NATO-TS). Wird das Verfahren über Gebühr verzögert und damit dieses Recht verletzt, so wird das Verfahren allerdings nicht schlechthin unzulässig. 2 8 1
406
Die Militärbehörden des Entsendestaates, zu Gunsten dessen die Bundesrepublik auf ihr Vorrecht verzichtet hat, können mit Zustimmung der deutschen Behörden einzelne Strafsachen, für die dem Entsendestaat die Gerichtsbarkeit zusteht, an die deutschen Gerichte und Behörden zur Untersuchung, Verhandlung und Entscheidung abgeben (Art. 19 Abs. 5 ZusAbk.). Bis die Militärbehörden des Entsendestaates ein solches Übernahmeersuchen stellen, ist der generelle Verzicht der Bundesrepublik wirksam. Während dieser Zeit ruht die Verjährung. 2 8 2
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280
Jescheck/Weigend § 19 III 1 c; Oehler JR 1980 89. OLG Stuttgart NJW 1977 1020; OLG Nürnberg NJW 1975 2153. OLG Stuttgart NJW 1974 1061; Die Justiz 1973 358. OLG Zweibrücken NJW 1975 2150; OLG Hamm JMB1. NRW 1974 166; OLG Koblenz MDR 1974 594; Schwenk JZ 1976
474
281
282
582; aA OLG Frankfurt NJW 1973 2218; Marenbach NJW 1974 394. BGHSt 21 84; OLG Stuttgart NJW 1967 509; krit. Schwenk ZStW 79 (1967) 721, 723, 737; ders. J Z 1976 581, 583. OLG Celle NJW 1965 1673; LG Duisburg NJW 1965 643; LG Krefeld NJW 1965 310; aA OLG Nürnberg NJW 1975 2152; Schwenk JZ 1976 581, 582.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
VII. Einschränkungen deutscher Gerichtsbarkeit im Hinblick auf Verfahren und Urteile der Besatzungsgerichte 2 8 3 Die Einschränkungen hängen mit der früheren Besatzungsgerichtsbarkeit der USA, Großbritanniens und Frankreichs zusammen. Sie betreffen - außer einem Verbot der Verfolgung von Personen wegen Unterstützung der Besatzungsmächte und der Immunität gewisser Beamter und Richter - vor allem Beschuldigte beendeter Verfahren. Die Fragen, die sich aus den Einschränkungen ergeben, dürften infolge Zeitablaufs weitgehend gegenstandslos geworden sein. Sie werden hier gleichwohl angesprochen, weil die Verfolgung von Kriegsverbrechen und Menschlichkeitsverbrechen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs wegen Unverjährbarkeit von M o r d und Völkermord noch nicht als vollständig abgeschlossen betrachtet werden kann, wie etwa ein im Jahre 2 0 0 5 geführtes Verfahren vor dem LG München b e l e g t . 2 8 4
407
1. Völkerrechtliche Vereinbarungen. Einschlägig sind: Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland, vom 2 3 . 1 0 . 1 9 5 4 mit Bekanntmachung der Bonner Verträge vom 2 6 . 5 . 1 9 5 2 in der durch das Protokoll vom 2 3 . 1 0 . 1 9 5 4 geänderten Fassung vom 3 0 . 3 . 1 9 5 5 (Rdn. 3 8 6 ) , darunter der Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (Generalvertrag, Rdn. 386) und - als Zusatzvertrag - der Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (Überleitungsvertrag - ÜV; G vom 2 4 . 3 . 1 9 5 5 , B G B l . II S. 213; Bek. vom 3 0 . 3 . 1 9 5 5 , BGBl. II S. 3 0 1 , 4 0 5 , 9 4 4 , und Bek. vom 5 . 5 . 1 9 5 5 , B G B l . II S. 6 2 8 ) ; Abkommen über die deutsche Gerichtsbarkeit für die Verfolgung bestimmter Verbrechen, vom 2 . 2 . 1 9 7 1 (G vom 9 . 4 . 1 9 7 5 , BGBl. II S. 4 3 1 ; Bek. vom 1 8 . 4 . 1 9 7 5 , B G B l . II S. 6 4 4 ) ; Vereinbarung zum Überleitungsvertrag, vom 27./28.9.1990 (Bek. vom 8 . 1 0 . 1 9 9 0 , BGBl. II
408
S. 1386). Die Verträge gelten nicht in den neuen Bundesländern und nicht in Berlin-West (Ani. I Kap. I Abschn. I Nrn. 1 und 2 EinV; § 3 G vom 2 5 . 9 . 1 9 9 0 , B G B l . I S. 2 1 0 6 ) .
409
2 . Regelungen des Überleitungsvertrages. In Art. 3, 6 und 7 Ü V (Rdn. 4 0 8 ) ist geregelt, welche Rechtswirkungen Urteile oder sonstige endgültig abgeschlossene Strafuntersuchungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Gerichten oder Behörden der Besatzungsmacht ausgegangen sind, auf die deutsche Gerichtsbarkeit und auf die deutsche Rechtsanwendung haben.
410
Hiernach sind „deutsche Gerichte und Behörden nicht zuständig in strafrechtlichen ... Verfahren, die sich auf eine vor Inkrafttreten dieses Vertrages begangene Handlung oder Unterlassung beziehen, wenn unmittelbar vor Inkrafttreten dieses Vertrages die deutschen Gerichte und Behörden hinsichtlich solcher Handlungen oder Unterlassungen nicht zuständig waren . . . " (Art. 3 Abs. 2 ÜV). Sie dürfen solche Taten aber verfolgen, wenn das Ermittlungsverfahren der Strafverfolgungsbehörde der Besatzungsmacht noch nicht endgültig abgeschlossen war und die Tat auch nicht in Erfüllung von Pflichten oder Leistung von Diensten für die Besatzungsmacht begangen wurde (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Buchst, b ÜV). O b diese Voraussetzungen vorliegen, wird durch eine Bescheinigung gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Ü V dargetan (BGHSt 21 29, 38 = J Z 1 9 6 6 8 0 6 m. Anm. Jescheck; 14 137, 142 f). Die deutsche Gerichtsbarkeit ist auch ausgeschlossen, wenn das Besatzungsgericht das Verfahren durch Urteil beendet hat (BGHSt 21 2 9 , 36; 12 3 2 6 , 3 2 7 f)
411
283
284
Vgl. ß. Maier NJW 1975 456; Schwenk NJW 1960 273; Wohlfahrt J Z 1955 526. Zum „Fall Nizansky" vgl. FAZ ν. 20.12.
2005; siehe auch BGHSt 49 189 (Fall Engel); hierzu Bertram NJW 2004 2278; Gribbohm NStZ 2005 38; Zöller Jura 2005 552.
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475
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
oder wenn es den ihm mit der Anklage zur Urteilsfindung unterbreiteten Fall aus irgendwelchen Gründen nicht erledigt hat, ohne dass es zu einem Urteil gekommen wäre (BGHSt 21 29, 33 ff). 412
Urteile und Entscheidungen eines Gerichts der Besatzungsmacht „bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht rechtskräftig und rechtswirksam und sind von den deutschen Gerichten und Behörden demgemäß zu behandeln" (Art. 7 Abs. 1 ÜV). Das gilt auch, wenn das Verfahren gegen Deutsche wegen Kriegsverbrechen nicht vor einem Besatzungsgericht im Inland, sondern vor einem Heimatgericht der Besatzungsmacht im Ausland geführt worden ist (BGHSt 21 29, 32).
413
Diese Sperrwirkung wurde durch das deutsch-französische Abkommen von 1971 (Rdn. 408) aufgehoben für Fälle, in denen Deutsche wegen Kriegsverbrechen von französischen Besatzungs- oder Militärgerichten in Abwesenheit verurteilt worden sind, ohne dass das Urteil durch eine Entscheidung im ordentlichen („kontradiktorischen") Verfahren ersetzt worden wäre (B. Maier NJW 1975 465). Personen, gegen die auf Grund dieses Abkommens wegen einer im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik begangenen Tat ein Strafverfahren vor einem deutschen Gericht rechtskräftig abgeschlossen worden ist, werden in Frankreich wegen derselben Handlung oder Unterlassung keiner erneuten Strafverfolgung ausgesetzt (Art. 2 Abk. 1971).
414
Soweit die Sperrwirkung des Überleitungsvertrags (Rdn. 408) reicht, kommt es nicht auf die Frage an, ob ein besatzungsgerichtliches Urteil das Strafklagerecht verbraucht. 285 Soweit der Überleitungsvertrag nicht eingreift (zum Beispiel bei Urteilen sowjetischer Besatzungsgerichte), bleibt es bei dem Grundsatz, dass im Inland angeklagt werden kann, weil Besatzungsgerichte ausländische Gerichtsbarkeit ausüben (BGH NJW 1952 151; BGHSt 6 176, 177 f; 5 370, 371). Inländische Gerichtsbarkeit können nur Gerichte ausüben, die auf der deutschen Staatsgewalt beruhen. Auf die Gerichte der Besatzungsmächte trifft dies nicht zu (BGHSt 6 176, 177). Das gilt auch, soweit sie auf deutschem Gebiet Recht gesprochen und deutsches Strafrecht angewendet haben (BGHSt 6 176, 177f). Die hiervon abweichende ältere Rechtsprechung (vgl. RGSt 5 9 397, 399 ff; 54 139,141 ff) ist überholt.
VIII. Interlokales Strafrecht Schrifttum Jedamik Das rundfunkrechtliche Sonderdelikt als Anwendungsfall internationalstrafrechtlicher Grundsätze ( 1 9 7 9 ) ; Jung Fragen des strafrechtlichen Geltungsbereichs, DJ 1941 5 9 7 ; Kohler Internationales Strafrecht (1917); Krey Zum innerdeutschen Strafanwendungsrecht de lege lata und de lege ferenda ( 1 9 6 9 ) ; Kümmerlein Fragen des „internationalen" Strafrechts und Strafverfahrensrechts, DStR 1 9 3 8 2 8 0 ; Mattil Zur Problematik des interlokalen Strafrechts, GA 1958 142; Middel Interlokaler Geltungsbereich des Strafrechts, DR 1 9 4 0 1 4 9 8 ; Schröder Der Geltungsbereich der Teilstrafrechte im Deutschen Reich, DR 1942 1115; Stern/Schmidt-Bleibtreu Einigungsvertrag und Wahlvertrag (1990).
415
1. Das interlokale Strafrecht als innerstaatliches Kollisionsrecht. Das Strafanwendungsrecht legt den Geltungs- und Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts bei Straftaten fest, die durch den Täter, den Tatort oder das verletzte Rechtsgut Beziehungen
285
Mit Einschränkungen bejahend (während der Rheinlandbesetzung) RGSt 5 9 397,
476
3 9 9 ff; 5 4 139, 141 ff; ferner BayObLG N J W 1 9 5 0 358.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
zum Ausland aufweisen (Rdn. 3 ff). Es bestimmt damit zugleich, in welchen Fällen Straftaten dieser Art im Inland nicht verfolgbar sind. Das interlokale Strafrecht regelt dagegen Fälle, in denen innerhalb des inländischen Rechtsgebietes verschiedenes Strafrecht gilt. Es stellt - insoweit ähnlich dem internationalen Privatrecht - Grundsätze dafür auf, welches Teilrecht für die übergreifende inländische Tat maßgebend ist. Das interlokale Strafrecht grenzt in erster Linie den Anwendungsbereich der Strafrechte einzelner deutscher Länder gegeneinander ab. 2 8 6 Interlokales Strafrecht ist daher - anders als das Strafanwendungsrecht (Rdn. 340) - innerstaatliches strafrechtliches Kollisionsrecht. 287 Es kann nach dessen Grundsätzen geschehen, dass das erkennende Gericht innerhalb eines deutschen Rechtsgebiets das sachliche Strafrecht eines anderen inländischen Rechtsgebiets auf die Tat anwendet (BGHSt 11 365, 366; 4 396, 398 f). Das interlokale Strafrecht setzt damit eine grundsätzliche Anerkennung der verschiedenen Teilrechtsgebiete für den gesamten Bereich voraus in der Weise, dass eine Vereinheitlichung des Rechts wenigstens prinzipiell möglich wäre. Das ist nur dort der Fall, wo die Teilrechtsgebiete unter einer gemeinsamen Staats- und Strafgewalt stehen.
416
Verschiedene Teilrechtsgebiete oder Strafrechtssysteme innerhalb eines einheitlichen Staatsverbandes gab es früher zum Beispiel im vergrößerten Preußen nach 1866. In der Zeit des Nationalsozialismus erlangte das interlokale Strafrecht durch die zeitweise Ausdehnung des Reichsgebietes große Bedeutung, insbesondere durch die Eingliederung Österreichs in das Reichsgebiet, aber auch durch die Annektion tschechoslowakischer und polnischer Gebiete. 2 8 8
417
Seit Gründung der Bundesrepublik spielten Fragen des interlokalen Strafrechts im Allgemeinen nur eine geringe Rolle. 289 Der Bund hat von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet des Strafrechts (Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) umfassend Gebrauch gemacht. Raum für Partikularstrafrecht der Länder bleibt damit nur in speziellen Rechtsgebieten, so etwa im Presse- und Rundfunkrecht. Auch im Verhältnis zur DDR blieb auf Grundlage des funktionellen Inlandsbegriffs (§ 3 Rdn. 17 ff ) kein Raum für die Annahme zweier partikularer Teilrechtsordnungen innerhalb eines deutschen Gesamtstaates. 290 Sedes materiae für die Beurteilung von Straftaten mit Bezug zur DDR war das Strafanwendungsrecht, nicht das interlokale Strafrecht (vgl. auch Rdn. 437).
418
Praktische Bedeutung hat das interlokale Strafrecht allerdings in den Jahren nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik mit Wirkung zum 3. Oktober 1990 erlangt (hierzu Rdn. 443). Inzwischen ist die Herstellung voller Rechtseinheit zwischen dem Gebiet der alten Bundesrepublik und dem Beitrittsgebiet abgeschlossen (Rdn. 446), so dass heute von der Geltung partiell unterschiedlicher Strafrechtsordnungen in den alten und neuen Bundesländern keine Rede mehr sein kann; siehe im Einzelnen zur Rechtslage in den ersten Jahren nach dem Beitritt Gribbohm L K 1 1 Rdn. 403 ff.
419
2. Grundsätze des interlokalen Strafrechts. Das deutsche interlokale Strafrecht beruht weitgehend auf Gewohnheitsrecht.291
420
a) Anwendung des Tatortrechts. Bei Verschiedenheit des Strafrechts im Gebiet der Bundesrepublik kommen für die Rechtsanwendung im Einzelfall das Recht des Tatorts
421
286 287
288
Jescheck/Weigend § 2 0 I 1; Oehler Rdn. 41. Ambos M K Rdn. 97; Jescheck/Weigend § 2 0 I 1; Lemke NK Rdn. 70; Sch/Schröder/Eser Rdn. 47. Jescheck/Weigend § 20 II; D. Schultz J R 1968 42.
289
290 291
Ambos MK Rdn. 94; Oehler Rdn. 41; Sch/ Schröder/Eser Rdn. 49. Ambos M K Rdn. 95. Jescheck/Weigend S 20 I 2 und III 2 .
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
(lex loci), das Recht des Gerichtsorts (lex fori) und das Recht des Wohn- und Aufenthaltsorts des Täters (lex domicilii) in Betracht. Das RG hat grundsätzlich das Recht des Tatorts für maßgebend gehalten. 2 9 2 Dem ist der B G H gefolgt. 2 9 3 422
Diese Rechtsprechung ist zutreffend. 2 9 4 Maßgeblich ist also das Tatortprinzip, wobei sich der Tatort nach den Regeln des § 9 bestimmt. 2 9 5 Dies führt zu sachgerechten Ergebnissen, weil die Beantwortung der Frage, welches der in Betracht kommenden verschiedenen Rechte im Einzelfall eingreift, nicht von dem zufälligen Umstand abhängt, von welchem Gericht der Täter abgeurteilt wird, ob von dem des Tatorts oder dem seines Wohn- oder Aufenthaltsorts. 2 9 6
423
Der Grundsatz, dass bei Verschiedenheit der in Betracht kommenden Rechte (Rdn. 4 2 1 f) das Tatortrecht heranzuziehen ist, gilt auch, wenn nach diesem Recht die Tat zur Tatzeit nicht mit Strafe bedroht ist (BGHSt 11 365, 366), wenn sie am Tatort wegen besonderer Unrechts- oder Schuldausschließungsgründe straffrei ist oder wenn ihre Strafbarkeit dort nachträglich gemildert wird oder entfällt (BGH N J W 1 9 6 0 3 9 5 ) . 2 9 7 Auch diese Rechtsauffassung ist zu billigen, wofür ein Vergleich mit der Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 spricht. Dass bei einer Gesetzesänderung das mildere Gesetz anzuwenden ist, bestimmt § 2 Abs. 3.
424
Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass das Tatortprinzip in bestimmten Bereichen durch das Wohnsitzprinzip und das Prinzip der lex fori zu ergänzen oder einzuschränken sei. 2 9 8 Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, bei Bedarf solche Regelungen zu treffen. Doch bestehen im Hinblick auf das Verbot strafbegründender oder strafschärfender Analogie (Art. 103 Abs. 2 GG) durchgreifende Bedenken, ohne gesetzliche Anordnung die Grundsätze der § § 5 und 6 im Rahmen des interlokalen Strafrechts sinngemäß anzuwenden. 2 9 9
425
b) Konkurrenz mehrerer Tatortrechte. Erstreckt sich ein einheitliches Tatgeschehen auf mehrere Tatorte (§ 9), die in Gebieten unterschiedlichen Rechts liegen, so ist von allen Tatortrechten dasjenige anzuwenden, welches im Einzelfall das strengste ist (RGSt 75 385, 3 8 6 ; aA RGSt 75 104, 106 f ) , 3 0 0 sei es, dass es allein die Tat mit Strafe bedroht, oder sei es, dass es einen strengeren Schuld- oder Strafausspruch zulässt als die anderen Rechte. Für die Prüfung, welches Tatortrecht das strengste ist, sind sinngemäß die Grundsätze anzuwenden, welche bei § 2 Abs. 3 für die Ermittlung des im Einzelfall mildesten Gesetzes gelten (§ 2 Rdn. 6 2 ff; RGSt 75 385, 386).
426
Es gibt nämlich keinen sachlichen Grund, die Geltung des strengeren Gesetzes, nach welchem eine an einem Ort begangene Handlung überhaupt oder schwerer strafbar ist, allein deshalb einzuschränken, weil zu diesem strafbaren Verhalten vorher oder nachher an einem anderen Ort noch ein weiteres Handlungsstück hinzukommt, das - für sich betrachtet - gegen kein Strafgesetz oder nur gegen ein milderes verstößt. Das Ergebnis entspricht dem Rechtsgedanken des § 5 2 Abs. 2 Satz 1, wonach bei ungleichartiger Tateinheit das Gesetz anzuwenden ist, welches die schwerere Strafe androht.
292
293
294
295
RGSt 76 201, 202; 76 97; 75 104, 106; 74 323, 325; 74 219, 220 f. BGHSt 11 365, 366; 7 53, 55; 4 396, 398 f; BGH NJW 1960 395; 1952 1146. Ambos MK Rdn. 97; Hoyer SK Rdn. 56; Lemke NK Rdn. 77; Sch/Schröder/Eser Rdn. 52; Tröndle/Fischer Rdn. 25. Jescheck/Weigend § 20 I 3.
478
296
297 298
299 300
BGHSt 4 396, 399; RGSt 75 104, 106; 74 219, 220. Jescheck/Weigend § 20 III 3. Jescheck/Weigend § 20 I 3; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 54 ff. AA Sch/Schröder/Eser Rdn. 55. Lemke NK Rdn. 78; Sch/Schröder/Eser Rdn. 53; Tröndle/Fischer Rdn. 26.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Nicht überzeugend ist die Ansicht von Ambos (MK Rdn. 99), der grundsätzlich das Recht desjenigen Ortes anwenden möchte, an dem der Schwerpunkt des vorwerfbaren Verhaltens liegt, es sei denn dies führe zur Straflosigkeit. Der Rechtsgedanke des § 2 Abs. 3 (lex mitior), den man nach Ambos „für die Anwendung des milderen Rechts ins Felde führen" könne, passt nicht. Denn § 2 Abs. 3 betrifft den Fall einer Bewertungsänderung desselben Gesetzgebers im Hinblick auf dasselbe Verhalten, nicht aber den hier in Rede stehenden Fall, dass auf ein deliktisches Geschehen mehrere Tatortrechte nebeneinander anwendbar sind. Bei einer solchen Konkurrenz liegt es in der Tat „auf der H a n d " (Gribbohm L K n Rdn. 383), die strengere Bewertung zur Geltung zu bringen, nicht aber die mildere. Besonders deutlich zeigt sich die Richtigkeit dieser Auffassung in dem Fall, dass die hinzukommende Handlung am Tatort straflos ist. Hier müsste man nach dem von Ambos herangezogenen Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 zur Straflosigkeit gelangen, eine widersprüchliche Konsequenz, die auch Ambos im Ergebnis zutreffend vermeidet, freilich in einem gewissen Widerspruch zu seinem eigenen Ausgangspunkt.
427
c) Tatortrecht bei Tatbeteiligung. In diesem Bereich können sich Probleme unter Tatort- und Akzessorietätsgesichtspunkten ergeben, wenn die Beteiligten an Orten verschiedenen Rechts handeln.
428
aa) Tatortgesichtspunkte. Nach ihnen gibt es bei Mittäterschaft keine Schwierigkeiten. Da jedem Mittäter das Handeln des oder der anderen als eigene Tat zugerechnet wird (§ 2 5 Abs. 2), ist unter Tatortgesichtspunkten auf alle das strengste Tatortrecht anzuwenden (RGSt 75 385, 3 8 6 ) . 3 0 1 Fallen die Handlungsorte von Täter und Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfen) auseinander, so ist Tatort für den Teilnehmer sowohl der Ort seiner Handlung als auch der Ort, an dem der Täter die Haupttat begangen hat (§ 9 Abs. 2). Anzuwenden wäre auf den Teilnehmer danach (Einschränkungen Rdn. 4 3 0 f ) das strengere Tatortrecht.
429
bb) Berücksichtigung der Akzessorietät der Teilnahme. Sie führt zu der Frage, ob strafbare Teilnahme überhaupt möglich ist, wenn - bei Verschiedenheit des Tatortrechts - die Tat des Haupttäters am Ort seiner Handlung nicht mit Strafe bedroht ist, sie es aber im Falle ihrer Begehung dort wäre, wo der Teilnehmer tätig wird. Die Frage ist für das interlokale Strafrecht zu verneinen. § 9 Abs. 2 Satz 2 löst die Strafbarkeit der Teilnahme, die vom Inland aus bei einer Auslandstat geleistet wird, im Rahmen des Strafanwendungsrechts zwar von der Strafbarkeit der Haupttat im Ausland (§ 9 Rdn. 4 9 ) . Die Vorschrift lässt sich aber nicht sinngemäß auf Fälle des interlokalen Strafrechts anwenden. Dem steht das Verbot strafbegründender Analogie entgegen, das auch im Rahmen des Allgemeinen Teils des Strafrechts gilt (§ 1 Rdn. 2 5 9 ; Gribbohm FS Saiger, S. 3 9 f). Aus demselben Grunde scheidet auch eine sinngemäße Anwendung des § 5 im interlokalen Strafrecht aus (Hoyer SK Rdn. 64).
430
Darüber hinaus muss sich die rechtliche Beurteilung der Strafbarkeit des Teilnehmers auch in Fällen, in denen sich der Täter nach dem Tatortrecht der Haupttat strafbar macht, nach diesem Recht richten, und zwar unabhängig davon, ob das Recht am Ort der Teilnahmehandlung für den Teilnehmer strenger ist (zust. Ambos M K Rdn. 100). Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme, der - als allgemeingültige Regel - dem nur für das interlokale Strafrecht geltenden Grundsatz des strengeren Tatortrechts bei Tatortmehrheit (Rdn. 4 2 5 ) vorgeht. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 gilt für den
431
301
Lemke NK Rdn. 80; aA Ambos MK Rdn. 100, der auf den „Schwerpunkt des
gemeinschaftlichen Verhaltens" abstellen will.
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479
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Teilnehmer - auch - das Recht am Ort der Haupttat, so dass es auf ihn angewendet werden darf. 432
d) Reichweite von Amnestien. Eine Amnestie, die in einem Teilgebiet erlassen wird, ist, soweit dessen Recht anzuwenden ist, auch in dem anderen Rechtsgebiet zu beachten, in dem ein entsprechendes Amnestiegesetz nicht gilt. 3 0 2 Bei Landesamnestiegesetzen, die sich auf - eventuell auch nur partiell geltende - Bundesstrafgesetze beziehen, kommt es darauf an, in welchem Lande die Untersuchung zuerst eröffnet worden ist. Ist dies das amnestierende Land, so wirkt die Niederschlagung auch für die Gerichte anderer Länder (BGHSt 3 134). Im Einklang mit diesen Grundsätzen ist die Aufhebung eines Todesurteils aus der NS-Zeit, die unmittelbar auf Art. 1, 9 des Bayerischen Gesetzes Nr. 21 zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts auf dem Gebiet des Strafrechts vom 28.5.1946 (BayGVBl. S. 180) beruht, im ganzen Bundesgebiet verbindlich (Fall Bonhoeffer - LG Berlin NJW 1996 2742, 2743; vgl. dazu BGH NStZ 1996 485 m. Anm. Gribbohm). Zur Weitergeltung von DDR-Amnestien nach der Vereinigung siehe Rdn. 442.
I X . Probleme der Strafrechtsgeltung im Zusammenhang mit der Teilung Deutschlands 433
Seit Herstellung der Einheit Deutschlands durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik zum 3. Oktober 1990 gem. Art. 1 des Einigungsvertrages (EV, G ν. 23.9.1990, BGBl. II S. 885; Bek. v. 16.10.1990, BGBl. II S. 1360) gilt das bundesdeutsche Strafrecht grundsätzlich auch für das Beitrittsgebiet (Art. 8 EV). Damit hat sich das Problem, ob Taten, die auf dem Gebiet der DDR oder durch oder gegen Bürger der DDR begangen worden waren, nach den Grundsätzen des Strafanwendungsrechts oder denjenigen des interlokalen Strafrechts (Rdn. 434 f) zu behandeln seien (hierzu 1.), im Wesentlichen erledigt. Zugleich hat die Wiederherstellung der deutschen Einheit neue Fragen aufgeworfen (hierzu 2.), welche freilich in der Praxis inzwischen ebenfalls kaum noch eine Rolle spielen: Unverfolgte Alttaten sind mit Ausnahme von Tötungsdelikten nahezu vollständig verjährt. Vgl. eingehend zum Ganzen Gribbohm LK 1 1 Rdn. 389 ff sowie Sch/ Schröder/Eser Rdn. 63 ff.
434
1. Bis zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. Vgl. hierzu die Schrifttumsnachweise bei Gribbohm LK 1 1 Vor § 3 vor Rdn. 389. Vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik stellte sich die drängende Frage, ob und nach welchem Strafrecht Taten aus der Sowjetischen Besatzungszone oder der DDR in den westlichen Besatzungszonen oder der Bundesrepublik abgeurteilt werden konnten, ob - mit anderen Worten - in solchen Fällen die Grundsätze des interlokalen Strafrechts oder diejenigen des Strafanwendungsrechts galten.
435
Dieses Problem ist zwar durch die Rechtsentwicklung im Gefolge der Veränderung der politischen Verhältnisse in Deutschland erledigt. Aber es ist nicht auszuschließen, dass die rechtlichen Erwägungen, die die Behandlung einschlägiger Fälle geprägt haben, zukünftig im internationalen Zusammenhang bei vergleichbaren Teilungssituationen erneut Bedeutung erlangen werden. Die Kommentierung gibt deshalb die wesentlichen Erwägungen wieder, die vor der deutschen Vereinigung gegen die Anwendung des inter-
302
Mattil GA 1958 147; Sch/Schröder/Eser Rdn. 59; vgl. auch OGHSt 2 2 5 3 ; KG JR 1950 565; OLG Hamm MDR 1949 700.
480
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
lokalen Strafrechts sprachen. Für weitere Einzelheiten sei auf die Bearbeitung (LK 1 0 Rdn. 95 ff) verwiesen.
Vor § 3 Tröndles
Nach dem Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR (Grundlagenvertrag) v. 21.12.1972 (BGBl. 1973 II S . 4 2 3 ) auch in seiner verbindlichen Auslegung durch das Grundlagenvertragsurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 36 1) - war anerkannt, dass die DDR „im Sinne des Völkerrechts ein Staat und als solcher Völkerrechtssubjekt" war, dass „die Hoheitsgewalt jedes der beiden deutschen Staaten sich auf sein Staatsgebiet" beschränkte und dass die Bundesrepublik und die DDR „die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten" zu respektieren hatten (Art. 6 GründlV). Die DDR selbst begriff sich als „sozialistischer Staat deutscher Nation". 3 0 3 Sie hatte ein eigenes StGB, das seit 1.7.1968 in Kraft w a r 3 0 4 und sich im Rechtsgüterschutz und im Strafensystem tiefgreifend vom StGB der Bundesrepublik unterschied. Es fehlte vor dem Beitritt also an einer grundsätzlichen Voraussetzung dafür, zwischen der Bundesrepublik und der DDR interlokales Strafrecht anzuwenden. Denn dessen Normen kommen nur in Betracht, wenn in Teilgebieten eines Staates mit einer einheitlichen Strafgewalt verschiedenes (partikuläres) Strafrecht gilt (Rdn. 415 f). Hiervon konnte vor der Wiedervereinigung seit langem keine Rede mehr sein, wie der Grundlagenvertrag zeigte.
436
Für das Verhältnis zur DDR waren daher die §§ 3 ff sedes materiae (BGHSt 3 0 3 f; § 3 Rdn. 17 f). Grundlage dieser Rechtsprechung war ein funktionelles Verständnis der Begriffe „Inland" (§ 3) und - im Grundsatz auch - „Deutscher" (§ 7) mit der Folge, dass die Anwendung der § § 3 und 7 grundsätzlich auf Taten im Gebiet der Bundesrepublik bzw. auf Taten von Staatsangehörigen der Bundesrepublik beschränkt wurde; zu den Ausnahmen bei Taten gegen DDR-Bürger siehe § 3 Rdn. 18. Zwar dekretierte das Grundlagenvertragsurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 36 1, 30 f ) , 3 0 5 „daß die DDR auch ... nach dem Inkrafttreten des Vertrages für die Bundesrepublik Deutschland nicht Ausland geworden ist". Jenes für alle Gerichte und Behörden verbindliche dictum war indessen staats- und verfassungsrechtlich zu begreifen und hatte vornehmlich die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Grundrechte aus Art. 116 GG (Rdn. 57 ff) im Auge. Es enthielt keine Beschränkung für die Auslegung des strafrechtlichen Begriffs „Inland" und konnte diese Kraft auch schwerlich haben, weil die Strafrechtsanwendung sich an der Wirklichkeit orientiert und nicht an Postulaten (Tröndle J R 1977 3). Der Gesetzgeber hatte im Übrigen die Entscheidung darüber, wie der Inlandsbegriff im Hinblick auf die DDR auszulegen sei, ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen. 306
437
2. Seit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Schrifttum Albrecht Verfolgungsverjährung und DDR-bezogene Straftaten, GA 2 0 0 0 123; ders. Das BVerfG und die strafrechtliche Aufarbeitung von Systemunrecht, NJ 1997 1; Ambos Nuremberg revisited, StV 1997 39; ders. Zur Rechtswidrigkeit der Todesschüsse an der Mauer, JA 1997 9 8 3 ; ders. Tatherrschaft durch Willkürherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate, GA 1998 2 2 6 ; Amelung Die strafrechtliche Bewältigung des DDR-Unrechts durch die deutsche Justiz, GA 1996 51; Arnold Strafrechtsprobleme der deutschen Vereinigung, in Eser/Huber (Hrsg.) Strafrechtsentwicklung in
303
304
Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der DDR vom 7.10.1974 (GB1.DDR I S. 425). GB1.-DDR I S. 1; hierzu Maurach NJW 1968 913, 1068; Woesner NJW 1969 257.
305
306
Vgl. auch BVerfGE 37 64 ff; krit. Wengler J Z 1974 529. BTDrucks. V/4095 S. 4; siehe hierzu Fußn. 2 zu S 3 E 1962.
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Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Europa, Bd. 5.1 (1997) 157; ders. Die Normalität des Strafrechts der DDR, Bd. 2 (1996); ders. Überpositives Recht (usw.), Festschrift Grünwald (1999) 31; Baumann/Kury Politisch motivierte Verfolgung (1998); Biermann Gesetzliches Unrecht in der DDR und Rückwirkungsverbot (usw.) (1998); Blumenwitz Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit ehemaliger Mitglieder des SED PolitBüros (usw.), Festschrift Kriele (1997) 717; Bohnert Die Amnestien der DDR und das Strafrecht nach dem Beitritt, DtZ 1993 167; Buchner Die Rechtswidrigkeit der Taten von „Mauerschützen" im Lichte von Art. 103 II (usw.), 1996; Classen Art. 103 II GG - ein Grundrecht unter Vorbehalt? GA 1998 215; Dannecker/Stoffers Rechtsstaatliche Grenzen für die strafrechtliche Aufarbeitung der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze, J Z 1996 490; Dreier Gustav Radbruch und die Mauerschützen J Z 1997 421; ders./Eckert/Mollnau/Rottleuthner Rechtswissenschaft in der DDR 1949-1971 (1996); Drobnig Die Strafrechtsjustiz in der DDR (1998); Ebert Strafrechtliche Bewältigung des SED-Unrechts (usw.), Festschrift Hanack (1999) 501; Eser Schuld und Entschuldbarkeit von Mauerschützen und ihren Befehlsgebern, Festschrift Odersky (1996) 337; ders. Deutsche Einheit: Übergangsprobleme im Strafrecht, GA 1991 241; ders./Arnold (Hrsg.) Strafrecht in Reaktion auf Systemunrecht - Deutschland (2000); Franßen Der Denunziant und sein Richter, NJ 1997 169; Frisch Unrecht und Strafbarkeit der Mauerschützen, Festschrift Grünwald (1999) 133; Gropp Die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates als „Mittelbare Mit-Täter hinter den Tätern"? JuS 1996 13; ders. Naturrecht oder Rückwirkungsverbot? NJ 1996 393; Hassemer Staatsverstärkte Kriminalität als Gegenstand der Rechtsprechung, Festgabe BGH (2000) 439; Hillenkamp Offene oder verdeckte Amnestie - über Wege strafrechtlicher Vergangenheitsbewältigung, J Z 1996 179; Hohmann Die strafrechtliche Bewältigung der Rechtsanwendung durch Richter und Staatsanwälte der DDR - Aktuelle Probleme der Rechtsbeugung, DtZ 1996 230; Hohoff An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestandes (2001); Hruschka Die Todesschüsse an der Berliner Mauer vor Gericht, J Z 1992 665; Jakobs Untaten des Staates - Unrecht im Staat, GA 1994 1; Jordan Die Regelung des 2. Verjährungsgesetzes zur „Vereinigungskriminalität", NJ 1996 294; Keppler Die Leitungsinstrumente des Obersten Gerichts der DDR (1998); Kinzig Die Einführung der Sicherungsverwahrung in den neuen Bundesländern, J Z 1997 63; Kirchner DDR-Unrecht in Fallbeispielen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung, Jura 1998 46; H. König Juristische Feinheiten auf politischem Glatteis, Leviathan 1997 445; Körtning Ist (Straf)Recht ein geeignetes Mittel zur Aufarbeitung der Geschichte? NJ 1999 1; Krajewski Mauerschützen und Menschenrechte, J Z 1997 1054; Kraut Rechtsbeugung? Die Justiz der DDR auf dem Prüfstand des Rechtsstaates (1997); Küpper/Wilms Die Verfolgung von Straftaten des SED-Regimes, ZRP 1992 91; Lamprecht Der Sündenfall. Über die Schüsse an der Mauer und das Rückwirkungsverbot, DRiZ 1997 140; Lehmann Recht muß Recht bleiben, NJ 1996 561; Luther Zum Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, Festschrift Bemmann (1997) 202; Maiu/ald Rechtsbeugung im SED-Staat, NJW 1993 1881; Marxen/Werle Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-Unrecht, eine Bilanz (1999) (zit. Bilanz); dies. (Hrsg.) Strafjustiz und DDRUnrecht, Dokumentation, Band 1: Wahlfälschung (2000), Band 2/1 und 2/2: Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze (2002), Band 3: Amtsmissbrauch und Korruption (2002), Band 4: Spionage (2004); Möller-Heilmann Die Strafverfolgung von Richtern und Staatsanwälten der ehemaligen DDR wegen Rechtsbeugung (1999); Naucke Die strafjuristische Privilegierung staatsverstärkter Kriminalität (1996); Pawlik Strafrecht und Strafunrecht, GA 1994 472; Quaritsch DDR-Verbrechen vor dem BVerfG, Festschrift Roellecke (1997) 221; Ranft Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Mitglieder des Politbüros J Z 2003 582; Renzikowski Vergangenheitsbewältigung durch Vergeltung? J R 1992 270; Rogali Bewältigung von Systemkriminalität, Festgabe BGH (2000) 383; Roggemann Die strafrechtliche Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit (usw.), NJ 1997 226; Rosenau Tödliche Schüsse im staatlichen Auftrag (1998); Rotsch Die Rechtsfigur des Täters hinter dem Täter (usw.), NStZ 1998 491; Rummler Die Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze vor Gericht (2000); Samson Die strafrechtliche Behandlung von DDR-Alttaten nach der Einigung Deutschlands, NJW 1991 335; Schliichter/Duttge Spionage zu Gunsten des Rechtsvorgängerstaats (usw.), NStZ 1996 357; Schroeder Geschichtsbewältigung durch Strafrecht? DRiZ 1996 81; ders. Der BGH und der Grundsatz „nulla poena sine lege", NJW 1999 89; ders. Zur Strafbarkeit von Tötungen in staatlichem Auftrag, J Z 1992 990; ders. Die Rechtswidrigkeit der Flüchtlingserschießungen zwischen Transzendenz und Immanenz, J R 1993 45; Schünemann Dogmatische Sackgassen bei der Strafverfolgung der vom SED-Regime zu verantwortenden Untaten, Festschrift Grünwald (1999) 657; Seebode DDR-Justiz vor Gericht, Festschrift Leckner (1998) 585; Spendei SED-Justizverbrechen und
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
Strafrecht, RuP 2 0 0 0 2 2 6 ; ders. Rechtsbeugung und B G H , N J W 1 9 9 6 8 0 9 ; ders. DDR-Unrechtsurteile in der neueren BGH-Judikatur, J R 1 9 9 6 1 7 7 ; Vormbaum Der strafrechtliche Schutz von Institutionen der D D R , Festschrift Posser ( 1 9 9 7 ) 153; Wolff Geschichtsbewältigung durch Strafrecht? D R i Z 1 9 9 6 8 8 ; Zielinski Das strikte Rückwirkungsverbot gilt absolut (usw.), Festschrift Grünwald ( 1 9 9 9 ) 811; Zimmermann Strafrechtliche Vergangenheitsaufarbeitung und Verjährung ( 1 9 9 7 ) . Siehe ferner das bei Gribbohm L K 1 1 Vor § 3 vor Rdn. 3 9 3 nachgewiesene Schrifttum.
Mit dem Beitritt der D D R zur Bundesrepublik hatte sich zwar eine Vielzahl teilungsbedingter Probleme der Strafrechtsgeltung erledigt; zugleich waren aber auch neue Probleme entstanden. Die Problematik betraf nunmehr „Neutaten", die nach dem Beitritt der neuen Bundesländer begangen wurden, aber auch D D R - „ A l t t a t e n " aus der Zeit davor, soweit sie nach dem Beitritt Gegenstand eines Strafverfahrens wurden. Inzwischen haben beide Problemkreise kaum noch praktische Bedeutung (Rdn. 4 4 1 , 4 4 6 ) .
438
a) Sogenannte Alttaten. Soweit es sich um die Beurteilung von „Alttaten" handelt, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts in der D D R begangen wurden, hat es der Gesetzgeber des Einigungsvertrags (Rdn. 4 3 3 ) nicht bei den (ungeschriebenen) Regeln des allgemeinen interlokalen Strafrechts belassen, die zur Anwendung des Rechts der D D R auf Altfälle geführt hätten (Rdn. 421 f). Vielmehr hat er, was ihm freistand, mit den Art. 315 ff EGStGB Sonderregelungen geschaffen, nach denen nicht an das Tatortrecht anzuknüpfen ist, sondern - mit Einschränkungen (Art. 315 Abs. 4 , Art. 315a EGStGB) grundsätzlich an das mildere der beiden Rechte der Bundesrepublik und der D D R (Art. 315 Abs. 1 Satz 1 E G S t G B ) . 3 0 7 Die Sonderregelungen, die sich wegen der Zugehörigkeit der zu vergleichenden Gesetze zu verschiedenen Rechtsordnungen nicht ausschließlich dem Bereich des intertemporalen Strafrechts zuordnen lassen, verdrängen in ihrem Anwendungsbereich die allgemeinen Grundsätze des Strafanwendungsrechts und auch des interlokalen Strafrechts. 3 0 8 Aus Art. 315 Abs. 4 E G S t G B ergibt sich, dass auf Alttaten auf dem Gebiet der D D R , für die bundesdeutsches Strafrecht bereits vor dem Beitritt nach den § § 4 ff galt, weiterhin bundesdeutsches Strafrecht anzuwenden ist; dies betrifft etwa Taten nach § 99 i.V.m. § 5 Nr. 4 und solche gem. § 2 4 1 a i.V.m. § 5 Nr. 6 . 3 0 9
439
Doch schließt - wie sich aus dem Wortlaut des Art. 315 Abs. 1 EGStGB und dem Normzusammenhang ergibt - Absatz 4 der Vorschrift bei Tatortmehrheit von Alttaten, die einen Tatort sowohl in der D D R als auch in der Bundesrepublik haben, die Anwendbarkeit strengeren DDR-Verjährungsrechts nach Art. 315a Satz 1 EGStGB i.d.F. des E V (Ani. I Kap. III Sachgeb. C Abschn. II Nr. 1 Buchst, c) nicht aus, wenn die Tat nach dem Recht der Bundesrepublik verjährt wäre. Eine vergleichbar strenge Begrenzung der Straftatbestände der Bundesrepublik wie bei der Beschränkung auf das Inland im Strafanwendungsrecht gibt es im Hinblick auf die nach Art. 315 ff E G S t G B zu beurteilenden D D R Alttaten nicht. 3 1 0 Zur Bestimmung des milderen Gesetzes vgl. § 2 Rdn. 6 2 ff.
440
Die Problematik der Verfolgung von Alttaten ist inzwischen durch Ablauf der Verjährungsfristen praktisch erledigt. 3 1 1 Eine Ausnahme bildet die Verfolgung von M o r d ,
441
307
308 309
Hierzu Eser GA 1 9 9 1 2 4 1 , 2 5 6 ff; Tröndle/ Fischer Rdn. 3 3 ; Weber GA 1 9 9 3 2 0 1 , 2 0 2 ff.
3,0 311
Vgl. auch Hoyer SK Rdn. 4 4 f. Ambos M K Rdn. 9 6 ; Tröndle/Fischer Rdn. 35.
Vgl. Jescheck/Weigend § 2 0 III 1. Lackner/Kühl § 2 Rdn. 2 2 ; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 8 4 ff; Tröndle/Fischer Rdn. 33.
G e r h a r d Werle/Florian J e ß b e r g e r
483
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
insbesondere im Zusammenhang mit der Tötung von Republikflüchtlingen. 312 Siehe zur Gesamtbewertung der Ahndung von DDR-Unrecht Eser/Arnold; Hassemer FG BGH, S. 439; Marxen/Werle Bilanz; Rogali FG BGH, S. 383. 442
Wegen Alttaten aus der DDR werden die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und die Führungsaufsicht nach § 68 Abs. 1 nicht angeordnet (Art. 315 Abs. 1 Satz 2 EGStGB); wegen solcher Taten tritt auch Führungsaufsicht nach § 68 f nicht ein (Art. 315 Abs. 1 Satz 3 EGStGB). Der Einigungsvertrag trifft über die Weitergeltung oder Transformation von DDR-Amnestien und DDR-Begnadigungen im Fall von Erwachsenen (im Gegensatz zum Fall von Jugendlichen) keine ausdrückliche Regelung (BVerfG NStZ 1995 205). Im Einklang mit den Grundsätzen, die im interlokalen Strafrecht allgemein für Amnestieregelungen gelten (Rdn. 432), nimmt die Rechtsprechung an, dass DDR-Amnestien aus der Zeit vor der Wiedervereinigung bei der Aburteilung von DDR-Alttaten nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik zu Gunsten des Täters zu berücksichtigen sind, wenn die Voraussetzungen für eine Amnestierung erfüllt sind. 313
443
b) Sogenannte Neutaten. Der Einigungsvertrag vom 23.8.1990 (Rdn. 433) hat für „Neutaten" aus der Zeit nach dem Beitritt grundsätzlich die Geltung des Strafrechts der Bundesrepublik vorgesehen. Er hat in begrenztem Umfang aber auch Gebiete weitergeltenden verschiedenen Strafrechts in Deutschland geschaffen, wodurch die allgemeinen Grundsätze des interlokalen Strafrechts mit gesetzlichen Modifizierungen (so den Art. la, lb, 315c EGStGB) erneut Bedeutung erlangten. 314
444
Im Beitrittsgebiet ist das StGB am 3.10.1990 mit der Maßgabe in Kraft getreten, dass dort § 5 Nr. 8 a.F., soweit dort § 175 a.F. genannt war, § 5 Nr. 9, die §§ 144, 175, 182, 218 bis 219d und 236 jeweils a.F. sowie die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung nicht anzuwenden waren.
445
Aus dem Strafgesetzbuch der DDR i.d.F. vom 14.12.1988 (GBl.-DDR I 1989 Nr. 3 S. 33) - mit Änderungen durch das 6. StRÄndG-DDR vom 29.6.1990 (GBl.-DDR I Nr. 39 S. 526) - sind für „Neutaten" in den neuen Bundesländern in Kraft geblieben (Ani. II Kap. III Sachgeb. C Abschn. I Nr. 1 und Abschn. II EV): § 84 (Ausschluss der Verjährung für Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte und Kriegsverbrechen), § 149 (sexueller Missbrauch von Jugendlichen), §§ 153 bis 155 (unzulässige Schwangerschaftsunterbrechung) und § 238 (Beeinträchtigung richterlicher Unabhängigkeit), ferner § 191a (Verursachung einer Umweltgefahr) in neuer Fassung sowie die in § 10 Satz 1 des 6. StRÄndG-DDR genannten Vorschriften über Straftaten gegen die sozialistische Wirtschaftsordnung (Ani. II Kap. III Sachgeb. C Nr. 2 EV; siehe auch § 2 Rdn. 149). - Vgl. den Wortlaut der genannten Vorschriften des DDR-StGB bei Gribbohm LK 1 1 Rdn. 419 ff.
446
Inzwischen sind die Unterschiede des Strafrechts, die nach der Wiedervereinigung in den alten und den neuen Bundesländern für „Neutaten" bestehen blieben (Rdn. 444 f),
312
313
Hierzu EurGHMR EuGRZ 2001 210; BVerfGE 95 96, 101; BGHSt 4 0 232; eingehend Rosenau und Rummler-, zusf. Lackner/Kühl § 2 Rdn. 16; Marxen/Werle Bilanz; Tröndle/Fischer Rdn. 38 ff. BGHSt 3 9 353, 358 f = J R 1994 255 m. Aran. Bohnert; BGH DtZ 1996 393; OLG Dresden DtZ 1994 113; OLG Stuttgart DtZ
484
314
1993 191, 192; OLG Koblenz DtZ 1993 190, 191; 1993 188, 189; vgl. auch BVerfG NStZ 1995 2 0 5 m. Anm. Alex S. 615; zust. Lackner/Kühl § 2 Rdn. 13. Vgl. Fischer MDR 1991 5 8 2 ff; Schneiders MDR 1991 585 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 79; Tröndle/Fischer Rdn. 24.
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Strafanwendungsrecht
Vor § 3
bis auf wenige, praktisch bedeutungslose Ausnahmen beseitigt. 315 Bei Gribbohm LK 1 1 Rdn. 402 ff ist die teilweise höchst komplizierte Rechtslage in den ersten Jahren nach dem Beitritt eingehend dargestellt. Diese Rechtslage kann ausnahmsweise noch im Einzelfall relevant werden, wenn es sich um Taten handelt, die in dem fraglichen Zeitraum begangen worden sind. Aus diesem Grund werden im Folgenden die Rechtsfragen in ihren Grundlinien dargestellt; für Einzelheiten sei auf die Ausführungen in der Vorauflage (Gribbohm LK 1 1 Rdn. 402 ff) verwiesen. Das verschiedene Strafrecht der Bundesrepublik ist als partielles Bundesrecht grundsätzlich von allen Gerichten des Bundesgebietes zu beachten; insoweit ist nicht etwa das Recht des Aburteilungsorts maßgebend; 316 vielmehr ist - sofern keine Sonderbestimmungen (wie die Art. l a a.R, l b EGStGB) eingreifen - von der Geltung des Tatortrechts auszugehen (Rdn. 421 f). 3 1 7
447
Doch ist zu beachten, dass der Einigungsvertrag den Grundsatz allgemeiner Geltung auch partikulären Rechts (Rdn. 421 f) bei der Schaffung verschiedener Teilrechtsgebiete nach der Vereinigung - unabhängig von den Art. l a a.F. und l b EGStGB - erheblich zu Gunsten des Rechts des Gerichtsorts eingeschränkt hat (Hoyer SK Rdn. 56 f). Während nämlich das fortgeltende Strafrecht der DDR schlicht (auch für die Gerichte in den alten Bundesländern) „in Kraft bleibt" (Rdn. 445), sind Teile des Strafrechts der Bundesrepublik im Beitrittsgebiet „nicht anzuwenden" (Rdn. 444), also auch dann nicht, wenn es sich um einen Fall handelt, der ihnen der Sache nach unterfällt.
448
Aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 GG) hätte der Gesetzgeber gut daran getan, über die Art. l a a.F., l b EGStGB hinaus auch sonst gesetzlich ausdrücklich zu regeln, nach welchen Grundsätzen sich die Anwendung des verschiedenen Rechts der beiden Teilrechtsgebiete richtet. Denn die Grundsätze des allgemeinen interlokalen Strafrechts haben sich (nur) gewohnheitsrechtlich entwickelt (Rdn. 420), und Strafbegründung durch Gewohnheitsrecht ist unzulässig (§ 1 Rdn. 169). Die Bedenken können hier Bedeutung erlangen, wenn das Gewohnheitsrecht zur Anwendung des strengeren Rechts führt, etwa das Wohnsitzrecht milder ist als das Tatortrecht, oder wenn von mehreren an sich eingreifenden Tatortrechten das schärfere angewendet werden soll (Rdn. 425 f).
449
Diese Bedenken lassen sich wohl auf der Grundlage der Annahme ausräumen, aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen ergebe sich mit ausreichender Sicherheit, dass der Gesetzgeber den Einzelregelungen die anerkannten Grundsätze des interlokalen Strafrechts zugrunde gelegt habe, soweit er nicht für bestimmte Bereiche etwas anderes angeordnet habe. Die Sonderregelungen lassen in der Tat erkennen, dass dem Gesetzgeber die Problematik bewusst war.
450
Für Neutaten, die im Ausland begangen werden und für die unterschiedliches Strafrecht in den neuen und den alten Bundesländern gilt, finden gem. Art. 16 EGStGB diejenigen Vorschriften Anwendung, die an dem Ort gelten, an welchem der Täter seine Lebensgrundlage hat. Näher hierzu Gribbohm LK 1 1 Rdn. 422 ff.
451
315
Siehe im Einzelnen Sch/Schröder/Eser Rdn. 75 ff; vgl. auch Gribbohm LK 1 1
Rdn. 403 ff; Hoyer SK Rdn. 55.
316 317
Tröndle/Fischer Rdn. 25. Kritisch dazu Schneiders MDR 1991 585 ff;
gegen ihn Eser GA 1991 241, 255.
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485
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
X . Innere Tatseite 452
Die Geltungsbereichsnormen gehören nicht zu den Merkmalen des gesetzlichen Tatbestands, sondern sind objektive Bedingungen der Strafbarkeit (vgl. BGHSt 27 30, 34); deshalb muss der Tatvorsatz sich nicht auf die Geltung und Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts erstrecken. 318
453
Doch ist ein Tatbestandsirrtum denkbar, wenn sich der Irrtum auf den tatsächlichen Ablauf des Tatgeschehens bezieht. Im Einzelfall kann auch ein Verbotsirrtum in Betracht kommen, der bei Unvermeidbarkeit zur Schuldlosigkeit führt (§ 17). 3 1 9 Für die Annahme eines Verbotsirrtums reicht es allerdings nicht aus, dass der Täter in Unkenntnis des anzuwendenden Strafgesetzes oder der Strafbarkeit nach deutschem Strafrecht gehandelt hat (BGHSt 45 97). Ein Verbotsirrtum ist dagegen nicht ausgeschlossen, wenn sich ein Ausländer (nach deutschem Recht unabhängig vom Recht des Tatorts - vgl. §§ 4 bis 6) durch ein Verhalten strafbar macht, welches nach dem Recht seines Heimatlandes erlaubt ist. Umgekehrt liegt ein Fehlen des Unrechtsbewusstseins eher fern in Fällen des § 7, bei denen die Strafbarkeit nach deutschem Recht unter anderem davon abhängt, dass die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist. Ist das der Fall, so wird der Täter wenigstens in der Regel wissen oder bei gehöriger Gewissensanspannung wissen können, dass sein Tun verboten ist.
XI. Strafanwendungsrecht außerhalb des Strafgesetzbuches 454
Die §§ 3 bis 7 regeln das deutsche Strafanwendungsrecht nicht abschließend. Es gibt eine Reihe weiterer Bestimmungen außerhalb des StGB, welche die Geltung des deutschen Strafrechts über das Inland hinaus ausdehnen und insofern die §§ 4 bis 7 ergänzen. Die Spezialregelungen im Nebenstrafrecht gehen grundsätzlich den §§ 3 bis 7 vor (leges speciales). Hier sind folgende Vorschriften zu nennen, ohne dass Vollständigkeit der Übersicht angestrebt wird:
455
Nach § 1 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB; Art. 1 des Gesetzes zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches vom 26.6.2002, BGBl. I S. 2254) gilt das deutsche Strafrecht für Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) sowie Kriegsverbrechen (§§ 8 bis 12 VStGB) auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist. 320 Die Bestimmung verwirklicht das Universalitätsprinzip und begegnet aus völkerrechtlicher Sicht keinen Bedenken (Rdn. 240). Durch die Formulierung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die einschränkende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 6 Nr. 1 a.F. (§ 6 Rdn. 2 7 ff, 34) für Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch nicht maßgeblich sein soll (BTDrucks. 14/8524, S. 14).
456
Die universelle Ausdehnung deutscher Strafgewalt durch § 1 VStGB hat der Gesetzgeber prozessual flankiert. 321 Danach unterliegen Taten nach den §§ 6 bis 14 VStGB
318
Ambos M K Rdn. 3; Gribbobm J R 1 9 9 8 177, 1 7 9 ; Jescheck/Weigend § 18 V; Sch/ Schröder/Eser Rdn. 6 1 ; Tröndle/Fischer Rdn. 3 0 ; Zieher S. 5 3 ; aA („Tatbestandsmerkmale") mit beachtlichen Argumenten Neumann FS Müller-Dietz, S. 5 8 9 , 6 0 4 f; Pawlik FS F.-Chr. Schroeder ( 2 0 0 6 ) 357, 3 6 0 f.
486
319
BGHSt 4 5 9 7 = StV 2 0 0 0 4 2 2 m. Anm. Neumann·, O L G Düsseldorf N S t Z 1 9 8 5 2 6 8 ; Jescheck/Weigend § 18 V; Sch/Schröder/Eser Rdn. 6 1 ; s. auch Valerius N S t Z 2 0 0 3 341.
320
Näher Weigend GS Vogler, S. 197, 2 0 9 ; Werle/Jeßberger J Z 2 0 0 2 7 2 5 , 7 3 2 f.
321
Zu den Gründen BTDrucks. 1 4 / 8 5 2 4 , S. 3 7 f.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
grundsätzlich auch dann dem Legalitätsprinzip, wenn sie im Ausland begangen werden; die weit reichenden Einstellungsmöglichkeiten des § 153c Abs. 1 Satz 1 StPO (Rdn. 3 5 0 ff) gelten nicht (vgl. § 153c Abs. 1 Satz 2 StPO). Unter den Voraussetzungen des § 153 f StPO kommt ein Absehen von Verfolgung in Betracht, namentlich bei Fehlen eines Inlandsbezugs der Tat oder bei Verfolgung der Tat durch eine vorrangige Gerichtsbarkeit, etwa einen internationalen Strafgerichtshof oder die Strafjustiz des Tatortstaates. 3 2 2 Leitlinie für die Auslegung und praktische Anwendung dieser juristisch komplizierten und politisch heiklen Vorschrift muss dabei das gesetzliche Ziel sein, bei Völkerrechtsverbrechen Verfolgungslücken zu vermeiden. In diesem Ziel finden die gesetzlichen Regelungen ihre Rechtfertigung, aber auch ihre Grenze. Letztlich ergibt sich daraus eine subsidiäre deutsche Zuständigkeit: Die Zuständigkeit der Bundesrepublik als Drittstaat hat nämlich nicht den Zweck, internationale Gerichtshöfe oder tatnähere Gerichtsbarkeiten zu verdrängen. Es geht keineswegs um die Verletzung fremder Souveränität oder gar eine angemaßte deutsche Weltjustiz, sondern um eine neuartige Form der Bereitschaftsjustiz. Deutsche Strafverfolgungsorgane haben bei Völkerrechtsverbrechen eine „Auffangzuständigkeit", welche nur dann greift, wenn feststeht, dass tatnähere Justizsysteme zur Verfolgung nicht willens oder nicht in der Lage sind. Wenn Deutschland in einer solchen Situation als Drittstaat Verfolgungsmöglichkeiten hat, muss die deutsche Justiz tätig werden. Ebenfalls unabhängig vom Recht des Tatorts und der Staatsangehörigkeit des Täters gilt deutsches Strafrecht nach Art. 3 des Gesetzes vom 2 6 . 9 . 1 9 6 9 zu dem Europäischen Ubereinkommen vom 2 2 . 1 . 1 9 6 5 zur Verhütung von Rundfunksendungen, die von Sendestellen außerhalb der staatlichen Hoheitsgebiete gesendet werden (EuRFVerÜbkG; BGBl. 1969 II S. 1939), zuletzt geändert durch G vom 2.3.1974 (BGBl. I S. 469), für das Errichten und Betreiben sogenannter Piratensender außerhalb Deutschlands (näher Oehler Piratensender). Aus der Bezugnahme auf Art. 1 und 4 des Europäischen Übereinkommens ergibt sich, dass nur das Errichten oder Betreiben solcher Rundfunksendestellen erfasst ist, die sich außerhalb staatlicher Hoheitsgebiete, namentlich auf hoher See befinden. Insofern begegnet die Ausdehnung des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts keinen völkerrechtlichen Bedenken (Rdn. 2 4 5 f; § 6 Rdn. 13).
457
Auch die §§ 3 7 0 Abs. 7 und 3 7 4 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) i.d.F. der Bek. vom 1 . 1 0 . 2 0 0 2 (BGBl. I S. 3866), zuletzt geändert durch G vom 2 2 . 9 . 2 0 0 5 (BGBl. I S. 2 8 0 9 ) , erstrecken den Geltungsbereich der Strafvorschriften über Steuerhinterziehung (§ 3 7 0 Abs. 1 bis 6 AO) und Steuerhehlerei (§ 3 7 4 Abs. 1 AO) unabhängig vom Recht des Tatorts auf Auslandstaten. 3 2 3 Soweit dadurch auch Steuerhinterziehung zum Nachteil des deutschen Fiskus erfasst wird, hätte es der Regelung nicht bedurft, da in diesen Fällen der Erfolgsort stets im Inland gelegen ist und deutsches Strafrecht mithin gem. §§ 3, 9 gilt ( E r b s / K o h l h a a s - S e n g e A 2 4 § 3 7 0 Rdn. 60a). Seit der Änderung von § 3 7 0 Abs. 7 AO durch Art. 3 des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 2 6 . Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 10.9.1998 (EGFinSchG; BGBl. II S. 2 3 2 2 ) ist klargestellt, dass die Geltungsbereichsnorm auch die
458
322
Siehe hierzu Generalbundesanwalt beim BGH J Z 2005 311 m. krit. Besprechungen Fischer-Lescano HSFK Standpunkte 1/2005 und Jeßberger in Ratner/Kaleck (Hrsg.) Universal Jurisdiction v. Realpolitik (2006) S. 213; OLG Stuttgart ZIS 2006 143 m. krit. Anm. Singelnstein/Stolle-, Beulke in Löwe/Rosenberg25 Nachtr. § 153f Rdn. 1 ff;
323
Werte FS Tomuschat, S. 655, 668 f; Werle/ Jeßberger J Z 2002 725, 732 f. Zur Hinterziehung ausländischer Steuern und Steuerhinterziehung im Ausland Keßeböhmer/R. Schmitz wistra 1995 1 ff; R. Schmitz/Wulf wistra 2001 361; Tiedemann FS Waseda (1988) 927 (934 ff).
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
487
Vor § 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Hinterziehung von Eingangsabgaben anderer Mitgliedstaaten der EU und der EFTA (§ 3 7 0 Abs. 6 AO) erfasst (BVerfG wistra 2 0 0 3 2 5 5 ; B G H wistra 2 0 0 4 63, 64; dagegen aber R. Schmitz/Wulf wistra 2 0 0 1 361, 369). O b die Vorschrift sich auch insoweit mit einem auf Gemeinschaftsinteressen erweiterten Staatsschutzprinzip (Rdn. 251 f) rechtfertigen lässt, ist jedenfalls in den Fällen zweifelhaft, in denen Gläubiger der verkürzten Abgaben nicht die Europäische Gemeinschaft, sondern ein einzelner Mitgliedstaat ist; eine völkerrechtliche Grundlage, die es erlauben würde, die Vorschriften dem völkerrechtlichen Universalitätsprinzip zuzuordnen (so LG Kiel N S t Z 1 9 9 8 201), fehlt. 459
Gem. §§ 17 Abs. 6, 18 Abs. 4 und 19 Abs. 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3.7.2004 (BGBl. I S. 1414) gilt § 5 Nr. 7 (hierzu § 5 Rdn. 115ff) entsprechend für Taten des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG), der Vewertung von Vorlagen (§ 18 UWG) sowie des Verleitens oder Erbietens zum Verrat (S 19 UWG).
460
Eine Reihe weiterer Vorschriften erstreckt den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts auf Grundlage des aktiven Personalitätsprinzips (Rdn. 2 3 2 ff) unabhängig vom Recht des Tatorts auf bestimmte Straftaten, die Deutsche im Ausland begehen:
461
Hierzu zählt § 21 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 2 2 . 1 1 . 1 9 9 0 (BGBl. I S. 2 5 0 6 ) zuletzt geändert durch Verordnung vom 2 5 . 1 1 . 2 0 0 3 (BGBl. I S. 2 3 0 4 ) , der ausgewählte Strafvorschriften gegen Atomwaffen (§ 19 KWKG), biologische und chemische Waffen ( § 2 0 KWKG) und Antipersonenminen (§ 20a KWKG) erfasst, soweit keiner der in § 2 2 K W K G geregelten Ausnahmetatbestände eingreift. 3 2 4
462
Entsprechend bestimmt § 18 des Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 13.1.1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (CWÜAG), vom 2 . 8 . 1 9 9 4 (BGBl. I S. 1954), zuletzt geändert durch G vom 1 1 . 1 0 . 2 0 0 4 (BGBl. I S. 2 5 7 5 ) , die Geltung des deutschen Strafrechts für Taten gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 CWÜAG i.V.m. § 13 Abs. 1 der Ausführungsverordnung zum Chemiewaffenübereinkommen (BGBl. 1996 I S. 1794; u.a. verbotswidrige Ein- oder Ausfuhr von Chemikalien oder Errichtung von Einrichtungen zur Produktion bestimmter Chemikalien) und gem. § 17 CWÜAG (Missbrauch von Chemikalien oder anderen Stoffen als chemische Waffe), wenn diese von einem Deutschen im Ausland begangen werden.
463
Auch § 35 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG; BGBl. 1961 I S. 4 8 1 , 495, 1555), zuletzt geändert durch G vom 2 1 . 6 . 2 0 0 5 (BGBl. I S. 1818), verwirklicht das aktive Personalitätsprinzip. Danach gilt das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts für Auslandstaten gem. § 3 4 AWG (hierzu Dannecker/Freitag Z S t W 116 [2004] 797; Herzog wistra 2 0 0 0 41), wenn der Täter Deutscher ist.
464
Nach Art. 2 § 3 des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 17.12.1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (IntBestG) vom 10.9.1998 (BGBl. II S. 2 3 2 7 ) gilt das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts für die Bestechung (§§ 3 3 4 bis 336) ausländischer Amtsträger (Art. 2 § 1) oder Abgeordneter im Ausland, wenn der Täter Deutscher ist und die Tat im Zusammenhang mit internationalem geschäftlichem Verkehr steht. 3 2 5 Siehe § 5 Rdn. 192, 2 0 0 zu den Geltungsbereichsregeln im Gesetz zu dem Protokoll vom 27. September 1996
324 v g i hierzu OLG Stuttgart bei Achenbach NStZ 1993 477, 481; Holthausen NStZ 1992 268; Pottmeyer NStZ 1992 57.
488
325
Näher zum IntBestG: Heinrich GS Keller, S. 103; Volk GS Zipf, S. 419, 428; Zieschang NJW 1999 105.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Strafanwendungsrecht
Vor § 3
zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EuBestG), vom 10.9.1998 (BGBl. II S. 2 3 4 0 ) , zuletzt geändert durch G v. 21.7.2004 (BGBl. I S. 1763). § l a des Wehrstrafgesetzes (WStG) i.d.F. d. Bek. vom 2 4 . 5 . 1 9 7 4 (BGBl. I S. 1213), zuletzt geändert durch G vom 2 2 . 4 . 2 0 0 5 (BGBl. I S. 1106), ergänzt die §§ 4 bis 7 für militärische Straftaten (§ 2 Nr. 1 WStG), die von Soldaten der Bundeswehr oder von den in § 1 Abs. 2 W S t G bezeichneten Personen im Ausland begangen werden; auf das Recht des Tatorts kommt es nicht a n . 3 2 6 Erfasst werden auch Auslandstaten von ehemaligen Soldaten (§ 1 Abs. 3 WStG) und von Zivilpersonen, die zu einer einschlägigen Tat anstiften oder Beihilfe leisten (§ 1 Abs. 4 WStG), wenn sie Deutsche sind und ihre Lebensgrundlage im Inland haben. Das deutsche Strafrecht gilt ferner für Taten, die ein Soldat während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Beziehung auf den Dienst im Ausland begeht (§ l a Abs. 2 W S t G ; siehe auch § 5 Rdn. 191).
465
Anknüpfend an das Flaggenprinzip (Rdn. 2 2 4 ) unterliegen Straftaten nach § § 1 1 5 bis 123a des Seemannsgesetzes (SeemannsG) vom 2 6 . 7 . 1 9 5 7 (BGBl. II S. 713), zuletzt geändert durch G vom 8 . 6 . 2 0 0 5 (BGBl. I S. 1530), unabhängig vom Recht des Tatorts dem deutschen Strafrecht, auch wenn sie im Ausland begangen werden (§ 131a SeemannsG). 3 2 7 Das Seemannsgesetz gilt für alle Kauffahrteischiffe (§ 4 Rdn. 34), die nach dem Flaggenrechtsgesetz die Bundesflagge führen (§ 1 SeemannsG; § 4 Rdn. 38 ff). Entsprechend bestimmt § 17 des Flaggenrechtsgesetzes i.d.F. d. Bek. v. 2 6 . 1 0 . 1 9 9 4 (BGBl. I S. 3140) die Geltung des deutschen Strafrechts für Taten des unbefugten Führens der Bundes- oder einer Dienstflagge (§ 15 Abs. 2 i.V.m. § 8 FlaggRG), die im Ausland begangen werden.
466
Art. 12 des Ausführungsgesetzes zum Seerechtsübereinkommen 1982/1994 (AusfGSeeRÜbk) vom 6 . 6 . 1 9 9 5 (BGBl. I S. 7 7 8 ) erweitert den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts für bestimmte Umweltstraftaten, die außerhalb der ausschließlichen deutschen Wirtschaftszone (§ 5 Rdn. 55 ff) in der Nordsee oder Ostsee von Schiffen aus verübt werden (Wortlaut bei § 5 Entstehungsgeschichte). Näher hierzu § 5 Rdn. 174 ff.
467
Das Strafanwendungsrecht wird schließlich modifiziert durch die Bestimmungen über den Anwendungsbereich des Urheberrechtsgesetzes vom 9.9.1965 (UrhG; BGBl. I S. 1273), zuletzt geändert durch G ν. 10.9.2003 (BGBl. I S. 1774), in den §§ 121 bis 123 UrhG. Danach entfalten Urheberrechte ihre Schutzwirkung nur innerhalb der Grenzen des Schutzlandes. 328 Wegen der strengen Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts gilt dies auch für den strafrechtlichen Schutz nach den § § 106 ff U r h G . 3 2 9 Abweichend von § 7 kann nur eine im Inland begangene Verletzungshandlung relevant sein.
468
326
327
Schölz/Lingens WStG 3. Aufl. (1988) S la Rdn. 1; vgl. Oehler Rdn. 630 f. Oehler Rdn. 423, Fußn. 2.
328 329
BGHSt 49 93, 97 f; Lackner/Kühl Rdn. 9. Weber JZ 1993 106, 107, Anm. zu BayObLG JZ 1993 104.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
489
§3
Geltung für Inlandstaten Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden. Schrifttum Vgl. vor den Vorbemerkungen zu den § § 3 bis 7. Entstehungsgeschichte § 3 entspricht mit seiner einfacheren Formulierung in der Sache vollständig dem ursprünglichen § 3 RStGB. Dieser wurde durch die GeltungsbereichsVO vom 6 . 5 . 1 9 4 0 (RGBl. I S. 7 5 4 ; Vor § 3 Entstehungsgeschichte) mit der Einführung des aktiven Personalgrundsatzes grundlegend neu gestaltet (Vor § 3, Entstehungsgeschichte); Absatz 2 wurde durch das 3. StRÄndG vom 4 . 8 . 1 9 5 3 (BGBl. I S. 735) geändert. Mit dem 2. StrRG vom 4 . 7 . 1 9 6 9 (BGBl. I S. 717), in Kraft seit dem 1.1.1975, erhielt die Vorschrift unter Rückkehr zum Gebietsgrundsatz ihre geltende Fassung.
Übersicht Rdn. I. B e d e u t u n g
1
1. Territorialitätsprinzip 2 . V ö l k e r r e c h t l i c h e Verpflichtungen
. . .
II. Voraussetzungen 1. D i e E n t w i c k l u n g des Inlandsbegriffs
.
2 . D e r Inlandsbegriff des geltenden Rechts a) L a n d g e b i e t
Rdn. cc) G r e n z b r ü c k e n
40
3
c) K ü s t e n m e e r
7
d) L u f t r a u m
51
8
e) V o r g e s c h o b e n e Zollstellen
58
9 24 28
b) Binnengewässer und m a r i t i m e
41
f) F r e i z o n e n , insbesondere Freihäfen
30
aa) I n t e r n a t i o n a l e Wasserwege
. . .
33
bb) Grenzflüsse und Grenzseen
. . .
36
66
D i p l o m a t e n und anderen Exterritorialen in D e u t s c h l a n d
Eigengewässer
.
g) Dienst- und W o h n g e b ä u d e von 68
h) Besonderheiten bei Taten an B o r d von Schiffen und Flugzeugen ΙΠ. Prozessuales
. . . .
70 78
I. Bedeutung 1
Nach § 3 gilt das deutsche Strafrecht für Taten, die im Inland begangen werden. Auf die Staatsangehörigkeit des Täters kommt es dabei nicht an. Auch Ausländer unterliegen bei Inlandstaten dem deutschen Strafrecht.
2
Zu beachten ist allerdings, dass bestimmte Personen, typischerweise, aber nicht notwendigerweise solche mit ausländischer Staatsangehörigkeit, ganz oder teilweise von der Gerichtsbarkeit der Gerichte der Bundesrepublik ausgenommen sind. Dies betrifft namentlich die Exterritorialen (Vor § 3 Rdn. 3 6 8 ff), etwa Diplomaten und Angehörige der in der Bundesrepublik stationierten ausländischen Streitkräfte.
3
1. Territorialitätsprinzip. § 3 stellt den Gebietsgrundsatz (Vor § 3 Rdn. 2 2 2 f ) an die Spitze der Regelung des deutschen Strafanwendungsrechts (Vor § 3 Rdn. 2 5 7 f f ) . Die systematische Stellung des § 3 bringt den Grundgedanken zum Ausdruck, dass die deutsche Strafgewalt grundsätzlich auf Vorgänge im eigenen Staatsgebiet beschränkt ist. 1 Die 1
Sch/Schröder/Eser Rdn. 2; Tröndle/Fischer Rdn. 1.
490
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Geltung für Inlandstaten
§3
Verwirklichung des Gebietsgrundsatzes in § 3 entspricht dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip; die Vereinbarkeit des § 3 mit den völkerrechtlichen Vorgaben der Ausübung staatlicher Strafgewalt steht außer Frage (Vor § 3 R d n . 2 2 2 f ) . Isoliert betrachtet bringt die Vorschrift gegenüber dem früheren Recht keine Änderung. Auch der von 1 9 4 0 bis 1 9 7 4 in erster Linie m a ß g e b l i c h e aktive Personalitätsgrundsatz (Vor § 3 R d n . 2 3 2 f f ) wurde bei Inlandstaten durch den Gebietsgrundsatz ergänzt (S 4 Abs. 1 R S t G B i.d.F. der GeltungsbereichsVO, § 4 Abs. 1 S t G B in der bis zum 2 . S t r R G geltenden Fassung). D a s deutsche Strafrecht galt also i m m e r schon für Inlandstaten, gleichgültig, o b sie ein Inländer oder ein Ausländer begangen hatte, da es selbstverständlich ist, dass sich die innerstaatliche R e c h t s o r d n u n g gegenüber j e d e r m a n n durchsetzt. Die Bedeutung des in § 3 normierten Grundsatzes liegt daher m e h r in seiner Kehrseite: D a s s nämlich auf Taten, die nicht im Inland begangen werden, die deutschen Strafgesetze nicht o h n e weiteres a n w e n d b a r sind.
4
Dieser G r u n d g e d a n k e wird allerdings v o m geltenden R e c h t erheblich relativiert. 2 S o dehnt die Regelung des Begehungsortes in § 9 auf G r u n d l a g e des Ubiquitätsprinzips den Anwendungsbereich von § 3 auch auf Sachverhalte aus, die zumindest zum Teil im Ausland stattfinden (§ 9 R d n . 5 4 f f ) . Vor allem aber n o r m i e r e n die § § 4 bis 7 eine R e i h e bedeutsamer A u s n a h m e n , die den Gebietsgrundsatz d u r c h b r e c h e n , § 3 ergänzen und den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts in erheblichem U m f a n g erweitern. Dies ist im Prinzip nicht zu beanstanden, da die Ausübung von Strafgewalt allein a u f der G r u n d l a g e des Gebietsgrundsatzes nicht allen schutzwürdigen Interessen des Staates, seiner Staatsbürger und der Staatengemeinschaft gerecht wird. D i e begrenzende F u n k t i o n des G e bietsgrundsatzes wird dadurch freilich deutlich a b g e s c h w ä c h t .
5
Gleichwohl bleibt der Gebietsgrundsatz Ausgangspunkt des geltenden deutschen Strafanwendungsrechts, wie sich aus seiner u n b e s c h r ä n k t e n Verwirklichung und aus der Stellung des § 3 an der Spitze der Regelungen des Strafanwendungsrechts ergibt. A u c h mit Blick darauf, dass die weitaus größte Z a h l der von der deutschen Justiz abgeurteilten Taten Inlandstaten sind, k a n n m a n den Gebietsgrundsatz als das Hauptprinzip 3 des Strafanwendungsrechts bezeichnen.
6
2 . Völkerrechtliche Verpflichtungen. § 3 ist nicht nur für die innerstaatliche R e c h t s Ordnung von Bedeutung, sondern auch im H i n b l i c k auf das Völkerrecht. Die Bundesrepublik hat sich in vielen internationalen Ü b e r e i n k o m m e n verpflichtet, bestimmte Straftaten unter anderem dann zu verfolgen, wenn sie im eigenen Hoheitsbereich begangen werden (Vor § 3 R d n . 3 3 ) , so etwa Betäubungsmittelstraftaten, Luftpiraterie, terroristische Gewalttaten und Geiselnahme. § 3 ermöglicht es der Bundesrepublik, solche völkerrechtlichen Verpflichtungen innerstaatlich durchzusetzen.
7
II. Voraussetzungen Voraussetzung der Geltung des deutschen Strafrechts nach § 3 ist, dass die Tat im Inland begangen wird. M a ß g e b l i c h für die Bestimmung des Begehungsortes ist § 9. Z u den Begriffen „ T a t " , „ G e l t u n g " und „deutsches S t r a f r e c h t " siehe V o r § 3 R d n . 3 1 4 , 3 2 8 f.
2 3
Vgl. auch Ambos MK Rdn. 2. Lemke NK Rdn. 1 („Hauptanknüpfungsprinzip"); Sch/Schröder/Eser Rdn. 1.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
491
8
§3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
9
1. Die Entwicklung des Inlandsbegriffs. Für ein Strafrecht, das sich grundsätzlich am Gebietsgrundsatz orientiert, haben die Rechtsbegriffe „Inland" und „Ausland" grundlegende Bedeutung. Bei einem Staat deckt sich normalerweise das Staatsgebiet mit dem Geltungsbereich seiner Rechtsordnung. Entsprechend war man früher fast einhellig der Meinung, dass auch bei der Anwendung des Strafrechts das Staatsrecht bestimmt, was Inland und was Ausland ist. 4 Vielfach wird diese Frage in der Verfassung oder in der Strafgesetzgebung ausdrücklich geregelt, 5 so etwa auch in § 8 R S t G B in der bis zur GeltungsbereichsVO vom 6 . 5 . 1 9 4 0 (RGBl. I S. 754) geltenden Fassung: „Ausland im Sinne dieses Strafgesetzes ist jedes nicht zum Deutschen Reich gehörige Gebiet." Entsprechend erstreckte § 3 R S t G B den Anwendungsbereich der Strafgesetze des deutschen Reichs auf alle im „Gebiet desselben" begangenen Straftaten.
10
Demgegenüber wollte der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 3 durch das 2. StrRG (Vor § 3 Rdn. 2 5 7 ) vor dem Hintergrund der deutschen Teilung die Auslegung des Inlandsbegriffs bewusst der Rechtsprechung überlassen (2. Bericht, BTDrucks. V/4095 S. 4); die in § 3 E 1 9 6 2 vorgesehene Begriffsbestimmung wurde daher nicht übernommen.
11
Der Begriff des Inlands war vor 1945 lediglich in Einzelheiten umstritten. 6 Nach dem Zweiten Weltkrieg aber warf die Frage, was im Strafrecht als „Inland" und was als „Ausland" zu gelten habe, grundlegende und schwierige Fragen auf. Dies galt insbesondere, seitdem sich neben der Bundesrepublik auf dem Territorium der früheren sowjetischen Besatzungszone die DDR als „sozialistischer Staat deutscher N a t i o n " 7 etabliert hatte. Auch nach der Bildung zweier voneinander unabhängiger Staatsgewalten auf deutschem Boden lebte die staatsrechtliche Vorstellung vom Fortbestand eines (handlungsunfähigen) deutschen Gesamtstaats weiter (Fortbestandstheorie). Sie entsprach der Rechtsprechung des BVerfG. 8 Bis zum Abschluss der Ostverträge in den Jahren 1 9 7 0 bis 1973 herrschte die Auffassung vor, dass das Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande des 31.12. 1 9 3 7 9 staatsrechtlich als Inland zu gelten habe.
12
Das hatte zur Folge, dass der staatsrechtliche Begriff „Inland" und der effektive Geltungsbereich der (Straf-) Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland auseinander fielen. 1 0 Dieses Auseinanderfallen führte in der Rechtsprechung zur Herausbildung eines „funktionellen" Inlandsbegriffs (dazu Rdn. 15, 17). Der Gesetzgeber reagierte mit der Verwendung neuer Begriffe, wie demjenigen des „räumlichen Geltungsbereichs" des Strafgesetzbuches. 11 Dies betraf etwa die Straftaten der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 84, 91), weil die Vorschriften nur den Schutz der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zum Zweck haben konnten.
4 5
6 7
8
9
Vgl. nur Jagusch LK 8 § 3 Anm. 4a. Vgl. etwa Art. 4 Abs. 2 des italienischen Strafgesetzbuches vom 19.10.1930; Rumpf Oer Staat 1970 290. Vgl. V. Liszt/Schmidt AT § 22 II. So Art. 1 des G zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der DDR, v. 7.10.1974 (GB1.DDR I S. 425). BVerfGE 36 15; 6 336, 363; 5 126; 3 319; 2 277; gegen die Fortbestandstheorie Rumpf Zeitschrift für Politik 1975 129, 135; vgl. auch Wengler )Z 1974 535. Dieses Datum geht auf das Londoner Proto-
492
10
11
koll der Sieger- und Besatzungsmächte vom 12.9.1944 zurück und fand Eingang in Art. 116 Abs. 1 GG; vgl. Rumpf Der Staat 1970 316; E 1962 Begr. S. 106. Eingehend hierzu Gribbohm LK 11 Vor § 3 Rdn. 205 ff. Vgl. etwa § 5 Nrn. 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 7, 9 und 10; § 66 Abs. 4 Satz 5; S 80a; § 84 Abs. 1 Satz 1; § 85 Abs. 1 Satz 1; § 87 Abs. 1; § 88 Abs. 1; § 91; § 100 Abs. 1; § 109f Abs. 1; § 234a Abs. 1 in der jeweiligen Fassung.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
§3
Geltung für Inlandstaten
Seit Abschluss der Ostverträge 1970/1973 lag es - jedenfalls für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts - nahe, den gesetzlichen Sprachgebrauch in diesem Zusammenhang zu bereinigen. 12
13
Die Ausdehnung des (staats- und völkerrechtlich verstandenen) Begriffs des Inlandes auf die deutschen Reichsgrenzen nach dem Stande vom 31.12.1937, also auch auf die ehemals deutschen Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie, war seit Abschluss des Moskauer Vertrags vom 12.8.1970 (BGBl. 1972 II S. 353) und des Warschauer Vertrags vom 7.12.1970 (BGBl. 1972 II S. 361) unhaltbar, weil durch die Vertragswerke „die territoriale Integrität aller Staaten in Europa in ihren heutigen Grenzen" und die OderNeiße-Linie als „die westliche Staatsgrenze der Volksrepublik Polen" anerkannt wurden. Nach Abschluss des Grundlagenvertrags vom 21.12.1972 (BGBl. 1973 II S. 421) mit der D D R war es staats- und völkerrechtlich zweifelhaft 13 und strafrechtlich sachwidrig, deren Staatsgebiet als Inland zu begreifen. Denn in diesem Vertrag bekräftigte die Bundesrepublik die Unverletzlichkeit der Grenze zur D D R (Art. 3 Abs. 2); zugleich erkannte sie als Grundsatz an, „dass sich die Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten auf sein Staatsgebiet beschränkt" (Art. 6 Satz 1).
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Ein Inlandsbegriff, der am Staats- und Völkerrecht ausgerichtet war (Rdn. 9), vermochte zur Strafrechtsanwendung um so weniger beizutragen, als - bezogen auf die Rechtslage Deutschlands - der staatsrechtliche Inlandsbegriff seinerseits umstritten war und gerade durch das „Grundlagenvertragsurteil" (BVerfGE 3 6 1) in ein Spannungsverhältnis zum völkerrechtlichen Inlandsbegriff trat. Daher war es sachgerecht, im Strafrecht von einem funktionellen Inlandsbegriff14 auszugehen, der den besonderen Erfordernissen der Strafrechtsanwendung besser gerecht wurde.
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Zunächst hatte auch die höchstrichterliche Rechtsprechung dem Strafrecht den staatsund völkerrechtlichen Inlandsbegriff zugrunde gelegt. Nach anfänglicher Auffassung des BGH gehörte die sowjetische Besatzungszone sowohl sachlichrechtlich (BGHSt 5 364, 365) als auch prozessual (BGHSt 7 53, 55) zum Inland, dies ungeachtet der politischen Verhältnisse, die das Bestehen einer einheitlichen Regierungsgewalt hinderten und die Rechtseinheit gefährdeten (BGHSt 7 53, 55). Folgerichtig hielt der BGH für den Fall, dass die Tathandlungen mehrere deutsche Rechtsgebiete betrafen, nicht das Strafanwendungsrecht der §§ 3 ff a.F. für maßgebend, sondern die ungeschriebenen Regeln des innerdeutschen (interlokalen) Strafrechts (vgl. Vor § 3 Rdn. 415 ff), nach denen grundsätzlich das Recht des Tatorts gilt (Vor § 3 Rdn. 421 f). 1 5 Nach der Entscheidung BGHSt 15 72, in der es um die gerichtliche Zuständigkeit für die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens im Zusammenhang mit einem Urteil eines Gerichts der sowjetischen Besatzungszone ging, waren solche Gerichte nicht Gerichte eines ausländischen Staates, sondern deutsche (inländische) Gerichte (ebenso BGHSt 2 0 5, 7). Eine Wende beim Verständnis des Inlandsbegriffs deutete sich erst in den Entscheidungen BGHSt 2 7 5 und BGH N J W 1978 113, 115 an.
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Roggemann S. 17, 3 4 , 1 0 6 ; ders. Z R P 1 9 7 6 245. Und zwar unbeschadet des von der Fortbestandstheorie (Rdn. 11) ausgehenden Grund lagenvertragsurteils BVerfGE 3 6 15; näher Rumpf Zeitschrift für Politik 1 9 7 5 1 2 7 ; vgl. Roggemann S. 19.
BGHSt 3 0 1; zur Kritik am funktionellen Inlandsbegriff Gribbohm L K 1 1 Vor § 3 Rdn. 2 2 4 ff. Vgl. auch BGHSt 3 0 1, 2 ; 2 7 5, 6 f; KG N S t Z 1992 542.
G e r h a r d Werle/Florian J e ß b e r g e r
493
§3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
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Die Abkehr vom staats- und völkerrechtlichen sowie die Hinwendung zum funktionellen Inlandsbegriff vollzog BGHSt 3 0 l . 1 6 Die frühere Gesetzesauslegung, nach welcher der Inlandsbegriff des § 3 die D D R mit umfasste, hielt der B G H „jedenfalls seit dem Abschluss des Vertrags über die Grundlagen der Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Grundlagenvertrag)" vom 21.12. 1972 (BGBl. 1973 II S. 421, 4 2 3 ) nun für „nicht mehr vertretbar" (BGHSt 3 0 1, 3). Zugleich knüpfte der B G H an den funktionellen Inlandsbegriff an; denn er stellte für die Beurteilung bei § 3 darauf ab, dass die Bundesrepublik auf dem Gebiet der D D R keine Staatsgewalt ausübte. 1 7
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Unter Anwendung des funktionellen Inlandsbegriffs behandelte der B G H sodann die D D R strafrechtlich wie Ausland im Sinne des § 7 Abs. 1, dies allerdings nur in begrenztem Umfang. Er meinte, dass diese Vorschrift nicht allgemein auch dem Schutz von Bürgern der D D R vor Straftaten diene, die in der D D R gegen sie begangen würden, nach dem Schutzprinzip wohl aber dem Schutz vor einer dort gegen sie verübten Freiheitsberaubung, die mit einer politischen Verdächtigung (§ 241a) zusammenhänge (BGHSt 32 2 9 3 , 2 9 6 , 2 9 8 = J Z 1 9 8 4 9 4 6 m. krit. Anm. Oehler, weitergehend O L G Düsseldorf N J W 1983 1 2 7 7 f ) . Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung lag es aber immerhin nahe, DDR-Bürger generell vor schweren Straftaten wie Tötungen, schweren Körperletzungen oder Freiheitsberaubungen zu schützen. Das KG (JR 1988 345) nahm an, entsprechend § 7 Abs. 2 (Nr. 1 oder 2) habe ein Bürger der D D R wegen dort begangener Betrugstaten in der Bundesrepublik bestraft werden können, wenn er nach Tatbegehung hierher geflohen sei.
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Seit dem Beitritt der D D R zur Bundesrepublik 1 8 am 3 . 1 0 . 1 9 9 0 hat der funktionelle Inlandsbegriff seine praktische Bedeutung, die er gerade im Hinblick auf die Besonderheiten des staats- und völkerrechtlichen Verhältnisses zwischen den beiden deutschen Staaten hatte, verloren. 1 9 Denn seit diesem Zeitpunkt erstreckt sich die (tatsächlich ausgeübte) hoheitliche Gewalt der Bundesrepublik auch auf das Gebiet der früheren D D R . Für dort begangene Taten gilt - gem. § 3 - grundsätzlich das Strafrecht der Bundesrepublik (näher Vor § 3 Rdn. 4 3 8 ff).
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Damit entspricht der strafrechtliche (funktionelle) Inlandsbegriff seit dem Wirksamwerden des Beitritts (Art. 1 Abs. 1 EV) dem staatsrechtlichen Inlandsbegriff 2 0 und dem völkerrechtlichen Begriff 2 1 des Staatsgebietes. 2 2 Eine inhaltliche, auch gegenwärtig noch gültige Aussage liefert der funktionelle Inlandsbegriff freilich insoweit, als er an eine funktionierende hoheitliche Staatsgewalt anknüpft und sie in dem als „Inland" in Anspruch genommenen Gebiet voraussetzt. 2 3 Auch strafrechtlich kann zum Inland nur
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BGHSt 30 1, 3 = JR 1981 204 m. krit. Anm. Wengler = StV 1981 174 m. abl. Anm. Abendroth = NStZ 1981 179 m. krit. Anm. Schweden abl. auch Schroth NJW 1981 500 f. BGHSt 40 125, 128 ff; 32 293, 297 = J Z 1984 593 m. Anm. Oehler; BGHSt 30 1, 4, 7; zu Differenzierungen in der Rechtsprechung Gribbohm LK 11 Vor § 3 Rdn. 215. Durch G vom 23.9.1990 zu dem Vertrag vom 31.8.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands und zu der Vereinbarung vom 18.9.1990 (BGBl. II S. 885).
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Ambos MK Rdn. 9; Sch/Schröder/Eser Vorbem § § 3 - 7 Rdn. 32a; Tröndle/Fischer Vor § § 3 - 7 Rdn. 12. Isensee HdbStR V § 118 Rdn. 44. Epping/Gloria in Ipsen § 23 Rdn. 1. Baumann/Weber/Mitsch § 7 Rdn. 48; Jescheck/Weigend § 18 VI 1; Sch/Schröder/ Eser Vorbem § § 3 - 7 Rdn. 29, 32a. Lackner/Kühl Vor § § 3 - 7 Rdn. 4; Seh/ Schröder/Eser Vorbem § § 3 - 7 Rdn. 29; Tröndle/Fischer Vor § § 3 - 7 Rdn. 12.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Geltung für Inlandstaten
§3
gehören, was als Land-, Meeres- und Luftgebiet rechtlich und tatsächlich der ausschließlichen Hoheitsgewalt des Staates (seiner Gebietshoheit) unterworfen ist. 2 4 Die „Funktionalisierung" des Inlandsbegriffs und die Abkehr von einer staatsrechtlich-normativen Auffassung haben den Sinngehalt des Territorialitätsprinzips klar hervortreten lassen. Grundlage des Territorialitätsprinzips ist eine soziale und politische Realität, die effektive Ausübung von Hoheitsgewalt in einem bestimmten Herrschaftsbereich. Hierauf basiert die primäre Verantwortlichkeit des Staates für die Ahndung aller im eigenen Hoheitsbereich begangenen Handlungen. Als Kehrseite ergibt sich der grundsätzliche Strafverzicht bei Auslandstaten, der mit der Annahme einhergeht, dass die im Herrschaftsbereich fremder Staatsgewalt begangenen Taten von dieser geahndet werden.
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Ebenfalls deckungsgleich sind seit dem Beitritt das Inland und der „räumliche Geltungsbereich" des Strafgesetzbuches; der Begriff des „räumlichen Geltungsbereichs" ist daher in den §§ 131, 184 durch das VerbrBekG (BGBl. 1994 II S. 3186) gestrichen worden. Nach wie vor findet er sich freilich in § 5 Nrn. 3 Buchst, b, 5 Buchst, b, 7, 9 sowie u.a. in den § § 6 6 Abs. 4 Satz 5, 80a, 84 Abs. 1, 91, 100 Abs. 1, 234a Abs. 1, 261 Abs. 8.
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Die Strafbarkeit von „Alttaten", die vor dem 3.10.1990 in der DDR von deren Biirgern begangen wurden, richtet sich nach den Sondervorschriften der Art. 315 ff EGStGB, welche durch Art. l a EGStGB („Anwendbarkeit der Vorschriften über die Sicherungsverwahrung") und Art. l b EGStGB („Anwendbarkeit der Vorschriften des internationalen Strafrechts") ergänzt werden (Vor § 3 Rdn. 4 3 9 f f ) . 2 5 Die Schwierigkeiten, die solche Fälle der Praxis bereitet haben, ergaben sich in der Regel nicht aus den Grundsätzen des Strafanwendungsrechts, sondern hatten ihre Ursachen in verfassungs- und völkerrechtlichen Fragen sowie in Problemen der Strafbarkeit nach dem Recht der DDR. Dies gilt beispielsweise für die Erschießung von Republikflüchtigen an der innerdeutschen Grenze durch Angehörige der Grenztruppen der DDR oder für Fälle der Rechtsbeugung durch Richter und Staatsanwälte der DDR (zusammenfassend zum Ganzen Eser/Arnold-, Hassemer FG BGH, S. 439; Marxen/Werle Bilanz; Rogali FG BGH, S. 383; eingehend zur Rechtsprechung Gribbohm LK 1 1 Vor § 3 Rdn. 219 ff; siehe auch Vor § 3 Rdn. 4 3 9 ff).
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2. Der Inlandsbegriff des geltenden Rechts. Das Inland erstreckt sich auf das gesamte Gebiet innerhalb der völkerrechtlich anerkannten Grenzen, auf dem die Bundesrepublik Deutschland Hoheitsgewalt ausübt; hier gilt gem. § 3 das deutsche Strafrecht. Umfasst ist das Land- und Meeresgebiet auf der Erdoberfläche, einschließlich der Eigen- und Küstengewässer, sowie der darunter liegende Erdraum (bis zum Erdmittelpunkt) und der darüber liegende Luftraum (bis zum Weltraum).
24
Mit dem so verstandenen Inlandsbegriff ist es vereinbar, dass der Staat in einem bestimmten Gebiet (etwa auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrags) von einzelnen seiner souveränen Rechte keinen oder nur einen eingeschränkten Gebrauch macht. Dieses Gebiet bleibt Inland. Umgekehrt wird ein Raum, auf den sich die Gebietshoheit des Staates nicht erstreckt, noch nicht dadurch zum Inland, dass der Staat darin einzelne Hoheitsrechte besitzt, sie ausübt und dies auch darf; dies betrifft etwa die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone, die sich seewärts an das deutsche Küstenmeer anschließt (§ 5 Rdn. 55ff). Die Inlandseigenschaft wird ferner nicht dadurch begründet, dass der Staat staats- oder völkerrechtliche Ansprüche auf ein Gebiet erhebt, das der ausschließlichen
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Lackner/Kühl Schröder/Eser
Vor §§ 3 - 7 Rdn. 4 ; Scb/ Vorbem §§ 3 - 7 Rdn. 29.
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BGHSt 4 0 2 7 2 , 2 7 5 ; 4 0 218, 2 3 1 ; 4 0 3 0 , 3 2 ;
3 9 317, 319; 3 9 1 6 4 , 173, 1 8 0 ; 3 9 5 4 , 59, 65 f; 3 9 1, 6 ff; 3 8 1 f.
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§ 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Hoheitsgewalt eines anderen Staats unterliegt oder nach Völkerrecht nicht Gegenstand souveräner Herrschaftsgewalt sein kann. Die Inlandseigenschaft eines Gebietsteils wird schließlich nicht allein dadurch aufgehoben, dass er durch fremde Truppen besetzt wird (vgl. RGSt 6 4 15 f). 26
In welchem Raum ein Staat souveräne Hoheitsgewalt ausüben darf, ist vielfach Gegenstand völkerrechtlicher Regelungen. Diese Regelungen sind bei der Frage, ob ein Gebiet oder ein Raum zum Inland gehört, zu beachten. Entsprechende Bestimmungen finden sich etwa im SeeRÜbk. (Vor § 3 Rdn. 94) und im Chicagoer Abkommen über die Zivilluftfahrt vom 7.12.1944, das für die Bundesrepublik am 8.6.1956 in Kraft getreten ist (G vom 7.4.1956, BGBl. II S. 411). Dabei ist zu berücksichtigen, dass zahlreiche der vertraglichen Bestimmungen Teil des (universellen) Völkergewohnheitsrechts sind. 2 6
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Im Einzelnen gehören zum Inland im Sinne des § 3:
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a) Landgebiet. Zum Inland gehört das Landgebiet, auf dem die Bundesrepublik Deutschland territoriale Hoheitsgewalt und demgemäß auch Strafgewalt ausübt. Seit dem Beitritt der D D R zur Bundesrepublik umfasst das Landgebiet der Bundesrepublik Deutschland das Territorium der 16 Bundesländer, die in der Präambel des Grundgesetzes 2 7 genannt sind (vgl. Art. 1 EV).
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Nicht zum Inland gehören die ehemals deutschen Gebiete östlich der Oder-NeißeLinie, die nach der deutschen Kapitulation 1945 auf Grund der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz unter teils polnische, teils sowjetische Verwaltung gestellt wurden. 2 8 Nachdem die D D R die Oder-Neiße-Linie bereits im Görlitzer Vertrag vom 6 . 7 . 1 9 5 0 2 9 als „Staatsgrenze zwischen Polen und Deutschland" anerkannt hatte, folgte dem (der Sache nach) die Bundesrepublik durch die Verträge mit der UdSSR vom 12.8.1970 (Moskauer Vertrag, BGBl. 1972 II S. 354; G vom 2 3 . 5 . 1 9 7 2 , BGBl. II S. 3 5 3 ; Bek. vom 12.6.1972, BGBl. II S. 650) und mit Polen vom 7.12.1970 (Warschauer Vertrag, BGBl. 1972 II S. 3 6 2 ; G vom 2 3 . 5 . 1 9 7 2 , BGBl. II S. 361; Bek. vom 1 2 . 6 . 1 9 7 2 , BGBl. II S. 651), in denen sie die bestehenden Grenzen für unverletzlich erklärte, auf die Anwendung von Gewalt verzichtete und Gebietsansprüche nicht erhob. 3 0
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b) Binnengewässer und maritime Eigengewässer. Zum Inland gehören auch die Eigengewässer. 31 Dies sind die Binnengewässer und die inneren Gewässer.
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Binnengewässer sind die innerhalb der Staatsgrenzen liegenden und allseitig von Land umschlossenen natürlichen oder künstlichen Wasserläufe (Flüsse und Kanäle) sowie die Binnenhäfen und Binnenseen. 3 2
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Maritime Eigengewässer sind die inneren Gewässer. Als solche werden alle Gewässer bezeichnet, die auf der Landseite der Grundlinie liegen, von der aus die Breite des (deut-
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Vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum Bd. 1/2 § l i é II. 1; Fischer in Ipsen § 55 Rdn. 7, 11. I.d.F. des Einigungsvertrags vom 31.8.1990 und des ZustG vom 23.9.1990 (BGBl. II S. 889 und 885). Abschn. VI und IX Buchst, b der Amtlichen Verlautbarung über die Konferenz von Potsdam vom 2.8.1945, AB1KR 1945, ErgänzungsH 1 S. 13; Abdruck bei Berber/Randelzhofer Völkerrechtliche Verträge (1979) S. 322; v. Münch Dokumente des geteilten Deutschlands, Band I (1968) S. 32.
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Abdruck bei v. Münch Dokumente des geteilten Deutschlands, Band I (1968) S. 497. Wie hier Jescheck/Weigend § 18 VI 1; Lemke NK Vor § § 3 - 7 Rdn. 44; für die polnisch verwalteten Gebiete jenseits der Oder-NeißeLinie Sch/Schröder/Eser Vorbem § § 3 - 7 Rdn. 29. Graf Witzthum HdbStR I § 16 Rdn. 23; Herdegen § 31 Rdn. 4. Oehler Rdn. 396 ff; Verdross/Simma § 1057.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Geltung für Inlandstaten
§3
sehen) Küstenmeers ( R d n . 4 1 f f ) berechnet wird (Art. 8 Abs. 1 S e e R Ü b k . ; Art. 5 Abs. 1 K ü M Ü b k . ) . 3 3 Hierzu gehören die Seehäfen und R e e d e n , Baien und Buchten sowie geschlossene M e e r e , Flussmündungen, F ö r d e n , H a f f e und W a t t e n m e e r e . 3 4 S e e R Ü b k . und K ü M Ü b k . gehen als selbstverständlich davon aus, dass sich die Souveränität des Küstenstaates (nicht nur auf die im Landesinneren gelegenen Binnengewässer, sondern auch) auf die maritimen Eigengewässer erstreckt (Art. 2 Abs. 1 S e e R Ü b k . , Art. 1 Abs. 1 K ü M Ü b k . ) . Einschränkungen k ö n n e n sich unter besonderen U m s t ä n d e n aus dem R e c h t der friedlichen D u r c h f a h r t ( R d n . 7 7 ) ergeben (Art. 8 Abs. 2 S e e R Ü b k . ) . aa) Internationale Wasserwege. Z u m Inland gehören damit (innerhalb der deutschen Staatsgrenzen) grundsätzlich auch die sogenannten internationalen Flüsse oder Wasserw e g e . 3 5 D a s sind zum einen faktisch internationale S t r ö m e , die v o m M e e r aus schiffbar sind und deren schiffbarer L a u f mehrere Staaten durchfließt oder t r e n n t ; 3 6 zum anderen auch schiffbare nationale Wasserstraßen, die durch einen völkerrechtlichen Vertrag für den internationalen Handelsverkehr geöffnet und damit „internationalisiert" w u r d e n . 3 7
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Die internationalen Wasserwege ( R d n . 3 3 ) 3 8 - hierzu gehören etwa der Rhein und die Mosel - sind in der ganzen Breite für Schifffahrt und H a n d e l freigegeben; in den übrigen Beziehungen haben die Uferstaaten ihre Staatshoheitsrechte über den S t r o m aber behalten (RGSt 9 3 7 0 , 3 7 6 ) . Die revidierte Rheinschiffahrtsakte v o m 1 7 . 1 0 . 1 8 6 8 ( M a n n h e i m e r Akte) in der Neufassung des deutschen Wortlauts v o m 1 1 . 3 . 1 9 6 9 ( B G B l . II S. 5 9 7 ) 3 9 schränkt j e d o c h die Souveränität der Uferstaaten des R h e i n s vertraglich hinsichtlich der Setzung von schifffahrts- und strompolizeilichen Vorschriften ein und hat eine Berufung gegen strafrechtliche Urteile des nationalen Schifffahrtsgerichts über Z u w i d e r h a n d l u n g e n gegen diese Vorschriften bei der Internationalen Z e n t r a l k o m m i s s i o n in Straßburg zugelassen. 4 0 Ähnlich der Rheinschifffahrt ist die Moselschifffahrt nebst zugehöriger G e richtsbarkeit geregelt. 4 1
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In Übereinstimmung mit den dargelegten Grundsätzen (Rdn. 3 3 f ) hat die Bundesrepublik Deutschland als Uferstaat die volle Strafgewalt über den Nord-Ostsee-Kanal (Kieler K a n a l ) . 4 2 Selbst die Vorschriften der Art. 3 8 0 ff des Versailler V e r t r a g e s , 4 3 die durch die Kündigung von deutscher Seite mit N o t e v o m 1 4 . 1 1 . 1 9 3 6 ( R G B l . II S. 3 6 1 ) wenigstens faktisch - bedeutungslos wurden, ließen die deutsche Gerichtshoheit über den Kanal und die darin befindlichen Schiffe b e s t e h e n . 4 4
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bb) Grenzflüsse und Grenzseen. Bildet ein Flusslauf die Staatsgrenze, wie der R h e i n oder die O d e r , so reicht das Inland, falls nichts anderes vereinbart ist, bei schiffbaren
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Gloria in Ipsen § 51 Rdn. 1; Graf Vitzthum HdbStR I § 16 Rdn. 28; Herdegen § 31 Rdn. 4. Bauer in Strupp/Schochauer I S. 204; Oehler Rdn. 396 ff. Oehler Rdn. 396. Bauer in Strupp/Schlochauer I S. 204; Krüger in Strupp/Schlochauer II S. 136 f. Graf Vitzthum HdbStR I § 16 Rdn. 27. Vgl. Lederle Das Recht der internationalen Gewässer (1920); Triepel Internationale Flußläufe (1931). Geändert durch Zusatzprotokolle Nrn. 2 und 3 vom 17.10.1979 (BGBl. 1980 II S. 870, 875).
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G über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen vom 27.9.1952 (BGBl. I S. 641); Oehler Rdn. 396. Oehler Rdn. 396. OLG Schleswig SchlHA 1955 101; zustimmend υ. Münch in Strupp/Schlochauer I S. 85. G über den Friedensschluß zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten vom 16.7.1919 (RGBl. S. 687, 1265 ff). Oehler Rdn. 400; vgl. Böhmer in Strupp/ Schlochauer II S. 2 2 0 ff.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§3
Grenzflüssen bis zum tiefsten Punkt der Fahrrinne im Sinne des „Talwegs", d.h. der Fahrbahn der stromabwärts fahrenden Schiffe (vgl. RGSt 9 3 7 0 , 3 7 4 ) . 4 5 Doch ist der Grenzverlauf fast überall vertraglich geregelt, und zwar unterschiedlich nach Flussmitte, Talweg und Flussufer. 4 6 Bei nicht schiffbaren Flüssen soll die geografische Mittellinie des Wasserlaufs die Grenze sein. 4 7 37
Soweit Wasserläufe die Staatsgrenze bilden, sind die folgenden zwischenstaatlichen Vereinbarungen ermittelt: 48 mit Belgien Verträge vom 7.11.1929 (G vom 28.3.1931, RGBl. II S. 125; Bek. vom 17.7.1931, RGBl. II S. 532), 10.5.1935 (Bek. vom 31.10.1935, RGBl. II S. 751) und 24.9.1956 (G vom 6.8.1958, BGBl. II S. 262; Bek. vom 11.9.1958, BGBl. II S. 353) mit Ergänzungen (BGBl. 1996 II Fundstellennachweis Β S. 18); mit Dänemark Vertrag vom 10.4.1922 (G vom 1.6.1922, RGBl. II S. 141, 235; Bek. vom 23.6.1954, BGBl. II S. 717); mit Frankreich Vertrag vom 27.10.1956 (G vom 22.12.1956, BGBl. II S. 1863; Bek. vom 7.1.1957, BGBl. II S. 2) mit Vereinbarung vom 13./27.5.1975 (Bek. vom 24.2.1976, BGBl. II S. 353); mit Luxemburg Vertrag vom 19.12.1984 (G vom 14.4.1988, BGBl. II S. 414; Bek. vom 8.9.1988, BGBl. II S. 923); mit den Niederlanden Vertrag vom 8.4.1960 (G vom 10.6.1963, BGBl. II S. 458, 463, 602; Bek. vom 29.7.1963, BGBl. II S. 1078) mit Zusatz- und Ergänzungsabkommen (BGBl. 1996 II Fundstellennachweis Β S. 90 f); mit Österreich Verträge vom 29.2.1972 (G vom 20.5.1975, BGBl. II S. 765; Bek. vom 3.9.1975, BGBl. II S. 1351) und 3.4.1989 (G vom 2.4.1993, BGBl. II S. 707; Bek. vom 3.8.1993, BGBl. II S. 1730; dazu Borchmann N J W 1994 3057, 3061); mit der Schweiz Verträge vom 23.11.1964 (G vom 19.7.1967, BGBl. II S. 2040; Bek. vom 4.10.1967, BGBl. II S. 2335) und 1.6.1973 (G vom 1.10.1975, BGBl. II S. 1405, 1412; Bek. vom 12.2.1976, BGBl. II S. 348): Flussgrenzen gegenüber den Kantonen Basel, Aargau, Zürich, Thurgau regelmäßig jeweilige Strommitte nach alten Verträgen zwischen dem Großherzogtum Baden und der Schweiz, unter anderem mit dem Kanton Thurgau vom Oktober 1854 Teilung des Untersees des Bodensees und des „Konstanzer Trichters" auf der Mittellinie (vgl. Anlage zum Übereinkommen vom 1.6.1973, BGBl. 1975 II S. 1405). Hinsichtlich des Grenzflusses Wutach: Vertrag vom 23.11.1964 (BGBl. 1967 II S. 2040).
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Liegt ein Binnensee auf der Grenze zweier oder mehrerer Staaten, so steht die Gebietshoheit über diesen Grenzsee den Anliegerstaaten zu. Überwiegend wird die Ansicht vertreten, die für den Grenzverlauf an „mehrstaatlichen" Flüssen entwickelten Regeln seien auch auf stehende Gewässer entsprechend anzuwenden (RGSt 5 7 3 6 8 , 3 6 9 ) . 4 9 D o c h wird in der Praxis mehr auf die Mittellinie als auf den Hauptschifffahrtsweg abgestellt. 5 0
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Der Bodensee ist nicht gemeinsames Kondominat der Uferstaaten. 5 1 Hinsichtlich des Untersees verläuft die Grenze auf der Mittellinie (RGSt 5 7 3 6 8 , 3 6 9 ) . Der Überlinger See gehört ganz zum Bundesgebiet, da ihn auf drei Seiten badisches Gebiet umschließt (RGSt 5 7 3 6 8 , 3 6 9 ) . Beim Obersee (Stammbecken zwischen Bregenz und Konstanz) ist die Grenzziehung strittig. 5 2 Das Bodenseeabkommen vom 1 . 6 . 1 9 7 3 (BGBl. 1 9 7 5 II S. 1 4 1 2 ) lässt die Frage offen und regelt nur die polizeiliche Aufsicht und die Zuständigkeit bei Zuwiderhandlungen gegen die Schifffahrtsvorschriften (Art. 1 Abs. 2 , Art. 1 3 ) . 5 3
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Vgl. deutsch-französischer Vertrag über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg vom 27.10.1956 (BGBl. II S. 1864); Oebler Rdn. 397. Tröndle/Fischer Vor § § 3 - 7 Rdn. 16. RGSt 57 368, 369; Epping/Gloria in Ipsen § 23 Rdn. 10; Oehler Rdn. 397. Vgl. auch Epping/Gloria in Ipsen § 23 Rdn. 17 ff. Bauer in Strupp/Schlochauer I S. 204, 206.
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52 53
Vgl. Bauer in Strupp/Schlochauer I S. 206; Oehler Rdn. 398. RGSt 57 368, 369; zum Ganzen eingehend Allgaier BayVBl. Bauer in Strupp/ Schlochauer I S. 217 ff und v. Bayer-Ehrenberg DÖV 1957 38. Tröndle/Fischer Vor § § 3 - 7 Rdn. 15. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 29.2.1972 (BGBl. 1975 II S. 766) Art. 1 Abs. 2.
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Geltung für Inlandstaten
§3
cc) Grenzbrücken. Bei ihnen hört die inländische Staatshoheit und damit das Inland, falls nichts anderes vereinbart ist, in der Brückenmitte auf (RGSt 9 3 7 0 , 3 7 8 ) oder - bei schiffbaren Flüssen - auf der Verlängerung der Talweglinie, welche die Flussgrenze bildet (Oehler Rdn. 397). Als Beispiel einer besonderen Vereinbarung vergleiche das Abkommen vom 18.4.1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Autobahnzusammenschluss und den Bau einer Grenzbrücke über die Mosel im Raum Perl und Schengen (G vom 9 . 2 . 1 9 9 6 , BGBl. II S. 215; dazu Borchmann N J W 1 9 9 7 101, 103).
40
c) Küstenmeer. Zum Inland gehört auch das deutsche Küstenmeer. Als Küstenmeer (territorial sea) bezeichnet man den Teil des Meeres, der sich seewärts an das Territorium und die inneren Gewässer eines Küstenstaates anschließt und auf den sich seine Souveränität erstreckt (Art. 2 Abs. 1 SeeRÜbk.; Art. 1 Abs. 1 K ü M Ü b k . ; Vor § 3 Rdn. 9 4 f ) . 5 4 Dessen Souveränität erstreckt sich auch auf den Luftraum über dem Küstenmeer sowie auf den Meeresboden und den Meeresuntergrund des Küstenmeers (Art. 1 Abs. 2 SeeRÜbk.; Art. 1 Abs. 2 KüMÜbk.).
41
Nicht mehr Teil des Inlands sind die sich seewärts an das Küstenmeer anschließenden Meeresgebiete. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass sie nach internationalem Seerecht teilweise einem besonderen rechtlichen Regime unterliegen, das dem Küstenstaat besondere Rechte und Pflichten einräumt. Dies betrifft etwa die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone, die sich bis zu 2 0 0 Seemeilen gemessen von der Niedrigwasserlinie entlang der Küste an das Küstenmeer anschließt (Art. 5 7 SeeRÜbk., § 5 Rdn. 5 5 ff), und ebenfalls soweit er jenseits des Küstenmeeres liegt - den Festlandsockel (continental shelf), also den Meeresboden und Meeresuntergrund, der sich bis zu 3 5 0 Seemeilen gemessen von der Niedrigwasserlinie entlang der Küste erstreckt (Art. 7 6 SeeRÜbk.); vgl. hierzu § 5 Rdn. 63 ff.
42
Die Breite des Küstenmeers, also desjenigen der Küste vorgelagerten Meeresgebietes, in dem souveräne Hoheitsgewalt beansprucht wird, bestimmt jeder Staat selbst. Dabei sind allerdings völkerrechtliche Vorgaben zu beachten. Art. 3 SeeRÜbk. bestimmt, dass eine Breite von zwölf Seemeilen (gemessen von der Niedrigwasserlinie 5 5 entlang der Küste) die äußerste seewärtige Grenze ist, welche die Staaten festlegen dürfen. Zugleich wird eine Zone von drei Seemeilen als mindeste erlaubte Ausdehnung betrachtet. 5 6
43
Die Bundesrepublik Deutschland nimmt auf Grund der Proklamation der Bundesregierung vom 19.10.1994 (Bek. vom 11.11.1994, BGBl. 1994 I S. 3 4 2 8 ) mit Wirkung vom 1.1.1995 in der Nordsee die Zwölfmeilenzone als Küstenmeer in Anspruch. Die seitliche Abgrenzung des deutschen Küstenmeeres zu den Niederlanden und zu Dänemark bleibt einer späteren Entscheidung vorbehalten.
44
Die ebenfalls in der Proklamation vom 19.10.1994 festgelegte seewärtige Abgrenzung des deutschen Küstenmeeres in der Ostsee bleibt teilweise hinter dem völkerrechtlichen Abstand von zwölf Seemeilen zurück. Die seitliche Abgrenzung des deutschen Küstenmeeres zur Republik Polen entspricht dem Vertrag vom 14. November 1 9 9 0 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenzen (BGBl. 1991 II S. 1328).
45
54 55
Graf Vitzthum HdbStR I § 16 Rdn. 29. Einzelheiten dazu bei Graf Vitzthum HdbStR I § 16 Rdn. 29; Oehler Rdn. 403.
56
Verdross/Simma § 1071.
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499
§ 3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
46
In Art. 2 des internationalen Vertrags vom 6.5.1882 (RGBl. 1884 S. 25) war die Dreimeilenzone, was die Nordsee betrifft, bis zum 26.9.1976 ausdrücklich gesetzlich festgelegt. 57 Nach dem Übereinkommen vom 1.6.1967 (BGBl. 1976 II S. 4), das den Vertrag vom 6.5.1882 ersetzte, war das nicht mehr der Fall.
47
Aus neuerer Zeit gibt es einen Beschluss der Bundesregierung über die Erweiterung des Küstenmeers der Bundesrepublik in der Nordsee zur Verhinderung von Tankerunfällen in der Deutschen Bucht (Bek. vom 12.11.1984, BGBl. I S. 1366). Die Erweiterung betrifft (mit Wirkung vom 26.3.1985) ein verkehrsreiches Gebiet, in dem in der Vergangenheit ein hohes Risiko von Schiffsunfällen aufgetreten ist. Die Bundesregierung will sich in diesem Gebiet die notwendigen Hoheitsrechte für Verkehrsregelungen sichern. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist nicht unbestritten, weil an einigen betroffenen Stellen die Zwölfmeilengrenze überschritten wird (Gündling in Seidl-Hohenveldern S. 198).
48
Trotz der Souveränität des Küstenstaates haben Schiffe aller Staaten, ob Küsten- oder Binnenstaaten, grundsätzlich das Recht der friedlichen Durchfahrt (innocent passage) durch das Küstenmeer (Art. 17 ff SeeRÜbk., Art. 14 ff KüMÜbk.). Die Strafgewalt des Küstenstaates ist insoweit eingeschränkt (Art. 27 SeeRÜbk., Art. 19 KüMÜbk.), ohne dass dies seine Souveränität aufhöbe. 5 8 Fremde Kriegsschiffe und andere fremde Staatsschiffe im engeren Sinne (§ 4 Rdn. 20 ff) genießen völkerrechtliche Immunität (Art. 32 SeeRÜbk., Art. 21 ff KüMÜbk.). 5 9
49
Art. 18 SeeRÜbk. definiert den Begriff „Durchfahrt"; Art. 19 SeeRÜbk. bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Durchfahrt „friedlich" ist. Die Voraussetzungen fehlen unter anderem bei Erfüllung nachrichtendienstlicher Aufträge (Art. 19 Abs. 2 Buchst, c SeeRÜbk.), bei Schmuggel und illegaler Einwanderung (Art. 19 Abs. 2 Buchst, g SeeRÜbk.), bei vorsätzlicher schwerer Meeresverschmutzung (Art. 19 Abs. 2 Buchst, h SeeRÜbk.) sowie bei Fischereitätigkeiten (Art. 19 Abs. 2 Buchst, i SeeRÜbk.). Solche Fälle kann der Küstenstaat in der Regel auch im Küstenmeer verfolgen (Art. 27 Abs. 1 SeeRÜbk.). 60 Die fremden Schiffe sind verpflichtet, die von ihm erlassenen Gesetze und sonstigen Vorschriften über die friedliche Durchfahrt einzuhalten (Art. 21 SeeRÜbk.).
50
Der Tatbestand der unbefugten Fischerei durch Ausländer in deutschen Küstengewässern (§ 296a a.F.) ist durch § 12 des Seefischereigesetzes vom 12.7.1984 (BGBl. I S. 876) aufgehoben worden.
51
d) Luftraum. Der Luftraum über dem Hoheitsgebiet gehört strafrechtlich zum Inland. Die Hoheitsgewalt jedes Staates erstreckt sich kegelförmig in den Luftraum über dem Staatsgebiet mitsamt den Binnen- und Eigengewässern (Rdn. 3 0 f f ) und dem Küstenmeer (Rdn. 41 ff). 6 1 In Art. 1 des Chicagoer Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt vom 7.12.1944, für die Bundesrepublik in Kraft seit dem 8.6.1956 (G vom 7.4.1956, BGBl. II S. 411; Bek. vom 12.10.1956, BGBl. II S. 934), 6 2 wird ausdrücklich anerkannt, dass jeder Staat über seinem Hoheitsgebiet „volle und ausschließliche Lufthoheit" besitzt. Damit im Einklang heißt es in den das Küstenmeer betreffenden Vereinbarungen, dass sich die Souveränität des Küstenstaats „auf den Luftraum über dem Küstenmeer" erstreckt (Art. 2 Abs. 2 SeeRÜbk., Art. 2 KüMÜbk.). 57
58
AusfG vom 30.4.1884, außer Kraft gesetzt durch Art. 8 III Nr. 1 des G vom 19.12.1975 (BGBl. 1976 II S. 1) i.V.m. der Bek. vom 29.10.1976 (BGBl. II S. 1910); hierzu Dreher/ Tröndle41 § 296a Rdn. 3. Oehler R d n . 4 0 4 f, 411 bis 414; Verdross/ Simma § 1074.
500
59 60
61
62
Oehler Rdn. 415. Weitere Beispiele zulässiger Strafverfolgung im Küstenmeer bei Oehler Rdn. 413 f. Graf Vitzthum H d b S t R I § 16 Rdn. 22; Oehler Rdn. 481. Fundstellen der Änderungen BGBl. 2005 II Fundstellennachweis Β S. 303.
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Geltung für Inlandstaten
§3
Nicht abschließend geklärt ist, wie hoch die Lufthoheit in den Luftraum reicht. Genannt werden Höhen von 80 km bis zu der Grenze, an der die Erdanziehungskraft nicht mehr effektiv wirkt. 6 3 Im Allgemeinen wird die äußere Grenze des Luftraums heute bei 80 bis 100 km über dem Meeresspiegel gezogen {Graf Vitzthum HdbStR I § 16 Rdn. 22). Abzulehnen ist die Auffassung, dass der gesamte Raum über der Erdoberfläche (der Weltraum eingeschlossen) rechtlich zum „Luftraum" gehöre. Vielmehr ist zwischen Luftund Weltraum zu unterscheiden. 64
52
Die Lufthoheit wird durch völkerrechtliche Vereinbarungen eingeschränkt, die insbesondere Überflug- und Landerechte fremder Zivilflugzeuge regeln und in einigen Fällen auch strafrechtliche Regelungen enthalten, welche sich auf den zivilen Flugverkehr beziehen. Solche freiwilligen Einschränkungen, die den Inlandscharakter des eigenen Luftraums unberührt lassen (Rdn. 51), ergeben sich zum Beispiel aus folgenden Verträgen:
53
Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt vom 7.12.1944 (Rdn. 51); Vereinbarung über den Durchflug im Internationalen Fluglinienverkehr vom 7.12.1944 (G vom 7.4.1956, BGBl. II S. 411, 442; Bek. vom 12.6.1956, BGBl. II S. 934), Internationales Übereinkommen über die Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt (Eurocontrol) vom 13.12.1960 (G vom 14.12.1962, BGBl. II S. 2273; Bek. vom 18.5.1963, BGBl. II S. 776) und Protokoll vom 10.5.1984 (Rdn. 55). Hinzuweisen ist ferner auf die völkerrechtlichen Verträge, welche die Luftpiraterie betreffen (Vor § 3 Rdn. 107 ff).
54
Weitere Beschränkungen der staatlichen Lufthoheit ergeben sich daraus, dass die Staaten (ungeachtet der Souveränität hinsichtlich des Luftraums über ihrem Hoheitsgebiet und der Frage des generellen völkerrechtlichen Gewaltverbots nach der VN-Satzung) sowohl von der Anwendung von Waffengewalt gegen Verkehrsflugzeuge Abstand zu nehmen haben als auch das Leben der Passagiere an Bord und die Sicherheit dieser Luftfahrzeuge nicht gefährden dürfen. Zivilluftfahrzeuge haben Anweisungen zu befolgen, welche die Staaten ihnen in Wahrnehmung ihrer Hoheitsgewalt nach dem Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt erteilen (Protokoll vom 10.5.1984 zur Änderung des Abkommens vom 7.12.1944 über die Internationale Zivilluftfahrt; G vom 9.2.1995, BGBl. II S. 210) 6 5 .
55
Wachsende Bedeutung im Sinne einer freiwilligen Einschränkung auch der eigenen Lufthoheit gewinnen schließlich völkerrechtliche Abmachungen, die dem Umweltschutz dienen. Hier sind zu nennen:
56
Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigungen vom 13.11.1979 (G vom 29.3.1982, BGBl. II S. 373; Bek. vom 25.7.1983, BGBl. II S. 548), Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung, betreffend die Verringerung von Schwefelemissionen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses um mindestens 30 vom Hundert, vom 8.7.1985 (G vom 19.12.1986, BGBl. II S. 1116; Bek. vom 14.10.1987, BGBl. II S. 711; Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung, betreffend die Bekämpfung von Emissionen von Stickstoffoxyden oder ihres grenzüberschreitenden Flusses, vom 31.10.1988 (G vom 24.9.1990, BGBl. II S. 1278; Bek. vom 14.3.1991, BGBl. II S. 623); Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht vom 22.3.1985 (G vom 26.9.1988, BGBl. II S. 901; Bek. vom 25.1.1989, BGBl. II S. 160); Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, vom
57
63 64
Rinck in StrupplScblochauer II S. 438. Herdegen § 32 Rdn. 1; Wessels in Strupp/ Schlocbauer III S. 831.
65
Borchmann NJW 1 9 9 7 101, 103.
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501
§3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
1 6 . 9 . 1 9 8 7 (G v o m 9 . 1 1 . 1 9 8 8 , B G B l . II S. 1 0 1 4 ; Bek. v o m 2 1 . 6 . 1 9 8 9 , B G B l . II S. 6 2 2 ) mit Änderungen und A n p a s s u n g e n ; 6 6 Ü b e r e i n k o m m e n über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen v o m 2 6 . 9 . 1 9 8 6 ( G v o m 1 6 . 5 . 1 9 8 9 , B G B l . II S. 4 3 4 ; Bek. v o m 4 . 8 . 1 9 9 3 , B G B l . II S. 1 8 4 5 ) ; Ü b e r e i n k o m m e n über Hilfeleistung bei nuklearen Unfällen oder radiologischen N o t f ä l l e n vom 2 6 . 9 . 1 9 8 6 ( G v o m 1 6 . 5 . 1 9 8 9 , B G B l . II S. 4 3 4 , 4 4 1 ; B e k . v o m 4 . 8 . 1 9 9 3 , B G B l . II S. 1 8 3 0 ) ; R a h m e n ü b e r e i n k o m m e n der Vereinten Nationen über Klimaänderungen v o m 9 . 5 . 1 9 9 2 ( G vom 1 3 . 9 . 1 9 9 3 , B G B l . II S. 1 7 8 3 ; Bek. vom 2 9 . 3 . 1 9 9 5 , B G B l . II S. 3 1 6 ) ; (Kyoto-)Protokoll zum V N - R a h m e n a b k o m m e n über Klim a ä n d e r u n g e n v o m 1 1 . 1 2 . 1 9 9 7 (G v o m 2 7 . 4 . 2 0 0 2 , B G B l . II S. 9 6 6 ; Bek. v o m 1 1 . 1 . 2 0 0 5 , B G B l . II S. 1 5 0 ) . 58
e) Vorgeschobene Zollstellen. Auch auf ausländisches Territorium vorgeschobene Zollstellen und ihre Verbindungswege zum Staatsgebiet gelten als Inland ( R G S t 5 7 61 ) 6 7 , und zwar ohne B e s c h r ä n k u n g auf die Geschäftsräume der Zollstelle ( R G S t 6 6 1 9 4 , 1 9 5 f ). Dieser Rechtsauffassung des R G ist der B G H g e f o l g t . 6 8
59
Dieser Auffassung ist z u z u s t i m m e n . 6 9 D a s Ergebnis lässt sich allerdings nicht mit dem allgemeinen strafrechtlichen Inlandsbegriff (Rdn. 9 ff; 2 4 f f ) rechtfertigen. D e n n danach vermag allein die Ausübung einzelner Hoheitsbefugnisse a u ß e r h a l b des eigenen Staatsgebiets die Inlandseigenschaft eines fremden oder gebietshoheitsfreien R a u m e s nicht zu begründen. D a s Ergebnis der Rechtsprechung ist, soweit es vorgeschobene Zollstellen und die Verbindungswege der Reisezüge betrifft, aber gleichwohl richtig, weil auf der Grundlage völkerrechtlicher Vereinbarungen durch innerstaatliches R e c h t (die Zustimmungsgesetze und Ausführungsvorschriften) fingiert wird, dass die Gebietsteile des N a c h b a r s t a a t s im zoll- und einfuhrrechtlichen Z u s a m m e n h a n g deutsches Hoheitsgebiet (Zollgebiet) und damit (auch strafrechtlich) Inland sind ( R G S t 18 2 4 1 , 2 4 3 ) . Auf diese Weise wird der Einzelfall rechtlich so beurteilt, als o b der T a t o r t im Inland läge. D e m g e m ä ß hat das B a y O b L G (wistra 2 0 0 1 2 3 1 ) zu R e c h t entschieden, dass das deutsche Strafrecht nach § 3 auch für Verstöße gegen das A W G gilt, die auf einer vorgeschobenen Grenzdienststelle in Tschechien begangen wurden; zu Straftaten auf einer vorgeschobenen deutschen Grenzabfertigungsstelle in der Schweiz vgl. O L G Karlsruhe N S t Z - R R 2 0 0 6 8 7 (Leitsatz) = O L G S t S t G B § 3 Nr. 1.
60
Gegen eine solche gesetzliche Regelung sind, auch unter strafrechtlichen Gesichtsp u n k t e n , durchgreifende Bedenken nicht zu erheben. D e m Gesetzgeber steht es - innerhalb gewisser völkerrechtlicher Schranken - grundsätzlich frei, wie weit er den Geltungsbereich des eigenen Strafrechts ausdehnt (Vor § 3 R d n . 11). Ein völkerrechtlich unzulässiger Eingriff in die Gebietshoheit eines anderen Staates besteht dann nicht, wenn die Tat im R a h m e n eines zwischenstaatlichen A b k o m m e n s wie eine Inlandstat zu behandeln ist. O b er eine einschlägige Regelung im allgemeinen R a h m e n der § § 3 ff trifft oder für einen bestimmten Sachbereich durch Sondervorschriften, ist eine Frage seines Ermessens. Es versteht sich von selbst, dass die Regelung der § § 3 bis 7 nicht etwa als abschließend im Sinne einer Selbstbindung des Gesetzgebers zu verstehen ist, sondern dass dieser die Freiheit hat, v o m Gebietsgrundsatz ( § 3 ) über die § § 4 bis 7 hinaus für weitere Fallgestaltungen (insbesondere aus dem Bereich des Nebenstrafrechts) abzuweichen (vgl. auch Vor § 3 Rdn. 4 5 4 ff).
66
67 68
Fundstellennachweise BGBl. 2 0 0 5 II Fundstellennachweis Β S. 699 ff. Vgl. auch OLG Oldenburg M D R 1974 329. BGHSt 31 215; BGH, Beschl. vom 9.7.1991 1 StR 368/91; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
502
69
Einfuhr 25 und 30; ferner auch BayObLG wistra 2001 231; ZfZ 1981 339, 340 f; einschränkend OLG Köln ZfZ 1981 343 f. So auch Ambos MK Rdn. 10; Sch/Schröder/ Eser Vorbem §§ 3 - 7 Rdn. 31.
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Geltung für Inlandstaten
§3
Im Hinblick auf die für die rechtliche Beurteilung maßgebende Fiktion, der Tatort liege bei den vorgeschobenen Zollstellen und den Verbindungswegen der Reisezüge im Inland (Rdn. 58), ist eine Einfuhrtat bereits vollendet, wenn die Ware nach Überschreiten der Zollgrenze entdeckt und beschlagnahmt wird, bevor sie über die deutsche Hoheitsgrenze tatsächlich ins Inland gelangt (BGHSt 31 215, 218 f). Unzutreffend ist demnach die Auffassung des OLG Köln (NStZ 1982 122), Vollendung sei nur für die mit der unerlaubten Einfuhr von Waffen verbundene Zoll- und Steuerhinterziehung anzunehmen, nicht aber für das Einfuhrdelikt selbst.
61
Die praktische Bedeutung dieser Einordnung der in das Ausland vorgeschobenen Zollstellen ist angesichts der inzwischen vollständig verwirklichten Zollunion zwischen den Mitgliedstaaten der EU gering. 70 Seit dem Beitritt Polens und Tschechiens zur EU mit Wirkung zum 1. Mai 2 0 0 4 gehören mit Ausnahme der Schweiz alle an Deutschland angrenzenden Staaten der Zollunion an. Die Problematik ist damit nur noch im Verhältnis zur Schweiz sowie für Alttaten von Bedeutung.
62
Im Rahmen der Zollunion werden zwischen den EU-Mitgliedstaaten keine Zölle mehr erhoben. Das Zollgebiet der Gemeinschaft wird von der gemeinschaftlichen Zollgrenze umschlossen; diese entspricht im Wesentlichen der Grenze der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu Drittstaaten. 71 Zentrale Rechtsnorm des europäischen Zollrechts ist der Zollkodex vom 19. Oktober 1992 (ABl. 1992 L 302, S. 1 ff). Damit beruht das Zollrecht in der Europäischen Union auf einer einheitlichen Grundlage. Das deutsche Zollgesetz (ZollG) ist mit Inkrafttreten des Zollkodex zum 1. Januar 1994 aufgehoben worden. Seitdem gilt das deutsche Zollverwaltungsgesetz (BGBl. 1992 I S. 2125), das bezogen auf die europarechtlichen Regelungen lediglich ergänzende und lückenfüllende Funktion hat.
63
Zur Beschleunigung und Vereinfachung des Abfertigungsverfahrens hat die BundesZollverwaltung die Zollabfertigung an vielen Grenzübergängen mit der Zollabfertigung der Schweiz zusammengelegt. Die gemeinsame Grenzabfertigung findet auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge teils auf deutschem Boden und teils auf dem Gebiet der Schweiz statt. Grundlage ist das Abkommen vom 1.6.1961 (G vom 1.8.1962, BGBl. II S. 877; Bek. vom 15.5.1964, BGBl. II S. 675) mit Änderung durch das Abkommen vom 12.4.1989 (G vom 21.12.1990, BGBl. 1991 II S. 291; Bek. vom 7.5.1991, BGBl. II S. 729); zu entsprechenden Abkommen mit den übrigen Anrainerstaaten, die durch die Herstellung der Zollunion (Rdn. 63) überholt sind, vgl. Gribbohm LK 11 Vor § 3 Rdn. 282.
64
Eine vorgeschobene Zollstelle ist hinsichtlich des grenzüberschreitenden Verkehrs so anzusehen, als ob sie im eigenen Grenzbezirk läge; eingeführte Waren sind ihr nach Beendigung der Ausgangsabfertigung des Gebietsstaats (d.h. des Deutschland benachbarten Staates, auf dessen Hoheitsgebiet sich die Zollstelle befindet) zu gesteilen. Die Zollstelle hat bei der Eingangs- und Ausgangsabfertigung nicht nur die Befugnisse aus dem Zollrecht, sondern zum Beispiel auch aus dem Außenwirtschaftsrecht. 72
65
f) Freizonen, insbesondere Freihäfen. Der Zollkodex (Rdn. 63) kennt die noch im deutschen Zollgesetz (Rdn. 63) vorgesehenen Begriffe „Zollanschluss", „Zollausschluss"
66
70
71
Vgl. aber Friedrich in Schwarz/Wockenfoth Zollrecht Bd. 1/1 Art. 2 ZK Rdn. 17. Friedrich in Schwarz/Wockenfoth Zollrecht Bd. 1/1 Art. 3 Z K Rdn. 3.
72
Bail/Schädel/Hutter B/2 Rdn. 16.
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Kommentar Zollrecht
503
§3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
und „Zollfreigebiet" nicht mehr. Es gibt allerdings „Freizonen" (Art. 1 6 6 ) . 7 3 Hauptform der Freizonen sind die Freihäfen. 7 4 67
Im Inland gelegene Freihäfen wie diejenigen in Hamburg und Bremen 7 5 sind Freizonen (Art. 166 Z K ; § 2 0 Abs. 1 ZollVG), d.h. Inland als Teile des deutschen Hoheitsgebiets. Sie gehören zum Zollgebiet der Gemeinschaft, sind jedoch insoweit Zollfreigebiete, als die in ihnen befindlichen Waren noch nicht als in das Zollgebiet verbracht oder schon ausgeführt gelten (Art. 166 Z K ) . 7 6 In Zollfreigebieten ist das Zollrecht unwirksam, soweit es daran anknüpft, dass Waren Zollgut sind. Die Strafbarkeit einer unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln wird aber nicht dadurch berührt, dass das Rauschgift nach der Einfahrt des Schiffes in die deutschen Hoheitsgewässer in einen Freihafen gelangt, auch wenn es an Bord bleiben soll (vgl. § 2 Abs. 2 B t M G ; B G H S t 31 2 5 2 , 2 5 3 f).
68
g) Dienst- und Wohngebäude von Diplomaten und anderen Exterritorialen in Deutschland. Solche Räumlichkeiten Exterritorialer (Vor § 3 Rdn. 3 6 8 f f ) , insbesondere des diplomatischen Dienstes und des konsularischen Bereichs, sind nicht etwa Ausland, sondern gehören zum Inland. Auch für darin begangene Taten gilt gem. § 3 das deutsche Strafrecht (RGSt 6 9 5 4 , 5 5 f ) . Zu beachten ist allerdings, dass unter Umständen der Täter zu den nach §§ 18, 19 und 2 0 G V G von der inländischen Gerichtsbarkeit befreiten Personen zu zählen ist (Vor § 3 Rdn. 3 8 9 f f ) . 7 7
69
Umgekehrt liegen die deutschen Auslandsvertretungen nicht im Inland ( O L G Köln N S t Z 2 0 0 0 39, 4 0 ) . Eine dort begangene Straftat ist Auslandstat; die Geltung des deutschen Strafrechts kann sich aber aus anderen Vorschriften ergeben, etwa aus § 5 Nrn. 12, 14 oder § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1.
70
h) Besonderheiten bei Taten an Bord von Schiffen und Flugzeugen. Schiffe oder Flugzeuge, die in Deutschland registriert sind und damit die deutsche Staatszugehörigkeit besitzen (näher § 4 Rdn. 1, 38, 53), gehören nicht zum Inland im Sinne des § 3. Schiffe sind ebenso wenig wie Flugzeuge gleichsam losgelöste (schwimmende bzw. fliegende) Gebietsteile des Flaggenstaats, die ausschließlich dessen souveräner Herrschaftsgewalt unterstünden. 7 8 Aus § 4 ergibt sich indes, dass Taten, die auf einem deutschen Schiff oder in einem deutschen Luftfahrzeug begangen werden, so behandelt werden, als seien sie im Inland begangen ( O L G Schleswig wistra 1 9 9 8 3 0 , 31 m. Anm. Döllel); für die Einzelheiten siehe § 4 Rdn. 12 ff.
71
Die überkommene T h e o r i e 7 9 vom „schwimmenden Territorium" („territoire flottant") des Flaggenstaates geht mit § 4 Abs. 2 E 1 9 2 5 („Deutsche Schiffe und Luftfahrzeuge gelten als Inland, gleichviel wo sie sich befinden") auf die Rechtsprechung des R G 8 0 zurück; sie ist zwar anschaulich, trifft aber nicht das Richtige. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass Organe des Küstenstaats, soweit Völkerrecht nicht entgegensteht, ein fremdes Schiff
73
Schulze/Hebenstreit in Witte/Wolffgang Lehrbuch des europäischen Zollrechts Rdn. 1110 ff.
78
74
Glashoff in Schwarz/Wockenfoth Vor Art. 1 6 6 Z K Rdn. 1 ff.
79
75
Schulze/Hebenstreit in Witte/Wolffgang Lehrbuch des europäischen Zollrechts Rdn. 1113.
76
Glashoff in Schwarz/Wockenfoth Zollrecht Bd. 1 / 2 Vor Art. 166 Rdn. 3. Vgl. BGHSt 3 7 3 0 , 3 2 ; 3 6 3 9 6 , 3 9 8 ff.
77
504
Zollrecht
80
Oehler Rdn. 4 2 6 ; Sch/Schröder/Eser Vorbem § § 3 - 7 Rdn. 31 und § 4 Rdn. 4 ; Zieher S. 8 4 . Vgl. Frank R S t G B 1 8 (1931) § 8 Anm. I; v. Liszt/Schmidt AT § 2 2 II 4 b; vgl. auch Baumann/Weber/Mitsch § 7 Rdn. 51; Jakobs 5. Abschn. Rdn. 14 (mit Blick auf Staatsschiffe); Maurach/Zipf % 11 Rdn. 15. RGSt 5 0 218, 2 2 0 ; 2 3 2 6 6 , 2 6 7 .
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
§3
Geltung für Inlandstaten
im Küstenmeer und in den Binnengewässern des Küstenstaats aus originärem Recht betreten dürfen, während dies beim Territorium des Flaggenstaats nicht der Fall ist; der Flaggenstaat hat nur das Recht, seine Gesetze auf seinem Schiff wie auf seinem Territorium durchzusetzen, dies auch auf hoher See (Art. 92 Abs. 1 SeeRÜbk.), näher Oehler Rdn. 426 f. Aber auch (deutsche oder ausländische) Schiffe oder Flugzeuge, die sich in Deutschland, etwa in einem Hafen oder auf einem Flughafen, befinden, sind weder Inland noch „als Inland zu betrachten" 81 . Ebenso wie ein in Hamburg geparktes Auto nicht (als) Inland (zu betrachten) ist, sondern sich im Inland befindet, ist auch ein Schiff oder Flugzeug niemals als Inland zu betrachten, sondern kann sich allenfalls im Inland (oder im Ausland) befinden.
72
Danach gilt mit Blick auf die Geltung des deutschen Strafrechts für Taten, die an Bord eines Schiffes oder Flugzeugs begangen werden, das Folgende: Befindet sich das Schiff oder Flugzeug zum Zeitpunkt der Tat in deutschem Hoheitsgebiet, also in einem deutschen Gewässer einschließlich des deutschen Küstenmeers (Rdn. 31 ff) oder im deutschen Luftraum (Rdn. 51 ff), handelt es sich um eine Inlandstat. Deutsches Strafrecht gilt dann nach § 3.
73
Für deutsche Schiffe und deutsche Luftfahrzeuge, also solche, die berechtigt sind, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik zu führen, ergibt sich die Geltung des deutschen Strafrechts vorrangig (§ 4 Rdn. 13) aus § 4, ohne dass es materiellrechtlich (siehe aber Rdn. 77) darauf ankommt, ob sie sich zur Tatzeit in deutschem oder ausländischem Hoheitsgebiet befinden.
74
Für Taten, die an Bord eines ausländischen Schiffs oder eines ausländischen Flugzeugs außerhalb des deutschen Hoheitsbereichs begangen werden, kann sich die Geltung des deutschen Strafrechts schließlich aus den §§ 5 bis 7 ergeben.
75
Bei Taten auf ausländischen Schiffen ist ferner Folgendes zu beachten: Halten sich 7 6 ausländische Kriegs- oder Staatsschiffe (zum Begriff § 4 Rdn. 22) befugterweise in deutschen Hoheitsgewässern (dem Küstenmeer, den Binnen- oder Eigengewässern, Rdn. 30 ff, 41 ff) auf, so übt die Bundesrepublik eigene Gerichtsbarkeit regelmäßig nicht aus (§ 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO), soweit sie daran nicht ohnehin infolge Exterritorialität oder Immunität (§ 4 Rdn. 2.0ff ) gehindert wäre. 82 Entsprechendes gilt für ausländische Staatsluftfahrzeuge, also solche, die „im Militär-, Zoll- und Polizeidienst verwendet werden" (Art. 3 des Chicagoer Abkommens; § 4 Rdn. 27 f). Sie genießen, wenn sie mit Genehmigung in fremdes Staatsgebiet einfliegen und dort landen, völkerrechtliche Immunität. 83 Für Inlandstaten auf anderen (zivilen) ausländischen Schiffen und Flugzeugen gilt gem. § 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO ebenfalls das Opportunitätsprinzip; hierbei ist zu beachten, dass das SeeRÜbk. (Vor § 3 Rdn. 94) und das KüMÜbk. (Vor § 3 Rdn. 95) die Strafgerichtsbarkeit des Küstenstaats für Taten einschränken, die während der friedlichen Durchfahrt durch das Küstenmeer an Bord begangen werden (Art. 27 SeeRÜbk., Art. 19 KüMÜbk.; Rdn. 48 f). Die Einschränkungen gelten unter bestimmten Voraussetzungen jedoch dann nicht, wenn es zum Beispiel um unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln geht (Art. 27 Abs. 1 Buchst, d SeeRÜbk., Art. 19 Abs. 1 Buchst, d KüMÜbk.), oder wenn das fremde Schiff nach Verlassen der inneren Gewässer (Rdn. 32) durch das deutsche Küstenmeer (Rdn. 41) der hohen See (§ 5 Rdn. 48) oder fremden Hoheitsgewässern zu-
81
82
So aber Oehler Rdn. 295 f, 340 f; Sch/Schröder/Eser Vorbem §§ 3 - 7 Rdn. 31. Vgl. Oehler Rdn. 454, 472 f, 476 f.
83
Meyer in Strupp/Schlochauer Oehler Rdn. 485 ff.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
III S. 331 f;
505
77
§3
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
strebt (Art. 27 Abs. 2 SeeRÜbk., Art. 19 Abs. 2 KüMÜbk.). Wurde eine strafbare Handlung vor der Einfahrt des fremden Schiffes in das deutsche Küstenmeer begangen, so sind Strafverfolgungsmaßnahmen während der Durchfahrt schlechthin unzulässig, wenn das Schiff aus einem fremden Hafen kommt und das Küstenmeer nur durchfährt, ohne in deutsche innere Gewässer einzulaufen (Art. 27 Abs. 5 SeeRÜbk., Art. 19 Abs. 5 KüMÜbk.).
III. Prozessuales 78
Siehe allgemein zu den prozessualen Wirkungen der Geltung des deutschen Strafrechts Vor § 3 Rdn. 10. Anders als für die in §§ 4 bis 7 geregelten Auslandstaten (§ 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 erste Alternative StPO) gilt für Inlandstaten grundsätzlich das Legalitätsprinzip.
79
Für Straftaten, die ein Ausländer auf einem ausländischen Schiff oder Luftfahrzeug im Inland (etwa in einem inländischen Hafen oder auf einem inländischen Flughafen) begangen hat, eröffnet § 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO allerdings die Möglichkeit, von der Verfolgung abzusehen. Dies wird vor allem dann in Betracht kommen, wenn sich die Tat nur gegen ein ausländisches Rechtsgut richtet oder mit einer Verfolgung durch den Heimatstaat des Täters zu rechnen ist; 84 siehe hierzu auch Vor § 3 Rdn. 353. Entsprechendes gilt für die Teilnahme eines Anstifters oder Gehilfen im Inland an einer ausländischen Haupttat (§ 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zweite Alternative StPO).
84
Beulke in Löwe/Rosenberg15 § 153c Rdn. 12; Weßlau SK StPO § 153c Rdn. 17.
506
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
§4 Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für Taten, die auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen. Schrifttum
Jescheck Die an Bord von Luftfahrzeugen begangenen Straftaten und ihre Folgen, ZStW 1957 Sonderheft 195; Lenzen Das Mitführen von Waffen durch ausländische Sicherheitsbeamte in deutschen Luftfahrzeugen, JR 1983 181; Mankiewicz Die Verfolgung der in einem Luftfahrzeug begangenen Straftat, GA 1961 193; Mettgenberg Die Geltung des deutschen Strafrechts im Seebereich und im deutschen Luftraum, DJ 1940 641; ders. Internationales Strafrecht auf See, ZStW 52 (1932) 802; A. Mayer Strafbare Handlungen an Bord von Luftfahrzeugen, Zeitschrift für Luftrecht 1958 87; Rudolf Anwendungsbereich und Auslegung von § 5 StGB, NJW 1954 219; Schnorr von Carolsfeld Straftaten in Flugzeugen (1965); v. Weber Internationales Luftstrafrecht, Festschrift Rittler (1957) 111; Wille Die Verfolgung strafbarer Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen (1974); Zlataric Erwägungen zum Abkommen über strafbare Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen, Festschrift Grützner (1970) 160. Vgl. ferner vor den Vorbemerkungen zu den § § 3 bis 7.
Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde als § 5 durch die GeltungsbereichsVO vom 6 . 5 . 1 9 4 0 (RGBl. I S. 7 5 4 , Vor § 3 Entstehungsgeschichte) in das StGB eingefügt. Sie galt unverändert bis zum 31.12.1974. Seither ist § 4 in Kraft; er geht auf § 4 E 1962 zurück. Seine ursprüngliche, dem 2. StrRG vom 4.7.1969 (BGBl. I S. 717) entstammende Fassung ist durch das EGStGB vom 2 . 3 . 1 9 7 4 (BGBl. I S. 4 6 9 ) sowie durch Art. 2 des 11. LuftVÄndG vom 2 5 . 8 . 1 9 9 8 (BGBl. I S. 2 4 3 2 ) geändert worden. § 5 in der Fassung von 1 9 4 0 (Vor § 3 Entstehungsgeschichte) schrieb die Geltung des deutschen Strafrechts, unabhängig vom Recht des Tatorts, vor für Taten, „die auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug begangen werden". Die Änderung von 1 9 6 9 brachte zwischen den Worten „Luftfahrzeug" und „begangen werden" den Einschub „im Ausland". Die Fassung von 1974 strich den Einschub sowie das Wort „deutschen" vor „Schiff oder Luftfahrzeug" und fügte statt seiner im Anschluss an „begangen werden" den Relativsatz ein „das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen". Die Novelle von 1 9 9 8 ersetzte die Worte „oder Luftfahrzeug" durch „oder in einem Luftfahrzeug".
Gesetzesmaterialien
Siehe bei § 5; Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes, BTDrucks. 13/9513 S. 16, 41; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr (15. Ausschuss), BTDrucks. 13/10530 S. 34; Gesetzesbeschluss des BT, BRDrucks. 415/98.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
507
§4
1. Abschnitt. Das Strafgesetz Übersiebt Rdn.
Rdn. I. Bedeutung 1. Flaggenprinzip 2. Taten auf deutschen Schiffen und in deutschen Luftfahrzeugen im Inland 3. Taten auf ausländischen Schiffen und in ausländischen Luftfahrzeugen . . . 4. Taten in Weltraumfahrzeugen und -Stationen 5. Immunität und Befreiung von der Gerichtsbarkeit II. Voraussetzungen 1. Begehungsort a) Auf einem deutschen Schiff . . . . aa) Der Begriff „Schiff" bb) Seeschiffe und Binnenschiffe . . cc) Berechtigung, die Bundesflagge zu führen (1) Bei Seeschiffen
1 6 12 15 16 20 29 29 30 30 33 38 39
(2) Bei Binnenschiffen dd) Wracks und Rettungsboote . . b) In einem deutschen Luftfahrzeug . aa) Der Begriff „ L u f t f a h r z e u g " . . bb) Berechtigung, das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik zu führen
44 47 50 50
2. Tatmodalitäten a) Bewegungs- und Ruhezustand des Fahrzeugs b) Aufenthalt des Täters an Bord und außerhalb des Fahrzeugs III. Prozessuales 1. Einschränkung des Verfolgungszwanges 2. Opportunitätsprinzip u n d völkerrechtliche Verfolgungspflicht
57
53
60 66 70 70 73
I. Bedeutung 1
Die Vorschrift erstreckt den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts (Vor § 3 Rdn. 328 f) auf Taten, die auf Schiffen oder in Luftfahrzeugen mit deutscher Staatszugehörigkeit 1 begangen werden. Die Geltung des deutschen Strafrechts ist dabei nicht auf einzelne Tatbestände beschränkt. Es ist unerheblich, an welchem Ort sich das Schiff oder Luftfahrzeug zur Tatzeit befindet; auch die Staatsangehörigkeit des Täters oder des Opfers spielt keine Rolle. Deutsches Strafrecht erfasst daher ohne jede Einschränkung auch Taten zwischen Ausländern an Bord eines deutschen Schiffes oder Flugzeuges.
2
Deutsches Strafrecht gilt dabei unabhängig davon, ob die Tat nach dem Recht des Tatortes mit Strafe bedroht ist oder nicht. 3 Tatort in diesem Sinne ist nicht etwa das Schiff oder Luftfahrzeug, sondern - wie bei den §§ 5 bis 7 - der Ort, an dem sich das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt befindet (siehe auch Rdn. § 3 Rdn. 72). Die Geltung des deutschen Strafrechts hängt also nicht davon ab, ob der Tatort keiner (hohe See, internationaler Luftraum, § 5 Rdn. 48), ausländischer oder deutscher Strafgewalt unterliegt und wie das dort geltende Recht die Tat bewertet. In der Sache bedeutet dies, dass für die Geltung des deutschen Strafrechts die Strafbarkeit nach Tatortrecht nicht vorausgesetzt wird. 2
4
Die Bedeutung von § 4 erschließt sich erst vor seinem völkerrechtlichen Hintergrund. Hierzu ist Folgendes zu bemerken: 5 Die hohe See (§ 5 Rdn. 48 ff), also alle Meeresgebiete, die nicht zum Küstenmeer (§ 3 Rdn. 41 ff), zur ausschließlichen Wirtschaftszone (§ 5 Rdn. 55 ff) oder zu den Eigengewässern (§ 3 Rdn. 32) eines Staates gehören (Art. 86 Satz 1 SeeRÜbk.; Vor § 3 Rdn. 94), steht grundsätzlich allen Staaten in gleicher Weise zur friedlichen Nutzung offen (Art. 87 Abs. 1 Satz 1, Art. 88 SeeRÜbk.). Sie unterliegt nicht der Hoheitsgewalt eines Staates; es
1
Nach Art. 91 Abs. 1 Satz 2 SeeRÜbk. (Vor S 3 Rdn. 94) besitzen Schiffe die Staatszugehörigkeit des Staates, dessen Flagge zu führen sie berechtigt sind.
508
2
Im Einzelnen Jescheck Sonderheft ZStW 1957 195, 202; Wille S. 34 ff.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen
§4
gelten die Freiheiten der Meere (Art. 87 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Art. 89 SeeRÜbk.). Ein Schiff auf hoher See steht nach Völkerrecht grundsätzlich unter der Gerichtsbarkeit des Flaggenstaates (Art. 6 Abs. 1 HoSeeÜbk., Vor § 3 Rdn. 224; Art. 92 Abs. 1 SeeRÜbk.). Das bedeutet, dass jede Straftat auf einem Schiff auf hoher See völkerrechtlich so beurteilt wird, als ob sie auf dem Territorium des Flaggenstaates geschehen wäre. Entsprechendes gilt für Luftfahrzeuge, insbesondere für Flugzeuge, im internationalen Luftraum. Die Staaten nehmen dieses Recht, auf Grund ausdrücklicher Vorschrift oder nach Gewohnheitsrecht, auch in Anspruch (Oehler Rdn. 423). Auf die innerstaatliche Geltung des deutschen Strafanwendungsrechts hat dies - mit Ausnahme des § 5 Nr. 11 (dort Rdn. 143 ff) - im Allgemeinen keinen Einfluss (vgl. § 7 Rdn. 51 ff). 1. Flaggenprinzip. § 4 verwirklicht das Flaggenprinzip (Vor § 3 Rdn. 224) und ist damit völkerrechtlich legitimiert. 3 Durch die Anknüpfung der Strafrechtsgeltung an die Begehung der Tat an einem bestimmten Ort (und nicht an die Begehung durch eine bestimmte Person oder gegen ein bestimmtes Interesse) steht das Flaggenprinzip dem Territorialitätsprinzip nahe (Vor § 3 Rdn. 222). 4 Die Vorschrift stellt sicher, dass jeder Passagier, der sich an Bord eines in Deutschland registrierten Schiffes oder Luftfahrzeuges begibt, ähnlich wie jede nach Deutschland einreisende Person, den Schutz des deutschen Strafrechts genießt (BRDrucks. 200/62 - E 1962 - Begr. S. 109; Ambos MK Rdn. 2). Hieraus lässt sich aber nicht ableiten, dass § 4 eine Ausprägung des passiven Personalitätsprinzips (Vor § 3 Rdn. 228) sei; die Staatsangehörigkeit des Opfers der Tat spielt gerade keine Rolle.
6 7
Die Regelung des Flaggenprinzips, wie sie in § 4 zum Ausdruck kommt, ist praktikabei. Sie vermeidet Streitfragen und Strafbarkeitslücken. Der Begehungsort lässt sich nämlich bei Straftaten auf Schiffen und insbesondere in Luftfahrzeugen, die sich in großer Höhe und mit großer Geschwindigkeit bewegen, oft nicht präzise feststellen. Demgegenüber steht die Staatszugehörigkeit eines Schiffes oder Flugzeuges im Allgemeinen fest.
8
Die Regelung des § 4 ermöglicht es der Bundesrepublik zugleich, ihren internationalen Verpflichtungen zu genügen. Zahlreiche völkerrechtliche Vereinbarungen, an denen die Bundesrepublik beteiligt ist, knüpfen bei der weltweiten Bekämpfung von Piraterie und Terrorismus an den „Tatort Schiff oder Flugzeug" an, um eine Zuständigkeit des Flaggen- oder Registerstaats für die Strafverfolgung zu begründen, selbst wenn die Tat im Ausland begangen wird; so bei Schiffen das SeeschifffahrtÜbk. (Vor § 3 Rdn. 176); bei Luftfahrzeugen das Tokioter Abkommen 5 (Vor § 3 Rdn. 107), das Haager Übereinkommen (Vor § 3 Rdn. 51, 54 f), das Montrealer Übereinkommen (Vor § 3 Rdn. 107) und das EuTerrÜbk. (Vor § 3 Rdn. 133); schließlich bei Schiffen und Luftfahrzeugen die Diplomatenschutzkonvention (Vor § 3 Rdn. 127) und die Geiselnahmekonvention (Vor § 3 Rdn. 150); siehe ferner Vor § 3 Rdn. 35.
9
Die Geltung des deutschen Strafrechts und die Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß § 4 können darüber hinaus bei der Verfolgung weiterer Straftaten, die Gegenstand internationaler Vereinbarungen sind, Bedeutung erlangen, so bei Menschenhandel (Vor § 3 Rdn. 58 ff), bei Seeräuberei und bei der Betäubungsmittelkriminalität (Vor § 3 Rdn. 99).
11
3
4
Ambos MK Rdn. 1; Kunig/Uerpmann Jura 1994 193 f; Sch/Schröder/Eser Rdn. 2. Lemke NK Rdn. 2; Tröndle/Fischer Rdn. 2; v. Weber S. 114; Wille S. 27.
5
BTDrucks. V/3266, Bericht hierzu DRiZ 1969 21; Oehler Rdn. 491 ff; Schmidt-Räntscb Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumfragen 13 (1964) 75 ff; Wille S. 45, 155 ff.
G e r h a r d Werle/Florian Jeßberger
509
10
§4
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
12
2. Taten auf deutschen Schiffen und in deutschen Luftfahrzeugen im Inland. Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen werden, wenn sich das Fahrzeug zur Tatzeit im Ausland und nicht im Inland (§ 3 Rdn. 24 ff) befindet, nicht von § 3 erfasst (§ 3 Rdn. 1). Es wäre verfehlt, § 4 als Erweiterung der völkerrechtlichen Gebietshoheit 6 des Staates oder als Fiktion einer solchen Erweiterung zu begreifen (Vor § 3 Rdn 70ff). Auch erweitert § 4 nicht etwa den Inlandsbegriff,7 sondern ergänzt und überlagert § 3, indem Taten auf deutschen Schiffen und in deutschen Luftfahrzeugen umfassend in den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts einbezogen werden, also unabhängig davon, ob das Schiff oder Luftfahrzeug sich im Inland oder im Ausland befindet. Die entscheidende Gemeinsamkeit mit § 3 liegt dabei darin, dass die effektive Hoheitsgewalt an Bord des Schiffes oder Flugzeugs durch den Flaggen- bzw. Registerstaat ausgeübt wird.
13
Befindet sich das Schiff oder Luftfahrzeug zur Zeit der Tat im Inland (Küstenmeer, Eigen- oder Binnengewässer, Luftraum über dem Staatsgebiet), ergibt sich entgegen der herrschenden Ansicht 8 die Geltung des deutschen Strafrechts nicht aus § 3, sondern aus § 4, der § 3 in diesem Fall als lex specialis vorgeht. Diese Lösung hat den Vorteil, dass es der Prüfung nicht bedarf, ob das Schiff oder Luftfahrzeug sich zur Zeit der Tat noch oder schon im Inland bewegte.
14
Gestützt wird diese Auffassung durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. So wurde der im G 1969 (Entstehungsgeschichte) vorgesehene Einschub „im Ausland", der klar gestellt hätte, dass Inlandstaten von § 4 nicht erfasst werden, im G 1974 (Entstehungsgeschichte) wieder gestrichen. Ein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber der Strafgewalt auf Grundlage des Flaggenprinzips den Vorrang einräumt, ergibt sich ferner aus § 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO, wonach von der Ausübung deutscher Strafgewalt auf Grundlage des Territorialitätsprinzips ( § 3 ) abgesehen werden kann, wenn ein ausländischer Täter die Tat zwar im Inland, aber auf einem ausländischen Schiff begangen hat, einem solchen also, das nach dem Flaggenprinzip der Strafgewalt eines ausländischen Staates unterliegt. Schließlich verfolgt § 4 gerade den Zweck, die mitunter schwierige Grenzziehung, ob ein Schiff oder Luftfahrzeug sich nun gerade im In- oder im Ausland befindet, zu vermeiden. Auch dies spricht für den Vorrang des § 4 gegenüber § 3.
15
3. Taten auf ausländischen Schiffen und in ausländischen Luftfahrzeugen. Für Taten auf ausländischen Schiffen und in ausländischen Luftfahrzeugen im Ausland gilt das deutsche Strafrecht (nur) im Rahmen der §§ 5 bis 7; zu beachten ist insbesondere § 6 Nr. 3 (Angriff auf den Luftverkehr, dazu § 6 Rdn. 51 ff). Befindet sich das ausländische Schiff oder Luftfahrzeug zur Tatzeit dagegen im Inland gilt deutsches Strafrecht grundsätzlich gem. § 3 (Schnorr von Carolsfeld S. 13). Mit Blick auf Taten auf einem ausländischen Schiff im deutschen Küstenmeer unterliegt die deutsche Strafgewalt dabei allerdings Einschränkungen (§ 3 Rdn. 76 f). Bei Schiffen im ausländischen Hoheitsdienst sind besondere Verfahrenshindernisse zu beachten (Vor § 3 Rdn. 76); soweit Täter ein ausländischer Staatsangehöriger ist, greift ferner das Opportunitätsprinzip (§ 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO).
16
4. Taten in Weltraumfahrzeugen und -Stationen. Weltraumfahrzeuge können in den Weltraum hinausfliegen oder (wie Satelliten und Raumstationen) die Erde lediglich umkreisen. Sie sind nicht Inlandsteil des Staates, dem sie gehören, haben aber eine Staats-
6 7
So noch RGSt 50 218, 220; 23 266, 267. So aber Hoyer SK Rdn. 1 („doppelter Inlandsbegriff"); vgl. auch OLG Schleswig NStZ-RR
8
Ambos MK Rdn. 1; Hoyer SK Rdn. 2; Oehler Rdn. 517.
1998 313.
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Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen
§4
schiffen (Rdn. 21 ff) und Staatsluftfahrzeugen (Rdn. 28) vergleichbare völkerrechtliche Stellung. Entsprechend gilt deutsches Strafrecht gem. § 4 für Taten, die in einem deutschen Weltraumfahrzeug begangen werden, solange sich dieses im Luftraum befindet (näher Rdn. 51). Weltraumfahrzeuge unterliegen ausschließlich der Herrschaft des Registerstaats, der allein die Kommandogewalt, die Polizeigewalt und die Gerichtsbarkeit ausübt sowie die Verantwortung für ihre völkerrechtmäßige Führung trägt. 9 Diese Auffassung steht im Einklang mit einschlägigen völkerrechtlichen Vereinbarungen, so mit dem Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper (Weltraumvertrag) vom 27.1.1967 (G vom 2 . 1 0 . 1 9 6 9 , BGBl. II S. 1967; Bek. vom 2 6 . 2 . 1 9 7 1 , BGBl. II S. 166) und mit dem Übereinkommen zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten auf dem Mond und anderen Himmelskörpern (Mondvertrag) vom 18.12.1979 (ILM 18 (1979) 1434).
17
Danach behält ein Vertragsstaat, in dem ein in den Weltraum gestarteter „Gegenstand" registriert ist, „die Hoheitsgewalt und Kontrolle über diesen Gegenstand und dessen gesamte Besatzung, während sie sich im Weltraum oder auf einem Himmelskörper befinden" (Art. VIII Satz 1 WeltRV). Das gilt auch für Stationen, Einrichtungen, Geräte und Raumfahrzeuge auf dem M o n d . 1 0 Doch ist die Hoheitsgewalt des Entsendestaates bei diesen Objekten insofern eingeschränkt, als sie Vertretern anderer Vertragsstaaten auf der Grundlage der Gegenseitigkeit zugänglich sind (Art. XII S. 1 WeltRV).
18
Besondere Probleme ergeben sich bei Straftaten in gemeinsam betriebenen WeltraumStationen (hierzu Lemke N K Rdn. 2 3 ) . Das Übereinkommen vom 2 9 . 9 . 1 9 8 8 zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, Regierungen von Mitgliedstaaten der Europäischen Weltraumorganisation, der Regierung Japans und der Regierung Kanadas über Zusammenarbeit bei Detailentwurf, Entwicklung, Betrieb und Nutzung der ständig bemannten zivilen Raumstation (G vom 13.7.1990, BGBl. II S. 6 3 7 ) sieht in Artikel 2 2 außer einer subsidiären Zuständigkeit der USA vor, dass die Vertragsstaaten die Strafgerichtsbarkeit über die von ihnen bereitgestellten Flugelemente und die darin oder daran tätigen Mitglieder des Personals ausüben, die ihre Staatsangehörigkeit besitzen.
19
5. Immunität und Befreiung von der Gerichtsbarkeit. Unter bestimmten Voraussetzungen genießen Schiffe und Luftfahrzeuge völkerrechtlich Immunität (siehe auch Vor § 3 Rdn. 368 ff).
20
Bei Schiffen ist nach Völkerrecht zu unterscheiden zwischen Staatsschiffen und anderen Schiffen. Staatsschiffe sind Kriegsschiffe, ferner staatliche Schiffe, die öffentliche Aufgaben (im engeren Sinne) wahrnehmen, sowie Staatshandelsschiffe. Privatschiffe sind nicht dem Staat gehörende oder dienende Seefahrzeuge. 11 Diese Unterscheidung ist allgemein anerkannt, so auch in dem Genfer Übereinkommen über die Hohe See (Vor § 3 Rdn. 94), das sich im Wesentlichen als Feststellung geltender Grundsätze des Völkerrechts versteht (Präambel), in dem Küstenmeerübereinkommen (Vor § 3 Rdn. 95) und in dem VN-Seerechtsübereinkommen (Vor § 3 Rdn. 94).
21
Ein Kriegsschiff ist ein zu den Streitkräften eines Staates gehörendes Schiff, das die äußeren Kennzeichen eines solchen Schiffes seiner Staatszugehörigkeit trägt. Es muss unter dem Befehl eines Offiziers stehen, der sich im Dienst des betreffenden Staates befindet und dessen Name in der entsprechenden Rangliste der Streitkräfte oder einer
22
9
10
Oehler Rdn. 421; ders. Piratensender, S. 18 f; Wessels in Strupp/Schlochauer III S. 831, 832 f. Vgl. Geiger S. 272, 325.
11
Geck in Strupp/Schlochauer III S. 334; Giindling in Seidl-Hohenveldern S. 282.
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511
§4
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
gleichwertigen Liste enthalten ist. Die Besatzung muss den Regeln der militärischen Disziplin unterliegen (Art. 29 SeeRÜbk., Art. 8 Abs. 2 HoSeeÜbk.). 1 2 Außerhalb der Sondergruppe der Kriegsschiffe sind Staatsschiffe im engeren Sinne solche, die den öffentlichen Zwecken des Staates dienen. Sie üben Schutz- und Kontrollfunktionen aus (wie Grenzschutz-, Fischereischutz-, Polizei- und Zollschiffe) oder nehmen andere öffentliche Aufgaben im Seeverkehr unmittelbar für den Staat wahr (wie Kabel-, Feuer-, Vermessungs- und Lotsenschiffe). Entscheidend ist die öffentliche Funktion (Geck in Strupp/ Schlochauer III S. 334). 23
Kriegsschiffe und Staatsschiffe im engeren Sinne genießen auf hoher See (§ 5 Rdn. 4 8 f f ) vollständige Immunität (Vor § 3 Rdn. 371 f) von der Hoheitsgewalt jedes anderen als des Flaggenstaats (Art. 95 f SeeRÜbk., Art. 8f HoSeeÜbk.). 1 3 Entsprechendes gilt bei der friedlichen Durchfahrt durch fremde Küstenmeere (Art. 32 SeeRÜbk.). Wenn ein Kriegsschiff dabei die einschlägigen Vorschriften des Küstenstaates missachtet, kann es nach erfolgloser Abmahnung lediglich aufgefordert werden, das Küstenmeer sofort zu verlassen (Art. 30 SeeRÜbk., Art. 23 KüMÜbk.). Der Küstenstaat kann insoweit also nicht strafrechtlich eingreifen (Oehler Rdn. 430).
24
Z u den Staatsschiffen - doch nur im weiteren Sinne - gehören schließlich die Staatshandelsschiffe. Das sind Schiffe, die ebenfalls in staatlichem Eigentum oder Dienst stehen, aber kommerziellen Zwecken dienen (vgl. Art. 31, 32, 96 SeeRÜbk.; Art. 9 HoSeeÜbk.; Art. 21, 22 KüMÜbk.). Ihre völkerrechtliche Stellung ist heute - nach dem weitgehenden Zerfall des sozialistischen Systems der Ostblockstaaten - nicht mehr umstritten. Sie gleicht der Stellung privater Schiffe.
25
Beide Gruppen - Staatshandelsschiffe und private Schiffe - unterstehen auf hoher See (§ 5 Rdn. 48 ff), von Ausnahmefällen abgesehen, völkerrechtlich ausschließlich der Hoheitsgewalt des Flaggenstaats (Art. 92 Abs. 1 SeeRÜbk., Art. 6 Abs. 1 HoSeeÜbk.). Der Flaggenstaat ist zum Beispiel zuständig für die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Kapitän oder das Schiffspersonal, wenn es auf hoher See zu einem Schiffszusammenstoß oder einem anderen Unfall kommt, der mit der Führung des Schiffes zusammenhängt (Art. 97 SeeRÜbk., Art. 11 HoSeeÜbk.). Z u r Strafverfolgung sind bei einigen internationalen Straftaten (Vor § 3 Rdn. 51) auch fremde Staaten berufen, so bei Seeräuberei (Art. 105 SeeRÜbk., Art. 19 HoSeeÜbk.; Vor § 3 Rdn. 94 ff) oder Betreiben eines Piratensenders (Art. 109 Abs. 3 SeeRÜbk.; Vor § 3 Rdn. 120 ff).
26
Im Hinblick auf das Recht der friedlichen Durchfahrt (Art. 17 SeeRÜbk., Art. 14 Abs. 1 KüMÜbk.) ist das Recht des Küstenstaats eingeschränkt, seine Strafgewalt an Bord eines das Küstenmeer (§ 3 Rdn. 41 ff) durchfahrenden fremden Handelsschiffes auszuüben (Art. 2 7 SeeRÜbk., Art. 19 KüMÜbk.); siehe auch § 3 Rdn. 77.
27
Auch bei Flugzeugen ist zwischen Staatsflugzeugen, insbesondere Militärmaschinen, und Zivilflugzeugen zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist vor allem im Zusammenhang mit der Strafverfolgung internationaler Straftaten (Vor § 3 Rdn. 51) von erheblicher praktischer Bedeutung. Mehrere internationale Abkommen, welche die Luftfahrt betreffen, beziehen sich nur auf den zivilen Luftverkehr, so das Tokioter Abkommen 1963 (Art. 1 Abs. 4) das Haager Übereinkommen 1970 (Art. 3 Abs. 2), das Montrealer Übereinkommen 1971 (Art. 4 Abs. 1) und das Montrealer Protokoll von 1988 (Art. 1); siehe im Einzelnen Vor § 3 Rdn. 107 ff. 12 13
Vgl. Geck in Strupp/Schlochauer II S. 368. Vgl. auch Art. 3 Abs. 1 des Internationalen Abkommens zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunitäten der Staats
512
schiffe vom 10.4.1926 (G vom 9.7.1927, RGBl. II S. 483; Bek. vom 11.9.1936, RGB1.II S. 303); Abdruck bei Berber I S . 1436.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen
§4
Nach Art. 3 des Chicagoer Abkommens (§ 3 Rdn. 51) gelten als Staatsluftfahrzeuge „Luftfahrzeuge, die im Militär-, Zoll- und Polizeidienst verwendet werden". Sie genießen, wenn sie mit Genehmigung in fremdes Staatsgebiet einfliegen und dort landen, ähnlich wie Staatsschiffe in fremden Hoheitsgewässern (Rdn. 23) völkerrechtliche Immunität, 14 sind aber strafrechtlich nicht Inlandsteil des Staates, dem sie angehören (Oehler Rdn. 497).
28
II. Voraussetzungen 1. Begehungsort. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Tat auf einem (deutschen) Schiff oder in einem (deutschen) Luftfahrzeug begangen wird. Maßgeblich für die Bestimmung des Begehungsortes ist § 9 (hierzu OLG Schleswig NStZ-RR 1998 313).
29
a) Auf einem deutschen Schiff aa) Der Begriff „Schiff". Unter einem Schiff im zivilrechtlichen Sinne ist jedes schwimmfähige, mit einem Hohlraum versehene Fahrzeug von nicht ganz unbedeutender Größe zu verstehen, dessen Zweckbestimmung es mit sich bringt, dass es auf dem Wasser bewegt wird; unter diesen Begriff fällt auch ein Schwimmkran, nicht dagegen ein bewegungsunfähiges Wrack (BGH NJW 1952 1135).
30
Nach Art. 1 des SeeschifffahrtÜbk. (Vor § 3 Rdn. 176) ist ein „Schiff" „ein nicht dauerhaft am Meeresboden befestigtes Wasserfahrzeug jeder Art, einschließlich Fahrzeuge mit dynamischem Auftrieb, Unterwassergerät und anderes schwimmendes Gerät".
31
Damit wird der Begriff „Schiff" abgegrenzt gegen den Ausdruck „feste Plattform" in Art. 1 Abs. 3 des Protokolls von 1988 zum Schutze fester Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel befinden (Vor § 3 Rdn. 176). Dieser Ausdruck bezeichnet eine künstliche Insel, eine Anlage oder ein Bauwerk, die zum Zwecke der Erforschung oder Ausbeutung von Ressourcen oder zu anderen Zwecken dauerhaft am Meeresboden befestigt sind.
32
bb) Seeschiffe und Binnenschiffe. Es erübrigen sich nähere Überlegungen, ob und wieweit die oben wiedergegebenen Definitionen (Rdn. 30ff) mit dem allgemeinen Sprachgebrauch übereinstimmen und auch zur Auslegung des § 4 herangezogen werden können. Denn durch das Merkmal der Berechtigung, die Bundesflagge der Bundesrepublik Deutschland zu führen, stellt die Vorschrift klar, dass sie nur für Seeschiffe und Binnenschiffe gilt. Nur für sie wird diese Berechtigung bzw. Befugnis (Rdn. 40) in dem Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz - FlaggRG) in der zuletzt durch G vom 25. Juni 2004 geänderten Fassung (BGBl. I S. 1389) sowie in der Flaggenrechtsverordnung (F1RV) vom 4.7.1990 (BGBl. I S. 1389) mit Änderung durch die Siebente Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 29.10.2001 (BGBl. I S. 2785) geregelt. Anders als im Zusammenhang mit der völkerrechtlichen Immunität (Rdn. 21 ff) kommt es hierbei nicht auf die Unterscheidung zwischen Staatsschiffen und Privatschiffen an.
33
Seeschiffe sind Kauffahrteischiffe und sonstige zur Seefahrt bestimmte Schiffe (§ 1 Abs. 1 FlaggRG). Kauffahrteischiffe sind dem Reeder zum Erwerb durch die Seefahrt dienende Schiffe (vgl. § 484 HGB). Ihnen wurden schon früher Lotsen-, Fischerei-, Bergungs- und Schleppfahrzeuge zugezählt (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst, b FlaggRG).
34
14
Meyer in Strupp/Scblocbauer III S. 331 f; Oehler Rdn. 485 ff.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
513
§4
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Sonstige Seeschiffe sind zum Beispiel seegehende Behördenfahrzeuge, Yachten und Schulschiffe. Näher Stockei in Erbs/Kohlhaas F 121 § 1 Rdn. 3. 35
Binnenschiffe (§ 14 FlaggRG) dienen der schiffsmäßigen Beförderung von Personen und Gütern auf Binnengewässern, d. h. auf den Gewässern des Festlandes (Seen und Flüssen). Zu ihnen gehören Schleppkähne, nicht aber Flöße und Amphibienfahrzeuge.
36
Seeschiffe und Binnenschiffe unterscheiden sich also voneinander nach dem räumlichen Bereich, in dem mit ihnen Schifffahrt betrieben werden soll. § 1 FLRV bestimmt als Grenzen der Seefahrt (§ 1 FlaggRG) die Festland- und Inselküstenlinie bei mittlerem Hochwasser, die seewärtige Begrenzung der Binnenwasserstraßen, bei an der Küste gelegenen Häfen die Verbindungslinie der Molenköpfe und bei Mündungen von Flüssen, die keine Binnenwasserstraßen sind, die Verbindungslinie der äußeren Uferausläufe. Von einem Seeschiff kann nur gesprochen werden, wenn das Schiff zur Schifffahrt seewärts der bezeichneten Grenzen bestimmt ist. 1 5
37
Binnenschiffe, die Seegewässer befahren, sind nach § 1 Abs. 4 FlaggRG 1 6 Seeschiffen gleichgestellt. Das gilt ohne Rücksicht darauf, ob sie als Seeschiffe in ein Seeschiffsregister eingetragen und nach der deutschen Terminologie als „Seeschiffe" qualifiziert worden sind; vgl. Stockei in Erbs/Kohlhaas F 121 § 1 Rdn. 5.
38
cc) Berechtigung, die Bundesflagge zu führen. Sie folgt bei Seeschiffen und Binnenschiffen unterschiedlichen Regeln.
39
(1) Bei Seeschiffen. Die Berechtigung (§ 8 FlaggRG) besteht bei Seeschiffen, die im Eigentum deutscher Staatsangehöriger oder diesen gleichgestellter Personen stehen, kraft Gesetzes (§§ 1, 2 FlaggRG) sowie bei in Deutschland angefertigten Seeschiffen und bei Schiffen ausländischer Eigentümer auf Grund Verleihung (§§ 1 0 , 1 1 FlaggRG). Sie ist durch einen amtlichen Ausweis nachzuweisen (§ 3 FlaggRG), vor dessen Erteilung sie nicht ausgeübt werden darf (§ 4 FlaggRG). Die Flaggenbehörde (das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie) führt ein Register aller Seeschiffe, denen ein amtlicher Ausweis über die Berechtigung zur Führung der Bundesflagge erteilt worden ist (§§ 21, 2 7 F1RV).
40
Für die Geltung des deutschen Strafrechts nach § 4 kommt es bei Seeschiffen allein auf die Berechtigung an, die Bundesflagge zu führen (§ 8 FlaggRG), nicht auch auf die Erteilung des amtlichen Ausweises, der ihrem Nachweis dient (§ 3 FlaggRG), oder auf die Eintragung im Flaggenrechtsregister (§ 21 F1RV). Zwar darf die Berechtigung in der Regel vor Erteilung des Ausweises nicht ausgeübt werden (§ 4 Abs. 1 FlaggRG), und es ließe sich die Auffassung vertreten, eine Berechtigung ohne die Befugnis, sie auszuüben, sei in Wirklichkeit keine. Der Gesetzgeber hat zwischen beiden Fällen aber deutlich unterschieden, auch in der strafrechtlichen Bewertung.
41
So macht sich nach § 15 Abs. 2 FlaggRG eines Vergehens schuldig, wer als Führer eines Seeschiffs oder als sonst dafür Verantwortlicher entgegen § 8 Abs. 1 Satz 1 FlaggRG (d.h. ohne Berechtigung) die Bundesflagge führt, während er nur eine Ordnungswidrigkeit begeht, wenn er entgegen § 4 Abs. 2 FlaggRG auf einer Reise den vorgeschriebenen Ausweis nicht mitführt (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 FlaggRG).
42
Es spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber diese Unterscheidung zwischen Berechtigung und Befugnis, sie auszuüben, für das Strafanwendungsrecht in § 4 aufgegeben hätte, zumal er sich dort mit der Formulierung „Schiff, das berechtigt ist, die Bundesflagge zu führen" sprachlich eng an den Text des § 8 Abs. 1 Satz 1 FlaggRG anlehnt.
15 16
Stockei in Erbs/Kohlhaas F 121a S 1 Rdn. 3. Eingefügt durch Art. 2 AusfGSeeRÜbk.
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1982/1994 v. 6.6.1995 (BGBl. I S. 778); vgl. Vor § 3 Rdn. 94.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen
§4
Für Taten auf Seeschiffen, die nicht zur Führung der Bundesflagge berechtigt sind, sie aber führen, und solchen, die berechtigterweise unter fremder Nationalflagge fahren, ergibt sich die Geltung des deutschen Strafrechts daher nicht aus § 4. Das Gleiche gilt für Schiffe, die keine Flagge führen und auch nicht zur Führung der deutschen Flagge berechtigt sind. In diesen Fällen kann sich die Geltung des deutschen Strafrechts aber aus den §§ 3, 5 bis 7 ergeben.
43
(2) Bei Binnenschiffen. Bei ihnen spricht das Flaggenrechtsgesetz - anders als bei Seeschiffen - nicht vom „Flaggenrecht" oder vom „Recht zur Führung der Bundesflagge"; vielmehr regelt es hier nur die „Flaggenführung". Demgemäß wird die Auffassung vertreten, deutsche Binnenschiffe besäßen kein Flaggenrecht „im eigentlichen Sinne"; sie bedürften seiner nicht, weil sie nicht im hoheitsfreien Raum verkehrten (vgl. Rdn. 35); doch sei ihnen eine „Befugnis" zur Flaggenführung eingeräumt. 1 7
44
Dem ist zuzustimmen; doch folgt daraus nicht, dass § 4 auf Binnenschiffe unanwendbar wäre. Das strafrechtliche Schrifttum ist einhellig der Meinung, dass die Vorschrift unabhängig davon gilt, ob es sich bei dem Schiff um ein See- oder Binnenschiff handelt. 1 8
45
Dies folgt schon daraus, dass die sprachliche Fassung des § 4 nicht ergibt, dass die Befugnis der Binnenschiffe, die Bundesflagge zu führen, keine Berechtigung im Sinne dieser Vorschrift wäre. Deren Anwendung auf Binnenschiffe ist auch der Sache nach geboten. Das Flaggenrecht hat nach dem HoSeeÜbk. (Vor § 3 Rdn. 94) und nach dem SeeRÜbk. (Vor § 3 Rdn. 94) zwar besondere Bedeutung gerade für Seeschiffe auf hoher See (Art. 4 f f HoSeeÜbk., Art. 9 0 ff SeeRÜbk.). Im Rahmen des § 4 geht es aber nicht nur um die Erfassung von Straftaten im hoheitsfreien Meeresgebiet der hohen See, sondern auch um Taten, die in (deutschen oder ausländischen) Häfen und auf (deutschen oder ausländischen) Seen oder Flüssen begangen werden. In diesem Bereich fahren auch deutsche Binnenschiffe (Rdn. 3 6 f ) . Es gibt keinen sachlichen Grund, insoweit bei der Geltung des deutschen Strafrechts zwischen See- und Binnenschiffen zu unterscheiden. Das gilt um so mehr, als das Binnenschiff bei Überschreitung der Binnenschifffahrtsgrenze zur offenen See hin (Rdn. 36) ohne weiteres zum Seeschiff wird, auf welchem über § 4 deutsches Strafrecht eingreift (Rdn. 37).
46
dd) Wracks und Rettungsboote. Es ist davon auszugehen, dass sich die Berechtigung (und damit die Geltung des § 4) bei einem Seeschiff auch auf das Wrack bezieht, solange es noch nicht verlassen ist und der Verkehrsvorgang, namentlich die Rettung der Schiffbrüchigen noch andauert, sowie ferner auf die zum Schiff gehörenden Wasserfahrzeuge, bei Seenotfällen also insbesondere auf die bemannten Rettungsboote und -flöße. 1 9
47
Oehler (Rdn. 4 5 5 ff) hebt zur Begründung dieses Ergebnisses darauf ab, andernfalls wären solche Schiffsteile oder Rettungsfahrzeuge auf hoher See (§ 5 Rdn. 4 8 ff) „jeglicher" strafrechtlicher Gerichtsbarkeit entzogen. Das ist allerdings nicht der Fall. Für die Verfolgung von Auslandstaten, die auf hoher See (nicht auf einem Seeschiff) begangen werden, würden nach deutschem Recht wenigstens die wenngleich beschränkten Möglichkeiten offen bleiben, die auch sonst außerhalb der § § 3 und 4 bestehen; und es wäre überdies nicht ausgeschlossen, dass sich Ausländer wegen Taten auf deutschen Schiffswracks und Rettungsbooten oder -flößen (ohne Flaggenrecht) nach dem Recht ihres Heimatstaates verantworten müssten (vgl. Vor § 3 Rdn. 45).
48
17 18
Stockei in Erbs/Kohlhaas F 121 § 14 Rdn. 3. Ambos MK Rdn. 7; Lackner/Kühl Rdn. 2; Lemke NK Rdn. 5; Sch/Schröder/Eser Rdn. 4; Tröndle/Fischer Rdn. 3.
19
Ambos MK Rdn. 8; Lemke NK Rdn. 6; Oeh1er Rdn. 455 bis 463; Sch/Schröder/Eser Rdn. 4.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
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§4 49
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Für die Richtigkeit des Ergebnisses (Rdn. 4 7 ) spricht jedoch, dass es in dem hier erörterten Zusammenhang keinen einleuchtenden Grund gibt, in Seenotfällen etwa bemannte Rettungsboote oder -flöße rechtlich anders zu behandeln als das im Sinken begriffene Seeschiff, zu dem sie gehören. Als Zubehör des Seeschiffs erstreckt sich dessen Flaggenrecht auch auf sie. b) In einem deutschen Luftfahrzeug
50
aa) Der Begriff „Luftfahrzeug". Luftfahrzeuge sind nach § 1 Abs. 2 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG), zuletzt geändert durch G vom 2 1 . 6 . 2 0 0 5 (BGBl. I S. 1818), „Flugzeuge, Drehflügler, Luftschiffe, Segelflugzeuge, Motorsegler, Frei- und Fesselballone, Drachen, Rettungsfallschirme, Flugmodelle, Luftsportgeräte und sonstige für die Benutzung des Luftraums bestimmte Geräte, sofern sie in Höhen von mehr als dreißig Metern über Grund oder Wasser betrieben werden können". Drachen und Flugmodelle fallen nicht unter die Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes, wenn sie nach Art, Bedeutung, Betrieb und Wirkung nur Kinderspielzeug sind. 2 0 Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 LuftVG gelten als Luftfahrzeuge ferner Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper, solange sie sich im Luftraum befinden. Diese gesetzliche Umschreibung ist ersichtlich weit gefasst im Hinblick auf die Freiheit des Luftraums, die § 1 Abs. 1 LuftVG als Grundsatz herausstellt. § 1 Abs. 2 LuftVG enthält keine (abschließende) Bestimmung des Begriffs „Luftfahrzeug", sondern verwendet ihn nur als Oberbegriff für die im Einzelnen bezeichneten Luftfahrzeuge. 21
51
Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist ein Luftfahrzeug ein „Gerät", welches die Eigenschaft der Luft braucht, um sich in der Luft zu halten (Lampe in Erbs/Kohlhaas L 2 1 3 § 1 Rdn. 5). Bei Flugzeugen ist gleichgültig, ob sie mit Propellern, Düsen oder Raketen angetrieben werden. § 1 Abs. 2 Satz 2 LuftVG (Rdn. 50) spricht dafür, auch Raumfahrzeuge § 4 und damit dem Flaggengrundsatz zu unterstellen, solange sie sich im Luftraum befinden. 2 2
52
O b der Begriff „Luftfahrzeug" in § 4 enger gefasst werden muss als nach § 1 Abs. 2 LuftVG, kann auf sich beruhen. Einschränkungen für das Strafrecht ergeben sich jedenfalls daraus, dass für die Anwendung des § 4 nur Luftfahrzeuge mit der Berechtigung in Betracht kommen, das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen (Rdn. 5 3 f), ferner auch daraus, dass die Tat „in einem Luftfahrzeug" begangen sein muss (Rdn. 5 7 ff).
53
bb) Berechtigung, das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik zu führen. Deutsche Luftfahrzeuge dürfen nur verkehren, wenn sie zum Luftverkehr zugelassen (Verkehrszulassung) und - soweit es durch Rechtsverordnung vorgeschrieben ist - in das Verzeichnis der deutschen Luftfahrzeuge (Luftfahrzeugrolle) eingetragen sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 LuftVG). Sie haben das Staatszugehörigkeitszeichen und eine besondere Kennzeichnung zu führen (§ 2 Abs. 5 LuftVG).
54
Der Verpflichtung entspricht die Berechtigung, das Staatszugehörigkeitszeichen zu führen. Anders als Schiffe (Rdn. 39 ff) werden Luftfahrzeuge nach § 3 Abs. 1 LuftVG in die deutsche Luftfahrzeugrolle nur eingetragen - und sind demnach verpflichtet und berechtigt, das Staatszugehörigkeitszeichen zu führen - , wenn sie im ausschließlichen Eigentum deutscher Staatsangehöriger stehen; deutschen Staatsangehörigen sind dabei
20
Lemke NK Rdn. 9; Lampe in Erbs/Kohlhaas L 213 § 1 Rdn. 6.
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21 22
Lampe in Erbs/Kohlhaas L 213 § 1 Rdn. 5. Ambos MK Rdn. 11; diff. Lemke NK Rdn. 9.
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Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen
§4
juristische Personen mit Sitz im Inland gleichgestellt, wenn der überwiegende Teil ihres Vermögens oder Kapitals sowie die tatsächliche Kontrolle darüber deutschen Staatsangehörigen zusteht und die Mehrheit der Vertretungsberechtigten oder persönlich haftenden Personen deutsche Staatsangehörige sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 LuftVG). Dabei stehen Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union deutschen Staatsangehörigen gleich (§ 3 Abs. 1 Satz 2 LuftVG). Das Staatszugehörigkeitszeichen besteht aus der Bundesflagge (in der Regel im Färbanstrich) und aus dem Buchstaben D. Es ist für alle Luftfahrzeuge gleich.
55
Bei der daneben zu führenden besonderen Kennzeichnung wird unterschieden zwisehen Flugzeugen, Drehflüglern (Hub-, Trag- und Flughubschraubern), Luftschiffen und Motorseglern (§ 3 Abs. 1 LuftVG; § 14 L u f t V Z O i.d.F. d. Bek. vom 13.3.1979, BGBl. I S. 308), sowie Segelflugzeugen und bemannten Ballonen (§ 18a L u f t V Z O ) .
56
2. Tatmodalitäten. Voraussetzung der Geltung des deutschen Strafrechts ist, dass die Tat auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangen worden ist.
57
Bis zur Novelle durch das 11. LuftVÄndG vom 2 5 . 8 . 1 9 9 8 (BGBl. I S. 2 4 3 2 ) war einheitliche Anwendungsvoraussetzung von § 4 , dass die Tat „auf einem Schiff oder Luftfahrzeug" begangen wird. Durch Art. 2 des 11. LuftVÄndG wurden die Worte „oder Luftfahrzeug" durch „oder in einem Luftfahrzeug" ersetzt. Hintergrund der Änderung ist der Umstand, dass „auf" einem Luftfahrzeug nur „in extrem seltenen Fällen sportlicher Betätigung" Straftaten begangen werden (BTDrucks. 13/9513 S. 41). Die Neuregelung stellt daher klar, dass nach § 4 insbesondere solche Straftaten dem deutschen Strafrecht unterliegen, die in einem Luftfahrzeug, also im Passagierraum bzw. in der Kabine eines Luftfahrzeugs begangen werden (BTDrucks. 13/9513 S. 41). Dagegen unterfallen § 4 nach dem nunmehr eindeutigen Wortlaut, der mit dem Gesetzeszweck korrespondiert, keine Straftaten, die auf einem Luftfahrzeug (am Boden oder in der Luft) begangen werden. 2 3 Nicht ausgeschlossen ist die Anwendung von § 4 freilich, wenn der Täter sich zum Zeitpunkt der Tatbegehung außerhalb der Kabine befindet (etwa außen auf dem am Boden befindlichen Luftfahrzeug steht) und dort handelt, soweit nur ein Begehungsort (§ 9) „im Luftfahrzeug" liegt.
58
§ 4 erfordert nicht, dass die Tat gegen das Fahrzeug gerichtet ist. Die Worte „ a u f " und „in" sind im Zusammenhang mit § 4 weiter, als es der Ausdruck „gegen" wäre. Deutsches Strafrecht gilt bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen beispielsweise auch dann, wenn die Tat nur einen einzelnen Passagier betrifft.
59
a) Bewegungs- und Ruhezustand des Fahrzeugs. Die Worte „ a u f " und „ i n " bezeichnen ein räumliches Verhältnis der Tat zu dem Fahrzeug. Sie enthalten keine Aussage darüber, ob sich das Fahrzeug in Bewegung oder im Stillstand befindet; sie deuten auch nicht darauf hin, dass das Fahrzeug bei der Tat in Betrieb sein müsste. § 4 greift danach unabhängig davon ein, ob das Schiff in Fahrt oder das Luftfahrzeug im Flug begriffen ist, obgleich dies in einschlägigen Fällen die Regel sein wird. 2 4 Demnach erfüllt auch eine Tat, die auf einem im Hafen liegenden Schiff oder auf einem in einem Hangar abgestellten Flugzeug begangen wird, die Voraussetzungen des § 4 . 2 5
60
Einige völkerrechtliche Vereinbarungen, welche dem Schutz der zivilen Luftfahrt vor Luftpiraterie und Terroranschlägen dienen (Vor § 3 Rdn. 107 ff), schränken demgegen-
61
23
24
Missverständlich insofern die Gesetzesbegründung BTDrucks. 1 3 / 9 5 1 3 S. 41. Ambos M K Rdn. 12; Oehler Rdn. 518.
25
Z u eng Sch/Schröder/Eser Rdn. 6 a („Verschließen der Außentür bis zu deren Öffnung nach dem Anlegen oder L a n d e n " ) .
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§4
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
über den eigenen Anwendungsbereich durch das Erfordernis einer gewissen Verkehrsbezogenheit des Tatgeschehens ein, so unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, dass sich das Luftfahrzeug bei der Tat „im Fluge" (Tokioter Abkommen 1963, Art. 1 Abs. 2 und 3; Haager Übereinkommen 1970, Art. 1 Abs. 1; Montrealer Übereinkommen 1971, Art. 1 Abs. 1 Buchst, a und e, Abs. 2 Buchst, a; Vor § 3 Rdn. 107) oder „im Einsatz" (Montrealer Übereinkommen 1971, Art. 1 Abs. 1 Buchst, b und c, Abs. 2 Buchst, b; Vor § 3 Rdn. 107) befinden müsse. 62
Dabei werden diese Begriffe nach den vertraglichen Umschreibungen allerdings weit gefasst: Ein Luftfahrzeug gilt „als im Flug befindlich" von dem Augenblick an, in dem zum Zweck des Starts Kraft aufgewendet wird, bis zu dem Augenblick, in dem der Landelauf beendet ist (Art. 1 Abs. 3 Tokioter Abk.), oder auch von dem Augenblick an, in dem alle Außentüren nach dem Einstieg geschlossen werden, bis zu dem Moment, in dem eine dieser Türen zum Aussteigen geöffnet wird (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Tokioter Abk.; Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Haager Übk., Art. 2 Buchst, a Montrealer Übk.). Ein Luftfahrzeug gilt „als im Einsatz befindlich" vom Beginn der Flugvorbereitung durch das Bodenpersonal oder die Besatzung für einen bestimmten Flug bis zum Ablauf von 24 Stunden nach jeder Landung, in jedem Fall auch während des Zeitraums, in dem es sich nach der oben wiedergegebenen Definition im Flug befindet (Art. 2 Buchst, b Montrealer Übk.). Voraussetzung ist also in beiden Fällen nicht, dass sich das Flugzeug tatsächlich in Bewegung befindet.
63
Diese Einschränkungen des Anwendungsbereichs der genannten völkerrechtlichen Übereinkommen stehen der hier vorgenommenen Auslegung des § 4 (Rdn. 60) nicht entgegen. Sie bilden keine Schranke für seine Anwendung. In den Übereinkommen wird ausdrücklich hervorgehoben, dass sie eine Strafgerichtsbarkeit nicht ausschließen, die nach nationalem Recht ausgeübt wird (Art. 3 Abs. 3 Tokioter Abk., Art. 4 Abs. 3 Haager Übk., Art. 5 Abs. 3 Montrealer Übk.).
64
Der Gesichtspunkt der Verkehrsbezogenheit der Tat kann aber in Grenzfällen eine Auslegungshilfe für die Beantwortung der Frage sein, ob eine auf einem Wrack verübte Tat auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug im Sinne des § 4 begangen wird (vgl. Oehler Rdn. 518; siehe auch Rdn. 47 ff).
65
Es wäre verfehlt anzunehmen, das Problem löse sich dadurch, dass die Eigenschaft als Schiff oder Luftfahrzeug automatisch im Zeitpunkt der schweren Beschädigung oder Zerstörung erlösche, durch die das Fahrzeug die ihm eigentümliche Bewegungsfähigkeit (Schwimm- oder Flugfähigkeit) verliere. Auch wäre es unzureichend, nur darauf abzuheben, ob sich auf dem Wrack (noch) Menschen befinden. Entscheidend ist vielmehr, ob die Tat in eine Zeit fällt, zu welcher der durch die schwere Beschädigung oder Zerstörung beeinträchtigte Verkehrsvorgang andauert (Rdn. 47). Das trifft zu, solange die Maßnahmen zur Rettung der Passagiere, der Besatzung und auch des Fahrzeugs noch nicht abgeschlossen sind. Danach wäre für die Anwendung des § 4 zum Beispiel kein Raum, wenn es unter Plünderern an Bord zu einer schweren Straftat kommt, während sie ein auf hoher See verlassen treibendes, aufgegebenes Wrack nach Beute durchsuchen.
66
b) Aufenthalt des Täters an Bord und außerhalb des Fahrzeugs. Die Geltung des deutschen Strafrechts nach § 4 setzt nicht notwendig voraus, dass sich Täter oder Teilnehmer „an Bord", also auf dem Schiff oder in dem Luftfahrzeug, befinden (Ambos MK Rdn. 14). Das wird zwar regelmäßig der Fall sein; es genügt aber, dass bei Erfolgsdelikten der Handlungserfolg „auf" bzw. „in" dem Fahrzeug eintritt; dies kann etwa bei einem Bombenanschlag während des Fluges der Fall sein. Maßgeblich bei der Bestimmung des Begehungsortes ist § 9. Danach sind Distanzdelikte möglich (§ 9 Rdn. 54 ff).
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Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen
§4
In internationalen Verträgen zum Schutz der Zivilluftfahrt vor Luftpiraterie und Terroranschlägen (Vor § 3 Rdn. 107 ff) wird mitunter vorausgesetzt, dass der Täter oder der Teilnehmer zur Ausführung der Tat an Bord ist, so im Haager Übereinkommen 1970 (Art. 1, 4 Abs. 1 Buchst, b). Das kann mit der Art der Taten zusammenhängen, die mit dem Übereinkommen bekämpft werden sollen. In solchen Fällen sind Handlungen von der Vertragsanwendung ausgeschlossen, die von einem Punkt außerhalb des Luftfahrzeugs gegen es gerichtet sind. 2 6
67
Andere Vereinbarungen stellen darauf ab, ob sich die Tat gegen eine Person an Bord eines im Fluge oder Einsatz befindlichen Luftfahrzeugs richtet, gegen ein solches Flugzeug (Montrealer Übereinkommen 1971, Art. 1 Abs. 1) oder gegen ein nicht im Einsatz befindliches Flugzeug auf einem Flughafen, welcher der internationalen Zivilluftfahrt dient (Montrealer Protokoll 1988, Art. 2 Abs. 1).
68
All dies hat, soweit es als Einschränkung für das deutsche Strafrecht in Betracht kommt, aus den bereits genannten Gründen (Rdn. 63) keinen Einfluss auf die Auslegung des § 4. Die Erstreckung des Verfolgungszwanges auf Taten gegen Luftfahrzeuge, die nicht im Einsatz sind (Rdn. 68), ist vielmehr ein mögliches rechtliches Argument dafür, dass die hier vertretene Auffassung zum Anwendungsbereich des § 4 (Rdn. 63, 6 6 ) richtig ist.
69
III. Prozessuales 1. Einschränkung des Verfolgungszwanges. Für Taten, die auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug begangen werden, das sich zur Tatzeit im Ausland befindet, ist der Verfolgungszwang gelockert; es gilt - wie allgemein bei Auslandstaten (Vor § 3 Rdn. 351) das Opportunitätsprinzip (§ 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 erste Alternative StPO). 2 7 Für die Verfolgung ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Heimathafen oder der Hafen im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegt, den das Schiff nach der Tat zuerst erreicht; Entsprechendes gilt für Luftfahrzeuge (§ 10 StPO).
70
Auch für Taten, die ein Ausländer auf einem ausländischen Schiff oder Luftfahrzeug im Inland begeht, gilt das Opportunitätsprinzip (§ 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO).
71
Dass der Gesetzgeber es unterlassen hat, § 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO entsprechend der für § 4 durch das 11. LuftVAndG vom 2 5 . 8 . 1 9 9 8 (Entstehungsgeschichte) erfolgten Änderung („in" statt wie früher „ a u f " einem Luftfahrzeug) neu zu fassen, darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass für Taten, die in, aber nicht auf einem ausländischen Luftfahrzeug im Inland begangen werden, das Legalitätsprinzip gelten würde.
72
2 . Opportunitätsprinzip und völkerrechtliche Verfolgungspflicht. Die Regelungen des § 153c Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 StPO müssen im Rahmen des § 4 unter Berücksichtigung der völkerrechtlichen Verpflichtungen ausgelegt werden, welche die Bundesrepublik in internationalen Verträgen (Vor § 3 Rdn. 51 ff) übernommen hat. Hieraus kann sich eine Ermessensbindung ergeben, die im Rahmen des § 153c Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 StPO zu beachten ist.
73
26 27
Vgl. Grützner/Fötz III L 2 S. 9 Fußn. 1. Beulke in Löwe/Rosenberg25 § 153c StPO
Rdn. 9; Weßlau SK StPO § 153c StPO Rdn. 11.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
519
§4
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
74
So ist die Bundesrepublik u.a. gehalten, als Flaggen- oder Registerstaat die in den jeweiligen Abkommen geregelten Taten zu verfolgen, die begangen worden sind:
75
im Ausland auf deutschen Luftfahrzeugen nach dem Tokioter Abkommen 1 9 6 3 (Art. 3 Abs. 1, 2 , Art. 5; Vor § 3 Rdn. 110); dem Haager Übereinkommen 1 9 7 0 (Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 1 Buchst, a; Vor § 3 Rdn. 112) und dem Montrealer Übereinkommen 1971 (Art. 4 Abs. 2 Buchst, a und b, Art. 5 Abs. 1 Buchst, b, 2 ; Vor § 3 Rdn. 115); sowie auf deutschen Schiffen nach dem SeeschifffahrtÜbk. (Art. 6 Abs. 1 Buchst, a; Vor § 3 Rdn. 180);
76
im Inland auf ausländischen Luftfahrzeugen nach dem Haager Übereinkommen 1970 (Art. 4 Abs. 1 Buchst, b; Vor § 3 Rdn. 112) und dem Montrealer Übereinkommen 1971 (Art. 4 Abs. 2 Buchst, b, Art. 5 Abs. 1 Buchst, a; Vor § 3 Rdn. 115), sowie auf ausländischen Schiffen nach dem SeeschifffahrtÜbk. Art. 6 Abs. 1 Buchst, b; Vor § 3 Rdn. 180). Siehe ferner die einzelnen bei Vor § 3 Rdn. 5 8 ff aufgeführten Abkommen.
77
Diesen völkerrechtlichen Verpflichtungen kann die Bundesrepublik in manchen Fällen genügen, indem sie einen ausländischen Beschuldigten an einen anderen Vertragsstaat ausliefert (Art. 4 Abs. 2 Haager Übk., Art. 5 Abs. 2 Montrealer Übk., Art. 6 Abs. 4 Montrealer Protokoll und Art. 6 Abs. 3, Art. 10 Abs. 1 SeeschifffahrtÜbk.; Vor § 3 Rdn. 107, 176). Für die Anwendung des Opportunitätsprinzips (§ 1 5 3 c Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StPO) wird in der Regel nur Raum sein, wenn die völkerrechtliche Verfolgungspflicht im Einzelfall nicht eingreift, etwa bei Taten auf Luftfahrzeugen oder Schiffen im Militär-, Zoll- oder Polizeidienst (Art. 1 Abs. 4 Tokioter Abk., Art. 3 Abs. 2 Haager Übk., Art. 4 Abs. 1 Montrealer Übk. und Art. 2 Abs. 1 Buchst, a und b, Abs. 2 SeeschifffahrtÜbk.; Vor § 3 Rdn. 107, 176), oder wenn der Beschuldigte vertragsgemäß ausgeliefert wird.
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§5 A u s l a n d s t a t e n gegen i n l ä n d i s c h e R e c h t s g ü t e r Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden: 1. Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80); 2. Hochverrat ( § § 8 1 bis 83); 3. Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates a) in den Fällen der §§ 89, 9 0 a Abs. 1 und des § 9 0 b , wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, und b) in den Fällen der § § 9 0 und 9 0 a Abs. 2; 4 . Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 9 4 bis 100a); 5. Straftaten gegen die Landesverteidigung a) in den Fällen der §§ 109 und 109e bis 109g und b) in den Fällen der §§ 109a, 109d und 109h, wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat; 6. Verschleppung und politische Verdächtigung (§§ 2 3 4 a , 241a), wenn die Tat sich gegen einen Deutschen richtet, der im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat; 6a. Entziehung eines Kindes in den Fällen des § 235 Abs. 2 Nr. 2, wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat; 7. Verletzung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen eines im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes liegenden Betriebs, eines Unternehmens, das dort seinen Sitz hat, oder eines Unternehmens mit Sitz im Ausland, das von einem Unternehmen mit Sitz im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes abhängig ist und mit diesem einen Konzern bildet; 8. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung a) in den Fällen des § 174 Abs. 1 und 3, wenn der Täter und der, gegen den die Tat begangen wird, zur Zeit der Tat Deutsche sind und ihre Lebensgrundlage im Inland haben, und b) in den Fällen der §§ 176 bis 176b und 182, wenn der Täter Deutscher ist; 9. Abbruch der Schwangerschaft (§ 218), wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat; 10. falsche uneidliche Aussage, Meineid und falsche Versicherung an Eides Statt (§§ 153 bis 156) in einem Verfahren, das im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem Gericht oder einer anderen deutschen Stelle anhängig ist, die zur Abnahme von Eiden oder eidesstattlichen Versicherungen zuständig ist; 11.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen der §§ 3 2 4 , 3 2 6 , 3 3 0 und 3 3 0 a , die im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone begangen werden, soweit völkerrechtliche Übereinkommen zum Schutze des Meeres ihre Verfolgung als Straftaten gestatten;
I I a . Straftaten nach § 3 2 8 Abs. 2 Nr. 3 und 4 , Abs. 4 und 5, auch in Verbindung mit § 3 3 0 , wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist; 12. Taten, die ein deutscher Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Beziehung auf den Dienst begeht;
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§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
13. Taten, die ein Ausländer als Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter begeht; 14. Taten, die jemand gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung ihres Dienstes oder in Beziehung auf ihren Dienst begeht; 14a. Abgeordnetenbestechung (§ 108e), wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist oder die Tat gegenüber einem Deutschen begangen wird; 15. Organhandel (§ 18 des Transplantationsgesetzes), wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist.
Schrifttum Vgl. vor den Vorbemerkungen zu den § § 3 bis 7, ferner vor den einzelnen Bestimmungen des § 5.
Entstehungsgeschichte § 5 Nrn. 2 bis 5, 12 bis 14 gehen zurück auf die Ursprungsfassung des § 4 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 RStGB, die durch G vom 26.2.1876 (RGBl. I S. 25), G vom 26.5.1933 (RGBl. I S. 295) und G vom 24.4.1934 (RGBl. I S. 341) geändert wurde. Die GeltungsbereichsVO vom 6.5.1940 (RGBl. I S. 754) fasste unter anderem die Substanz des geltenden § 5 Nrn. 2 bis 5, 7, 10 und 12 bis 14 - im Hinblick auf den absolut geltenden aktiven Personalgrundsatz (Vor § 3 Rdn. 258) beschränkt auf Auslandstaten von Ausländern in § 4 Abs. 3 RStGB zusammen. Diese Vorschrift wurde in der Folgezeit mehrfach geändert, nämlich durch das StRÄndG vom 30.8.1951 (BGBl. I S. 739), das 3. StRÄndG vom 4.8.1953 (BGBl. I S. 735), das 4. StRÄndG vom 11.6.1957 (BGBl. I S. 597), das 8. StRÄndG vom 25.6.1968 (BGBl. I S. 741), das 11. StRÄndG vom 16.12.1971 (BGBl. I S. 1977) und das 4. StrRG vom 23.11.1973 (BGBl. I S. 1725). Die Fassung des § 5, die seit 1.1.1975 in Kraft ist, geht auf § 5 E 1962 zurück. § 5 i.d.F. des 2. StrRG vom 4.7. 1969 (BGBl. I S. 717) wurde durch das EGStGB vom 2.3.1974 (BGBl. I S. 469) geändert. Seit Inkrafttreten der Neufassung des § 5 hat es zahlreiche weitere Änderungen der Vorschrift gegeben. Durch Art. 7 Nr. 1 des 5. StrRG vom 18.6.1974 (BGBl. I S. 1297) wurde in Nummer 9 (auf dem Weg über eine Änderung des Art. 18 Abs. 2 Nr. 3 EGStGB) das Wort „Abtreibung" durch die Worte „Abbruch der Schwangerschaft" ersetzt. Das 18. StRÄndG (G zur Bekämpfung der Umweltkriminalität) vom 28.3.1980 (BGBl. I S. 373), in Kraft seit dem 1.7.1980, fügte nach der Nummer 10 die gegenwärtige Nummer 11 über Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen der §§ 324, 326, 330 und 3 3 0 a allein mit der Maßgabe ein, dass „die Tat im Bereich des deutschen Festlandsockels begangen wird". Es fehlte noch die Einschränkung durch die Verweisung auf völkerrechtliche Übereinkommen zum Schutze des Meeres. Die bisherigen Nummern 11 bis 13 erhielten die Nummern 12 bis 14. Durch den Einigungsvertrag (Ani. I Kap. III Sachgebiet C Abschnitt III Nr. 2) ist der frühere Berlin-Vorbehalt in Nummer 5 (Art. 324 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 E G S t G B vom 2.3.1974 (BGBl. I S. 469) entfallen. Durch das zur Bekämpfung der Kinderpornografie erlassene 27. StRÄndG vom 23.7.1993 (BGBl. I S. 1346) wurde aus der Liste der in N u m m e r 8 genannten Strafvorschriften § 175 im Hinblick auf dessen spätere Aufhebung durch Art. 1 Nr. 1 des 29. StRÄndG vom 31.5.1994 (BGBl. I S. 1168) gestrichen und Abs. 5 Nr. 2 des § 176 eingefügt. Ferner wird die Erstreckung des deutschen Strafrechts auf Auslandstaten in § 5 Nr. 8 Buchst, b - d.h. im Zusammenhang mit § 176 nicht mehr von der Voraussetzung abhängig gemacht, dass auch der, gegen den die Tat
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Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
begangen wird, zur Zeit der Tat Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im Inland (früher: im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes) hat. Durch das G zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 sowie des Übereinkommens vom 28.7.1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens (Ausführungsgesetz Seerechtsübereinkommen 1982/1994), vom 6.6.1995 (BGBl. I S. 777) erhielt Nummer 11 die gegenwärtige Fassung. Das G vom 6.6.1995 ergänzt den § 5 überdies durch folgende Vorschrift, die seit dem 15.6.1995 gilt: Artikel 12 Erweiterung des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts Das deutsche Strafrecht gilt für Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen der §§ 324, 326, 330 und 330a des Strafgesetzbuches, die von einem Schiff aus in der Nordsee oder Ostsee außerhalb der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone durch Einleiten von Stoffen unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten (§ 330d Nr. 4, 5 des Strafgesetzbuches) begangen werden, welche der Durchführung völkerrechtlicher Übereinkommen zum Schutz des Meeres dienen. Soweit die Tat in den Hoheitsgewässern eines anderen Staates begangen wird, gilt dies, wenn die Tat nach dem Recht dieses Staates mit Strafe bedroht ist. Für die Abgrenzung der Nordsee ist Artikel 2 des Übereinkommens zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Verschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe vom 13.9.1983 (BGBl. 1990 II S. 70) maßgebend.
Durch Art. 1 Nr. 2 des 6. StrRG vom 26.1.1998 (BGBl. I S. 164), in Kraft seit dem 1.4.1998, wurde Nummer 6a eingefügt. Zugleich wurde der Anwendungsbereich der Nummer 8 Buchst, b erneut erweitert, nämlich auf alle Fälle des §§ 176 bis 176b sowie auf § 182; ferner wurde die Voraussetzung, dass der Täter seine Lebensgrundlage im Inland haben müsse, gestrichen. Nummer I I a wurde durch Art. 2 Nr. 1 des Ausführungsgesetzes zu dem Vertrag vom 24.9.1996 über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (BGBl. 1998 II S. 1210), vom 23.7.1998 (BGBl. I S. 1882), in Kraft seit dem 30.7.1998, eingefügt. Durch § 24 Nr. 2 des G über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz - TPG) vom 5.11.1997 (BGBl. I S. 2631), das am 1.12.1997 in Kraft getreten ist, wurde Nummer 15 angefügt. Art. 2 § 3 des G zu dem Protokoll vom 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EU-Bestechungsgesetz), vom 10.9.1998 (BGBl. II S. 2340), in Kraft seit dem 27.9.1998, ergänzte § 5 um die Nummer 14a. Sachlich ergänzt das EU-Bestechungsgesetz die Nummern 12 und 13 zudem durch die folgende Vorschrift: Artikel 2 § 2 Auslandstaten Die §§ 332, 334 bis 336 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit $ 1 Abs. 1, gelten unabhängig vom Recht des Tatorts auch für eine Tat, die im Ausland begangen wird, wenn 1. der Täter a) zur Zeit der Tat Deutscher ist oder b) Ausländer ist, der aa) als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches oder bb) als Gemeinschaftsbeamter im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b, der einer gemäß den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften geschaffenen Einrichtung mit Sitz im Inland angehört, die Tat begeht, oder
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§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz 2. die Tat gegenüber einem Richter, einem sonstigen Amtsträger oder einer nach § 1 Abs. 1 gleichgestellten Person, soweit sie Deutsche sind, begangen wird.
Gesetzesmaterialien § 5 E 1962 Begr. S. 109; Niederschriften der Gr. Str. Kommission Bd. 4 S. 15 ff, 121 ff, 412 ff; Bd. 10 S. 323 ff, 336. Schriftl. Bericht des Sonderausschusses Strafrecht BTDrucks. V/4095 S. 4; Prot. V/6, 70, 2 3 4 7 , 2 5 5 7 , 2619, 2 8 7 8 , 3120, 3199; E EGStGB S. 207. Entwurf eines 16. StRÄndG, BRDrucks. 339/78, Begr. S. 12 f; BTDrucks. 8/2382, Begr. S. 11 f; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BTDrucks. 8/3633 S. 4, 2 2 f; Entwurf eines StRÄndG - Kinderpornografie, BTDrucks. 12/3001; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BTDrucks. 12/4883 S. 4, 6 f; BT, 163. Sitzung, Plenarprotokoll 12/163 S. 1 4 0 6 0 ff; Entwurf eines StRÄndG - SS 175, 182 StGB, BTDrucks. 12/4584 S. 1, 3, 4 ff, 7; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BTDrucks. 12/7035 S. 4, 8; Gesetzesbeschluss des BT, BRDrucks. 265/94. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StrRG), BTDrucks. 13/7164 S. 3, 27; BTDrucks. 13/8587 S. 4, 27; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BTDrucks. 13/8991 S. 13; Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BTDrucks. 13/9064 S. 8 f; Gesetzesbeschluss des BT, BRDrucks. 931/97. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BTDrucks. 13/8991 S. 13; Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BTDrucks. 13/9064 S. 8 f; Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu dem Vertrag vom 2 4 . 9 . 1 9 9 6 über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen, BTDrucks. 13/10076 S. 6, 10; Gesetzesbeschluss des BT, BRDrucks. 510/98; Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EU-Bestechungsgesetz), BTDrucks. 13/10424 S. 5 ff; Gesetzesbeschluss des BT, BRDrucks. 559/98. Entwurf eines Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz - TPG), BTDrucks. 13/4355 S. 9, 32; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss), BTDrucks. 13/8017 S. 23; Gesetzesbeschluss des BT, BRDrucks. 635/97.
Übersicht Rdn. I. II. ΠΙ. IV.
Bedeutung Systematik Völkerrechtliche Rechtfertigung . . . . Inlandsbezug als gemeinsame Voraussetzung
1. „Deutscher" und „Deutscher zur Zeit der T a t " 2. Lebensgrundlage, Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland . 3. Täterbegriff 4. Deutsche mit und Deutsche ohne Lebensgrundlage im Inland V. Der Auslandsbegriff 1. Räume unter fremder Gebietshoheit 2. Gebietshoheitsfreie Räume a) Arktis und Antarktis b) Hohe See c) Ausschließliche Wirtschaftszone . d) Festlandsockel e) Weltraum f) Mond g) „Failed States" VI. Voraussetzungen im Einzelnen
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1 7
11 12 17 19 21 34 42 44 45 45 48 55 63 68 71 73 74
Rdn. 1. Vorbereitung eines Angriffskrieges ($80) 2. Hochverrat (§§ 81 bis 83) 3. Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 89, 90, 90a Abs. 1 und 90b) 4. Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 9 4 bis 100a) . 5. Straftaten gegen die Landesverteidigung (§5 109, 109a, 109d bis 109h) 6. Verschleppung und politische Verdächtigung (§§ 2 3 4 a , 241a) 7. Entziehung eines Kindes (§ 2 3 5 Abs. 2 Nr. 2) 8. Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen a) Voraussetzungen b) Völkerrechtliche Rechtfertigung . 9. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 Abs. 1 und 3, 176 bis 176b und 182) 10. Abbruch der Schwangerschaft
(S 218)
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75 79
82 87
94 97 107 115 117 122
125 131
Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
Rdn. 11. Falsche uneidliche Aussage, Meineid und falsche Versicherung an Eides statt (§5 153 bis 156) 12. Straftaten gegen die Umwelt (SS 3 2 4 , 3 2 6 , 3 3 0 und 3 3 0 a ) . . . a) Inhalt und Bedeutung der Vorschrift b) Schutzbereich der Tatbestände des deutschen Umweltstrafrechts . . c) Völkerrechtliche Rechtfertigung . d) Voraussetzungen aa) Begehung in der deutschen „ausschließlichen Wirtschaftszone" bb) Gestattung der Strafverfolgung durch völkerrechtliche Übereinkommen e) Taten von einem Schiff aus in der Nord- oder Ostsee außerhalb der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (Art. 12 AusfGSeeRÜbk.)
138 143 143 148 154 158
162
163
174
13. Verursachung einer Nuklearexplosion (S 328 Abs. 2 Nrn. 3, 4 , Abs. 4, 5 auch in Verbindung mit S 3 3 0 ) . .
180
Rdn. 14. Taten deutscher Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter a) b) c) d)
Völkerrechtliche Rechtfertigung . Voraussetzungen Soldaten Gemeinschaftsbeamte und Amtsträger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union
15. Taten von Ausländern als Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (S 5 Nr. 13) . 16. Taten gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr (S 5 Nr. 14) . . . a) Geschützter Personenkreis . . b) Völkerrechtliche Rechtfertigung c) Voraussetzungen 17. Abgeordnetenbestechung (S 108e) 18. Organhandel (S 18 TPG) VII. Versuch; Täterschaft und Teilnahme . VIII. Geltung für tateinheitlich verwirklichte Straftatbestände IX. Prozessuales
. . . . .
183 185 189 191
192
196
202 203 205 206 208 215 219 222 224
I. Bedeutung § 5 erstreckt die deutsche Strafgewalt auf bestimmte Auslandstaten. D i e Vorschrift durchbricht den in § 3 verankerten Gebietsgrundsatz (Vor § 3 R d n . 2 5 9 f ) und b e w i r k t eine erhebliche Erweiterung des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts.
1
Ebensowenig wie bei § 6 k o m m t es dabei d a r a u f an, o b die Tat nach dem a m T a t o r t geltenden R e c h t strafbar ist. Deutsches Strafrecht gilt also auch d a n n , w e n n die T a t nach dem R e c h t des Tatorts nicht mit Strafe b e d r o h t oder sogar erlaubt ist. Dies ist mit Blick auf die völkerrechtliche Zulässigkeit der Ausdehnung des Geltungsbereichs nicht durchweg unbedenklich ( R d n . 113, sowie Vor § 3 R d n . 2 0 f f ) . M a ß g e b l i c h k a n n das T a t o r t recht allerdings für (außerstrafrechtliche) Inzidenzfragen sein (vgl. Vor § 3 R d n . 3 3 3 ) . 1
2
Im Unterschied zu § 6 , der Taten gegen international geschützte R e c h t s g ü t e r betrifft, steht bei § 5 der Inlandsbezug der Tat ganz im Vordergrund. D e r unmittelbare Bezug der Tat zum Inland ( R d n . 12 ff) ergibt sich dabei teilweise unmittelbar aus dem Straftatbestand, dessen Geltungsbereich auf Auslandstaten erstreckt wird (z.B. N r . 3 Buchst, b des § 5 i.V.m. § 9 0 ) , teilweise wird er in § 5 ausdrücklich vorausgesetzt (z.B. N r n . 8 Buchst, a, 9 ) , näher R d n . 12 ff.
3
Die Vorschrift erfasst Auslandstaten gegen Rechtsgüter, die nach Ansicht des Gesetzgebers besonders schutzbedürftig sind, weil sie entweder spezifisch inländische, durch das ausländische R e c h t in der Regel nicht geschützte B e l a n g e betreffen (z.B. H o c h v e r r a t , Straftaten gegen die Landesverteidigung) oder weil die G e f a h r besteht, dass das deutsche Strafrecht durch Verlegung des Begehungsorts in das Ausland unterlaufen wird (z.B. M i s s b r a u c h von Kindern und Jugendlichen im Z u s a m m e n h a n g mit S e x t o u r i s m u s ,
4
1
Sch/Schröder/Eser Rdn. 24 und Vorbem § § 3 - 7 Rdn. 2 2 , 2 3 .
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525
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§5
Abtreibung, hierzu Rdn. 129, 131); im zweiten Fall setzt das Gesetz eine besondere persönliche Beziehung des Täters oder des Opfers zu Deutschland oder eine sachliche Beziehung voraus, die den Bezug der Tat zum Inland begründet (Rdn. 15 f). Hinzu kommt, dass die bezeichneten Taten typischerweise am ausländischen Tatort nicht strafbar sind oder nicht wirksam verfolgt werden. 5
Daraus ergibt sich, dass die amtliche Überschrift zu § 5 „Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter" teilweise irreführend ist (vgl. auch Zieher S. 140). Maßgeblich ist der Inlandsbezug der Tat (siehe auch Rdn. 12 ff), nicht des Rechtsguts. Denn weder ist der Träger der über § 5 geschützten Rechtsgüter notwendigerweise ein Inländer (vgl. etwa Nrn. 9, 14a) 2 , noch sind die über § 5 geschützten Rechtsgüter selbst durchweg ihrem Inhalt nach spezifisch „deutsch" (vgl. etwa Nrn. 6: Freiheit, 8: sexuelle Selbstbestimmung). Dies lässt sich beispielhaft an § 5 Nr. 9 verdeutlichen. Danach gilt das deutsche Strafrecht unter anderem, wenn ein deutscher Arzt im Ausland an einer Ausländerin eine Abtreibung vornimmt. Das insoweit durch § 218 geschützte Rechtsgut - das ungeborene Leben - lässt sich hierbei ersichtlich nicht dem inländischen Rechtskreis zuordnen, weder weil der Träger des Rechtsguts ein Deutscher ist noch aus einem anderen Gesichtspunkt.
6
„Inländisch" sind die durch die Straftatbestände, deren Geltung § 5 anordnet, geschützten Rechtsgüter allenfalls in dem Sinne, dass der deutsche Gesetzgeber ihre Verletzung oder Gefährdung für strafwürdig und strafbedürftig hält und sie in den Strafrechtsschutz einbezieht. 3 Dies trifft aber nicht nur auf die über § 5 geschützten Rechtsgüter zu, sondern auch auf alle übrigen, den Straftatbeständen des deutschen Strafrechts zugrunde liegenden Rechtsgüter, also auch auf solche, deren Auslandsgeltung sich nicht aus § 5, sondern aus den §§ 4, 6 oder 7 ergibt.
II. Systematik 7
Als Folge zahlreicher Ergänzungen und Änderungen der ursprünglichen Regelung, hat sich die Vorschrift zu einer wenig übersichtlichen Sammelbestimmung entwickelt. Diese erfasst alle Auslandstaten, in denen deutsches Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts gilt und die - nach Ansicht des Gesetzgebers - nicht zugleich international geschützte Rechtsgüter betreffen (sonst § 6); für Auslandstaten in hoheitsfreiem Gebiet siehe ferner § 7.
8
Vielfach erschließt sich die Bedeutung der in § 5 getroffenen Regelungen erst im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des Strafanwendungsrechts. So verfolgt der Gesetzgeber in den Fällen, in denen § 5 der (aktive oder passive) Personalgrundsatz zugrunde liegt (Rdn. 11), vielfach den Zweck, Strafbarkeitslücken zu schließen, die sich daraus ergeben, dass einschlägige Straftaten nach dem Recht des Tatorts nicht strafbar sind und sich die Geltung und Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts insoweit mangels identischer Tatortnorm (§ 7 Rdn. 18 ff) nicht aus § 7 ergibt. Umgekehrt besteht bei Straftaten, die regelmäßig auch in ausländischen Rechtsordnungen mit Strafe bedroht sind, im Hinblick auf § 7 keine Notwendigkeit, sie in den Katalog des § 5 aufzunehmen. Hier übernimmt § 5 eine Ergänzungsfunktion, wenn Straftaten erfasst werden sollen, deren Tatortstrafbarkeit nicht hinreichend gesichert erscheint. Dies gilt etwa bei Num-
2
Zu diesem Differenzierungskriterium Günther-Nicolay S. 119; Lüttger S. 121.
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3
Zu diesem Differenzierungskriterium Sch/ Schröder/Eser Vorbem §§ 3 - 7 Rdn. 14 f.
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Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
mer 8: Erfasst werden nur mittelschwere Sexualdelikte, die ein Deutscher im Ausland begeht (Rdn. 127). Die Geltung des deutschen Strafrechts bei schweren Sexualstraftaten Deutscher im Ausland ergibt sich regelmäßig bereits aus § 7 Abs. 1 Nr. 1; eine Aufnahme dieser Delikte in den Katalog des § 5 war danach entbehrlich. Der Katalog der Nummern 1 bis 15 umfasst Straftatbestände, die dem Schutz inländischer staatlicher oder sonstiger öffentlicher Interessen einerseits oder bestimmter Individualinteressen andererseits dienen (Sch/Schröder/Eser Rdn. 3 ff), namentlich Staatsschutzdelikte (Nrn. 1 bis 5), Wirtschaftsdelikte (Nr. 7), Sexualdelikte (Nr. 8), Rechtspflegedelikte (Nr. 10), Umweltdelikte (Nrn. 11, I I a ) sowie weitere Straftatbestände, die sich keinem der Bereiche zuordnen lassen (Nrn. 6, 6a, 9, 10, 12 bis 15).
9
Zur Erstreckung des Geltungsbereichs bedient sich der Gesetzgeber dabei verschiedener Regelungstechniken. Überwiegend zählt § 5 Straftatbestände (teilweise in Klammerzusätzen) auf, deren Geltung unabhängig vom Recht des Tatorts auch dann angeordnet wird, wenn sie im Ausland verwirklicht werden (Nrn. 1 bis I I a , 14a, 15). Im Gegensatz dazu sind nach den Nummern 12 bis 14 alle Straftatbestände des deutschen Strafrechts anwendbar bei Straftaten, die von oder gegenüber deutschen Amtsträgern im Ausland begangen werden; damit stehen die Nummern 12 bis 14 ihrer Struktur nach näher bei § 7 als bei den übrigen Nummern des § 5. In Nummer 7 kennzeichnet das Gesetz - ähnlich wie in § 6 Nr. 5 (§ 6 Rdn. 69 ff) - die erfassten Straftaten schließlich mit einer neuartigen Wendung („Verletzung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen"), für die es an einer Entsprechung im Straftatenkatalog des StGB fehlt.
10
III. Völkerrechtliche Rechtfertigung Die Vorschrift lässt sich nicht auf ein einziges völkerrechtliches Geltungsprinzip (Vor § 3 Rdn. 216 ff) zurückführen. Sie fasst vielmehr Regelungen zusammen, die jeweils unterschiedliche Geltungsprinzipien verwirklichen. Während die Nummern 1, 2, 3 Buchst, b bis 5 Buchst, a, 10 und 15 auf dem Staatsschutzprinzip (Vor § 3 Rdn. 225 ff) beruhen, verwirklichen die Nummern 6, 7 und 14 das passive Personalitätsprinzip (Vor § 3 Rdn. 228 ff) und die Nummern 8 Buchst, b, 9, I I a , 12 und 13 das aktive Personalitätsprinzip (Vor § 3 Rdn. 232 ff). Die Nummern 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, a und 14a beruhen auf einer Kombination der genannten Prinzipien. Nummer 6a lässt sich dem (völkerrechtlich bedenklichen) passiven Domizilprinzip (Vor § 3 Rdn. 254) zuordnen (Rdn. 112f), während Nummer 11 auf einem völkerrechtlichem Jurisdiktionstitel sui generis beruht (näher Rdn. 157).
11
IV. Inlandsbezug als gemeinsame Voraussetzung Gemeinsames Kennzeichen der von § 5 erfassten Auslandstaten ist der Bezug der Tat zum Inland.
12
In einigen Fällen ergibt sich dieser Inlandsbezug unmittelbar aus dem Straftatbestand, dessen Auslandsgeltung § 5 anordnet. Dies betrifft namentlich die Katalogtaten, die sich ausschließlich oder jedenfalls auch gegen staatliche oder sonstige öffentliche Interessen richten und deren extraterritoriale Geltung sich mit dem Staatsschutzprinzip rechtfertigen lässt (Nrn. 1, 2, 3 Buchst, b bis 5 Buchst, a, 10 bis 11 und 14).
13
In den übrigen Fällen, in denen der Tatbestand der Katalogtaten selbst „neutral" ist und keinen unmittelbaren Bezug zum Inland aufweist, werden Auslandstaten nur erfasst,
14
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§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
wenn ein in § 5 im Einzelnen näher konkretisierter Berührungspunkt (der Tat, des Täters, des Opfers) zum Inland vorliegt. Die Geltung für Auslandstaten nach § 5 ist insoweit von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig, die zu den Merkmalen des Straftatbestandes hinzutreten müssen. 15
Dies betrifft zum einen die Fälle, in denen die Vorschrift einen geografischen oder sachlichen Bezug der Tat zum Inland voraussetzt. Dies gilt für die Nummern 7 (Betrieb oder Unternehmen mit Sitz im räumlichen Geltungsbereich), 10 (Verfahren, das im räumlichen Geltungsbereich anhängig ist) und 11 (Begehungsort im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone).
16
Z u m anderen betrifft dies diejenigen Fälle, in denen das Bestehen eines besonderen personalen Bezuges (des Täters oder des Opfers) zum Inland Voraussetzung der Geltung des deutschen Strafrechts ist (Nrn. 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 6 , 6a, 8, 9, I I a bis 15). Dies gilt insbesondere für die Katalogtaten, die sich gegen Individualrechtsgüter richten und deren extraterritoriale Geltung sich mit dem aktiven oder passiven Personalitätsprinzip (Vor § 3 Rdn. 2 2 8 , 2 3 2 ) rechtfertigen lässt. Dabei wird teilweise an das formale Kriterium der Staatsangehörigkeit angeknüpft (Nrn. 8 Buchst, a und b, 9, I I a , 12, 14a, 15: „Deutscher"); teilweise wird zusätzlich oder alternativ eine tatsächliche lebensmäßige Verbundenheit des Täters und/oder des Opfers einer Katalogtat zu Deutschland („Inland"; „räumlicher Geltungsbereich" des StGB, § 3 Rdn. 2 4 ff) verlangt (Nrn. 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, a, 9: „Lebensgrundlage"; Nrn. 6 , 6a: „Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt"). Die Nummern 13 und 14 verlangen einen besonderen Inlandsbezug in der Person des Täters oder Opfers: Der ausländische Täter (Nr. 13) oder das (u.U. ausländische) Opfer (Nr. 14) müssen nach deutschem Recht in ein Amts- oder sonstiges öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis bestellt worden sein.
17
1. „Deutscher" und „Deutscher zur Zeit der T a t " . Verschiedene Nummern des § 5 verlangen, dass entweder der Täter oder das Opfer der Tat Deutscher ist oder dass beide Deutsche sind (zum Begriff des Deutschen Vor § 3 Rdn. 3 2 6 ; § 7 Rdn. 5 5 f f ) . Dabei erfassen die Nummern 8 Buchst, a, 9, I I a , 14a, 15 ausdrücklich den Fall, dass der Täter „zur Zeit der T a t " Deutscher ist, während in den Nummern 3 Buchst, a, 5 Buchst, b und 8 Buchst, b lediglich vorausgesetzt wird, dass der Täter Deutscher ist, ohne dass der Zeitpunkt angesprochen wird. Dieser sprachliche Unterschied könnte Anlass geben, die Geltung des deutschen Strafrechts in den Fällen der Nrn. 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, b entsprechend § 7 Abs. 2 Nr. 1 zweite Alternative auch zu bejahen, wenn der Täter die deutsche Staatsangehörigkeit erst nach der Tat erworben hat. Entscheidend wäre dann allein der Zeitpunkt der Verfolgung.
18
Richtigerweise ist allerdings davon auszugehen, dass der Täter auch in den Fällen der Nummern 3 Buchst, a, 5 Buchst, b und 8 Buchst, b bereits zum Zeitpunkt der Tat ( § 8 ) Deutscher sein muss. Allgemeinen Grundsätzen entsprechend müssen die Voraussetzungen der Strafbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, zum Zeitpunkt der Tat vorliegen. Insoweit gilt für das Merkmal „Deutscher" nichts anderes als etwa für die Amtsträgereigenschaft in Nummer 12; auch diese muss zum Zeitpunkt der Tat gegeben sein. Entsprechendes gilt für die Nummern 6, 8 Buchst, a, 14a, in denen zur Voraussetzung der Strafrechtsgeltung gemacht wird, dass die Tat gegenüber einem Deutschen begangen wird. Maßgeblich ist auch hier allein, ob das Opfer zur Zeit der Tat die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder nicht.
19
2 . Lebensgrundlage, Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland. Lebensgrundlage (Nrn. 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, a, 9) bezeichnet die Summe derjenigen Beziehungen, die den persönlichen und wirtschaftlichen Schwerpunkt im Verhältnis des
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Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
Menschen zu seiner Umwelt ausmachen (BTDrucks. V / 2 8 6 0 S. 2 3 f). Vorübergehende und unter Umständen auch längere Auslandsaufenthalte (Diplomaten, Soldaten, Geschäftsreisende 4 ) stehen der Annahme einer Lebensgrundlage im Inland grundsätzlich nicht entgegen ( B G H S t 10 4 6 ) ; umgekehrt vermag ein vorübergehender längerer Aufenthalt in Deutschland allein noch keine Lebensgrundlage im Inland zu begründen (BTDrucks. V / 2 8 6 0 S. 2 4 ) . Die Lebensgrundlage liegt regelmäßig dann im Inland, wenn der Täter seinen ausschließlichen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Deutschland genommen hat. 5 Bei Doppelwohnsitz kommt es auf den familiären, persönlichen und wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt an. 6 O b die Lebensgrundlage im In- oder Ausland liegt, ist objektiv festzustellen. Darauf, ob der Täter möglicherweise seinen familiären, beruflichen oder wirtschaftlichen Mittelpunkt gerade deshalb ins Ausland verlegt hat, um deutsche Strafnormen zu umgehen, kommt es daher nicht an (siehe aber Rdn. 129, 131). 7 Wohnsitz (Nrn. 6 , 6a) ist der Ort, an dem eine Person ordnungsrechtlich gemeldet ist, also auch der Zweitwohnsitz. 8 Gewöhnlicher Aufenthalt (Nrn. 6 , 6a) ist der Ort, an dem eine Person zur Tatzeit eine Wohnung oder Unterkunft nicht nur vorübergehend tatsächlich benutzt. 9 Dabei kommt es ebenso wenig wie beim Wohnsitz darauf an, ob sich dort der familiäre, berufliche und wirtschaftliche Lebensmittelpunkt des Täters befindet. 1 0
20
3 . Täterbegriff. Grundsätzlich gilt das deutsche Strafrecht gem. § 5 auch für die Teilnähme an einer fremden Tat und den Versuch der Beteiligung; auch die Anstiftung ( § 2 6 ) oder die Beihilfe (§ 27) zu einer Katalogtat des § 5 ist eine „Tat", die „im Ausland begangen" werden kann (Vor § 3 Rdn. 3 2 0 ) . 1 1
21
Nun setzen freilich die Nummern 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, a und b, 9, I I a , 14a und 15 ausdrücklich voraus, dass der „Täter" Deutscher ist, sowie die Nummern 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, a und 9 zusätzlich, dass der „Täter" seine Lebensgrundlage in Deutschland hat. Damit stellt sich die Frage, o b und inwieweit in diesen Fällen auch deutsche Teilnehmer vom Geltungsanspruch des deutschen Strafrechts erfasst sind.
22
Da der Begriff „Täter" im Zusammenhang des materiellen Strafrechts verwendet wird, liegt es zunächst nahe, auf den Sprachgebrauch des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches zurückzugreifen. Danach ist zwischen Tätern (§ 2 5 ) und Teilnehmern, also Anstiftern (§ 2 6 ) und Gehilfen (§ 2 7 ) , zu unterscheiden. Daraus wird teilweise der Schluss gezogen, das deutsche Strafrecht erfasse in den Fällen der Nummern 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, a und b, 9, I I a , 14a und 15 nur Taten, an denen ein Deutscher als Täter im Sinne des § 2 5 beteiligt ist; dass ein Deutscher zu einer Katalogtat anstiftet oder zu ihr Beihilfe leistet, soll danach nicht genügen. 1 2
23
Zu bedenken ist aber, dass der Begriff des Täters im Zusammenhang mit § 5 eine andere Funktion hat als bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. In den § § 3 ff geht es zunächst darum, einen Bezug der Tat zum Inland und zur inländischen Rechtsordnung herzustellen; nur aus diesem Grund interessiert, ob derjenige, der die Tat begangen hat, Deutscher ist oder nicht. Unter dem Gesichtspunkt des aktiven Personalitätsprinzips erlaubt das Völkerrecht die Ausübung von Strafgewalt über Auslandstaten
24
4 5
6 7
8
Krauth/Kurfess/Wulf J Z 1968 582. Ambos MK Rdn. 16; Sch/Schröder/Eser Rdn. 9. Tröndle/Fiscber Rdn. 3. So auch A. Schmitz S. 182; aA Hoyer SK Rdn. 9. Hoyer SK Rdn. 16; Lackner/Kühl Rdn. 2.
9 10
11
12
Hoyer SK Rdn. 16; Lackner/Kühl Rdn. 2. Sch/Schröder/Eser Rdn. 12; aA Lemke NK Rdn. 11. Ambos MK Rdn. 6; Hoyer SK Rdn. 4; Seh/ Schröder/Eser Rdn. 24. So Satzger § 5 Rdn. 66; Sch/Schröder/Eser Rdn. 16.
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§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
von Inländern (Vor § 3 Rdn. 2 3 2 ff). Die Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme im Sinne der §§ 2 5 ff ist dem Völkerrecht dabei fremd (vgl. auch Ambos M K Rdn. 6). 25
Es ist ferner zu berücksichtigen, dass die Bestimmungen des Strafanwendungsrechts auch prozessuale Weichenstellungen bewirken. Denn die Geltung des deutschen Strafrechts für Auslandstaten, die durch die §§ 4 ff begründet wird, ist (auch) eine Prozessvoraussetzung, die in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Vor § 3 Rdn. 10). Die sachlichrechtliche Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme kann aber von Einzelheiten des Sachverhalts abhängen, die sich bei Beteiligung mehrerer am Tatgeschehen oft erst auf Grund des Ergebnisses der Hauptverhandlung feststellen lassen. Es wäre daher wenig sachgerecht, das Vorliegen der Prozessvoraussetzung von dieser Unterscheidung abhängig zu machen.
26
Nach allem ist ein spezifisch strafanwendungsrechtlich-prozessuales Verständnis des Merkmals „Täter" in dem Sinne geboten, dass die Nummern 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, a und b, 9, I I a , 14a und 15 grundsätzlich alle Deutschen bzw. Deutschen mit Lebensgrundlage im Inland erfassen, gegen die sich das Verfahren wegen einer bezeichneten Tat richtet; ob diese der Täterschaft oder nur der Teilnahme im Sinne der §§ 2 5 ff verdächtig sind, ist unerheblich. 1 3
27
Dieses Ergebnis lässt sich auch mit dem Wortsinn vereinbaren. 1 4 Begriff „Täter" im Sinne des Sprachgebrauchs des Allgemeinen Teils buchs, namentlich also des § 25, verstanden werden (siehe Rdn. 23); Wortsinne nach, ebenso möglich, unter „Täter" jeden Tatbeteiligten zu den sich das Strafverfahren richtet.
28
Auf Grundlage dieses strafanwendungsrechtlich-prozessualen Täterbegriffs und unter Beachtung der Einschränkungen, die sich allgemein aus der Akzessorietät der Teilnahme zur Haupttat ergeben (§ 9 Rdn. 4 7 ff), ist bei den Nummern 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, a und b, 9, I I a , 14 und 15 wie folgt zu unterscheiden:
29
Ist (zumindest auch) ein Deutscher an der Haupttat als (Mit-) Täter im Sinne des § 2 5 beteiligt, gilt auch für einen deutschen Teilnehmer (Anstifter, Gehilfe) an dieser Auslandstat das deutsche Strafrecht. 1 5
30
Entsprechend macht sich ein Deutscher, der einen anderen Deutschen im Ausland zum Organhandel (§ 5 Nr. 15) anstiftet, nach deutschem Recht strafbar (§ 18 TPG, § 26). Nach § 5 Nr. 9 ist der deutsche Teilnehmer (mit inländischer Lebensgrundlage) an einem Schwangerschaftsabbruch strafrechtlich verantwortlich, der an einer deutschen Schwangeren (mit Lebensgrundlage im Inland) im Ausland vorgenommenen wird; nicht aber der deutsche Arzt (als Mittäter), der den Schwangerschaftsabbruch vornimmt, aber keine Lebensgrundlage in Deutschland hat, sondern dauerhaft am ausländischen Tatort lebt; siehe hierzu auch Rdn. 134 f.
31
Ist dagegen kein Deutscher als Täter (§ 2 5 ) an der Auslandstat beteiligt, sind alle (Mit-) Täter also Ausländer, fehlt es grundsätzlich an einer beteiligungsfähigen, d.h. nach deutschem Recht tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Haupttat. Deutsches Strafrecht gilt in diesem Fall weder für die Haupttat noch für etwaige Teilnahmehandlun-
13
14 15
Wie hier Ambos MK Rdn. 6; ders. § 1 Rdn. 26. AA Satzger § 5 Rdn. 66. Ambos MK Rdn. 6; Lemke NK Rdn. 19 für
530
Zwar kann der des Strafgesetzes ist aber, dem verstehen, gegen
§ 5 Nr. 9; Sch/Schröder/Eser Rdn. 17 für § 5 Nr. 9; aA Satzger § 5 Rdn. 66; unklar Tröndle/Fischer Rdn. 8 („nicht nur ein Teilnehmer").
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
gen eines Deutschen (oder eines Ausländers; siehe aber R d n . 3 2 ) . 1 6 Eine deutsche K r a n kenschwester, die zum S c h w a n g e r s c h a f t s a b b r u c h eines ausländischen Arztes an einer ausländischen Schwangeren im Ausland Beihilfe leistet, m a c h t sich d a n a c h nicht nach §§ 2 1 8 , 27, 5 Nr. 9 strafbar. D i e Straflosigkeit der Teilnahme ergibt sich insoweit u n a b hängig von der Auslegung des § 5 unmittelbar aus dem Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme. Z u beachten ist, dass sich für den (deutschen oder ausländischen) Teilnehmer an einer Auslandstat, der im Inland handelt, die Geltung des deutschen Strafrechts bereits aus § § 3 , 9 A b s . 2 ergibt, o h n e dass es eines Rückgriffs auf § 5 bedürfte. W e r im Inland zu einer Auslandstat anstiftet oder zu ihr Beihilfe leistet, unterliegt dem deutschen Strafrecht, weil er eine Tat im Inland begeht; gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 ist dabei die Akzessorietät von Teilnahme und H a u p t t a t d u r c h b r o c h e n (§ 9 R d n . 4 7 f f ) . Bezogen auf die Fälle der N u m m e r n 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, a und b, 9, I I a , 14a und 15 bedeutet dies, dass für die Anstiftung oder Beihilfe zu einer im Ausland begangenen K a t a l o g t a t eines Ausländers dann deutsches Strafrecht gilt, wenn der Anstifter oder Gehilfe im Inland handelt. D a n a c h m a c h t sich ein Deutscher, der von D e u t s c h l a n d aus einen Ausländer zum O r g a n h a n d e l im Ausland anstiftet, nach § 18 T P G , § § 3, 9 A b s . 2 , 2 6 strafbar; der angestiftete Ausländer bleibt dagegen nach deutschem R e c h t straflos (arg. e § 5 Nr. 15), es sei denn die Voraussetzungen des § 7 liegen vor.
32
Ein ausländischer T e i l n e h m e r m a c h t sich in den Fällen der N u m m e r n 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, a und b, 9, I I a , 14a und 15 demgegenüber selbst dann nicht nach deutschem R e c h t strafbar, wenn T ä t e r ( § 2 5 ) der H a u p t t a t ein D e u t s c h e r ist. So bleibt ein Ausländer, der einen Deutschen im Ausland zum O r g a n h a n d e l anstiftet, nach deutschem R e c h t straflos. Begründen lässt sich dies damit, dass eine völkerrechtlich tragfähige Grundlage in den Fällen, in denen die Ausübung der Strafgewalt a u f Grundlage des aktiven Personalitätsprinzips (Vor § 3 R d n . 2 3 2 f f ) erfolgt, eben nur besteht, soweit Inländer für die Auslandstat strafrechtlich verantwortlich sind. R a u m für eine Erfassung auch ausländischer Teilnehmer bleibt allerdings dort, w o die Geltungsbereichsnorm (zusätzlich) auf andere Geltungsprinzipien zurückgreift, etwa das Staatsschutzprinzip ( N r n . 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, I I a , 1 4 a ) oder das passive Personalitätsprinzip (Nr. 8 Buchst, a). Hier spricht einiges dafür, a u c h ausländische Teilnehmer in den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts dann einzubeziehen, wenn ein Deutscher als T ä t e r (§ 2 5 ) an der Auslandstat beteiligt ist, eine beteiligungsfähige H a u p t t a t also vorliegt.
33
4 . Deutsche mit und D e u t s c h e o h n e Lebensgrundlage im Inland. N a c h den N u m mern 3 Buchst, a, 5 Buchst, b, 8 Buchst, a und 9 ist die Geltung des deutschen Strafrechts nicht nur davon abhängig, dass der T ä t e r Deutscher ist, sondern zusätzlich davon, dass er seine Lebensgrundlage ( R d n . 19) in Deutschland hat. A u ß e r h a l b des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts liegen in diesen Fällen nicht nur einschlägige Auslandstaten von Ausländern (mit oder o h n e Lebensgrundlage im Inland), sondern auch Auslandstaten von Deutschen mit Lebensgrundlage im Ausland.
34
D e r diesen Bestimmungen zugrunde liegende aktive Personalitätsgrundsatz wird also durch den aktiven Domizilgrundsatz eingeschränkt. Die K u m u l a t i o n von aktivem Personalitätsprinzip und aktivem Domizilprinzip ist aus völkerrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (Vor § 3 R d n . 2 7 ) , aber kriminalpolitisch motivierter K r i t i k 1 7 ausgesetzt. Gegen-
35
16
Lackner/Kühl Rdn. 3 für § 5 Nr. 9; Sehl Schröder/Eser Rdn. 16 f, 24; Tröndle/ Fischer Rdn. 9.
17
Vgl. Ambos MK Rdn. 17 ff; Lemke NK Rdn. 8; Oehler Rdn. 699 f; Zieher S. 134 ff.
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§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
stand dieser Kritik ist die „Privilegierung" von Deutschen mit Lebensgrundlage im Ausland einerseits und von Ausländern mit Lebensgrundlage im Inland andererseits, die mit Blick a u f einschlägige Auslandstaten jeweils nicht in den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts einbezogen sind. 36
Die differenzierte Behandlung der genannten Fallgruppen durch den Gesetzgeber lässt sich freilich durchaus begründen. Dabei ist zwischen den einzelnen Geltungsbereichsnormen wie folgt zu unterscheiden:
37
Soweit die Geltung des deutschen Strafrechts nach § 5 Nrn. 3 Buchst, a und 5 Buchst, b voraussetzt, dass der T ä t e r seine Lebensgrundlage in Deutschland hat, trägt die E r w ä gung, w o n a c h das Zusatzerfordernis der inländischen Lebensgrundlage darauf beruht, dass die den Straftatbeständen zugrunde liegende Pflicht zur Solidarität und zur Achtung deutscher staatlicher Belange nur solchen Deutschen auferlegt werden k ö n n e , die eine über die b l o ß e Staatsangehörigkeit hinausgehende, besondere Bindung an Deutschland besitzen. 1 8 Eine solche Bindung fehlt bei D e u t s c h e n , die sich dauerhaft von Deutschland gelöst h a b e n ; sie besteht dagegen bei stabiler Einbindung in die deutsche Gesellschaft.
38
Diese Begründung findet eine Stütze in der Entstehungsgeschichte der betreffenden Geltungsbereichsnormen: D a s M e r k m a l „Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes" geht auf den früheren § 91 Nr. 3 i.d.F. des 8. S t R Ä n d G v o m 2 5 . 6 . 1 9 6 8 ( B G B l . I S. 7 4 1 ) zurück. M i t ihm sollte - in Anlehnung an eine Tatbestandsb e s c h r ä n k u n g , die § lOOd Abs. 2 a.F. durch den B G H ( B G H S t 1 0 4 6 , 5 0 f ) erfahren hatte - sichergestellt werden, dass nur solche Deutsche N o r m a d r e s s a t e n sind, die der in den betroffenen Tatbeständen vorausgesetzten Treue- und Achtungspflicht unterliegen. 1 9 Vor dem Beitritt der D D R zur Bundesrepublik sollten insbesondere Bürger der D D R , die ursprünglich als Deutsche im Sinne der §§ 3 ff angesehen w o r d e n waren (§ 3 R d n . 18; § 7 R d n . 6 1 ) , v o m Anwendungsbereich der Vorschrift a u s g e n o m m e n sein.
39
A u f Grundlage dieser Argumentation spräche allerdings Einiges dafür, den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts de lege ferenda auch auf einschlägige Auslandstaten von Ausländern mit Lebensgrundlage im Inland zu erstrecken. G a n z in diesem Sinne n a h m der B G H ( B G H S t 1 0 4 6 , 5 0 ) eine entsprechende „Treupflicht" nämlich allgemein bei Personen a n , die dauerhaft in Deutschland leben - also insoweit auch bei ausländischen Staatsangehörigen - oder die zum deutschen Staat - wie B e a m t e - in einem besonderen Schutz- und Treuverhältnis stehen.
40
Zieher (S. 115 f ) begründet die A u s k l a m m e r u n g von Deutschen mit Lebensgrundlage im Ausland aus dem Anwendungsbereich von § 5 N r n . 3 Buchst, a und 5 Buchst, b nicht mit der besonderen Solidaritäts- und Achtungspflicht des Inländers, der auch lebensm ä ß i g mit seinem H e i m a t s t a a t verbunden ist, sondern mit seiner gegenüber dem dauerhaft im Ausland lebenden Inländer gesteigerten Informations- und Einsichtsfähigkeit. 2 0 Diese Ansicht überzeugt indes nicht: Denn es ist nicht plausibel, wieso ein Deutscher mit Lebensmittelpunkt im Ausland zwar erkennen k ö n n e n soll, dass der Handel mit O r g a n e n (§ 5 Nr. 15) oder die Bestechung eines Abgeordneten des Europäischen Parlaments (§ 5 Nr. 14a) nach deutschem R e c h t überhaupt s t r a f b a r ist und dies a u c h , wenn die T a t im Ausland begangen wird, nicht aber, dass dasselbe für die Verunglimpfung eines deut-
18
Jescheck/Weigend $ 18 III 3; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 9, 11, 14, 17, der allerdings diesen Gedanken mit Blick auf § 5 Nrn. 8 Buchst a und 9 heranziehen will; vgl. auch BGHSt 10 46, 50; aA Hoyer SK Rdn. 8.
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Krauth/Kurfess/Wulf J Z 1968 582; Sch/ Schröder/Eser Rdn. 9. Vgl. auch Tröndle/Fischer Rdn. 3.
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Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
sehen Verfassungsorgans (§ 5 Nr. 3 Buchst, a) gilt. 2 1 Schließlich vermag diese Ansicht nicht hinreichend zu erklären, warum das Gesetz zwar von einem Ausländer, der sich möglicherweise nur vorübergehend im Inland aufhält und dort eine Straftat begeht, nicht aber von einem im Inland sozialisierten Deutschen, der seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt hat und dort gegen die N o r m des deutschen Strafrechts verstößt, normgerechtes Verhalten verlangt. Soweit die Geltung des deutschen Strafrechts nach § 5 Nummern 8 Buchst, a und 9 voraussetzt, dass der Täter seine Lebensgrundlage in Deutschland hat, lässt sich die differenzierte Behandlung von Deutschen mit und Deutschen ohne Lebensgrundlage im Inland mit dem Gesetzeszweck begründen; dieser liegt darin, zu verhindern, dass der Täter sich gerade deshalb in das Ausland begibt, um dort die Tat straflos begehen zu können, also ein zwischen dem In- und Ausland bestehendes Strafrechtsgefälle ausnutzt. 2 2 Bestimmend für die Ausdehnung des Geltungsbereichs ist insoweit der Umgehungsgedanke.
41
V. Der Auslandsbegriff Im Ausland begangen ist die Tat nach allgemeiner Ansicht, wenn der Begehungsort nicht im Inland (§ 3 Rdn. 2 4 ff) liegt; 2 3 das Gesetz ordnet dabei auch gebietshoheitsfreie Räume als Ausland ein (vgl. § 7 Abs. 1 und 2 jeweils zweite Alternative, Rdn. 4 3 ; § 7 Rdn. 51 ff). Maßgeblich für die Bestimmung des Begehungsorts ist § 9 .
42
Im Hinblick auf den allgemeinen Sprachgebrauch naheliegend wäre es, unter „Ausland" nur solche Räume zu verstehen, die ausgeübtem fremdem Hoheitsrecht unterworfen sind. Wenn zum Beispiel ein Astronaut auf dem M o n d tödlich verunglückte, würde es natürlichem Sprachempfinden zuwiderlaufen zu sagen, er sei im Ausland verstorben. Dies hätte indes zur Folge, dass es neben Inland und Ausland mit den gebietshoheitsfreien Räumen eine dritte Kategorie von Räumen als Tatort gäbe, für welche die Regeln über Auslandstaten jedenfalls nicht ohne weiteres gelten würden. Der deutsche Gesetzgeber hat sich jedoch gegen diese Möglichkeit entschieden. Aus § 7 Abs. 1 und 2 ergibt sich nämlich, dass der Gesetzgeber auch gebietshoheitsfreie Räume als Ausland bezeichnet. Denn die Geltung des deutschen Strafrechts für „Taten, die im Ausland begangen werden", wird auch für Fälle angeordnet, bei denen der Tatort „keiner Strafgewalt unterliegt". Damit sind ersichtlich Tatorte in gebietshoheitsfreien Räumen gemeint. Deren Gleichstellung in § 7 mit fremden Hoheitsgebieten hat den Vorteil, dass sie die Geltung des deutschen Strafrechts von der Klärung unter Umständen schwieriger Vorfragen unabhängig macht, so wenn der Tatort in einem Bereich liegt, dessen staats- und völkerrechtlicher Status umstritten ist.
43
1. Räume unter fremder Gebietshoheit. Sie sind Ausland. Das gilt für fremde Staatsgebiete, also das Landgebiet einschließlich der Binnen- und Eigengewässer, des Küstenmeeres und des darüber befindlichen Luftraums (vgl. im Einzelnen § 3 Rdn. 2 4 f f ) . Fremde Schiffe (S 4 Rdn. 3 0 ff), Flugzeuge (§ 4 Rdn. 5 0 ff) und Weltraumflugkörper (§ 4
44
21
Krit. auch Ambos
22
So vor allem Hoyer SK Rdn. 9, der allerdings den Umgehungsgedanken auch bei § 5 Nrn. 3 Buchst, a und 5 Buchst, b verwirklicht sieht; vgl. auch Ambos M K Rdn. 2 7 ; Lemke N K Rdn. 16.
M K Rdn. 17.
23
Ambos M K Rdn. 8; Lackner/Kühl Vor § § 3 - 7 Rdn. 6; Lemke N K Vor § § 3 - 7 Rdn. 5 8 ; Sch/Schröder/Eser Vorbem §§ 3 - 7 Rdn. 3 3 ; Tröndle/Fiscber Vor §§ 3 - 7 Rdn. 2 0 .
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§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Rdn. 16 ff) sind, auch wenn sie völkerrechtliche Immunität genießen, weil sie Staatsfahrzeuge sind, im deutschen Hoheitsgebiet nicht gleichsam verselbständigte Teile des Auslands (§ 4 Rdn. 12 ff). 2. Gebietshoheitsfreie Räume 45
a) Arktis und Antarktis. Auch sie sind strafrechtlich Ausland.
46
Für die Arktis gibt es keine besondere völkerrechtliche Regelung. Es ist davon auszugehen, dass für das Nordpolarmeer und dessen Eisdecke allgemeines Seevölkerrecht gilt. Es sind grundsätzlich die jeweils einschlägigen Regeln über das Küstenmeer (§ 3 Rdn. 41 ff) und die hohe See (Rdn. 48 ff) anzuwenden. 24 Zur Frage, welchen Staaten die Gebietshoheit an den arktischen Landgebieten (Randstreifen und Inseln) zusteht, siehe Dahm/Delbrück/Wolfrum Bd. 1/2 § 142; Epping/Gloria in Ipsen § 23 Rdn. 33.
47
Die Frage der Gebietshoheit über antarktischem Gebiet ist völkerrechtlich ungeklärt. Ansprüche über sich teilweise überschneidende Teile der Antarktis werden unter anderem von Argentinien, Australien, Chile, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland und Norwegen geltend gemacht. 25 Der Antarktis-Vertrag vom 1.12.1959 (G vom 22.12.1978, BGBl. II S. 1517; Bek. vom 2.5.1979, BGBl. II S. 420) schreibt die Souveränitätsansprüche der genannten, sowie weiterer fünf Staaten (Belgien, Japan, der Russischen Föderation, Südafrika, USA) fest und schließt die Erhebung neuer Ansprüche aus (Art. IV); vgl. im Einzelnen Epping/Gloria in Ipsen § 23 Rdn. 36.
48
b) Hohe See. Sie beginnt an der äußersten seewärtigen Grenze des Küstenmeeres (§ 3 Rdn. 41 ff) und ist für das deutsche Strafrecht ebenso wie der darüber liegende (internationale) Luftraum Ausland. Die Regeln des Völkerrechts über die hohe See sind im wesentlichen im Genfer Übereinkommen über die Hohe See von 1958 (Vor § 3 Rdn. 94) und im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (Vor § 3 Rdn. 94) niedergelegt.
49
Hohe See sind danach alle Teile des Meeres, die nicht zum Küstenmeer oder zu den inneren Gewässern eines Staates (§ 3 Rdn. 32) gehören (Art. 1 HoSeeÜbk.; Art. 8b Abs. 1 Satz 1 SeeRÜbk.). Der hohen See zuzurechnen ist auch, allerdings unter besonderer Bezeichnung, das „Gebiet", d.h. der Meeresboden und der Meeresuntergrund jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse (Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 SeeRÜbk., vgl. auch Art. 137, 141 SeeRÜbk.).
50
Die ausschließlichen Wirtschaftszonen (Rdn. 55 ff) hat das Seerechtsübereinkommen aus dem Begriff der hohen See ausgegliedert und einer besonderen Rechtsordnung unterstellt (Art. 55, 86 SeeRÜbk.; Herdegen § 31 Rdn. 7).
51
Die hohe See steht allen Staaten offen (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 HoSeeÜbk.). Kein Staat darf den Anspruch erheben, irgendeinen Teil der hohen See seiner Souveränität zu unterstellen (Art. 89 SeeRÜbk., Art. 2 Abs. 1 Satz 1 HoSeeÜbk.). Die Freiheit der hohen See umfasst die Freiheiten der Schifffahrt, des Überflugs, der Fischerei und der Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen (Art. 87 Abs. 1 Satz 3 SeeRÜbk., Art. 2 Abs. 1 Satz 3 HoSeeÜbk.). Der nutzungsrechtliche Aspekt der Freiheit der hohen See wird allerdings durch die Einrichtung ausschließlicher Wirtschaftszonen eingeschränkt (näher Rdn. 55 ff).
52
Da nach anerkannten Regeln des Völkerrechts die hohe See der Souveränität der Staaten entzogen ist, unterliegt sie auch keiner Strafgewalt. Wenn Tatort einer strafbaren 24
Berg in Seidl-Hohenveldern S. 236.
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25
Epping/Gloria in Ipsen § 23 Rdn. 34 ff.
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Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
Handlung ausschließlich die hohe See ist, kann also kein Staat die Aburteilung des Täters mit der Begründung beanspruchen, der Tatort unterliege seiner Strafgewalt. Gleichwohl ist eine Straftat in einem solchen Fall nicht jeglicher Strafgewalt entzogen. Strafverfolgung ist möglich, wenn sie nach dem Recht des Staates, der den Täter verantwortlich machen will, auf ein anderes völkerrechtliches Geltungsprinzip als das Territorialitätsprinzip gestützt werden kann (Vor § 3 Rdn. 216 ff). 2 6 Die Strafgewalt wird sich in diesen Fällen häufig mit dem Flaggenprinzip, mitunter auch mit dem aktiven oder passiven Personalitätsprinzip begründen lassen (Vor § 3 Rdn. 224, 228, 232). Teil der hohen See und damit gebietshoheitsfreie Räume sind auch die sich an die Küstengewässer anschließenden Anschlusszonen (Verdross/Simma § 1087). Sie sind Ausland ungeachtet des Umstandes, dass das Völkerrecht dem Küstenstaat dort besondere Kontrollrechte gewährt. Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes:
53
In einer an sein Küstenmeer (§ 3 Rdn. 41 ff) seewärts angrenzenden Zone, die als Anschlusszone (contiguous zone) bezeichnet wird, hat der Küstenstaat zwar keine Souveränität, er hat aber bestimmte (polizeiliche) Kontrollrechte, um Verstöße gegen seine Zoll- und sonstigen Finanzgesetze, Einreise- oder Gesundheitsgesetze und gegen seine sonstigen Vorschriften in seinem Hoheitsgebiet oder in seinem Küstenmeer zu verhindern, ferner um solche Verstöße zu ahnden, wenn sie in seinem Hoheitsgebiet oder in seinem Küstenmeer begangen worden sind (Art. 33 Abs. 1 SeeRÜbk., Art. 24 Abs. 1 und 2 KüMÜbk., vgl. auch Herdegen § 31 Rdn. 6). Die von Ausländern in der Anschlusszone verübten Verstöße gegen die bezeichneten Vorschriften darf der Küstenstaat dagegen grundsätzlich nicht bestrafen (Oehler Rdn. 416). Die Anschlusszone darf sich nicht weiter als 24 Seemeilen über die Basislinie hinaus erstrecken, von der aus die Breite des Küstenmeeres gemessen wird (Art. 33 Abs. 2 SeeRÜbk.).
54
c) Ausschließliche Wirtschaftszone. Diese ist ein seewärts jenseits des Küstenmeeres (§ 3 Rdn. 41 ff) gelegener und an dieses angrenzender Raum, der einer besonderen Rechtsordnung unterliegt (Art. 55 SeeRÜbk.). 27 Eine solche Zone darf sich nicht weiter als 200 Seemeilen von der Basislinie erstrecken, von der aus die Breite des Küstenmeeres gemessen wird (Art. 5 7 SeeRÜbk.). Das Küstenmeer gehört - anders als die Anschlusszone - nicht zur ausschließlichen Wirtschaftszone. Küstenmeer, Anschlusszone und ausschließliche Wirtschaftszone dürfen zusammengenommen nicht mehr als 200 Seemeilen breit sein; eingehend zur Rechtsordnung der Wirtschaftszone Gündling S. 114 ff.
55
Das Seerechtsübereinkommen (Vor § 3 Rdn. 94) hat die ausschließliche Wirtschaftszone aus dem Begriff „hohe See" ausgegliedert (Art. 86 SeeRÜbk.), um sie einer besonderen Rechtsordnung zu unterstellen (Art. 55 ff SeeRÜbk.). Sie wird insofern im Schriftt u m 2 8 nach ihrer Rechtsnatur völkerrechtlich zutreffend als „Zone sui generis" bezeichnet, die - mit gewissen praktischen Konsequenzen - weder zur hohen See noch zum Küstenmeer gehört. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Bestimmungen über die hohe See subsidiär auch in der ausschließlichen Wirtschaftszone anzuwenden sind (Art. 58 Abs. 2 SeeRÜbk.).
56
Das durch das Seerechtsübereinkommen neu geschaffene Rechtsinstitut der ausschließlichen Wirtschaftszone gibt dem Küstenstaat unter anderem souveräne Rechte zur Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbo-
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26 27
Oehler Rdn. 422. Näher Churchill/Lowe The Law of the Sea, 3. Aufl. (1999) S. 160 f.
28
Vgl. nur Churchill/Lowe The Law of the Sea, 3. Aufl. (1999) S. 165; Dahm/Delbrück/ Wolfrum Bd. 1/2 § 116 II. 2.
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§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
dens und seines Untergrundes, ferner Hoheitsbefugnisse in Bezug auf die Errichtung und Nutzung von künstlichen Inseln, von Anlagen und Bauwerken sowie in Bezug auf den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt (Art. 5 6 Abs. 1 SeeRÜbk.). Bei Ausübung seiner souveränen Rechte, die sich auf die lebenden Ressourcen in der ausschließlichen Wirtschaftszone beziehen, darf der Küstenstaat auch gerichtliche Verfahren einleiten (Art. 73 Abs. 1 SeeRÜbk.). Strafen für Verstöße gegen Fischereigesetze dürfen in der Regel Haft nicht einschließen (Art. 73 Abs. 3 SeeRÜbk.). 58
Die Bundesrepublik hat durch Proklamation vom 2 5 . 1 1 . 1 9 9 4 mit Wirkung vom 1.1.1995 in der Nordsee und in der Ostsee vor der seewärtigen Grenze ihres Küstenmeeres eine ausschließliche Wirtschaftszone errichtet (Bek. vom 2 9 . 1 1 . 1 9 9 4 , BGBl. II S. 3 7 6 9 ) ; freilich ist die Zone bislang nicht gegenüber allen Nachbarstaaten festgelegt. 29 Dies ist bedenklich, weil es dadurch möglich ist, dass sich im Einzelnen nicht genau bestimmen lässt, ob der Begehungsort innerhalb oder außerhalb des Bereichs der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und damit innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts (vgl. § 5 Nr. 11) liegt.
59
Die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone ist Ausland. Dies ergibt sich schon aus der Regelung in § 5 Nr. 11, die unverständlich wäre, wenn der Gesetzgeber den Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone als Inland betrachten würde. Danach werden bestimmte Delikte gegen die Umwelt (§§ 3 2 4 , 326, 3 3 0 und 3 3 0 a ) , die im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone begangen werden, als Auslandstaten nach deutschem Recht mit Strafe bedroht, soweit völkerrechtliche Übereinkommen zum Schutze des Meeres die Verfolgung als Straftaten gestatten (näher Rdn. 143 ff).
60
Ausland sind auch die Fischereizonen, die einem Küstenstaat außerhalb seines Küstenmeeres zustehen; vgl. hierzu Fischerei-Übereinkommen vom 9 . 3 . 1 9 6 4 (G vom 15.9. 1969, BGBl. II S. 1897; Bek. vom 3 0 . 4 . 1 9 7 0 , BGBl. II S. 2 5 9 ) .
61
Zahlreiche Küstenstaaten haben ausschließliche Fischereizonen von 2 0 0 Seemeilen proklamiert. 3 0 Die Bundesrepublik Deutschland errichtete durch Proklamation eine solche Zone in der Nordsee (Bek. vom 2 2 . 1 2 . 1 9 7 6 , BGBl. II S. 1999) und eine später noch zu bestimmende Fischereizone in der Ostsee (Bek. vom 2 . 6 . 1 9 7 8 , BGBl. II S. 867). Sie übt in diesen Zonen hoheitliche Rechte aus und trifft geeignete Maßnahmen gegen Zuwiderhandlungen. Der Rat der EG beschloss am 3.11.1976, dass die Staaten der Gemeinschaft ihre Fischereizonen durch abgestimmte Maßnahmen auf 2 0 0 Seemeilen in der Nordsee und im Nordatlantik (jeweils zum 1.1.1977) sowie in der Ostsee (zum 1.1./ 15.8.1978) ausdehnen. 31
62
Durch die Etablierung des Konzeptes der ausschließlichen Wirtschaftszone im modernen Völkerrecht ist die Errichtung von Fischereizonen allerdings überholt. 3 2 Das sich weltweit rasch durchsetzende seevölkerrechtliche Regime der ausschließlichen Wirtschaftszone gibt dem Küstenstaat auch das alleinige Recht zur Ausbeutung der lebenden natürlichen Ressourcen (Rdn. 57); eingehend zum Verhältnis von Fischereizonen und ausschließlichen Wirtschaftszonen Dahm/Delbrück/Wolfrum Bd. 1/1 § 81 II. 2. f; Gloria in Ipsen § 5 3 Rdn. 2 ff.
63
d) Festlandsockel. Der Festlandsockel [continental shelf) eines Küstenstaates umfasst den jenseits seines Küstenmeeres (§ 3 Rdn. 41 ff) gelegenen Meeresboden und den Mee-
29
30
Gloria Fischer Geiger Oehler
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in Ipsen § 53 Rdn. 10; Tröndle/ Vor §§ 3 - 7 Rdn. 14. S. 285; Gündling S. 20 ff, 321 f; Rdn. 419a.
31 32
Gloria in Ipsen § 53 Rdn. 7. Gloria in Ipsen § 53 Rdn. 10; Herdegen § 31 Rdn. 7.
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Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
resuntergrund der Unterwassergebiete, die sich über die gesamte natürliche Verlängerung seines Landgebietes bis zur äußeren Kante des Festlandrandes, oder - dort, w o die äußere K a n t e des Festlandrandes in geringerer Entfernung als 2 0 0 Seemeilen gemessen von der Niedrigwasserlinie verläuft - bis zu dieser 2 0 0 Seemeilengrenze erstrecken (Art. 7 6 Abs. 1 S e e R Ü b k . ) . 3 3 D e r Wasser- und L u f t r a u m über dem M e e r e s g r u n d gehören zur hohen S e e . 3 4 Im Unterschied zur ausschließlichen W i r t s c h a f t s z o n e , die a u ß e r h a l b des Küstenmeeres innerhalb der bezeichneten 2 0 0 - S e e m e i l e n - G r e n z e auch die M e e r e s g e w ä s s e r umfasst, betrifft der Festlandsockel nur den M e e r e s b o d e n und den M e e r e s u n t e r g r u n d , dies aber unter Umständen bis zu einer Breite von 3 5 0 Seemeilen abzüglich der Küstenmeerbreite (näher Art. 7 6 Abs. 5 S e e R Ü b k . ) . D e r Festlandsockel ist Ausland. 3 5 D e r K ü s t e n s t a a t übt bei der E r f o r s c h u n g und Ausbeutung des Festlandsockels zwar Hoheitsrechte über ihn aus (Art. 7 7 Abs. 1 S e e R Ü b k . , Art. 2 Abs. 1 F e s t L S Ü b k . ) . Diese R e c h t e berühren nach ausdrücklicher Regelung aber weder den Rechtsstatus der über dem Festlandsockel befindlichen G e w ä s s e r n o c h den des Luftraums darüber (Art. 7 8 Abs. 1 S e e R Ü b k . , Art. 3 F e s t L S Ü b k . ) . Sie erweitern das nationale Küstenmeer also nicht. D o c h darf der Küstenstaat künstliche Inseln, Anlagen und Bauwerke auf dem Festlandsockel unterhalten und sie mit einer Sicherheitszone von höchstens 5 0 0 m umgeben. Solche Einrichtungen unterstehen allein seiner Hoheitsgewalt, ohne dass sie die Rechtsstellung von Inseln hätten oder die Abgrenzung des Küstenmeeres beeinflussten (Art. 8 0 S e e R Ü b k . , Art. 5 Abs. 2 bis 5 F e s t L S Ü b k . ) . Ihr Status lässt sich also mit dem von Schiffen eigener Staatszugehörigkeit (§ 4 R d n . 5 ) vergleichen.
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Das wirtschaftliche Interesse der Küstenstaaten am Festlandsockel gilt vor allem den Erdöl- und Erdgasvorräten unter dem Festlandsockel, zu deren Ausbeutung sie B o h r inseln und andere Plattformen (zum Beispiel Landeplätze für H u b s c h r a u b e r ) errichten, welche auf Stelzen oder freischwimmend a u f dem M e e r e s b o d e n verankert s i n d . 3 6 D e m internationalen strafrechtlichen Schutz solcher Anlagen dienen das Ü b e r e i n k o m m e n zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt und das zugehörige Protokoll, beide v o m 1 0 . 3 . 1 9 8 8 (Vor § 3 R d n . 1 7 6 ) .
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O b w o h l die R e c h t e des Küstenstaates a m Festlandsockel weder von einer tatsächliehen oder a n g e n o m m e n e n Besitzergreifung noch von einer ausdrücklichen E r k l ä r u n g abhängen (Art. 7 7 Abs. 3 S e e R Ü b k . , Art. 2 A b s . 3 F e s t L S Ü b k . ) , hat die Bundesregierung durch eine Proklamation über die Erforschung und Ausbeutung des deutschen Festlandsockels solche R e c h t e geltend g e m a c h t (Bek. v o m 2 2 . 1 . 1 9 6 4 , B G B l . II S. 1 0 4 ) . Bis zu seiner Änderung durch das Ausführungsgesetz zum S e e r e c h t s ü b e r e i n k o m m e n 1 9 8 2 / 1 9 9 4 , vom 6 . 6 . 1 9 9 5 ( B G B l . I S. 7 7 7 ) bestimmte § 5 Nr. 11 die Geltung des deutschen Strafrechts für bestimmte Umweltstraftaten, die „im Bereich des deutschen F e s t l a n d s o c k e l s " begangen werden (Entstehungsgeschichte).
66
Die Abgrenzung des Festlandsockels ist ferner Gegenstand der folgenden Völkerrechtliehen Vereinbarungen: Vertrag zwischen der Bundesrepublik D e u t s c h l a n d und dem Königreich D ä n e m a r k über die Abgrenzung des Festlandsockels der N o r d s e e in Küstennähe vom 9 . 6 . 1 9 6 5 und P r o t o k o l l zu diesem Vertrag v o m selben Tage (G v o m 2 2 . 4 . 1 9 6 6 ,
67
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Gloria in Ipsen § 53 Rdn. 42; Herdegen § 31 Rdn. 8; siehe ferner das Genfer Übereinkommen über den Festlandsockel vom 29.4.1958 (Vor § 3 Rdn. 95), das freilich von kollidierenden Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens verdrängt wird (Art. 311 Abs. 1 SeeRÜbk.).
34 35
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Rojahn in Seidl-Hohenveldern S. 87. Lemke NK Vor § § 3 - 7 Rdn. 50; Scb/Schröder/Eser Vorbem §§ 3 - 7 Rdn. 31. Rojahn in Seidl-Hohenveldern S. 87.
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§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
BGBl. II S. 2 0 5 ; Bek. vom 15.6.1966, BGBl. II S. 545); Vertrag vom 28.1.1971 zwischen Dänemark, Großbritannien, den Niederlanden und der Bundesrepublik über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee (G vom 2 3 . 8 . 1 9 7 2 , BGBl. II S. 881; Bek. vom 17.11.1972, BGBl. II S. 1616); Protokoll vom 28.1.1971 zwischen der Bundesrepublik, Dänemark und den Niederlanden zu diesem Vertrag. 68
e) Weltraum. Er ist der Teil des Alls, der sich - von der Erde wegführend - an den Luftraum über dem Hoheitsgebiet der Staaten (§ 3 Rdn. 51 ff) oder über den gebietshoheitsfreien Räumen (wie der hohen See, Rdn. 4 8 ff) anschließt. In welcher Höhe über der Erde er anfängt, ist umstritten (vgl. auch § 3 Rdn. 52; Fischer in Ipsen § 56 Rdn. 7 ff). Nach inzwischen wohl herrschender Meinung verläuft die Demarkationslinie zwischen Luft- und Weltraum dort, wo auf unterster Ebene ein Satellitenverkehr (d.h. mindestens ein voller 360°-Erdumlauf) technisch möglich ist (unterste Satellitenflughöhe). Das ist nach dem gegenwärtigen Stand der Technik in Höhe von 8 0 bis 110 km über dem Meeresspiegel der Fall. 3 7 Der Weltraum hat einen rechtlichen Status, der dem der hohen See (Rdn. 4 8 ff) ähnlich ist. 38 Er ist im strafrechtlichen Sinne Ausland.
69
Nach dem Weltraumvertrag von 1967 (§ 4 Rdn. 17) besteht eine friedlichen Zwecken dienende Weltraumfreiheit (Art. 1 WeltRV). Der Weltraum einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper „unterliegt keiner nationalen Aneignung durch Beanspruchung der Hoheitsgewalt, durch Benutzung oder Okkupation oder durch andere Mittel" (Art. 2 WeltRV). Der einzelne Staat behält aber die Hoheitsgewalt und Kontrolle über einen „in den Weltraum gestarteten Gegenstand" und dessen Besatzung, während sie sich im Weltraum oder auf einem Himmelskörper befinden (Art. 8 Satz 1 WeltRV).
70
Für Rechtsfragen, die mit der Erschließung des Weltraums zusammenhängen, sind außer dem Weltraumvertrag (§ 4 Rdn. 17) und dem Mondvertrag von 1979 (§ 4 Rdn. 17) folgende völkerrechtliche Vereinbarungen von Bedeutung: 3 9 Übereinkommen über die Rettung und Rückführung von Raumfahrern sowie die Rückgabe von in den Weltraum gestarteten Gegenständen (Astronautenvertrag) vom 2 2 . 4 . 1 9 6 8 (G vom 14.5.1971, BGBl. II S. 2 3 7 ; Bek. vom 1.8.1972, BGBl. II S. 1105), Übereinkommen über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände vom 2 9 . 3 . 1 9 7 2 (G vom 29.8.1975, BGBl. II S. 1209; Bek. vom 2 3 . 4 . 1 9 7 6 , BGBl. II S. 585); Übereinkommen zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation vom 30.5.1975 (G vom 23.11.1976, BGBl. II S. 1861; Bek. vom 5.6.1981, BGBl. II S. 371).
71
f ) Mond. Seine Rechtsstellung ist völkerrechtlich im Weltraumvertrag (Rdn. 69) und im Mondvertrag (Rdn. 70) geregelt. Auch er ist Ausland im Sinne der §§ 4 ff, weil er nach völkerrechtlichen Grundsätzen souveräner staatlicher Hoheitsgewalt entzogen ist.
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Die Freiheit zur Erforschung und Nutzung des Mondes ist anerkannt (Art. 1 WeltRV). Wie der Weltraum unterliegt der Mond „keiner nationalen Aneignung durch Beanspruchung der Hoheitsgewalt, durch Benutzung oder Okkupation oder durch andere Mittel" (Art. 2 WeltRV, Art. 11 MondV). Doch behalten die Vertragsstaaten die Hoheitsgewalt und Kontrolle über ihre Besatzungen, Raumfahrzeuge, Geräte, Anlagen, Stationen und Einrichtungen auf dem Mond (Art. 8, 12 WeltRV; Geiger S. 727). All dies gilt entsprechend in Bezug auf andere Himmelskörper.
73
g) „Failed States". Gebietshoheitsfreie Räume, also Ausland, sind ferner auch solche („Staats"-) Gebiete, in denen Staatsgewalt - etwa infolge eines Bürgerkrieges - nicht
37
Fischer in Ipsen § 56 Rdn. 7 ff; Herdegen § 32 Rdn. 1.
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38 39
Wessels in Strupp/Schlochauer Vgl. Geiger S. 273 ff.
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III S. 831, 832.
Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§ 5
mehr ausgeübt wird (siehe auch § 7 R d n . 5 3 ) . 4 0 Dies t r a f in der jüngeren Vergangenheit phasenweise - etwa auf R u a n d a und S o m a l i a zu.
VI. Voraussetzungen im Einzelnen N a c h § 5 gilt das deutsche Strafrecht, unabhängig v o m R e c h t des T a t o r t s , für im Einzelnen aufgeführte Straftaten, die im Ausland begangen werden. Z u den Begriffen „ T a t " ,
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„ G e l t u n g " und „deutsches S t r a f r e c h t " siehe V o r § 3 R d n . 3 1 4 ff, 3 2 8 f. 1. Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 8 0 ) . 4 1 § 5 Nr. 1 erstreckt den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts auf die Vorbereitung eines Angriffskrieges, an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, wenn die T a t im Ausland begangen wird. § 8 0 betrifft neben der Vorbereitung auch das Führen eines solchen A n g r i f f s k r i e g e s . 4 2 Von § 5 Nr. 1 nicht erfasst sind Straftaten gem. § 8 0 a (Aufstacheln zum Angriffskrieg), der bereits nach seinem W o r t l a u t auf Inlandstaten b e s c h r ä n k t ist.
75
Die Ausdehnung der deutschen Strafgewalt auf einschlägige Auslandstaten ist im Z u s a m m e n h a n g mit der Behandlung des Angriffskrieges im Grundgesetz und im V ö l k e r recht zu s e h e n . 4 3 Art. 2 6 Abs. 1 Satz 1 G G erklärt die Vorbereitung eines Angriffskrieges für verfassungswidrig; sie ist - als Verfassungsbruch - unter Strafe zu stellen (Art. 2 6 Abs. 1 Satz 2 G G ) . Diesen Pönalisierungsauftrag hat der Gesetzgeber in § § 8 0 , 5 Nr. 1 unabhängig davon, w o oder durch w e n die Tat begangen wird, (nur) für solche Angriffskriege umgesetzt, an denen Deutschland als Kriegspartei beteiligt ist oder sein soll; vgl. im Einzelnen die Erläuterungen zu § 8 0 .
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Die Vorbereitung und das Führen eines Angriffskrieges sind völkerrechtswidrig. D u r c h den Kellog-Briand-Pakt vom 2 7 . 8 . 1 9 2 8 (G v o m 9 . 2 . 1 9 2 9 , R G B l . II S. 9 7 ; B e k . v o m 1 . 8 . 1 9 2 9 , R G B l . II S. 6 3 1 ) h a b e n die Vertragsparteien, darunter Deutschland, den Krieg als Mittel für die L ö s u n g zwischenstaatlicher Streitfälle verurteilt und auf ihn als W e r k zeug nationaler Politik in ihren gegenseitigen Beziehungen verzichtet. Vorbereitung und Führen eines Angriffskrieges sind nicht nur völkerrechtlich verboten, sondern entsprechend den Feststellungen des Internationalen Militärgerichtshofs von N ü r n b e r g 4 4 als Völkerrechtsverbrechen auch direkt nach Völkergewohnheitsrecht strafbar ( Werle R d n . 1 1 5 0 ff m.w.N.). G e m . Art. 5 Abs. 1 Buchst, d des R ö m i s c h e n Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes v o m 1 7 . 7 . 1 9 9 8 ( I S t G H - S t a t u t , B G B l . 2 0 0 0 II S. 1 3 9 3 ) unterliegt das Verbrechen der Aggression der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs; dieser übt seine Zuständigkeit allerdings insoweit nicht aus, bis eine Regelung über die streitigen Fragen der Voraussetzungen des Verbrechenstatbestandes und der R o l l e des V N - S i c h e r heitsrates getroffen ist (Art. 5 Abs. 2 I S t G H - S t a t u t ) .
77
Vor diesem Hintergrund ist die Ausdehnung der deutschen Strafgewalt auf einschlägige Auslandstaten auch von Ausländern aus völkerrechtlicher Sicht nicht zu b e a n s t a n d e n . Allerdings beruht § 5 Nr. 1 nicht auf dem Universalitätsprinzip (Vor § 3 R d n . 2 3 7 f f ) ,
78
40
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43
Ambos MK Rdn. 18; Epping in Ipsen § 5 Rdn. 11. Zieher S. 104 ff. Lackner/Kühl § 80 Rdn. 2; aA Paeffgen N K 2 Vor §§ 80 f Rdn. 9. Vgl. dazu auch GBA J Z 2003 908 m. Anm. Kreß.
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Internationaler Militärgerichtshof, Urteil vom 1. Oktober 1946 in Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher (1947) Bd. 1, S. 189, 249; siehe auch Art. 6 Buchst, a des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs.
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§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
sondern auf dem Staatsschutzprinzip (Vor § 3 Rdn. 225 ff). § 80 ist ein Staatsschutzdelikt, das die äußere Sicherheit und den Frieden der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Völkern schützt, nicht aber den Weltfrieden als solchen. 45 So hat die Strafvorschrift bezeichnenderweise keinen Eingang in das Völkerstrafgesetzbuch (Vor § 3 Rdn. 455) gefunden. 79
2. Hochverrat (§§ 81 bis 83). Nach § 5 Nr. 2 gilt das deutsche Strafrecht für Hochverrat gegen den Bund oder ein Land einschließlich entsprechender Vorbereitungshandlungen (§ 83), wenn die Tat im Ausland begangen wird; ob der Täter Deutscher oder Ausländer ist, spielt ebenso wenig eine Rolle wie die Strafbarkeit der Tat nach dem Recht des Tatorts. Diese Ausdehnung der deutschen Strafgewalt rechtfertigt sich aus dem Staatsschutzprinzip (Vor § 3 Rdn. 225 ff).
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Den Bedenken, die allgemein gegen die Strafbarkeit der bloßen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens (§ 83) erhoben werden können, 46 werden durch den Umstand, dass über § 5 Nr. 2 auch Auslandstaten von Ausländern erfasst werden, keine neuen Gesichtspunkte hinzugefügt. Insbesondere ist es aus strafanwendungsrechtlicher Sicht nicht geboten, in Anlehnung an § 80 die Herbeiführung einer konkreten Gefahr zu verlangen (aA Ambos MK Rdn. 14).
81
Der praktische Anwendungsbereich von § 5 Nr. 2 ist schmal. Typischerweise wird nämlich der zum Tatbestand der § § 8 1 bis 83 gehörende Erfolg, also die Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland, der territorialen Integrität eines Landes oder die Änderung der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik oder eines Landes, tatsächlich oder nach der Vorstellung des Täters im Inland eintreten, so dass sich die Geltung des deutschen Strafrechts in der Regel bereits aus §§ 3, 9 Abs. 1 dritte oder vierte Alternative ergibt (siehe auch Rdn. 88, 139). 4 7 Die Tat unterliegt dann als Inlandstat dem deutschen Strafrecht.
82
3. Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 89, 90, 90a Abs. 1 und 90b). 4 8 Nach § 5 Nr. 3 gilt deutsches Strafrecht für bestimmte Taten der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, wenn sie im Ausland begangen werden. Die Vorschrift erfasst die verfassungsfeindliche Einwirkung auf die Bundeswehr und öffentliche Sicherheitsorgane (§ 89), die Verunglimpfung des Bundespräsidenten (§ 90) oder des Staates und seiner Symbole (§ 90a Abs. 1) sowie die verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen (§ 90b).
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Die Geltung des deutschen Strafrechts gem. § 5 Nr. 3 Buchst, a (§§ 89, 90a Abs. 1 und § 90b) setzt voraus, dass der Täter (Rdn. 21 ff) Deutscher (Vor § 3 Rdn. 326; § 7 Rdn. 55 ff) ist und seine Lebensgrundlage (Rdn. 19) in Deutschland (zum Begriff des „räumlichen Geltungsbereichs" § 3 Rdn. 12, 22) hat. Nur dann kommt es auf das Tatortrecht nicht an, andernfalls gilt deutsches Strafrecht nur unter den Voraussetzungen des § 7.
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GBA J Z 2 0 0 3 908, 911 m. Anm. Kreß-, Lackner/Kühl § 80 Rdn. 1; Rudolphi SK § 80 Rdn. 1; aA (zwischenstaatlicher Frieden) Paeffgen NK Vor §§ 80 ff Rdn. 14. Sch/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben $ 83 Rdn. 8. Vgl. auch BayObLG NJW 1957 1327, 1328
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zu § 4 Abs. 3 Nr. 2 a.F.; ferner Hoyer SK Rdn. 6; Sch/Schröder/Eser Rdn. 8. Langrock Der besondere Anwendungsbereich der Vorschriften über die Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 8 4 - 9 1 StGB) (1972).
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Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
Demgegenüber gilt das deutsche Strafrecht gem. § 5 Nr. 3 Buchst, b (§§ 9 0 , 90a Abs. 2) ohne die genannten Einschränkungen (Rdn. 83), also auch für die einschlägigen Auslandstaten von Deutschen mit Lebensgrundlage im Ausland und von Ausländern.
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§ 5 Nr. 3 beruht auf dem Staatsschutzprinzip (Vor § 3 Rdn. 2 2 5 ff), wobei die Reichweite des deutschen Strafrechts in den Fällen des Buchst, a durch Kumulation mit dem aktiven Personalitätsprinzip (Vor § 3 Rdn. 2 3 2 ff) und dem aktiven Domizilprinzip (Vor § 3 Rdn. 2 5 4 ) eingeschränkt ist.
85
Während der Vorschrift aus völkerrechtlicher Sicht daher keine Bedenken begegnen, ist die kriminalpolitische Berechtigung der unterschiedlichen Reichweite deutscher Strafgewalt für die in Buchst, a aufgeführten Straftaten einerseits und die von Buchst, b erfassten Straftaten andererseits zweifelhaft (vgl. auch Ambos M K Rdn. 17 f). Hierzu ist Folgendes zu bemerken: Anhaltspunkte für Unterschiede hinsichtlich der Schwere der jeweils erfassten Taten, welche die unterschiedlich weitreichende Strafgewalt begründen könnte, finden sich im Gesetz nicht. 4 9 Dies zeigt sich etwa mit Blick auf § 90a (Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole) Abs. 1 einerseits und Abs. 2 andererseits sowie bei § 9 0 (Verunglimpfung des Bundespräsidenten) einerseits und § 9 0 b (Verunglimpfung von Verfassungsorganen) andererseits. Im Gegenteil: Die angedrohte Höchststrafe bei §§ 89 und 90b, die jeweils nur dem eingeschränkten Staatsschutzprinzip (Rdn. 85) unterliegen, liegt sogar oberhalb derjenigen, die für § 90a Abs. 1, bei dem das deutsche Strafrecht uneingeschränkt auch auf Auslandstaten von Ausländern Anwendung finden soll, angedroht ist. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Hinweise, welche Überlegungen der Differenzierung zugrunde liegen (vgl. etwa 2. Bericht BTDrucks. V/4095 S. 5). Auch wenn die gesetzliche Differenzierung somit wenig überzeugend ist, dürfte es allerdings nicht willkürlich sein, wenn der Gesetzgeber bei der Verunglimpfung des Bundespräsidenten und bei bestimmten Formen der Verunglimpfung des Staates ein erhöhtes Schutzbedürfnis im Hinblick auf das Ansehen Deutschlands im Ausland bejaht.
86
4. Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 9 4 bis 100a). § 5 Nr. 4 erstreckt die deutsche Strafgewalt auf Spionagehandlungen, die sich gegen die Bundesrepublik richten und im Ausland durchgeführt werden. Deutsches Strafrecht gilt danach für Straftaten im Zusammenhang mit dem Schutz von Staatsgeheimnissen (§§ 9 4 bis 98), geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99), die Aufnahme oder die Unterhaltung friedensgefährdender Beziehungen (§ 100) sowie landesverräterische Fälschung (§ 100a), wenn die Tat im Ausland begangen wird; ob der Täter Deutscher oder Ausländer ist, spielt keine Rolle, soweit nicht die Straftatbestände selbst, wie § 100 („Deutscher, der seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes h a t " ) , entsprechende Einschränkungen enthalten. Wird die Spionage durch ausländische Nachrichtendienste von exterritorialen Gebieten aus begangen (Botschaften und Kasernen in Deutschland), handelt es sich um Inlandstaten (§ 3 Rdn. 68), so dass deutsches Strafrecht insoweit ohne weiteres gem. § 3 anwendbar ist.
87
Soweit es sich bei den erfassten Straftaten, wie bei § § 9 4 bis 9 7 und 100a, um konkrete Gefährdungsdelikte („Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland") handelt, wird regelmäßig ein Tatort im Inland (§ 9 Abs. 1 dritte Alternative) begründet sein (BayObLG N J W 1957 1327, 1328 zu § 4 Abs. 3 Nr. 2 a.F.; siehe auch § 9 Rdn. 27); eines Rückgriffs auf § 5 Nr. 4 bedarf es dann nicht; deutsches Strafrecht gilt gem. § 3 (siehe auch Rdn. 81, 139). Entsprechendes gilt für § § 9 8 und 99, die
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49
AA Gribbohm LK11 Rdn. 12.
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541
§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
richtiger Ansicht n a c h als abstrakte Gefährdungsdelikte auch einen E r f o l g s o r t im Sinne des § 9 Abs. 1 begründen k ö n n e n (§ 9 R d n . 2 8 f f ) , der einen inländischen T a t o r t begründen k ö n n t e . 89
§ 5 Nr. 4 ist durch das Staatsschutzprinzip (Vor § 3 R d n . 2 2 5 ff) gedeckt (BVerfGE 9 2 2 7 7 , 3 1 7 f, 3 2 1 ) . Dies gilt auch, soweit die Spionagetätigkeit nicht politische oder militärische, sondern wirtschaftliche Z i e l e 5 0 verfolgt. Tatbestandliche Voraussetzung ist nämlich in jedem Fall, dass die Tätigkeit ein Staatsgeheimnis der Bundesrepublik D e u t s c h l a n d betrifft (§ 9 3 ) bzw. sich „gegen die Bundesrepublik D e u t s c h l a n d " richtet ( S S 99, 100, 100a).
90
D i e Vorschrift hat den folgenden praktischen und völkerrechtlichen Hintergrund: Seit jeher betreiben die Staaten einerseits Auslandsaufklärung durch eigene Nachrichtendienste und schützen sich andererseits mit dem Mittel des innerstaatlichen Strafrechts gegen Verrat und Spionage. Dies geschieht nicht nur im Krieg, sondern auch in Friedenszeiten und im Allgemeinen unabhängig davon, o b die T a t im Inland oder im Ausland, von eigenen Staatsangehörigen oder von Ausländern begangen wird ( B G H S t 3 7 3 0 5 , 3 0 7 ) . 5 1 Durch das Völkerrecht sind die Spionage selbst sowie ihre Abwehr mit dem Mittel des Strafrechts grundsätzlich nicht verboten (BVerfGE 9 2 2 7 7 , 3 1 7 f, 3 2 8 f; B G H S t 3 7 3 0 5 , 3 0 8 ) . 5 2 Ein ausländischer Spion k a n n sich als solcher allerdings weder auf völkerrechtliche I m m u n i t ä t (Vor § 3 R d n . 3 6 8 f f ) n o c h a u f die sog. „Act o f S t a t e " D o k t r i n berufen ( B V e r f G E 9 5 9 6 , 1 2 9 f; 9 2 2 7 7 , 3 2 1 f ) . D a s Verfolgungshindernis der I m m u n i t ä t k a n n a b e r dann in Betracht k o m m e n , wenn die nachrichtendienstliche Tätigkeit von D i p l o m a t e n ausgeübt wird (Vor § 3 R d n . 3 8 3 ) .
91
V o r diesem Hintergrund hat die deutsche Justiz seit jeher Spionage gegen die Bundesrepublik verfolgt ( B G H S t 3 2 1 0 4 ) . Praktische Bedeutung hat § 5 Nr. 4 vor allem im Z u s a m m e n h a n g mit Spionage erlangt, die vom Gebiet der ehemaligen D D R gegen die Bundesrepublik begangen w u r d e . 5 3 Ihren H ö h e p u n k t fanden die Bemühungen um Verfolgung der innerdeutschen Spionage nach dem Beitritt der D D R zur B u n d e s r e p u b l i k . 5 4
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Für die Fälle, in denen Spionagehandlungen vom B o d e n der D D R oder ihr befreundeter Staaten aus von Personen begangen wurden, die Staatsbürger der D D R waren und bis zum W i r k s a m w e r d e n des Beitritts ihre Lebensgrundlage in der D D R hatten, hat das BVerfG allerdings ein Verfolgungshindernis a n g e n o m m e n ( B V e r f G E 9 2 2 7 7 , 3 2 5 f f ) . 5 5 In solchen Fällen verstößt die Strafverfolgung nach den § § 9 4 und 9 9 gegen Art. 2 G G in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auf dem Rechtsstaatsprinzip beruht ( B V e r f G E 9 2 2 7 7 , 3 1 7 f f ) . Dagegen ist das Bundesverfassungsgericht 5 6
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Dazu Jerouschek/Kölbel NJW 2001 1601, 1602. Dazu BGH NStZ 1991 429; Simma/Volk NJW 1991 871. Folz/Soppe NStZ 1996 579 f; Gusy NZWehrR 1984 197 f; Hinz in Strupp/ Schlochauer III S. 298, 300; einschränkend Simma/Volk NJW 1991 871 f. BGHSt 32 104; weitere Literaturhinweise bei Gribbobtn LK 11 vor Rdn. 13. BGHSt 3 9 2 6 0 = NStZ 1994 282 m. Anm. Träger-, BGHSt 38 75; 37 305 = J Z 1991 713
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m. Anm. Classen; BGH NStZ 1996 129; zusf. Lampe FG BGH, S. 449; Marxen/Werle Bilanz S. 216 ff; eingehend Thiemrodt Strafjustiz und DDR-Spionage (2000) sowie Marxen/Werle (Hrsg.) Strafjustiz und DDRUnrecht, Dokumentation, Bd. 4/1. und 2. Teilband (2004). Hierzu Marxen/Werle Bilanz S. 138, 232; Simma/Volk NJW 1991 871, 873; Thiemrodt Strafjustiz und DDR-Spionage (2000) S. 145 ff. BVerfGE 92 277, 320 ff.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§ 5
Rechtsauffassungen nicht gefolgt, wonach eine Strafverfolgung der Mitarbeiter des (DDR-) Ministeriums für Staatssicherheit das Völkerrecht verletze. 57 Die in Art. 7 Abs. 1 des 4. StRÄndG vom 11.6.1957 (BGBl. I S. 597) i.d.F. des 9 3 8. StRÄndG vom 25.6.1968 (BGBl. I S. 741) geregelte Erweiterung des Schutzbereichs der §§ 93 ff um Geheimnisse der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikpaktes und ihrer in Deutschland stationierten Truppen (hierzu auch Vor § 3 Rdn. 279) betrifft den in § 5 Nr. 4 festgelegten Geltungsbereich der Tatbestände nicht. Die Tatbestandserweiterung bezieht sich nach Art. 7 Abs. 4 des 4. StRÄndG nämlich nur auf Straftaten, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes begangen werden (Art. 7 Abs. 4). Es bleibt also dabei, dass deutsches Strafrecht auf Auslandstaten gem. § 5 Nr. 4 nur anwendbar ist, wenn Staatsgeheimnisse der Bundesrepublik Deutschland betroffen sind. 5. Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109, 109a, 109d bis 109h). 58 Nach 9 4 § 5 Nr. 5 gilt das deutsche Strafrecht für Straftaten gegen die Landesverteidigung, wenn die Tat im Ausland begangen wird. Das Gesetz unterscheidet hier - wie bei § 5 Nr. 3 (Rdn. 83 f) - zwischen Fällen, in denen gem. Buchst, a Auslandstaten unabhängig vom Tatortrecht ohne Rücksicht darauf mit Strafe bedroht sind, ob sie von Deutschen oder von Ausländern begangen werden (§§ 109, 109e, 109f und 109g), und solchen, in denen gem. Buchst, b unabhängig vom Tatortrecht (sonst § 7) nur Deutsche (Vor § 3 Rdn. 326, § 7 Rdn. 55) mit Lebensgrundlage im Inland (Rdn. 19) als Täter (Rdn. 21 ff) einer Auslandstat erfasst werden (§§ 109a, 109d und 109h). Unter völkerrechtlichem Aspekt ist die Regelung des § 5 Nr. 5 durch das Staats- 9 5 schutzprinzip (Vor § 3 Rdn. 225 ff) gerechtfertigt. Bei Buchst, b treten ergänzend das aktive Personalitätsprinzip (Vor § 3 Rdn. 232 ff) und das aktive Domizilprinzip (Vor § 3 Rdn. 254) hinzu. Der Grund für die jeweils unterschiedliche Reichweite der deutschen Strafgewalt ist 9 6 aus kriminalpolitischer Perspektive ähnlich angreifbar wie bei § 5 Nr. 3 (Rdn. 86; Ambos MK Rdn. 20). 6. Verschleppung und politische Verdächtigung (§§ 234a, 241a). 59 Nach § 5 Nr. 6 9 7 gilt das deutsche Strafrecht für Verschleppung und politische Verdächtigung, wenn die Tat im Ausland begangen wird. Ob Täter ein Deutscher oder Ausländer ist, ist unerheblich. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Tat gegen einen Deutschen (Vor § 3 Rdn. 326; § 7 Rdn. 55 ff) richtet, der im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (Rdn. 20) hat. Auf das Tatortrecht kommt es dann an. Geht die tatbestandsmäßige Gefährdung in eine Verletzung der geschützten Rechts- 9 8 güter über, wird die Tat regelmäßig auch nach dem Recht des Tatorts strafbar sein (Freiheitsberaubung, Körperverletzung), so dass sich dann die Geltung des deutschen Strafrechts aus § 7 Abs. 1 ergibt; in diesem Fall werden über § 5 Nr. 6 hinaus auch Taten gegen deutsche Opfer mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland erfasst. Soweit § 234a Abs. 1 voraussetzt, dass der Täter einen anderen davon abhält, vom 9 9 Ausland nach Deutschland zurückzukehren, schränkt § 5 Nr. 6 den Anwendungsbereich des Straftatbestandes insofern ein, als dieser nur anwendbar ist, wenn ein Deutscher mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland an der Rückkehr gehindert wird. 57
KG N J W 1991 2 5 0 1 = J R 1991 4 2 6 m. A n m . Volk-, Kasper M D R 1994 5 4 5 f; eingehend hierzu Gribbohm LK 1 1 R d n . 17 f; Marxen/ Werle Bilanz S. 126 ff, 231 f; Thiemrodt Strafjustiz u n d DDR-Spionage (2000),
58 59
S. 116 ff; zusf. Sch/Schröder/Eser §§ 3 - 7 R d n . 94. Zieher S. 104 ff. Zieher S. 126 ff.
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Vorbem
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§ 5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
Dies ergibt sich daraus, dass § 2 3 4 a Abs. 1 in der genannten Alternative bereits tatbestandlich als Auslandstat konzipiert ist (2. Bericht, BTDrucks. V / 4 0 9 5 S. 5). 100
Eine gewisse praktische Bedeutung hat die Vorschrift im Zusammenhang mit Taten in der ehemaligen D D R erlangt. Die Kriminalisierung von Verschleppungen in die oder aus der D D R war auch ein zentrales Motiv für die Einfügung der Norm in das Strafgesetzbuch. 6 0
101
Mit Rücksicht auf den Schutzzweck des § 5 Nr. 6 hat der B G H (BGHSt 4 0 125, 130 ff m. Anm. Seebode J Z 1995 417; 32 2 9 3 , 2 9 4 f; 3 0 1, 7 f) angenommen, dass eine in der D D R verübte Verschleppung oder politische Verdächtigung, die einen Bürger der DDR betrifft, zwar keine Inlandstat im Sinne des § 3 sei, sich aber gleichwohl - im Hinblick auf den Betroffenen - als Auslandstat gegen einen Deutschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im „Inland" (nämlich in der D D R ) richte. 6 1
102
Auf welchem Geltungsprinzip die Vorschrift beruht - und damit ob und wie sie sich völkerrechtlich rechtfertigen lässt - ist umstritten.
103
In Rechtsprechung und Literatur wird § 5 Nr. 6 teilweise dem Staatsschutzgrunds a t z 6 2 , teilweise dem Weltrechtspflegegrundsatz 6 3 zugeordnet. Gegen beide Auffassungen sprechen allerdings gewichtige Gründe. Gegen eine Rechtfertigung durch das Staatsschutzprinzip (Vor § 3 Rdn. 2 2 5 ff) spricht schon, dass die §§ 2 3 4 a , 241 kein staatliches Rechtsgut schützen, sondern allein Individualrechtsgüter des Betroffenen, namentlich seine Freiheit und seine körperliche Unversehrtheit (vgl. die Erläuterungen zu § 2 3 4 a und § 2 4 1 ) . Es fehlt damit an der völkerrechtlich vorausgesetzten Nähe der Tat zum Bestand und zur Integrität der Bundesrepublik Deutschland.
104
Der Versuch, die Norm auf das Universalitätsprinzip zu stützen, vermag nicht zu überzeugen, weil das Völkerrecht eine universelle Strafbefugnis für Taten gem. §§ 2 3 4 a , 2 4 1 a nicht kennt (Vor § 3 Rdn. 2 3 7 ff). Eine Ausnahme hiervon besteht nur, wenn die Tat im Rahmen eines systematischen oder großangelegten Angriffs gegen die Zivilbevölkerung oder im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt begangen wird, und deshalb (zugleich) als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen eingeordnet werden kann (z.B. gem. §§ 7 Abs. 1 Nr. 9; 8 Abs. 3 Nr. 1 V S t G B ) ; 6 4 in diesem Fall beansprucht das deutsche Strafrecht gem. § 1 VStGB zu Recht universelle Geltung. Der Umstand, dass die Humanitätsverbrechen des Gesetzes Nr. 10 des Alliierten Kontrollrates (KRG 10, Abi. des Kontrollrats in Deutschland Nr. 3 v. 31.1.1945, S. 5 0 f) als Vorbild für die Schaffung der §§ 2 3 4 a , 2 4 1 a , 5 Nr. 6 dienten, 6 5 vermag für sich genommen eine Rechtfertigung durch das Universalitätsprinzip nicht zu tragen.
105
Zuordnen lässt sich die Vorschrift richtigerweise allein dem passiven Personalitätsprinzip (Vor § 3 Rdn. 2 2 8 ff), das durch das passive Domizilprinzip („Wohnsitz", „gewöhnlicher Aufenthalt"; Vor § 3 Rdn. 2 5 4 ) ergänzt wird. 6 6 Damit ist § 5 Nr. 6 aus völkerrechtlicher Sicht hinreichend gerechtfertigt.
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KG NJW 1956 1570; Endemann NJW 1966 2386; Sch/Schröder/Eser Rdn. 12a; Wagner MDR 67 629. Dagegen Eser FG BGH IV, S. 1, 17 ff; Sehl Schröder/Eser Rdn. 12a. Henrich S. 40 f; Jescheck/Weigend § 18 III 3 („Einschlag des Staatsschutzprinzips"); wohl auch Schultz GA 1966 199. BGHSt 40 125, 130 („Universalitätsgrundsatz"); Zieher S. 127 ff.
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64 65 66
Dazu Werle Rdn. 686 ff, 935 ff. Maurach NJW 1952 163 f. BGHSt 30 1, 3; s. auch BGHSt 32 293, 294 („Schutzprinzip", gemeint ist ersichtlich das passive Personalitätsprinzip); Ambos MK Rdn. 21; Baumann/Weber/Mitsch § 7 Rdn. 61; Hoyer SK Rdn. 16; Jescheck/Weigend § 18 III 3; Satzger § 5 Rdn. 62; wohl auch Oehler Rdn. 678.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
Ist man entgegen der hier vertretenen Auffassung (Vor § 3 Rdn. 230) der Ansicht, dass sich das passive Personalitätsprinzip nur in seiner eingeschränkten Form, also unter der Voraussetzung einer identischen Tatortnorm, mit dem Völkerrecht vereinbaren lasse (Vor § 3 Rdn. 230), wird § 5 Nr. 6 dem Verdikt der Völkerrechtswidrigkeit (so Ambos MK Rdn. 21) nur durch eine völkerrechtskonforme Auslegung entgehen können. Konkret wäre dann zusätzlich zu verlangen, dass eine den § § 234a, 241 entsprechende N o r m im Tatortrecht besteht oder eine sonstige völkerrechtliche Erlaubnisnorm, etwa das aktive Personalitätsprinzip, im Einzelfall eingreift. Derart eingeschränkt wäre § 5 Nr. 6 allerdings weitgehend überflüssig, da die einschlägigen Fälle über § 7 Abs. 1 oder gegebenenfalls über § 7 Abs. 2 Nr. 1 abgedeckt wären, und dies, ohne dass es auf die einschränkenden Voraussetzungen des § 5 Nr. 6 („Wohnsitz" oder „gewöhnlicher Aufenthalt" im Inland) ankäme. Zugleich würde eine solche einschränkende Auslegung dem Zweck von § 5 Nr. 6 zuwiderlaufen: Erfasst werden sollen gerade diejenigen Auslandstaten gegen Deutsche, gegen die das ausländische Recht einen hinreichenden strafrechtlichen Schutz versagt (vgl. E 1962 Begr., BRDrucks. 200/62 S. 111; Zieher S. 129).
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7. Entziehung eines Kindes (§ 235 Abs. 2 Nr. 2). N a c h § 5 Nr. 6a gilt das deutsche Strafrecht für die sog. passive Entführung eines Kindes, also für Fälle, in denen das im Ausland befindliche Kind vom Täter nicht an den Sorgeberechtigten (Eltern, Elternteil, Pfleger, Vormund) herausgegeben wird. Maßgeblich f ü r das Bestehen der Personensorge ist deutsches Recht, einschließlich des deutschen internationalen Privatrechts. 6 7 Voraussetzung der Geltung des deutschen Strafrechts ist, dass entweder das Kind oder der Sorgeberechtigte, gegen den sich die Tat richtet, im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (Rdn. 20) hat (BTDrucks. 13/8587 S. 27). O b der Täter, das Kind oder der Sorgeberechtigte Deutsche oder Ausländer sind und ob die Tat nach dem a m Tatort geltenden Recht strafbar ist, ist nach dem Wortlaut der Vorschrift unerheblich (siehe aber Rdn. 110 ff).
107
Ähnlich wie § 5 Nr. 6 (Rdn. 99) schränkt auch § 5 Nr. 6a den bereits im Tatbestand des § 235 Abs. 2 Nr. 2 angelegten (extraterritorialen) Geltungsanspruch des deutschen Strafrechts ein, indem nur Straftaten erfasst werden, die sich gegen eine Person mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland richten. Das in § 235 Abs. 2 Nr. 2 mit Strafe bedrohte Verhalten („Vorenthalten im Ausland") erfasst auch und gerade Auslandstaten.
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Die Vorschrift begegnet teilweise völkerrechtlichen Bedenken und bedarf einer Völkerrechtskonformen Reduktion (allgemein dazu § 6 R d n . 2 5 ff).
109
Soweit § 5 Nr. 6a Taten gegen deutsche Staatsangehörige erfasst, rechtfertigt sich die N o r m aus dem passiven Personalitätsprinzip (Vor § 3 Rdn. 2 2 8 ff). Einbezogen sind aber auch Taten gegen ausländische Staatsangehörige, sofern sie vom Bundesgebiet ins Ausland verbracht worden sind oder sich dorthin begeben haben. Diese Konstellation ist vom passiven Personalitätsprinzip nicht gedeckt. Erfasst wird nämlich auch die im Ausland begangene Vorenthaltung eines ausländischen Kindes gegenüber einem ausländischen Sorgeberechtigten, sofern nur entweder das Kind oder der Sorgeberechtigte einen W o h n sitz, wobei ein Zweitwohnsitz genügt (Rdn. 20), im Inland hat oder sich gewöhnlich dort aufhält.
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Nicht überzeugend ist der Versuch, § 5 Nr. 6a mit dem Staatsschutzprinzip (Vor § 3 Rdn. 225 ff) zu rechtfertigen (so aber Ambos M K R d n . 24). Die Tat richtet sich gegen
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Lackner/Kühl Rdn. 3; Tröndle/Fischer Rdn. 6a.
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§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
das elterliche oder sonst familienrechtliche Sorgerecht und das vorenthaltene Kind (BTDrucks. 13/8597 S. 38). 6 8 Selbst wenn man - was zweifelhaft ist - dem Staatsschutzprinzip auch den Schutz der inländischen Wohnbevölkerung als „kollektivem Teil des staatlichen Bestandes" zurechnet ( A m b o s MK Rdn. 24), so richtet sich die Tat nach § 235 Abs. 2 Nr. 2 jedenfalls nicht gegen die Wohnbevölkerung als solche, sondern nur gegen ein einzelnes Individuum, das Teil dieser Wohnbevölkerung ist. 112
Soweit Taten gegen ausländische Staatsangehörige erfasst werden, kann § 5 Nr. 6a allein dem passiven Domizilprinzip zugeordnet werden (Vor § 3 Rdn. 254; so auch Satzger § 5 Rdn. 62). Dieses ist als solches völkerrechtlich indes (noch) nicht vollständig anerkannt, obwohl sich ein Bedürfnis nach seiner Anerkennung aus den zunehmenden Migrationsbewegungen ergibt. Auch die Entwicklung in Deutschland ist von einer solchen Migrationsbewegung geprägt.
113
Z u weit geht die Vorschrift deshalb, wenn sie auch in denjenigen Fällen Anwendung finden soll, in denen ausländische Staatsangehörige in der Bundesrepublik Deutschland nur vorübergehend einen Wohnsitz genommen haben. Hier ist es nicht gerechtfertigt, das deutsche Strafrecht auf die in der N o r m genannten Sachverhalte zu erstrecken. Insoweit bedarf die Vorschrift der völkerrechtskonformen Reduktion (allgemein dazu § 6 Rdn. 25 ff). Deutsches Strafrecht kann in diesem Fall für Auslandstaten gem. § 235 Abs. 2 Nr. 2 nur gelten, wenn der Täter, das Kind oder der Inhaber der Personensorge Deutscher ist oder die Voraussetzungen des Stellvertretungsprinzips (Vor § 3 Rdn. 248 ff; § 7 Rdn. 90 ff) vorliegen, insbesondere also die Tat nach dem Recht des Tatorts mit Strafe bedroht ist.
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Zweifelhaft, aber letztlich wohl völkerrechtskonform, ist dagegen die Anwendung des deutschen Strafrechts in denjenigen Fällen, in denen das ausländische Opfer ein langjähriges Domizil in Deutschland hatte, beispielsweise hier aufgewachsen und zur Schule gegangen ist oder zur Schule geht. Hier kommen neben dem Gedanken des passiven Domizilprinzips die N ä h e zum passiven Personalitätsprinzip und der Schutz des Kindeswohls ins Spiel. Das Völkerrecht steht einer solchen vorsichtigen Ausdehnung des Geltungsbereichs auf Auslandstaten gegen dauerhaft im Inland lebende Ausländer wohl nicht entgegen.
115
8. Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. 69 § 5 Nr. 7 schützt Betriebsund Geschäftsgeheimnisse gegen Auslandstaten unabhängig vom Recht des Tatorts.
116
Erfasst sind insbesondere Verletzungs- und Verwertungshandlungen gem. §§ 202a, 203, 204. N a c h dem jeweiligen Absatz 4 der §§ 17, 18 und 19 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3.7.2004 (UWG; BGBl. I S. 1414) gilt § 5 Nr. 7 für den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG), die Verwertung von Vorlagen (§ 18 UWG) und das Verleiten und Erbieten zum Verrat (§ 19 UWG) entsprechend. Ferner genügt es, wenn die Verletzung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch die Begehung eines allgemeinen Eigentums- oder Vermögensdeliktes wie §§ 242, 246, 266 erfolgt, soweit die Tat der Beschaffung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen dient. 7 0
117
a) Voraussetzungen. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen, die nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheimgehalten werden sollen, die ferner nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und damit nicht offenkundig sind, und hin-
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BGHSt 44 355, 357; Lackner/Kühl § 235 Rdn. 1. Bruch NStZ 1986 259; Dehler Rdn. 583; Zieher S. 131 ff.
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Zieher S. 133; diesem folgend: Ambos MK Rdn. 25; Lackner/Kühl Rdn. 3.
Gerhard Werle/Florian Jeßberger
Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
sichtlich derer der Betriebsinhaber deshalb ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat, weil eine Aufdeckung der Tatsachen geeignet wäre, ihm wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (BGH wistra 1995 266 f). Unter einem Geheimnis ist im Übrigen jedes Verfahren zu verstehen, das einem Gewerbebetrieb so eigentümlich ist, dass es in anderen Betrieben nicht oder nur vereinzelt angewendet wird, und das so wichtig ist, dass es unbekannt bleiben soll, weil das Bekanntwerden die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs beeinträchtigen könnte (RGSt 48 12, 14 f). Insoweit besteht zwischen Geschäfts- und Betriebsgeheimnis kein Unterschied (RGSt 31 90, 91). Das Geschäftsgeheimnis bezieht sich auf den allgemeinen Geschäfts- und Handelsverkehr, das Betriebsgeheimnis auf den technischen Betrieb. Steuergeheimnisse werden - entgegen dem Vorschlag des § 5 Nr. 12 E 1962 von § 5 Nr. 7 nicht erfasst und sind grundsätzlich nicht gegen Auslandstaten geschützt (siehe aber Nrn. 12, 13 i.V.m. § 355). 7 1 Ob der Täter, der Eigentümer des Betriebes oder Unternehmens oder der über das Geheimnis Verfügungsberechtigte Deutscher oder Ausländer ist, ist für die Frage der Geltung des deutschen Strafrechts unerheblich. Geschützt sind aber nur Geheimnisse von Betrieben und Unternehmen, die eine formalisierte Verbindung zum Inland aufweisen, nämlich
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Betriebe, die in Deutschland (im „räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes", § 3 Rdn. 12, 22) liegen und dort ihre Produktions- und Geschäftstätigkeit entfalten. Bloße „Briefkastenadressen" genügen nicht. Auch ist der Begriff des Betriebs in § 5 Nr. 7 mit dem des § 14 Abs. 2 nicht identisch. 72
119
Unternehmen, die ihren Firmen- oder Geschäftssitz (§ 106 HGB, § 5 AktG, §§ 3, 7, 10, 11 GmbHG) im Inland haben. In wessen Eigentum sie stehen, ist nicht maßgebend, auch Unternehmen, deren Geschäftskapital ganz oder teilweise Ausländern zusteht, fallen darunter; denn auch solche Unternehmen gehören zur Volkswirtschaft der Bundesrepublik und müssen vom Strafschutz umfasst sein (E 1962 Begr. S. 111); umgekehrt werden Unternehmen mit Sitz im Ausland nicht etwa deswegen erfasst, weil sie sich ganz oder teilweise in den Händen deutscher Anteilseigner befinden (2. Bericht, BTDrucks. V/4095 S. 5).
120
Unternehmen, deren Sitz zwar im Ausland liegt, die aber, etwa als „Tochtergesellschaft", von einem Unternehmen mit Sitz im räumlichen Geltungsbereich abhängig sind und mit diesem einen Konzern bilden. Indessen fallen sogenannte Gleichordnungskonzerne (§ 18 Abs. 2 AktG), bei denen rechtlich selbstständige Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst werden, nicht darunter, sondern nur solche ausländischen Tochtergesellschaften, die mit einem deutschen Mutterunternehmen zu einem einheitlichen Konzern im Sinne des § 18 Abs. 1, § § 329 ff AktG verbunden sind (2. Bericht, BTDrucks. V/4095 S. 5).
121
b) Völkerrechtliche Rechtfertigung. § 5 Nr. 7 beruht auf dem passiven Personalitätsprinzip, das grundsätzlich auch Taten erfasst, die sich gegen inländische juristische Personen mit inländischer Staatszugehörigkeit richten (Kindhäuser LPK Rdn. 6).
122
Nach anderer Auffassung soll die Vorschrift auf dem Staatsschutzprinzip (Vor § 3 Rdn. 225 ff) beruhen. 73 Eine Stütze findet diese Ansicht in den Gesetzesmaterialien,
123
71
2 . Bericht, BTDrucks. V / 4 0 9 5 S. 5.
72
Tröndle/Fischer Rdn. 7. Henrich S. 4 2 ; Hoyer SK Rdn. 18; Jescheck/ Weigend § 18 III 3 („Einschlag des Staatsschutzprinzips"); Oehler Rdn. 5 8 3 ; Zieher
73
S. 131 f; unklar Ambos M K Rdn. 1 (passives Personalitätsprinzip) einerseits, Rdn. 2 6 (Schutz der deutschen Volkswirtschaft) andererseits.
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547
§5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
w o n a c h § 5 Nr. 7 primär den Schutz der deutschen Volkswirtschaft gegen Angriffe aus dem Ausland bezwecke ( B T D r u c k s . IV/650 S. I l l ; E 1 9 6 2 Begr., B R D r u c k s . 2 0 0 / 6 2 S. 1 1 1 ) . Argumentiert wird, die Verletzung der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse k ö n n e sich unter Umständen negativ auf den wirtschaftlichen Erfolg des betroffenen Betriebes oder U n t e r n e h m e n s auswirken und damit mittelbar dessen Fähigkeit beeinträchtigen, zum (deutschen) Bruttosozialprodukt beizutragen, Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen und Steuern an den deutschen Fiskus zu z a h l e n . 7 4 D e m entspreche es, dass die Eigentumsverhältnisse am Unternehmen o h n e Bedeutung für die Geltung des deutschen Strafrechts sind. 124
D e r Versuch, das Staatsschutzprinzip für die völkerrechtliche Rechtfertigung des § 5 Nr. 7 f r u c h t b a r zu m a c h e n , vermag indes nicht zu überzeugen: Es lässt sich rechtlich nicht überzeugend begründen, dass die W i r t s c h a f t eines Staates als solche vom Staatsschutzprinzip umfasst sein soll. Durch das Staatsschutzprinzip rechtfertigen lässt sich der Einsatz des Strafrechts nur zur A b w e h r von solchen Angriffen, die sich unmittelbar gegen die Existenz und die Integrität des Staates und seiner Funktionen richten (Vor § 3 R d n . 2 2 5 ) . D a s Prinzip ist überdehnt, wenn es zur Rechtfertigung möglicher und höchst mittelbarer Beeinträchtigungen der staatlichen Volkswirtschaft herangezogen wird. Andernfalls ließe sich unter dem Gesichtspunkt des Staatsschutzprinzips die Strafgewalt auf nahezu jedes im Ausland zum Nachteil eines inländischen Unternehmens begangene und a m ausländischen T a t o r t möglicherweise straflose Wirtschaftsdelikt ausdehnen.
125
9. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ( § § 1 7 4 Abs. 1 und 3 , 1 7 6 bis 1 7 6 b und 1 8 2 ) . 7 5 N a c h § 5 Nr. 8 gilt das deutsche Strafrecht für bestimmte Sexualstraftaten, wenn diese von Deutschen im Ausland begangen werden; o b die Tat auch nach dem R e c h t des Tatorts strafbar ist oder nicht ist unerheblich. Erfasst werden der sexuelle M i s s b r a u c h von Kindern (§§ 1 7 6 bis 1 7 6 b ) , von Jugendlichen (§ 1 8 2 ) und von Schutzbefohlenen (§ 1 7 4 Abs. 1 und 3), letzterer j e d o c h nur, soweit der Missbrauch durch H a n d l u n g e n „ a m " Schutzbefohlenen erfolgt.
126
Die Vorschrift beruht auf dem aktiven Personalitätsprinzip (Vor § 3 R d n . 2 3 2 ff), das gem. Buchst, a für den im Ausland begangenen sexuellen M i s s b r a u c h von Schutzbefohlenen (§ 1 7 4 Abs. 1) durch das passive Personalitätsprinzip (Vor § 3 R d n . 2 2 8 f f ) und das Domizilprinzip (Vor § 3 R d n . 2 5 4 f f ) ergänzt und eingeschränkt wird. Insoweit ist die Bestimmung völkerrechtlich u n b e d e n k l i c h . 7 6
127
§ 5 Nr. 8 w i r k t auf den ersten Blick allerdings wenig überzeugend, weil nur einzelne Sexualdelikte mittlerer Schwere herausgegriffen und in den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts einbezogen werden, während Sexualstraftaten wie Vergewaltigung, sexuelle N ö t i g u n g und sexueller M i s s b r a u c h Widerstandsunfähiger (§§ 1 7 7 bis 1 7 9 ) unerwähnt bleiben. Dies geschieht indes in der regelmäßig zutreffenden A n n a h m e , dass schwere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung v o m Strafrecht des Tatorts ohnedies erfasst werden und damit entsprechende Auslandstaten Deutscher der deutschen Strafgewalt bereits gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 unterliegen; siehe hierzu auch R d n . 8 . 7 7
128
N a c h Buchst, a setzt die Geltung des deutschen Strafrechts für den im Ausland begangenen Missbrauch Schutzbefohlener voraus, dass T ä t e r ( R d n . 2 1 f f ) und O p f e r Deutsche (§ 7 R d n . 6 9 f f ) sind und ihre Lebensgrundlage im Inland (Rdn. 19) h a b e n . N u r dann ist das Tatortrecht unerheblich (sonst § 7). Erfasst werden sollen durch § 5 Nr. 8 Buchst, a 74 75 76
Ambos MK Rdn. 26; Zieher S. 132. Schroeder NJW 1993 2581. AA mit Blick auf § 5 Nr. 8 Buchst, b Lackner/Kühl Rdn. 3; Oehler Rdn. 139.
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Hoyer SK Rdn. 19; Rdn. 15.
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Sch/Schröder/Eser
Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
vor allem Fälle, in denen sich der Täter ein „Strafrechtsgefälle" zwischen dem In- und Ausland zu Nutze macht und das deutsche Strafrecht gezielt umgeht, indem beispielsweise ein bereits ins Auge gefasstes Opfer zu einer gemeinsamen Fahrt ins Ausland veranlasst und dort - etwa wegen abweichender Altersgrenzen nach Tatortrecht - straflos missbraucht wird (BTDrucks. V/4095 S. 5; Rdn. 4 ) . 7 8 Nach Buchst, b gilt deutsches Strafrecht für den im Ausland begangenen Missbrauch eines Kindes oder eines Jugendlichen dagegen bereits, wenn nur der Täter (Rdn. 21 ff) Deutscher (Vor § 3 Rdn. 3 2 6 ; § 7 Rdn. 55 ff) ist. Nachdem durch das 29. StrÄndG das Erfordernis, dass das Opfer Deutscher mit Lebensgrundlage im Inland sein müsse, gestrichen wurde, hat das 6. StRG den Anwendungsbereich der Vorschrift erneut erweitert, indem nunmehr alle Deutschen als Täter in Frage kommen, also auch solche, die ihre Lebensgrundlage im Ausland haben (Entstehungsgeschichte; vgl. zu den Gründen BTDrucks. 12/4883 S. 7; 13/9064 S. 8 f). Anders als Buchst, a zielt Buchst, b damit nicht auf die Erfassung von Umgehungstatbeständen, sondern allgemein auf die Bekämpfung des sog. Sextourismus von Deutschen in rechtlich und sozial unterentwickelten Staaten (BTDrucks. 13/9064 S. 9; Hoyer SK Rdn. 21). Opfer können hier auch und gerade ausländische Kinder und Jugendliche sein.
129
Auch wenn das Ziel der Vorschrift aus kriminalpolitischer Sicht nicht zu beanstanden ist, ist sie ohne praktische Bedeutung geblieben, zumal es nach wie vor an vertraglichen Rechtshilferegelungen mit den vorrangig betroffenen Tatortstaaten fehlt. 7 9
130
10. Abbruch der Schwangerschaft (§ 218). Nach § 5 Nr. 9 gilt das deutsche Strafrecht für den Abbruch der Schwangerschaft (§ 218), wenn die Tat im Ausland begangen wird. Ob die Tat nach dem Recht des Tatorts strafbar ist oder nicht, ist ohne Bedeutung. Nicht erfasst werden Verstöße gegen §§ 218b, 219a, 219b.
131
Die Vorschrift verfolgt einen doppelten Zweck: Zum einen soll verhindert werden, dass grenznah im Inland lebende Deutsche (Ärzte, Krankenschwestern) im Ausland straflos Schwangerschaftsabbrüche vornehmen; zum anderen soll der Entwicklung entgegen gewirkt werden, dass deutsche Schwangere sich ins Ausland begeben, um ihre Schwangerschaft dort straflos abzubrechen; insoweit richtet sich die Vorschrift gegen ein angebliches „Reichenprivileg". 8 0
132
Die Vorschrift erweitert den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts über § 7 hinaus gerade in den Fällen, in denen die ausländische Rechtsordnung eine grundsätzlich andere Haltung zur Legalität des Schwangerschaftsabbruchs einnimmt (vgl. 2. Bericht, BTDrucks. V/4095 S. 5). Ist die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht, gilt deutsches Strafrecht gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 über die Fälle des § 5 Nr. 9 hinaus auch für Taten von Deutschen mit Lebensgrundlage im Ausland sowie - gem. § 7 Abs. 1 - auch für den Schwangerschaftsabbruch eines Ausländers an einer deutschen Schwangeren.
133
Voraussetzung ist, dass der Täter (oder die Täterin; zum Begriff Rdn. 21 ff) zur Zeit der Tat Deutscher (Vor § 3 Rdn. 3 2 6 ; § 7 Rdn. 5 5 ff) ist und seine Lebensgrundlage (Rdn. 19) in Deutschland hat. Unabhängig vom Recht des ausländischen Tatorts gilt das deutsche Strafrecht damit, wenn eine deutsche Schwangere im Ausland eine Selbstabtreibung an sich vornimmt oder eine Fremdabtreibung an sich vornehmen lässt, oder wenn
134
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Ambos MK Rdn. 27; Eser FS Jescheck, S. 1370 ff; Hoyer SK Rdn. 20.
79
Krit. daher Schomburg/Lagodny StV 1994 393, 395; Vogler FS Grützner, S. 158 („kriminologische Naivität" des Gesetzgebers);
vgl. auch Lemke NK Rdn. 16; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 15; Zieher S. 135. 80
E 1962 Begr., BRDrucks. 200/62 S. 111; 2. Bericht, BTDrucks. V/4095 S. 5; Hoyer SK Rdn. 24; krit. Zieher S. 137 f.
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§ 5
1. Abschnitt. Das Strafgesetz
ein Deutscher, in der Regel ein deutscher Arzt, im Ausland die Schwangerschaft einer (deutschen oder ausländischen) Schwangeren abbricht; Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass die Schwangere bzw. der Arzt ihre Lebensgrundlage in Deutschland haben und die in § 218a genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. 135
Dagegen greift § 5 Nr. 9 nicht ein, wenn ein deutscher Arzt oder eine deutsche Krankenschwester lediglich Beihilfe zum Schwangerschaftsabbruch eines Ausländers an einer Ausländerin leisten. 81 Dies ergibt sich aus der Akzessorietät der Teilnahme zur (in diesem Fall straflosen) Haupttat (siehe auch Rdn. 28 ff). Für Anstiftung und Beihilfe durch eine Deutsche oder durch einen Deutschen zu einer Auslandstat gilt das deutsche Strafrecht mithin nur, wenn (außerdem) entweder der schwangerschaftsabbrechende Arzt oder die Schwangere Deutsche mit Lebensgrundlage im Inland sind oder der Teilnehmer im Inland handelt (dann: §§ 3, 9 Abs. 2 Satz 2).
136
Die Vorschrift beruht auf dem aktiven Personalitätsprinzip (Vor § 3 Rdn. 232 ff), 8 2 das durch das aktive Domizilprinzip (Vor § 3 Rdn. 254) eingeschränkt wird. Soweit die Schwangerschaft einer deutschen Schwangeren abgebrochen wird, verwirklicht die Vorschrift mit Blick auf die (werdende) Inländerin oder den (werdenden) Inländer zugleich das passive Personalitätsprinzip (Vor § 3 Rdn. 228 ff); siehe aber auch § 7 Rdn. 65. 83
137
Verfehlt ist dagegen die Ansicht von Ambos (MK Rdn. 29), 8 4 wonach die Vorschrift deshalb (auch) auf dem Staatsschutzprinzip beruhe, weil der Bestand der deutschen Bevölkerung geschützt werde. § 218 schützt (neben der Gesundheit der Schwangeren) das ungeborene Leben als Individualrechtsgut (vgl. die Erläuterungen zu § 218) und nicht etwa den (Fort-)Bestand des deutschen Staatsvolkes. Im Übrigen erfasst die Norm gerade auch die Abtreibung an einer ausländischen Schwangeren durch einen deutschen Arzt.
138
11. Falsche uneidliche Aussage, Meineid und falsche Versicherung an Eides statt (§§ 153 bis 156). 85 § 5 Nr. 10 erfasst Aussagedelikte, die nach den §§ 153 bis 156 strafbar sind und im Ausland vor einem ausländischen oder internationalen Gericht oder einer anderen zuständigen ausländischen oder deutschen Stelle, etwa einem deutschen Konsulat, begangen werden.
139
Die Geltung des deutschen Strafrechts steht dabei unter der einschränkenden Voraussetzung, dass das Aussagedelikt in einem Verfahren begangen wird, das bei einem deutschen Gericht oder einer anderen deutschen Stelle, die zur Abnahme von Eiden oder eidesstattlichen Versicherungen zuständig ist, anhängig ist. Ob der Täter Deutscher oder Ausländer ist und ob das ausländische Recht die Tat mit Strafe bedroht, spielt für die Geltung des deutschen Strafrechts keine Rolle. Zu beachten ist, dass regelmäßig bereits ein Begehungsort im Inland anzunehmen sein wird, vgl. auch § 9 Rdn. 333 f; deutsches Strafrecht gilt dann gem. §§ 3, 9.
140
§ 5 Nr. 10 bezweckt allein den Schutz der deutschen Rechtspflege. Die Vorschrift ist vor allem für Falschaussagen von Bedeutung, die bei Rechtshilfeverfahren vor ausländischen Behörden oder vor deutschen Auslandsvertretungen (§ 12 Nrn. 2, 3, § 15 Abs. 2
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Lackner/Kühl Rdn. 3; Lemke N K Rdn. 19; Oehler Rdn. 769; Sch/Schröder/Eser Rdn. 17; Tröndle/Fischer Rdn. 9. Satzger § 5 Rdn. 62; Sch/Schröder/Eser Rdn. 17; Tröndle/Fischer Rdn. 9. Krit. Hoyer SK Rdn. 23; zu weit gehend Baumann/Weber/Mitsch § 7 Rdn. 61, die Nr. 9
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ausschließlich dem passiven Personalitätsprinzip zuordnen wollen. Ähnlich Begr. ξ 5 Nr. 13 E 1962, BRDrucks. 200/62 S. 111. Zieher S. 118 ff.
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Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
§5
KonsularG) gemacht werden. Hingegen schützt das deutsche Strafrecht Verfahren vor ausländischen Behörden und Gerichten grundsätzlich nicht (Vor § 3 Rdn. 301). Der Wortlaut der Vorschrift („Verfahren, das im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem Gericht ... anhängig ist") darf nicht etwa dahin missverstanden werden, dass § 5 Nr. 10 auch Verfahren vor ausländischen Gerichten, die ausnahmsweise in Deutschland tätig werden (vgl. etwa Art. VII Abs. 1 Buchst, a NATO-TS, Vor § 3 Rdn. 2 2 ) , schütze. Die Vorschrift beruht auf dem Staatsschutzprinzip (Vor § 3 Rdn. 2 2 5 ff) und sichert die deutsche Rechtspflege gegen Angriffe aus dem Ausland. 8 6
141
Die Bedenken, die Oehler (Rdn. 5 9 2 ) gegen die Einbeziehung des § 153 in § 5 Nr. 10 geltend macht, greifen nicht durch. Zwar trifft es zu, dass nur wenige Rechtsordnungen die falsche uneidliche Aussage vor Gericht für strafbar erklären. Allerdings lässt sich eine möglicherweise darauf gründende Fehlvorstellung des (ausländischen) Täters nach den allgemeinen Regeln (insbesondere § 17) hinreichend berücksichtigen (Vor § 3 Rdn. 4 5 2 f).
142
12. Straftaten gegen die Umwelt (§§ 324, 3 2 6 , 3 3 0 und 3 3 0 a ) Schrifttum Gündling Die 200-Seemeilen-Wirtschaftszone (1983); Günther-Nicolay Die Erfassung von Umweltstraftaten mit Auslandsbezug durch das deutsche Umweltstrafrecht gemäß §§ 324 ff StGB (2002); Hecker Die Strafbarkeit grenzüberschreitender Luftverunreinigungen im deutschen und europäischen Umweltstrafrecht, ZStW 115 (2003) 800; Klages Meeresumweltschutz und Strafrecht (1989); Laufhütte/Möhrenschlager Umweltstrafrecht in neuer Gestalt, ZStW 92 (1980) 912; Möhrenschlager Konzentration des Umweltstrafrechts, ZRP 1979 97; Oehler Die internationalstrafrechtlichen Bestimmungen des künftigen Umweltstrafrechts, GA 1980 241; Sack Das Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität, NJW 1980 1424; Tiedemann Die Neuordnung des Umweltstrafrechts (1980); Triffterer Die Rolle des Strafrechts beim Umweltschutz in der Bundesrepublik Deutschland, ZStW 91 (1979) 309. a) Inhalt und Bedeutung der Vorschrift. Nach § 5 Nr. 11 gilt deutsches Strafrecht für die darin bezeichneten Straftaten gegen die Umwelt, wenn sie in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (Rdn. 55), also im Ausland begangen werden.
143
Die Vorschrift erweitert den Geltungsbereich des deutschen Umweltstrafrechts, der sich insbesondere aus § 3 (für Taten im Küstenmeer, § 3 Rdn. 41 ff), aus § 4 (für Taten, die von deutschen Schiffen aus begangen werden), sowie aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 (für Taten eines Deutschen im Bereich der hohen See, vgl. Rdn. 5 5 ff; § 7 Rdn. 73 ff) ergibt. 8 7 Bedeutung hat die Vorschrift demnach vor allem für Taten, die Ausländer von ausländischen Schiffen aus sowie von Anlagen und Bauwerken, etwa Bohrinseln, aus im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone begehen.
144
§ 5 Nr. 11 erfasst die folgenden Umweltstraftaten: die Gewässerverunreinigung ( § 3 2 4 ) den unerlaubten Umgang mit gefährlichen Abfällen („dumping", § 326), sowie die schwere Gefährdung durch das Freisetzen ionisierender Strahlen (§ 3 3 0 a ) ; soweit die Voraussetzungen eines besonders schweren Falles vorliegen (§ 3 3 0 ) , erstreckt § 5 Nr. 11 den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts zudem auf Taten der Bodenverunreinigung (§ 324a), der Luftverunreinigung (§ 325), der Verursachung von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierenden Strahlen (§ 325a), des unerlaubten Betreibens von An-
145
86 87
Ambos MK Rdn. 30; Satzger § 5 Rdn. 6. Vgl. auch BTDrucks. 8/2383 S. 12; Lauf-
hütte/Möhrenschlager ZStW 92 (1980) 912, 927; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18a.
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1. Abschnitt. Das Strafgesetz
§5
lagen (§ 327), des unerlaubten Umgangs mit radioaktiven Stoffen und anderen gefährlichen Stoffen und Gütern (§ 328) sowie der Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete a/í mitbestimmt (s. Vor § 15 Rdn. 49 ff), was freilich nicht von der Suche nach einem übergreifenden Leichtfertigkeitsbegn/^ entbindet. Ältere Auffassungen legten den Schwerpunkt auf die gesteigerte Fahrlässigkeitssc^wW bzw. die gesteigerte Verwerflichkeit der Tätergesinnung, z.B. die Rücksichtslosigkeit oder Frivolität (Bockelmann Verkehrsstrafrechtliche Aufsätze und Vorträge [1967] S. 217) oder das Handeln „aus eigensüchtigen Beweggründen in frevelhafter Weise" ähnlich wie bei der Rücksichtslosigkeit i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB (Maurach aaO S. 417 für §§ 239a, 239b und 316c StGB). Demgegenüber legt die heute h.L. im Ausgangspunkt zutreffend den Schwerpunkt auf das gesteigerte Fahrlässigkeitswnrecfcf (Duttge MK Rdn. 186; Sch/ Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben27 Rdn. 205). Es wird überwiegend in der Verletzung einer besonders bedeutsamen, besonders schwer wiegenden Sorgfaltspflicht oder mehrerer Sorgfaltspflichten (Wegscheider ZStW 98 [1986] 624, 650 ff) oder in einer besonders schwer wiegenden, insbesondere besonders gefährlichen (Roxin AT I § 24 Rdn. 87) Verletzung einer Sorgfaltspflicht erblickt; ähnlich E 1962 Begr. S. 132: „besonders ernstzunehmende Pflicht". Gegen derartige Gewichtungen spricht freilich, dass aus Sicht des geschützten Rechtsguts alle erfolgsbedingenden Sorgfaltspflichtverletzungen gleich relevant sind und die Doppelverwertung des Werts des geschützten Rechtsguts und der Gefahr problematisch ist (Duttge MK Rdn. 186; Schroeder LK 11 § 16 Rdn. 212; Tenckhoff ZStW 88 [1976] 897, 910).
296
Zustimmung verdient demgegenüber die vordringende Lehre, die - durchaus im 2 9 7 Anschluss an die Rechtsprechung - die besonders leichte Erkennbarkeit (Schroeder LK 11 § 16 Rdn. 213), das Sich-Aufdrängen der Tatbestandsverwirklichung oder das „besonders gewichtige ,Veranlassungsmoment'" (Duttge MK Rdn. 189) in den Mittelpunkt stellt. Dafür genügt besonders gefährliches Handeln als solches nicht, sondern nur, wenn sich die Gefährlichkeit aufdrängt. Dabei sind die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Täters maßgeblich, der in der Lage gewesen sein muss, die das Leichtfertigkeitsurteil begründenden Tatsachen zu erfassen (aber nicht, dieses Urteil selbst nachzu-
408
Demgegenüber wird nicht selten vertreten, Leichtfertigkeit sei für gewöhnlich bewusste Fahrlässigkeit, s. Bockelmann Verkehrsstrafrechtliche Aufsätze und Vorträge (1967)
S. 217 f; ebenso S o n d e r a u s s c h u ß VI/1573 f; BTDrucks. VI/2722 S. 2 (zu S 2 3 9 a Abs. 2 StGB).
Joachim Vogel
1109
2. Abschnitt. Die Tat
vollziehen; aA Maiwald GA 1974 257, 2 6 4 f). In diesem Sinne ist leichtfertiges Handeln „vorsatznah" 4 0 9 („an Vorsatz grenzende Fahrlässigkeit", BGH, Beschl. v. 18.11.1960 - 4 StR 131/60, zit. bei Tröndle/Fischer53 Rdn. 20). Allerdings legt das Kriterium der „Vorsatznähe" der Leichtfertigkeit das Missverständnis nahe, Leichtfertigkeit sei auf bewusste Fahrlässigkeit zu beschränken; krit. Duttge MK Rdn. 187; Jakobs Landesreferat S. 32; Maiwald aaO S. 260 f; Maurach FS Heinitz, S. 415, 416 f; Tenckhoff ZStW 88 (1976) 897, 900. Gemeint ist aber lediglich, dass es nach den Umständen nahe gelegen hätte, Vorsatz zu fassen. In diesem Sinne kann die Leichtfertigkeitsstrafbarkeit Auffangfunktion für Fälle nicht nachweisbaren, aber nahe liegenden Vorsatzes haben (s. hierzu Arzt GS Schröder, S. 119, 122, 128), was teilweise als Missbrauch des materiellen Strafrechts zur prozessualen Nachweiserleichterung kritisiert wird (z.B. bei § 264 Abs. 4 StGB, vgl. Tiedemann LK 11 § 264 Rdn. 123). Näher zur Gesamtproblematik Vor § 15 Rdn. 74. 298
Bei den erfolgsqualifizierten Delikten (wie z.B. SS 239a Abs. 3, 239b Abs. 2, 316c Abs. 3 StGB) hat das Leichtfertigkeitserfordernis besondere Funktionen, u.a. den Ausschluss der Zurechnung von Kurzschlusshandlungen anderer Beteiligter oder von atypischen Gefährdungen (z.B. Gesundheitsschäden anfälliger Personen durch bloße Aufregung); vgl. Prot. VI/1170f, 1550, 1572 ff. Zudem ist zu beachten, dass die Leichtfertigkeit nicht bereits in der Verwirklichung des ggf. gefährlichen Grundtatbestands erblickt werden darf, andernfalls im Ergebnis eine Erfolgshaftung eintreten würde. Näher S 18 Rdn. 57. 5. Sonderfragen
299
a) Verkehrssicherungspflichten. Bei der zivilrechtlichen Deliktshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB, die im Wesentlichen Fahrlässigkeitshaftung ist, spielen Verkehrssicherungspflichten eine bedeutende Rolle. 410 Die Rechtsfigur ist auch ins Strafrecht übertragen worden und wird dort als eigenständige Fallgruppe von Sorgfaltspflichten behandelt, deren Verletzung einen Fahrlässigkeitsvorwurf auslösen kann (s. nur Sch/Scbröder/ Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 218 ff). Die Verkehrssicherungspflichten gehören freilich nicht nur in die Fahrlässigkeits-, sondern zugleich und in erster Linie in die Unterlassungsdogmatik, da sie zugleich Garantenpflichten i.S.v. § 13 StGB sind (s. nur Rudolphi SK § 13 Rdn. 26 ff; Sch/Schröder/Stree S 13 Rdn. 43 ff). Die Garantenstellung des Verkehrssicherungspflichtigen knüpft nicht an dessen pflichtwidriges Vorverhalten an („Zustandsverantwortlichkeit") und ist deshalb - zumindest theoretisch - von der Ingerenz zu unterscheiden (s. BGHSt 37 106, 114 ff; Rudolphi aaO Rdn. 27).
300
In der Sache geht es um die Verantwortlichkeit für in den eigenen Zuständigkeitsbereich fallende Gefahrenquellen. Solche Gefahrenquellen können sein: Grundstücke, Straßen, Wege und Plätze des öffentlichen Verkehrs, bewegliche Sachen, Sachgesamtheiten (z.B. Unternehmen), Tiere, aber auch (in den Grenzen des Selbstverantwortungsprinzips) Menschen (z.B. Kinder). Zuständig oder verantwortlich können sein: Eigentümer, (berechtigte) Besitzer, Halter, Inhaber von Räumlichkeiten, aber z.B. auch Veranstalter gefährlicher Veranstaltungen und „Autoritätspersonen" (z.B. Eltern). Es gilt der Grund409
So BTDrucks. V\V\26\ S. 23; BGH DStZ(B)
1959 499; Lohmeyer NJW 1960 1798, 1799
für § 4 0 2 a.F. AbgO. Vgl. auch Hall FS Mezger, S. 229, 2 4 4 , 2 4 8 : so hochgradige Fahrlässigkeit, dass sie den Vorwurf des Vorsatzes verdient; Arzt GS Schröder, S. 119, 128.
1110
410
Zusf. Erman/Schiemann11
§ 823 Rdn. 75 ff;
Palandt/Sprau65 § 823 Rdn. 45 ff; Soergel/ Krause13 Anh. II § 823; Staudinger/Haager 13. Bearb., § 823 E Rdn. 1 ff; Wagner MK BGB 4 § 823 Rdn. 2 2 0 ff.
Joachim Vogel
Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln satz, dass die jeweils Zuständigen oder Verantwortlichen von der Gefahrenquelle ausgehende Gefahren überwachen, beherrschen und ihnen entgegenwirken müssen, um zu verhindern, dass aus ihnen Schäden für fremde Rechtsgüter entstehen (s. nur Sch/Schröder/Stree § 13 Rdn. 4 3 ) . Der Grund der Verkehrssicherungspflichten ist umstritten. Teils wird darauf abgestellt, dass dem Recht des Eigentümers usw. zum ausschließlichen Umgang mit der Gefahrenquelle eine (Sozial-)Pflicht zur Gefahrbeherrschung korrespondieren müsse („Kehrseitenargument"), teils auf die verantwortungsbegründende (Sach-)Herrschaft über die Gefahrenquelle, teils auf das Vertrauen des Verkehrs oder berechtigte Verkehrserwartungen in eine nur erlaubt riskante Umwelt (zusf. Vogel Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten [1990] S. 341 ff). Der Streit ist nicht nur von theoretischem Interesse, sondern beeinflusst auch die praktischen Fragen nach Inhalt und Grenzen der Verkehrssicherungspflichten:
301
So ist umstritten, ob die Verkehrssicherungspflicht sich in Gefahrenabwehr erschöpft oder aber, wenn sich die Gefahr realisiert (z.B. ein Passant auf nicht gestreutem Weg stürzt), auch die Verhinderung weiterer Rechtsgutsverletzungen (z.B. eines Erfrierungstodes des Passanten) umfasst (im ersten Sinne die h.L., s. nur Sch/Schröder/Stree § 13 Rdn. 4 4 f); ob sie bei freiwilligem oder auch unfreiwilligem Herrschaftsverlust endet (differenzierend Stree aaO Rdn. 4 8 f; verneinend BGHSt 37 106, 119 ff beim Inverkehrbringen gefährlicher Produkte); ob sie auch in Bezug auf Gefahren besteht, die erst durch rechtswidriges Verhalten Dritter entsteht (z.B. rechtswidrige Ablagerung gefährlichen Abfalls auf einem Grundstück; für eine Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers LG Koblenz N S t Z 1987 2 8 1 ; dagegen Rudolpbi SK § 13 Rdn. 2 8 ) ; ob sie auch gegenüber Unbefugten (z.B. auf einer Baustelle unbefugt spielenden Kindern) bestehen kann; und welche Gefahren sie umfasst, insbesondere ob auch gegen atypische Gefahren Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden müssen (instruktiv B G H N J W 1971 1093; 1 9 7 3 1379, 1380 m. Anm. Hepp S. 2 0 8 5 und Hummel 1974 170 [„Jennerbahn"]). S. zu alledem und zu der überbordenden Kasuistik in Rechtsprechung und Lehre Jescheck LK11 § 13 Rdn. 35 ff.
302
b) Sog. Übernahmefahrlässigkeit. Fehlen dem Täter im entscheidenden Zeitpunkt (o. Rdn. 56) die individuellen Kenntnisse, Fähigkeiten und Mittel, sorgfältig/erlaubt riskant zu handeln, so kann ihm der Vorwurf einer sog. Übernahmefahrlässigkeit („fahrlässige Tätigkeitsübernahme", Schroeder L K 1 1 § 16 Rdn. 141) gemacht werden, wenn er im Zeitpunkt der Übernahme der Tätigkeit erkannte oder hätte erkennen können, dass ihm die Kenntnisse, Fähigkeiten und Mittel fehlen würden, die Tätigkeit sorgfältig/erlaubt riskant zu erfüllen. 4 1 1 Gleich zu behandeln sind Fälle, in denen der Täter erst im Laufe seiner Tätigkeit die Kenntnisse, Fähigkeiten und Mittel verliert, sie aber gleichwohl fortsetzt, z.B. ohne angemessene ständige Fortbildung einen gefährlichen Beruf weiter ausübt (vgl. bereits RGSt 67 12, 2 3 für Heilberufe).
303
Die Rechtsfigur der Übernahmefahrlässigkeit führt in der Praxis zu einer weitgehenden Zurückdrängung des Einwandes fehlender „subjektiver" (individueller) Fahrlässig-
304
411
Vgl. RGSt 67 12, 20; BGHSt 10 133; BGH JR 1986 248 m. Anm. Ulsenheimer, Dreher/Tröndle47 Rdn. 16; Jakobs 9/14; Jescheck/Weigend AT §§ 55 I 3a, 57 II 2, 3; Maurach/Gössel/Zipf § 43 Rdn. 62; U. Neumann Zurechnung und Vorverschul-
den (1985) S. 186 ff; Sch/Schröder/Cramer Rdn. 198; Roxin AT I § 24 Rdn. 110 f; Stratenwerth/Kuhlen § 15 Rdn. 23. Zur Dogmengeschichte Schick ÖJZ 1974 257, 281, 284 ff.
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2. Abschnitt. Die Tat
keit (o. Rdn. 155 ff). Jemandem, den vor Gericht sein Gedächtnis im Stich lässt, kann es zum Fahrlässigkeitsvorwurf gereichen, die Aussage nicht vor der Gerichtsverhandlung sorgfältig vorbereitet zu haben (RGSt 6 2 126, 129 f). Wenn jemand bei unwiderstehlicher Müdigkeit am Steuer einschläft, kann der Fahrlässigkeitsvorwurf darauf gestützt werden, dass er völlig übermüdet losgefahren ist (BGH V R S 5 [1953] 4 4 7 ) ; gleiches gilt, wenn jemand bei erkennbaren Müdigkeitsanzeichen weiterfährt. Wer auf der Fahrt einen unbeherrschbaren epileptischen Anfall erleidet und einen Unfall verursacht, muss sich, wenn er gewusst hat, dass er zu epileptischen Anfällen neigt und ihr Eintreten nicht z.B. durch Medikamenteneinnahme ausgeschlossen hat, bereits den Antritt der Fahrt als fahrlässig vorwerfen lassen (BGHSt 4 0 341). Wer alkoholische Getränke trinkt und weiß, dass er anschließend Auto fahren werde, ist auch dann nach § 316 StGB strafbar, wenn er sich bis zur Schuldunfähigkeit betrinkt und mangels Steuerungsfähigkeit nicht mehr verhindern kann, dass er fährt (BGHSt 4 2 235, 2 3 6 f). S. auch BGHSt 4 3 3 0 6 , 311. 305
Mit der Übernahmefahrlässigkeit wird der Fahrlässigkeitsvorwurf vorverlagert („Vorverschulden"), was ersichtlich strukturelle Ähnlichkeiten mit der actio libera in causa hat (zutr. Maurach/Gössel/Zipf § 4 3 Rdn. 6 2 ) . 4 1 2 O b die Übernahmefahrlässigkeit als „fahrlässige actio libera in causa" konstruiert werden muss, ist allerdings umstritten; die h.A. sieht bei fahrlässigen Erfolgsdelikten jedes sorgfaltswidrige erfolgskausale Verhalten als tatbestandsmäßig an. 4 1 3
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In der Sache dürfen die Sorgfaltsanforderungen an eine Tätigkeitsübernahme bzw. -fortsetzung freilich nicht überspannt werden. Ersichtlich kann es nicht angehen, unbeschränkte Pflichten zum Kenntnis- und Fähigkeitserwerb, insbesondere unbeschränkte Aus- und Fortbildungspflichten, zu postulieren. 4 1 4 Insbesondere darf die Übernahmefahrlässigkeit nicht zur „Lebensführungsschuld" degenerieren, z.B. wenn dem Chirurgen mangelnder Eifer im Studium oder dem Kraftfahrer mangelnde Aufmerksamkeit in der Fahrschule vorgeworfen würde (Duttge M K § 16 Rdn. 132; Roxin AT I § 2 4 Rdn. 118). Zu eng und beim Fahrlässigkeitsdelikt strukturell problematisch ist hingegen die Auffassung, die Übernahmefahrlässigkeit auf ein unmittelbares Ansetzen zum Versuch entsprechend § 2 2 StGB zu beziehen (so aber Horn StV 1 9 9 7 2 6 4 , 2 6 5 f und in SK § 316 Rdn. 12, S 3 2 3 a Rdn. 2 9 ; mit Recht krit. Duttge M K Rdn. 131). Engisch S. 321 stellte darauf ab, ob eine Tatbestandsverwirklichung „am Horizont erscheint", z.B. wenn jemand sich anschickt, Auto zu fahren, nicht aber, wenn er beabsichtigt, bei Gelegenheit ein Auto zu kaufen und zu lenken (S. 318). Im Anschluss an Duttge M K Rdn. 128 kann dies in der Weise fortentwickelt werden, dass die Tätigkeitsübernahme bzw. -fortsetzung dem Täter hinreichenden Anlass geben muss zu bedenken, ob er in der Lage ist, mögliche Tatbestandsverwirklichungen zu vermeiden. Das ist z.B. der Fall, wenn einem Berufstätigen bekannt wird, dass neue einschlägige Vorschriften erlassen worden sind, die in der näheren Zukunft anzuwenden sein werden (Schroeder L K 1 1 § 16 Rdn. 142). Demgegenüber hat ein Lehrer, der überzeugt ist, ohne (damals noch zulässige) Züchtigung der Schüler auszukommen, keinen Anlass, sich zu merken, dass einer seiner Schüler Bluter
412
S. auch Jescheck/Weigend
§ 4 0 VI 2 gegen
Horn GA 1969 289 f. Kritisch Schick ÖJZ 1974 257, 281, 2 8 6 f. 413
S. erneut BGHSt 4 2 235, 2 3 6 f. Zum Streit in der Lehre s. einerseits Rudolphi FS Henkel, S. 199, 2 0 7 und andererseits Duttge MK Rdn. 129; vgl. auch U. Neu-
414
Engisch Untersuchungen S. 318 ff; Jakobs
Studien S. 151; Schick ÖJZ 1974 257 ff, 281 ff. Vgl. auch die Forderung nach Spezifizierung der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung, Rdn. 131.
mann (Fn. 411) S. 129.
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Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln ist, so dass, schreitet er doch zur Züchtigung, ihm kein Fahrlässigkeitsvorwurf daraus erwachsen kann, dass ihm die Blutereigenschaft früher einmal mitgeteilt worden ist (BGHSt 14 5 2 , 55). c) Sog. Rechtsfahrlässigkeit. In der neueren Strafrechtsgeschichte spielte die sog. Rechtsfahrlässigkeit insbesondere als fahrlässige Rechtsunkenntnis vor allem im Streit zwischen Vorsatz- und Schuldtheorie (o. Rdn. 3 7 ff) eine Rolle. Insbesondere schlugen Anhänger der Vorsatztheorie vor, zur Vermeidung unbilliger Strafbarkeitslücken oder unbillig milder Bestrafung die Rechtsfahrlässigkeit gesondert unter Strafe zu stellen, was auch in der nationalsozialistischen Strafrechtsreform aufgegriffen wurde. 4 1 5 Alles das ist durch die Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten der Schuldtheorie (o. Rdn. 38) überholt.
307
Allerdings hat sich der Begriff der Rechtsfahrlässigkeit bis heute erhalten. Er spielt einerseits bei § 17 StGB eine Rolle, wo die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums zunehmend nach Fahrlässigkeitsmaßstäben und in diesem Sinne als Rechtsfahrlässigkeit bestimmt wird (s. Duttge M K Rdn. 2 3 ff und eingehend § 17 Rdn. 35 ff). Andererseits gibt es Straftatbestände, bei denen sich die Fahrlässigkeit nach Sinn und Zweck des Tatbestands auf die Verkennung der Rechtslage beziehen muss, vor allem bei Blankettstrafgesetzen (näher § 16 Rdn. 38).
308
d) Rechtfertigung bei Fahrlässigkeitsdelikten. Rechtfertigungsgründe zielen gesetzlichen Leitbild nach auf vorsätzliches Handeln. Auch kann das Vorliegen Rechtfertigungsgrundes, z.B. einer Einwilligung, bereits die Sorgfaltswidrigkeit im der Schaffung eines unerlaubten Risikos ausschließen (o. Rdn. 2 3 3 ff; s. Roxin § 2 4 Rdn. 108). Gleichwohl bleibt nach h.A. auch bei Fahrlässigkeitsdelikten gewisser Raum für eine Rechtfertigung. 416
ihrem eines Sinne AT I noch
309
So kann Notwehr (§ 32 StGB) einerseits ungewollte Auswirkungen einer Verteidigung decken, wenn sie zu den typischen Risiken der berechtigt gewählten Verteidigungsart gehören, z.B. wenn jemand in Notwehr mit einer geladenen Pistole schlagen darf, weil er sich anders nicht wirksam wehren kann, und sich ungewollt ein Schuss löst, der den Angreifer schwer verletzt (BGHSt 2 7 313), oder wenn ein gegen den Arm gezielter Faustschlag des Verteidigers das Kinn des Angreifers trifft und eine schwere Gehirnverletzung bewirkt (BGH NStZ 1988 4 0 8 f). Andererseits folgt aus § 32 StGB a maiore ad minus, dass ein Verteidigungsverhalten, das durch Notwehr gedeckt wäre, auch gerechtfertigt ist, wenn es dem Verteidiger infolge Fahrlässigkeit unterläuft, z.B. wenn der Verteidiger dem Angreifer mit einer Pistole nur droht und sich ungewollt ein Schuss löst, den der Verteidiger nach Lage der Dinge auch hätte vorsätzlich abgeben dürfen (BGHSt 25 2 2 9 ; aA O L G Frankfurt am Main N J W 1 9 5 0 119). In der Lehre viel diskutiert ist die - bislang, soweit ersichtlich, nicht praktisch gewordene - Frage, ob dies auch dann gilt, wenn der Fahrlässigkeitstäter die Rechtfertigungslage nicht kennt (z.B. aus Fahrlässigkeit einen „Autofallensteller" anfährt, Stratenwerth/Kuhlen § 15 Rdn. 43). Trotz fehlender Kenntnis der Rechtfertigungslage, also Handlungsunrecht der Fahrlässigkeit, soll hier nach der zutr. h.A. das Erfolgsunrecht entfallen und nur ein strafloser fahrlässiger Versuch verbleiben. 4 1 7
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415
416
Schäfer in Gürtner (Hrsg.) Das kommende deutsche Strafrecht, AT 2 (1944) S. 64. Duttge MK Rdn. 192; Jescheck/Weigend § 56 I 1; Lackner/Kühl Rdn. 48; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 188; Stratenwerth/Kuhlen § 15 Rdn. 34.
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Frisch FS Lackner, S. 130 ff; Jescheck/Weigend $ 56 I 3; Kühl AT 5 § 17 Rdn. 80; Roxin AT I § 24 Rdn. 103; Sch/Schröder/ Lenckner Vorbem. §§ 32 ff Rdn. 99; abw. Hirsch LK 11 Vor § 32 Rdn. 58.
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§15
2. Abschnitt. Die Tat
- Z u r Rechtfertigung einer Trunkenheitsfahrt bzw. in ihrem Zuge begangener fahrlässiger Tötungen oder Körperverletzungen durch rechtfertigenden Notstand (§ 3 4 StGB) s. O L G H a m m V R S 2 0 ( 1 9 6 1 ) 2 3 2 ; Jescheck/Weigend § 5 6 I 3; Roxin A T I § 2 4 R d n . 1 0 6 . - Z u r Rechtfertigung ärztlicher N o t m a ß n a h m e n , die nicht der lex artis entsprechen, durch mutmaßliche Einwilligung s. Roxin AT I § 2 4 R d n . 107. 311
e) Schuld bei Fahrlässigkeitsdelikten. N a c h allgemeiner Auffassung sind die allgemeinen Schuldausschließungs- und Entschuldigungsgründe auch bei Fahrlässigkeitsdelikten a n w e n d b a r , so z.B. §§ 17, 19, 2 0 , 3 3 , 3 5 S t G B . Freilich bestehen Besonderheiten z.B. beim Verbotsirrtum (s. § 1 7 R d n . 1 0 8 ) und bei der sog. fahrlässigen actio libera in causa
(s.Jähnke LK 1 1 § 2 0 Rdn. 83).
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O b es im Übrigen eine „spezifische Fahrlässigkeitsschuld" gibt, ist nicht unbestritten (verneinend z.B. Duttge M K R d n . 1 9 9 ) . N a c h noch h . L . gehört die „subjektive" (individuelle) Fahrlässigkeit erst zur Schuld und ist besondere Schuldvoraussetzung des Fahrlässigkeitsdelikts (näher o. R d n . 151 ff). Z u d e m hat sich im Anschluss an R G S t 3 0 2 5 ( „ L e i n e n f ä n g e r - F a l l " ) die Auffassung durchgesetzt, dass auch jenseits von Zwangslagen, die nach § 3 5 S t G B entschuldigen (würden), die U n z u m u t b a r k e i t n o r m g e m ä ß e n Verhaltens die Fahrlässigkeitsschuld entfallen lassen k a n n 4 1 8 (aA Duttge M K Rdn. 2 0 3 : „generalklauselartiger T o p o s " , „ L e e r f o r m e l " ) . Straftatsystematisch wird die Unzumutbarkeit teils als übergesetzlicher Entschuldigungsgrund, teils als Begrenzung der „subjekt i v e n " (individuellen) Sorgfalt gedeutet. 4 1 9 In der Sache geht es um notstandsähnliche Fälle (RG a a O : keine Fahrlässigkeit des Kutschers, der aus Furcht vor Verlust des Arbeitsplatzes ein gefährliches Pferd [ „ L e i n e n f ä n g e r " ] kutschiert), um tragische Unglücksfälle ( R G S t 3 6 7 8 : keine Fahrlässigkeit des Vaters, der nach Tod der M u t t e r , die auf dem Sterbebett bittet, das schwer erkrankte, aber ärztlich behandelte Kind zu Hause gesund zu pflegen, das Kind zu spät ins K r a n k e n h a u s bringt; B G H N S t Z 1 9 8 9 2 1 : keine Fahrlässigkeit der nichtehelichen jugendlichen M u t t e r , die von der G e b u r t völlig überrascht wird, in S c h o c k gerät, zu sterben glaubt und versäumt, Hilfe zu rufen) und drittens um Fälle an der Grenze zum unvermeidbaren Verbotsirrtum ( R G S t 7 4 1 9 5 : keine Fahrlässigkeit des S t r a ß e n b a h n s c h a f f n e r s , der eine fehlerhafte, gefährliche Dienstvorschrift befolgt). In solchen Fällen ist Strafe nicht nur general- oder spezialpräventiv verfehlt, sondern die Taten unterschreiten die Untergrenze strafrechtlich relevanter Schuld, weshalb es nicht ausreicht, nur über § 1 5 3 S t P O zu helfen (so aber Hoyer SK Anh. zu § 16 R d n . 101 ff).
V. O b j e k t i v e S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g e n 313
Objektive Strafbarkeitsbedingungen sind M e r k m a l e der Strafgesetze des Besonderen Teils, die Bedingung für die Strafbarkeit des Handelns sind, aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in den Regelungsbereich der §§ 15, 16 S t G B fallen, also weder v o m Vorsatz n o c h von der Fahrlässigkeit umfasst sein müssen und nicht einem Tatumstands-
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Burgstaller S. 198 ff; Jakobs 20/35 ff; Jescheck/Weigend § 57 IV; Roxin AT I § 23 Rdn. 122 ff; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 204; Stratenwertb/ Kuhlen § 15 Rdn. 51 ff.
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41?
S. einerseits Baumann/Weber/Mitsch § 23 Rdn. 63; Bockelmann/Volk AT 4 § 20 IV 2c und andererseits Burgstaller S. 199; Jescheck/Weigend § 57 IV.
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Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln
irrtum zugänglich sind. 420 Begründet wird das mit der Erwägung, dass objektive Strafbarkeitsbedingungen jenseits von Unrecht und Schuld anzusiedeln seien und das Handeln unabhängig von ihnen strafwürdiges bzw. -bedürftiges schuldhaftes Unrecht sei („Abzugsthese", Geisler GA 2 0 0 0 166); doch mache der Gesetzgeber die Strafbarkeit aus jenseits von Unrecht und Schuld liegenden kriminalpolitischen Zweckmäßigkeitserwägungen oder mit Rücksicht auf überwiegende außerstrafrechtliche Interessen noch vom Eintritt der Bedingung abhängig. Beispiele sind: Bestehen diplomatischer Beziehungen und Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 104a StGB); Nichterweislichkeit der Wahrheit der ehrverletzenden Tatsache (§ 186 StGB); Tod eines Menschen oder schwere Körperverletzung (§ 231 StGB); Zahlungseinstellung oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. dessen Ablehnung mangels Masse (§ 283 Abs. 6 StGB); Rauschtat (§ 323a Abs. 1 StGB). Zu den Einzelheiten s. Laufhütte LK 1 1 § 104a Rdn. 1, Hilgendorf LK 1 1 § 186 Rdn. 12, Hirsch LK 1 1 § 231 Rdn. 10, Tiedemann LK 1 1 Vor § 283 Rdn. 89 und Spendel LK 1 1 § 323a Rdn. 157. Die Rechtsprechung nimmt den Willen des Gesetzgebers hin (s. BGHSt 14 132; 16 130, 132 zum heutigen § 231 StGB; BGHSt 28 231, 234 zu § 283 Abs. 6 StGB; BGHSt 16 124, 125 zu § 323a StGB). Lediglich bei § 186 StGB führt die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht im Ergebnis auch nach der Rechtsprechung und trotz Nichterweislichkeit der Wahrheit der behaupteten ehrverletzenden Tatsache zur Straflosigkeit, da die Vorschrift durch Art. 5 Abs. 1, 2 GG verfassungsrechtlich überformt wird (eingehend Sch/Schröder/Lenckner § 193 Rdn. 17 ff).
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Die Lehre (den heutigen Stand zusammenfassend Satzger Jura 2 0 0 6 108, 110) teilt den Ausgangspunkt, dass jenseits von Unrecht und Schuld liegende Strafbarkeitsbedingungen wie bei §§ 104a, 286 Abs. 6 StGB nicht von Vorsatz oder Fahrlässigkeit umfasst sein müssen, und hält insoweit auch weder § 16 StGB noch das „Umkehrprinzip" (s.u. § 16 Rdn. 11 f) für anwendbar: Weder entlastet es, dass der Täter über das Vorliegen oder Eintreten der Bedingung irrt, noch führt die irrige Annahme, die Bedingung liege vor oder trete ein, zu einer Versuchsstrafbarkeit (Joecks MK § 16 Rdn. 101). Allerdings dringt die Auffassung vor, dass es objektive Strafbarkeitsbedingungen gibt, die in Wahrheit das Unrecht mitprägen wie namentlich bei §§ 231, 323a StGB; hier zwinge das (verfassungsrechtliche) Schuldprinzip dazu, wenigstens Fahrlässigkeit in Bezug auf die Bedingung zu verlangen. 421 Demgegenüber hält Satzger (aaO 111) Strafbarkeitsbedingungen, die - bei im Übrigen strafwürdigem Handeln - nur die Straf bedürftigkeit betreffen, für unbedenklich und kommt so zu einer weitgehenden Legitimation des geltenden Rechts.
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421
S. nur Jakobs 10/1; Jescheck/Weigend AT § 53 I 1; Lackner/Kühl Vor § 13 Rdn. 30; Roxin AT I S 23 Rdn. 2; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 34. Hirsch LK11 S 231 Rdn. 1, 13; Miseré
S. 135; Roxin AT I § 23 Rdn. 7 ff; zwischen § 231 StGB (unrechtsneutral) und § 323a StGB (unrechtsrelevant) differenzierend Geisler GA 2 0 0 0 166, 179.
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§ 16 Irrtum über Tatumstände (1) Wer bei Begehung der Tat einen U m s t a n d nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig U m s t ä n d e annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden. Schrifttum Arzt Zum Verbotsirrtum beim Fahrlässigkeitsdelikt, ZStW 91 (1979) 857; Baumann Zur Teilbarkeit des Unrechtsbewußtseins, J Z 1961 564; ders. Grenzfälle im Bereich des Verbotsirrtums, Festschrift Welzel (1974 ) 533; Bindokat Irrungen und Wirrungen in der Rechtsprechung über den Verbotsirrtum, J Z 1953 748; ders. Bewußtsein der Rechtswidrigkeit, NJW 1962 185; ders. Zur Frage des doppelten Irrtums, NJW 1963 745; Blei Unrechtsbewußtsein und Verbotsirrtum, JA 1970 205, 333, 525, 599, 665; Bockelmann Zur Problematik der Sonderbehandlung von Überzeugungstätern, Festschrift Welzel (1974 ) 543; Bohnert Strafmündigkeit und Normkenntnis, NStZ 1988 249; Bopp Der Gewissenstäter und das Grundrecht der Gewissensfreiheit (1974); Busse Unklare Doppelregelung des Verbotsirrtums im 2. StrRG, M D R 1971 985; Deckers Unrechtsbewußtsein, in ders. (Hrsg.) Unrechtsbewußtsein (1982) 58; Dimakis Der Zweifel an der Rechtswidrigkeit der Tat (1992); Donatsch Unrechtsbewußtsein und Verbotsirrtum, SchwZStrR 102 (1985) 16; Dreher Verbotsirrtum und § 51, GA 1957 97; Ebert Der Überzeugungstäter in der neueren Rechtsentwicklung (1975); Eckert Schuld, Verantwortung, Unrechtsbewußtsein (1999); Fabricius Zur Strafbarkeit der Offenbarung eines Geheimnisses an andere Schweigepflichtige, StV 1996 485; Figueiredo Diaz Gewissenstat, Gewissensfreiheit und Schuldausschluß, Festschrift Roxin (2001) 531; Frister Erlaubnistatbestandszweifel, Festschrift Rudolphi (2004) 45; Gössel Die Rechtsfigur des Überzeugungstäters (1975); Groteguth Norm- und Verbots(un)kenntnis (1993); Hardwig Sachverhaltsirrtum und Pflichtirrtum, GA 1956 369; Härtung Zweifelsfragen des Verbotsirrtums, J Z 1955 663; Heinitz Der Überzeugungstäter im Strafrecht, ZStW 78 (1966) 615; Heuchemer Der Erlaubnistatbestandsirrtum (2005); E. E. Hirsch Zur Rechtserheblichkeit des Normirrtums in juristischer und soziologischer Sicht, Festschrift Schelsky (1978) 211; Hohoff Vorsatz und „Unrechtsbewußtsein" im Strafrecht der DDR als Problem aktueller Rechtsanwendung, DtZ 1997 308; Horn Verbotsirrtum und Vorwerfbarkeit (1969); Hruschka Conscientia erronea und ignorantia bei Thomas von Aquin, Festschrift Welzel (1974) 115; Jäger Verbrechen unter totalitaerer Herrschaft (1967); ders. Individuelle Zurechnung kollektiven Verhaltens (1985); Jakobs Schuld und Prävention (1976); ders. Strafrechtliche Schuld ohne Willensfreiheit? In Henrich (Hrsg.) Aspekte der Freiheit (1983) 69; ders. Bemerkungen zur subjektiven Tatseite der Untreue, Festschrift Dahs (2005) 49; Jescheck Grundfragen der Dogmatik und Kriminalpolitik im Spiegel der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, ZStW 93 (1981) 3; Armin Kaufmann Schuldfähigkeit und Verbotsirrtum, Festschrift Eb. Schmidt (1961) 319; ders. Die Dogmatik im Alternativ-Entwurf, ZStW 80 (1968) 34; Arthur Kaufmann Das Unrechtsbewußtsein in der Schuldlehre des Strafrechts (1949); Kienapfel Unrechtsbewußtsein u. Verbotsirrtum, ÖJZ 1976 113; Kohlschütter Die strafrechtstheoretische Lösung der Fälle des indirekten Verbotsirrtums, 2. Aufl. (1989); Krauß Das Unrechtsbewußtsein, H. 7 der Schriftenreihe d. Inst. f. Konfliktforschung (1982) 30; Kramer/Kittel Zur Bindungswirkung der Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des § 17 StGB, J Z 1980 393; Küchenhoff Die staatsrechtliche Bedeutung des Verbotsirrtums, Festschrift Stock (1966) 75; Kunz Strafausschluß oder -milderung bei Tatveranlassung durch falsche Rechtsauskunft? GA 1983 457; Laubenthal/Baier Durch die Ausländereigenschaft bedingte Verbotsirrtümer und die Perspektiven europäischer Rechtsvereinheitlichung, GA 2000 205; Lesch Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums, JA 1996 607; Low Die Erkundigungspflicht beim Verbotsirrtum nach S 17 StGB (2002); Mattil Gewissensanspannung, ZStW 74 (1962) 201; Mangakis Das Unrechtsbewußtsein in der strafrechtlichen Schuldlehre nach deutschem und griechischem Recht (1954); Maurach Das Unrechts-
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Irrtum über Tatumstände bewußtsein zwischen Kriminalpolitik und Strafrechtsdogmatik, Festschrift Eb. Schmidt (1961) 301; F. Meyer Der Verbotsirrtum im Steuerstrafrecht, NStZ 1986 443; ders. Enthält der Tatbestand der Steuerhinterziehung ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das jeglichen Verbotsirrtum ausschließt? NStZ 1987 500; Mezger Fiktion und Analogie beim sog. Verbotsirrtum, NJW 1951 869; Miebe Rechtfertigung und Verbotsirrtum, Festschrift Gitter (1995) 647; Mir Die Regelung des Verbotsirrtums im spanischen Strafgesetzbuch, Gedächtnisschrift Armin Kaufmann (1989) 485; MüllerDietz Grenzen des Schuldgedankens im Strafrecht (1967); Νaucke Staatstheorie und Verbotsirrtum, Festschrift Roxin (2001) 503; Neumann Zurechnung und „Vorverschulden" (1985); ders. Der Verbotsirrtum, JuS 1993 793; ders. Normtheoretische Aspekte der Irrtumsproblematik im Bereich des „Internationalen Strafrechts", Festschrift Müller-Dietz (2001) 589; Plaschke Ein Nagetier schreibt Rechtsgeschichte, Jura 2001 235; Otto Der Verbotsirrtum, Jura 1990 645; ders. Mittelbare Täterschaft und Verbotsirrtum, Festschrift Roxin (2001) 645; Peters Überzeugungstäter und Gewissenstäter, Festschrift H. Mayer (1966) 257; ders. Der Wandel des Gewissensbegriffs, Festschrift Stree/ Wessels (1993) 3; Puppe Bemerkungen zum Verbotsirrtum und seiner Vermeidbarkeit, Festschrift Rudolphi (2004) 231; Radbruch Der Überzeugungsverbrecher, ZStW 44 (1924) 34; Radtke Überlegungen zum Verhältnis von „zivilem Ungehorsam" zur „Gewissenstat", GA 2 0 0 0 19; Roos Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nach § 17 StGB im Spiegel der BGH-Rechtsprechung (2000); Roxin „Schuld" und „Verantwortlichkeit" als strafrechtliche Systemkategorien, Festschrift Henkel (1973) 171; ders. Zur jüngsten Diskussion über Schuld, Prävention und Verantwortlichkeit im Strafrecht, Festschrift Bockelmann (1979) 278; ders. Ungelöste Probleme beim Verbotsirrtum, in H.-J. Hirsch (Hrsg.) Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium (1987) 81; ders. Die Gewissenstat als Strafbefreiungsgrund, Festschrift Maihofer (1988) 389; Rudolphi Unrechtsbewußtsein, Verbotsirrtum und Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (1969) (zit.: Rudolphi Unrechtsbewußtsein); ders. Die Bedeutung des Gewissensentscheides für das Strafrecht, Festschrift Welzel (1974) 605; ders. Das virtuelle Unrechtsbewußtsein als Strafbarkeitsvoraussetzung im Widerstreit von Schuld und Prävention, H. 7 der Schriftenreihe d. Inst. f. Konfliktforschung (1982) 1 (zit.: Rudolphi Virtuelles Unrechtsbewußtsein,); Schick Vorwerfbarkeit des Verbotsirrtums bei Handeln auf falschen Rat, Ö J Z 1980 595; SchmidtKlügmann Das Bewußtsein der Fremdexistenz als Voraussetzung für ein Unrechtsbewußtsein (1975); Schröder Verbotsirrtum, Zurechnungsfähigkeit, actio libera in causa, GA 1957 297; B. Schünemann Einführung in das strafrechtliche Systemdenken, in ders. (Hrsg.) Grundfragen des modernen Strafrechtssystems (1984) 1; ders./Greco Der Erlaubnistatbestandsirrtum und das Strafsystem, GA 2 0 0 6 777; H.-W. Schünemann Verbotsirrtum und faktische Verbotskenntnis, NJW 1980 735; Schwegler Der Subsumtionsirrtum (1995); Seelig Zum Problem der Neufassung des § 51, Festschrift Mezger (1954) 213; Siekmann Das Unrechtsbewusstsein der DDR-Mauerschützen (2005); Spendel Das Unrechtsbewußtsein in der Verbrechenssystematik, Festschrift Tröndle (1989) 89; Sproß Die Unrechts- und Strafbegründung bei dem Überzeugungs- und Gewissenstäter (1992); Stratenwerth Literaturbericht, ZStW 85 (1973) 482; ders. Vermeidbarer Schuldausschluß, Gedächtnisschrift Armin Kaufmann (1989) 485; Strauss Die Richtlinien der Rechtsprechung für die Vermeidbarkeitsprüfung beim Verbotsirrtum (1968); ders. Verbotsirrtum und Erkundigungspflicht, NJW 1969 1418; Tiedemann Zur legislatorischen Behandlung des Verbotsirrtums im Ordnungswidrigkeiten- und Steuerstrafrecht, ZStW 81 (1969) 869; ders. Der Irrtum über Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, in Eser/Fletcher (Hrsg.) Rechtfertigung und Entschuldigung II (1988) 1005; Timpe Normatives und Psychisches im Begriff der Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums, GA 1984 51; Valerius Das globale Unrechtsbewußtsein, NStZ 2003 341; Velten Normkenntnis und Normverständnis (2002); WalterlKubink % 3 J G G - § 17 StGB: gleiche Tatbestandsstruktur? GA 1995 51; Warda Zur gesetzlichen Regelung des vermeidbaren Verbotsirrtums, ZStW 71 (1959) 252; ders. Schuld und Strafe beim Handeln mit bedingtem Unrechtsbewußtsein, Festschrift Welzel (1974) 499; ders. Tatbestandsbezogenes Unrechtsbewußtsein, NJW 1953 1052; Welzel Vom irrenden Gewissen (1949); ders. Arten des Verbotsirrtums, J Z 1953 266; ders. Gesetz und Gewissen, Festschrift DJT I (1960) 383; Wolter Schuldhafte Verletzung einer Erkundigungspflicht, Typisierung beim Vermeidbarkeitsurteil und qualifizierte Fahrlässigkeit beim Verbotsirrtum - OLG Celle NJW 1977, 1644, JuS 1977 482; Würtenberger Vom rechtschaffenen Gewissen, Festschrift Wolf (1962) 237; Zimmermann Unteilbares oder tatbestandsbezogenes Unrechtsbewußtsein? NJW 1954 908. S. weiterhin das zu §§ 15 und 18 StGB angegebene Schrifftum.
Joachim Vogel
1117
2. Abschnitt. Die Tat
§ 16
Übersicht Rdn.
Rdn.
I. Grundfragen der strafrechtlichen Irrtumslehre
1
c) S c h r i f t t u m
62
d) S t e l l u n g n a h m e
70
1. Tatirrtum und „Tatsachenblindheit"
.
1
11. Vorsatz und vorsatzausschließender
2 . Rechtsirrtum und „ R e c h t s b l i n d h e i t "
.
3
I r r t u m hinsichtlich von U m s t ä n d e n , die für die Verwirklichung eines Tat-
3. Vorsatzausschließender R e c h t s irrtum
5
b e s t a n d s m e r k m a l s unerheblich sind
5
a b e r r a t i o ictus - bewusster T a t o b j e k t -
(error in persona sive o b i e c t o -
a) R e c h t l i c h e Beziehungen als T a t umstände b) A u f f a s s u n g des R G
wechsel)
6
c) A u f f a s s u n g des F i n a l i s m u s , des
74
a) E r r o r in p e r s o n a sive o b i e c t o und
B G H und der h. A
8
d) G e g e n b e w e g u n g e n
10
4. „Umkehrprinzip"
error in i n s t r u m e n t o sive m o d o
11
c) Bewusster T a t o b j e k t w e c h s e l
vorschriften
. . .
91
Irrtum bei b e n a n n t e n oder unbe-
13
n a n n t e n besonders s c h w e r e n Fällen
III. § 1 6 Abs. 1 S t G B mit Grenz- und Zweifelsfragen
17
1. Allgemeines
17
und Regelbeispielen
93
IV. § 1 6 A b s . 2 S t G B mit G r e n z - und Zweifelsfragen
2 . Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum bei deskriptiven T a t b e s t a n d s -
97
1. Regelungsgehalt und unmittelbarer
merkmalen
21
A n w e n d u n g s b e r e i c h des § 16 Abs. 2 StGB
3. Vorsatz und v o r s a t z a u s s c h l i e ß e n d e r Irrtum bei n o r m a t i v e n T a t b e s t a n d s -
97
2 . E n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g des § 16
merkmalen
25
a) H e r r s c h e n d e Auffassung
25
3. Subjektiv gefasste M e r k m a l e
28
4 . „ U m g e k e h r t e " I r r t ü m e r im Bereich
. . . .
c) Klassische Beispiele
Abs. 2 S t G B
Irrtum bei Blankettstrafgesetzen
. .
36
.
41
Merkmalen
108
2. Erlaubnistatbestandsirrtum
110
43
7. Vorsatz und vorsatzausschließender 46
50
c) Lehre
114 117 127
und Entschuldigungsgründe
128
a) Schuldfähigkeit
128
b) Entschuldigungstatbestandsirrtum
9. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum bei qualifizierenden M e r k -
c) Entschuldigungs(grenz)irrtum
malen und bei strafbarkeitsbegrün-
129 . .
131
5. Irrtum über Strafausschließungs- oder
denden M e r k m a l e n von M i s c h t a t -
-aufhebungsgründe 53
132
6 . Irrtum über straferschwerende oder strafmildernde U m s t ä n d e
53 54
7.
55
8. I r r t u m über Prozessvoraussetzungen
133
„Strafrechtsanwendungsirrtum", „Strafbarkeitsirrtum"
10. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum hinsichtlich des Kausalverlaufs
111
4 . Irrtum über Schuldausschließungs-
I r r t u m bei „ g e s a m t t a t b e w e r t e n d e n
. . . .
110
b) R e c h t s p r e c h u n g
3. V e r b o t s i r r t u m
8. Vorsatz und vorsatzausschließender M e r k m a l e n " und „ K o m p l e x b e g r i f f e n "
a) B e g r i f f s b e s t i m m u n g
d) Eigentliche S a c h f r a g e n
Irrtum bei speziellen R e c h t s w i d r i g keitsmerkmalen
108
1. S u b s u m t i o n s i r r t u m
I r r t u m bei t ä t e r s c h a f t s b e g r ü n d e n d e n
b) M i s c h t a t b e s t ä n d e
106
unterfallende Irrtümer
6 . Vorsatz und vorsatzausschließender
beständen
104
V. N i c h t oder nicht unmittelbar § 1 6 StGB
5. V o r s a t z und vorsatzausschließender I r r t u m bei T a t b e s t a n d s a l t e r n a t i v e n
99 . . . .
des § 16 A b s . 2 S t G B
33
4 . Vorsatz und v o r s a t z a u s s c h l i e ß e n d e r
a) Qualifizierende M e r k m a l e
74 78
12. Vorsatz und vorsatzausschließender
II. Regelungsgehalt des § 1 6 S t G B , Sonder-
b) Kritik und S t e l l u n g n a h m e
.
b) A b e r r a t i o ictus
135 137
a) K a u s a l i t ä t als T a t b e s t a n d s m e r k m a l
55
a) Strafantragserfordernisse
137
b) R e c h t s p r e c h u n g
56
b) V e r j ä h r u n g
138
I. Grundfragen der strafrechtlichen Irrtumslehre 1
1. Tatirrtum und „Tatsachenblindheit". T i e f verwurzelt ist, dass N a c h s i c h t verdient, wer „nicht weiß, was er t u t " (Lukas 2 3 , 3 4 ) . D e s h a l b ist die vorsatzausschließende W i r kung des Tatirrtums („error facti") im Sinne der Unkenntnis der Tatsachen, die für das
1118
Joachim Vogel
Irrtum über Tatumstände
jeweilige Delikt konstitutiv sind, in Rechtsgeschichte und Rechtsvergleich durchweg anerkannt und auch der Kern des Irrtums über Tatumstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB. Demgegenüber ist weniger eindeutig, wie vermeidbare Tatirrtümer und insbesondere die „Tatsachenblindheit" zu behandeln sind, wenn zwar feststeht oder dem Beschuldigten nicht widerlegt werden kann, dass er sich in einem Tatirrtum befand, sich die Tatsachen aber für jedermann aufdrängten und der Beschuldigte vor ihnen geradezu die Augen verschlossen haben muss. In der Rechtsgeschichte („dolus indirectus", s. Vor § 15 Rdn. 65) und im Rechtsvergleich (Anerkennung nur solcher Irrtümer, die „reasonable" sind, im common law, s. Vor § 15 Rdn. 90) ist die Tendenz erkennbar, „Tatsachenblindheit" dem Vorsatz gleichzustellen. Im geltenden deutschen Recht bleibt es beim Vorsatzausschluss, und es kann nur wegen Fahrlässigkeit bestraft werden, § 16 Abs. 1 Satz 2 StGB; über die lex ferenda mag diskutiert werden (s. Vor § 15 Rdn. 2 6 , 6 9 f).
2
2. Rechtsirrtum und „Rechtsblindheit". In der Rechtsgeschichte gleichfalls tief verwurzelt ist, dass der bloße Rechtsirrtum („error iuris") den Täter nicht entlastet: „error iuris nocet". In der Tendenz gilt auch im heutigen deutschen Recht, dass der bloße Verbotsirrtum weniger stark entlastet als der Tatumstandsirrtum, nämlich die Vorsatzstrafbarkeit bei Vermeidbarkeit bestehen lässt und nur bei Unvermeidbarkeit - die in der Praxis selten, im „unverfügbaren" Bereich kaum je anerkannt wird - schuld- und strafausschließende Wirkung hat. Die strengere Behandlung des Rechtsirrtums ist aber weniger leicht zu begründen, als es den Anschein hat: Dass die Geltung der Rechtsordnung nicht im Belieben des Bürgers stehen darf, ist zwar richtig; aber die Anerkennung von Rechtsirrtümern als subjektive Entlastungsgründe stellt die objektive Geltung der Rechtsordnung nicht in Frage. 1 Dass jeder Bürger das (Straf-)Recht kenne, war seit jeher eine kontrafaktische Unterstellung, die auf ein normatives Kennen-Müssen hinauslief. Die Legitimität einer Rechtskenntnisobliegenheit im Sinne des Satzes, im Gesellschaftsvertrag verpflichte sich der Staat, nur nach dem Gesetz zu strafen, und der Bürger, das Gesetz zu kennen, schwindet angesichts der Quantität und Komplexität der Gesetzesproduktion im modernen Gesetzgebungsstaat zunehmend (BGHSt 2 194, 2 0 2 f ) . Ein Rechtsirrtum ist auch nicht deshalb vorwerfbarer als ein Tat(sachen)irrtum, weil jener leichter vermeidbar wäre als dieser - häufig ist das Gegenteil richtig. Es bleibt der Gedanke, dass die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass das Handeln bei Strafe verboten ist, insbesondere die Kenntnis des Umstandes, dass Rechte oder Rechtsgüter beeinträchtigt (verletzt oder gefährdet) werden, regelmäßig Anlass gibt, eine mögliche Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit zu bedenken, während bei Unkenntnis dieser Tatsachen ein solcher Anlass regelmäßig nicht besteht. 2 Aber auch dieser Gedanke trägt bei „unrechtsfernen" oder „unrechtsneutralen" Straftatbeständen nicht. 3
3
Auf der anderen Seite kann es ein präventionsorientiertes Strafrecht nicht hinnehmen, dass Rechtsirrtümer in einem Umfange anerkannt werden, die es als lohnend erscheinen lassen, die Augen vor dem Recht zu verschließen. „Rechtsblindheit" zu honorieren, würde die Präventionsfunktion des Strafrechts konterkarieren und ist nicht nur für ein
4
1
Treffend Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 203: „Für die Frage der Rechtsgeltung kommt es nur auf die Erkennbarkeit, nicht auf die Kenntnis des Rechts a n " .
2
3
Grundlegend Welzel § 2 2 III 2; s. noch S 17 Rdn. 12 ff. S. nur Tiedemann FS Geerds, S. 95, 97.
J o a c h i m Vogel
1119
2. Abschnitt. Die Tat Täter-, sondern auch ein Tatschuldstrafrecht unter dem Gesichtspunkt des Vorverschuldens schwerlich akzeptabel. 4 3. Vorsatzausschließender Rechtsirrtum 5
a) Die Frage, ob und inwieweit ein vorsatzausschließender Rechtsirrtum anzuerkennen ist, richtet sich de lege lata nach der Auslegung des Begriffs der „Tatumstände" in § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB, der sich bereits in § 5 9 R S t G B fand, wonach jemandem, der bei Begehung einer strafbaren Handlung „das Vorhandensein von Thatumständen nicht kannte, welche zum gesetzlichen Thatbestande gehören", nicht kraft Vorsatzes 5 zurechenbar waren. Hierzu führte Frank (§ 5 9 Anm. II auf S. 182) in bis heute gültiger Weise aus: „Die Frage aber, was ein Tatumstand ist, liegt außerordentlich schwierig. Sicher ist zunächst, daß unter diesen Begriff [...] Tatsachen fallen [...]. Sicher ist ferner, daß als Tatumstände in gewissem Umfange auch Rechte, Rechtsverhältnisse und sonstige rechtliche Beziehungen anzusehen sind [...]. Im welchem Umfange aber, ist bestritten".
6
b) Das R G 6 rechnete zu den Tatumständen nicht bloß tatbestands-, sondern auch rechtfertigungsrelevante Tatsachen, deren Unkenntnis oder Verkennung als Tatirrtum den Vorsatz ausschloss, weiterhin tatbestandsrelevante Rechte, Rechtsverhältnisse und rechtliche Beziehungen, die sich nach anderem Recht als dem Strafrecht richten: außerstrafrechtlicher Rechtsirrtum, der nach dem Vorbild des Art. 95 sächs. StGB 1855 dem Tatirrtum gleichgestellt wurde. Hiernach konnte z.B. der Irrtum über das Bestehen, den Inhalt oder die Anwendbarkeit einer ein Blankettstrafgesetz ausfüllenden Norm als „verwaltungsrechtlicher" und damit vorsatzausschließender Irrtum bewertet werden. 7 Auf den Irrtum über das Bestehen, den Inhalt oder die Anwendbarkeit des Strafgesetzes selbst, den strafrechtlichen Rechtsirrtum, wendete das R G § 5 9 RStGB hingegen nicht an, maß dem Irrtum also keine vorsatzausschließende Wirkung bei und behandelte ihn vielmehr - da eine dem heutigen § 17 StGB entsprechende Vorschrift im R S t G B fehlte 8 als unbeachtlich, und zwar auch dann, wenn dem Täter das Unrechtsbewusstsein fehlte, und selbst dann, wenn das Fehlen des Unrechtsbewusstseins dem Täter nicht vorzuwerfen war.
7
Hieran entzündete sich scharfe Kritik der Lehre. Am weitesten gehen wollte v. Liszt9, der dem strafrechtlichen Rechtsirrtum sogar in Gestalt des Subsumtionsirrtums (s. u. Rdn. 108 f) vorsatzausschließende Wirkung beimessen wollte - was als historische Verirrung gelten muss. Andere wollten das Bewusstsein der Rechts- oder Pflichtwidrigkeit zum Vorsatz rechnen und konsequenterweise annehmen, dass Rechtsirrtümer ungeachtet ihrer Einordnung als „strafrechtlich" oder „außerstrafrechtlich" den Vorsatz ausschlössen, wenn sie zum Fehlen des Unrechtsbewusstseins führten (sog. Vorsatztheorie 1 0 ) - was
4
5
6
7 8
Vgl. Joecks MK § 17 Rdn. 6; Roxin AT I § 21 Rdn. 9. Arg. e S 59 Abs. 2 RStGB, der Vorläuferbestimmung zum heutigen § 16 Abs. 1 Satz 2 StGB. S. nur RGSt 23 374; 37 391; 52 100; 60 425; 67 115; monographische Aufarbeitung der Irrtumslehre des RG bei Kuhlen S. 122 ff; Schlüchter S. 38 ff. S. nur RGSt 20 177; 28 195; 36 359. Für das Kriegs- und Preistreibereistrafrecht
1120
9 10
bestimmte erstmals die Verordnung v. 18.1.1917 (RGBl. S. 58), dass die unverschuldete Unkenntnis der Rechtswidrigkeit die Schuld ausschließt (zu ihrer Entstehung Tiedemann Tatbestandsfunktion S. 4). Lehrbuch21 § 40 I 1. Binding Normen II/2, §§ 125 ff; LangHinricbsen JR 1952 183; Mezger LK8 § 59 Anm. 17 III; Schmidhäuser JZ 1979 367; Sch/Schröder17 § 59 Rdn. 81 ff; Schröder MDR 1950 646.
Joachim Vogel
Irrtum über Tatumstände
rückblickend als deutscher Sonderweg und mit dem R S t G B unvereinbar bewertet werden muss (s.o. § 15 Rdn. 3 7 f f ) . Im Übrigen erschöpfte sich die Kritik vielfach im Negativen. So wurden Inkonsistenzen in der Rechtsprechung kritisiert, 1 1 und es wurde geltend gemacht, die Unterscheidung zwischen „strafrechtlichem" und „außerstrafrechtlichem" Rechtsirrtum sei logisch nicht durchführbar, weil ein außerstrafrechtlicher Rechtssatz, auf den ein Strafgesetz Bezug nehme, dadurch zu einem Strafrechtssatz w e r d e 1 2 - was rückblickend als logische Beckmesserei erscheint, und die Irrtumslehre des R G laufe darauf hinaus, dass willkürlich und nach dem Rechtsgefühl entschieden werde 1 3 - was in bemerkenswertem Kontrast zu dem Befund steht, dass sie „meist zu befriedigenden Ergebnissen geführt" h a b e . 1 4 c) Der Durchbruch zu einem alternativen Verständnis des § 5 9 R S t G B gelang erst dem Finalismus: „Der maßgebende Unterschied der [...] Irrtumsarten bezieht sich nicht auf den Gegensatz: Tatsache - Rechtsbegriff, sondern auf den Unterschied: Tatbestand Rechtswidrigkeit". 1 5 So wurde einerseits das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit aus dem Vorsatz ausgegliedert und sein unvermeidbares Fehlen als lediglich die Schuld berührender Verbotsirrtum eingeordnet, der freilich - abweichend vom Ausgangspunkt des R G bei Unvermeidbarkeit die Schuld ausschließen sollte. Andererseits wurde der vorsatzausschließende Irrtum, nach dem Gesetz der Tatwwjstandsirrtum, zum Tatbestandsirrtum, genauer zum Tatbestandsmerkmalsirrtum, der bei deskriptiven Tatbestandsmerkmalen als Tat(sachen)irrtum, bei normativen Tatbestandsmerkmalen, die ein „geistiges Verstehen" in Gestalt einer „Parallelwertung in der Laiensphäre" oder „Parallelbeurteilung im Täterbewusstsein" voraussetzen (u. Rdn. 2 5 ff), als Bewertungs- oder Beurteilungsirrtum (aber nicht eigentlich als Rechtsirrtum) anzusehen war. Tendenziell führte diese Auffassung dazu, die vorsatzausschließende Wirkung von Rechtsirrtümern zurückzudrängen, indem bei allen Tatbestandsmerkmalen, die nicht als normative M e r k m a l e qualifiziert wurden, Umstands- oder Tatsachenkenntnis für genügend erachtet wurde, so bei Täterschaftsmerkmalen (Amtsträgereigenschaft, Garanteneigenschaft, u. Rdn. 4 3 ff), bei Blankettmerkmalen (u. Rdn. 36 ff), bei speziellen Rechtswidrigkeitsmerkmalen (u. R d n . 4 6 ff) oder bei sog. komplexen oder gesamttatbewertenden Merkmalen (u. Rdn. 5 0 ff) und im Nebenstrafrecht, wo nur „der Möglichkeit des Verbotsirrtums [...] ein weites Feld" geboten sei (BGHSt 2 194, 2 0 3 ) .
8
Bereits in B G H S t 2 1 9 4 , 2 0 3 schloss sich der B G H in der Sache dem Finalismus a n 1 6 und verwarf die Unterscheidung zwischen vorsatzausschließendem außerstrafrechtlichem und nicht vorsatzausschließendem strafrechtlichem Irrtum als „logisch undurchführbar" und „willkürlich". Auch wenn in der Strafrechtsreform § 5 9 R S t G B an sich nur redaktionell verändert in § 16 Abs. 1 S t G B überführt wurde, muss daraus, dass mit § 17 S t G B ein wesentlicher Baustein der finalistischen Irrtumslehre Gesetz wurde, entnommen werden, dass der Reformgesetzgeber das neue Verständnis des § 16 S t G B kodifizieren wollte. Deshalb geht die heute h.A. davon aus, dass die Vorschrift im Lichte der Irrtumslehre des Finalismus auszulegen ist. 1 7
9
11 12 13
14 15
Baumann A T 8 § 2 7 1 l b . v. Hippel Lehrbuch § 41 III 2 .
16
S. weiterhin BGHSt 4 76, 7 8 ; 4 3 4 7 , 3 5 2 ; 9 370, 375.
v. Hippel Lehrbuch S 41 III 2 ; Welzel $ 2 2 I; ders. J Z 1 9 5 2 , 2 0 8 . BGHSt 2 1 9 4 , 2 0 3 . Welzel § 2 2 III.
17
Jescheck/Weigend § 2 2 V 6; Joecks M K Rdn. 4 ; Lackner/Kühl Rdn. 1 u. § 15 Rdn. 31 ff; Rudolphi SK Rdn. 1 f.
Joachim Vogel
1121
§16
2. Abschnitt. Die Tat
10
d) Freilich sind in der Literatur auch Gegenbewegungen zu verzeichnen. Teilweise wird (de lege ferenda oder auch de lege lata) eine zumindest sektorielle, auf das Wirtschafte- oder Nebenstrafrecht bezogene Rückkehr zur sog. Vorsatztheorie befürwortet. 1 8 Weniger weitgehend befürworten Kuhlen19 und neuerdings T. Walter20 eine Teilrückkehr zur Irrtumslehre des RG, so dass neben Tat(sachen)irrtümern auch bestimmte Rechtsirrtümer vorsatzausschließend wirken sollen. 21 Vor allem sind die Unterscheidung zwischen deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen und die hieraus für die Irrtumslehre gezogenen Schlussfolgerungen in die wissenschaftstheoretische und strafrechtsdogmatische Diskussion geraten (u. Rdn. 22 ff). In der Tat dürfte die finalistische Vorsatz- und Irrtumslehre eine zu weitgehende Ausdünnung des Vorsatzes und Zurückdrängung des vorsatzausschließenden Rechtsirrtums bewirkt haben, die nicht durchweg mit der Ratio der Vorsatzstrafbarkeit (hierzu § 15 Rdn. 8 ff) vereinbar ist.
11
4. „Umkehrprinzip". Irrtümer müssen nicht entlasten, sondern können belasten, nämlich eine Strafbarkeit wegen (untauglichen) Versuchs begründen, wenn sich der Täter irrig vorstellt, tatbestandliches Unrecht zu verwirklichen. Auch dann stellt sich freilich die Frage nach der Abgrenzung zwischen tat(sachen)- oder tatbestandsbezogenen und Rechts- oder Bewertungsirrtümern. Die Rechtsprechung 2 2 neigt zur Anwendung eines „Umkehrprinzips" 2 3 („Umkehrschlusses"): Ein belastender Irrtum, der „umgekehrt" nach § 16 StGB entlasten würde, also die irrige Annahme von Umständen, die den gesetzlichen Tatbestand verwirklichen würden, kann die Versuchsstrafbarkeit begründen; ein belastender Irrtum, der „umgekehrt" nur Verbots- oder Subsumtionsirrtum wäre, also die irrige Annahme, das Handeln sei verboten und/oder strafbewehrt, kann es hingegen nicht (strafloses Wahndelikt). Hiernach kann es insbesondere eine Versuchsstrafbarkeit begründen, dass der Täter wenn auch tat- oder rechtsirrig zu einer Wertung gelangt, die dem entspricht, was für den Vorsatz hinsichtlich eines normativen Tatbestandsmerkmals erforderlich ist (s. BGHSt 42 2 6 8 2 4 : Betrugsversuch in der irrigen Annahme, keinen Rechtsanspruch auf den Vermögensvorteil zu haben).
12
In der Literatur ist allerdings umstritten, ob das „Umkehrprinzip" logisch gültig 2 5 oder nur eine „Faustregel" 2 6 , sachlich weiterführend 2 7 und zutreffend ist. Grundsätzlich hat Engisch28 eingewendet, dem Gegensatz zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum einerseits sowie Versuch und Wahndelikt andererseits lägen unterschiedliche teleologische Gesichtspunkte zugrunde, weshalb z.B. nahe liegende Subsumtionsirrtümer in Bezug auf bestehende Strafvorschriften eine Versuchsstrafbarkeit begründen könnten. Aber das trifft nicht zu, weil Vorsatz und vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum sich hinsicht-
18
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22
Lange JZ 1 9 5 6 7 3 ff; ders. JZ 1956 514 ff; ders. JZ 1 9 5 7 2 3 3 ff; vgl. auch Tiedemanti Z S t W 81 (1969) 8 6 9 ff; ders. FS Geerds, S. 95 ff. Kuhlen S. 3 7 0 ff unter fragwürdigem Abstellen auf eine „Zeitstruktur"; dagegen Jakobs 8/109. Der Kern des Strafrechts ( 2 0 0 6 ) , insb. Kap. 8 und 13. S. weiterhin Bacbmann S. 68, 144; Puppe GA 1 9 9 0 145, 154, 182; Tischler S. 353. Erstmals RGSt 4 2 92, 94; s. weiterhin RGSt 6 6 124, 126; 7 2 109, 112; zusf. Schlüchter S. 145 ff.
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27
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Der Begriff geht auf Binding N o r m e n III S. 4 0 2 f zurück. M . A n m . Arzt JR 1 9 9 7 4 6 9 . S. weiterhin BGHSt 13 2 3 5 , 2 4 0 ; 14 350; 16 160. Verneinend Spendel Z S t W 6 9 (1957) 4 4 1 , 4 4 9 ff; bejahend Puppe FS Lackner, S. 199, zusf. 2 4 3 ff. Engisch FS Heinitz, S. 185, 195. Verneinend Herzberg JuS 1 9 8 0 4 6 9 , 4 7 9 („trivialer Kern"). FS Heinitz, S. 185, 2 0 0 .
Joachim Vogel
Irrtum über Tatumstände
lieh des intellektuellen Elements spiegelbildlich zueinander verhalten und der Versuch nach allg. M. vorsätzliches Handeln voraussetzt. 29 Deshalb ist auch die Überlegung verfehlt, in „Umkehrung" der Unbeachtlichkeit des vermeidbaren Verbotsirrtums müsse ein nahe liegendes Wahndelikt als Versuch strafbar sein. Zuzugeben ist allerdings, dass das „Umkehrprinzip" Grenz- und Zweifelsfragen nicht erledigt. So entspricht dem Streit darüber, ob der „umgekehrte" Irrtum über ein normatives Tatbestandsmerkmal eine Versuchsstrafbarkeit auch dann auslöst, wenn sich der Irrtum in einem reinen Bewertungsirrtum erschöpft und sich der Täter nicht zudem Tatsachen vorstellt, die seine Bewertung von Rechts wegen tragen würden, 3 0 der Streit darüber, ob der Vorsatz in Bezug auf ein normatives Tatbestandsmerkmal Kenntnis der Tatsachen und deren zutreffende Bewertung voraussetzt oder ob letztere genügt. 31
II. Regelungsgehalt des § 16 StGB, Sondervorschriften Nach seiner amtlichen Überschrift, die auf § 19 E 1962, § 19 AE zurückgeht, regelt 1 3 § 16 StGB den „Irrtum über Tatumstände". Freilich betrifft nur § 16 Abs. 2 StGB einen Irrtum im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs (und auch z.B. des § 263 StGB), nämlich eine positive Fehlvorstellung; bei § 16 Abs. 1 StGB genügt hingegen die schlichte Unkenntnis oder das schlichte Nichtbedenken eines Tatumstandes, also die ignorantia facti (vgl. BayObLG MDR 1963 333, 334). Erst aus dem Gesetzestext des § 16 StGB ergibt sich, dass es zum einen um den Täter entlastende Irrtümer geht; der belastende, nämlich eine (Versuchs-)Strafbarkeit begründende „umgekehrte" Irrtum über Tatumstände (s. soeben Rdn. 11 f) ist nicht Gegenstand des § 16 StGB. Gleichfalls erst aus dem Gesetzestext folgt, dass es um Tatumstände gehen muss, die „zum gesetzlichen Tatbestand gehören" (§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB) oder ihn „verwirklichen würden" (§ 16 Abs. 2 StGB), also um tatbestandsbezogene Tatumstände, zu denen das Unrecht (die Rechtswidrigkeit) als solche nicht gehört, wie sich erst im Gegenschluss aus § 17 StGB ergibt. In Rechtsprechung und Lehre wird der in § 16 StGB geregelte Irrtum deshalb überwiegend als „Tatbestandsirrtum" bezeichnet. 32 Dieser Begriff ist freilich missverständlich, da der Irrtum über das Bestehen, den Inhalt und die Anwendbarkeit eines gesetzlichen Tatbestandes (Strafgesetzes) des Besonderen Teils gerade nicht gemeint ist, sondern allenfalls zu einem Verbotsirrtum i.S.v. § 17 StGB führen kann. Auf der anderen Seite ist es zu eng, den in § 16 StGB geregelten Irrtum als „Sachverhaltsirrtum" zu bezeichnen (so Hardwig GA 1956 369, 370 f), da Tat„umstände" sich nicht in Sachverhalten im Sinne von empirischen Tatsachen erschöpfen, sondern ggf. auch Wertungen und sogar Rechtslagen („fremd"), also normative Tatsachen umfassen. Dem Gesetz entspricht allein die Bezeichnung „Tatumstandsirrtum" . 33
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Dass insoweit ein strenges „Umkehrprinzip" gilt, geben auch dessen Gegner zu, s. Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 36; Sch/Schröder/Eser § 22 Rdn. 69. Hierzu Herzberg MK § 22 Rdn. 67 ff; Sch/Schröder/Eser § 22 Rdn. 82 ff; Tröndle/Fischer § 22 Rdn. 51. Hierzu Joecks MK Rdn. 40 ff; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 39 ff; Tröndle/Fischer Rdn. 11 ff.
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BGHSt 15 1; 17 87; 48 322; Jescheck/ Weigend § 29 V; Lackner/Kühl Rdn. 1; Roxin AT I § 12 Rdn. 95 ff; Stratenwerth/ Kuhlen § 8 Rdn. 80; Tröndle/Fischer Rdn. 8. So auch Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 1.
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2. Abschnitt. Die Tat 15
In der Sache bestimmt § 16 Abs. 1 Satz 1 S t G B , dass Unkenntnis der zum gesetzlichen T a t b e s t a n d gehörenden Tatumstände den Vorsatz ausschließt, und zwar unabhängig davon, o b sie vermeidbar war; gem. § 16 Abs. 1 Satz 2 S t G B k o m m t aber eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Betracht. § 16 Abs. 2 S t G B ordnet an, dass, wer irrig Tatumstände a n n i m m t , die ein milderes als das tatsächlich verwirklichte Gesetz (Privilegierung) verwirklichen würden, wegen vorsätzlicher Begehung nur nach diesem Gesetz bestraft werden k a n n . O b die Regelungen gesetzestechnisch geglückt sind, k a n n bezweifelt w e r d e n . 3 4 Unzweifelhaft ist, dass § 16 S t G B weder eine vollständige Regelung des Vorsatzes und Vorsatzausschlusses n o c h erst recht - a u c h nicht unter Berücksichtigung des § 1 7 S t G B - eine umfassende Regelung der strafrechtlich relevanten Irrtümer enthält. Z u den historischen Gründen für diese „Legislativaskese" und zu ihrer inhaltlichen Problem a t i k s. Vor § 15 S t G B R d n . 7, 2 9 .
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§ 16 S t G B (und auch § 17 StGB) wird durch besondere Irrtumsvorschriften des Besonderen Teils in deren Anwendungsbereich verdrängt. In dem Bestreben, einen Ausgleich zwischen dem Schuldprinzip und dem Schutz wichtiger und besonders gefährdeter Rechtsgüter zu finden, hat der Gesetzgeber zunehmend Sonderregelungen für den Irrtum geschaffen, wie z.B. §§ 9 7 b , 113 Abs. 4 , 1 2 5 Abs. 2 , 136 Abs. 4 S t G B , § 2 2 Abs. 2 , 3 W S t G (s. bereits Vor § 15 R d n . 13). D a m i t sind diese M e r k m a l e jedenfalls dem Geltungsbereich des § 16 S t G B entzogen. Im Übrigen ist die dogmatische E i n o r d n u n g noch sehr u m s t r i t t e n ; 3 5 für die Einzelheiten wird auf die K o m m e n t i e r u n g der jeweiligen Vorschriften verwiesen.
III. § 16 Abs. 1 StGB mit Grenz- und Zweifelsfragen 17
1. Allgemeines. Für einen vorsatzausschließenden Tatumstandsirrtum gem. § 16 Abs. 1 S t G B genügt es, dass der T ä t e r auch nur einen der Umstände, die den gesetzlichen Tatbestand verwirklichen, nicht kennt, also in Bezug auf auch nur ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal irrt. Die erforderliche Unkenntnis ist Spiegelbild der für den Vorsatz erforderlichen Kenntnis (s. § 15 R d n . 2 3 ) . Wer unbewusst fahrlässig handelt, befindet sich stets, wer bewusst fahrlässig handelt, nicht oder nicht zwingend in einem Irrtum nach § 16 Abs. 1 S t G B (s. § 15 R d n . 1 7 8 ) . Spiegelbildlich zum Vorsatz muss der Irrtum gem. § 16 Abs. 1 S t G B bei Begehung der Tat gegeben sein (s. § 15 R d n . 5 2 ) . (Vor-)Verschulden schließt die Beachtlichkeit eines zu diesem Z e i t p u n k t bestehenden Tatumstandsirrtums nicht aus; so darf der Vorsatzausschluss nicht mit der Begründung verneint werden, der T ä t e r h a b e gewusst, dass er in alkoholisiertem Z u s t a n d zu falschen Situationseinschätzungen k o m m e , müsse deshalb einen solchen Z u s t a n d vermeiden und
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Krit. bemerkt Schroeder LK 11 Rdn. 1, 5, die Wendung „Umstand, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört", vermische Faktisches und Normatives, auf ein „Kennen" im alltäglichen Sprachgebrauch komme es bei Absicht und bedingtem Vorsatz nicht an und die Wendung, die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit bleibe „unberührt", enthalte nur eine verkümmerte Fahrlässigkeitsregelung. S. Dreher NJW 1970 1158; ders. GS Schröder, S. 359; Hirsch ZStW 84 (1972) 361, 388 ff; Jescheck FS Engisch, S. 584 ff;
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Krümpelmann S. 34 ff; Lackner/Kühl 5 97b Rdn. 6, § 113 Rdn. 19 ff; Maurach/ Schroeder/Maiwald II § 69 Rdn. 33 ff, § 85 Rdn. 30; Naucke FS Dreher, S. 459; Niemeyer J Z 1976 314, 316; Paeffgen Der Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses (§ 97b StGB) und die allgemeine Irrtumslehre; Sax J Z 1976 9, 16, 430; Sch/Schröder/Eser § 113 Rdn. 1, 50 ff; Sch/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben § 97b Rdn. 1 ff; Tröndle/Fischer § 97b Rdn. 2, § 113 Rdn. 10 f, 23.
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Irrtum über Tatumstände k ö n n e sich, w e n n er dies nicht tue, hinterher nicht auf einen Irrtum berufen ( B G H S t V 1999 369). D e r Irrtum nach § 16 Abs. 1 S t G B bezieht sich nicht unmittelbar auf den gesetzlichen Tatbestand und seine M e r k m a l e , sondern unmittelbar auf die U m s t ä n d e der T a t , m ö g e n sie nun tatsächlicher (deskriptiver) oder (ggf. rechtlich) wertender (normativer, ggf. rechtsnormativer) N a t u r sein, soweit sie den gesetzlichen T a t b e s t a n d verwirklichen, d.h. sich unter ihn subsumieren lassen (Joecks M K R d n . 7). D e r Irrtum über U m s t ä n d e , die für die Tatbestandsverwirklichung bedeutungslos sind, schließt den Vorsatz nicht aus (s. noch unten R d n . 7 4 ff zum sog. error in persona sive o b i e c t o ) .
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Umstände i.S.v. § 16 Abs. 1 S t G B sind nur wirkliche ( r e a l e ) 3 6 und in diesem Sinne objektive Umstände, und der T a t u m s t a n d s i r r t u m beinhaltet ein Auseinanderfallen von Wirklichkeit und Vorstellung. N a c h h.A. sind subjektive T a t b e s t a n d s m e r k m a l e als solche keine Umstände i.S.d. § 16 Abs. 1 S t G B , weil sich der T a t u m s t a n d s i r r t u m auf den o b j e k tiven Tatbestand beziehe und selbst im subjektiven Tatbestand anzusiedeln s e i . 3 7 D a s ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend, muss j e d o c h in erheblichem U m f a n g e relativiert und modifiziert w e r d e n : 3 8 Richtig ist, dass der T ä t e r sich nicht in einem T a t u m s t a n d s i r r t u m über seinen eigenen Vorsatz befinden k a n n ; entweder hat er Vorsatz oder nicht. Gleiches gilt für eigene Absichten des Täters, die spezielle Vorsatzvarianten sind (wie z.B. bei der absichtlichen schweren Körperverletzung, § 2 2 6 Abs. 2 S t G B ) . Jedenfalls t e r m i n o l o g i s c h umstritten ist hingegen die Frage, o b es Tatumstandsirrtümer in Bezug auf unrechtsrelevante Absichten des Täters bei kupierten Erfolgsdelikten bzw. Delikten mit überschießender Innentendenz wie beim Diebstahl oder Betrug ( § § 2 4 2 Abs. 1, 2 6 3 A b s . 1 S t G B ) g i b t . 3 9 Hier ist im Ergebnis a n e r k a n n t , dass der Irrtum über die R e c h t s w i d r i g k e i t der beabsichtigten Zueignung oder Bereicherung als Tatumstandsirrtum über ein normatives Tatbestandsmerkmal behandelt wird, sei es in direkter oder analoger A n w e n d u n g des § 16 Abs. 1 S t G B (s.u. R d n . 4 9 ) . Auch bei gemischt objektiv-subjektiven Merkmalen (z.B. der G r a u s a m k e i t , § 2 1 1 Abs. 2 S t G B zweite Gruppe) muss der Vorsatz die o b j e k tiven Elemente des M e r k m a l s umfassen, und insoweit sind T a t u m s t a n d s i r r t ü m e r m ö g l i c h (z.B. wenn der T ä t e r irrig davon ausgeht, das verwendete Gift töte rasch und schmerzlos). Demgegenüber steht die h.A. bei anderen subjektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen (Motiven, Tendenzen, Gesinnungen), die in der Person des T ä t e r s vorliegen müssen, ungeachtet ihrer dogmatischen Einordnung bei Unrecht oder Schuld auf dem Standpunkt, sie müssten zwar gegeben sein, was ggf. voraussetzen k a n n , dass der T ä t e r bestimmte U m s t ä n d e kennt (z.B. die Umstände, aus denen sich die Niedrigkeit des Beweggrundes ergibt, § 2 1 1 Abs. 2 erste Gruppe S t G B 4 0 ) , aber sie müssten nicht als solche „ g e k a n n t " oder „ g e w u s s t " werden. Schließlich ist es unstreitig, dass subjektive im Sinne psychischer Umstände bei anderen Personen als dem T ä t e r Gegenstand von V o r s a t z und vorsatzausschließendem Tatumstandsirrtum sein k ö n n e n , gleich, o b es sich um subjektive Umstände in der Person anderer Beteiligter handelt (z.B. Vorsatz des H a u p t t ä t e r s bei der Teilnahme, § § 2 6 , 2 7 S t G B ) , oder dass es um in der Person des O p f e r s vorliegende
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Insoweit ist die Lehre von den „Lebenskonkreta" zutreffend, eingehend § 15 Rdn. 23 ff; krit. Puppe NK Rdn. 32 ff. BGH GA 1968 121; Joecks MK Rdn. 6; Roxin AT I ξ 12 Rdn. 132; Schroeder LK 11 Rdn. 6; Stratenwerth/Kuhlen § 8 Rdn. 81. S. nur Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 23 f.
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Für unmittelbare Anwendung des § 16 StGB Kühl AT S § 13 Rdn. 14a; Puppe NK Rdn. 14, für nur analoge Anwendung Roxin AT I § 12 Rdn. 140 ff. BGHSt 6 121; NJW 1967 1140; 1980 793; NStZ 2 0 0 4 620; Lackner/Kühl § 211 Rdn. 5b; Tröndle/Fischer S 211 Rdn. 34.
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§16
2. Abschnitt. Die Tat
Umstände geht (z.B. Einverständnis des Hausrechtsinhabers in das Betreten, § 123 StGB). 20
Im Übrigen richtet sich die Frage, welche Umstände der Täter kennen muss, um Vorsatz zu haben, und welche Unkenntnis einen vorsatzausschließenden Tatumstandsirrtum begründet, nach der Art der Tatbestandsmerkmale, auf die sich die Umstände beziehen. Dabei kann es hilfreich sein, die Einordnung anhand der Konsequenzen für den jeweiligen „umgekehrten" Irrtum nach dem Umkehrprinzip (s.o. Rdn. 11 f) zu überprüfen, wie es in der Rechtsprechung vielfach geschieht.
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2. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum bei deskriptiven Tatbestandsmerkmalen. Unter deskriptiven Tatbestandsmerkmalen versteht die h.A. 41 alltags- oder auch fachsprachliche Gesetzesbegriffe, die Gegenstände der realen Welt beschreiben, deren Gegebensein der „Tatsachenfeststellung" oder „sinnlichen Wahrnehmung" zugänglich ist und „beschreibend" oder „in erkennender (kognitiver) Tätigkeit" und insoweit - im Unterschied zu den normativen Tatbestandsmerkmalen (s.u. Rdn. 25) - „wertfrei" festgestellt wird. Als Beispiele werden u.a. genannt: „Mensch"; „töten"; „Sache"; „wegnehmen", aber auch Merkmale, die innere Tatsachen beschreiben wie das Einverständnis des Opfers (Jescheck/Weigend § 26 IV 1). Auf dieser Grundlage setzt der Vorsatz bei deskriptiven Tatbestandsmerkmalen nur Tatsachenkenntnis, insbesondere sinnliche Wahrnehmung der tatsächlichen Umstände, nicht aber deren „geistiges Verstehen" voraus, und der vorsatzausschließende Irrtum beschränkt sich auf den Tat(sachen)irrtum, insbesondere bei Wahrnehmungsfehlern (Nicht- oder Fehlwahrnehmung von Tatsachen). Beispiele: Ersticken eines Menschen, den der Täter für bereits tot hält (BGHSt 14 193; s. hierzu noch u. Rdn. 56); Wegnahme einer im öffentlichen Verkehrsraum vorübergehend abgestellten Sache, die der Täter für verloren hält (RGSt 53 302, 303); Vergewaltigung einer Person, die aus Angst vor Misshandlungen vorgibt, mit dem Beischlaf einverstanden zu sein, was der Täter ihr glaubt (BGH NJW 1993 2188).
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Hier klingt ersichtlich - auch in der Rechtsprechung 4 2 - die alte Unterscheidung zwischen Tat- und Rechtsirrtum an, die an sich nicht mehr dem geltenden Recht entspricht. Auch ist seit jeher gegen die Lehre von den deskriptiven Tatbestandsmerkmalen eingewendet worden, dass diese Merkmale bereits deshalb, weil sie (Straf-)Rechtsbegriffe sind, einen wertenden (normativen) Bezug aufweisen und ihre Auslegung durch wertende (normative) Gesichtspunkte beeinflusst wird. 4 3 In der Tat hat z.B. der Begriff „Mensch" in hohem Maß wertenden (normativen) Gehalt, und zwar nicht nur bei den Fragen des Beginns und Endes des Menschseins, sondern bereits dadurch, dass jeder Mensch „Mensch" im (Straf-)Rechtssinn und nie bloß „Sache" (obschon ein abgrenzbarer körperlicher Gegenstand) ist. Selbst Altersangaben (z.B. „unter sechzehn Jahren", § 182 Abs. 2 StGB), die als Paradigmen deskriptiver Tatbestandsmerkmale angesehen werden, nehmen bei näherem Hinsehen auf Konventionen und sogar Rechtsnormen Bezug. 44 41
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Baumann/Weber/Mitsch $ 8 Rdn. 16; Jescheck/Weigend § 26 IV 1; Rudolphi SK Rdn. 20 ff; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben § 15 Rdn. 18. Vgl. BGHSt 7 261, 263; 18 192, 195; BGH N J W 1990 3156 zur gefährlichen Körperverletzung; krit. Traub JuS 1967 113, 117; missverständlich OLG Stuttgart NJW 1962 65, 66: stets nur Verbotsirrtum, wenn ein Tatbestandsmerkmal „seinem Begriff nach" verkannt werde.
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Dopslaff GA 1987 1, 18 f; Stratenwerth/ Kuhlen § 8 Rdn. 69. Grundlegend Erik Wolf Die Typen der Tatbestandsmäßigkeit (1931) S. 57 ff im Anschluss an M a x Ernst Mayer. Gemeint sind vollendete Lebensjahre; es kommt auf Ka/enáerjahre an; entscheidend ist nicht die Uhrzeit, sondern der Tag der Geburt, RGSt 35 37, s. § 187 Abs. 2 Satz 2 BGB.
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Irrtum über T a t u m s t ä n d e
Weiterhin ist gegen das Kriterium der „sinnlichen W a h r n e h m u n g " eingewendet worden, dass es unzweifelhaft deskriptive Tatbestandsmerkmale gibt, die sich unmittelbarer sinnlicher Wahrnehmung entziehen („lebensgefährdende" Behandlung, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB; Freisetzen „ionisierender Strahlen", § 311 StGB). 45 Vor allem wird darauf hingewiesen, dass auch Umstände, die sich auf deskriptive Tatbestandsmerkmale beziehen, „geistig verstanden" und ihrem „sozialen Sinn nach begriffen" werden müssen. In neuerer Zeit hat die Kritik eine erkenntnistheoretische und sprachphilosophische Wendung genommen; insbesondere sei Erkenntnis stets sprachlich vermittelt, weshalb man „rohe Tatsachen" oder „Lebenskonkreta" als solche nicht wissen könne. 4 6 Auch wenn diese Kritik teilweise begründet erscheint, dürfte es zu weit gehen, die Unterscheidung zwischen deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen aufzugeben. 4 7 Sie lässt sich vielmehr durch die in der Erkenntnistheorie und Sprachphilosophie gängige Unterscheidung zwischen „natürlichen" oder „empirischen" Eigenschaften oder Tatsachen bzw. „theoretischen" Urteilen einerseits und „institutionellen" oder „konventionalen" Eigenschaften oder Tatsachen bzw. „praktischen" Urteilen andererseits präzisieren. 48 Diese können im Unterschied zu jenen nur unter Zuhilfenahme praktischer Regeln, insbesondere rechtlicher oder auch sozialer oder moralischer N o r m e n oder Konventionen festgestellt werden. Genauer - und wieder auf die Strafrechtsdogmatik bezogen - heißt das: Z w a r ist es sowohl bei deskriptiven als auch normativen Tatbestandsmerkmalen notwendig, sie auszulegen und in diesem Sinne eine (rechts-)normative Regel über den Sprachgebrauch zu ermitteln und anzuwenden. Jedoch nimmt diese juristische Sprachverwendungsregel bei deskripitiven Tatbestandsmerkmalen nur auf natürliche Eigenschaften Bezug, während bei normativen Tatbestandsmerkmalen (zumindest auch) auf konventionale Eigenschaften und damit auf N o r m e n bzw. Konventionen Bezug genommen wird. So erweist sich, dass z.B. der Begriff „ M e n s c h " trotz aller in ihm enthaltenen Normativität in der Tat ein deskriptives Tatbestandsmerkmal ist, da die juristische Sprachverwendungsregel der h.A. (etwa: „Lebewesen, das zur Spezies h o m o sapiens gehört, vom Beginn der Eröffnungswehen bis zum Gesamthirntod") auf natürliche Eigenschaften Bezug nimmt.
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Deshalb ist für den Vorsatz bei deskriptiven Tatbestandsmerkmalen die Kenntnis im Sinne sinnhaften Verstehens der natürlichen Eigenschaften, die nach der juristischen Sprachverwendungsregel erforderlich sind, notwendig, aber auch ausreichend; fehlt sie, so liegt ein Tatumstandsirrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 StGB vor. Demgegenüber ist der Irrtum über die juristische Sprachverwendungsregel als solcher bloßer Subsumtionsirrtum (s.u. Rdn. 108 f). Beispiele: Wer einen Komatösen in der Annahme tötet, dieser sei gehirntot, hat keinen Tötungsvorsatz, auch wenn er meint, es komme rechtlich auf den Herztod an. Wer ein Tier erschlägt, weiß, dass er einen körperlichen Gegenstand zerstört, und hat auch dann „Sach"beschädigungsvorsatz, wenn er meint, ein lebendes Tier sei keine Sache. 49 - Wer an entlegenem O r t die Luft aus den Reifen eines Kraftfahrzeugs ablässt, weiß, dass er die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit des Kraftfahrzeugs nicht nur unerheblich und nicht ohne weiteres behebbar beeinträchtigt, und hat deshalb auch dann
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Kindhäuser Jura 1984 4 6 5 f; GA 1990 407. Kindhäuser Jura 1984 465, 4 6 7 ; GA 1990 407, 4 0 9 ; Puppe N K R d n . 41; Schlüchter S. 98 ff. So aber Dopslaff GA 1987 1 (mit N a c h w . zu ähnlichen Stellungnahmen im älteren Schriftt u m S. 2 Fn. 5 f). Wie hier Roxin AT I § 10
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R d n . 5 7 ff; Schlüchter S. 7 ff; stärkere Untergliederung der T a t b e s t a n d s m e r k m a l e bei Jakobs 8/48 ff; Puppe GA 1990 145, 155 ff. Im Anschluss a n Kindhäuser Jura 1984 465, 4 6 9 ff; Puppe N K R d n . 41 ff. S. zu diesem Schulbeispiel Kuhlen S. 45 f, 5 2 8 ff; Roxin AT I § 12 R d n . 120 je m . w . N .
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2. Abschnitt. Die Tat S a c h „ b e s c h ä d i g u n g s " v o r s a t z , wenn er meint, Beschädigung setze Substanzverletzung voraus (vgl. B G H S t 13 2 0 7 ) . 5 0 - Vorsatz einer „ E n t f ü h r u n g " nach § 2 3 7 S t G B hat, wer weiß, dass er das O p f e r in eine Lage bringt, in der es seiner G e w a l t preisgegeben ist, auch wenn er meint, für eine Entführung genüge nicht jede Veränderung des Aufenthaltsorts ( B G H N J W 1 9 6 7 1 7 6 5 ) . - Vorsatz der „ E i n f ü h r u n g " von Betäubungsmitteln (§ 2 9 Abs. 1 Nr. 1 B t M G ) hat nur, wer weiß, dass die Betäubungsmittel in einer Weise ins Inland g e k o m m e n sind, die für ihn tatsächliche Verfügungsmacht (§ 11 Abs. 1 Satz 2 B t M G ) begründet ( B G H N S t Z 2 0 0 3 9 2 , 9 3 ) .
3. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum bei normativen Tatbestandsmerkmalen 25
a) N o r m a t i v e Tatbestandsmerkmale sind nach h . A . 5 1 dadurch gekennzeichnet, dass sie „überhaupt nur unter logischer Voraussetzung einer N o r m vorgestellt oder gedacht werden k ö n n e n " und eine „hinzutretende W e r t u n g " beinhalten, sei sie rechtlicher Art (rechtsnormative T a t b e s t a n d s m e r k m a l e , „eigentliche R e c h t s b e g r i f f e " ) , sei sie vorrechtlicher A r t ( „ w e r t - " oder „sinnbezügliche" Begriffe). Als Beispiele werden u.a. g e n a n n t : 5 2 „ B e s c h i m p f e n " in S 1 3 0 Abs. 1 Nr. 2 S t G B ; „ G e l d " in §§ 1 4 6 ff S t G B ; „gesetzliche U n t e r h a l t s p f l i c h t " in § 1 7 0 S t G B ; „ E h e " in § 171 S t G B ; „sexuelle H a n d l u n g " in §§ 174 ff i.V.m. § 1 8 4 f S t G B ; „ p o r n o g r a p h i s c h " in § 1 8 4 S t G B ; „ r o h " und „böswillig" in § 2 2 5 S t G B ; „gute S i t t e n " in § 2 2 8 S t G B ; „ f r e m d " in § 2 4 2 S t G B ; „ U r k u n d e " in § 2 6 7 S t G B ; „ P f a n d r e c h t " usw. in § 2 8 9 S t G B ; „ J a g d r e c h t " in § 2 9 2 S t G B ; „grob verkehrswidrig" in § 3 1 5 c S t G B ; „pflichtwidrig" in § 3 5 6 S t G B .
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Bei normativen T a t b e s t a n d s m e r k m a l e n genügt nach h . A . bloße Tatsachenkenntnis nicht, u m Vorsatz zu begründen. Vielmehr muss der T ä t e r die für diese M e r k m a l e maßgeblichen T a t u m s t ä n d e auch „geistig verstehen" und „Bedeutungskenntnis" haben. Freilich sind fachjuristische Kenntnisse, insbesondere der jeweiligen N o r m e n , und die zutreffende Subsumtion unter den Gesetzesbegriff auch bei normativen Tatbestandsmerkmalen nicht erforderlich. Vielmehr genügt es nach h.A., dass der T ä t e r die jeweilige Wertung in der ihm als Laien möglichen Art nachvollzieht („Parallelwertung in der Laiensphäre", „Parallelbeurteilung im T ä t e r b e w u s s t s e i n " ) . 5 3 Ein vorsatzausschließender Tatumstands-
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Wer mit der durch KG NStZ 1981 224 begründeten h.A. (monographisch Ingelfinger Graffiti und Sachbeschädigung [2003]) die Strafbarkeit des Graffitisprühens gem. § 303 Abs. 1 StGB davon abhängig macht, dass die bestimmungsmäßige Brauchbarkeit des besprühten Objekts beeinträchtigt wird oder die Sprühfarbe sich so innig mit dem Objekt verbindet, dass eine Substanzverletzung sofort oder zwangsläufig beim Entfernen der Sprühfarbe eintritt, muss für den Sachbeschädigungsvorsatz jeweils die Kenntnis des Täters von diesen Umständen verlangen (zutr. Ingelfinger aaO). - S. aber nunmehr § 303 Abs. 2 StGB und hierzu Sch/Schröder/Stree § 303 Rdn. 9a ff. Zu den vielfältigen Definitionsansätzen s. nur Kuhlen S. 183 ff. Joecks MK Rdn. 40; Lackner/Kühl $ 15
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Rdn. 5; Puppe NK Rdn. 45; Sch/Schröder/ Lenckner/Eisele Vor §§ 13 ff Rdn. 64; Tröndle/Fischer Rdn. 4. BGHSt 3 248, 255; 4 347, 352. - Der Begriff geht auf Binding Normen III S. 148 zurück; s. sodann grundlegend Mezger S. 328 und LK 8 § 59 Rdn. 10; aus der heutigen Literatur Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 4 ff; Jakobs 8/49; Jescheck/Weigend § 2 9 II 3a; Kühl AT 5 § 5 Rdn. 93; Lackner/Kühl § 15 Rdn. 14; Maurach/Zipf § 22 Rdn. 49, § 23 Rdn. 27; Roxin AT I § 12 Rdn. 101 ff; Schmidhäuser AT 10/53; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 21; Stratenwerth/Kuhlen § 8 Rdn. 71 ff; Tröndle/ Fischer Rdn. I I a . Kritik aus sprachphilosophischer Sicht bei Arthur Kaufmann Die Parallelwertung in der Laiensphäre (1982).
Joachim Vogel
Irrtum über Tatumstände irrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 S t G B liegt vor, wenn es an dieser „ P a r a l l e l w e r t u n g " oder ,,-beurteilung" fehlt, und zwar auch dann, wenn dies auf einem R e c h t s - oder sonstigem Bewertungsirrtum beruht. So schließt z.B. die A n n a h m e , E i g e n t u m an einer Sache e r w o r ben zu haben, den Vorsatz hinsichtlich ihrer Fremdheit auch dann aus, w e n n der T ä t e r aus den an sich zutreffend erkannten Tatsachen rechtsirrig den Schluss zieht, Eigentümer geworden zu sein (erstmals R G G A 1 8 7 4 4 9 5 ; seitdem ständige R e c h t s p r e c h u n g ) . Auch innerhalb der h.A. umstritten ist, wie der Irrtum über die Tatsachengrundlage der „Parallelwertung" oder „ - b e u r t e i l u n g " zu beurteilen ist. Die überwiegende Auffassung steht auf dem Standpunkt, dass, gelangt der T ä t e r zu einer dem n o r m a t i v e n T a t b e standsmerkmal entsprechenden „Parallelwertung" oder ,,-beurteilung", dies für den Vorsatz auch dann genügt, wenn er sich über die zugrunde liegenden T a t s a c h e n gar keine Vorstellung m a c h t ( B G H S t 3 2 4 8 , 2 5 5 ) . Dasselbe soll sogar dann gelten, w e n n der T ä t e r einem „ D o p p e l i r r t u m " in der Weise unterliegt, dass er sich irrig T a t s a c h e n vorstellt, die das Vorliegen des normativen Tatbestandsmerkmals nicht begründen würden, aber infolge Rechts- oder Bewertungsirrtums zu einer dem Gesetz entsprechenden Wertung oder Beurteilung g e l a n g t . 5 4 N a c h der Gegenauffassung ist ein derartiger „ D o p p e l i r r t u m " nach § 16 Abs. 1 S t G B zu behandeln, weil andernfalls im Ergebnis ein auf R e c h t s - oder Bewertungsirrtum beruhendes Wahndelikt bestraft w ü r d e . 5 5 Abgesehen von dem eher kuriosen Lehrbuchfall der Wilderei durch Erlegen eines M a u s w i e s e l s im „Doppelirrt u m " , das Mauswiesel sei eine M a u s und M ä u s e seien j a g d b a r e T i e r e , 5 6 spielt der „ D o p pelirrtum" namentlich beim Vorsatz der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung bzw. Bereicherung eine R o l l e (hierzu u. R d n . 4 9 ) .
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b) Die Kritik an alledem entzündet sich einerseits an der zweifelhaften Trennung zwischen deskriptiven und normativen Tatbestandsrnerkmalen (s.o. R d n . 2 2 ) und andererseits an der Unklarheit des Konzepts der „Parallelwertung in der L a i e n s p h ä r e " bzw. „Parallelbeurteilung im T ä t e r b e w u s s t s e i n " . N a c h w o h l h.A. ist damit gemeint, dass der T ä t e r „den wesentlichen Bedeutungsgehalt" des jeweiligen n o r m a t i v e n Umstandes e r f a s s t . 5 7 Präzisierend heißt es, der T ä t e r müsse die Verletzungs- bzw. Gefährdungsrelevanz seines Handelns im H i n b l i c k auf den beabsichtigten Rechtsgüterschutz e r f a s s e n . 5 8 Demgegenüber steht eine vordringende Auffassung auf dem S t a n d p u n k t , jedenfalls bei rechtsnormativen T a t b e s t a n d s m e r k m a l e n sei volle Rechtskenntnis erforderlich, die der Täter zwar nicht fachsprachlich ausformulieren und auf Gesetz oder R e c h t s p r e c h u n g beziehen müsse, die aber doch das Bewusstsein, etwas sei (positives) R e c h t oder nicht, beinhalten m ü s s e . 5 9
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In der Tat wird die Formel von der Parallelwertung oder -beurteilung, w o r a u f Puppe hinweist, in der neueren Rechtsprechung nur mehr wenig verwendet, die vielmehr bei rechtsnormativen T a t b e s t a n d s m e r k m a l e n dazu neigt, schlicht R e c h t s ( u n ) k e n n t n i s festzu-
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BayObLG NJW 1963 310; zust. Maurach/ Schroeder/Maiwald I § 34 Rdn. 39; Ruß LK 1 1 S 246 Rdn. 22; Tröndle48 § 246 Rdn. 21. Bindokat NJW 1963 746; Hoyer SK § 2 4 6 Rdn. 42; Joecks MK Rdn. 42; Sch/Schröder/ Eser § 246 Rdn. 24. Erfunden von Baumann; s. bis heute Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 56; zusammenfassend Plascbke Jura 2001 235 f. S. ferner Kuhlen S. 38 f; Puppe NK Rdn. 39 f.
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Jescheck/Weigend § 29 II 3a; Joecks MK Rdn. 41; Mauracb/Zipf § 22 Rdn. 49; Roxin AT I § 12 Rdn. 101; Rudolphi SK Rdn. 23; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 43a. Vgl. auch Schliichter S. 116 und Nierwetberg Jura 1985 238, 241: Erfassung des rechtsgutsbezogenen Bedeutungsgehalts. Kindhäuser GA 1990 407, 417 ff; Puppe GA 1990 145, 182; dies. NK Rdn. 4 7 ff.
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2. Abschnitt. Die Tat stellen. 6 0 Auf der anderen Seite spielt, wie Puppe herausgearbeitet hat, die Formel bei normativen Tatbestandsmerkmalen, die auf nichtrechtliche Normen bzw. Wertmaßstäbe verweisen („wert-" oder „sinnbezügliche" Begriffe, s.o. Rdn. 2 5 ) , auch nach h.A. nur eine beschränkte Rolle; hier begnügt sich die h.A. keineswegs selten mit der Kenntnis der Tatsachen, die die Wertung tragen. 61 30
Die Kritik erscheint teilweise berechtigt. Entsprechend dem o. Rdn. 2 4 Ausgeführten ist für den Vorsatz bei normativen Tatbestandsmerkmalen keine im Sinne der Lehre von der Parallelwertung oder -beurteilung abgeschwächte, sondern eine nach allgemeinen Regeln zu bestimmende (i.d.R. genügt bedingter Vorsatz) Kenntnis im Sinne sinnhaften Verstehens der konventionalen Eigenschaften, die nach der juristischen Sprachverwendungsregel für das jeweilige Merkmal erforderlich sind, notwendig, aber auch ausreichend; fehlt sie, so liegt ein Tatumstandsirrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 StGB vor. Demgegenüber ist der Irrtum über die juristische Sprachverwendungsregel als solcher auch bei normativen Tatbestandsmerkmalen bloßer Subsumtionsirrtum (u. Rdn. 108 f). Z.B. muss der Täter einer Urkundenfälschung (§ 2 6 7 StGB) wissen, dass er den Inhalt einer von einem anderen herrührenden Gedankenerklärung verändert, die den Aussteller erkennen lässt und zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet oder bestimmt (beweiserheblich) ist (vgl. RGSt 53 237, 2 4 0 ; 6 8 2 4 0 , 2 4 3 ) ; weiß er das, so schließt es den Vorsatz nicht aus, wenn er z.B. ein Beweiszeichen nicht für eine Urkunde hält. 6 2 Für den „Doppelirrtum" (o. Rdn. 27) folgt hieraus, dass er nicht geeignet ist, den Vorsatz auszuschließen. Bei „wert-" oder „sinnbezüglichen" Tatbestandsmerkmalen, die auf nichtrechtliche Normen bzw. Wertmaßstäbe verweisen, ist deren Kenntnis für den Vorsatz erforderlich.
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Freilich dürfte sich keine der in der Lehre vertretenen Auffassungen - einschließlich der hier vertretenen Auffassung - als „Zauberformel" in dem Sinne erweisen, dass sie stets zweifelsfreie und überzeugende Ergebnisse gewährleistet. Vielmehr liegen bei vielen normativen Tatbestandsmerkmalen Tatumstands- und Verbotsirrtum dicht beieinander, und häufig kommt noch die Zweifelsfrage hinzu, ob es sich um einen auf den Tatbestand oder auf die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes bezogenen Irrtum (hierzu u. Rdn. 5 0 ff) handelt (so z.B. in BGHSt 32 2 4 3 , 2 4 7 f). Weiterhin hat bereits Mezger (LK 8 § 5 9 Anm. II 10a S. 4 8 4 ) bemerkt: „Wie weit [...] die durch die Tatumstände geforderte [...] Bewertung [...] zu gehen hat, bis sie zur irrelevanten Subsumtion wird, das lässt sich nicht in allgemeine starre Regeln fassen, sondern ist eine konkrete Frage des einzelnen gesetzlichen Tatbestands". In Grenzfällen 6 3 empfiehlt es sich zu fragen, ob der Täter trotz eines Rechts- oder Bewertungsirrtums ein Wissen hatte, dass ihm Anlass geben musste, über das Verbotensein seines Verhaltens nachzudenken (Appellfunktion des Tatumstandswissens, s. § 15 Rdn. 39). Verfehlt wäre es hingegen, einerseits Irrtumseinlassungen des Beschuldigten vorschnell hinzunehmen und sie andererseits in rechtlich zweifelhafter Weise als bloßen (vermeidbaren) Verbotsirrtum einzuordnen. 64
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Puppe NK Rdn. 51 m.w.N. Beispiele: „pornographisch" bei § 184 StGB, Tröndle/Fischer § 184 Rdn. 42 (aA aber Hörnle MK § 184 Rdn. 102 mit Fn. 381; Sch/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele § 184 Rdn. 51); „grob verkehrswidrig" bei § 315c, BayObLG NJW 1969 565 f. S. nur Lackner/Kühl § 15 Rdn. 15; Rudolphi SK Rdn. 23 m.w.N.
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Zahlreiche weitere Grenzfälle bei Baumann FS Welzel, S. 533 ff. So aber BGH NStZ 1989 475 (Einlassung eines nach § 145c StGB angeklagten Rechtsanwalts, nicht gewusst zu haben, dass eine Beschwerde gegen ein Berufsverbot keinen Suspensiveffekt hat); mit Recht abl. Dölp NStZ 1989 475 und - mit anderer Begründung -Jakobs 8/56 in Fn. 133a.
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Irrtum über Tatumstände
Für die Methode der Behandlung von Grenzfällen besonders lehrreich ist BGHSt 50 331 = NJW 2 0 0 6 522, 531 (Fall Mannesmann/Vodafone) zu Vorsatz, Tatumstands- und Verbotsirrtum hinsichtlich der für die Untreue (§ 2 6 6 StGB) erforderlichen Vermögensbetreuungspflichtverletzung.65 Der BGH weist zunächst auf die Tatfrage der „Vielgestaltigkeit [...] etwaiger Fehlvorstellungen oder -bewertungen" hin. Hieraus folge für die Rechtsfrage, dass die „schlichte Anwendung einfacher Formeln ohne Rückgriff auf wertende Kriterien und differenzierende Betrachtungen" unzureichend sei. Unabhängig davon, wie man zu den weiteren sachlichen Ausführungen steht, 66 ist dem methodisch mit Nachdruck zuzustimmen.
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c) Angesichts der Fülle der normativen Tatbestandsmerkmale im Besonderen Teil und der Vielfalt der Irrtumskonstellationen muss für die Einzelheiten auf die Kommentierung der jeweiligen Tatbestände verwiesen werden. Zur Verdeutlichung seien neben den bereits genannten Beispielen folgende klassische Beispiele (zur neueren Rechtsprechung s. die Kommentierungen der einzelnen Vorschriften) aus dem StGB (Rdn. 34) und dem Nebenstrafrecht (Rdn. 35) angeführt:
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Beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) ist der Irrtum des Täters darüber, dass er als Mitverursacher des Unfalls in Frage kommt, Tatumstands-, der Irrtum darüber, dass die Wartepflicht jeden möglichen Mitverursacher des Unfalls trifft, Verbotsirrtum (BGHSt 15 1, 5). 6 7 Der Irrtum, es bestehe kein fremdes Feststellungsinteresse, ist Tatumstandsirrtum; unzutr. deutet OLG Stuttgart J Z 1959 579 ihn in einen Irrtum über den Pflichtenumfang und damit einen Verbotsirrtum um, um eine vorsätzliche Haupttat als Anknüpfungspunkt für eine Teilnahmehandlung zu gewinnen (abl. auch Lange J Z 1959 560). - Bei den Aussagedelikten (§§ 153 f f StGB) ist die Annahme, nicht Zeuge, sondern Beschuldigter zu sein, Tatumstands-, die Annahme, auch als Zeuge unter bestimmten Umständen zur unwahren Aussage berechtigt zu sein, Verbotsirrtum (BGHSt 10 1, 14 f). Die Annahme, eine Aussage falle nicht unter die Wahrheitspflicht, ist Verbotsirrtum (BGHSt 14 345, 350; aA Sch/Schröder/Lenckner Vorbem. §§ 153 ff Rdn. 30 m.w.N.). - Für die früheren Sittlichkeitsdelikte, namentlich die „Unzucht" nach §§ 173 ff StGB a.F., genügte für den Vorsatz die Kenntnis der erheblichen Verletzung des Scham- und Sittlichkeitsgefühls in sexueller Hinsicht. 68 Bei einer Ausstellung von
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S. hierzu Ransiek NJW 2 0 0 6 814, 816; Könnau NStZ 2 0 0 6 218, 220 f sowie Vogel/ Hocke J Z 2 0 0 6 568, 5 6 9 ff. Nach BGH aaO kann weder jede fehlerhafte Wertung, nicht pflichtwidrig zu handeln, den Untreuevorsatz ausschließen (in diese Richtung aber Jakobs NStZ 2005 276, 277 f), noch handele ohne weiteres vorsätzlich, wer nur alle die objektive Pflichtwidrigkeit seines Handelns begründenden tatsächlichen Umstände kenne, ohne sie zutreffend zu bewerten (so aber Schünemann LK 1 1 § 266 Rdn. 153). Vorsatzwissen habe insbesondere, wer wisse, dass er das von ihm zu betreuende fremde Vermögen sicher schädige; wer glaube, kraft unternehmerischer Handlungsfreiheit hierzu berechtigt zu sein, nehme „gleichsam einen nicht bestehenden Erlaubnissatz in Anspruch", was nur ξ 17 StGB unterfalle.
Unzutr. OLG Düsseldorf NJW 1986 2001 m.
Anm. Freund GA 1987 536 und Kuhlen StV
1987 437. OLG Köln NJW 1974 1830, 1831. Unverständlich allerdings, wieso dies „in gleicher Weise" für S 180a StGB n.F. gelten soll, der stattdessen auf die „Prostitution" abstellt. Das 4. StrRG hat zwar durch die Beseitigung des werthaltigen Begriffs der „Unzucht" die Möglichkeit diesbezüglicher Wertungsfehler beseitigt, aber durch die Vieldeutigkeit des Begriffs der „sexuellen Handlung" (näher
Maurach/Schroeder/Matwald I § 17
Rdn. 25), die zudem „von einiger Erheblichkeit" sein muss (§ 184c Nr. 1 StGB), erhebliche neue Quellen für Subsumtionsirrtümer geschaffen.
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§16
2. Abschnitt. Die Tat
Empfängnisverhütungsmitteln in einer Sitte und Anstand verletzenden Weise nach § 184 Abs. 2 Nr. 3a StGB a.F. musste der Täter sein Tun als nicht mehr anständig und nicht mehr gehörig empfinden (BayObLG NJW 1964 1380; vgl. auch BGH NJW 1957 389). Bei der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) ist die Annahme, die Mitteilung eines Privatgeheimnisses an einen selbst Schweigepflichtigen sei keine „Offenbarung", Tatumstands-, die Annahme, sie sei erlaubt, Verbotsirrtum (Maurach/Schroeder/Maiwald I § 29 Rdn. 44). - Die irrige Annahme, die Vortat sei keine Straftat, ist bei der Begiinstigung (§ 257 StGB) Tatumstandsirrtum, einerlei, ob sie auf falschen tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen beruht (BGHSt 15 210, 213). - Bei der Strafvereitelung (§ 258 StGB) ist die Annahme, ein Verteidigerhandeln sei geboten, Tatumstandsirrtum, die Annahme, es liege innerhalb der rechtlichen Grenzen erlaubten Verteidigerhandelns, Verbotsirrtum (BGHSt 32 243, 247f). - Bei der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) ist die irrige Annahme, der Aussteller gehe aus einem Schriftstück nicht hervor, Tatumstands-, die bloße Annahme, es liege trotz Erkennbarkeit des Ausstellers keine Urkunde vor, Verbotsirrtum (vgl. BGHSt 13 235, 240 f; s. bereits o. Rdn. 30). - Bei der Jagd- und Fischwilderei (§§ 292 f StGB) muss der Täter wissen, dass er fremdes Jagd- oder Fischereifausübungs)recht verletzt (Wohlers NK § 292 Rdn. 31). - Beim Parteiverrat (§ 356 StGB) ist für Vorsatz hinsichtlich der „Pflichtwidrigkeit" das Wissen erforderlich, dass ein Interessengegensatz besteht (BGHSt 7 261, 263; 15 332, 338); daran kann es fehlen, wenn sich der Rechtsanwalt vorstellt, es handele sich um eine Konventionalscheidung ohne Streitpunkte (BGHSt 18 192, 200). Bloße Subsumtionsirrtümer sind hingegen die Annahmen, ein Einverständnis der Parteien schließe den Interessengegensatz aus (BGHSt 5 284, 289) oder es komme auf die Vertretbarkeit des Interesses (BGHSt 7 17, 22 f), auf die Prozesssache (BGHSt 7 261, 263; 17 341, 347) oder die in den Prozess eingeführten Tatsachen an (BGHSt 9 341, 347). 35
Bei der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) muss der Täter das Bestehen des Steueranspruchs, nicht nur die ihn begründenden Tatsachen kennen. 69 Zum Irrtum bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO BayObLG NJW 1976 635. - Beim Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) muss der Täter jedenfalls die Umstände kennen, aus denen sich die Rechtskraft des Fahrverbots ergibt, richtigerweise zudem die Rechtskraft als solche (BayObLG NZV 2 0 0 0 133, 134). - Bei Geschäften eines Kreditinstituts ohne Erlaubnis (§§ 1, 3, 46 KWG 1939) musste der Täter wissen, dass er seinen Gewinn nicht nach Art eines Einzelhändlers aus dem vorteilhaften Einkauf und günstigen Verkauf von Waren nach kaufmännischen Gesichtspunkten, sondern aus der Aufnahme und Anlage fremder Gelder zog, nicht aber, dass sein Unternehmen ein Kreditinstitut war (BGHSt 4 347, 352; durch § 54 KWG 1961 überholt). - Beim Nachmachen von Wein und dem Zusatz von Fremdstoffen ($§ 4, 9, 26 WeinG a.F.) muss der Täter wissen, dass er Abfälle verarbeitet, nicht, dass Trester keine „frischen Trauben" i.S.v. § 1 WeinG a.F. sind (BGHSt 13 135, 138). - Bei der Preisüberhöhung (§ 2a WiStG a.F.) muss der Täter die Unangemessenheit des Preises kennen oder billigend in Kauf nehmen. 70 - Zu den Irrtumsfragen bei § 399 AktG s. BGH GA 1977 340, 341. Allgemein zu Irrtumsfragen bei Fälschungs- und Täuschungsdelikten Tiedemann Wirtschaftstrafrecht AT Rdn. 231 ff. 69
BGHSt 5 90; wistra 1989 263; BayObLG MDR 1990 655; Jakobs 8/56; Roxin AT I § 12 Rdn. 108; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 228. Abi. Bachmann S. 181; Maiwald Unrechtskenntnis und Vorsatz im Steuerstrafrecht (1984); F. Meyer NStZ 1986 443, 500.
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OLG Stuttgart NJW 1953 1848; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 391 f m.w.N.; Warda JR 1950 548; aA BayObLG NJW 1954 811.
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Irrtum über Tatumstände 4. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum bei Blankettstrafgesetzen. BlankettStrafgesetze 7 1 sind Strafgesetze, die eine Strafdrohung enthalten, aber das tatbestandliche Unrecht nicht oder nicht vollständig selbst umschreiben, sondern ganz oder teilweise, ausdrücklich oder sinngemäß, statisch oder dynamisch auf andere gesetzliche oder untergesetzliche Normen und ggf. auch auf Verwaltungsakte (Verbote, Untersagungen, Erlaubnisse, Genehmigungen usw.) verweisen, die das Blankettstrafgesetz vervollständigen oder ausfüllen und deshalb als „blankettausfüllende N o r m e n " bezeichnet werden. Als „echte" Blankettstrafgesetze werden solche bezeichnet, bei denen die blankettausfüllende Norm von einer anderen Stelle als dem Strafgesetzgeber (i.d.R. Bundesgesetzgeber) erlassen wird, insbesondere wenn auf Verordnungs- oder Landesrecht oder auch Verwaltungsakte verwiesen wird; dieser „Kompetenzsprung" fehlt bei „unechten" Blankettstrafgesetzen, insbesondere solchen, bei denen die Blankettstrafvorschrift auf eine andere Vorschrift desselben Gesetzes bzw. Gesetzgebers verweist. 72 Als Beispiele werden u.a. genannt: 7 3 „entgegen den Rechtsvorschriften über die Subventionsvergabe" (§ 2 6 4 Abs. 1 Nr. 3 StGB); Verstoß „gegen Rechtsvorschriften zur Sicherung des Luft[usw.]verkehrs" (§ 315a Abs. 1 Nr. 2 StGB); „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" (s. § 3 3 0 d Nr. 4 StGB und die zahlreichen Straftaten gegen die Umwelt, z.B. § 324a Abs. 1 StGB); „entgegen dem Handelsrecht" (§ 2 8 3 Abs. 1 Nr. 7 StGB). Vor allem aber handelt es sich um einen gängige Gesetzgebungstechnik im Nebenstrafrecht (s. nur § 51 L F G B , § 5 2 WaffG) und erst recht im Ordnungswidrigkeitenrecht.
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Abgesehen von der staatsrechtlichen Frage, ob insbesondere echte dynamische Blankettstrafgesetze mit Art. 103 Abs. 2 G G vereinbar sind, 7 4 stellt sich bei ihnen die bis heute stark umstrittene Frage, ob sich der Vorsatz auf das Bestehen, die Gültigkeit, den Inhalt und die Anwendbarkeit der blankettausfüllenden Norm erstrecken muss und ein Irrtum hierüber vorsatzausschließender Tatumstandsirrtum ist. Das RG neigte dazu, einen solchen Irrtum als vorsatzausschließenden „außerstrafrechtlichen Rechtsirrtum" (s.o. Rdn. 6) zu behandeln. 7 5 Dem hielt bereits Kohlrausch (Irrtum und Schuldbegriff im Strafrecht [1903] S. 1 7 9 f ) entgegen, dass es nur eine „Sache gesetzestechnischer Zweckmäßigkeit" sei, wie der Gesetzgeber das Gesetz fasse, und „[d]ie Wahl der Darstellungsart den Umkreis der strafbaren Fälle nicht berühren" könne, „weder objektiv noch subjektiv". Für die so verstandene Blanketttechnik bedeutet das, dass sie nur dazu dient, die Wiederholung der blankettausfüllenden Norm im Blankettstrafgesetz zu vermeiden, das so gelesen werden muss, als stünde in ihm der Text der Ausfüllungsnorm. Auch unter dem Einfluss der finalistischen Vorsatz- und Irrtumslehre hat sich diese These vom „Zusammenlesen" des Blankettstrafgesetzes und der blankettausfüllenden Norm („Substituierbarkeitsthese", Puppe N K Rdn. 38) durchgesetzt, und Bezugspunkt von Vorsatz und Irrtum soll die „zusammengelesene" Norm sein. Hiernach beschränkt sich der Vor-
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S. hierzu Enderle Blankettstrafgesetze: verfassungs- und strafrechtliche Probleme von Wirtschaftsstraftatbeständen (1983); Lauer Blankettstrafgesetze; Miiller-Magdeburg Blankettnormen; Tiedemann Tatbestandsfunktionen; ders. Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 99 ff; Warda Blankettstrafgesetze. Rogali KK-OWiG Vor § 1 Rdn. 16; s. auch Enderle aaO S. 82 f und Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 99 (die aber - in der Sache gleichbedeutend - zwischen einem
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engen und weiten Blankettbegriff differenzieren). S. auch Baumann/Weber/Mitsch § 8 Rdn. 100; Jescheck/Weigend § 12 III 2 bei und mit Fn. 8; Joecks MK Rdn. 43 bei und mit Fn. 102. S. hierzu nur Enderle aaO S. 173 ff; Sachs/ Degenhart Art. 103 Rdn. 60 ff sowie Gribbohm LK11 § 1 Rdn. 35 ff. RGSt 20 177; 28 195; 36 359; s. aber auch 52 99.
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2. Abschnitt. Die Tat satz bei Blankettstrafgesetzen im Ausgangspunkt auf die Kenntnis der Umstände, die den „zusammengelesenen" (Gesamt-)Tatbestand gehören, und nur die Unkenntnis dieser Umstände begründet einen vorsatzausschließenden Tatumstandsirrtum gem. § 16 Abs. 1 StGB. Demgegenüber kann der Irrtum über Bestehen, Gültigkeit, Inhalt und Anwendbarkeit der blankettausfüllenden Norm als solcher allenfalls einen Verbotsirrtum gem. § 17 StGB begründen. 7 6 38
Freilich erleidet dieser Ausgangspunkt auch nach h.A. Ausnahmen. Zum einen beinhalten auch normative Tatbestandsmerkmale eine Verweisung auf andere Normen (z.B. „fremd" auf die bürgerlich-rechtlichen Eigentumsvorschriften), so dass sich auch für die h.A. die Frage stellt, ob ein Blankettmerkmal nicht in Wahrheit ein normatives Tatbestandsmerkmal ist, so dass der Täter nach h.A. eine „Parallelwertung in der Laiensphäre" vornehmen (s.o. Rdn. 26) und im Ergebnis Bestehen, Wirksamkeit, Inhalt und Anwendbarkeit der Ausfüllungsnorm nachvollziehen muss. O b und wie Blankette und normative Tatbestandsmerkmale sich voneinander abgrenzen lassen, ist freilich unklar und umstritten. 7 7 So war und ist zum Parteiverrat (§ 3 5 6 StGB, s. bereits o. Rdn. 34) umstritten, ob das Merkmal „pflichtwidrig" ein auf die B R A O verweisendes Blankett ist (so BGHSt 3 4 0 2 ; 5 2 8 7 ) oder aber normatives Tatbestandsmerkmal (so Welzel J Z 1954 277). Demgegenüber entspricht es der mittlerweile h.A., dass, verweist das Blankettstrafgesetz auf „Einzelanordnungen", d.h. Verwaltungsakte (Verbote, Untersagungen, Erlaubnisse, Genehmigungen usw.), die Verweisung in Wahrheit als normatives Tatbestandsmerkmal zu behandeln ist, also der Täter, um vorsätzlich zu handeln, Kenntnis von dem Verwaltungsakt haben muss. 7 8 So kann, wer ein gegen ihn erlassenes Berufsverbot nicht kennt oder für (formell) unwirksam hält, nicht vorsätzlich gegen das Berufsverbot verstoßen (§ 145c StGB). 7 9 - Zum anderen anerkennt die h.A., dass der Gesetzgeber anordnen bzw. dass sich durch Auslegung des Gesetzes ergeben kann, dass sich das Vorsatzerfordernis auf das Bestehen (usw.) der Ausfüllungsnorm erstrecken muss, insbesondere wenn die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit angeordnet und hiermit offensichtlich die Rechtsfahrlässigkeit in Bezug auf die Ausfüllungsnorm gemeint ist. 8 0
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Die h.A. führt zu einer wenig übersichtlichen und nicht widerspruchsfreien Kasuistik: Die „Befugnis" zur Führung eines Titels (§ 132a StGB) wird als Blankettmerkmal behandelt, so dass die irrige Annahme, zur Titelführung befugt zu sein, als solche nur einen Verbotsirrtum begründet und der Vorsatz nur dann gem. § 16 Abs. 1 StGB entfällt, wenn der Täter irrig tatsächliche Umstände annimmt, die, lägen sie vor, ihn zur Titelführung berechtigten (BGHSt 14 2 2 3 , 2 2 7 ; BayObLG GA 1961 152, 153). - Demgegenüber wird
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BGH NStZ 1993 594, 595; BGH wistra 2003 65, 66; Jakobs 8/47; Jescheck/Weigend § 29 V 3; Joecks MK Rdn. 44; Maurach/Zipf § 23 Rdn. 9; Roxin AT I S 12 Rdn. 111; Rudolphi SK Rdn. 19; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 100; Warda S. 36 ff; Welzel § 22 III le. S. BGHSt 5 301, 311; Schlüchter S. 23; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 99 ff; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 257 f, 316, 332 f; ders. Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 255. Grundlegend Schröder ZStW 65 (1953) 178, 182; s. nunmehr Puppe NK Rdn. 62; Roxin AT I § 12 Rdn. 111; Sch/Schröder/Cramer/
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Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 102; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 393 f. Vgl. BGH NJW 1989 1939; zu Grenzfragen Horstkotte LK11 S 145c Rdn. 22. Jescheck/Weigend § 29 V 3 i.V.m. § 41 II 2c; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 100; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 223. Unzutr. werden diese Stellungnahmen von Rudolphi SK Rdn. 19 für seine „Mittelmeinung" in Anspruch genommen, wonach „die Lösung des Problems unter Beachtung der von Lange vorgebrachten Argumente im Einzelfall durch Auslegung des jeweiligen Blankettgesetzes zu suchen ist".
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Irrtum über Tatumstände
der Verweis auf die durch Rechtsverordnung festgesetzte Schonzeit im Jagdstrafrecht als normatives Tatbestandsmerkmal behandelt; wer in Kenntnis des Datums, aber im Irrtum über die Schonzeit Wild in der Schonzeit bejagt (nunmehr bloße Ordnungswidrigkeit, § 29 Abs. 2 Nr. 3a i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 BJagdG), unterliegt einem Tatbestandsirrtum, weil die angeordnete Fahrlässigkeitsstrafbarkeit (s. § 38 Abs. 2 BJagdG) sich auf den fahrlässigen Rechtsirrtum über die Schonzeit beziehen muss - man kann nicht fahrlässig jagen (OLG Celle NJW 1954 1618; Herzberg GA 1993 457). - Wer ohne Genehmigung Wohnraum an andere überließ, beging auch dann eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit nach § 35 Abs. la) i.V.m. § 12 des früheren Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes, wenn er meinte, nicht der Genehmigungspflicht zu unterliegen, weil der Wohnraum nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes falle (BGHSt 9 358, 361; KG N J W 1958 921 m. zust. Anm. Schröder, aA BayObLG GA 1956 90). - Der Irrtum über die Genehmigungspflicht des Hawala-Banking in einem Embargogebiet (§ 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69e AVW) ist Verbotsirrtum (BGH NStZ-RR 2003 55, 56). - Demgegenüber ist der Irrtum über die Erlaubnispflichtigkeit einer rechtsberatenden Tätigkeit (Art. I § 8 Abs. 1 Nr. 1 RBerG) Tatbestandsirrtum (OLG Celle NJW 2004 3790). - Zum Irrtum bei Patentrechtsverletzungen nach dem früheren § 49 PatG s. Witte GRUR 1958 419 und Hesse GA 1968 225. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass eine vordringende Gegenauffassung dem Irrtum über blankettausfüllende Normen als solchem vorsatzausschließende Wirkung beimessen will, sei es, dass angesichts der Schwierigkeit, Blankette und normative Tatbestandsmerkmale voneinander abzugrenzen, deren Gleichbehandlung verlangt wird, 81 sei es, dass ohnehin eine Rückkehr zur Vorsatztheorie im Nebenstrafrecht (s. Vor § 15 Rdn. 30) oder zur Irrtumslehre des RG gefordert wird (s.o. Rdn. 10), oder sei es, dass die „Substituierungsthese" der h.A. bestritten wird (so Puppe NK Rdn. 38): Es verschiebe den subjektiven Sinn des Tatbestandes, an die Stelle des Blanketts die Merkmale der blankettausfüllenden Norm zu setzen. Wenn z.B. § 292 StGB die Jagd auf dem Jagdrecht unterliegendes Wild unter Strafe stelle, verschiebe es den subjektiven Sinn des Tatbestandes, ihn im Wege des „Zusammenlesens" als Verbot der Jagd z.B. auf Möwen (s. § 2 Abs. 1 BJagdG) aufzufassen mit der Folge, dass der Täter sich nicht auf § 16 Abs. 1 StGB berufen könne, wenn er rechtsirrig annehme, Möwen seien kein dem Jagdrecht unterliegendes Wild. Dieser Gegenauffassung ist im Grundsatz beizupflichten. Zu weit würde es allerdings gehen, „unechte" Blankettstrafgesetze, die in eindeutig abkürzender, also eindeutig allein der Gesetzestechnik dienender Weise auf Vorschriften desselben Gesetzes bzw. Gesetzgebers verweisen, anders als nach h.A. zu behandeln; in diesen Fällen verschiebt das eindeutig gewollte „Zusammenlesen" nicht den Sinn des Tatbestandes. So liegt es insbesondere bei der im Nebenstrafrecht üblichen Gesetzestechnik, dass Verstöße gegen Vorschriften (Verhaltensnormen) eines Gesetzes durch eine gegen Ende des Gesetzes eingestellte Strafvorschrift mit Strafe bewehrt werden, beispielsweise wenn § 20a WpHG die Markmanipulation untersagt (Verhaltensnorm) und § 38 Abs. 2 WpHG Verstöße hiergegen unter (gestuftem) Verweis hierauf mit Strafe bedroht (Sanktionsnorm).
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5. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum bei Tatbestandsalternativen. Zahlreiche Tatbestände des Besonderen Teils enthalten Tatbestandsalternativen, seien es Tathandlungsalternativen (s. z.B. §§ 211, 224 StGB), Taterfolgsalternativen (s. z.B. § 226 StGB,
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Kohlrausch/Lange § 59 VI; Lange JZ 1956 73, 75; 1957 223, 234; Puppe GA 1990 145, 166 ff; Tiedemann
Tatbestandsfunktionen
S. 387 f. Differenzierend zwischen Schutz von Gehorsam und Regelungseffekt Jakobs 8/46 f.
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2. Abschnitt. Die Tat aber auch § 315c Abs. 1 StGB: Gefährdung von „Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert") oder Tatobjektsalternativen (s. z.B. § 3 0 6 StGB), und bedrohen sie mit ein und demselben Strafrahmen. Bei solchen Tatbeständen 8 2 ist es möglich, dass sich der Vorsatz des Täters auf eine andere als die tatsächlich verwirklichte Alternative bezieht, beispielsweise wenn der Täter einen Haufen Stroh anzündet, den er für einen „Vorrat von landwirtschaftlichen Erzeugnissen" ( § 3 0 8 Abs. 1 a.F., nunmehr § 3 0 6 Abs. 1 Nr. 6 StGB) hält, der aber in Wahrheit zum Dachdecken dient und somit ein „Vorrat von Baumaterialien" (§ 3 0 8 Abs. 1 a.F., vgl. nunmehr § 3 0 6 Abs. 1 Nr. 3 StGB) ist (RGSt 35 285). In solchen Fällen stellt sich materiellrechtlich die Frage, ob der Irrtum gem. § 16 Abs. 1 StGB vorsatzausschließende Wirkung hat. 8 3 42
RG aaO S. 2 8 7 hat das verneint, da und soweit vorgestelltes und wirkliches Tatobjekt absolut „gleichwertig" gewesen seien, was im Ergebnis der heute h.A. entspricht. 8 4 Sowohl in der Begründung als auch, was anders gelagerte Fälle angeht, sind nach h.L. aber Differenzierungen erforderlich. Teils betreffen die Fälle nicht eigentlich Tatbestandsalternativen, sondern erweisen sich als errores in persona vel obiecto oder aberrationes ictus. 8 5 Die eigentlichen Irrtümer über Tatbestandsalternativen werden teilweise nach dem Rechtsgedanken des error in persona vel obiecto oder der unwesentlichen Abweichung des Kausalverlaufs gelöst. 8 6 Nach wohl h.L. ist maßgeblich, ob die vom Vorsatz erfasste und die tatsächlich verwirklichte Tatbestandsalternative ein „einheitliches (komplexes) Merkmal" bilden (dann Vorsatz[vollendungs]zurechnung) oder ob zwischen den Alternativen „Abstufungen quantitativer und qualitativer Art" bestehen (dann ggf. nur Versuch). 8 7 Die von Schroeder begründete Gegenauffassung 8 8 stellt demgegenüber darauf ab, ob der Gesetzgeber mit den Alternativen die Angriffsformen und -objekte „erschöpfend oder jedenfalls bis auf Randbereiche" erfassen wollte (z.B. bei §§ 142 Abs. 1, 315c Abs. 1 StGB; dann soll der Irrtum unbeachtlich sein) oder nicht (z.B. bei §§ 211, 3 0 8 StGB; dann soll er beachtlich sein, so dass nur ggf. eine Versuchsstrafbarkeit hinsichtlich der gewollten Alternative in Betracht kommt). Dieser Auffassung ist mit der Maßgabe zuzustimmen, dass die (nahezu) erschöpfend erfassten Alternativen sich im Unrechts- und Schuldgehalt nicht wesentlich unterscheiden, was auf eine Kombination beider Auffassungen hinausläuft. 8 9 Noch stärker differenzierend Tsai S. 2 2 4 ff.
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6. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum bei täterschaftsbegründenden Merkmalen. Bei Sonder- und Sonderpflichtdelikten ist tauglicher Täter („taugliches Subjekt")
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Sie wurden früher als „Mischgesetze" oder ,,-tatbestände" bezeichnet, s. Wertheimer Die Mischgesetze des Deutschen Strafgesetzbuchs (1903); zur heutigen Verwendung dieses Begriffs u. Rdn. 54. Zu der zusätzlichen prozessrechtlichen Frage, ob eine Wahlfeststellung in Betracht kommt, wenn nicht festgestellt werden kann, auf welche Alternative der Vorsatz des Täters gerichtet war, s. RG aaO; Jörg Fischer S. 5 ff. AA aber Binding Normen II S. 931 ff; Kuhlen S. 508 ff. Vgl. RGSt 26 61 (der Täter wollte das Opfer durch einen Schuss aus dem einen, mit Schrot geladenen Gewehrlauf verletzen, ver-
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letzte es aber durch einen versehentlich abgegeben Schuss aus dem anderen, mit einer Kugel geladenen Lauf; s. hierzu Jörg Fischer S. 60 ff; RGSt 73 257 (der Täter wollte das Opfer mit einem Buch auf den Kopf schlagen und schlug ihm ein Auge aus; s. hierzu Jörg Fischer S. 69 ff). Tröndle/Fischer Rdn. 3. S. Joecks MK Rdn. 72; Lackner/Kühl Rdn. 4; Roxin AT I S 12 Rdn. 136; Rudolphi SK Rdn. 28d; Sch/Schröder/Cramer/ Sternberg-Lieben Rdn. 11. GA 1979 321, 327 und LK 11 Rdn. 8 ff. Ähnlich Jakobs 8/43 bei und mit Fn. 92; hiergegen aber Jörg Fischer S. 163 f.
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Irrtum über Tatumstände
nur, wer besondere täterschaftsbegründende Merkmale aufweist, z.B. bei den Amtsdelikten Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB), bei den unechten Unterlassungspflichten Garant (§ 13 StGB), bei den Aussagedelikten Zeuge oder Sachverständiger (§§ 153 ff StGB), bei der Verletzung von Privatgeheimnissen (Berufs-)Geheimnisträger (§ 203 StGB), bei der Untreue vermögensbetreuungspflichtig (§ 266 StGB) oder beim Bankrott Schuldner (vgl. § 283 Abs. 6 StGB) ist. Zu § 59 RStGB wurde vertreten, solche Täterschaftsmerkmale seien keine Taiumstände und die Anforderungen an Vorsatz und Irrtum müssten unabhängig hiervon bestimmt werden. 90 Heute ist die Anwendbarkeit der §§ 15, 16 StGB nicht mehr umstritten; der Vorsatz muss sich auf die täterschaftsbegründenden Merkmale beziehen, und insoweit ist ein vorsatzausschließender Tatumstandsirrtum möglich. 91 Doch finden sich bis heute Besonderheiten: Bei den Amtsdelikten soll für den Vorsatz die Kenntnis genügen, dass der Täter an der Betätigung der Staatsgewalt mitwirkt, und die Unkenntnis der daraus folgenden (erhöhten) Pflichten nur Verbotsirrtum sein (BGHSt 8 321, 323 f). Nach h.A. muss der Garant nur die tatsächlichen Umstände kennen, die seine Garantenstellung begründen; der Irrtum darüber, nicht zur Erfolgsabwendung verpflichtet zu sein, soll nur Verbotsirrtum sein, weil die Garantenpflicht erst zur Rechtswidrigkeit gehöre und die Garantenstellung „Rechtspflichtmerkmal" oder „gesamttatbewertendes Merkmal" sei (s. noch u. Rdn. 51 ). 9 2 Nach diesen Grundsätzen werden teilweise auch Vorsatz und Irrtum in Bezug auf die Vermögensbetreuungspflicht des Untreuetäters behandelt. Vor allem aber werden die Vorsatzanforderungen in Bezug auf täterschaftsbegründende Merkmale durch die Lehre vom Mitbewusstsein in Gestalt des ständigen Begleitwissens (Vor § 15 Rdn. 58) ausgedünnt. 93
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Umstritten ist weiterhin der „umgekehrte" Irrtum (s.o. Rdn. 11 f) über täterschaftsbegründende Merkmale, vor allem bei den Sonderpflichtdelikten wie den Aussage- oder Amtsdelikten. In der Lehre wird vertreten, dass die irrige Vorstellung, sonderpflichtig („taugliches Subjekt") zu sein, keinen strafbaren („untauglichen") Versuch begründen könne, gleich, ob der Täter einem Tat(sachen)- oder Rechtsirrtum unterliege, da ein Irrtum keine Sonderpflichten begründen könne, so dass es beim straflosen Wahndelikt verbleibe. 94 Richtigerweise genügt die irrige Vorstellung von Umständen, die, lägen sie vor, eine Sonderpflicht begründen würden, jedenfalls dann, wenn der Täter die entsprechende Wertung nachvollzieht, um einen Tatentschluss im Sinne der Versuchsdogmatik zu begründen. 95
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7. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum bei speziellen Rechtswidrigkeitsmerkmalen. Nicht selten enthalten Tatbestände des Besonderen Teils spezielle Rechtswidrigkeits-
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Welzel § 13 I 5. Joecks M K Rdn. 45; Rudolphi SK Rdn. 7; Roxin AT I § 12 Rdn. 133; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 42. BGHSt GSen 16 155, 158; Baumann/Weber/ Mitsch § 15 Rdn. 45; Jakobs 29/89; Jescheck/Weigend § 5 9 VI 1; Kühl AT S S 18 Rdn. 124 f; Lackner/Kühl § 15 Rdn. 7; Roxin AT II § 31 Rdn. 190 ff; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 96; Stratenwerth/Kuhlen § 13 Rdn. 74; Tröndle/Fischer § 13 Rdn. 18; Wohlers NK § 13 Rdn. 20.
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Näher und krit. Joecks MK Rdn. 4 5 ff. Jakobs 25/43; Otto A T 6 § 18 Rdn. 76; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 356 ff; Schmidhäuser 15/59; Stratenwerth/Kuhlen S 11 Rdn. 65; Zaczyk NK § 2 2 Rdn. 39. Baumann/Weber/Mitsch S 2 6 Rdn. 30 f; Jescheck/Weigend § 50 III 2; Kühl AT 5 § 15 Rdn. 104 f; Maurach/Gössel/Zipf § 4 0 Rdn. 175; Rudolphi SK § 22 Rdn. 28 f; Sch/Schröder/Eser § 22 Rdn. 76; Tröndle/ Fischer § 2 2 Rdn. 55.
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2. Abschnitt. Die Tat
merkmale 96 wie „rechtswidrig", „widerrechtlich", „zu Unrecht", „unbefugt", „ohne behördliche Erlaubnis bzw. Genehmigung" usw. Ob und inwieweit sich der Vorsatz hierauf beziehen muss und vorsatzausschließende Tatumstandsirrtümer möglich sind, hängt von der Auslegung und Einordnung dieser Merkmale ab: 47
Häufig sind spezielle Rechtswidrigkeitsmerkmale nur als Hinweise auf das Erfordernis der allgemeinen Rechtswidrigkeit, d.h. das Fehlen von Rechtfertigungsgründen zu verstehen. Derartige Hinweise finden sich vor allem bei Tatbeständen, bei denen eine Rechtfertigung auf Grund außerhalb des StGB angesiedelter Rechtfertigungsgründe (z.B. solche des bürgerlichen Rechts oder Amtsrechte nach öffentlichem Recht) in Betracht kommt wie z.B. bei §§ 123, 168, 202, 2 0 3 9 7 , 2 3 9 9 8 , 290, 303, 305, 353b S t G B . " Dann bleibt es dabei, dass sich der Vorsatz nicht auf die Rechtswidrigkeit als solche beziehen muss und die bloße Annahme, rechtmäßig zu handeln, nur einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB) begründet; zum möglichen Erlaubnistatbestandsirrtum u. Rdn. 110 ff.
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Im Einzelfall können insbesondere die Merkmale „unbefugt" oder „ohne Genehmigung" Tatbestandsmerkmale sein, wenn das tatbestandsmäßige Verhalten abgesehen davon, dass es unbefugt bzw. nicht genehmigt ist, noch kein hinreichendes Unrecht beinhaltet, sondern für sich genommen unrechtsneutral ist wie z.B. bei § 107a Abs. 1 Alt. 1 StGB (unbefugtes Wählen - als solches ist Wählen unrechtsneutral), bei § 132a StGB (unbefugtes Führen von Titeln - als solches ist das Titelführen unrechtsneutral) oder nach h.A. bei Umweltdelikten, die ein an sich sozialadäquates Verhalten (z.B. Betreiben von Abwasserentsorgungsanlagen, § 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB) zum Gegenstand haben, das aber um des Umweltschutzes willen einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterliegt (näher Ransiek NK Vor § 324 Rdn. 10). In diesen Fällen richten sich der Inhalt des Vorsatzerfordernisses und die Reichweite des vorsatzausschließenden Irrtums danach, ob die speziellen Rechtswidrigkeitsmerkmale als normative Tatbestandsmerkmale (o. Rdn. 25 ff) oder als Blankettmerkmale (o. Rdn. 36 ff) eingeordnet werden. Ersteres ist h.A. bei tatbestandszugehörigen Genehmigungserfordernissen, letzteres bei § 107a Abs. 1 Alt. 1 StGB (Verweis u.a. auf § 13 BWahlG, vgl. Hirsch S. 298) und bei § 132a StGB (Verweis auf § 5 Abs. 1 Gesetz über die Führung akademischer Grade10t>) der Fall.
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Eine Sonderstellung weist das Merkmal der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung oder Bereicherung bei Diebstahl und Raub (§§ 242, 2 4 9 StGB) oder Erpressung und Betrug (§§ 253, 263 StGB) sowie das Merkmal der Rechtswidrigkeit der Zueignung bei der Unterschlagung (§ 246 StGB) auf (monographisch Kösch Der Status des Merkmals „rechtswidrig" in Zueignungsabsicht und Bereicherungsabsicht [1999]). Nach h.A. handelt es sich, auch wenn die Absicht als solche ein subjektives Unrechtsund Tatbestandsmerkmal ist, um ein objektives normatives Tatbestandsmerkmal, an dem es fehlt, wenn ein fälliger und einredefreier Anspruch auf die Ubereignung der weggenommenen bzw. unterschlagenen Sache oder auf den durch Täuschung oder Nötigung
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Im Sinne von Merkmalen, die die Rechtswidrigkeit besonders ansprechen, nicht im Sinne der überholten Lehre von den „speziellen Rechtswidrigkeitsmerkmalen" bzw. „Rechtspflichtmerkmalen" z.B. bei § 113 a.F.; s. hierzu Hirsch LK 11 Vor § 32 Rdn. 23 ff; Sch/Schröder/Lenckner/Eisele Vor § 13 Rdn. 67. Welzel J Z 1953 763. AA OLG Köln MDR 1962 591 m. abl. Anm. Dreher.
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BGHSt 3 357, 364 unter Aufgabe der früheren Rspr., z.B. BGHSt 2 234. Vgl. hierzu auch Maurach/Zipf §§ 23 Rdn. 10, 24 Rdn. 10 ff; Hirsch S. 2 9 6 ff. BGHSt 14 223, 2 2 7 ; BayObLG GA 1961 152, 153 (unzutr. allerdings in der Begründung die Unterscheidung zwischen „Voraussetzungen" und „bloßen Vorfragen" der Zulässigkeit der Titelführung). S.a. Herzberg GA 1993 4 4 5 f.
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Irrtum über Tatumstände erlangten Vermögensvorteil besteht. 1 0 1 Daraus folgt, dass die irrige Annahme, einen solchen Anspruch zu haben, einen vorsatzausschließenden Tatumstandsirrtum gemäß oder analog (so Roxin AT I § 12 Rdn. 140, 142) § 16 Abs. 1 StGB begründet, und zwar auch dann, wenn diese Annahme auf einem Rechtsirrtum beruht. 1 0 2 Erforderlich ist allerdings, dass der Täter (mindestens in Parallelwertung in der Laiensphäre) annimmt, einen von Rechts wegen anerkannten, insbesondere gerichtlich durchsetzbaren Anspruch zu haben (BGHSt 4 8 3 2 2 , 3 2 8 f). 1 0 3 Ein viel behandelter und praktisch bedeutsamer Grenzfall ist die Wegnahme bzw. Zueignung von Geldzeichen im Umfang eines wirklichen oder angenommenen Zahlungsanspruchs in der Annahme, hierzu berechtigt zu sein. Auf Grundlage der traditionellen Auffassung, dass Geld- Gattungsschulden sind und kein Anspruch auf bestimmte Geldzeichen besteht, muss der Irrtum an sich als bloßer Verbotsirrtum eingeordnet werden (vgl. BGHSt 17 87, 9 0 f). Jedoch baut die Rechtsprechung dem Täter „goldene Brücken" (Wessels/Hillenkamp B T 2 2 8 Rdn. 190), indem sie die irrige Vorstellung des Täters, Geldzeichen des Schuldners „als ihm unmittelbar und nicht nur vertretungsweise geschuldet" wegnehmen bzw. sich zueignen zu dürfen, einem vorsatzausschließenden (Erlaubnis-)Tatumstandsirrtum gleichstellt (BGH a a O 91 ). 1 0 4 Wer Geld- als Wertsummenschulden einordnet (s. zur Zivilrechtslage Palandt/Heinrichs66 § 2 4 3 Rdn. 2, 4, § 2 4 5 Rdn. 12, 14), kommt zwanglos zur Anwendung des § 16 Abs. 1 StGB (und muss bereits die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes ablehnen, wenn ein Zah-
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S. zur Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung bereits RGSt 1 193; 12 88, 89; 49 140, 143; 64 210, 212; BGHSt 17 87, 88. Aus der Literatur vgl. Lackner/Kühl § 242 Rdn. 28; Kindhäuser NK § 242 Rdn. 113, 120; Krey BT II Rdn. 92; Otto BT S 40 II 4; Ruß L K n § 242 Rdn. 73; Schmidhäuser FS Bruns, S. 345, 361. Abw. Baumann/Weber/ Mitsch § 16 Rdn. 18; Hirsch J Z 1963 149, 153 f; Warda Jura 1979 71, 77 (subjektives Tatbestandsmerkmal) und Welzel § 48 III; s. auch Jakobs 11/41 (Rechtswidrigkeitsmerkmal). S. zur Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Bereicherung RGSt 1 318, 320; 20 56, 58 f; 26 353, 355; 44 203 und z.B. BGHSt 4 105, 106; BGH NJW 1990 2476; BGH NStZ 2003 663, 664; OLG Bremen NJW 1962 2314, 2315; OLG Bamberg NJW 1982 778; OLG Düsseldorf wistra 1992 74. Aus der Literatur vgl. nur z.B. Hoyer SK § 263 Rdn. 274 ff; Krey BT II Rdn. 319 und Otto BT § 51 IV 3. Zunehmend setzt sich die zutr. Auffassung durch, dass das Bestehen eines fälligen und einredefreien Anspruchs auf den Vermögensvorteil bereits die Annahme eines Vermögensschadens hindert, s. BGHSt 42 268, 271 f; BGH NStZ-RR 2000 140; Maurach/Schroeder/Maiwald I § 41 Rdn. 134; Tiedemann LK11 § 263
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Rdn. 186, 194, 231 u. 265; s. bereits BGHSt 20 136, 138; Welzel NJW 1953 652 und ders. § 54 III. S. zunächst die Nachw. in Fn. 101 und weiterhin zum Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Zueignung RGSt 1 193, 194; 25 172, 175; 64 210, 212; BGH GA 1966 211, 212; BGH NStZ 1982 380; BGH StV 1988 526, 527; 1990 546; 1991 515; 2004 207; BGH NJW 1990 2832; BGH NStZ-RR 1998 235; BGH StraFo 2005 433. Vgl. auch Lackneri Kühl § 242 Rdn. 28; Sch/Schröder/Eser § 242 Rdn. 65 und Tröndle/Fischer § 242 Rdn. 49 jew. m.w.N. S. zum Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Bereicherung BGHSt 4 105, 106; 42 268, 272; BGH NJW 1986 1623; 2002 2117; BGH NStZ 1988 216; 2002 481; BGH StV 1992 106; 2000 79; BGH NStZ-RR 1999 6. Vgl. aus der Literatur nur Lackner/Kühl § 263 Rdn. 62; Sch/Schröder/Eser § 263 Rdn. 175 und Tröndle/Fischer S 263 Rdn. 112 jew. m.w.N. M. Anm. Swoboda NStZ 2005 476; s. auch BGH NStZ 2003 663. S. weiterhin BGH GA 1962 144; 1968 121; BGH StV 1988 526, 529; 1990 407 und 546; 1991 515; 2004 207; BGH NStZ 1994 128.
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2. Abschnitt. Die Tat lungsanspruch b e s t e h t ) . 1 0 5 D e r „ u m g e k e h r t e " Irrtum, ein in Wahrheit gegebener Anspruch bestehe nicht, k a n n zur Versuchsstrafbarkeit führen ( B G H S t 4 2 2 6 8 , 2 7 1 f ) . 1 0 6 8. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum bei „gesamttatbewertenden M e r k m a l e n " und „Komplexbegriffen" 50
a) §§ 2 4 0 Abs. 2 , 2 5 3 Abs. 2 S t G B bestimmen, dass die Tat nur dann „rechtswidrig" ist, wenn sie, beurteilt nach dem Mittel-Zweck-Verhältnis, „verwerflich" ist. Für dieses und vergleichbare M e r k m a l e , z.B. das der T ö t u n g eines Wirbeltiers „ o h n e vernünftigen G r u n d " (§ 17 Nr. 1 T i e r s c h u t z G ) , 1 0 7 hat sich die Bezeichnung „gesamttatbewertendes M e r k m a l " eingebürgert, weil sie sich auf die G e s a m t t a t (Nötigung nach § 2 4 0 Abs. 1 S t G B , Erpressung nach § 2 5 3 Abs. 1 S t G B , T ö t u n g eines Wirbeltiers) beziehen und eine umfassende Bewertung durch den Rechtsanwender erfordern. Über ihre straftatsystematische E i n o r d n u n g besteht Streit, der ihre Einordnung auf der Ebene der Rechtswidrigkeit oder bereits des Tatbestandes und ihr Verhältnis zu den allgemeinen Rechtfertigungsgründen b e t r i f f t . 1 0 8 U n a b h ä n g i g davon besteht Einigkeit darüber, dass einerseits die Unkenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Urteil der Verwerflichkeit bzw. des Fehlens vernünftiger Gründe tragen, g e m ä ß oder analog § 16 Abs. 1 S t G B zu behandeln ist und andererseits der U m s t a n d , dass der T ä t e r sein H a n d e l n irrig als nicht verwerflich oder vernünftig bewertet, nur ein Subsumtionsirrtum i s t . 1 0 9 Letzteres ist jedenfalls dann a n e r k a n n t , wenn der T ä t e r die M a ß s t ä b e , die das deutsche R e c h t an das jeweilige H a n deln anlegt, k e n n t , aber seine eigenen M a ß s t ä b e an deren Stelle s e t z t . 1 1 0 In der Konsequenz der hier angestellten Überlegungen zu normativen T a t b e s t a n d s m e r k m a l e n (s.o. R d n . 3 0 ) liegt es freilich, der Unkenntnis der deutschen rechtlichen M a ß s t ä b e vorsatzausschließende W i r k u n g beizumessen (z.B. bei einer grausamen R i t u a l t ö t u n g eines W i r beltiers durch einen M i g r a n t e n , der [noch] nicht weiß, was aus deutscher Sicht vernünftige G r ü n d e für die T ö t u n g eines Tieres sind). Z u r vergleichbaren Problematik der subjektiven Voraussetzungen niedriger Beweggründe bei § 2 1 1 S t G B z.B. bei „ E h r e n m o r d e n " s. B G H N J W 2 0 0 4 1 4 6 6 , 1 4 6 7 ; 2 0 0 6 1 0 0 8 , 1 0 1 2 . In diese Richtung OLG Hamm GA 1969 219; OLG Schleswig StV 1986 64; Hoyer SK § 242 Rdn. 103; Schmitz MK § 242 Rdn. 150; Tröndle/Fischer § 242 Rdn. 50; vertiefend Roxin FS H. Mayer, S. 467, 4 6 9 ff; s. auch Gribbohm NJW 1968 241 (der Wertgedanke sei auf alle Gattungsschulden anzuwenden, sofern der Betroffene kein schutzwürdiges Interesse an einer Auswahl habe). 1 0 6 Mit Anm. Arzt J R 1997 469; Kudlich NStZ 1997 432; s. hierzu auch Hillenkamp LK 1 1 § 22 Rdn. 181. 107 Maurach/Scbroeder/Maiwald II § 59 Rdn. 13 m. Nachw.; zust. Schlächter JuS 1993 13; im Ergebnis auch BayObLG NJW 1992 2306; s.a. Herzberg GA 1993 4 3 9 und ders. J Z 1993 1020. 108 Nach dem Gesetz gehört die Verwerflichkeit zur Rechtswidrigkeit; so denn auch BGHSt 2 194, 196; im Ergebnis auch Sax J Z 1976 82 f, 4 2 9 f; problematisch BGHSt 17 328, 105
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331 f, wo bei irrtümlicher Annahme eines Rechtfertigungsgrundes die Verwerflichkeit und somit Rechtswidrigkeit (!) ausgeschlossen wird (dagegen zutr. Hirsch J Z 1963 149, 150 Fn. 9). Die wohl h.L. rechnet die Verwerflichkeit hingegen bereits - aber ausgenommen die allgemeinen Rechtfertigungsgründe, deren NichtVorliegen aus dem Verwerflichkeitsmerkmal auszuscheiden sei zum Tatbestand; s. Hirsch S. 2 8 9 ff und ders. J Z 1963 149, 154 f; Jescheck/Weigend S 25 II 2, § 41 II l a . Vgl. auch OLG Köln M D R 1962 591. Ähnlich die Auffassung, die auch hier zwischen Tatsachen und Wertung unterscheiden will: BGH NJW 1954 480; Jescheck/Weigend § 41 II l a ; Puppe GA 1990 145, 172; Roxin Offene Tatbestände, S. 132 ff und AT I S 12 Rdn. 105. BGH NJW 2 0 0 5 1876, 1879; Jescheck/ Weigend § 25 II 2; Wolters/Horn SK § 240 Rdn. 54.
Joachim Vogel
Irrtum über Tatumstände
Unsicher ist, ob es jenseits der §§ 240 Abs. 2, 253 Abs. 2 StGB und des § 17 Nr. 1 TierschutzG weitere Anwendungsfälle der Lehre von den gesamttatbewertenden Merkmalen gibt. Schroeder hat in LK 1 1 § 16 Rdn. 4 0 darauf hingewiesen, dass die Grundsätze über gesamttatbewertende Merkmale von der Rechtsprechung in der Sache auch beim Merkmal der Pflichtwidrigkeit beim Parteiverrat (§ 356 StGB) angewendet worden sind (BGHSt 5 284, 288; 7 17, 22), nachdem die Rechtsprechung das Merkmal ursprünglich sowohl auf die allgemeine Rechtswidrigkeit als auch auf das Tatbestandsmerkmal des Interessengegensatzes bezogen hatte (BGHSt 3 400; 4 80, 86). Auch die Garantenstellung beim unechten Unterlassungsdelikt (§ 13) wird als gesamttatbewertendes Merkmal angesehen und so behandelt. Ähnlich nimmt Schünemann LK 1 1 § 266 Rdn. 153 an, die Vermögensbetreuungspflichtverletzung bei der Untreue (§ 266 StGB) sei gesamttatbewertendes Merkmal. 111 Roxin (AT I § 12 Rdn. 154) will auch das Unerlaubtsein der Gefahr im Sinne der Lehre von der objektiven Zurechnung als gesamttatbewertendes Merkmal behandeln. Puppe NK § 16 Rdn. 52 ff schließlich erweitert die Lehre auf alle „sachverhaltsbewertenden Merkmale" und weist darauf hin, dass nach h.A. z.B. auch im Rahmen der Niedrigkeit des Beweggrundes (§ 211 StGB) oder der groben Verkehrswidrigkeit (§ 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB) Kenntnis der das jeweilige Urteil begründenden tatsächlichen Umstände genüge. Diese Auffassungen laufen darauf hinaus, die nach h.A. bei normativen Tatbestandsmerkmalen für den Vorsatz erforderliche „Parallelwertung" oder ,,-beurteilung" und die somit mögliche vorsatzausschließende Wirkung von Bewertungsirrtümern zurückzudrängen und sie nach § 17 StGB zu beurteilen (so ausdrücklich Puppe NK Rdn. 59). Damit wird der Vorsatz ausgedünnt und normativiert, indem Wertungen, die der Täter hätte nachvollziehen können, nachvollzogenen Wertungen gleichgestellt werden. Dass diese Gleichstellung erforderlich wäre, um die „Gültigkeit der elementaren [...] Wertentscheidungen" (Puppe aaO) zu gewährleisten, ist unzutreffend (s.o. Rdn. 3).
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b) Letztlich läuft die Lehre von den sachverhaltsbewertenden Merkmalen auf eine Wiederbelebung der durch v. Hippel begründeten Lehre von den sog. Komplexbegriffen hinaus. Die Komplexität dieser Begriffe sollte sich daraus ergeben, dass sie tatsächliche und rechtliche, bewertende Momente zusammenfassen (wie z.B. die Begriffe „Unzucht", „Glückspiel" oder „Bauleiter"). Der Vorsatz sollte sich aber nur auf die tatsächlichen Umstände erstrecken, die dem Komplexbegriff unterfielen; der Gesetzgeber bezwecke lediglich, auf kurze und verständliche Art eine Reihe von tatsächlichen Merkmalen zusammenzufassen und nur die Tatsachen in den Tatbestand einzufügen, weil die rechtlichen Momente der Bewertung des Richters überlassen blieben. 112 Der Lehre ist mit Recht entgegengehalten worden, sie beruhe auf einer überholten Entgegensetzung von Tatsache und Recht bzw. Wert und habe den Kreis der Komplexbegriffe nicht hinreichend überzeugend umreißen können. 113
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Zust. Puppe GA 1 9 9 0 145, 171; Tröndle/ Fischer § 2 6 6 Rdn. 7 7 ; abl. Jakobs N S t Z 2005 276, 277; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 2 2 ; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 2 3 0 ; s. bereits o. Rdn. 4 4 .
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Frank § 5 9 II a . E . ; v. Hippel VDA III, S. 5 6 2 und II, S. 3 3 2 ; Mezger L K 8 § 5 9 Anm. 17a, b, aa; v. Weber GA 1 9 5 3 161 ff.
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Kunert S. 15 ff, 1 0 8 ff; Roxin Offene Tatbestände S. 1 5 0 f; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 4 6 .
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2. Abschnitt. Die Tat
9. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum bei qualifizierenden Merkmalen und bei strafbarkeitsbegründenden Merkmalen von Mischtatbeständen 53
a) § 5 9 Abs. 1 R S t G B bestimmte ausdrücklich, dass der Irrtum über „die Strafbarkeit erhöhende" Tatumstände den Vorsatz ausschloss. Darauf verzichtet § 16 Abs. 1 StGB mit Recht, weil die besonderen qualifizierenden Merkmale, die ein Qualifikationstatbestand im Verhältnis zum Grundtatbestand aufweisen muss, zum „gesetzlichen Tatbestand" der Qualifikation gehören und vom Vorsatz umfasst sein müssen. Besteht das qualifizierende Merkmal allerdings in einer schweren Folge der Tat, so muss durch Auslegung entschieden werden, ob der Gesetzgeber ein erfolgsqualifiziertes Delikt schaffen wollte (§ 18 StGB) oder ob es beim Vorsatzerfordernis verbleiben sollte. Für ein erfolgsqualifiziertes Delikt spricht die Verwendung des Wortes „verursachen" (z.B. in § 3 0 6 b Abs. 1 StGB; s. BGHSt 4 4 175, 177), für ein Vorsatzerfordernis u.a. ein enger systematischer Zusammenhang mit anderen, eindeutig Absicht oder Vorsatz erfordernden Qualifikationsalternativen (z.B. in § 3 0 6 b Abs. 2 Nr. 1 StGB; s. B G H N J W 1 9 9 9 3131). Im Übrigen kann sich das „Unberührtbleiben" der Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung (§ 16 Abs. 1 Satz 2 StGB) dahin auswirken, dass eine Strafbarkeit nach einem erfolgsqualifizierten Delikt in Betracht kommt (z.B. wenn bei auf Fahrlässigkeit beruhender Verkennung der Lebensgefährlichkeit der Körperverletzung, § 2 2 4 Abs. 1 Nr. 5 StGB, der Tod des Opfers eintritt, § 2 2 7 StGB).
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b) Im Wirtschaftsstrafrecht der Nachkriegszeit bediente sich der Gesetzgeber sog. Mischtatbestände, die an sich Ordnungswidrigkeiten, bei Hinzutreten weiterer Umstände z.B. der Eignung, die Leistungsfähigkeit der staatlich geschützten Wirtschaftsordnung zu beeinträchtigen, § 6 Abs. 2 Nr. 1 WiStG 1949/1952 - aber Straftaten waren. BGHSt GSen 11 2 6 3 verlangte weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit in Bezug auf diese strafbarkeitsbegründenden Merkmale; sie seien keine Tatumstände i.S.v. § 5 9 StGB a.F., nunmehr § 16 Abs. 1 StGB, weil es sich nur um bindende Richtlinien für die Gerichte handele, wie die Tat einzuordnen sei, Unrechtsbewusstsein in jedem Falle vorliege und die Feststellung von Vorsatz oder Fahrlässigkeit den Tatrichter vor praktisch unlösbare Aufgaben stellen würde. Der 1957 ergangene Beschluss ist in der Literatur auf einhellige Ablehnung gestoßen, 1 1 4 zeigt aber, dass eine objektive („strikte") strafrechtliche Verantwortlichkeit auch dem jüngeren deutschen Strafrecht keineswegs fremd ist (s. Vor § 15 Rdn. 21, 64 ff). Zum Abbau der Mischtatbestände durch den Gesetzgeber BTDrucks. V/1269 S. 2 7 f; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rdn. 72; s. heute §§ 1, 2 WiStG i.d.F. der Bekanntmachung vom 3.6.1975, BGBl. I S. 131 mit nachfolgenden Änderungen. 10. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum hinsichtlich des Kausalverlaufs
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a) Bei den Erfolgsdelikten ist die Kausalität der Handlung für den Erfolg nach traditioneller Auffassung ein objektives Tatbestandsmerkmal, 1 1 5 das vom Vorsatz umfasst sein muss, und die Unkenntnis kausalitätsbegründender Umstände kann einen vorsatz-
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Baumann JZ 1961 564; Kohlrausch/Lange § 59 V 3b; Lang-Hinrichsen GA 1957 225 ff und ders. ZStW 73 (1961) 230; Rudolpbi S. 87 ff. Für entsprechende Anwendung des § 18 StGB Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 2 2 8 Anm. 141,
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Grundlegend Engisch Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände (1931) S. 4; s. weiterhin Armin Kaufmann J Z 1971 569, 574.
235 ff; s. Schroeder LK11 S 18 Rdn. 6.
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Irrtum über Tatumstände
ausschließenden Tatumstandsirrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 StGB begründen. In der Tat hat, wer annimmt, seine Handlung werde nicht ursächlich für einen bestimmten tatbestandsmäßigen Erfolg werden, notwendigerweise zugleich keinen Vorsatz hinsichtlich dieses Erfolgs. Problematisch sind aber Fälle, in denen der Täter zwar den Vorsatz hat, einen Erfolg zu verursachen, der Erfolg jedoch in anderer Weise eintritt, als sich der Täter das vorgestellt hat. Ob hier wegen vollendeten Vorsatzdelikts oder nur wegen Versuchs ggf. in Tateinheit mit fahrlässiger Erfolgsherbeiführung bestraft werden soll, ist teils in den Ergebnissen, vor allem aber in der Begründung umstritten. In der Sache besteht weith i n 1 1 6 Einigkeit darüber, dass niemand zum entscheidenden Zeitpunkt der Vornahme der Handlung den weiteren Geschehensverlauf in allen Einzelheiten voraussehen kann, weshalb gewisse Abweichungen des vorgestellten Verlaufs vom wirklichen die Vorsatzzurechnung nicht ausschließen können. b) Nach der Rechtsprechung muss der Vorsatz im Ausgangspunkt den „ganzen Geschehensablauf" umfassen (s. B G H GA 1955 123; BGHSt 7 325, 3 2 9 ; BGHSt 2 3 133, 135). Jedoch begründen Abweichungen des tatsächlichen Kausalverlaufs vom vorgestellten Verlauf keinen Tatumstandsirrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 StGB, wenn sie „unerheblich" (RGSt 7 0 257, 2 5 8 ; B G H GA 1955 123, 125) oder „gering" sind (BGHSt 14 193, 194) oder „sich noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen" (BGH GA 1955 123, 125; BGHSt 7 325, 3 2 9 ; 3 8 32, 34).
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Abgesehen von den Sonderkonstellationen (sogleich Rdn. 58 ff) finden sich in der Rechtsprechung hierfür u.a. folgende Beispiele: Nach R G H R R 1 9 3 9 3 9 5 berührt es den Abtreibungsvorsatz nicht, dass die Leibesfrucht nicht, wie beabsichtigt, durch die Abtreibungshandlung, sondern durch den bei der Abtreibung herbeigeführten, nicht vorhergesehenen Tod der Schwangeren getötet wird; ebenso BGHSt 10 312, 313, wenn infolge der Abtreibungshandlung die Gebärmutter entfernt und die Leibesfrucht hierbei getötet werden muss. 1 1 7 Als gedankliches Beispiel nennt RGSt 7 0 257, 2 5 8 den Fall, dass der Täter dem Opfer in Tötungsabsicht Beilhiebe versetzt und der Tod durch eine Wundinfektion eintritt, was der Täter nicht bedacht hat. Nach O G H S t 2 63 begründet der Befehl, einen „Defaitisten" auf dem Befehlsstand zu erschießen, eine Verantwortlichkeit wegen vorsätzlicher Beihilfe zur Tötung, auch wenn der „Defaitist" vom Bewachungspersonal bereits auf dem Weg zum Befehlsstand erschossen wird, weil es den mitgeführten Erschießungsbefehl vorwegnehmen und sich die Mühe des Transports des bereits schwer verwundeten „Defaitisten" ersparen will. 1 1 8 Nach B G H M D R 1956 5 2 6 ist es für den
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Zur Gegenauffassung von Herzberg s.u. Rdn. 64. Implizit - aber ohne ausdrückliche Erörterung - ebenso auch BGHSt 10 291, 293 f (vollendete Abtreibung, wenn infolge der Abtreibungshandlung ein lebendes Kind zur Welt kommt, das anschließend getötet wird). AA Jescheck/Weigend S 2 9 V 6b: wesentliche Abweichung, weil das Opfer nicht aufgrund des Befehls getötet wurde. Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass der Befehlsgeber einerseits den Geschehensverlauf bereits aus der Hand gegeben hatte
und andererseits sein Tatbeitrag bereits beendet war (s. noch u. Rdn. 59 zum verfrühten Erfolgseintritt bei unbeendigtem Versuch). - Vgl. weiterhin BGH NJW 1969 2105, 2106 (vorsätzliche Teilnahme an der Tötung eines Widerstandsverdächtigen, der durch eine Begleitperson einem Erschießungskommando übergeben werden soll, auch wenn die Begleitperson ihn selbst erschießt); BGH GA 1955 123, 125 (vorsätzliche Beteiligung an der Tötung des Opfers, wenn es sich auf dem Wege zum geplanten Tötungsort wehrt und bereits dann von einem anderen Beteiligten getötet wird).
Joachim Vogel
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§16
2. Abschnitt. Die Tat
Tötungsvorsatz eines Beteiligten unerheblich, wenn das noch röchelnde Opfer von einem anderen Beteiligten vorzeitig einen „Gnadenschuss" erhält. An einem vorsätzlich vollendeten Einführen von Betäubungsmitteln durch einen Drogenkurier fehlt es, wenn die Betäubungsmittel dem Drogenkurier in Spanien gestohlen werden und der Dieb sie nach Deutschland bringt (BGHSt 38 32, 34 f). 1 1 9 Eine nur unwesentliche Abweichung zwischen vorgestelltem und wirklichem Kausalverlauf liegt nach BGH NStZ 2001 29, 30 vor, wenn die Täterin dem Opfer mit Tötungsvorsatz Messerstiche versetzt und später mit einem Freund an den Tatort zurückkehrt, wo der Freund - nicht aber die Täterin bemerkt, dass das Opfer noch lebt, und ihm in Tötungsabsicht Schläge mit einer Wasserflasche versetzt, die den Todeseintritt möglicherweise beschleunigen. 120 Vorgestellter und wirklicher Kausalverlauf weichen hingegen wesentlich voneinander ab, wenn die Täter eine Hetzjagd auf das Opfer veranstalten, um es zusammenzuschlagen, und dem Opfer zunächst die Flucht gelingt, es aber dann in Panik eine Glastür eintritt, um sich in Sicherheit zu bringen, und sich dabei schwere (tödliche) Schnittverletzungen zuzieht, womit die Täter nicht gerechnet haben (BGHSt 48 34, 37 - „Gubener Hetzjagd"). 1 2 1 58
Als Frage der Abweichung zwischen vorgestelltem und wirklichem Kausalverlauf behandelt die Rechtsprechung auch Fälle, in denen der Täter den von ihm beabsichtigten Erfolg irrig bereits für erreicht hält und ihn erst durch ein anschließendes unvorsätzliches Handeln herbeiführt, insbesondere wenn der Totschläger oder Mörder das irrig bereits für tot gehaltene Opfer vergräbt oder versenkt und erst hierdurch tötet. Die traditionelle Lösung, das Gesamtverhalten sei von einem „dolus generalis" im Sinne eines übergreifenden Tötungsplanverwirklichungsvorsatzes getragen, 122 wird heute nicht mehr vertreten. Gleichwohl bestraft die Rechtsprechung in solchen Fällen wegen vollendeten vorsätzlichen (Tötungs-)Delikts, weil der Verlauf noch der Lebenserfahrung entspreche und die Bewertung der Tat als bloßer Versuch nicht berechtigt sei. 123 Zur Kritik der Literatur u. Rdn. 67.
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Auch die umgekehrte Konstellation des „verfrühten Erfolgseintritts", insbesondere wenn der beabsichtigte Erfolg in nicht vorhergesehener Weise besreits während eines unbeendeten Versuchs eintritt, ist nach der Rechtsprechung eine Frage der Abweichung des vorgestellten Kausalverlaufs vom wirklichen, und auch hier neigen die Gerichte dazu, eine bloß unwesentliche Abweichung anzunehmen, also wegen vollendeten Vorsatzdelikts zu bestrafen. 124 Dies soll nach BGH N J W 1980 1749; NStZ 2 0 0 2 309, 310 und 475, 476 insbesondere dann gelten, wenn eine Ersthandlung, mit der der Täter das Opfer nur bewusstlos oder widerstandsunfähig machen wollte, bereits den Tod herbeiführt, sofern der Täter plante, das Opfer im unmittelbarem räumlich-zeitlichen Anschluss und in diesem Sinne ohne „Zäsur" zu töten. Diese Auffassung führt im Ergebnis dazu, dass dem Täter die Rücktrittsmöglichkeit abgeschnitten wird (vgl. auch Meister M D R 1955
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Dass die Konstellation überhaupt das Problem der Abweichung des Kausalverlaufs beinhaltet, wird von Graul J R 1 9 9 2 114 bestritten. M . Anm. Trüg JA 2 0 0 1 3 6 5 ; Vahle Kriminalistik 2 0 0 1 2 7 0 . - Für eine ähnliche Fallgestaltung mit verfehlter Begründung (in dubio pro reo sei von fehlender Kausalität der Ersthandlung auszugehen) aA B G H N J W 1 9 6 6 1 8 2 3 ; mit Recht krit. Hertel N J W 1 9 6 6 2 4 1 8 ; Kion JuS 1 9 6 7 4 9 9 f. Dazu Hardtung
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N S t Z 2 0 0 3 2 6 1 ; Heger JA
2 0 0 3 4 5 5 ; Kühl J Z 2 0 0 3 6 3 7 ; krit. Puppe J R 2 0 0 3 1 2 3 ; Sowada Jura 2 0 0 3 549. 122
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Grundlegend v. Weber Neues Archiv des Criminalrechts 7 ( 1 8 2 5 ) 5 4 9 , 5 7 7 ; dagegen bereits Geyer GA 1 8 6 5 2 3 9 ff, 313 ff. B G H GA 1 9 5 4 1 2 3 ; BGHSt 14 193, dazu Maiwald Z S t W 7 8 ( 1 9 6 6 ) 3 0 ; Wolter Z S t W 8 9 ( 1 9 7 7 ) 6 4 9 , 6 5 2 ff; aA allerdings noch O G H S t 2 74, 7 6 (Erhängen des vermeintlich toten Opfers, um eine Selbsttötung vorzutäuschen). RG DStrR 1 9 3 9 1 7 7 ; B G H GA 1 9 5 5 123.
J o a c h i m Vogel
Irrtum über Tatumstände
689), was BGH 3 StR 699/52 bei Daliinger M D R 1953 III (zust. Sch/Schröder/Eser § 24 Rdn. 23 f) dazu veranlasst hat, einen Rücktritt trotz eingetretenen, freilich nicht zurechenbaren Erfolgs zuzulassen. Besonders gelagert ist der viel diskutierte Fall BGH 1 StR 303/74 bei Daliinger M D R 1975 22: Der Täter hetzte eine Menschenmenge gegen das Opfer auf und schickte sich an, es zu schlagen; das Opfer entzog sich den Schlägen durch Flucht in sein Auto, bekam dann aber wegen des aggressiven Verhaltens der Menschenmenge heftige Angst und dadurch erhebliche Magenschmerzen. Der BGH aaO sah das als unwesentliche Abweichung des Kausalverlaufs an und bestrafte wegen vollendeter vorsätzlicher Körperverletzung.125 Zur tendenziell abweichenden Lösung in BGHSt 48 34, 37 o. Rdn. 57; zur Kritik der Literatur u. Rdn. 68. Als Abweichungsfälle behandelt die Rechtsprechung schließlich den unerwarteten Eintritt der Schuldunfähigkeit bei Tatausführung, namentlich in den Fällen, in denen der Täter durch einen ersten mit Tötungsvorsatz geführten, aber für sich nicht tödlichen Schlag oder Stich in einen „Blutrausch" gerät und dem Opfer sodann eine Vielzahl tödlicher Schläge oder Stiche beibringt. Gelegentlich sind diese Fälle als wesentliche Abweichungen und damit nur als Versuch behandelt worden. 126 In der Regel nimmt die Rechtsprechung aber vorsätzliche Vollendung an; namentlich liege es nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass jemand in einen „Blutrausch" gerate. 127 Allerdings muss der Täter bei Versuchsbeginn sowohl vorsätzlich handeln als auch (noch) schuldfähig sein (BGHSt 23 356). Dann allerdings schadet es nach BGHSt 23 133 nicht, dass die eingetretene Schuldunfähigkeit nicht ausschließlich Folge der ersten Ausführungshandlung(en) ist, sondern sich bereits aus dem vorhergehenden Handeln entwickelt hat, sofern sie nicht durch äußere (von der Persönlichkeit unabhängige) Einflüsse ausgelöst worden ist. S. auch BGH NJW 1979 1370: Hinzutreten eines Erregungszustands als unwesentliche Abweichung bei § 323a StGB. Zur Kritik der Literatur s.u. Rdn. 69.
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Jenseits der geschilderten Kasuistik ist der Rechtsprechung wenig zu der Frage zu entnehmen, wann sich eine Abweichung noch „innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren" hält oder nicht und wann sie eine „andere Bewertung der Tat rechtfertigt" oder nicht. Die nahe liegende Erwägung, die Rechtsprechung zur (objektiven) Fahrlässigkeit heranzuziehen, begegnet dem Bedenken, dass die Rechtsprechung dort die Vorhersehbarkeit nur auf den Erfolg „im Endergebnis" und gerade
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Zust. Blei JA 1975 101 („eigentlich nur ein Zurückbleiben hinter dem gewollten Ganzen"). Tröndle/Fischer Rdn. 7 finden die Entscheidung „bedenklich". Nach Otto (AT § 7 VI 2b bb) kommt es darauf an, ob der Täter beim Aufhetzen der Menschenmenge Körperverletzungsvorsatz hatte oder nicht. Nach Wolter (ZStW 89 [1977] 649, 6 9 9 ) und Frisch (Zurechnung S. 619 Anm. 223, 227) handelt es sich um einen Fall des verfrühten Erfolgseintritts. Schroeder LK 1 1 Rdn. 35 weist auf die Besonderheit hin, dass der Täter hier zwei voneinander unabhängige Kausalreihen auslöst, ähnlich den Schulfällen, dass der Wildschütz, der auf den Förster anlegt, versehentlich mit dem Fuß einen Stein lostritt, der den Förster trifft, oder dass das dem Angriff aus-
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weichende Opfer vom Hund des Angreifers gebissen wird; hier ließen sich Vorsatz hinsichtlich der erfolglosen und Fahrlässigkeit hinsichtlich der erfolgreichen Handlung nicht zu einer vorsätzlichen Vollendung zusammenführen. BGH GA 1956 26; zust. Geilen JuS 1972 74, 76 ff, allerdings mit Vorbehalt für den verschuldeten Affekt (vgl. auch FS Maurach, S. 194 f); Wolter FS Leferenz, S. 532 f, 558, 5 6 0 f. BGHSt 7 329; zust. Maurach JuS 1961 378; Jescheck/Weigend % 4 0 VI 2 Anm. 69; Oehler GA 1956 1 ff und J Z 1970 382; Roxin AT I § 12 Rdn. 192; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 56; einschränkend Frisch Zurechnung S. 615 ff.
Joachim Vogel
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2. Abschnitt. Die Tat
nicht auf den „Ablauf der Ereignisse, wie er sich im einzelnen Fall zugetragen hat", die „Zwischenglieder", also den Kausalverlauf bezieht und eine Fahrlässigkeitszurechnung erst dann ablehnt, wenn die Ereignisse „so sehr außerhalb aller Lebenserfahrung liegen, daß sie der Täter auch bei der nach den Umständen dieses Falles gebotenen und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen zuzumutenden sorgfältigen Uberlegung nicht zu berücksichtigen brauchte". 128 Zu den Einzelheiten s. § 15 Rdn. 175 ff. c) Im Schrifttum überwiegt Kritik.
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Allerdings hat vor allem die ältere Lehre den Ausgangspunkt der Rechtsprechung geteilt, der Vorsatz müsse den Kausalverlauf (nur) im Großen und Ganzen erfassen, so dass (erst) „wesentliche" oder „erhebliche" Abweichungen zwischen Vorstellung und Wirklichkeit als vorsatzausschließende Tatumstandsirrtümer eingeordnet werden müssten; die Kritik bezog sich überwiegend nur darauf, dass die Rechtsprechung das „nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbare" zu weit fasse: „Es wäre schon viel gewonnen, wenn wenigstens das Kriterium der .allgemeinen Lebenserfahrung' nicht überspannt würde" (Schroeder LK 11 Rdn. 24), vor allem, wenn die Abweichung zwischen vorgestelltem und wirklichem Kausalverlauf auf dem Eingreifen selbstverantwortlich handelnder Dritter beruht.
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Alsbald wendete sich die Kritik aber ins Grundsätzliche. So hat Herzberg geltend gemacht, dass, wenn der Kausalverlauf vom Vorsatz erfasst sein müsse, die lediglich pragmatische Erwägung, niemand könne Kausalverläufe in allen Einzelheiten voraussehen, nicht geeignet sei, das Vorsatzerfordernis einzuschränken, zumal auf der Grundlage der Abweichungsrechtsprechung die vorhersehbare aberratio ictus als vollendete Tat bestraft werden müsste, was die Rechtsprechung aber nicht wolle (ZStW 85 [1973] 867, 873). 1 2 9 Gegen Herzbergs Lösungsvorschlag, auf ein „Mitbewußtsein" abweichender Kausalverläufe abzustellen, wird freilich eingewendet, dass diese an der Grenze des Vorsatzes liegende Bewusstseinsform nur in eng begrenztem Rahmen angewendet werden dürfe (vgl. Rudolphi SK Rdn. 32). Umgekehrt wurde zunehmend in Frage gestellt, ob sich der Vorsatz überhaupt auf den Kausalverlauf beziehen muss, zumal Bezugspunkt der Fahrlässigkeit auch nach der Rechtsprechung nur der Erfolg „im Endergebnis" ist (s.o. Rdn. 61).
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Die heutige Lehre steht überwiegend auf dem Standpunkt, dass sich der Vorsatz nicht auf den Kausalverlauf beziehen müsse und die Frage, ob wegen Vollendung oder nur Versuch bestraft werde, sich bereits im objektiven Tatbestand, nämlich bei der Zurechnung des Erfolgs, entscheide. Schon in der älteren Lehre war bemerkt worden, dass die Rechtsprechung die Abweichungsfrage praktisch nach dem Adäquanzurteil entschied
128
RGSt 73 370, 372; BGHSt 3 62, 64; 12 75, 77 f; BGH GA 1960 111, 112; BGHSt 31 96, 101 (wo es heißt, regelmäßig sei ein nicht „völlig" außerhalb „jeder" Lebenserfahrung liegender Geschehensablauf vorhersehbar); krit. hierzu Blei I S 82 II 3a; Jescheck/ Weigend § 55 II 3; Maurach/Gössel/Zipf § 4 3 Rdn. 131 (kaum erträgliches Risiko für Straßenverkehrsteilnehmer, da ein Zusammenstoß immer die generelle Eignung zu schweren Folgen in sich trage); Schmidhäuser AT 10/98 („Nur soweit beim vorsätzlichen Delikt ein unerheblicher Irrtum gegeben
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wäre, ist die Vorstellbarkeit nicht gefordert. Im Übrigen muss sich gerade in dieser Unrechten Tat die geistige Wertverfehlung niedergeschlagen haben - nicht nur im Erfolg selbst, sondern auch im Weg zum Erfolg. Taterfolg und Tatverlauf gehören zusammen: ein Erfolg ist immer nur mit dem Weg seiner Herbeiführung vorstellbar, nie als solcher isoliert; wo der .Erfolg' aber auf eine dem Täter unvorstellbare Weise eintritt, ist der Erfolg selbst unvorhersehbar."); Wetzet § 22 III 5. 129
Anders dann aber in JA 1981 369 ff, 4 7 0 ff.
Joachim Vogel
Irrtum über Tatumstände (Engisch Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht [1964] S. 74 ff; Maurach GA 1 9 6 0 97, 101; Welzel § 13 I 3d). Das legte es nahe, das Problem in den objektiven Tatbestand (Kausalität und Adäquanz) zu verlagern. 1 3 0 Auf der Grundlage der Lehre von der objektiven Zurechnung stellt sich bei Abweichungsfällen in einem ersten Schritt die Frage der objektiven Zurechenbarkeit, ob sich in dem schlussendlich eingetretenen Erfolg gerade das von dem Täter unerlaubt geschaffene, rechtlich missbilligte Risiko realisiert hat. Erst in einem zweiten Schritt müssen Vorsatzfragen als Fragen der subjektiven Zurechnung gestellt werden. 1 3 1 Dabei liegt es in der Konsequenz der Lehre von der objektiven Zurechnung, dass der Vorsatz des Täters zwar die Kenntnis der Umstände voraussetzt, die das Urteil begründen, dass er eine unerlaubte, rechtlich missbilligte Gefahr schafft („Gefahr-", „Risikowissen", s.o. § 15 Rdn. 3 3 ) , jedoch der sich daran anschließende Kausalverlauf als solcher kein Vorsatz- und Irrtumsgegegenstand i.S.v. §§ 15, 16 Abs. 1 StGB ist. Pointiert formuliert Schroeder ( L K U Rdn. 2 9 ) : „Gegenstand von Vorsatz und Fahrlässigkeit ist [...] die konkrete Tauglichkeit der Handlung zur Erfolgsherbeiführung. [...] Das Gesetz verlangt überhaupt keine Kenntnis des Kausalverlaufs." Ähnlich setzt Wolter, der die Risikoschaffung mit dem beendeten Versuch identifiziert, an die Stelle der Voraussicht des Kausalverlaufs das Bewusstsein der Kausalträchtigkeit und Relevanz des Versuchshandelns; § 16 Abs. 1 sei allein auf die Begehung der Tat bis zur Beendigung des Versuchs zu beziehen (ZStW 8 9 [1977], S. 6 4 9 ff; ders. FS Leferenz, S. 5 4 5 ) . Auch innerhalb der heute überwiegenden Lehre ist freilich umstritten, ob es neben dem „Gefahr-" oder „Risikowissen" zusätzliche Voraussetzungen der subjektiven Zurechnung gibt (s. bereits oben § 15 Rdn. 32 ff). Puppe (zusf. NK Rdn. 75 ff mit Nachw.) verneint das, verlangt freilich für die Vorsatzzurechnung eine objektiv qualifizierte Vorsatzgefahr und ein entsprechendes Wissen des Täters. Demgegenüber hat Roxin132 das Kriterium der „PlanVerwirklichung" als subjektives Spiegelbild der für die objektive Zurechnung erforderlichen Risikoverwirklichung in die Diskussion gebracht: Die Zurechnung zum subjektiven Tatbestand (Vorsatz) gelinge nur, wenn sich der Erfolg in seiner konkreten Gestalt noch als Verwirklichung des Tatplans ansehen lasse; sei das nicht der Fall, so liege - durchaus im Sinne der Rechtsprechung - eine Abweichung vor, die eine andere Bewertung der Tat erfordere wie in dem von Schroeder L K 1 1 Rdn. 11 gebildeten (allerdings eine aberratio ictus betreffenden) Beispiel, dass jemand ein Marienstandbild durch einen Steinwurf beschädigen wolle, der fehlgehe und eine Fensterscheibe zerschlage.
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Bockelmann/Volk AT § 13 A V 4b; Jescheck/Weigend § 29 V 6b; Krümpelmann S. 25; Maurach/Zipf $ 23 Rdn. 27; Schmidbauer AT 10/44; Stratenwerth AT 3 Rdn. 223, 276 und Wessels/Beulke35 § 7 IV 3, allerdings nur für „extrem atypische" Kausalverläufe; Wolter ZStW 89 (1977) 649 ff, 672 ff. S. nur Puppe NK Rdn. 78; Roxin AT I § 12 Rdn. 152; Rudolphi SK §16 Rdn. 31. Auch nach Jakobs 8/65 handelt es sich bei der Abweichung des Kausalverlaufs um ein „Problem des Normumfangs oder -inhalts"; das vom Täter vorsätzlich geschaffene
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Risiko müsse den Schadensverlauf erklären, und es müssten sich die spezifischen vorsätzlich geschaffenen Verletzungsbedingungen, die Modellgefahr im Gegensatz zu einem latenten allgemeinen Lebensrisiko verwirklicht haben (s. bereits Jakobs Studien S. 91 ff). AT I § 12 Rdn. 154 ff; ders. FS Würtenberger, S. 121 ff; ebenso auch Gropp AT § 5 Rdn. 67a; Schlüchter AT S. 24 ff, 28, 34; ähnlich jetzt auch Herzberg JA 1981 369 ff, 470 ff; Wolter in Scbünemann (Hrsg.) Grundfragen S. 103, 112 ff; krit. Frisch Zurechnung S. 571 ff.
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2 . Abschnitt. Die Tat
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Im Einzelnen kritisiert die Lehre insbesondere die Behandlung der Fälle des „dolus generalis" durch die Rechtsprechung (o. Rdn. 58). 1 3 3 Vielfach wird vertreten, bei der den Erfolg herbeiführenden Zweithandlung (z.B. das Versenken oder Vergraben des vermeintlich Toten), die i.S.d. § 53 StGB eine andere Tat als die Ersthandlung (z.B. die Tötungsversuchshandlung) sei, fehle der Erfolgsherbeiführungsvorsatz (z.B. Tötungsvorsatz); somit sei wegen Versuchs in Tatmehrheit mit fahrlässiger Erfolgsherbeiführung zu bestrafen. 134 Den Vorsatz im Ergebnis auf die Zweithandlung zu erstrecken, stehe in einem Wertungswiderspruch zu dem bei der sog. actio libera in causa entwickelten Grundsatz, dass auch bei der im schuldunfähigen Zustand begangenen Handlung noch Vorsatz vorliegen müsse (vgl. Maiwald ZStW 78 [1966] 30ff, 38ff) und lasse außer Acht, dass der Täter bei Kenntnis des Sachverhalts möglicherweise vom (Tötungs-)Versuch zurückgetreten wäre. 135 Demgegenüber differenzieren andere Autoren danach, ob die Ersthandlung erfolgsherbeiführungstauglich (z.B. das Opfer bereits tödlich verletzt) gewesen sei oder nicht; im ersten Fall könne die Erfolgsbeschleunigung durch die Zweithandlung (z.B. Vergraben, Versenken) den Vorsatz nicht ausschließen. 136 Wolter begründet das mit der rücktrittsdogmatischen Erwägung, dann sei die Ersthandlung ein beendeter tauglicher Versuch, bei dem der Täter das Erfolgsabwendungsrisiko trage, nämlich gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB die Vollendung tatsächlich vereiteln müsse (ZStW 89 [1977] 649 ff). Ähnlich kommt es nach Jakobs (Studien S. 99 f) darauf an, ob die Ersthandlung nach der Art ihrer Ausführung erfahrungsgemäß zur Herbeiführung des Erfolgs geeignet ist; habe der Täter das erkannt, so entlaste ihn der Umstand, dass der Erfolg erst durch die Zweithandlung herbeigeführt worden sei, nicht. Roxin wendet sein Planverwirklichungs-Kriterium (Rdn. 66) an und kommt so i.d.R. zur Vorsatzvollendungsstrafbarkeit, wenn bei der Ersthandlung (Tötungs-)Absicht vorlag oder der Erfolg dem Täter so oder so nützlich war. 137
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Weniger stark kritisiert wird die Rechtsprechung zum „verfrühten Erfolgseintritt". 138 Jedoch steht eine vordringende Auffassung auf dem Standpunkt, dass, wenn eine Handlung, die aus Sicht des Täters noch nicht erfolgsherbeiführungsgeeignet war, also ein unbeendeter Versuch bereits zum Erfolg führt, der Vollendungsvorsatz zum Tatzeitpunkt noch nicht gegeben ist, so dass nur ggf. strafbarer Versuch in Tateinheit mit ggf. straf-
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Entsprechende Fallgestaltungen sind auch bei fahrlässigen Ersthandlungen möglich
handlung keine Absicht (insbesondere bloßer dolus eventualis) vorgelegen habe, vor allem, wenn der Täter zwischenzeitlich Erfolgsabwendungsbemühungen unternommen habe.
(„culpa generalis"), wenn die Erfolgsherbeiführung bei der Zweithandlung nicht erkennbar war; vgl. Burgstaller S. 1 2 4 f; Jakobs Studien S. 1 0 0 . Zu ähnlichen Fragen beim erfolgsqualifizierten Delikt s. B G H N J W 1 9 5 5 1 3 2 7 und § 18 Rdn. 3 3 . 134
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Backmann JuS 1 9 7 2 1 9 9 ; Engisch S. 7 2 ; Frank § 5 9 I X ; Herzberg Z S t W 85 ( 1 9 7 3 ) 8 6 6 , 8 8 8 ; Nagler L K 8 S 5 9 Rdn. 21 d; Sax J Z 1 9 7 5 1 4 0 Anm. 3 5 ; Schmidhäuser AT 1 0 / 4 6 . Roxin FS Würtenberger, S. 109, 122 Anm. 4 7 weist darauf hin, dass in den dolus generalis-Fällen ein Rücktritt insbesondere dann nahe gelegen hätte, wenn bei der Erst-
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Schroeder L K 1 1 Rdn. 31; ähnlich Wolter FS Leferenz, S. 5 4 9 f. Abi. Frisch Zurechnung S. 6 2 0 ff; Roxin AT I § 12 Rdn. 177.
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FS Würtenberger, S. 109, 1 2 2 ; ders. AT I 4 § 12 Rdn. 1 5 7 ff. Zust. Rudolphi SK Rdn. 3 5 ; Wolter FS Leferenz, S. 5 4 9 f. Der Rechtsprechung i. E. zust. Krümpelmann S. 2 6 ; Maurach/Zipf § 2 3 Rdn. 3 6 ; Peters GA 1 9 5 8 100; Rudolphi SK Rdn. 3 4 ; Schmidhäuser AT 1 0 / 4 6 ; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben ξ 15 Rdn. 5 8 ; Stratenwerth/Kuhlen § 8 Rdn. 9 4 ; Welzel
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§ 13 I 3d ß.
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Irrtum über Tatumstände barer fahrlässiger Erfolgsherbeiführung vorliegt. 1 3 9 Erst recht gelte das, wenn bereits eine Vorbereitungshandlung unerwartet für den Täter zum Erfolg führe (Joecks M K Rdn. 51; Puppe NK Rdn. 90). Wenig kritisiert wird auch die Rechtsprechung zum nicht vorhergesehenen Eintritt der Schuldunfähigkeit bei Tatausführung. 1 4 0 Auch hier will eine vordringende Auffassung anders entscheiden, wenn die Schuldunfähigkeit bereits zu einem Zeitpunkt eintritt, zu dem der Täter nur aus seiner Sicht noch nicht erfolgsherbeiführungsgeeignete Handlungen vorgenommen hat (unbeendeter Versuch). 1 4 1 d) Für eine Stellungnahme ist zu bedenken:
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Abgesehen von Bedenken, die allgemein gegen die Lehre von der objektiven Zurechnung erhoben werden können und sich auch bei den hier behandelten Fragen auswirken (s. hierzu Schroeder L K 1 1 Rdn. 2 5 ) , ist gegenüber der h.L. und in prinzipieller Übereinstimmung mit der Rechtsprechung klarzustellen: Kausalität ist (objektives) Tatbestandsmerkmal und muss vom Vorsatz umfasst sein. Das ergibt sich auch für die Lehre vom „Gefahr-" oder „Risikowissen" daraus, dass über ein solches Wissen nur verfügt, wer die generelle Verletzungseignung und damit die generelle Kausalität (das generelle Kausalgesetz) kennt, da im Begriff der „Gefahr" bzw. des „Risikos" die generelle Kausalität (das generelle Kausalgesetz) enthalten ist. 1 4 2
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Das Problem der Abweichungsfälle kann also nicht schlechterdings aus dem Vorsatz ausgegliedert werden. 1 4 3 Bei näherem Hinsehen besteht es darin, dass der Täter in dem Sinne „komplexe" Gefahren oder Risiken schafft, dass mehrere generelle Kausalitäten angelegt (mehrere generelle Kausalgesetze anwendbar) sind, der Täter jedoch nicht alle von ihnen bedenkt und der Erfolg auf eine von ihm nicht bedachte Ursache (ein von ihm nicht bedachtes Kausalgesetz) zurückgeht, was über die Figur des „Mitbewußtseins" aufzufangen (so Herzberg, s.o. Rdn. 64) fragwürdig ist. Gegen die Lösung, hier stets nur eine Versuchsstrafbarkeit ggf. in Tateinheit mit einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit anzunehmen, sträubt sich das Rechtsgefühl insbesondere in den Fällen der Erfolgsherbeiführung durch einen tauglichen Versuch: 1 4 4 Soll es auch bei tauglichen Versuchen dem Täter dann
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So auch Frisch Zurechnung S. 603 f, 623; Herzberg ZStW 85 (1973) 867, 883; Jakobs 8/76; Noack S. 72 f; v. Schemi Rücktritt vom Versuch und Tatbeteiligung mehrerer (1972) S. 47 f; Wolter ZStW 89 (1977) 649, 697 ff und FS Leferenz, S. 560 ff (allerdings mit Ausschluss der Rücktrittsmöglichkeit, um das „Zurechnungsplus" gegenüber dem typischen unbeendeten tauglichen Versuch zu erfassen). Der Rechtsprechung i.E. zust. Jescheck/ Weigend § 40 VI 2 Anm. 69; Maurach JuS 1961 378; Oehler GA 1956 1 ff und JZ 1970 382; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben § 15 Rdn. 56; Roxin AT I § 12 Rdn. 191; einschränkend Frisch Zurechnung S. 615 ff. Geilen JuS 1972 74, 76 ff, allerdings mit Vorbehalt für den verschuldeten Affekt (vgl. auch FS Maurach, S. 194 f); Wolter FS Leferenz, S. 545, 558, 560 f. Das ist insbesondere für die Eignungsdelikte
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anerkannt; s. nur Hoyer Die Eignungsdelikte (1987) S. 58 f, 67. So zuletzt vor allem Armin Kaufmann FS Jescheck I, S. 251, 262; Struensee ZStW 102 (1990) 21, 26 ff. Bei untauglichem Versuch gerät das Rechtsgefühl hingegen ins Schwanken. So wandelt Schroeder LK 11 Rdn. 29 den bekannten Lehrbuchfall, dass der Täter das Opfer, das, wie er weiß, nicht schwimmen kann, von einer Brücke in einen Fluss stößt, damit das Opfer ertrinke, während es, was der Täter nicht bedacht hat, auf einen Brückenpfeiler prallt und so stirbt (Engisch S. 79; Roxin FS Honig, S. 137), dahin ab, dass das Opfer nur vermeintlich Nichtschwimmer ist, also nicht gestorben wäre, wäre es in den Fluss gestürzt; nach Schroeder wäre in der Abwandlung eine Vorsatzvollendungsstrafbarkeit eine „offensichtlich unbefriedigende" Lösung.
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2. Abschnitt. Die Tat
zugute kommen, dass der Erfolg in anderer Weise als von ihm bedacht herbeigeführt worden ist? 1 4 5 Im Ausgangspunkt zutreffend meint die Rechtsprechung, die Abweichung rechtfertige dann „keine andere Bewertung" der Tat - die Frage ist nur, warum. Hier weist das von Roxin in die Diskussion gebrachte Kriterium der „Planverwirklichung" dass der Täter doch sein Ziel erreicht hat und angenommen werden kann, ihm wäre auch der abweichende Verlauf recht gewesen - in die richtige Richtung und kann wie folgt konkretisiert werden: War dem Täter der von ihm nicht bedachte Kausalverlauf in dem Sinne gleichgültig, dass, hätte er ihn bedacht, er gleichwohl gehandelt hätte, ist es berechtigt, ihm den Erfolg kraft Vorsatzes zuzurechnen. Auf den ersten Blick hat diese Auffassung Ähnlichkeiten mit der o. Vor § 15 Rdn. 70 dargestellten und dort abgelehnten Jakobsschen Lehre von der Gleichgültigkeit als dolus indirectus. Der Unterschied liegt aber darin, dass hier der Vorsatz nicht ersetzt und so eine nicht vorsätzliche Tat als hypothetische Vorsatztat bestraft werden soll, sondern dass der Vorsatz an sich vorhanden ist, aber das wirkliche Geschehen hiervon abweicht. Insoweit ist der h.L. darin zuzustimmen, dass Irrtümer über den Kausalverlauf keine eigentlichen Tatumstandsirrtümer i.S.v. § 16 Abs. 1 StGB, sondern eine Frage des - zusätzlichen - Erfordernisses der Kongruenz von Tatbestandsverwirklichung und Vorsatz (s. § 15 Rdn. 48 ff) sind. 73
Diese Auffassung („Gleichgültigkeitslehre") hat für ausgewählte Einzelfragen folgende Konsequenzen: Die Gleichgültigkeit des Täters spielt nur für die Vorsatzzurechnung eine Rolle und kann die fehlende objektive Zurechenbarkeit des Erfolgs nicht ersetzen. Im Schulfall, dass das in Tötungsabsicht verletzte Opfer beim Transport ins Krankenhaus durch einen Verkehrsunfall oder im Krankenhaus durch einen Brand stirbt, bleibt es bei der bloßen Versuchsstrafbarkeit, mag auch angenommen werden können, dem Täter sei ein solcher Verlauf gleichgültig (oder gar erwünscht) gewesen. Erst recht gilt dies für Fälle der „abgebrochenen" oder „überholenden" Kausalität. 146 - Im Schulfall, dass der Täter dem Opfer in Tötungsabsicht Beilhiebe versetzt und das Opfer später an einer Wundinfektion verstirbt, ist die Vorsatzvollendungszurechnung i.d.R. berechtigt (i.E. zutr. RGSt 70 257, 258), weil es dem Absichtstäter i.d.R. gleichgültig ist, wie das Opfer stirbt. - Ob es dem Abtreiber gleichgültig ist, dass der Tod der Leibesfrucht erst durch den Tod der Schwangeren herbeigeführt wird (o. Rdn. 57), hängt vom Einzelfall ab (insoweit fragwürdig RG HRR 1939 395). - Dem Drogenkurier ist es gewiss nicht gleichgültig, ob die Einfuhr der Betäubungsmittel von ihm selbst oder einem Dieb bewirkt wird (i.E. zutr. BGHSt 38 32, 43 f). - In den dolus generalis-Fällen wird es jedenfalls dem Absichtstäter i.d.R. gleichgültig sein, ob das Opfer erst durch Versenken oder Vergraben stirbt. - In den Fällen des verfrühten Erfolgseintritts ist zu beachten, dass die Gleichgültigkeitslehre den Vorsatz nicht ersetzen darf; tritt der Erfolg bereits aufgrund einer Handlung ein, die noch kein vorsätzliches unmittelbares Ansetzen zum Versuch, sondern Vorbereitungshandlung war, so kommt eine Vorsatzzurechnung nicht in Betracht. - Gleiches gilt für die Fälle des Eintritts der Schuldunfähigkeit bei Tatausführung. Verliert der Täter erst nach Versuchsbeginn die Schuldfähigkeit, so ist es Frage des Einzelfalles, ob der Täter auch gehandelt hätte, hätte er das bedacht; hieran können (in dubio pro reo zu behandelnde) Zweifel bestehen, wenn die tatsächliche Art und Weise der Erfolgsherbeiführung im Zustand der Schuldunfähigkeit durch exzessive Bru-
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Verneinend Schroeder GA 1979 321, 328. Zust. Wolter FS Leferenz, S. 5 5 0 f; ders. Grundfragen S. 104; Frisch Zurechnung S. 4 6 4 , 607. Vgl. auch H. Mayer J Z 1956 109, 111, der freilich nicht überzeugend auf
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die Schaffung einer „spezifischen Allgemeingefahr" abstellt. Krit. Jakobs 8/65 Anm. 139. Insoweit zu kurz greifend Wolter ZStW 89 (1977) 649, 6 8 4 .
J o a c h i m Vogel
Irrtum über Tatumstände talität gekennzeichnet ist und dies weder dem Tatplan noch der Persönlichkeit des T ä t e r s entsprach. 11. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum hinsichtlich von U m s t ä n d e n , die für die Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unerheblich sind (error in persona sive obiecto - aberratio ictus - bewusster Tatobjektwechsel) a) D e r Irrtum des T ä t e r s k a n n sich auf Eigenschaften des T a t o b j e k t s beziehen, die für die Tatbestandsverwirklichung unerheblich sind, z.B. wenn der T ä t e r den X in der A n n a h m e erschießt, es handele sich u m den Y, wenn er die dem X gehörende Sache in der A n n a h m e wegnimmt, sie gehöre dem Y, oder wenn er eine G e m ä l d e k o p i e in der A n n a h m e zerstört, es handele sich um ein wertvolles Originalgemälde. Derartige F ä l l e 1 4 7 werden als „error in persona sive o b i e c t o " bezeichnet. Ihnen steht der (auf die Kausalität bezogene, s. soeben R d n . 5 5 ff) „error in instrumento sive m o d o " gleich, beispielsweise wenn der T ä t e r versehentlich den S c h r o t l a u f statt des Kugellaufs eines Drillings betätigt (RGSt 2 6 61) oder meint, beim Erhängen trete der Tod durch Ersticken ein, w ä h r e n d er in Wahrheit durch G e n i c k b r u c h eintritt.
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N a c h heute allgemeiner Auffassung sind solche Irrtümer keine Tatumstandsirrtümer i.S.d. § 16 Abs. 1 S t G B , und zwar auch dann nicht, wenn nahe liegt oder sicher ist, dass die Tat unterblieben wäre, hätte der T ä t e r nicht g e i r r t . 1 4 8 Z u r Begründung wird teilweise argumentiert, der T ä t e r h a b e „an s i c h " den erforderlichen Vorsatz und wolle z.B. „überh a u p t " einen M e n s c h e n t ö t e n , 1 4 9 oder es wird darauf abgestellt, dass das vorgestellte und das wirkliche T a t o b j e k t „gleichwertig" s e i e n . 1 5 0 Gegen diese Auffassungen wird eingewendet, hiernach müsse auch die a b e r r a t i o ictus als error in persona vel o b i e c t o behandelt werden, was nicht der h.A. entspreche (s. sogleich R d n . 7 6 ff). D e s h a l b argumentiert die heute h.L., der Irrtum beziehe sich von vorn herein nicht auf „ U m s t ä n d e , die zum gesetzlichen T a t b e s t a n d g e h ö r e n " , da z.B. die Identität des M o r d o p f e r s oder des Eigentümers der gestohlenen Sache oder der Wert der zerstörten Sache keine Tatbestandsmerkmale der §§ 2 1 1 , 2 4 2 , 3 0 3 S t G B seien; vielmehr handele es sich um einen unbeachtlichen M o t i v i r r t u m . 1 5 1 Auch diese Begründung beseitigt freilich das P r o b l e m der Abgrenzung zur a b e r r a t i o ictus nicht (u. R d n . 8 2 ff).
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Die ältere Auffassung, „an s i c h " liege d o c h Vorsatz vor, hat den zutreffenden K e r n , dass es auch beim error in persona sive o b i e c t o nicht eigentlich um einen T a t u m s t a n d s irrtum, sondern um das Erfordernis der K o n g r u e n z von Tatbestandsverwirklichung und Vorsatz geht (s. § 15 R d n . 4 8 ff). Beim error in persona sive o b i e c t o liegt die K o n g r u e n z nicht nur in normativer Hinsicht, sondern a u c h faktisch insofern vor, als der T ä t e r irrtumsfreie Kenntnis des äußeren Geschehens und vor allem des Kausalverlaufs hat. Deshalb würde es zu weit gehen, die hier vertretene „Gleichgültigkeitslehre" (s.o. R d n . 7 2 f,
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Die auch bei Fahrlässigkeit denkbar sind und dort im gleichen Sinne der Unbeachtlichkeit der Konkretisierung gelöst werden; s. RGSt 19 51, 53. Zum Problem s. sogleich Rdn. 76. Nachw. für diese früher häufig vertretene Ansicht bei Bemmann M D R 1958 817. So wohl neuerdings auch Janiszewski M D R 1985 533, 537, allerdings unter fragwürdigem Abstellen auf das Wissen (dagegen auch Puppe NStZ 1991 125).
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So Blei $ 36 I la; Jescheck/Weigend § 29 V 6a. Gegen weitere Ungenauigkeiten der Gleichwertigkeitsformel Warda FS Blau, S. 159. Kühl AT 5 § 13 Rdn. 18 ff; Roxin AT I § 12 Rdn. 194; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben § 15 Rdn. 59; Tröndle/Fischer Rdn. 5.
Joachim Vogel
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§16
2. Abschnitt. Die Tat
u. Rdn. 84) auf den error in persona sive obiecto zu erstrecken und allein deshalb, weil nahe liegend oder sicher ist, dass die Tat ohne den Irrtum unterblieben wäre, zu einer bloßen Versuchsstrafbarkeit zu kommen. In diesem Sinne wendet auch Roxin das von ihm vertretene Planverwirklichungskriterium (o. Rdn. 66) nicht auf den error in persona sive obiecto an. 1 5 2 77
Ein umstrittenes Sonderproblem ist der error in persona sive obiecto, der dem Schuldunfähigen unterläuft, bei dem die Voraussetzungen der sog. actio libera in causa vorliegen, beispielsweise wenn der Täter sich mit dem Vorsatz, anschließend X zu vergewaltigen, bis zur Schuldunfähigkeit betrinkt und dann Y in der Annahme, sie sei X , vergewaltigt. Nach BGHSt 23 381, 384 soll dieser Irrtum unbeachtlich sein. In der Lehre wird demgegenüber vertreten, dass derjenige error in persona sive obiecto, welcher dem Schuldunfähigen infolge der Schuldunfähigkeit unterläuft, als aberratio ictus zu behandeln sei, also nur zu einer Versuchsstrafbarkeit (ggf. in Tateinheit mit einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, die bei Sexualdelikten aber mangels gesetzlicher Anordnung ausscheidet) führen könne. 1 5 3 Zur Begründung wird auf die Struktur der actio libera in causa als eine Art mittelbare Täterschaft hingewiesen, 154 und es werden die Grundsätze über die Auswirkungen des error in persona sive obiecto eines Beteiligten auf die Verantwortlichkeit anderer Beteiligter übertragen. Dort (u. Rdn. 89 f) und auch bei der actio libera in causa sprechen aber die besseren Argumente für die Lösung des BGH aaO.
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b) Als aberratio ictus („Abirrung des Stoßes") bezeichnet die h.A. die Konstellation, dass der Täter den Angriff (Schuss, Stich, Schlag usw.) gegen ein bestimmtes konkretes, insbesondere sinnlich wahrgenommenes Tatobjekt (Mensch usw.) führt (es anzielt), dieses aber verfehlt und ein anderes Tatobjekt trifft (tötet, verletzt usw.). Nach h.A. befindet sich der Täter dann hinsichtlich des wirklich getroffenen Tatobjekts in einem Tatumstandsirrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 StGB und kann insoweit nur ggf. wegen Fahrlässigkeit bestraft werden; tateinheitlich liegt ein Versuch hinsichtlich des angezielten Tatobjekts vor. 155 Ob dem Täter die fakultative Strafmilderung beim Versuch zugute kommt (§ 23 Abs. 2 StGB), ist im Einzelfall zu entscheiden und liegt bei erheblicher Abweichungsgefahr (Schießen „an bewohnten Orten") eher fern. Die Fahrlässigkeit hinsichtlich des getroffenen Tatobjekts muss im Einzelfall geprüft und darf nicht ohne weiteres - etwa mit Blick auf die „großzügige" Ablehnung eines vollendeten Vorsatzdelikts - unterstellt werden. 156 Im Übrigen ist die h.A. aber nach Grund und Grenzen umstritten.
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Weithin unbestritten ist allerdings, dass wegen vollendeter Vorsatztat bestraft wird, wenn der Täter das mögliche Fehlgehen des Angriffs mit bedingtem, alternativem oder generellem Vorsatz ggf. als Mitbewusstsein in Rechnung gestellt hat (BGHSt 34 53, 55; BGH NJW 1993 210, 211, in BGHSt 38 353 nicht mit abgedruckt). 157 So kann es 152
Roxin AT I § 12 Rdn. 195 f; krit. Puppe N K Rdn. 9 4 .
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Vgl. Cramer J Z 1 9 6 8 2 7 3 , 2 7 5 ; Schröder J R 1968 305, 306. Nachw. bei Schroeder Der Täter hinter dem Täter ( 1 9 6 5 ) S. 1 0 3 f.
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RGSt 2 3 3 5 , 3 3 7 ; 3 3 8 4 ; 19 179, 180; 5 4 3 4 9 , 3 5 0 ; 5 8 27, 2 8 ; BGHSt 3 4 53, 5 5 . Abw. nur Loewenheim JuS 1 9 6 6 3 1 0 ; Noll Z S t W 7 7 ( 1 9 6 5 ) 5 ; v. Weber S. 7 5 ; Welzel § 13 I 3d sowie Puppe GA 1 9 8 1 1 (dagegen Hettinger GA 1 9 9 0 5 3 1 ; Hruschka J Z 1 9 9 1 4 8 8 ; Kuhlen S. 4 7 9 ff); für persönlichkeitsunab-
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hängige Rechtsgüter auch Hillenkamp Vorsatzkonkretisierungen S. 112 ff; früher Beling S. 3 2 5 ; Frank § 5 9 III 2 c ; M. E. Mayer Lehrbuch ( 1 9 2 3 ) S. 3 3 0 f; v. Liszt/Schmidt § 4 0 II l b ß; weit. Nachw. bei Bemmann M D R 1 9 5 8 818. 156
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Z u weitgehende Annahme der Fahrlässigkeit bei LG München J Z 1 9 8 8 5 6 5 m. abl. Anm. Schroeder; Mitsch N S t Z 1 9 8 9 2 6 , 2 7 ; Puppe J Z 1989 728, 732. Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben $ 15 Rdn. 5 7 a ; Kühl A T 5 § 13 Rdn. 31.
J o a c h i m Vogel
Irrtum über Tatumstände
z.B. bei gegen bestimmte Personen (Politiker usw.) gerichteten Sprengstoffanschlägen liegen. Auch bei Angriffen, die sich gegen überindividuelle Rechtsgüter richten, kann eine Auslegung des Straftatbestandes ergeben, dass ein Fehlgehen des Angriffs unbeachtlich ist. So hat BGHSt 9 240 eine vollendete falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) auch dann angenommen, wenn der Verdacht auf eine andere als die angezielte Person fällt. 158 Teilweise wird diese Überlegung auf die aberratio ictus bei Delikten, die nicht (höchst-)persönliche Rechtsgüter, insbesondere Eigentum und Vermögen, schützen, erstreckt. 159
80
Auf der anderen Seite besteht Einigkeit darüber, dass nur wegen Versuchs (ggf. in Tateinheit mit fahrlässiger Erfolgsherbeiführung) bestraft werden kann, wenn der tatsächlich eingetretene Erfolg bereits seiner Art nach nicht vom Vorsatz des Täters umfasst war (z.B. zerstöre der abirrende Schuss auf einen Menschen eine Fensterscheibe); dazu bedarf es nicht des vielfach angeführten Rückgriffs auf die fehlende „Gleichwertigkeit" zwischen angezieltem und getroffenen Tatobjekt. 160 Nach einhelliger Auffassung kommt bei der „abirrenden" Verteidigung in Notwehr sogar Straflosigkeit in Betracht, da und soweit das Vorgehen gegen den Angreifer durch Notwehr gedeckt und dem Verteidiger angesichts der Notwehrlage aus dem Abirren kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann. 161
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Im Mittelpunkt der Diskussion stehen die „klassischen" Fälle der aberratio ictus bei Taten gegen (höchst-)persönliche Rechtsgüter, wenn z.B. der mit Tötungsvorsatz abgegebene Schuss nicht den angezielten („ins Visier genommenen") Menschen, sondern einen Dritten tödlich trifft, sofern weder bedingter noch alternativer noch genereller Vorsatz hinsichtlich eines solchen Verlaufs festgestellt werden kann (o. Rdn. 79). Für die h.A. (o. Rdn. 78) stellt sich hier das Problem, ihre Lösung von der beim error in persona sive obiecto einerseits und bei der Abweichung zwischen vorgestelltem und wirklichem Kausalverlauf andererseits abzugrenzen. Das gelingt ohne weiteres, wenn das Fehlgehen der Tat nicht objektiv zurechenbar ist. Bei objektiver Zurechenbarkeit des Erfolges liegt es hingegen nahe, unter dem Gesichtspunkt der „Gleichwertigkeit" von angezieltem und wirklich verletzten Tatobjekt oder, weil das Fehlgehen noch der Lebenserfahrung entspricht und die Abweichung somit „unwesentlich" ist, 162 den eingetretenen Erfolg kraft Vorsatzes zuzurechnen. Diese Lösung wurde u.a. von Welzel vertreten 163 und wird bis heute von Puppe (zusf. NK Rdn. 104 ff) verfochten, weil der Täter auch bei der aberratio
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Krit. Schroeder LK 11 Rdn. 18, da § 164 StGB auch nach der Rechtsprechung zudem die Ehre des falsch Verdächtigten, also ein (höchst-)persönliches Rechtsgut, schütze; deshalb ist die Entscheidung vielfach i.S. einer Unbeachtlichkeit der aberratio ictus schlechthin (Welzel § 13 I 3d a; Niese J Z 1960 359) oder jedenfalls bei Delikten gegen nicht ausschließlich persönlichkeitsgebundene Rechtsgüter (Hillenkamp Vorsatzkonkretisierungen S. 110 ff) aufgefasst worden. Hillenkamp Vorsatzkonkretisierungen S. 85 ff. So aber Kuhlen S. 4 7 9 ff, 491 f; Loewenheim JuS 1966 310, 312; Noll ZStW 77
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(1965) 1, 5; Puppe GA 1981 1, 2 f, 20; Welzel § 13 I 3d. S. RGSt 3 384; 54 349; 58 27 (28 - der gegen den Angreifer gerichtete Schlag des Verteidigers trifft die Ehefrau des Angreifers, die ihn zurückhalten wollte); instruktiv hierzu Jakobs 8 / 8 0 ; Puppe NK Rdn. 101; Schreiber JuS 1985 873, 875; ähnliche Beispiele auch bei Hruschka J Z 1991 4 8 8 ff. BGHSt 37 214, 219 betont, dass die aberratio ictus ein „Sonderfall der Kausalabweichung" sei; vgl. auch Hettinger GA 1 9 9 0 531 Anm. 37; Roxin AT I § 12 Rdn. 158; Schreiber JuS 1985 874; Wolter Grundfragen S. 123 f. Welzel § 13 I 3d.
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2. Abschnitt. Die Tat
ictus hinreichendes Wissen einer „Vorsatzgefahr" bezogen auf den „Sinn" des Tatbestandes habe und sich die h.A. in Unklarheiten und Widersprüche verstricke. 83
Demgegenüber wird vielfach darauf hingewiesen, bei der aberratio ictus sei der Vorsatz des Täters auf das angezielte Tatobjekt konkretisiert ( J e s c h e c k / W e i g e n d § 2 9 V 6c) und der konkrete Vorsatz sei logisch und psychologisch vom allgemeinen (generellen) Vorsatz zu unterscheiden (Herzberg Z S t W 85 [1973] 867, 8 7 8 ; Rudolphi SK Rdn. 33). Bemmann sieht darin, dass die Handlung „die Richtung verlässt", eine wesentliche Abweichung des Kausalverlaufs ( M D R 1958 817, 818 f; ähnlich Backmann JuS 1971 113, 118). Nach einer vordringenden Auffassung verwirklicht sich bei der aberratio ictus ein vom Täter nicht gesehenes Risiko. 1 6 4 Insbesondere entspricht nach Jakobs die nicht erkannte Abweichungsgefahr nicht der erkannten Verletzungsgefahr (Studien S. 99). Ähnlich vermisst Wolter Z S t W 89 (1977) 649, 6 5 0 Fn. 5 die Kenntnis der Gefährlichkeit in Richtung auf das tatsächlich verletzte Objekt. Nach Schroeder L K 1 1 Rdn. 9 hat der Täter bei der aberratio ictus gezeigt, dass er die Kausalfaktoren nicht so beherrscht, wie es für eine vorsätzliche Vollendung erforderlich wäre; sein Angriff sei fehlgegangen, und die Verletzung des anderen, gleichwertigen Objekts beruhe nur auf einer ungewöhnlichen Konstellation von Umständen, die der Täter bestenfalls hätte erkennen können. 1 6 5
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Dass ein konkretisierter Vorsatz logisch und psychologisch etwas anderes als ein allgemeiner (genereller) Vorsatz ist, begründet noch nicht, warum er normativ anders als dieser - der für die Vorsatzzurechnung genügt (s. § 15 Rdn. 4 3 ff) - zu behandeln ist. Dass der Täter bei der aberratio ictus die „Abweichungsgefahr" nicht erkennt, ist zwar zutreffend; jedoch liegt es bei den Kausalabweichungen im Grunde nicht anders (o. Rdn. 72). Vielmehr erweist sich erneut das von Roxin (FS Würtenberger, S. 109, 123 und AT I § 12 Rdn. 19 ff) auch für die aberratio ictus in die Diskussion gebrachte Kriterium der Planverwirklichung als hilfreich. Hierin liegt weder die Anerkennung eines dolus subsequens noch eine Ersetzung des konkreten Vorsatzes durch einen Gattungsvorsatz (so aber Schroeder L K 1 1 Rdn. 10), sondern das normative Urteil, dass die Konkretisierung für den Täter unbeachtlich war. 1 6 6 Entsprechend dem o. Rdn. 7 2 Ausgeführten gilt: War dem Täter die von ihm nicht bedachte Abweichungsgefahr in dem Sinne gleichgültig, dass, hätte er sie bedacht, er gleichwohl gehandelt hätte, ist es berechtigt, ihm den Erfolg kraft Vorsatzes zuzurechnen. Gegen die Gleichgültigkeit kann sprechen, dass der Täter hinreichende Vorkehrungen dafür getroffen hat, nur das konkretisierte Tatobjekt zu treffen, und die Vorkehrungen im Einzelfall versagen.
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Im Einzelnen stellen sich einige Sonderfragen. Neuerdings viel diskutiert wird die Frage, ob die Lösung der h.A. auf Fälle beschränkt werden muss, in denen der Täter das angezielte Tatobjekt visuell wahrgenommen hat (Frittwitz GA 1983 110, 128), oder ob anderweitige sinnliche Wahrnehmung z.B. nach Gehör (so Herzberg JA 1981 4 7 0 , 4 7 2 f) oder auch nur eine räumlich-zeitliche Individualisierung oder Konkretisierung des Tatobjekts genügen. 1 6 7 Die Frage spielt insbesondere bei „Distanzangriffen" mit technischen oder sonstigen Mitteln (z.B. Absenden einer Paketbombe oder eines Pakets mit vergifteten Lebensmitteln) oder beim „Fallenstel-
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Frisch Zurechnung S. 617; Jakobs 8/80; Silva-Sanchez
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Zust. Schreiber JuS 1985 875; Streng JuS 1991 912. S.a. Puppe J Z 1989 731. Krit.
Frisch Zurechnung S. 617 Anm. 215. 166
Herzberg JA 1981 473; Roxin AT I § 12 Rdn. 158; Tröndle/Fischer Rdn. 6; Wolter
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Grundfragen S. 130 und FS Leferenz, S. 551.
AA Wessels/Beulke35
ZStW 101 (1989) 374.
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§ 7 Rdn. 250 ff.
Im zuletzt genannten Sinne die wohl h.L.,
s. nur Frisch Zurechnung S. 594 f; Roxin
AT I § 12 Rdn. 166 ff; Schlehofer Tatabweichung S. 18; Toepel J R E 1996 413, 421.
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Irrtum über Tatumstände len" (z.B. Sprengfalle, Zeitbombe) eine Rolle. Eher kuriose Beispielsfälle aus der Rechtsprechung enthalten KG GA 1919 117 und O L G Neustadt N J W 1 9 6 4 311, wo der Täter den X am Telefon beleidigen wollte, sich verwählte und den Y in der Annahme, er sei der X , beschimpfte; hier ist für die Frage der Beleidigungsvollendung zu berücksichtigen, ob sich der Hörer angesprochen fühlt (BayObLG J R 1987 431 m. Anm. Streng; Roxin AT I § 12 Rdn. 199). Nach h.A. liegt bei nur räumlich-zeitlicher Individualisierung oder Konkretisierung des Tatobjekts (z.B. als Person, die die Paketbombe öffnet, die beim Öffnen explodieren soll, oder die das Kraftfahrzeug anlässt, das mit einer beim Anlassen explodierenden Sprengfalle versehen ist, so in B G H N S t Z 1 9 9 8 2 9 4 , 2 9 5 - „Sprengfalle") ein unbeachtlicher error in persona sive obiecto vor, wenn der Erfolg räumlich-zeitlich so eintritt wie vom Täter beabsichtigt, aber eine andere Person als angezielt getroffen wird (z.B. die Sekretärin des Empfängers der Paketbombe oder die Ehefrau des Kraftfahrzeughalters). 168 Soweit hier nicht bedingter Vorsatz oder Mitbewusstsein vorliegt (o. Rdn. 79), ist dem zuzustimmen, wenn der Täter, hätte er die Abweichungsgefahr bedacht, gleichwohl gehandelt hätte (o. Rdn. 84). Werden Personen geschädigt, deren konkrete Gefährdung der Täter nicht bedacht hat, kann dies aber als aberratio ictus zu bewerten sein (vgl. BGHSt 43 177, 183 - „Giftfalle").
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An der Grenze zum Irrtum über den Kausalverlauf (o. Rdn. 5 5 ff) und über Tatbestandsalternativen (o. Rdn. 41 ff) liegen Fälle, in denen das angezielte „großflächige" Tatobjekt (z.B. ein Mensch oder ein Gebäude) infolge eines Abirrens des Angriffs in anderer Weise getroffen wird als beabsichtigt, sei es schwerer - so in RGSt 73 257, wo ein Lehrer ein Schülerin mit einem leichten Buch auf den Kopf schlagen wollte und ihr, weil der Schlag fehlging, das Auge ausschlug - oder leichter - so in O L G Bremen M D R 1 9 5 9 777, wo der Täter dem Opfer eine entstellende Verletzung ( „ M a r k e " ) im Gesicht beibringen wollte, sie aber nur am Hals verletzte, oder im von Roxin169 erdachten Beispiel, dass jemand das in eine Hauswand eingelassene Marienbild beschädigen will und durch den Steinwurf ein Fenster des Gebäudes einwirft. 1 7 0 Soweit hier nicht bedingter Vorsatz oder Mitbewusstsein vorliegt (o. Rdn. 79), wird vielfach eine bloß unwesentliche Abweichung des Kausalverlaufs angenommen. 1 7 1 Demgegenüber dringt die Auffassung vor, die Fälle jedenfalls dann, wenn beabsichtigtes und tatsächlich bewirktes Unrecht wesentlich voneinander abweichen, die Grundsätze der aberratio ictus anzuwenden, 1 7 2 was im Ergebnis der Lösung in RGSt 73 2 7 5 (nur fahrlässige Körperverletzung in Bezug auf das Auge; die versuchte Körperverletzung in Bezug auf den Kopf war seinerzeit straflos) entspricht. Schroeder L K 1 1 Rdn. 12 erstreckt das auf § 2 2 5 StGB a.F. (nun-
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Zust. Prittwitz GA 1983 110, 127; Roxin AT I § 12 Rdn. 197; Streng JuS 1991 910, 913. S.a. Puppe GA 1981 1, 4, 9, die freilich damit die Figur der aberratio ictus schlechthin in Frage stellt. Im Ergebnis auch Backmann JuS 1971 113, 119; Blei AT § 33 I lc, jedoch mit einer nicht überzeugenden Unterscheidung zwischen „Zufall bei den üblichen Aberrationsfällen" und hier bestehender Gewissheit. AA Herzberg JA 1981 470, 473: entscheidend geistige Identitätsvorstellung. Roxin AT I § 12 Rdn. 156. Zust. Herzberg JA 1981 470, 472; Roxin AT
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I § 12 Rdn. 156. Abi. Frisch Zurechnung S. 619 (aber Berücksichtigung bei der Strafzumessung). OLG Bremen MDR 1959 777, 778; Backmann JuS 1971 113, 118 (der Hinweis auf das Verbleiben „innerhalb ein und derselben Kausalrichtung" bleibt völlig unbegründet); Horn SK § 223 Rdn. 24; Noack S. 59; Schröder JR 1971 206, 207; Schroeder Sport und Recht S. 25 und LK 9 S 59 Rdn. 29; Schmidhäuser AT 10/47; Wolter ZStW 89 (1977) 649, 663. Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben S 15 Rdn. 55; Stree GA 1969 289, 291.
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2. Abschnitt. Die Tat mehr § 2 2 6 Abs. 2 S t G B ) und will sogar den Körperverletzungsvorsatz als solchen ausschließen, wenn eine andere als die beabsichtigte schwere F o l g e 1 7 3 oder sogar die gleiche Folge an einem anderen Körperteil als beabsichtigt e i n t r i t t . 1 7 4 D e m ist nach M a ß g a b e des Gleichgültigkeitskriteriums (s.o. R d n . 8 4 ) zuzustimmen. 89
Viel diskutiert ist die Frage, o b der error in persona sive obiecto eines von mehreren Beteiligten in der Person eines anderen Beteiligten (mittelbaren Täters, Mittäters, Teilnehmers) als a b e r r a t i o ictus zu behandeln ist und, wenn j a , wie. In dem berühmten „ R o s e - R o s a h l - F a l l " stiftete der Holzhändler Rosabi seinen Arbeiter Rose an, den Z i m m e r m a n n Schliebe zu erschießen, dem er Geld schuldete; Rose erschoss in der irrigen A n n a h m e , Schliebe vor sich zu haben, den Gymnasiasten Harnisch. D a s preußische O b e r t r i b u n a l (GA 1 8 5 9 3 2 2 ) bestrafte Rosahl nicht als Teilnehmer („intellektueller U r h e b e r " oder „ G e h ü l f e " ) an dem von Rose begangenen vollendeten M o r d zum N a c h teil des Harnisch, weil dessen Ermordung „gar nicht in der Absicht des R o s a h l " lag (S. 3 3 2 ) , sondern nur als Teilnehmer eines von Rose gegen Schliebe verübten Mordversuchs (S. 3 3 2 f f ) . 1 7 5 Demgegenüber hat B G H S t 3 7 2 1 4 1 7 6 in einer ähnlichen Konstellation wegen Anstiftung zum vollendeten M o r d an dem tatsächlich getöteten O p f e r bestraft, weil es einer besonderen Rechtfertigung bedürfe, wenn ein in der Person des Täters unbeachtlicher Irrtum beim Anstifter als beachtlich behandelt werden soll (S. 217); an dieser Rechtfertigung fehle es, wenn der tatsächliche Verlauf innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren liege (S. 2 1 9 ) . Wenn mehrere M i t t ä t e r verabredet h a b e n , dass auf der Flucht ggf. mit Tötungsvorsatz a u f Verfolger geschlossen werde, begründet es nach B G H S t 11 2 6 8 , 2 7 1 auch in der Person des M i t t ä t e r s , auf den ein anderer M i t t ä t e r in der irrigen A n n a h m e , jener sei ein Verfolger, schießt, einen mittäterschaftlichen untauglichen M o r d v e r s u c h . 1 7 7
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In der Lehre ist die Behandlung derartiger Fälle bis heute umstritten geblieben. Z a h l reiche S t i m m e n bewerten den error in persona sive o b i e c t o des Tatmittlers, M i t t ä t e r s oder H a u p t t ä t e r s ( „ V o r d e r m a n n " ) in der Person des mittelbaren T ä t e r s , 1 7 8 eines anderen M i t t ä t e r s oder des Teilnehmers ( „ H i n t e r m a n n " ) als aberratio ictus, weil der Vordermann wertungsmäßig wie ein fehlgehendes Werkzeug zu behandeln sei. D e n error in persona sive o b i e c t o des V o r d e r m a n n s auch in der Person des H i n t e r m a n n e s für unbeachtlich zu halten, k ö n n e nicht richtig sein, insbesondere nicht in Fallkonstellationen wie B G H S t 11 2 6 8 („Versuch an sich s e l b s t " 1 7 9 ) , aber auch, wenn der V o r d e r m a n n mehrfach errores in persona unterliege, bis er die „richtige" Person töte (erstmals von Binding vorgebrachtes „ B l u t b a d - A r g u m e n t " 1 8 0 ) , und auch in Fällen wie dem R o s e - R o s a h l - F a l l , da in jedem Fall
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Maurach/Schroeder/Maiwald I § 9 Rdn. 27, allerdings nur hinsichtlich der schweren Folge. Einschränkend Hirsch LK 9 § 2 2 5 Rdn. 3; Horn SK § 2 2 5 Rdn. 4; Jakobs 8/69 Anm. 143; Roxin AT I S 12 Rdn. 157. AA OLG Bremen M D R 1959 777, 778; Frisch Zurechnung S. 619; Horn SK § 225 Rdn. 4. Ausführlich dazu Bemmann MDR 1958 817 und die Nachweise in Fn. 183. Ausführlich dazu Bemmann FS Stree/ Wessels, S. 397; Gropp FS Lenckner, S. 55; Puppe NStZ 1991 124; Roxin HRR AT
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Nr. 12; ders. L K n § 26 Rdn. 91 ff; Schlehofer GA 1992 307; Stratenwerth FS Baumann, S. 57; Weßlau ZStW 104 (1992) 105. Ausführlich hierzu Roxin H R R AT Nr. 11; ders. AT I § 12 Rdn. 193 ff. Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 15; Welzel § 13 I 3d y; bei fehlender Auswahlmöglichkeit des Tatmittlers Sch/Schröder/ Cramer/Heine § 25 Rdn. 53. Puppe NK Rdn. 111 mit Verweis auf Binding Normen III S. 214 und Bemmann MDR 1958, 817, 822. Binding Normen III S. 213.
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Irrtum über Tatumstände eine Versuchsstrafbarkeit in Bezug auf das angezielte O p f e r vorliege. 1 8 1 I m Einzelnen wird vorgeschlagen, in Bezug auf das vom H i n t e r m a n n angezielte O p f e r entweder eine vollendete Anstiftung zum V e r s u c h 1 8 2 oder aber eine nur versuchte Anstiftung (§ 3 0 Abs. 1 S t G B ) 1 8 3 a n z u n e h m e n , die ggf. in Tateinheit m i t einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Bezug auf das tatsächliche getroffene O p f e r s t e h e . 1 8 4 Teils wird d a n a c h differenziert, o b der H i n t e r m a n n dem V o r d e r m a n n die Individualisierung bzw. Konkretisierung des O p f e r s überlassen h a b e oder nicht (nur im zweiten Fall a b e r r a t i o ictus) oder o b es u m Angriffe auf höchstpersönliche Rechtsgüter gehe oder nicht (nur im ersten Fall a b e r r a t i o i c t u s ) . 1 8 5 Anders liege es, w e n n der H i n t e r m a n n den error in persona des Vordermannes bewusst einplane; hier verbleibe es bei mittelbarer T ä t e r s c h a f t oder vorsätzlicher Anstiftung zur vollendeten T a t . 1 8 6 - Demgegenüber schließt sich die neuere Lehre zunehmend im Ergebnis der Lösung in B G H S t 11 2 6 8 , 3 7 2 1 4 an, sei es, weil die Rechtsfigur der a b e r r a t i o ictus generell abgelehnt wird ( P u p p e N K R d n . 1 0 8 ) , sei es, weil das Problem n a c h den Grundsätzen der K a u s a l a b w e i c h u n g zu behandeln s e i , 1 8 7 sei es, weil die L ö s u n g jedenfalls in Teilnahmefällen dem Grundsatz der Akzessorität der Teilnahmeverantwortlichkeit e n t s p r e c h e . 1 8 8 N a c h hier vertretener Auffassung ist entscheidend, o b der H i n t e r m a n n , hätte er die G e f a h r eines error in persona vel o b i e c t o in der Person des V o r d e r m a n n e s bedacht, gleichwohl und in gleicher Weise die Tat veranlasst hätte. D a r a n bestehen jedenfalls beim „Versuch an sich s e l b s t " regelmäßig Zweifel, nicht aber, wenn der H i n t e r m a n n die Individualisierung bzw. Konkretisierung des O p f e s aus Gleichgültigkeit dem Vorderm a n n überlässt. c) Als „bewusster Tatobjektwechsel" (auch: „Vorsatzwechsel", „ O b j e k t w e c h s e l " ) bezeichnet wird die K o n s t e l l a t i o n , dass der T ä t e r w ä h r e n d der Ausführung der Tat bewusst die Zielrichtung des Angriffs von einem O b j e k t auf ein anderes verschiebt. D e r Vorsatzwechsel führt insbesondere bei mehraktigen Delikten zu dem P r o b l e m , o b der das eine O b j e k t anzielende erste A k t , für sich g e n o m m e n ein Versuch, und der die Tat an dem anderen O b j e k t vollendende zweite Akt ein vollendetes mehraktiges Delikt ergeben („Einheitslösung") oder o b es beim Versuch in Tateinheit oder -mehrheit mit dem durch den zweiten A k t verwirklichten Delikt verbleibt ( „ T r e n n u n g s l ö s u n g " ) . So fragt sich, o b wegen vollendeten Einbruchsdiebstahls (§§ 2 4 2 , 2 4 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 S t G B ) s t r a f b a r ist, wer einbricht, um eine Sache zu stehlen, die er nicht findet, w e s h a l b er eine andere Sache mitnimmt, oder o b wegen vollendeter sexuellen N ö t i g u n g , Vergewaltigung (§ 1 7 7 S t G B ) strafbar ist, wer zwei M ä d c h e n betäubt, um das eine u n b e o b a c h t e t vom anderen
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Bemmann M D R 1958 817, 820; Roxin J Z 1991 680 und FS Spendei, S. 289; Letzgus S. 57 f; Schlehofer GA 1992 307; Streng JuS 1991 910; Weßlau ZStW 104 (1992) 130 (Exzess des Angestifteten). Freund AT § 10 Rdn. 132; Puppe NStZ 1991 124. Bemmann M D R 1958 817, 822; ders. FS Stree/Wessels, S. 397; ]escheck/Weigend § 64 II 4; Roxin AT II S 26 Rdn. 119 f; Schlehofer GA 1992 307. Bemmann M D R 1958 817, 822; Jescheck/ Weigend § 64 II 4; Roxin LK 1 1 § 26 Rdn. 97; Sax ZStW 9 0 (1978) 927, 947. Küpper J R 1992 2 9 4 , 296; Sch/Schröder/ Cramer/Heine Vor §§ 25 ff Rdn. 45;
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Stratenwerth FS Baumann, S. 57, 66, 68. Ähnlich auch Stratenwerth/Kuhlen § 8 Rdn. 98, der danach differenziert, ob das Verwechslungsrisiko schon in den Weisungen des Anstifters begründet war oder dem Angestifteten zur Last fällt. Des Weiteren Wessels/Beulke35 Rdn. 579; Weßlau ZStW 104 (1992) 105, 130. Zur Unterscheidung an Hand der konkreten Tatbestände oder Deliktsgruppen Maurach Strafrecht AT I (1965), S. 585. Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) S. 146. Dazu Puppe NK Rdn. 108 a.E. Puppe NStZ 1991 124, 126; dies. NK Rdn. 109; dies. NK §§ 28, 29 Rdn. 42.
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2. Abschnitt. Die Tat
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sexuell zu missbrauchen, sich dann aber entschließt, das andere sexuell zu missbrauchen (Beispiel nach Schroeder L K n Rdn. 16). Die Rechtsprechung und die ältere Lehre neigen zur „Einheitslösung". 189 Demgegenüber hat Hillenkamp190 darauf hingewiesen, die Konstellation sei einer - nur gleichsam bewussten - aberratio ictus vergleichbar, und in der Literatur wird teilweise die „Trennungslösung" vor allem bei §§ 242, 243 StGB favorisiert. 191 Da der bewusste Tatobjektwechsel zumeist „der verbessernden Realisierung des ursprünglichen Planes dient" (Roxin AT I § 12 Rdn. 173), dürfte der „Einheitslösung" zumeist der Vorzug gebühren.
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12. Vorsatz und vorsatzausschließender Irrtum bei benannten oder unbenannten besonders schweren Fällen und Regelbeispielen. Viele Tatbestände des Besonderen Teils sehen Strafschärfungen bei benannten oder unbenannten besonders schweren Fällen vor. 192 Zudem befindet sich weiterhin die sog. Regelbeispielstechnik: (s. hierzu Eisele Die Regelbeispielsmethode im Strafrecht [2004]) - es handelt sich um benannte besonders schwere Fälle, die nicht zwingend, sondern nur „in der Regel" zur Strafschärfung führen, hierfür also nur eine im Einzelfall widerlegbare Indizwirkung haben - auf dem Siegeszug, am eklatantesten bei der Vergewaltigung, die zum Regelbeispiel eines besonders schweren Falles der sexuellen Nötigung geworden ist (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB). 193 Nach noch h.A. sind besonders schwere Fälle und Regelbeispiele keine qualifizierenden Tatbestandsmerkmale, sondern unvertypte oder vertypte Strafzumessungsgründe, die zu einer Strafrahmenverschiebung führen. 1 9 4 Deshalb ist § 16 Abs. 1 StGB nach noch h.A. auf sie nicht unmittelbar anwendbar. 195
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Für die benannten besonders schweren Fälle und die Regelbeispiele entspricht es aber der mittlerweile einhelligen Auffassung, dass sie vom Vorsatz umfasst sein müssen und die Unkenntnis der Umstände, die den benannten besonders schweren Fall oder das Regelbeispiel verwirklichen, in entsprechender Anwendung des 5 16 Abs. 1 StGB einer Strafschärfung (Strafrahmenverschiebung) entgegensteht. 196 Nach h.A. ist es auch nicht möglich, ein bloß fahrlässig verwirklichtes Regelbeispiel zur Begründung eines unbenannten besonders schweren Falles heranzuziehen (Puppe NK Rdn. 17), es sei denn, der Gesetzgeber habe (auch) die fahrlässige (oder leichtfertige) Verwirklichung unter Strafe gestellt wie z.B. in § 218 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB. 189
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RGSt 14 312, 315; BGH 3 StR 863/52 v. 5.3.1953 bei Daliinger M D R 1953 272; BGHSt 9 253, 254; 22 350, 351; Sch/Schröder/Eser § 243 Rdn. 30; für Behandlung als error in obiecto auch v. Hippel II S. 335; Noack S. 46. Hillenkamp Vorsatzkonkretisierungen S. 19 f. Kindhäuser NK S 243 Rdn. 59; Maurach/ Schroeder/Maiwald I § 33 Rdn. 104; Schroeder LK» Rdn. 16. Vollständige Auflistung bei Eisele Die Regelbeispielsmethode im Strafrecht (2004) S. 1 Fn. 1 und 2. 3 3. StRÄndG vom 1.7.1997, BGBl. I 1607. Ausführlich hierzu Sch/Schröder/Lenckner/ Perron/Eisele $ 177 Rdn. 18 ff. BGHSt 23 254, 257; 26 167, 173; 33 370, 373; Baumann/Weber/Mitsch § 8 Rdn. 89; Jescheck/Weigend § 26 III 2 und V; Lackner/
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Kühl § 46 Rdn. 11; Maurach/Gössel/Zipf $ 62 Rdn. 49; Roxin AT I § 12 Rdn. 143. AA Eisele Regelbeispielsmethode (Fn. 192) S. 143 ff. Eine analoge Anwendung befürworten z.B. Baumann/Weber/Mitsch § 20 Rdn. 38; Jescheck/Weigend § 29 II 3c; Maurach/Zipf § 23 Rdn. 18; Roxin AT I § 12 Rdn. 143 ff. Umfassend hierzu Eisele Regelbeispielsmethode (Fn. 192) S. 284 ff, der allerdings, da er Regelbeispiele als Merkmale des gesetzlichen Tatbestands ansieht, §§ 15, 16 StGB unmittelbar anwendet. E 1962 Begr. S. 185; BGHSt 26 176, 180 ff; Baumann/Weber/Mitsch § 20 Rdn. 38 mit Fn. 84; Jescheck/Weigend § 29 II 3c; Maurach/Schroeder/Maiwald I § 33 Rdn. 103; Tröndle/Fischer § 243 Rdn. 27; Wessels FS Maurach, S. 295, 300.
Joachim Vogel
Irrtum über Tatumstände Keine Einigkeit besteht, o b Gleiches für die unbenannten besonders schweren Fälle gilt. Die ältere R e c h t s p r e c h u n g hat die Frage verneint ( R G J W 1 9 3 6 1 6 7 7 ; 1 9 3 8 5 4 ; R G S t 6 8 3 8 5 , 3 9 1 ) . D e m g e g e n ü b e r dringt die Auffassung vor, dass im Ausgangspunkt die U m stände, die einen besonders schweren Fall begründen, v o m Vorsatz des T ä t e r s umfasst sein müssen und § 16 Abs. 1 StGB entsprechend g i l t . 1 9 7 Eine A u s n a h m e soll allerdings gelten, wenn der u n b e n a n n t e besonders schwere Fall damit begründet wird, dass die Tat besonders schwere Folgen hatte; dann soll entsprechend den R e c h t s g e d a n k e n des § 4 6 Abs. 2 vierte G r u p p e S t G B („verschuldete Auswirkungen der T a t " ) und des § 18 S t G B bloße Fahrlässigkeit g e n ü g e n . 1 9 8 D a s s dies zu einer Aufspaltung der Voraussetzungen der unbenannten Strafschärfungsgründe führt, ist hingegen kein G e g e n a r g u m e n t .
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In Betracht k o m m t allerdings auch ein „umgekehrter I r r t u m " in der Weise, dass der T ä t e r irrig U m s t ä n d e a n n i m m t , die einen benannten oder u n b e n a n n t e n Strafschärfungsgrund oder ein Regelbeispiel verwirklichen w ü r d e n . O b dies zu einer Strafbarkeit wegen eines „versuchten besonders schweren Falles" führt, ist namentlich zu § 2 4 3 S t G B umstritten, näher s. Ruß L K 1 1 § 2 4 3 R d n . 3 6 .
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IV. § 16 Abs. 2 StGB mit Grenz- und Zweifelsfragen 1. Regelungsgehalt und unmittelbarer Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 StGB. § 5 9 R S t G B enthielt keine Regelung des Falles, dass der T ä t e r irrig von Umständen ausgeht, die, lägen sie vor, den T a t b e s t a n d eines milderen Gesetzes, d.h. eines Privilegierungstatbestands, erfüllen würden. Als Beispiele wurden g e n a n n t : Die M u t t e r , die ihr Kind in oder gleich nach der G e b u r t tötete, n i m m t irrig an, das K i n d sei nichtehelich (§ 2 1 7 S t G B a.F.); der Entführer eines M ä d c h e n s nimmt irrig an, es sei mit der Entführung einverstanden (§ 2 3 6 S t G B a . F . ) . 1 9 9 Die Behandlung derartiger Irrtümer über Privilegierungen w a r umstritten: Vereinzelt wurde vertreten, es sei aus dem G r u n d t a t b e s t a n d zu bestrafen, überwiegend, es solle wegen Vollendung oder auch nur wegen (z.B. bei § 2 3 6 S t G B a.F. straflosen) Versuchs des Privilegierungstatbestandes bestraft werden. Die zuletzt h.A. befürwortete die Vollendungslösung, weil ein Privilegierungstatbestand wie ein negativ gefasster Q u a l i f i k a t i o n s t a t b e s t a n d zu behandeln sei (näher Schroeder LK9 § 5 9 Rdn. 80).
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Diese Auffassung ist n u n m e h r in § 16 Abs. 2 S t G B zum Gesetz e r h o b e n . Die Vorschrift hat aber mittlerweile nur einen sehr beschränkten unmittelbaren Anwendungsbereich (ebenso Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben R d n . 26/27). § 2 1 7 S t G B a.F. ist weggefallen, § 2 3 6 S t G B völlig neu gefasst w o r d e n . Bei dem vielfach als Schulbeispiel für die Anwendung des § 16 Abs. 2 S t G B angeführten § 2 1 6 S t G B ist umstritten, o b es sich nicht in W a h r h e i t um ein subjektiv gefasstes Privilegierungsmerkmal handelt (u. R d n . 1 0 5 f). § 2 1 3 S t G B ist nach h.A. kein Privilegierungstatbestand, sondern Strafzumessungsregel, ebenso wie § 1 5 7 S t G B und § 2 4 3 Abs. 2 S t G B (und vergleichbare Vorschriften über die Geringwertigkeit). § § 2 4 7 , 2 4 8 a S t G B sind heute nur mehr Prozessvoraussetzung (u. R d n . 1 3 7 ) . § 1 0 9 Abs. 1 und 2 S t G B (Wehrpflichtentziehung durch Herbeiführung „ a b s o l u t e r " oder „relativer" Wehruntauglichkeit) ist ein atypischer Fall.
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Jescheck/Weigend $ 29 II 3c; Mezger LK 8 § 59 Rdn. 12; Puppe NK Rdn. 15; Rudolphi SK Rdn. 8; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben § 15 Rdn. 29; Schröder FS Mezger, S. 415, 423. AA RG JW 1936 1677; 1938 54; RGSt 68 385, 391; Jakobs 8/43.
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BGH NJW 2003 1264; Jescheck/Weigend § 29 II 3c; Rudolphi SK Rdn. 8. Krit. Sch/Schröder/Stree § 46 Rdn. 26: unbegründete Aufspaltung. BGHSt 24 168, 169; BGH NJW 1971 2081, 2 0 8 2 m. Anm. Küper NJW 1972 646 f.
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§16
2. Abschnitt. Die Tat
Deshalb ist der Streit, ob § 16 Abs. 2 StGB nur auf privilegierende Unrechts- oder auch Schuldmerkmale anwendbar ist, weithin gegenstandslos geworden (ebenso Cramer/Sternberg-Lieben aaO). Vielmehr liegt die Bedeutung des § 16 Abs. 2 StGB heute im Wesentlichen in dem in ihm enthaltenen Rechtsgedanken, der entsprechender Anwendung fähig ist (sogleich Rdn. 99 ff; ebenso Cramer/Sternberg-Lieben27 Rdn. 27a). 99
2 . Entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 2 StGB. Nach heute h.A. ist § 16 Abs. 2 StGB auf benannte oder auch unbenannte minder schwere Fälle entsprechend anwendbar. 2 0 0 Klassisches Beispiel ist die irrige Annahme von Umständen, die einen benannten oder unbenannten minder schweren Fall des Totschlags begründen würden (§ 213 StGB). Allerdings hat BGHSt 1 2 0 3 , 2 0 5 die irrige Annahme von Umständen, die eine Provokation i.S.v. § 213 Alt. 1 StGB begründen würden, (nur) als (möglichen) unbenannten minder schweren Fall i.S.v. § 213 Alt. 2 StGB behandelt. 2 0 1
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Praktisch bedeutsam ist die Frage, wie die irrige Annahme der Geringwertigkeit der weggenommenen Sache bei § 2 4 3 Abs. 2 StGB (oder des Schadens bei den hierauf verweisenden Vorschriften z.B. der §§ 2 6 3 Abs. 4, 2 6 6 Abs. 2 StGB) zu behandeln ist. Obwohl die Vorschrift nach h.A. keine tatbestandliche Privilegierung enthält, sondern nur die Indizwirkung der Regelbeispiele des § 2 4 3 Abs. 1 Satz 2 StGB entkräftet, wird mit Recht vertreten, dass § 16 Abs. 2 StGB entsprechend anwendbar ist. 2 0 2 Zu den schwierigen Fragen bei einem bewussten Tatobjektwechsel (s.o. Rdn. 91 f), der die Geringwertigkeitsvorstellung berührt, s. BGHSt 2 6 104 und Ruß L K 1 1 § 2 4 3 Rdn. 41.
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Denkbar ist auch die irrige Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen von Strafausschließungs- oder aufhebungsgründen. Diese „recht heterogene" (Sch/Schröder/Lenckner Vorbem. §§ 32 ff Rdn. 128) Kategorie umfasst einerseits „objektive", von der Person des Täters unabhängige Gründe wie z.B. § 3 7 StGB; bei ihnen erklärt sich die Straflosigkeit i.d.R. aus außerstrafrechtlichen, jenseits von Unrecht und Schuld liegenden Interessen, und es kommt ausschließlich darauf an, ob sie vorliegen oder nicht, weshalb Irrtümer unbeachtlich sind (s. nur Joecks M K Rdn. 100; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 34). Andererseits gibt es „persönliche", an persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse des Täters anknüpfende Strafausschließungs- oder -aufhebungsgründe wie früher § 2 4 7 Abs. 2 StGB a.F. (Ehegatten- oder Deszendentendiebstahl; nunmehr bloßes Strafantragserfordernis nach § 2 4 7 StGB, s. hierzu u. Rdn. 137) und bis heute z.B. § 36 StGB (Indemnität des Abgeordneten), § 173 Abs. 3 StGB (Geschwister- oder Deszendentenbeischlaf, wenn die Beteiligten zur Zeit der Tat noch nicht achtzehn Jahre alt sind) oder § 2 5 8 Abs. 6 StGB (Strafvereitelung zugunsten Angehöriger). Bei ihnen ist nach h.A. (Joecks aaO; Cramer/Sternberg-Lieben aaO) zu unterscheiden: Gehe es um außerstrafrechtliche, jenseits von Unrecht und Schuld liegende Interessen wie bei § 36 StGB (parlamentarische Redefreiheit) oder § 2 4 7 Abs. 2 StGB a.F. (Familienfrieden), so komme es ausschließlich auf die tatsächliche Sachlage an, und Irrtümer seien unbeachtlich. Bei Unrechts- und/oder schuldrelevanten Strafaufhebungs- oder -ausschließungsgründen wie
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Jescheck/Weigend § 29 V 5c; Rudolphi SK Rdn. 8; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben Rdn. 27a; Tröndle/Fischer Rdn. 9a; Warda Jura 1979 286, 288. S. auch RGSt 69 314, 316; RG JW 1930 919. Eine „eigene Schuld" des Täters schließt jedoch auch bei irrtümlicher Annahme der Voraussetzungen des § 213 StGB die Privilegierung aus (WendtJZ 1951 723 f).
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Jescheck/Weigend § 29 V 5c; Maurach/ Schroeder/Maiwald I § 33 Rdn. 102; Schmitz MK ξ 243 Rdn. 74; Sch/Schröder/ Eser § 243 Rdn. 53; Tröndle/Fischer § 243 Rdn. 26. S. auch BGHSt 26 104, 105 und ZipfVS Dreher, S. 396 f.
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Irrtum über Tatumstände bei §§ 173 Abs. 3, 2 5 8 Abs. 6 StGB soll demgegenüber § 16 Abs. 2 StGB entsprechend anwendbar sein. 2 0 3 Bei im Schwerpunkt schuldrelevanten Strafaufhebungs- oder -ausschließungsgründen wie bei § 2 5 8 Abs. 6 StGB ist freilich auch an eine subjektivierte Auslegung (Warda Jura 1 9 7 9 2 8 6 , 2 9 3 , s.u. Rdn. 104 f) oder an eine entsprechende Anwendung des § 35 Abs. 2 StGB zu denken (s.u. Rdn. 130). Ob die irrtümliche Annahme von Umständen, die, lägen sie vor, dem Richter ein Absehen von Strafe ermöglichen würden, entsprechend § 16 Abs. 2 StGB zu behandeln ist, lässt sich nicht einheitlich beantworten. Soweit der Richter wie in § 174 Abs. 4 StGB zu einer Gesamtwürdigung des „Unrechts der T a t " verpflichtet ist, liegt es in der Konsequenz einer personalen Unrechtslehre, irrige Vorstellungen des Täters, die zu einer günstigeren Beurteilung des Unrechts führen würden, zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Die Möglichkeit, gem. § 218a Abs. 4 Satz 2 StGB von Strafe abzusehen, besteht auch, wenn die Schwangere irrig von Umständen ausgeht, die, lägen sie vor, eine „besondere Bedrängnis" begründen würden (Maurach/Schroeder/Maiwald I § 6 Rdn. 5 6 ; vgl. zur alten Gesetzeslage noch B G H J Z 1 9 7 7 139 m. Anm. Schroeder). Bei den Vorschriften, die ein Absehen von Strafe bei tätiger Reue ermöglichen (z.B. §§ 83a, 8 4 Abs. 5, 85 Abs. 3, 3 0 6 e , 314a, 3 2 0 StGB), genügt die irrige Vorstellung, tätige Reue geübt zu haben, als solche nicht, sondern es muss der Reueerfolg objektiv eintreten; geschieht dies ohne Zutun des Täters, genügt freilich sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, das als solches entsprechend § 16 Abs. 2 StGB zu behandeln ist.
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Die Straffreierklärung bei der sog. Retorsion gem. § 199 StGB - der vergleichbare § 2 3 3 StGB a.F. ist mittlerweile entfallen - ist als privilegierende Strafzumessungsregel (.Maurach/Schroeder/Maiwald I § 2 7 Rdn. 29; Küper J Z 1968 651, 661) mit dem Absehen von Strafe eng verwandt (Jescheck/Weigend § 81; Wagner GA 1 9 7 2 33, 39). Sie ist nach zutreffender L e h r e 2 0 4 entsprechend § 16 Abs. 2 StGB auch dann möglich, wenn der Täter irrtümlich Umstände annimmt, die, lägen sie tatsächlich vor, die Straffreierklärung ermöglichen würden (z.B. wenn sich der Täter darüber irrt, von wem ein anonymes Schmähschreiben erstellt worden ist).
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3. Subjektiv gefasste Merkmale. Nicht selten ergibt sich aus einer Auslegung des Gesetzes nach seinem Wortlaut und/oder Sinn und Zweck, dass privilegierende, strafmildernde oder ein Absehen von Strafe ermöglichende Merkmale von vorn herein subjektiv gefasst sind. In derartigen Fällen ist § 16 Abs. 2 StGB nicht anwendbar, sondern es kommt ausschließlich darauf an, was sich der Täter vorgestellt hat. Subjektiv gefasst sein können auch scheinbar objektive Tatbestandsmerkmale (wie die Nichtehelichkeit des in oder gleich nach der Geburt getöteten Kinds nach § 217 StGB a.F.), sofern sie in Wahrheit die Schuld (wie die notstandsähnliche Lage der nichtehelichen Mutter) kennzeichnen; solche Merkmale sind von Maihofer FS Mayer, S. 194 ff als „objektive Schuldmerkmale" bezeichnet worden. 2 0 5
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Joecks MK Rdn. 100; Sch/Schröder/Cramer/ Sternberg-Lieben Rdn. 34; Stree JuS 1976 137, 141; aA - nur die objektive Lage entscheidet - Tröndle/Fischer Rdn. 24 (wiederum anders aber dies. § 258 Rdn. 21). Herdegen LK 10 § 199 Rdn. 3; Hirsch LK 9 S 233 Rdn. 13; Lackner/Kühl § 199 Rdn. 2; Maurach/Schroeder/Maiwald I aaO; Sch/Scbröder/Lenckner % 199 Rdn. 7; aA RGSt 7 102; vermittelnd Regge MK § 199 Rdn. 10; Rudolphi SK § 199 Rdn. 8;
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Tröndle/Fischer § 199 Rdn. 4 und Zaczyk NK § 199 Rdn. 6: nur, wenn der Irrtum entsprechend § 35 Abs. 2 StGB unvermeidbar ist. Ebenso Franke JuS 1980 172 m. Hinw. auf die Motive; Jescheck/Weigend § 29 V 5b; Kiiper GA 1968 321, 324; Maurach/Zipf % 23 Rdn. 19 ff; Roxin AT I 3 § 12 Rdn. 127. Nach Lackner/Kühl Rdn. 6 ist die Ausklammerung dieser Merkmale aus § 16 Abs. 2 StGB „dogmatisch nicht geboten".
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2. Abschnitt. Die Tat 105
Als heute noch relevante Beispiele werden genannt: Die Privilegierung des § 109 Abs. 2 StGB bei Herbeiführung bloß sog. relativer Untauglichkeit soll sich nur nach dem Vorstellungsbild des Täters bestimmen. 2 0 6 - Beim Aussagenotstand (§ 157 StGB) beurteilt sich die Absicht („um"), von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr einer Bestrafung usw. abzuwenden, nach dem Vorstellungsbild des Täters, BGHSt 8 301, B G H b. Detter N S t Z 1 9 9 0 2 2 2 . - Bei § 216 StGB muss der Täter durch das ausdrückliche und ernsthafte Verlangen des Getöteten zur Tötung „bestimmt" worden sein. Daraus leitet Horn SK § 216 Rdn. 3 (ähnlich Roxin AT I 3 § 12 Rdn. 128 [nicht mehr in der 4. Aufl.] und in L K 1 1 § 3 0 Rdn. 4 3 ) her, es komme nur auf die Vorstellung des Täters an. Die vorzugswürdige h.L. misst dem Verlangen unrechtsmindernde Wirkung bei (Einwilligung!) und wendet § 16 Abs. 2 StGB a n . 2 0 7
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4. „Umgekehrte" Irrtümer im Bereich des § 16 Abs. 2 StGB. § 16 Abs. 2 StGB regelt nicht den „umgekehrten" Fall, dass ein Privilegierungstatbestand objektiv erfüllt ist, der Täter aber die Umstände, die für die Privilegierung maßgeblich sind, nicht kennt. In der Literatur werden nahezu alle denkmöglichen Lösungen vertreten: Bestrafung nur aus dem Grundtatbestand ( L a c k n e r / K ü b l Rdn. 7); nur aus dem Privilegierungstatbestand; nur als Versuch des Grundtatbestandes (Backmann JuS 1972 3 3 0 ) ; aus dem Privilegierungstatbestand in Tateinheit mit Versuch des Grundtatbestandes. 2 0 8 Richtigerweise dürfte zu differenzieren sein:
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Soweit ein privilegierendes (und ebenso ein strafmilderndes oder ein Absehen von Strafe ermöglichendes) Merkmal subjektiv gefasst i.S.v. Rdn. 104 f ist, insbesondere wenn es auf der Ebene der Schuld angesiedelt ist, kommt eine Strafbarkeit aus dem Privilegierungstatbestand nicht in Betracht; vielmehr wird der Täter aus dem Grundtatbestand - und nur aus ihm - bestraft. Anders liegt es, wenn das privilegierende Merkmal das Unrecht betrifft: Hier ist objektiv nur das Unrecht des Privilegierungstatbestandes erfüllt, das von dem - weitergehenden - Vorsatz des Täters gedeckt ist, weshalb aus dem Privilegierungstatbestand zu bestrafen ist. Der „überschießende" Vorsatz muss durch eine tateinheitliche Strafbarkeit wegen Versuchs des Grundtatbestandes erfasst werden. Bei § 216 StGB (o. Rdn. 105) ist allerdings zu bedenken, dass der Täter durch das Verlangen „bestimmt" sein muss; kennt er es nicht, so kommt eine Strafbarkeit gem. § 216 StGB nicht in Betracht, sondern es kann und muss - nur - wegen vollendeten Totschlags oder gar Mordes (§§ 212, 211 StGB) bestraft werden, s. nur Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 2 6 ; Jähnke L K 1 1 § 216 Rdn. 18. Unkenntnis der Umstände, die objektiv einen benannten oder unbenannten minder schweren Fall zu begründen geeignet wären, ist je nachdem, ob die Umstände im Schwerpunkt Unrechts- oder schuldmindernd sind, differenziert zu behandeln. Hält der Dieb, der ein Regelbeispiel des § 2 4 3 Abs. 1 Satz 2 StGB verwirklicht, die objektiv i.S.v. § 2 4 3 Abs. 2 StGB geringwertige Sache für wertvoll, so ist es entgegen der h.L. wegen des deutlichen Unrechtsbezugs der Geringwertigkeit vorzugswürdig, nur einen einfachen Diebstahl in Tateinheit mit einem versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall anzunehmen. 2 0 9 Will sich der Täter einer Wehrpflicht206
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AA denn auch Roxin AT I § 12 Rdn. 138; Warda Jura 1979 113, 115 fFn. 77. Jähnke LK11 § 216 Rdn. 2; Neumann NK § 216 Rdn. 17; Sch/Schröder/Eser § 216 Rdn. 4; Tröndle/Fischer § 216 Rdn. 2. Zum Problem Baumann/Weber/Mitsch S 21 Rdn. 24 ff; Jescheck/Weigend § 29 V 5b; Rath Jura 1998 539, 541; Roxin AT I3 § 12 Rdn. 126 (nicht mehr in 4. Aufl.);
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Schroeder LK11 Rdn. 114; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 28; Tröndle/Fischer Rdn. 10; Warda Jura 1979 113, 114 f. So namentlich Kindhäuser NK § 243 Rdn. 57; aA Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 24 ff; Sch/Schröder/Eser § 243 Rdn. 53.
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Irrtum über Tatumstände
entziehung durch Verstümmelung „absolut" wehruntauglich i.S.v. § 109 Abs. 1 StGB machen, erreicht er aber nur eine „relative" Wehruntauglichkeit i.S.v. § 109 Abs. 2 StGB, so liegt Tateinheit zwischen einem vollendeten Vergehen nach § 109 Abs. 2 StGB und einem versuchten (Abs. 3) nach Abs. 1 vor. 2 1 0
V. Nicht oder nicht unmittelbar § 16 StGB unterfallende Irrtümer 1. Sog. Subsumtionsirrtum. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB schließt nur Unkenntnis eines Umstandes, der einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, d.h. sich unter ihn subsumieren lässt, den Vorsatz aus. Hieraus folgt, dass der Täter weder das anwendbare Strafgesetz noch dessen Tatbestandsmerkmale als solche kennen oder gar sein Verhalten hierunter subsumieren muss. Deshalb ist der bloße Subsumtionsirrtum im Sinne der bloßen Annahme, das Handeln unterfalle keinem Strafgesetz (oder nicht einem von mehreren Strafgesetzen), nach einhelliger Auffassung kein Tatumstandsirrtum. 2 1 1 Der gegenteiligen Auffassung von v. Liszt wird entgegengehalten, dann könnten nur Rechtskundige vorsätzlich handeln. 2 1 2 Neben derartigen praktischen Erwägungen ist rechtsprinzipiell und -dogmatisch zu bemerken, dass das Recht, wie sich aus § 17 StGB erhellt, erwartet, dass der Bürger sich bereits von der Unrechtseinsicht leiten lässt, die zwar in gewissem Ausmaß tatbestandsbezogen sein muss, jedoch keine besondere oder gar rechtswissenschaftliche (Straf-)Rechtskunde voraussetzt. Vielmehr ist es ausschließlich
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den (Straf-)Gerichten vorbehalten, das (Straf-)Gesetz auszulegen und anzuwenden (Art. 9 2 GG); wer sich bei seinem Handeln auf eigene oder fremde Privatauffassungen über das (Straf-)Gesetz stützt, tut das auf eigenes Risiko. Allerdings kann der Subsumtionsirrtum dazu führen, dass der Irrende keine Unrechtseinsieht i.S.v. § 17 StGB hat; zwingend ist das freilich nicht. 2 1 3
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2. Sog. Erlaubnistatbestandsirrtum a) Einem Erlaubnistatbestandsirrtum (auch „Erlaubnistatumstandsirrtum", „Putativrechtfertigung") unterliegt, wer irrig Umstände (hierzu u. Rdn. 119 ff) annimmt (zu Zweifeln u. Rdn. 120), die, lägen sie vor, einen rechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrund erfüllen würden. Weder § 59 R S t G B noch §§ 16, 17 StGB enthalten eine ausdrückliche Regelung dieses praktisch nicht unbedeutenden Irrtums. In der Strafrechtsreform ist auf eine Regelung nach dem Vorbild der §§ 2 0 E 1962, 19 Abs. 1 AE bewusst verzichtet worden, weil der Gesetzgeber sie für zu kompliziert hielt und sich scheute, die weitere dogmatische Entwicklung zu bremsen (BTDrucks. V/4095 S. 9; Prot. S. 1740;
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s. bereits Vor § 15 Rdn. 29). b) Die Rechtsprechung stand und steht bis heute auf dem Standpunkt, dass der Erlaubnistatbestandsirrtum eine Vorsatzstrafbarkeit ausschließt. Nur vereinzelt finden
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Jescheck/Weigend § 2 9 V 5b; Roxin AT I 3 § 12 Rdn. 126 a.E.; Rudolphi SK Rdn. 2 8 b ; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 2 8 .
211
BGHSt 9 3 4 1 , 3 4 7 ; 13 135, 138; Baumann/ Weber/Mitsch § 21 Rdn. 7; Kühl AT 5 § 5 Rdn. 9 5 a.E. und Tröndle/Fischer Rdn. 11 je m.w.N.
212
Beling S. 1 8 9 ; Frank § 5 9 II; Maurach/Zipf § 2 2 Rdn. 4 9 ; Kühl A T 5 § 5 Rdn. 91 ff; Roxin AT I § 12 Rdn. 101 f.
213
Vgl. BGHSt 7 2 6 1 , 2 6 5 ; 9 3 4 1 , 3 4 7 ; 13 135, 138; Roxin AT I § 12 Rdn. 101 a.E.; Stratenwerth/Kuhlen § 8 Rdn. 7 2 ; Tröndle/Fischer Rdn. 11 m.w.N.
Joachim Vogel
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111
2. Abschnitt. Die Tat
sich Entscheidungen, die im Sinne der sog. strengen Schuldtheorie (s.u. Rdn. 114) gedeutet werden können (vgl. BGHSt 20 342, 368, 372). 2 1 4 Nicht ausdrücklich bzw. einheitlich entschieden wird die (praktisch nur für Teilnahmefälle bedeutsame, s.u. Rdn. 126) Frage, ob beim Erlaubnistatbestandsirrtum der Vorsatz als solcher entfällt (in diese Richtung BGHSt 3 194, 196; 8 357, 358) oder nur der Vorsatzschuldvorwurf (in diese Richtung BGHSt 3 105, 106; 357, 364; BGH GA 1969 117, 118; BGHSt 31 264, 286 f; BayObLG NJW 1955 1848). 112
In der Sache greift die Rechtsprechung vielfach auf die traditionelle, an sich nicht mehr der Irrtumssystematik des geltenden Rechts entsprechende Unterscheidung zwischen Tat-, Tatsachen- oder Sachverhaltsirrtum einerseits, der eine Vorsatzstrafbarkeit ausschließen kann, und Rechtsirrtum andererseits zurück, der sie bestehen lässt (BGHSt 3 105, 107; 194; 271, 274; 357, 364; 12 357, 383; BGH NJW 1968 1885; BayObLG NJW 1955 1848). 2 1 5 Bei der Notwehr wird die Rechtswidrigkeit des Angriffs vielfach in Art eines „gesamttatbewertenden Merkmals" (s.o. Rdn. 50 f) behandelt, so dass einem Erlaubnistatbestandsirrtum nur unterliegen kann, wer sich einen tatsächlichen Sachverhalt vorstellt, der die Rechtswidrigkeit des Angriffes begründen würde; die bloße irrige Annahme, der Angriff sei rechtswidrig, soll nur einen Verbotsirrtum begründen. 216 Der Irrtum über den Umfang der tatsächlich erforderlichen Verteidigung (BGHSt 3 194, 196; 45 378, 384; BGH NStZ 1987 172; 2001 530; BGH NStZ-RR 2002 73; BGH NJW 2003 1955, 1960; OLG Celle NJW 1969 1775) ist ebenso wie die Annahme, sich bei einem verschuldeten Angriff nicht durch die Flucht entziehen zu können, Erlaubnistatbestandsirrtum, diejenige, zur aktiven Gegenwehr befugt zu sein, aber nur Verbotsirrtum (OLG Neustadt NJW 1961 2076). - Beim rechtfertigenden Notstand führt die bloße Annahme, das Erhaltungsgut (z.B. das Leben von Millionen Menschen) überwiege das Eingriffsgut (z.B. das Leben des Opfers) wesentlich, nicht zum Erlaubnistatbestands-, sondern nur zum (i.d.R. vermeidbaren) Verbotsirrtum (BGHSt 35 347, 350). 2 1 7 - Beim früheren Züchtigungsrecht ist der Irrtum über einen zur Züchtigung berechtigenden Sachverhalt Erlaubnistatbestandsirrtum, der Irrtum über Art und Umfang des Züchtigungsrechts nur Verbotsirrtum (BGHSt 3 105). - Bei der Einwilligung ist der Irrtum über die Einsichtsfähigkeit und Aufklärung des Einwilligenden Erlaubnistatbestandsirrtum, die Annahme, auch der nicht Einsichtsfähige und nicht Aufgeklärte könne wirksam einwilligen, nur Verbotsirrtum (BGHSt 8 357, 358; 12 379, 383). Ebenso ist das Verkennen eines die Sittenwidrigkeit der Tat nach § 228 StGB begründenden Sachverhalts Erlaubnistatbestandsirrtum, der Irrtum über die sittliche Bewertung Verbotsirrtum (BGHSt 4 9 34, 44; 166, 176). Bei einer auf die Behandlung geringfügiger Wunden beschränkten Einwilligung ist der Irrtum über die Geringfügigkeit der Wunden Erlaubnistatbestandsirrtum, die Annahme, die Einwilligung erfasse auch schwerere Wunden, Verbotsirrtum (BGHSt 16 309, 313). - Wer dem ihm
214
So auch AG Schwäbisch Gmünd NJW 1985
211, 212. 215
216
Dagegen mit Recht Herdegen FS BGH, S. 195, 2 0 7 ; Jescheck/Weigend S 41 IV 2d; Lackner/Kühl § 17 Rdn. 11 ff; Lang-Hinrichsen J Z 1953 362, 364; Welzel J Z 1952 596, 597. Zutr. auch seit längerem das BayObLG (BayObLGSt 1960 308, 309; 1961 1, 4; BayObLG NJW 1965 1924, 1926 m.w.N.). BayObLG N J W 1965 1924, 1926; Schaffstein FS OLG Celle, S. 175, 186 ff; Roxin
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217
AT I § 14 Rdn. 81. AA Tröndle/Fischer § 32 Rdn. 27 m.w.N. Vgl. auch Otto GS K. Meyer, S. 583, 591 ff. Sch/Schröder/Lenckner § 34 Rdn. 51. Vgl. des weiteren Hassemer JuS 1989 673; Kretschmer JR 2 0 0 4 4 4 4 ; Küper J Z 1989 617; ders. J Z 1989 935; Schaffstein NStZ 1989 153; Schumann NStZ 1990 32; Vgl. zum „Bewertungsirrtum" auch BGHSt 35 347, 350 („Katzenkönig"-Fall); Tröndle/ Fischer % 34 Rdn. 18 m.w.N. Vgl. auch Küper J Z 1989 617, 6 2 2 f.
Joachim Vogel
Irrtum über Tatumstände
bekannten Sachverhalt ein rechtlich nicht bestehendes Selbsthilferecht z.B. nach § 229 BGB entnimmt, unterliegt nur einem Verbotsirrtum (BGHSt 17 87, 91; 328, 331). Die Reichweite des Erlaubnistatbestandsirrtums begrenzt die Rechtsprechung beim rechtfertigenden Notstand (RGSt 62 137, 138; 63 215, 227; 64 101, 104; 77 113, 116; BGHSt 1 329; 2 111, 114; 3 8, 9; 14 1, 2; BGH J Z 1977 139 m. Anm. Schroeder) und bei der Wahrnehmung berechtigter Interessen (RGSt 63 202, 203; BGH NJW 1952 194; BGHSt 3 73, 75; 14 48, 51) dadurch, dass der Vorsatz nur entfällt, wenn der Täter „die Sachlage pflichtgemäß geprüft hat". Wer glaubt, eine solche Prüfung sei nicht nötig, kann einem Verbotsirrtum unterliegen. 218 Sehr weitgehend OLG Celle NJW 1969 1775 m. abl. Anm. Horn ebd. 2156, wonach bei einem Erlaubnistatbestandsirrtum aufgrund verschuldeter Erregungs- und Ermüdungszustände einschließlich alkoholischer Beeinflussung der Vorsatz bestehen bleibt.
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c) In der Lehre ist die Frage seit je her umstritten gewesen 2 1 9 und mit einem theoretisehen Aufwand erörtert worden, der in keinem Verhältnis zur praktischen Bedeutung der Frage steht. Vor allem Anhänger des Finalismus, 220 aber auch andere Autoren 2 2 1 wollen den Erlaubnistatbestandsirrtum nur als Verbotsirrtum behandeln, weil er sich auf die Ebene der Rechtswidrigkeit beziehe, deren Bewusstsein aber eine Frage der Schuld sei. Für diese Auffassung hat sich nach dem Vorschlag von Maurach (AT [1. Aufl., 1954] § 39 I D) die Bezeichnung strenge Schuldtheorie eingebürgert. 2 2 2 Wer im Sinne der sog. Vorsatztheorie das Unrechtsbewusstsein als notwendigen Bestandteil des Vorsatzes ansieht, kommt hingegen unproblematisch zur vorsatzausschließenden Wirkung des Erlaubnistatbestandsirrtums. Im Sinne einer sog. eingeschränkten Schuldtheorie wird dies auch von Anhängern der Schuldtheorie vertreten 2 2 3 und teilweise auf die sog. Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen gestützt, wonach das Fehlen von Rechtfertigungsgründen negatives Tatbestandsmerkmal sei und der Vorsatz deshalb die Abwesenheit der Voraussetzungen aller Rechtfertigungsgründe umfassen müsse. 2 2 4
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Seit 1975 orientiert sich die Diskussion am Gesetz und versucht, den Erlaubnistatbestandsirrtum zwischen den Polen des § 16 StGB und des § 17 StGB einzuordnen, was freilich zu durchaus „verzwickten Lehren" (Roxin JuS 1973 202) geführt hat. 2 2 5 Teils
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Welzel J Z 1955 142, 143. Vgl. auch Lange J Z 1953 9, 12; Niese DRiZ 1953 20, 22; Lenckner FS H. Mayer, S. 165, 183; Schröder M D R 1953 70, 72; krit. Roxin AT I § 14 Rdn. 84 ff. Eingehende Darstellung der Dogmengeschichte bei Hirsch S. 13-219. Gössel JR 1978 292, 293; Hirsch aaO und ZStW 94 (1982) 239, 2 5 7 ff; Armin Kaufmann J Z 1955 37, 40 und FS Welzel, S. 393, 398 ff (mit Übergang zur ex-ante-Beurteilung der Rechtfertigungslage); Niese aaO; Welzel aaO und Lb. § 22 III 1 f. Bockelmann N J W 1950 830, 831; Härtung NJW 1951 209, 210; Heitzer NJW 1953 210; Paeffgen GS Armin Kaufmann, S. 399 ff; Sax J Z 1976 430 mit Fn. 5. Vgl. Arthur Kaufmann ZStW 76 (1964) 546, 549; Warda JR 1950 546, 549. Busch FS Mezger, S. 165, 180; Engisch ZStW 70 (1958) 566, 598; Arthur Kauf-
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mann a a O und ZStW 76 (1964) 543, 564; Kohlrausch/Lange S 59 V 1; Roxin Offene Tatbestände S. 120 und ZStW 76 (1964) 582, 599; Schaffstein M D R 1951 596; v. Weber FS Mezger (1954), S. 183, 185 ff; Zielinski S. 268 ff. Armin Kaufmann J Z 1955 38; weit. Nachw. bei Hirsch S. 2 6 7 ff. Verlegene Hinweise auf das „Mitbewußtsein" (s.o. Rdn. 64) bei Schünemann GA 1985 341, 350; Roxin AT I § 14 Rdn. 72. Gegen die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen von der Struktur der Konkurrenz von Rechtssätzen aus Minas-v. Savigny S. 127 ff. Neuere Verteidigungen der eingeschränkten Schuldtheorie bei Schünemann GA 1985 341, 349 ff, der strengen Schuldtheorie bei Hirsch ZStW 94 (1982) 239, 257 ff. S. u.a. Dreher M D R 1975 351; Jescheck/ Weigend § 41 IV 1.
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§16
2. Abschnitt. Die Tat
wird § 16 StGB analog angewendet, 2 2 6 teils wird nur auf die Rechtsfolgen des § 16 StGB verwiesen (sog. rechtsfolgenverweisende Schuldtheorie 2 2 7 ), 2 2 8 teils wird angenommen, der Erlaubnistatbestandsirrtum lasse den Vorsatz im Tatbestand bestehen, aber in der Schuld den Vorsatzschuldvorwurf entfallen, 229 teils wird die Vorsatzstrafe nur bei Bestehen eines entsprechenden Fahrlässigkeitstatbestandes und in dessen Strafrahmen bejaht, 2 3 0 teils wird eine Verbindung von Vorsatz- und Fahrlässigkeitsfaktoren angenommen und § 49 StGB angewendet, 231 teils vertreten, der Erlaubnistatbestandsirrtum lasse zwar den Vorsatz im allgemeinen, nicht jedoch im Sinne der Teilnahmevorschriften entfallen (Rudolphi SK Rdn. 13). 116
Hauptfrage bleibt, ob der Erlaubnistatbestandsirrtum de lege lata § 17 StGB zuzuordnen ist, wie es der strengen Schuldtheorie entspricht und zuletzt eindrücklich von Schroeder LK 11 Rdn. 47 ff, 52 vertreten worden ist (differenzierend Heuchemer S. 320 ff). Dafür mag sprechen, dass die Rechtsprechung (o. Rdn. 111) und auch die rechtsfolgenverweisende Schuldtheorie 2 3 2 zur Vermeidung von Strafbarkeitslücken Zuflucht zu Vorsatzfiktionen oder fragwürdigen (z.B. in § 34 StGB nicht gesetzlich statuierten) Prüfungspflichten nehmen muss (vgl. auch Hirsch LK 9 vor § 51 Rdn. 85 und ZStW 94 [1982] 239, 257 ff). Es mag auch sein, dass § 17 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB ausreichende Möglichkeiten für eine Strafmilderung bietet und bei Erlaubnistatbestandsirrtümern zudem minder schwere Fälle in Betracht kommen (z.B. § 213 StGB). De lege lata lässt sich die Anwendung des § 17 StGB aber nicht überzeugend begründen. Dessen Grundgedanke, dass von dem, der kraft Tatumstandswissen Anlass hat, über das Verbotensein seiner Tat nachzudenken, verlangt werden kann, sich Gewissheit über das Recht (nicht die Tatumstände!) zu verschaffen (u. § 17 Rdn. 4), trifft auf den, der sich im Erlaubnistatbestandsirrtum befindet, nicht zu - hätte er Rechtsrat eingeholt, wäre ihm per definitionem die Rechtmäßigkeit des beabsichtigten Handelns attestiert worden. De lege lata ist aber auch die unmittelbare Anwendung des § 16 StGB problematisch, da der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift den Erlaubnistatbestandsirrtum gerade nicht regeln wollte (s.o. Rdn. 110; s. auch Paeffgen GS Armin Kaufmann, S. 399, 409 f). Somit kann die Lösung nur in einer entsprechenden Anwendung des § 16 StGB bestehen.
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d) Damit ist aber nur der Ausgangspunkt für die eigentlichen Sachfragen des Erlaubnistatbestandsirrtums gewonnen.
118
Vorfrage ist, ob die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes wie herkömmlich objektiv ex post, oder entsprechend einer vordringenden Lehre auch außerhalb von Rechtfertigungsmerkmalen, die wie die „Gefahr" bei § 34 Satz 1 StGB oder die Amtsrechte ein prognostisches Element haben, objektiv ex ante233 oder aber ganz oder teilweise subjektiv zu bestimmen sind. Je stärker sie ex ante oder gar subjektiv bestimmt 226
227
228
229
Arthur Kaufmann FS Lackner, S. 185, 193; Kuhlen S. 2 9 8 ff; Sch/Schröder/Cramer/ Sternberg-Lieben § 15 R d n . 35, Rdn. 14 ff; Roxin AT I § 14 R d n . 55, 64. Meist als „rechtsfolgenverweisende Schuldt h e o r i e " bezeichnet. Anders zur Terminologie u n d Einteilung Grünwald GS Noll, S. 183. So ]escheck/Weigend § 41 IV l d ; Krümpelmann GA 1968 129, 142 f; Maurach/Zipf § 3 7 R d n . 41 ff. Dreher FS Heinitz, S. 207, 2 2 3 ; Tröndle/ Fischer R d n . 2 0 .
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230 231 232
233
Jakobs 11/58. Krümpelmann S. 4 9 ff. Jescheck/Weigend § 41 IV 3; Krümpelmann GA 1968 129, 145 f; Lenckner FS H . Mayer, S. 165 f; Roxin FS Welzel, S. 447, 4 5 8 ff. Freund GA 1991 387, 4 0 6 f; ders. AT § 3 R d n . 9 f; Frisch Vorsatz und Risiko S. 419, 4 2 4 ; Herzberg JA 1989 243, 2 4 7 ; ders. FS Stree/Wessels, S. 203, 2 0 7 ff; Armin Kaufmann FS Welzel, S. 393, 3 9 9 ff; Rudolphi GS Schröder, S. 73, 81 f; ders. GS Armin K a u f m a n n , S. 371, 3 7 7 ff.
J o a c h i m Vogel
Irrtum über Tatumstände
§16
werden, desto weniger relevant wird das Problem des Erlaubnistatbestandsirrtums. Es verwundert nicht, dass Anhänger der strengen Schuldtheorie vielfach zugleich eine ex ante-Bestimmung der Rechtfertigungsvoraussetzungen vertreten und darauf hinweisen, dass die „strenge" Behandlung des Erlaubnistatbestandsirrtums nach § 17 StGB legitim sei, weil er dann nur ex ante nicht nachvollziehbare, gleichsam unvernünftige Irrtümer erfasse. 2 3 4 Wie beim Vorsatz stellt sich sodann die Frage nach dem notwendigen (Bewusstseins-)Inhalt des Erlaubnistatbestandsirrtums. Anders als der Tatumstandsirrtum setzt der Erlaubnistatbestandsirrtum stets eine positive Fehlvorstellung voraus; Unkenntnis rechtfertigender Umstände genügt gerade nicht. 2 3 5 Nach BGHSt 35 347, 3 5 0 (sog. „Katzenkönig-Fall") können auch abergläubische Vorstellungen einen Erlaubnistatbestandsirrtum begründen; da der abergläubische Versuch nach allg. M . straflos ist, erscheint das nach dem „Umkehrprinzip" (o. Rdn. 11 f) fragwürdig (krit. Herzberg Jura 1 9 9 0 16, 19; Schumann N S t Z 1 9 9 0 32, 35; s. auch Lackner/Kühl § 17 Rdn. 6).
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Problematisch sind einerseits die praktisch nicht seltenen Fälle der subjektiven Ungewissheit ('„Zweifel'V des Täters über das Vorliegen eines rechtfertigenden Sachverhalts; daneben ist auch an die (bislang kaum erörterten) Fälle der „Tatsachenblindheit" oder Gleichgültigkeit hinsichtlich der Rechtfertigungslage zu denken. Die Frage stellt sich drängender bei einer (entsprechenden) Anwendung des § 16 StGB (wo es um eine mögliche Fahrlässigkeitsstrafbarkeit geht) als des § 17 StGB (wo es nur um die fakultative Strafmilderung nach Satz 2 geht, die bei bedingtem Unrechtsbewusstsein ausscheiden würde, s. § 17 Rdn. 2 7 f). B G H V R S 4 0 (1971) 104, 107 lässt es für eine Putativnotwehr genügen, dass es jemand „für möglich hält", verprügelt zu werden. Demgegenüber wendet die wohl h.L. die Grundsätze zur Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit sinngemäß an: Ein Erlaubnistatbestandsirrtum sei nur zuzubilligen, wenn der Täter ernsthaft auf das Vorliegen einer Rechtfertigungslage vertraue, nicht, wenn er ihr Fehlen billigend in Kauf nehme. 2 3 6 Andere Autoren nehmen bei Ungewissheit stets eine Schuldminderung bis hin zum Schuldausschluss a n . 2 3 7 Roxin (AT I § 14 Rdn. 91 ff) will differenzieren: Bei Zweifeln (subjektiver Ungewissheit) träfen den Täter im Grundsatz Prüfungs- oder Ausweichpflichten; verletze er diese Pflichten, so sei wegen vorsätzlicher Vollendung zu bestrafen, wenn es objektiv an einer Rechtfertigungslage fehle, andernfalls wegen Versuchs. Seien die Prüfung oder das Ausweichen unmöglich oder unzumutbar, so müsse auf § 3 4 StGB oder, wenn Leben gegen Leben stehe, auf § 35 StGB zurückgegriffen werden.
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So bereits Armin Kaufmann FS Welzel, S. 392, 401 f mit dem Hinweis, dass bei einer ex-ante-Bestimmung der Rechtfertigungsvoraussetzungen „ein erheblicher Teil der bisherigen Fälle unvermeidbarer Putativrechtfertigung nunmehr den Rechtfertigungsgründen unterfällt, nämlich dann, wenn ,Irrtum' und ex-ante-Beurteilung zusammentreffen". Kühl AT5 § 13 Rdn. 68; Lackner/Kühl § 17 Rdn. 9; Puppe NK Rdn. 124; Roxin AT I ξ 14 Rdn. 52; Wessels/Beulke3S Rdn. 467.
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BGH bei Holtz MDR 1978 108, 109; Baumann/Weber9 § 21 II le; Lackner/Kühl § 17 Rdn. 18; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 22; Sch/Schröder/Lenckner $ 32 Rdn. 28; Warda FS Lange, S. 119; Zielinski S. 289. Völlig verfehlt BGH VRS 40 104, 107, wo das Problem in der Konkurrenz des Verteidigungszwecks mit anderen Zwecken gesehen wird. Baldus LK 9 S 53 Rdn. 51; Schönke/ Schröder17 § 53 Rdn. 15d; Warda aaO.
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2 . Abschnitt. Die Tat
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In der Tat stellt sich zunächst die Frage, ob und inwieweit der jeweilige Rechtfertigungsgrund allgemein oder jedenfalls bei subjektiver Ungewissheit Prüfungs- oder Ausweichpflichten begründet, die bei § 32 StGB im „Gebotensein" der Verteidigung oder bei § 34 StGB in der „Angemessenheit" der Notstandshandlung (Satz 2) angesiedelt werden können. Weiterhin stellt sich die Frage, ob der jeweilige Rechtfertigungsgrund subjektiv ein Handeln in Rechtfertigungstendenz (z.B. Verteidigungswillen) voraussetze, an dem es bei „Tatsachenblindheit" oder Gleichgültigkeit fehlen kann. In den kritischen Putativnotwehrfällen, in denen Prüfung und Ausweichen unmöglich oder unzumutbar ist, kann der - durchaus mögliche - Rückgriff auf §§ 34, 35 StGB die - zusätzliche oder vorgelagerte - Beachtlichkeit des auf § 32 StGB bezogenen Erlaubnistatbestandsirrtums nicht grundsätzlich ausschließen, weil es nicht darauf ankommen kann, ob der Täter spontanunbefangen an eine Notwehrlage glaubt oder skrupulös Zweifel an ihr hegt.
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Andererseits stellt sich die Frage, wie der Inhalt des Erlaubnistatbestandsirrtums bei normativen Rechtfertigungsmerkmalen zu bestimmen ist, beispielsweise wenn der Notwehrtäter irrig annimmt, der Angriff sei „rechtswidrig", der Notstandstäter, das Erhaltungsgut überwiege das Eingriffsgut „wesentlich" oder die Notstandshandlung sei „angemessen" oder der Täter, der einen anderen mit dessen Einwilligung in sittenwidriger Weise verletzt, die Tat sei nicht „sittenwidrig". Teilweise wird vertreten, derartige Irrtümer seien nach den Grundsätzen zu den normativen Tatbestandsmerkmalen zu behandeln; hiernach kann auch der bloße Rechtsirrtum einen Erlaubnistatbestandsirrtum begründen. 238 Demgegenüber behandelt die h.L. (ebenso wie die Rechtsprechung, o. Rdn. 112) derartige Irrtümer als solche über gesamttatbewertende Merkmale, und nur die irrige Vorstellung von tatsächlichen Umständen, die, lägen sie vor, das normative Rechtfertigungsmerkmal begründen würden, kann zum Erlaubnistatbestandsirrtum führen. 239 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen, da auf solche Irrtümer der Grundgedanke des § 17 StGB passt (o. Rdn. 116): Übt beispielsweise der Schuldner körperverletzende Notwehr gegen den Gläubiger, der ihn unter den dem Schuldner bekannten Voraussetzungen des § 229 BGB festnimmt, den der Schuldner nicht kennt, so wäre es dem Schuldner möglich, den Irrtum, rechtswidrig angegriffen zu sein, durch Einholung von Rechtsrat zu beheben.
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Unstreitig bleibt es bei der Anwendung des § 17 StGB, wenn der Täter lediglich meint, sich auf einen von der Rechtsordnung nicht anerkannten Rechtfertigungsgrund berufen zu dürfen, oder wenn er die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes weiter zieht als von Rechts wegen anerkannt (sog. Erlaubnis- oder Erlaubnisgrenzirrtum, s.u. § 17 Rdn. 32). Das gilt auch, wenn der Täter sowohl einem Erlaubnistatbestands- als auch einem Erlaubnis- oder Erlaubnisgrenzirrtum unterliegt (BGHSt 3 105, 108; 357, 364 f; 20 342, 372; s. auch BGH GA 1975 305; Tröndle/Fischer § 32 Rdn. 28); in diesem Fall wäre es auch nach der sog. strengen Schuldtheorie nicht möglich, die Strafe zweifach gem. § 17 Satz 2 StGB zu mildern. 240
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Befindet sich der Täter im Erlaubnistatbestandsirrtum und liegt tatsächlich eine von ihm nicht erkannte Rechtfertigungslage - sei es bezogen auf denselben Rechtfertigungs-
AT § 7 Rdn. 1 0 4 .
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Freund
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Jescheck/Weigend § 41 IV l d ; Kühl A T 5 § 13 Rdn. 5 5 ; Puppe N K Rdn. 1 2 6 ; Roxin AT I § 14 Rdn. 81; Rudolphi SK Rdn. 13b; Sch/Schröder/Lenckner/Perron § 34 Rdn. 51; vgl. Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 21.
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BGHSt 3 357, 3 6 5 ; Wessels A T 2 7 § 11 III 3. Zust. jetzt auch Jescheck/Weigend 5 41 IV 4. Missverständlich BGHSt 3 105, 108. Vgl. noch Schröder J R 1 9 6 2 3 4 7 f.
J o a c h i m Vogel
Irrtum über Tatumstände grund, sei es bezogen auf einen anderen - vor, so liegt es in der K o n s e q u e n z der strengen Schuldtheorie, zumindest wegen Versuchs zu bestrafen ( S c h r o e d e r J Z 1 9 7 4 113, 1 1 5 ) . Richtigerweise ist Straflosigkeit anzunehmen, da zwar entsprechend § 16 Abs. 1 Satz 2 S t G B eine ggf. angeordnete Fahrlässigkeitsstrafbarkeit unberührt bleibt, jedoch im H i n blick auf die tatsächliche Rechtfertigungslage der Erfolgsunwert entfällt und der fahrlässige Versuch nicht strafbar ist. Die Rechtsfolgen des Erlaubnistatbestandsirrtums bestimmen sich nach überwiegender und auch hier vertretener Auffassung (o. R d n . 116) entsprechend § 16 Abs. 1 Satz 2 S t G B . Beruht der Erlaubnistatbestandsirrtum auf Fahrlässigkeit, k a n n somit wegen eines ggf. verwirklichten Fahrlässigkeitsdelikts bestraft werden. Vor allem bei der Putativnotwehr dürfen die Fahrlässigkeitsmaßstäbe nicht überspannt werden. Es muss eingehend begründet werden, w a r u m der Verteidiger, der G r u n d hat a n z u n e h m e n , ein Angriff auf sein Leben oder ein schwerwiegender Angriff a u f seine körperliche Integrität stehe unmittelbar bevor, oder der im Z u g e der Verteidigung nicht bedenkt, dass ihm mildere M i t tel zu G e b o t e stehen, sorgfaltswidrig gehandelt haben soll; in diesem Fall darf auch nicht vorschnell auf § 3 3 S t G B ausgewichen werden (vgl. B G H N S t Z 2 0 0 1 5 3 0 , 2 0 0 2 141).
125
O b der Erlaubnistatbestandsirrtum eine teilnahmefähige „vorsätzliche" Tat i.S.v. § § 2 6 , 2 7 StGB a u s s c h l i e ß t , 2 4 1 ist nicht nur eine Frage der D o g m a t i k des Vorsatzes und des Erlaubnistatbestandsirrtums, sondern mindestens gleichermaßen eine Frage der Teilnahme- und allgemeiner Beteiligungsdogmatik (ebenso Puppe N K R d n . 136: „Frage der Teilnahmelehre, nicht der I r r t u m s l e h r e " ) . 2 4 2 W e i ß (beabsichtigt) der Beteiligte, dass der T ä t e r einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterliegt (unterliegen wird), k o m m t ohnehin mittelbare T ä t e r s c h a f t in B e t r a c h t (Roxin L K 1 1 § 2 5 R d n . 8 2 ) . R e c h n e t der Beteiligte, insbesondere der Teilnehmer, hingegen nicht damit, dass der T ä t e r einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterliegt (unterliegen wird), so stellen sich zunächst Fragen der Abweichung zwischen vorgestelltem und wirklichem Kausalverlauf. Problematisch bleiben Fälle, in denen der im Erlaubnistatbestandsirrtum H a n d e l n d e ein Sonder(pflicht)delikt verwirklicht und der Beteiligte, der den Erlaubnistatbestandsirrtum bewirkt, E x t r a n e u s ist, also nicht mittelbarer T ä t e r sein kann (z.B. w e n n er dem Arzt vorspiegelt, dieser sei von der Schweigepflicht entbunden, vgl. B G H S t 4 3 3 5 ; O L G K ö l n M D R 1 9 6 2 5 9 1 ) . Hier liegt es mehr als nahe, den Vorsatzbegriff der §§ 2 6 , 2 7 S t G B nach Sinn und Z w e c k der Teilnahmestrafbarkeit auf bloßen Tatbestandsvorsatz zu b e s c h r ä n k e n (eingehend Roxin L K 1 1 Vor § 2 6 R d n . 2 6 ff). D a s läuft zwar auf eine „ R e l a t i v i t ä t " des Vorsatzbegriffs im S t G B hinaus, erscheint jedoch im Verhältnis zu komplizierten und nicht durchweg überzeugenden K o n s t r u k t i o n e n über Vorsatz und Vorsatzschuld beim Erlaubnistatbestandsirrtum vorzugswürdig.
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3 . Verbotsirrtum (§ 1 7 StGB). S. hierzu die K o m m e n t i e r u n g des § 17 S t G B .
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Die Frage zu verneinen, liegt in der Konsequenz der strengen und der rechtsfolgenverweisenden Schuldtheorie; sie zu bejahen, liegt in der Konsequenz der Vorsatztheorie und der eingeschränkten Schuldtheorie; s. Baumann/Weber/Mitsch § 30 Rdn. 23; Krey AT II Rdn. 228; vgl. Kühl AT 5 S 2 0 Rdn. 142; Maurach/Gössel/Zipf § 51
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Rdn. 25; Sch/Scbröder/Cramer/Heine Vorbem § § 2 5 ff Rdn. 32; vgl. auch folgende Fn. S. weiterhin Kuhlen S. 329; Roxin AT I § 14 Rdn. 77; ders. Täterschaft und Tatherrschaft 8 (2006), S. 553 ff; Rudolphi SK Rdn. 13; vgl. auch Arthur Kaufmann FS Lackner, S. 194.
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2. Abschnitt. Die Tat
4. Irrtum über Schuldausschließungs- und Entschuldigungsgründe 128
a) Nach allgemeiner Auffassung kommt es für die Schuldfähigkeit (§§ 19-21 StGB) allein darauf an, ob der Täter in Wirklichkeit ein Kind, schuldunfähig oder vermindert schuldfähig ist. 2 4 3 Irrtümer hierüber - seien sie tatsächlicher oder rechtlicher Natur sind unerheblich; ein Irrtum über die Einsichtsfähigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB ist sogar logisch undenkbar (vgl. BGHSt 21 27, 28).
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b) § 20 Abs. 1 E 1962 wollte den „Entschuldigungstatbestandsirrtum" („Putativentschuldigung") - die irrige Annahme von Umständen, die, lägen sie vor, einen rechtlich anerkannten Entschuldigungsgrund begründen würden - wie einen Erlaubnistatbestandsirrtum behandeln und ihm vorsatzausschließende Wirkung beimessen. Das entsprach der seinerzeit überwiegenden Rechtsprechung (BGHSt 5 371, 374 f), die den Vorsatzausschluss jedoch - ähnlich wie bei dem Irrtum über den übergesetzlichen Notstand nur bei gewissenhafter Prüfung des Sachverhalts anerkannte (BGH NJW 1952 111, 113; BGHSt 18 311; 35 347, 350 f). In der Lehre wurde teils eine Bestrafung wegen Fahrlässigkeit entsprechend § 59 RStGB oder den Grundsätzen der actio libera in causa, teils eine Behandlung des Entschuldigungstatbestandsirrtums als Verbotsirrtum befürwortet (näher Schroeder LK 9 § 59 Rdn. 68).
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Für das heutige Recht gilt: Bei § 17 StGB ist ein Entschuldigungstatbestandsirrtum logisch unmöglich, weil die Vorschrift selbst einen Irrtumstatbestand regelt (Joecks MK Rdn. 99). - Bei $ 33 StGB ist umstritten, ob die Vorschrift auch dann anwendbar ist, wenn sich der Täter irrig Umstände vorstellt, die, lägen sie vor, eine Notwehrlage begründen würden, und aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken die Notwehrgrenzen überschreitet („Putativnotwehrexzess", näher hierzu Spendet LK 11 § 33 Rdn. 28 ff); die ständige Rechtsprechung (grundlegend RGSt 21 189, 191) verneint die Frage, zust. Spendet aaO Rdn. 32. Ein Irrtum über die „asthenischen Affekte" Verwirrung, Furcht oder Schrecken ist denkunmöglich, und es kommt ausschließlich darauf an, ob sie vorliegen oder nicht. Nimmt der Täter bei gegebener oder vorgestellter Notwehrlage irrig Umstände an, die, lägen sie vor, die exzessive Verteidigung erforderlich machen würden, ist das bereits ein Erlaubnistatbestandsirrtum; entgegen einer in der Lehre vertretenen Auffassung betrifft § 33 StGB vor allem die (zwar nicht „kaltblütige", sondern affektbedingte) vorsätzliche Notwehrüberschreitung (eingehend Spendet aaO Rdn. 52 ff). - Bei § 35 StGB ist der Entschuldigungstatbestandsirrtum in Abs. 2 eigenständig geregelt; bei Unvermeidbarkeit des Irrtums tritt Straflosigkeit wegen Entschuldigung, bei Vermeidbarkeit Vorsatzstrafbarkeit mit obligatorischer Strafmilderung nach § 49 StGB ein; zu den Einzelheiten Hirsch LK 11 § 35 Rdn. 72 ff. - § 35 Abs. 2 StGB enthält nach h.L., die von der Rechtsprechung bislang nicht ausdrücklich übernommen worden ist, einen allgemeinen Rechtsgedanken und ist deshalb auf andere rechtlich anerkannte Entschuldigungsgründe entsprechend anwendbar. 2 4 4 Dem ist für § 35 Abs. 1 StGB strukturverwandte Entschuldigungsgründe, z.B. den sog. übergesetzlichen entschuldigenden Notstand oder die entschuldigende Pflichtenkollision, zuzustimmen. Bei Strafausschließungs- oder -aufhebungsgründen des Besonderen Teils, die notstandsähnliche Lagen betreffen, kann die
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Maurach/Zipf § 23 Rdn. 6; Jescheck/ Weigend § 29 V 7c; Sch/Schröder/Cramer/ Steinberg-Lieben Rdn. 33; Tröndle/Fischer Rdn. 22. Baumann/Weber/Mitsch § 23 Rdn. 11; Jescheck/Weigend § 48 II 3; Krümpelmann
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S. 53; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben Rdn. 31. Einschränkend schon zu § 35 Abs. 2 StGB dagegen Schmidhäuser AT 11/23. AA für den Putativnotwehrexzess BGH NJW 1968 1885.
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Irrtum über Tatumstände
§ 16
üt Auslegung jedoch ergeben, dass das Gesetz diesbezügliche Irrtümer strenger oder weniger streng (z.B. entsprechend § 16 Abs. 2 StGB, o. Rdn. 101) behandelt wissen will. - Im Übrigen kann die irrige Annahme von Umständen, die rechtlich nur entschuldigen würden, in der Vorstellung des Täters bereits das Unrechtsbewusstsein entfallen lassen, also zu einem Verbotsirrtum gem. § 17 StGB führen. c) Die irrige Annahme, ohne Schuld zu handeln, insbesondere die irrige Annahme eines rechtlich nicht anerkannten Entschuldigungsgrunds (z.B. Gewissensnot) oder die irrige Subsumtion unter einen rechtlich anerkannten Entschuldigungsgrund (z.B. wenn § 35 Abs. 1 StGB auf Gefahren für Eigentum oder Vermögen erstreckt wird), kann als „Entschuldigungs(grenz)irrtum" bezeichnet werden. Er berührt als solcher weder den Vorsatz noch grundsätzlich die Schuld. Das begründet sich nicht nur daraus, dass es Sache des Gesetzgebers ist, die Reichweite von Entschuldigungsgründen in den Grenzen des Schuldprinzips festzulegen (normativer Schuldbegriff). 2 4 5 Vielmehr ist zudem zu bedenken, dass die Vorstellung, entschuldigt zu handeln, dem Täter zwar die Tatbegehung erleichtert und Hemmschwellen abbaut, also psychologisch gesehen die Schuld vermindert, jedoch normativ gesehen eben dieser Hemmschwellenabbau durch einen Täter, der Unrechtseinsicht hat, sehr wohl schuldhaft ist (zutr. Schroeder LK 1 1 Rdn. 58). Da der Unterschied zwischen Unrecht und Schuld für Laien nicht leicht nachzuvollziehen ist, muss freilich stets geprüft werden, ob ein Täter, der angibt, er habe sein Handeln für „entschuldigt" oder „schuldlos" gehalten, nicht in Wahrheit meint, er habe es für erlaubt gehalten; dann kann ein Verbotsirrtum (§ 17 StGB) vorliegen. S. auch B G H , Beschl. v. 8.10.1963 - 5 StR 344/63 (Behandlung der Annahme, entschuldigt zu sein, analog zum Verbotsirrtum); vgl. auch BGHSt 35 347, 3 5 0 f (dazu Küper J Z 1 9 8 9 617, 6 2 5 ff).
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5. Irrtum über Strafausschließungs- oder -aufhebungsgründe. S. hierzu o. Rdn. 101.
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6. Irrtum über straferschwerende oder strafmildernde Umstände. Unter den Begriffen „Irrtum über straferschwerende (straferhöhende, strafschärfende) Umstände" und „Irrtum über strafmildernde Umstände" behandelte die ältere Lehre und zuletzt noch Schroeder LK 1 1 Rdn. 6 4 ff, 68 ff die Irrtümer bei Qualifikationen (o. Rdn. 5 3 ) und Privilegierungen (o. Rdn. 97 ff), benannten und unbenannten besonders schweren Fällen (o. Rdn. 9 4 f) und Regelbeispielen (o. Rdn. 94), benannten und unbenannten minder schweren Fällen (o. Rdn. 99 ff), Strafausschließungs- oder -aufhebungsgründen (o. Rdn. 101) und Gründen für ein Absehen von Strafe (o. Rdn. 102). Angesichts der dogmatischen und systematischen Vielfalt der Merkmale und diesbezüglichen Irrtümer sollte an den so verstandenen Begriffen nicht mehr festgehalten werden.
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Als Irrtum über straferschwerende oder strafmildernde Umstände im engeren Sinn kann freilich auch heute noch der Irrtum über Strafzumessungstatsachen i.S.d. § 4 6 Abs. 2 StGB angesehen werden. Die Behandlung dieses Irrtums ist noch nicht abschließend geklärt, 2 4 6 und die Frage gehört ins Strafzumessungsrecht, weshalb kurze Hinweise genügen müssen: Ersichtlich ist § 16 StGB (und sind §§ 15, 17, 18 StGB) für Strafzumessungstatsachen nicht unmittelbar anwendbar. Bei den subjektiv gefassten „subjektiven Strafzumessungstatsachen" („Beweggründe", „Ziele", „Gesinnung", „Wille") dürfte es zugunsten wie zuungunsten des Täters nur auf dessen Vorstellungsbild ankommen. Bei
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So Baldus LK 9 § 52 Rdn. 24; Jescheck/ Weigend § 44 V 2; Sch/Schröder/Lenckner/ Perron $ 35 Rdn. 45.
S. 396, 425, 549; Frisch GA 1972 321; Spendei Zur Lehre vom Strafmaß (1954) S. 211 ff; Zipf Die Strafmaßrevision (1969)
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S. aber Bruns Strafzumessungsrecht 2 (1974)
S. 100 ff.
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2. Abschnitt. Die Tat den „objektiven Strafzumessungstatsachen" bestimmt das Gesetz ausdrücklich, dass nur „verschuldete" Auswirkungen der Tat strafzumessungsrelevant sind (§ 4 6 Abs. 2 dritte G r u p p e S t G B ) . D a m i t hat der Gesetzgeber der auf B G H S t G S e n 1 0 2 5 9 zurückgehenden älteren R e c h t s p r e c h u n g eine Absage erteilt, dass auch für den T ä t e r unvorhersehbare Tatfolgen berücksichtigt werden dürfen, w e n n sie nur auf einer mindestens fahrlässig herbeigeführten Gefahrenlage beruhen (näher Gribbobm L K 1 1 § 4 6 R d n . 151). Die R e c h t s p r e c h u n g steht auf dem Standpunkt, dass Fahrlässigkeit im Sinne der Vorhersehbarkeit und V o r w e r f b a r k e i t der Folgen genüge, wendet also in der Sache auch bei Vorsatzdelikten § 18 StGB entsprechend an ( B G H S t 3 7 179, 1 8 0 ; zust. Gribbohm a a O ) . In der Lehre wird demgegenüber vertreten, dass jedenfalls bei Vorsatzdelikten und/oder jedenfalls bei „innertatbestandlichen F o l g e n " §§ 15, 16 S t G B entsprechend anzuwenden seien (s. nur Sch/Schröder/Stree § 4 6 R d n . 2 6 ) . Ungeklärt ist, o b der „ u m g e k e h r t e " Irrt u m des T ä t e r s - vorhergesehen oder vorhersehbar sind schwere Auswirkungen, die aber ausbleiben - nach Versuchsgrundsätzen strafschärfend berücksichtigt werden d a r f . 2 4 7 Für die anderen „objektiven Strafzumessungstatsachen" lassen sich Anhaltspunkte für die Behandlung von Irrtümern nur aus § 4 6 Abs. 1 Satz 1 S t G B gewinnen, w o n a c h die „ S c h u l d " Grundlage der Strafzumessung ist; auch wenn damit die Strafzumessungs-, nicht die Strafbegründungsschuld gemeint ist, liegt es nahe, die zu den „verschuldeten Auswirkungen der T a t " entwickelten Grundsätze auf die anderen „objektiven Strafzum e s s u n g s t a t s a c h e n " zu übertragen. 135
7. „Strafrechtsanwendungsirrtum", „Strafbarkeitsirrtum". Insbesondere bei Auslandstaten, auf die gem. § § 3 ff S t G B deutsches Strafrecht a n w e n d b a r ist, k o m m t ein „Strafr e c h t s a n w e n d u n g s i r r t u m " in der Weise in B e t r a c h t , dass der T ä t e r irrig davon ausgeht, deutsches Strafrecht sei nicht anwendbar. B G H S t 2 7 3 0 , 3 4 vertrat hierzu beiläufig die Auffassung, ein „Irrtum über den U m f a n g der deutschen Gerichtsbarkeit wäre unbeachtl i c h " . W ü r d e n § § 3 ff S t G B (wie es angloamerikanischem Rechtsdenken entspräche) als rein prozessrechtliche Vorschriften über die Gerichtsbarkeit (jurisdiction) gedeutet, ließe sich in der Tat vertreten, dass der „Strafrechtsanwendungsirrtum" unbeachtlich wäre, also weder einen Tatbestands- noch einen Verbotsirrtum begründen könnte. Demgegenüber hat B G H S t 4 5 97, 1 0 0 f f 2 4 8 zwar festgehalten, dass die Unkenntnis der Strafbarkeit nach deutschem R e c h t unerheblich sei, jedoch einen Verbotsirrtum für möglich gehalten. E r liege freilich fern, wenn der T ä t e r um das für die Rechtsgutsverletzung spezifische U n r e c h t wisse, es (wie bei der Vereitelung deutscher Strafverfolgung eines Deutschen) einen Bezug zur deutschen R e c h t s o r d n u n g aufweise und der deutsche Tatbestand (§ 2 5 8 S t G B ) für den T ä t e r keine lex aliena sei, sondern in dessen Heimatrechtsordnung gleichfalls enthalten sei (Art. 3 0 5 Abs. 1 Schweiz. S t G B ) . D e m ist insoweit zuzustimmen, als sich das gem. § 17 S t G B mindestens potentiell erforderliche Unrechtsbewusstsein auf das Verbotensein nach deutschem R e c h t beziehen muss; wer nicht bedenkt, dass seine H a n d lung hiernach verboten ist (was sich nicht allein aus § § 3 ff S t G B ergibt, sondern sich z.B. bei verwaltungsrechtsakzessorischen Tatbeständen auch aus den Regeln des internationalen Verwaltungsrechts ergeben k a n n ) , hat keine Unrechtseinsicht i.S.v. § 1 7 S t G B . 2 4 9 Entgegen B G H a a O k a n n diese Unrechtseinsicht aber nicht schon daraus abge-
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In diese Richtung Bruns Strafzumessungsrecht 2 (1974) S. 425; Frisch GA 1972 321, 323 („einfache [...] Erkenntnis, daß der weitergehende Tätervorsatz einen entsprechend großen verbrecherischen Willen liefert").
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M. Anm. Börger NStZ 2 0 0 0 31; Dölling J R 2 0 0 0 379; Neumann StV 2 0 0 0 425. Zutr. Neumann StV 2000 426 f.
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Irrtum über Tatumstände
leitet werden, dass der Täter weiß, dass er ein „deutsches", in Bezug auf seinen Heimatstaat auch dort strafrechtlich geschütztes Rechtsgut verletzt; er muss vielmehr auch wissen, dass die deutsche Rechtsordnung auf sein Verhalten anwendbar ist. 2 5 0 Freilich kann das Wissen, ein „deutsches" Rechtsgut zu verletzen, Ansatzpunkt für die Feststellung sein, dass der Verbotsirrtum vermeidbar war. Der „Strafbarkeitsirrtum", der sich in der Unkenntnis der Strafbarkeit erschöpft, ist nach h.A. unbeachtlich (eingehend § 17 Rdn. 15 ff). 8. Irrtum über Prozessvoraussetzungen a) Soweit Strafantragserfordernisse (§§ 77 ff StGB) an besondere Voraussetzungen geknüpft sind wie bei § 2 4 7 StGB (Diebstahl oder Unterschlagung zum Nachteil von Angehörigen usw.) oder § 248a StGB (Diebstahl oder Unterschlagung geringwertiger Sachen), s. auch §§ 263 Abs. 4, 266 Abs. 2 StGB, sind Irrtümer nach allgemeiner Auffassung unbeachtlich, gleich, ob es sich um „absolute" oder „relative" Strafantragserfordernisse handelt: 251 Weder löst die irrige Annahme der Voraussetzungen das Strafantragserfordernis aus (s. RGSt 4 346; 73 151, 153), noch entfällt das Strafantragserfordernis, wenn der Täter die tatsächlich gegebenen Voraussetzungen nicht kennt (BGHSt 18 123). Denn der Strafantrag ist Prozessvoraussetzung, auf die § 16 StGB auch nicht entsprechend anwendbar ist. Insbesondere spricht es gegen eine Anwendung des § 16 Abs. 2 StGB z.B. auf § 247 StGB, dass es nicht angehen kann, bei irriger Annahme eines Diebstahls zum Nachteil eines Angehörigen diesem als „Putati ν verletztem" ein Strafantragsrecht einzuräumen (BGH aaO S. 126).
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b) Ob die Vorschriften über die Verjährung (§§ 78 ff StGB) (nur) dem Prozessrecht oder (auch) dem materiellen Recht angehören, ist umstritten (s. nur Jähnke LK 1 1 Vor § 78 Rdn. 7 ff). Unabhängig hiervon ist anerkannt, dass tatsächliche oder rechtliche Irrtümer in Bezug auf die Verjährung unbeachtlich sind, sondern allein die wirkliche Sach- und Rechtslage entscheidet (s. nur Jähnke LK 1 1 Vor § 78 Rdn. 17).
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250 251
Zutr. Neumann StV 2 0 0 0 4 2 6 f. Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 23; Jescheck/Weigend § 2 9 V 7g; Joecks M K Rdn. 100; Maurach/Schroeder/Maiwald I
§ 33 Rdn. 134; Mitsch M K § 7 7 Rdn. 4; Roxin AT I § 12 Rdn. 150; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 36; Wessels/Beulke35 Rdn. 5 0 2 .
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§17 Verbotsirrtum Fehlt dem T ä t e r bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 4 9 Abs. 1 gemildert werden.
Schrifttum Arzt Zum Verbotsirrtum beim Fahrlässigkeitsdelikt, ZStW 91 (1979) 857; Baumann Zur Teilbarkeit des Unrechtsbewußtseins, J Z 1961 564; ders. Grenzfälle im Bereich des Verbotsirrtums, Festschrift Welzel (1974) 533; Bindokat Irrungen und Wirrungen in der Rechtsprechung über den Verbotsirrtum, J Z 1953 748; ders. Bewußtsein der Rechtswidrigkeit, NJW 1962 185; ders. Zur Frage des doppelten Irrtums, NJW 1963 745; Blei Unrechtsbewußtsein und Verbotsirrtum, JA 1970 205, 333, 525, 599, 665; Bockelmann Zur Problematik der Sonderbehandlung von Überzeugungstätern, Festschrift Welzel (1974) 543; Bohnert Strafmündigkeit und Normkenntnis, NStZ 1988 249; Bopp Der Gewissenstäter und das Grundrecht der Gewissensfreiheit (1974); Busse Unklare Doppelregelung des Verbotsirrtums im 2. StrRG, M D R 1971 985; Deckers Unrechtsbewußtsein, in ders. (Hrsg.) Unrechtsbewußtsein (1982) 58; Dimakis Der Zweifel an der Rechtswidrigkeit der Tat (1992); Donatsch Unrechtsbewußtsein und Verbotsirrtum, SchwZStrR 102 (1985) 16; Dreher Verbotsirrtum und § 51, GA 1957 97; Ebert Der Uberzeugungstäter in der neueren Rechtsentwicklung (1975); Eckert Schuld, Verantwortung, Unrechtsbewußtsein (1999); Fabricius Zur Strafbarkeit der Offenbarung eines Geheimnisses an andere Schweigepflichtige, StV 1996 485; Figueiredo Diaz Gewissenstat, Gewissensfreiheit und Schuldausschluß, Festschrift Roxin (2001) 531; Frister Erlaubnistatbestandszweifel, Festschrift Rudolphi (2004) 45; Gössel Die Rechtsfigur des Überzeugungstäters (1975); Groteguth Norm- und Verbots(un)kenntnis (1993); Hardwig Sachverhaltsirrtum und Pflichtirrtum, GA 1956 369; Härtung Zweifelsfragen des Verbotsirrtums, J Z 1955 663; Heinitz Der Überzeugungstäter im Strafrecht, ZStW 78 (1966) 615; E.E. Hirsch Zur Rechtserheblichkeit des Normirrtums in juristischer und soziologischer Sicht, Festschrift Schelsky (1978) 211; Hohoff Vorsatz und „Unrechtsbewußtsein" im Strafrecht der DDR als Problem aktueller Rechtsanwendung, DtZ 1997 308; Horn Verbotsirrtum und Vorwerfbarkeit (1969); Hruschka Conscientia erronea und ignorantia bei Thomas von Aquin, Festschrift Welzel (1974) 115; Jäger Verbrechen unter totalitäter Herrschaft (1967); ders. Individuelle Zurechnung kollektiven Verhaltens (1985); Jakobs Schuld und Prävention (1976); ders. Strafrechtliche Schuld ohne Willensfreiheit? In Henrich (Hrsg.) Aspekte der Freiheit (1983) 69; ders. Bemerkungen zur subjektiven Tatseite der Untreue, Festschrift Dahs (2005) 49; Jescheck Grundfragen der Dogmatik und Kriminalpolitik im Spiegel der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, ZStW 93 (1981) 3; Armin Kaufmann Schuldfähigkeit und Verbotsirrtum, Festschrift Eb. Schmidt (1961) 319; ders. Die Dogmatik im Alternativ-Entwurf, ZStW 80 (1968) 34; Arthur Kaufmann Das Unrechtsbewußtsein in der Schuldlehre des Strafrechts (1949); Kienapfel Unrechtsbewußtsein u. Verbotsirrtum, Ö J Z 1976 113; Kohlschütter Die strafrechtstheoretische Lösung der Fälle des indirekten Verbotsirrtums, 2. Aufl. (1989); Kramer/Kittel Zur Bindungswirkung der Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des § 17 StGB, J Z 1980 393; Krauß Das Unrechtsbewußtsein, H. 7 der Schriftenreihe d. Inst. f. Konfliktforschung (1982) 30; Kiichenhoff Die staatsrechtliche Bedeutung des Verbotsirrtums, Festschrift Stock (1966) 75; Kunz Strafausschluß oder -milderung bei Tatveranlassung durch falsche Rechtsauskunft? GA 1983 457; Laubenthal/Baier Durch die Ausländereigenschaft bedingte Verbotsirrtümer und die Perspektiven europäischer Rechtsvereinheitlichung, GA 2 0 0 0 205; Lesch Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums, JA 1996 607; Low Die Erkundigungspflicht beim Verbotsirrtum nach S 17 StGB (2002); Mangakis Das Unrechtsbewußtsein in der strafrechtlichen Schuldlehre nach deutschem und griechischem Recht (1954); Mattil Gewissensanspannung, ZStW 74 (1962) 201; Maurach Das Unrechtsbewußtsein zwischen Kriminalpolitik und Strafrechtsdogmatik, Festschrift Eb. Schmidt (1961) 301; F. Meyer Der Verbotsirrtum im Steuerstrafrecht, NStZ 1986 443; ders. Enthält der Tatbestand der Steuerhinterziehung ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das jeglichen Verbotsirrtum ausschließt?
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Verbotsirrtum NStZ 1987 500; Mezger Fiktion und Analogie beim sog. Verbotsirrtum, NJW 1951 869; Miehe Rechtfertigung und Verbotsirrtum, Festschrift Gitter (1995) 647; Mir Die Regelung des Verbotsirrtums im spanischen Strafgesetzbuch, Gedächtnisschrift Armin Kaufmann (1989) 485; Mütler-Dietz Grenzen des Schuldgedankens im Strafrecht (1967); Naucke Staatstheorie und Verbotsirrtum, Festschrift Roxin (2001) 503; Neumann Zurechnung und „Vorverschulden" (1985); ders. Der Verbotsirrtum, JuS 1993 793; ders. Normtheoretische Aspekte der Irrtumsproblematik im Bereich des „Internationalen Strafrechts", Festschrift Müller-Dietz (2001) 589; Otto Der Verbotsirrtum, Jura 1990 645; ders. Mittelbare Täterschaft und Verbotsirrtum, Festschrift Roxin (2001) 645; Peters Überzeugungstäter und Gewissenstäter, Festschrift H. Mayer (1966) 257; ders. Der Wandel des Gewissensbegriffs, Festschrift Stree/Wessels (1993) 3; Plaschke Ein Nagetier schreibt Rechtsgeschichte, Jura 2001 235; Puppe Bemerkungen zum Verbotsirrtum und seiner Vermeidbarkeit, Festschrift Rudolphi (2004) 231; Radbruch Der Überzeugungsverbrecher, ZStW 44 (1924) 34; Radtke Überlegungen zum Verhältnis von „zivilem Ungehorsam" zur „Gewissenstat", GA 2 0 0 0 19; Roos Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nach § 17 StGB im Spiegel der BGH-Rechtsprechung (2000); Roxin „Schuld" und „Verantwortlichkeit" als strafrechtliche Systemkategorien, Festschrift Henkel (1973) 171; ders. Zur jüngsten Diskussion über Schuld, Prävention und Verantwortlichkeit im Strafrecht, Festschrift Bockelmann (1979) 278; ders. Ungelöste Probleme beim Verbotsirrtum, in H.-J. Hirsch (Hrsg.) Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium (1987) 81; ders. Die Gewissenstat als Strafbefreiungsgrund, Festschrift Maihofer (1988) 389; Rudolphi Unrechtsbewußtsein, Verbotsirrtum und Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (1969) (zit.: Rudolphi Unrechtsbewußtsein); ders. Die Bedeutung des Gewissensentscheides für das Strafrecht, Festschrift Welzel (1974) 605; ders. Das virtuelle Unrechtsbewusstsein als Strafbarkeitsvoraussetzung im Widerstreit von Schuld und Prävention, H. 7 der Schriftenreihe d. Inst. f. Konfliktforschung (1982) 1 (zit.: Rudolphi Virtuelles Unrechtsbewußtsein,); Schick Vorwerfbarkeit des Verbotsirrtums bei Handeln auf falschen Rat, Ö J Z 1980 595; Schmidt-Klügmann Das Bewußtsein der Fremdexistenz als Voraussetzung für ein Unrechtsbewußtsein (1975); Schröder Verbotsirrtum, Zurechnungsfähigkeit, actio libera in causa, GA 1957 297; B. Schiinemann Einführung in das strafrechtliche Systemdenken, in ders. (Hrsg.) Grundfragen des modernen Strafrechtssystems (1984) 1; H.-W. Schünemann Verbotsirrtum und faktische Verbotskenntnis, NJW 1980 735; Schwegler Der Subsumtionsirrtum (1995); Seelig Zum Problem der Neufassung des § 51, Festschrift Mezger (1954) 213; Siekmann Das Unrechtsbewusstsein der DDRMauerschützen (2005); Spendel Das Unrechtsbewußtsein in der Verbrechenssystematik, Festschrift Tröndle (1989) 89; Sproß Die Unrechts- und Strafbegründung bei dem Überzeugungs- und Gewissenstäter (1992); Stratenwerth Literaturbericht, ZStW 85 (1973) 482; ders. Vermeidbarer Schuldausschluß, Gedächtnisschrift Armin Kaufmann (1989) 485; Strauss Die Richtlinien der Rechtsprechung für die Vermeidbarkeitsprüfung beim Verbotsirrtum (1968); ders. Verbotsirrtum und Erkundigungspflicht, NJW 1969 1418; Tiedemann Zur legislatorischen Behandlung des Verbotsirrtums im Ordnungswidrigkeiten- und Steuerstrafrecht, ZStW 81 (1969) 869; Timpe Normatives und Psychisches im Begriff der Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums, GA 1984 51; Valerius Das globale Unrechtsbewusstsein, NStZ 2 0 0 3 341; Velten Normkenntnis und Normverständnis (2002); Walter/Kubink § 3 J G G - § 17 StGB: gleiche Tatbestandsstruktur? GA 1995 51; Warda Zur gesetzlichen Regelung des vermeidbaren Verbotsirrtums, ZStW 71 (1959) 252; ders. Schuld und Strafe beim Handeln mit bedingtem Unrechtsbewußtsein, Festschrift Welzel (1974) 499; ders. Tatbestandsbezogenes Unrechtsbewußtsein, NJW 1953 1052; Welzel Vom irrenden Gewissen (1949); ders. Arten des Verbotsirrtums, J Z 1953 266; ders. Gesetz und Gewissen, Festschrift DJT I (1960) 383; Wolter Schuldhafte Verletzung einer Erkundigungspflicht, Typisierung beim Vermeidbarkeitsurteil und qualifizierte Fahrlässigkeit beim Verbotsirrtum - OLG Celle NJW 1977, 1644, JuS 1977 482; Würtenberger Vom rechtschaffenen Gewissen, Festschrift Wolf (1962) 237; Zimmermann Unteilbares oder tatbestandsbezogenes Unrechtsbewußtsein? NJW 1954 908. S. auch das Schrifttum zu den Vorbem. zu §§ 15 ff sowie zu §§ 15 und 16.
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2. Abschnitt. Die Tat
Übersicht Rdn. I. Grundfragen 1. Hintergrund 2. Verbotsirrtum, Schuld und Prävention a) Schuld b) Speziai- und Generalprävention c) Schuldprinziporientierte Auslegung 3. Geringe praktische Bedeutung . . . . II. Voraussetzungen des Verbotsirrtums . . 1. Verbotsirrtum als Tatfrage 2. „Fehlen" der Unrechtseinsicht . . . . 3. „Unrechts"einsicht a) Moralwidriges, sittenwidriges oder unethisches Handeln? b) Sozialschädliches Handeln? . . . c) Unrecht d) Strafbares oder sanktionierbares Unrecht? e) Rechtsprechung? 4. Tatbestandsbezogenheit („Teilbarkeit") der Unrechtseinsicht 5. Unrechts„einsicht" und ihr Zeitpunkt a) Aktuelle, nicht bloß potentielle Einsicht b) Möglichkeiten 6. Gründe und „Arten" des Verbotsirrtums ΙΠ. Rechtsfolgen des Verbotsirrtums . . . . 1. Gesetzliche Vorgaben 2. Maßstab der Vermeidbarkeit . . . . a) Maßstab der (Tat-)Fahrlässigkeit . b) Rechtsfahrlässigkeit c) „Zuständigkeitstheorie" d) Schuldprinziporientierte Auslegung 3. Individualisierung der Vermeidbarkeit 4. Zeitpunkt der Vermeidbarkeit 5. „Vermeidbarkeitszusammenhang" 6. Vertrauensgrundsatz 7. Kriterien der Vermeidbarkeit . . 8. Vermeidbarkeit und Rechtsvorschriften
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21 25 25 27 30 33 33 35 35 37 38 39 40 43 46 49 51
9. Vermeidbarkeit und Rechtsprechung a) Einschlägige Rechtsprechung . . . b) Einheitliche Rechtsprechung . . . aa) Einheitliche unrechtsbejahende Rechtsprechung bb) Einheitliche unrechtsverneinende Rechtsprechung . . . . c) Uneinheitliche Rechtsprechung . . 10. Vermeidbarkeit und Verhalten anderer staatlicher Stellen a) Staatsanwaltschaft b) Verwaltungsbehörde 11. Vermeidbarkeit und Fach- sowie sonstige Literatur und Medien . . . 12. Vermeidbarkeit und Rechtsauskunft a) Verlässliche unrechtsverneinende Rechtsauskünfte b) Auskunftspersonen c) Die Auskunft selbst d) „Tenor" der Auskunft e) Widerstreitende Auskünfte . . . . 13. Fakultative Strafmilderung beim vermeidbaren Verbotsirrtum IV. Sonderfragen und -Vorschriften 1. Verbotsirrtum und Überzeugungsoder Gewissenstat 2. Verbotsirrtum und Taten von Angehörigen fremder Kulturen 3. Verbotsirrtum und Taten in Unrechtssystemen 4. Verbotsirrtum und Unterlassungsdelikt 5. Verbotsirrtum und Fahrlässigkeitsdelikt 6. Sondervorschriften a) § 11 Abs. 2 OWiG b) SS 20, 21 StGB und S 3 JGG . . . c) §§ 5 WStG, 11 SoldatenG, 30 ZDG, 7 UZwG, 97 StVollzG . . . d) § 3 VStGB 7. Verbotsirrtum im Zivilrecht
Rdn. 58 59 61 62 63 66 70 70 71 74 76 76 79 85 89 90 91 95 95
100 102 106 108 111 111 112 114 118 120
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I. Grundfragen 1
1. Hintergrund. Der traditionelle Satz „error iuris nocet" und die Rechtsprechung des RG zur Unbeachtlichkeit des Strafrechtsirrtums (§ 16 Rdn. 6; s. auch Mezger/Nagler LK8 § 59 Anm. 15; Maurach/Zipf § 37 Rdn. 7; Tischler Verbotsirrtum S. 40 ff) waren seit dem Ersten Weltkrieg immer stärker in die Kritik geraten. Nach dem Zweiten Weltkrieg 1 schwenkte die Rechtsprechung mit den berühmten Entscheidungen OGHSt 2 117 und 1
S. zu der vorherigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nach dem Zweiten Weltkrieg Jescheck/Weigend § 29 V 2 in und bei
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Fn. 56; Arthur Kaufmann sein S. 23 ff.
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Unrechtsbewußt-
Verbotsirrtum
§17
BGHSt 2 194 unter dem Einfluss der sog. Schuldtheorie (s. § 15 Rdn. 38 f, § 16 Rdn. 111, 114 ff) um: Das Schuldprinzip („nulla poena sine culpa") gebiete zwingend die entschuldigende Wirkung des unvermeidbaren Verbotsirrtums; beim vermeidbaren Verbotsirrtum bleibe die Schuld zwar bestehen, aber die Strafe könne fakultativ wie beim Versuch (§ 4 4 Abs. 2, 3 StGB a.F., heute § 2 3 Abs. 2 StGB) gemildert werden (BGHSt 2 194, 2 1 0 f). 2 Dies hat § 17 StGB im Wesentlichen übernommen: Der unvermeidbare Verbotsirrtum lässt ebenso wie die Schuldunfähigkeit (§ 2 0 StGB) die Schuld entfallen (§ 17 Satz 1 StGB), beim vermeidbaren kann die Strafe ebenso wie bei der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) fakultativ nach § 4 9 StGB gemildert werden (§ 17 Satz 2 StGB). Zu den Berührungspunkten zwischen § 17 StGB und §§ 2 0 , 21 u. Rdn. 112 f. Die in § 17 Satz 1 StGB enthaltene Regelung des unvermeidbaren Verbotsirrtums ist wegen des verfassungsrechtlich garantierten Schuldprinzips (Vor § 15 Rdn. 4 5 ff) nach heute h.A. verfassungsrechtlich geboten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 17 Satz 2 enthaltene Regelung des vermeidbaren Verbotsirrtums lassen sich weder aus dem Gleichheitsgrundsatz noch aus dem Schuldprinzip herleiten (BVerfGE 41 2 4 6 ; Kuhlen S. 291 ff). Kritisiert worden ist allerdings der durch § 17 Satz 2 StGB dem Richter eingeräumte Ermessensspielraum; 3 es wäre aber eine Überspannung des Art. 103 Abs. 2 GG, hieraus die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift abzuleiten.
2
Aus § 17 StGB folgt, dass sich der Gesetzgeber - auch für das Nebenstrafrecht (Art. 1 EGStGB) - der sog. Schuldtheorie angeschlossen hat, wonach die Rechtswidrigkeit als solche nicht Gegenstand von Vorsatz und Fahrlässigkeit ist. S. hierzu Vor § 15 Rdn. 5 2 ; § 15 Rdn. 3 7 ff; § 16 Rdn. 13. Zu der teils schwierigen Abgrenzung zwischen Tatumstands- und Verbotsirrtum s. § 16 Rdn. 31 ff.
3
2. Verbotsirrtum, Schuld und Prävention a) Dass der unvermeidbare Verbotsirrtum die Schuld entfallen, der vermeidbare sie dagegen (bei Vorsatztat als Vorsatzschuld) bestehen lässt, hat BGHSt 2 194, 2 0 0 ff mit den berühmt gewordenen, bis heute das Fundament des § 17 StGB bildenden Sätzen begründet: „Strafe setzt Schuld voraus. Schuld ist Vorwerfbarkeit. Mit dem Unwerturteil der Schuld wird dem Täter vorgeworfen, dass er sich für das Unrecht entschieden hat, obwohl er sich rechtmäßig verhalten, sich für das Recht hätte entscheiden können. Der innere Grund des Schuldvorwurfes liegt darin, dass der Mensch auf freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt ist, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden, sein Verhalten nach den Normen des Sollens einzurichten und das rechtlich Verbotene zu vermeiden [...]. Voraussetzung dafür [...] ist die Kenntnis von Recht und Unrecht. [...] Das Bewusstsein, Unrecht zu tun, kann [...] auch beim zurechnungsfähigen Menschen fehlen, weil er die Verbotsnorm nicht kennt oder verkennt. Auch in diesem Fall des Verbotsirrtums ist der Täter nicht in der Lage, sich gegen das Unrecht zu entscheiden. Aber nicht jeder Verbotsirrtum schließt den Vorwurf der Schuld aus. [...] Der Mensch ist [...] jederzeit in die verantwortliche Entscheidung gerufen, [...] das Unrecht zu vermeiden. Dieser Pflicht genügt er nicht, wenn er nur das
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S. auch Welze! Das neue Bild des Strafrechtssystems ( 1 9 5 1 ) S. 4 8 und N J W 1 9 5 1 5 7 7 , der die Rechtsfolgen des vermeidbaren Verbots-
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Warda Z S t W 71 ( 1 9 5 9 ) 2 5 2 ff. Vgl. auch Arthur Kaufmann FS Lackner, S. 185, 1 8 6 ; Naucke N J W 1 9 6 8 7 5 8 , 759.
irrtums wie bei der verminderten Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 2 [R]StGB a.F.) bestimmen wollte.
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2. Abschnitt. Die Tat nicht tut, was ihm als Unrecht klar vor Augen steht. Vielmehr hat er bei allem, was er zu tun im Begriff steht, sich bewusst zu machen, ob es mit den Sätzen des rechtlichen Sollens im Einklang steht. Zweifel hat er durch Nachdenken oder Erkundigung zu vermeiden. Hierzu bedarf es der Anspannung des Gewissens, ihr Maß richtet sich nach den Umständen des Falles und nach dem Lebens- und Berufskreis des Einzelnen. [...] Wenn [...] bei gehöriger Anspannung des Gewissens der Täter das Unrechtmäßige seines Tuns hätte erkennen können, schließt der Verbotsirrtum die Schuld nicht aus. Je nach dem Maß, an dem es der Täter an der gehörigen Gewissensanspannung hat fehlen lassen, wird der Schuldvorwurf aber gemindert." 5
Die Kritik der Lehre hieran bezieht sich auf die betonte Ethisierung („freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung", „Gewissen" und „Gewissensanspannung"), vor allem aber auf die deutliche Normativierung der Schuld. Insbesondere wird kritisiert, dass nach der Rechtsprechung beim vermeidbaren Verbotsirrtum, also bei bloß „virtuellem Unrechtsbewusstsein" Schuld, wenn auch ggf. gemindert, und bei Vorsatztaten Vorsatzschuld gegeben sein soll; „volle" Schuld liege nur bei Unrechtseinsicht vor, und fehle sie, so sei die Schuld stets gemindert (Rudolphi SK Rdn. 1). Praktische Konsequenz dieser Auffassung ist, dass auch bei vermeidbarem Verbotsirrtum in der Regel von der Strafmilderungsmöglichkeit des § 17 Satz 2 StGB Gebrauch gemacht werden müsse (u. Rdn. 92). Ähnlich deutet Ziegert Vorsatz, Schuld, Vorverschulden (S. 168 f) § 17 Satz 2 StGB als Kombination von (Tat-)Vorsatzunrecht und (Rechts-)Fahrlässigkeitsschuld und gesetzliche Anordnung, dass hierfür der Vorsatzstrafrahmen gelte.
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b) Eine vordringende Lehre begründet oder begrenzt den Verbotsirrtum zudem oder stattdessen mit Gesichtspunkten der Speziai- und Generalprävention. Das liegt für Anhänger eines „funktionalen" Schuldbegriffs (z.B. Jakobs 17/18 ff) besonders nahe, ist aber auch für Anhänger eines „normativen" Schuldbegriffs nicht fern liegend, die präventiven Überlegungen einen Einfluss auf den strafrechtsdogmatischen Schuldbegriff zugestehen (vgl. Rudolphi SK Rdn. 2a). So wird generalpräventiv seit jeher argumentiert, eine unbegrenzte Anerkennung von Verbotsirrtümern stelle die Geltung des Strafrechts in die Disposition seiner Adressaten (Roxin AT I § 21 Rdn. 9; krit. zu dieser „sicherheitsstaatlichen" Argumentation Naucke FS Roxin, S. 503). Nach Jakobs (19/6 ff) 4 dient Strafe der positiven Generalprävention, und Verbotsirrtümer könnten nur dann anerkannt werden, wenn es gelinge, den Täter von seinem Normbruch zu „distanzieren"; das gelinge für Verbotsirrtümer im „Kernbereich zentraler Normen" („Grundlagenirrtum") nur, wenn der Täter z.B. kraft exotischer Sozialisation als unmaßgeblich dargestellt werden könne, während Verbotsirrtümer im außerhalb des „Kernbereichs" liegenden „verfügbaren Bereich" in weitergehendem Umfange anerkannt werden könnten, es sei denn, dies würde die Durchsetzung solchen Rechts übermäßig gefährden. Spezialpräventiv wird argumentiert, es sei zwecklos, im Verbotsirrtum handelnde Täter zu bestrafen, wenn der Irrtum bei „,normaler' Rechtstreue" entschuldbar erscheine (Roxin FS Henkel, S. 171, 187 f; ders. ZStW 76 [1964] 582, 593).
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c) Demgegenüber ist daran festzuhalten, dass die Anerkennung von Verbotsirrtümern im Schuldprinzip, verstanden als Prinzip gerechter Zurechnung, nicht aber in funktionalen Präventionserwägungen verankert werden muss (zutr. Neumann NK Rdn. 5 und eingehend FS Arthur Kaufmann, S. 591 ff). Dabei ist Schuld als Tat- und Rechtsschuld und in diesem Sinne normativ zu verstehen; einer täterstrafrechtlichen oder ethisierenden
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Ähnlich Lesch JA 1996 610 ff; Timpe GA 1984 51 ff.
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Verbotsirrtum
Interpretation des § 17 StGB ist zu widersprechen. § 17 Satz 2 StGB ist nicht an Präventionsbedürfnissen, sondern am Erfordernis rechtlicher Schuld auszurichten, die freilich auch bei Vorverschulden gegeben sein und als „Rechtsfahrlässigkeit" verstanden werden kann. Sie bei tatvorsätzlichem Handeln mit Vorsatzstrafe zu ahnden, liegt noch im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, mögen de lege ferenda auch andere Regelungen denkbar sein. 3. Geringe praktische Bedeutung. § 17 StGB hat geringe praktische Bedeutung. FreiSprüche wegen unvermeidbarer Verbotsirrtümer sind selten. 5 Überhaupt werden Verbotsirrtümer nur zugebilligt, wenn aus besonderem „Anlass" fehlende Unrechtseinsicht möglich erscheint (u. Rdn. 10). Abgesehen von den besonderen Fallgruppen Kulturfremder (u. Rdn. 100 f) und in Unrechtssystemen Handelnder (u. Rdn. 102 ff) spielen Verbotsirrtümer im Wesentlichen nur bei Rechtskundigen (z.B. Rechtsanwälten, so in BGHSt 2 194) oder rechtlich Beratenen (z.B. Managern, so in LG Düsseldorf NJW 2004 3275, 3285) eine nennenswerte Rolle. Freilich erscheint es nicht unproblematisch, gerade Rechtskundigen oder Personen, die sich teuren Rechtsrat leisten können, der nach der Lebenserfahrung selten gegen ihre Interessen erteilt zu werden pflegt, das Irrtumsprivileg des § 17 StGB zuzubilligen; hierin dürfte ein bislang wenig thematisierter Grund für die viel bemerkte „Hartherzigkeit" (Schroeder LK 11 § 17 Rdn. 3) der Rechtsprechung bei der Anerkennung unvermeidbarer Verbotsirrtümer liegen.
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II. Voraussetzungen des Verbotsirrtums 1. Verbotsirrtum als Tatfrage. Der Verbotsirrtum setzt voraus, dass dem Täter bei Be- 9 gehung der Tat die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Das Fehlen der Unrechtseinsicht ist im Ausgangspunkt eine - negative - innere Tatsache, die Gegenstand der Beweisaufnahme im Strengbeweisverfahren sein kann (§ 244 Abs. 2 StPO), aber nur ausnahmsweise der Begutachtung durch Sachverständige zugänglich bzw. bedürftig ist. 6 Die Tatfrage, ob Unrechtseinsicht vorlag oder fehlte, darf nur mit der Begründung offen gelassen werden, ein möglicher Verbotsirrtum sei vermeidbar gewesen und es sei weder eine fakultative Strafmilderung nach § 17 Satz 2 StGB noch auch nur eine Strafmilderung nach den allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 46 StGB veranlasst; dann allerdings kann tatsachenalternativ verurteilt und bestraft werden. Freilich geht die Praxis - ähnlich wie bei §§ 20, 21 StGB - davon aus, dass Handeln ohne Verbotsirrtum die Regel und ein Verbotsirrtum die Ausnahme sei, die nur dann Gegenstand der Beweisaufnahme sein und in den Urteilsgründen erörtert werden müsse, wenn Anlass bestehe, der Frage nachzugehen, sei es, dass der Angeklagte sich substanti-
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Erst in jüngster Zeit zeichnet sich vor allem für das Neben- und Wirtschaftsstrafrecht ab, dass die Praxis geneigt ist, der „weicheren Schuldtheorie" i.S.v. Roxin AT I § 21 Rdn. 38 ff zu folgen; s. z.B. LG Mannheim NJW 1990 2212; OLG Oldenburg NJW 1992 2438; KG N J W 1990 782; StA beim KG NJW 1987 1495; StA Mainz NJW 1987 2946; Rudolphi in: de Boor (Hrsg.) Unrechtsbewußtsein (1982) S. 26; s. weiterhin LG Düsseldorf NJW 2004 3275,
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3285 m. Anm. Tiedemann ZIP 2004 2056 (hiergegen freilich BGH NJW 2006 522, 529). S. aber Schumacher Psychologische Mechanismen bei der Manipulation des Rechtsbewußtseins in totalitären Systemen, in Lüderssen/ Sack (Hrsg.) Vom Nutzen und Nachteil der Sozialwissenschaften für das Strafrecht, Bd. I (1980) S. 169 ff; weiterhin Neumann NK Rdn. 7 f.
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2. Abschnitt. Die Tat
iert - nicht bloß „ins Blaue hinein" - einlässt, einem Verbotsirrtum unterlegen zu sein, sei es, dass die Umstände des Einzelfalles einen solchen Irrtum nahe legen.7 Das entspricht der Praxis zu allen Rechtfertigungs- und Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründen und lässt sich theoretisch durch Überlegungen zur dialogischen Struktur der Straftat und des Strafprozesses rechtfertigen.8 11
Bleiben nach der Beweisaufnahme nicht bloß theoretische Zweifel, ob ein Verbotsirrtum vorgelegen hat, so ist in dubio pro reo zu entscheiden. Allerdings hat BGH J Z 1978 762 = bei Holtz M D R 1978 108 f im Anschluss an Hanack J R 1974 383, 384 ausgesprochen, bei substantiierter Einlassung des Angeklagten, ohne Unrechtseinsicht gehandelt zu haben, sei nicht erforderlich, „daß sich ihr Gegenteil" - also Unrechtseinsicht - „positiv feststellen" lasse; vielmehr könne die Einlassung im Wege der freien Beweiswürdigung zurückgewiesen werden. Wenn das heißen sollte, dass Unrechtseinsicht auch dann festgestellt werden dürfte, wenn nach Beweiswürdigung nicht bloß theoretische Zweifel an ihrem Vorliegen verbleiben, wäre dem zu widersprechen (zutr. Neumann NK Rdn. 108).
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2. „Fehlen" der Unrechtseinsicht. Die Einsicht, Unrecht zu tun, kann nach h.A. nicht nur dann fehlen, wenn der Täter annimmt, rechtmäßig zu handeln, sondern auch, wenn er sich gar keine Vorstellung über die Rechtmäßigkeit seines Handelns macht. 9 Für den Verbots„irrtum" i.S.v. § 17 StGB genügt also ebenso wie für den Tatumstands„irrtum" schlichte Unkenntnis (ignorantia, in diesem Falle: ignorantia iuris). Das entspricht dem Willen des historischen Gesetzgebers (bewusste Abkehr von § 21 E 1962: „wer ... irrig annimmt, kein Unrecht zu tun"). 1 0 Ob es sachgerecht ist, „Rechtsblinden" einen Verbotsirrtum zuzubilligen, erscheint fragwürdig, vor allem, wenn jemand sich nur auf eine Verbotsausnahme beruft (Neumann NK Rdn. 10), z.B. wenn ein Soldat über die Verbindlichkeit eines Befehls überhaupt nicht nachdenkt. 3. „Unrechts"einsicht
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a) Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und der h.A. genügt die Einsicht, moraloder sittenwidrig oder unethisch zu handeln, als solche nicht für Unrechtseinsicht (grundlegend BGHSt 2 194, 202; 10 35, 41; BGH GA 1969 61). 1 1 In der Sache begründet sich das aus der Einsicht, dass strafrechtlich relevante Schuld nicht mit moralischer oder sittlicher oder ethischer Schuld gleichgesetzt werden und Recht und Moral, Sitte oder Ethik zu trennen sind; zudem daraus, dass es in einer pluralistischen Gesellschaft keine eindeutig anerkannte Moral, Sitte oder Ethik mehr gibt (Neumann NK Rdn. 13). Freilich gibt es zwischen Recht und Moral, Sitte oder Ethik Überschneidungsbereiche, besonders deutlich bei nicht rechtsnormativen Tatbestandsmerkmalen (Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 51) oder im Sexualstrafrecht (s. BGHSt 10 377 zum „Vorschubleisten fremder Unzucht" bei § 180 StGB a.F.; hierzu instruktiv Neumann aaO). Deshalb ist es zumin-
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Gollwitzer LR § 2 6 7 Rdn. 43; Jescheck/ Weigend § 41 I 4; Joecks MK Rdn. 89; MeyerGoßner49 § 2 6 7 Rdn. 7. S. Haft Der Schulddialog (1978); Neumann Zurechnung S. 276 ff. BayObLG MDR 1963 333, 3 3 4 ; Dreher GA 1957 97, 9 9 f; Armin Kaufmann FS Eb. Schmidt, S. 319, 325; Arthur Kaufmann ZStW 76 (1964) 543, 5 5 7 ; Roxin ZStW 76
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(1964) 582, 607; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 169 f; Welzel ZStW 76 (1964) 619,
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Prot. V/1637 S. 1783; BT-Drucks. V/4095 S. 9. AA noch Frank § 5 9 III 2. Weitere Nachw. bei Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 5 7 Fn. 3, 70 Fn. 49.
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Verbotsirrtum dest möglich, erkannte Moral-, Sitten- oder Ethikverstöße bei der Frage der Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums zu berücksichtigen ( R u d o l p h i SK Rdn. 31, s. noch u. Rdn. 53). b) Gleichfalls nicht ausreichend ist die Einsicht in die Sozialschädlichkeit des Handelns als solche (so aber Arthur Kaufmann Unrechtsbewußtsein S. 142 ff; s. auch Parallelwertung S. 2 2 f und FS Lackner, S. 185 ff; vgl. auch AG Düsseldorf N J W 1985 1971; eingehend zur Kritik Neumann N K Rdn. 15).
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c) Die h.A. nimmt den Gesetzestext - „Verbots"irrtum, „Unrecht" - beim Wort. Erforderlich, aber zugleich ausreichend für Unrechtseinsicht ist hiernach die Einsicht, dass das Handeln rechtlich verboten ist (grundlegend BGHSt 2 194, 196: „rechtlich nicht erlaubt, sondern verboten"; 4 2 3 6 , 2 4 3 : nicht im „Einklang mit den Sätzen des rechtlichen Sollens"). Dabei soll es nicht darauf ankommen, ob der Täter annimmt, sein Handeln sei gerade strafrechtlich verboten. Vielmehr begründe auch die Vorstellung, das Handeln sei zivil-, öffentlich-, bußgeld- oder disziplinarrechtlich verboten, Unrechtseinsicht, weil von jedermann erwartet werde, sich rechtsnormgemäß zu verhalten, gleich, in welchem Rechtsgebiet die Rechtsnorm angesiedelt sei. 12 Gleichfalls nicht erforderlich sei, dass der Täter die einschlägige Rechtsvorschrift oder -norm kenne, da ansonsten nur Rechtskundige Unrechtseinsicht haben könnten; hier finden sich Anklänge an die Lehre von der „Parallelbewertung in der Laiensphäre" (s. BGHSt 10 35, 41; krit. Neumann NK Rdn. 39). 1 3 Vielmehr sei ausreichend, dass der Täter wisse, dass er „gegen die verbindliche materiale Wertordnung des Rechts" (Lackner/Kühl Rdn. 2), „materielle Rechtswerte" (OLG Karlsruhe N S t Z - R R 2 0 0 0 60, 61) oder „die rechtliche Ordnung" bzw. „die durch verbindliches Recht erkennbare Wertordnung" (Tröndle/Fischer Rdn. 3) verstoße, dass er die „negative Bewertung durch die Gesamtrechtsordnung" (Maurach/Zipf § 38 Rdn. 10) oder die „materielle Rechtswidrigkeit" (Jescheck/Weigend § 41 I 3a) kenne. Hiernach hat auch, wer straflos zu handeln meint (z.B. von einem straflosen furtum usus ausgeht, wenn er in einer Buchhandlung ein neues Buch an sich nimmt, es in einer Weise liest und benutzt, dass es unverkäuflich wird, und es dann zurückstellt, O L G Celle J Z 1967 503, 5 0 4 ) , Unrechtseinsicht, wenn er nur weiß, dass er zivil- oder öffentlichrechtswidrig handelt (z.B. das Eigentumsrecht des Buchhändlers verletzt). Zur Kritik an alledem s. sogleich Rdn. 17.
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d) Demgegenüber verlangt eine auf Feuerbachs Vorsatzlehre 14 zurückgehende, in neuerer Zeit wieder vordringende Auffassung, dass der Täter einsieht, dass sein Verhalten strafbar oder mindestens rechtlich sanktionierbar ist. 15 Praktische Spitze ist, dass die Einsicht, gegen Zivil- oder öffentliches Recht oder Disziplinarrecht zu verstoßen, nach
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S. aus der Rechtsprechung BGHSt 2 194, 202; 10 35, 41; 15 377, 383; aus der Literatur Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 48; Roxin AT I § 21 Rdn. 13; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 63 und SK Rdn. 5; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 5. Ähnlich verlangt Rudolphi (Unrechtsbewußtsein S. 44 ff und SK Rdn. 3; zust. Lackner/ Kühl Rdn. 2) Kenntnis und „Verständnis" der verletzten Norm, was nicht nur für Geisteskranke (vgl. hierzu Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 53), für die ohnehin § 20 StGB gilt, von Bedeutung ist.
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Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 14. Aufl. (1847) §§ 54, 85, 90. - Die dahinter stehende „Theorie vom psychologischen Zwang" und die „Doluspräsumtion" werden freilich heute nicht mehr vertreten; zur Kritik s. nur Arthur Kaufmann Unrechtsbewußtsein S. 37 ff; Maurach FS Eb. Schmidt, S. 301 ff; Roxin AT I § 21 Rdn. 13; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 48 f. Laubenthal/Baier GA 2000 205, 207 f; Neumann NK Rdn. 20 ff; ders. JuS 1993 793, 795; Otto ZStW 87 (1975) 539, 595; Schroeder L K " Rdn. 7.
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§17
2. Abschnitt. Die Tat
Schroeder LK 11 § 17 Rdn. 8 sogar die Einsicht, ordnungswidrig zu handeln, 16 als solche nicht für Unrechtseinsicht genügen soll. Z.B. soll bei § 170 StGB das Wissen, den gesetzlich geschuldeten Unterhalt nicht zu leisten, oder bei § 266 StGB das Wissen, eine Vermögensbetreuungspflicht zu verletzen, für sich genommen noch keine Unrechtseinsicht i.S.v. § 17 StGB vermitteln (Neumann NK Rdn. 21). 17
Diese Auffassung wird negativ mit Kritik an der h.A. begründet: Unrechtseinsicht müsse sich auf Rechtsnormen (Rechtsregeln), nicht auf „materielle Werte" oder „negative Bewertungen", also Rechtsprinzipien, beziehen (Neumann NK Rdn. 18 f). Die h.A. verlasse ihren eigenen Ausgangspunkt, wenn sie die Unrechtseinsicht als tatbestandsbezogen und „teilbar" ansehe (u. Rdn. 21 ff). Auch innerhalb der h.A. fänden sich nicht selten Anklänge ans Bewusstsein der Strafbarkeit oder Sanktionierbarkeit, z.B. bei Rudolphi S. 63, 69 (Kenntnis des kriminellen Unrechtsgehalts der Tat, Bewusstsein des besonders gravierenden Unrechts, das Strafe nach sich zieht), Stratenwerth/Kuhlen § 10 Rdn. 62 (Kenntnis der Möglichkeit staatlichen Zwangs, z.B. gerichtliches Entscheiden, polizeiliches Einschreiten oder behördliche Maßnahmen) oder Welzel § 22 III 2 (Kenntnis des Widerspruchs des Verhaltens zur Gemeinschaftsordnung, auf dem das strafrechtliche Verbot beruht und das dieses zum Ausdruck bringt).
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Positiv wird darauf hingewiesen, dass es ein „krasser Unterschied" sei, ob die Rechtsordnung Strafe oder lediglich Zivilrechtsfolgen vorsehe; jene sei mit sozialethischer Missbilligung verbunden, über die irre, wer die Strafbarkeit nicht kenne. Gegenüber Tätern, die nicht wüssten, dass sie sich strafbar machten, sei Strafe nach relativen Straftheorien sinnlos, was eine strafzweckorientierte Schuldlehre nicht unberücksichtigt lassen dürfe. 17 § 17 StGB lasse sich einschränkend auslegen, zumal die Unrechtseinsicht „bei Begehung der Tat", gem. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB einer strafbaren Tat vorliegen müsse (so OLG Stuttgart NStZ 1993 344, 345; krit. Neumann NK Rdn. 22; Roxin AT I § 21 Rdn. 13) und § 11 Abs. 2 OWiG nur von der Einsicht, „etwas Unerlaubtes" zu tun, spreche, was den Schluss erlaube, das in § 17 StGB erwähnte „Unrecht" sei mehr als unerlaubtes Tun (Neumann aaO Rdn. 24). Bei Subsumtions-, Gültigkeits- und Erlaubnisirrtümern gehe es ohnehin nur um Strafbarkeitsirrtümer. Mit Blick auf § 17 Satz 2 StGB drohten schließlich auch keine ins Gewicht fallenden Strafbarkeitslücken.
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In der Sache sind die Unterschiede zur h.A. gering. Abgesehen davon, dass nicht Rechtskundige selten in der Annahme handeln werden, zwar rechtswidrig, nicht aber strafbar zu handeln, wird der bloße „Strafbarkeitsirrtum" bei erkannter außerstrafrechtlicher Verbotswidrigkeit häufig vermeidbar sein und selten zu einer Strafmilderung nach §§ 17 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB Anlass geben (Roxin AT I § 21 Rdn. 13). In der Theorie ist der Lehre vom „Strafbarkeitsirrtum" jedenfalls für Vorsatztaten zu widersprechen. Wenn der Täter die Umstände kennt, die sein Handeln tatbestandsmäßig machen (z.B. bei § 170 StGB nicht nur, dass er seine Unterhaltspflicht verletzt, sondern auch, dass hierdurch der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist), und weiß, dass sein Handeln rechtlich verboten ist (z.B. weil er weiß, dass er Unterhalt schuldet), dann
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Ebenso Horn S. 2 5 ff; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 88 f; Weitermann DAR 1984 310, 312; s. auch AG Göttingen N J W 1983 1209; KG N J W 1990 782, 7 8 3 ; 1210. AA BGHSt 11 263, 2 6 6 ; BGH wistra 1986 218; OLG Celle N J W 1987 78, 79; BayObLG N J W 1990 2 8 3 3 ; OLG Stuttgart NStZ 1993 3 4 4 , 3 4 5 ; Baumann J Z 1961 564; Lang-
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Hinrichsen GA 1957 225, 2 3 0 , 2 3 3 ; Neumann NK Rdn. 28 (da sich Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nur quantitativ unterschieden). Offen Arthur Kaufmann FS Eb. Schmidt, S. 318, 324. Vgl. auch Roxin Kriminalpolitik und Strafrechtssystem 2 (1973) S. 33.
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Verbotsirrtum
erlaubt ihm dieses Wissen den Schluss darauf, dass sein Handeln strafwürdiges Unrecht ist. Geht er irrig davon aus, das Handeln sei nicht strafbar, und hätte er es unterlassen, wenn er zur Strafbarkeitseinsicht gekommen wäre (z.B. den Unterhalt bezahlt, hätte er mit einer Strafbarkeit gerechnet), dann würde das nur dann eine Schulddifferenz markieren, wenn Schuld als Versagen negativer (nicht aber positiver, s. hierzu Neumann NK Rdn. 5) General- und Spezialprävention bestimmt werden könnte. Auch abgesehen von den grundsätzlichen Einwänden gegen eine präventionsorientierte Interpretation des § 17 StGB (o. Rdn. 7) und den empirischen Einwänden gegen die negative General- und Spezialprävention vertritt das aber heute - soweit ersichtlich - niemand mehr. Freilich ist es diskutabel, einen unverschuldeten „Strafbarkeitsirrtum" bei der Strafzumessung zugunsten des Täters zu berücksichtigen, sofern er die Tat nicht begangen hätte, wäre er dem Irrtum nicht unterlegen; dann genügt es, ihm durch Schuldspruch und geringe Strafe das „ O b " der Strafbarkeit zu verdeutlichen. e) Nach einhelliger Auffassung bezieht sich die Unrechtseinsicht nicht auf die Rechtsprechung als solche, es sei denn, sie habe sich zu Gewohnheitsrecht verdichtet. Hieraus folgt, dass die Kenntnis Unrechts- oder strafbarkeitsbejahender Entscheidungen nicht zwingend zu Unrechtseinsicht führt (z.B. wenn der Täter sie für rechtsirrig hält) und umgekehrt die Kenntnis Unrechts- oder strafbarkeitsverneinender Entscheidungen nicht zwingend Unrechtseinsicht ausschließt (z.B. wenn sie rechtsirrig sind und der Täter das erkennt). 18 Zur Bedeutung der Rechtsprechung für die Frage der Vermeidbarkeit u. Rdn. 58 ff.
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4. Tatbestandsbezogenheit („Teilbarkeit") der Unrechtseinsicht. Aus dem Tat- in Verbindung mit dem Schuldprinzip und dem Grundsatz, dass ein „versari in re illicita" für sich genommen keine Tatschuld begründet, folgt, dass Unrechtseinsicht nur vorliegt, wenn der Täter „die von dem in Betracht kommenden Tatbestand umfasste spezifische Rechtsgutsverletzung als Unrecht kennt" (BGHSt 15 377, 383); treffend spricht OLG Stuttgart NStZ 1993 344, 345 von der Einsicht in das „straftatbestandsspezifische Unrecht". Die allgemeine Einsicht, rechtswidrig zu handeln, genügt also nicht. Verwirklicht der Täter tateinheitlich mehrere Tatbestände, so ließ die ältere Rechtsprechung Unrechtseinsicht in Bezug auf einen von ihnen genügen, weil ihn bereits dieses Wissen von der Tatbegehung hätte abhalten müssen (BGHSt 3 342; vgl. auch BGHSt 10 35, 36 f). 19 Aber das führt zu einem „versari in re illicita", und nach der zutreffenden neueren Rechtsprechung und h.L. ist auch bei Tateinheit das Unrecht in dem Sinne „teilbar", dass es für jeden der tateinheitlich verwirklichten Tatbestände gesondert festgestellt werden muss und auch nur in Bezug auf einen von ihnen fehlen kann. 20 So kann, wer mit seiner
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Vgl. Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 93 ff, 100, 106, 2 8 7 ; Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz (1960) S. 82. Abw. Gross Über das Rückwirkungsverbot in der strafrechtlichen Rechtsprechung, GA 1971 13, 21; Naucke SchlHA 1966 232, 234; NJW 1968 758, 759; vgl. auch Mattil ZStW 74 (1962) 201, 238. S. weiterhin OLG Karlsruhe NJW 1953 1642, 1643; Horn S. 105, 122, 151 ff, der allerdings das Strafmaß auf den vorgestellten Tatbestand beschränken will. S. aus der Rechtsprechung BGHSt 10 35,
36 f; 15 377, 383; 2 2 314, 318; BGH NJW 1963 1931; BGH 2 StR 191/58 bei Dallinger MDR 1958 7 3 9 und 1 StR 5 1 2 / 6 6 bei Dallinger MDR 1967 14; BGH StV 1982 218; BGH wistra 1995 306; BGH NStZ 1 9 9 6 2 3 7 ; OLG Stuttgart NJW 1964 411, 412; BFH NJW 1987 519, 520. S. aus der Lehre Jescbeck/Weigend § 41 I 3d; Joecks MK Rdn. 16; Maurach/Zipf § 38 Rdn. 4 0 ; Neumann NK Rdn. 26; Roxin AT I § 21 Rdn. 16; Scb/Schröder/Cramer/SternbergLieben Rdn. 26; Schroeder LK 11 Rdn. 14 f; Tröndle/Fischer Rdn. 4.
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2. Abschnitt. Die Tat
ihm Schutzbefohlenen Stieftochter geschlechtlich verkehrt und dabei Unrechtseinsicht in Bezug auf § 174 StGB hat, in Bezug auf die tateinheitlich verwirklichte Blutschande nach § 173 Abs. 2 StGB a.F. einem Verbotsirrtum unterliegen, wenn er davon ausging, als Blutschande verboten sei nur der Verkehr mit leiblichen Kindern (BGHSt 10 35 gegen 3 342). Wer Museumsstücke stiehlt und ins Ausland verkauft, kann einem Verbotsirrtum hinsichtlich eines strafbaren Ausfuhrverbots nach einem Militärregierungsgesetz unterliegen (aA BGH Urt. v. 23.10.1951 - 1 StR 291/51; hiergegen BGHSt 10 35, 36 f); wer weiß, dass „Kraftfahrzeugverschiebungen" verboten sind, kann einem Verbotsirrtum hinsichtlich eines nach dem AWG strafbaren Embargoverstoßes unterliegen (BGH wistra 1996 306). 22
Allerdings besteht ein im Rahmen der Beweiswürdigung verwertbarer Erfahrungssatz, dass die Unrechtseinsicht nahe verwandte Tatbestände insgesamt umfasst (BGHSt 10 35, 40 f). Das darf aber nicht dazu führen, dass die Unrechtseinsicht ohne weiteres auf Qualifikationen oder delieta sui generis erstreckt wird (aA für - teils zu Unrecht angenommene 2 1 - Qualifikationen BGHSt 8 321, 324; 10 35, 42; 15 377, 383). Das ist vielmehr nur zulässig, wenn die Qualifikation lediglich eine quantitative Unrechtssteigerung beinhaltet (z.B. § 223 - § 224 StGB), nicht aber, wenn eine qualitative Unrechtsdifferenz besteht und insbesondere ein weiteres, anderes Rechtsgut verletzt wird (zutr. Neumann NK Rdn. 36 f). 2 2 BGHSt 42 123, 130 lässt in derartigen Fällen allerdings genügen, dass der qualifizierende Umstand - in casu: unerlaubtes Führen einer Schusswaffe bei der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln, § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG - schon für sich strafrechtliches Unrecht bedeutet und der Täter dies weiß, mag ihm auch die qualifizierende Wirkung unbekannt sein. Wer einem Geldschuldner mit Gewalt Wertgegenstände wegnimmt, kann Unrechtseinsicht hinsichtlich §§ 223 ff, 240 StGB haben, aber hinsichtlich § 249 StGB einem Verbotsirrtum unterliegen, wenn er rechtsirrig annimmt, bei Geldschulden nicht geschuldete Wertgegenstände (wenn auch nicht mit Gewalt) wegnehmen zu dürfen (Roxin AT I § 21 Rdn. 17).
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Fehlt dem Täter die Unrechtseinsicht in Bezug auf den verwirklichten Tatbestand, so darf sie nicht durch die vorhandene, ggf. irrige (Wahndelikt) Unrechtsvorstellung in Bezug auf einen nicht verwirklichten Tatbestand ersetzt werden (sog. „doppelter Verbotsirrtum"), z.B. wenn der Onkel, der seine 15jährige Nichte unter Ausnutzung deren fehlender Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung verführt (§ 182 Abs. 2 StGB), nicht weiß, dass das verboten ist, aber irrig davon ausgeht, verbotenen Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB) zu begehen. 23
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Nach Schroeder LK 11 § 17 Rdn. 16 müssen diese Grundsätze auch für den Erlaubnisirrtum (indirekter Verbotsirrtum, u. Rdn. 32) in der Weise angewendet werden, dass der Täter den „spezifischen Sinn der Erlaubnis" kennen müsse, um sich auf das Fehlen der Unrechtseinsicht berufen zu dürfen. 2 4 21
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Teilweise nimmt die Rechtsprechung zu Unrecht ein Qualifikationsverhältnis an, so z.B. BGH N J W 1952 651 für Ehebruch und Blutschande zwischen Verschwägerten. Dagegen Warda NJW 1953 1052, 1054; Zimmermann N J W 1954 908. Baumann J Z 1961 564; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 8; Warda NJW 1953 1052, 1053; im Ergebnis auch Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 80 ff, 85; vgl. auch Armin Kaufmann Lebendiges und
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Totes in Bindings Normentheorie (1954) S. 197. Abw. Hirsch S. 232. Eingehend zu diesen Fällen Haft JuS 1980 430, 659, 662 und Kuhlen S. 494 ff; des Weiteren Neumann NK Rdn. 38; Roxin AT I § 21 Rdn. 18; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 89 ff; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 11. S. hierzu auch Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 89 ff; Welzel Niederschriften 2, S. 34.
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Verbotsirrtum 5. Unrechts „einsieht" und ihr Zeitpunkt a) Im Unterschied zur Lehre, die bis heute überwiegend und unreflektiert von Unrechts,, bewusstsein" spricht, verwendet das Gesetz bewusst den Begriff Unrechts „einsieht", was einerseits „allzu psychologische, allzu intellektuelle" Anklänge vermeiden, andererseits nicht im Sinne eines Erfordernisses gefühlsmäßiger Zustimmung zum Unrecht zu verstehen sein soll (s. Prot. S. 1784; BTDrucks. V / 4 0 9 5 S. 10). Unrechtseinsicht setzt aktuelle, nicht bloß potentielle Einsicht voraus, Unrecht zu tun (zutr. Neumann N K Rdn. 32; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 3 0 6 ; zu weitgehend Welzel § 2 2 III, wonach auch nicht aktuelles Bewusstsein der Rechtswidrigkeit genüge, wenn es der Täter jederzeit aktualisieren könnte; mit Recht krit. Rudolpbi Unrechtsbewußtsein S. 159, s. aber auch 162 ff, 2 0 2 ) . Die Unrechtseinsicht muss „bei Begehung der T a t " vorliegen, was wie beim Vorsatz zu bestimmen ist (näher § 15 Rdn. 5 2 ff).
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Allerdings lässt die h.A. ebenso wie beim Vorsatz (§ 15 Rdn. 137 ff) das Mitbewusstsein genügen, Unrecht zu tun. In der Sache war das bereits vor Etasblierung der Lehre vom Mitbewusstsein vertreten worden, 2 5 die das Mitbewusstsein des Unrechts teils ausdrücklich mit einbezog 2 6 , teils in nahe liegender Weise auf die Unrechtseinsicht übertragen worden ist. 2 7 Hiernach ist es nicht erforderlich, dass der Täter sprachgedanklich „daran denkt", Unrecht zu tun (vgl. BayObLG M D R 1963 3 3 3 , 3 3 4 ) . Vielmehr genügt ein Mitbewusstsein in sachgedanklicher Form (Rudolpbi Unrechtsbewußtsein S. 159), das „in die aktuellen Handlungsbezüge hineinwirkt" ( R o x i n AT I § 21 Rdn. 2 8 ) . Derartiges Mitbewusstsein werden i.d.R. auch Gewohnheits- oder Affekttäter haben (Schmidbäuser FS H. Mayer, S. 3 3 3 f; Schewe S. 147 ff; wohl aA BGHSt 2 194, 2 0 6 ; 16 155, 159 f). Freilich darf das Unrechtsmitbewusstsein nicht so verdünnt werden, dass praktisch nie Verbotsirrtümer vorliegen (zutr. Horn S. 43). Deshalb ist die Lehre vom Schewe (S. 193 f) zu weitgehend, es genüge, dass der Täter über die Position der Handlung im Bezugssystem der Rechtsordnung orientiert sei, so dass im Kernbereich sittlicher Wertung Verbotsirrtümer schlechthin ausgeschlossen seien (i.E. durchaus ähnlich Jakobs 19/6 ff). Vielmehr ist mit Roxin (ZStW 78 [1966] 214, 2 5 8 ) stets eine „Grenzzone der Legalität" anzuerkennen, „bei deren Überschreitung der Täter wohl ein ungutes Gefühl verspürt, aber nicht geradezu das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit haben muss".
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b) Nicht nur das sichere Wissen, Unrecht zu tun, begründet Unrechtseinsicht. Vielmehr genügt nach im Ausgangspunkt allgemeiner Auffassung, dass der Täter nur für möglich hält, Unrecht zu tun, was in Anlehnung an den bedingten Vorsatz als „bedingte Unrechtseinsicht bezeichnet wird". Umstritten ist allerdings, ob an die „bedingte Unrechtseinsicht" dieselben Anforderungen wie an den bedingten Vorsatz zu stellen sind. Die h.A. (die für Anhänger der sog. Vorsatztheorie besonders nahe liegt) bejaht das und verlangt für Unrechtseinsicht nicht nur, dass der Täter die nicht ganz entfernte Möglichkeit, Unrecht zu tun, erkennt, sondern auch, dass er das Unrecht „billigend in Kauf nimmt" oder „ernst nimmt" oder sich für das Unrecht „entscheidet" und nicht ernsthaft darauf „vertraut", dass er rechtmäßig handeln werde. 2 8 Demgegenüber steht eine vor-
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Hardwig GA 1956 369, 372; Seelig FS Mezger, S. 213, 222. Mezger LK 8 § 59 Anm. 9, 17 IIIc; Schewe Bewußtsein und Vorsatz (1967) S. 124 f, 147 ff; Schmidbäuser FS H. Mayer, S. 317 ff. Roxin ZStW 78 (1966) 214, 257 und AT I
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§ 21 Rdn. 27 f; Rudolpbi Unrechtsbewußtsein S. 149 ff. Aus der Rechtsprechung s. BGHSt 4 1, 4; NStZ 1996 236, 237; OLG Braunschweig NStZ-RR 1998 251, 252; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2000 60, 61. Aus der Lehre Bau-
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2 . Abschnitt. Die Tat
dringende Lehre auf dem Standpunkt, Unrechtseinsicht sei etwas rein Kognitives, so dass Handeln bei erkannter Möglichkeit, Unrecht zu tun, genüge (Joecks M K Rdn. 23; Neumann NK Rdn. 33; insoweit auch Puppe FS Rudolphi, S. 231, 235). Ähnlich neigt die Rechtsprechung dazu, den „Unrechtszweifel" der Unrechtseinsicht gleichzustellen (aA Puppe aaO S. 236: i.d.R. Verbotsirrtum): Wenn „der Täter Zweifel über die Erlaubtheit seines Tuns gehabt hat, können die Grundsätze des Verbotsirrtums keine Anwendung finden" (BGH bei Herían M D R 1955 5 28). 2 9 Dadurch soll verhindert werden, dass sich der Täter einfach die ihm günstigere Rechtsauffassung zu eigen macht; 30 vielmehr soll er im Zweifel das rechtlich zweifelhafte Tun unterlassen, zumal der Grundsatz „in dubio pro reo" für Rechtsfragen nicht gilt (vgl. BGHSt 14 64, 73; OLG Braunschweig NJW 1976 60, 62). 28
Das Problem des „Unrechtszweifels" (monographisch hierzu Dimakis) ist komplex, und die die Schuld betreffende Abgrenzung zwischen Unrechtseinsicht und Verbotsirrtum lässt sich nicht in gleicher Weise wie die das personale Unrecht betreffende Abgrenzung zwischen (bedingtem) Vorsatz und (bewusster) Fahrlässigkeit vornehmen. Bei objektiv eindeutiger Rechtslage und somit „behebbarem" Unrechtszweifel erscheint es nicht veranlasst, dem Täter auch nur eine Strafmilderungsmöglichkeit zuzubilligen, wenn ein Zuwarten des Täters bis zur Klärung der Rechtslage zumutbar ist (zutr. Roxin AT I § 21 Rdn. 30). Demgegenüber erscheint es veranlasst, dem Täter einen - sogar i.d.R. unvermeidbaren - Verbotsirrtum zuzubilligen, wenn er vor der Alternative steht, etwas zu tun oder zu unterlassen, und beides für möglicherweise rechtswidrig hält. 31 Ist die Rechtslage objektiv zweifelhaft und der Unrechtszweifel in diesem Sinne „unbehebbar", 32 so wäre es jedenfalls dann eine zu weitgehenden Freiheitseinschränkung, dem Zweifelnden zuzumuten, bis zur Klärung der Rechtsfrage zuzuwarten, wenn das für ihn mit erheblichen Nachteilen verbunden wäre (zutr. Roxin aaO Rdn. 33 f).
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Vom „Unrechtszweifel" zu unterscheiden ist der „bedingte Verbotsirrtum", wenn der Täter für den nur als möglich erkannten Fall, dass er einen Tatbestand verwirklicht, sein Handeln für erlaubt hält, z.B. wenn er sich nicht sicher ist, ob ihm eine behördliche Genehmigung erteilt ist, er aber für den Fall, dass sie nicht erteilt sei, rechtsirrig annimmt, sein Handeln sei nicht genehmigungsbedürftig (KG NJW 1958 921, 923 m. Anm. Schröder), oder wenn jemand für möglich hält, auf ein fremdem Jagdrecht unterliegendes Tier zu schießen, dieses Verhalten aber für erlaubt hält. Derartige Fälle sind nach § 17 StGB zu behandeln.
mann/'Weber/Mitscb 2 1 / 4 6 ; diff. Jakobs 1 9 / 2 9 f; Jescheck/Weigend $ 41 I 3b; Kühl A T 5 § 11 Rdn. 3 0 ; Maurach/Zipf § 3 8 Rdn. 34; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 5; Tröndle/Fischer Rdn. 5. Vgl. insbesondere Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 130 ff und SK Rdn. 12. AA B G H J Z 1 9 5 2 4 3 4 ; Horn S. 3 5 ff; Armin Kaufmann Z S t W 7 0 ( 1 9 5 8 ) 6 4 , 8 4 ff; Kunz GA 1 9 8 4 4 5 7 , 4 6 4 f; Warda FS Welzel, S. 5 0 1 f, 5 1 7 ff; S. auch Engisch S. 2 3 8 ; Armin ZStW 70 (1958) 64, 84. 29
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O L G Köln M D R 1 9 5 4 3 7 4 ; GA 1 9 6 0 318, 319 = N J W 1 9 6 0 2 1 6 0 (Leitsatz); O L G Celle N J W 1 9 6 0 163.
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Z.B. wenn ein Untersuchungsgefangener flieht und ein Polizeibeamter nicht weiß, ob er die Flucht durch Waffengewalt verhindern muss oder Waffengewalt nicht einsetzen darf, Roxin AT I § 21 Rdn. 31.
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S. hierzu Kunz GA 1 9 8 3 4 5 7 , 4 6 8 ; Paeffgen J Z 1 9 7 8 7 3 8 , 7 4 5 ; Warda FS Welzel, S. 5 0 3 ff.
Kaufmann
S. weiterhin B G H L M Nr. 6 zu S 5 9 ; B G H J R 1 9 5 2 2 8 5 ; BGHSt 4 1, 4; B G H HuSt. 1 74, 1 0 4 f; B G H 1 StR 1 5 9 / 7 7 bei Holtz
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M D R 1 9 7 8 108, 1 0 9 ; BayObLG GA 1 9 5 6 1 2 7 ; O L G Hamburg GA 1 9 6 7 2 8 5 und J Z 1 9 8 2 810, 811; O L G Stuttgart N J W 1 9 7 3 1893.
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Verbotsirrtum
§17
6. Gründe und „Arten" des Verbotsirrtums Die Gründe, warum der Täter einem Verbotsirrtum unterliegt, sind für dessen Vorliegen 3 0 unerheblich. Nach der Rechtsprechung können selbst abergläubische Vorstellungen einen Verbotsirrtum auslösen (BGHSt 35 3 47, 350). 3 3 Gleichwohl werden bis heute auf unterschiedlichen Gründen beruhende „Arten" des Verbotsirrtums unterschieden, was freilich nur von terminologischem bzw. klassifikatorischem Interesse ist, das noch weiter dadurch geschmälert wird, dass die Terminologie bzw. Klassifikation nicht unbestritten ist. 34 Als „abstrakter" oder „direkter" Verbotsirrtum wird überwiegend die Konstellation 31 bezeichnet, dass der Täter über die Existenz, Gültigkeit oder Reichweite einer rechtlichen Verbots- oder Gebotsnorm („Gebotsirrtum") irrt. Der Existenzirrtum besteht in der Unkenntnis der Norm. Der Gültigkeitsirrtum35 kann insbesondere darauf beruhen, dass der Täter rechtsirrig glaubt, die N o r m stehe in Widerspruch zu höherrangigem Recht (BGHSt 4 1, 3 f) oder verstoße gegen überpositives Recht (Welzel J Z 1953 266 - was nur in Unrechtssystemen praktische Bedeutung hat, s. noch u. Rdn. 102 ff) oder sei noch nicht in Kraft getreten oder bereits außer Kraft getreten oder derogiert (s. OLG Frankfurt NJW 1964 508; Maurach/Zipf § 38 Rdn. 15). Der Irrtum über die Reichweite der Norm, insbesondere die rechtsirrige Annahme, ein Verhalten unterfalle nicht einem dem Täter an sich bekannten Strafgesetz, kann als Subsumtionsirrtum (s. bereits § 16 Rdn. 108 f; weiterhin BGHSt 7 17, 23; 9 341, 347) zu einem Verbotsirrtum führen (z.B. in OLG Schleswig NStZ 1997 546 mit Anm. Iburg: Abstellen von Autowracks auf eigenem Grundstück in der Annahme, dazu berechtigt zu sein, weil es sich nicht um „Abfall" i. S. v. § 326 StGB handele), muss es aber nicht, wenn der Täter weiß, dass er einer dasselbe Rechtsgut schützenden Rechtsnorm zuwiderhandelt (z.B. weiß, dass er ein in fremdem Eigentum stehendes Tier tötet, auch wenn er es nicht für eine „Sache" i.S.v. § 303 StGB hält). 36 Als „konkreter" oder „indirekter" Verbotsirrtum, „Erlaubnis-" oder „Erlaubnisgrenzirrtum" bezeichnet wird die Konstellation, dass der Täter über die Existenz, Gültigkeit oder Reichweite einer rechtlichen Erlaubnisnorm, insbesondere eines Rechtfertigungsgrundes irrt, sei es, dass er rechtsirrig annimmt, es gebe einen in Wahrheit nicht existierenden Rechtfertigungsgrund, sei es, dass er einen an sich existierenden, aber ungültigen Rechtfertigungsgrund für gültig hält, 3 7 oder sei es, dass er über die Grenzen eines rechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrundes irrt. 38 Klassische Beispiele: BGHSt 3 105 (Über-
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Krit. aber Küper J Z 1989 617, 622; Schumann NStZ 1990 32, 35. Die in Rdn. 31 f verwendete Terminologie bzw. Klassifikation entspricht im Wesentlichen der h.L., s. Jescheck/Weigend § 41 II, III; Joecks MK Rdn. 27 ff; Maurach/Zipf s 38 Rdn. 14 ff; Schmidhäuser AT 10/69; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 17 Rdn. 10; Welzel J Z 1953 266; s. auch BGHSt 2 194, 197. Demgegenüber bezeichnen Lackner/Kühl Rdn. 6 und Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 283 ff nur den Existenzirrtum als „abstrakten" Verbotsirrtum und den Giiltigkeits-, Subsumtionsund Erlaubnisirrtum als „konkreten" Verbotsirrtum.
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Jescheck/Weigend § 41 II l a ; Maurach/Zipf % 38 Rdn. 15; Roxin AT I § 21 Rdn. 25 f; Welzel J Z 1953 266. Roxin AT I § 21 Rdn. 23. Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 190 f; nach Schroeder LK 11 Rdn. 11 soll der rechtsirrige Glaube an die Gültigkeit eines Rechtfertigungsgrundes Annahme eines nichtexistenten Rechtfertigungsgrundes sein. S. RGSt 73 255, 259; BGH NJW 1994 871, 873; 2000 887, 885; BayObLG N J W 1992 2306, 2307; Jescheck/Weigend § 41 III 1; Joecks MK Rdn. 29; Roxin AT I § 21 Rdn. 22; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben Rdn. 10. - Teils wird die Brauchbarkeit der Figur „Erlaubnisgrenzirrtum" in
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2. Abschnitt. Die Tat dehnung des damals noch anerkannten Züchtigungsrechts); 3 357, 363 (Annahme der Gültigkeit von ungültigen Erlassen von Behörden eines Unrechtsregimes); 2 0 342, 371 f (Annahme eines nicht existierenden Rechtfertigungsgrunds der Aufdeckung von Verfassungsverstößen); BGH bei Dallinger M D R 1975 723 (Annahme eines nicht existierenden Rechtfertigungsgrundes des Erhalts von Arbeitsplätzen bei Weiterführung eines gesundheitsschädlichen Betriebes).
III. Rechtsfolgen des Verbotsirrtums 33
1. Gesetzliche Vorgaben. Der unvermeidbare Verbotsirrtum entschuldigt, der vermeidbare lässt die Schuld - bei der Vorsatztat die Vorsatzschuld - bestehen und führt nur dazu, dass die Strafe fakultativ nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden kann, § 17 Satz 2 StGB. S. noch u. Rdn. 91 ff und zur verfassungsrechtlichen und kriminalpolitischen Problematik des § 17 Satz 2 StGB o. Rdn. 2.
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Nach dem Gesetz ist ein Verbotsirrtum vermeidbar, wenn der Täter bei Begehung der Tat einsehen konnte, Unrecht zu tun. Hieraus folgt: Der Täter muss nicht mehr, aber auch nicht weniger als die „Einsicht, Unrecht zu tun", i.S.d. o. Rdn. 13 ff Dargelegten erreichen können, und zwar für den Zeitpunkt der „Begehung der Tat" (näher u. Rdn. 43). Entscheidend ist, ob gerade der konkrete, individuelle „Täter" Unrechtseinsicht hätte erreichen können; auf „Maßfiguren" kommt es nicht an (näher u. Rdn. 4 0 ff). Was ein Täter „konnte", kann nicht unabhängig von seinem faktischen (empirischen, psychologischen) Können bestimmt werden; stets ist ein faktisches (empirisches, psychologisches) Erkennen können erforderlich, und es umstandslos mit einem wie immer bestimmten Erkennen müssen gleichzusetzen, stünde nicht im Einklang mit dem Gesetz (sogleich Rdn. 35ff). Freilich ist das Erkennenkönnen kein rein faktisches (empirisches, psychologisches) Urteil, sondern „Produkt aus der faktischen Möglichkeit und der normativen Zumutbarkeit des Erkennens" (Schroeder LK 1 1 § 17 Rdn. 27). 3 9 Deshalb stellt sich die vom Gesetz nicht beantwortete - Frage nach dem Maßstab der Vermeidbarkeit (sogleich Rdn. 35 ff). 2. Maßstab der Vermeidbarkeit
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a) Nach der Rechtsprechung ist der Maßstab der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums strenger als der Maßstab der (Tat-)Fahrlässigkeit. 40 Der Täter habe sich bei allem, was er tue, bewusst zu machen, ob es mit dem Recht im Einklang stehe; dazu bedürfe es einer „Anspannung des Gewissens" nach den Umständen des Falles und dem Lebens- und Abrede gestellt; es liege entweder ein auf einen Rechtfertigungsgrund bezogener Subsumtionsirrtum (z.B. die Annahme, auch lediglich geplante Angriffe seien „gegenwärtig" i.S.v. § 32 Abs. 2 StGB) oder die irrige Annahme eines nicht existenten Rechtfertigungsgrundes (z.B. die Annahme, die Notwehrvorschrift lasse die Verteidigung gegen lediglich geplante Angriffe zu); vgl. auch Arthur Kaufmann JZ 1954 653, 658; ZStW 76 (1964) 543, 563 Anm. 60 und FS Lackner, S. 185, 197 sowie Backmann JuS 1972 650.
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Zust. Küpper Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik (1990), S. 178; Neumann NK Rdn. 60. Vgl. auch Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 195 ff, 205 f, 211 ff und SK Rdn. 30. BGHSt 4 236, 243; 21 18, 20; BGH VRS 14 30, 31; BayObLG NJW 1965 164. Zust. Maurach/Zipf § 38 Rdn. 34; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 216. Abi. Jescheck/ Weigend § 41 II 2b; Rudolphi SK Rdn. 30a; H.-W. Schünemann NJW 1980 735, 742; Wolter JuS 1977 487.
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Verbotsirrtum
Berufskreis des Täters (BGHSt 2 194, 201). Die Anspannung des Gewissens verlange mehr als die Einholung „bloßer" Rechtsauskünfte (BGHSt 3 99, 101). Der Täter müsse „alle seine Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen" einsetzen (BGHSt 4 1, 5). Zweifel müssten „durch Nachdenken und Erkundigung" beseitigt werden (BGHSt 4 236, 243). An den Täter seien „höhere Anforderungen zu stellen als (...) bei den Fahrlässigkeitsdelikten"; in den meisten Fällen bestehe eine Erkundigungspflicht, an die „strenge Maßstäbe" anzulegen seien; auch bei Einholung von Meinungsäußerungen Rechtskundiger verbleibe die (Letzt-)Verantwortung für die dem Täter obliegende persönliche Entscheidung über Recht oder Unrecht seines Tuns bei diesem (BGHSt 21 18, 20 f). 41 S. aus neuerer Zeit im gleichen Sinne OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2 0 0 3 263. An alledem übt die Lehre vielfach Kritik: Auf das „Gewissen" und die „sittlichen Wertvorstellungen" als moralische Kategorien könne es für die Vermeidbarkeit des Irrtums über das rechtliche Verboten sein nicht ankommen (Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 60). Das Gewissen lasse sich auch nicht „anspannen" (Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 226; dazu aber auch Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 307). Eine umfassende (Rechts-)Pflicht, jedes Handeln auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, gehe zu weit und lähme das Sozialleben (Roxin AT I § 21 Rdn. 38); im Übrigen könne es sich allenfalls um eine Obliegenheit handeln (Neumann NK Rdn. 56). Das Denken in „Pflichten" berge auch in sich die Gefahr, dass statt auf den konkreten, individuellen Täter auf objektive „Maßfiguren" abgestellt werde (s. noch u. Rdn. 40 ff). Insgesamt stelle die Rechtsprechung überspannte und mit dem Schuldprinzip nicht mehr vereinbare Anforderungen.
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b) Vor diesem Hintergrund neigt eine vordringende Lehre dazu, die Vermeidbarkeit als Rechtsfahrlässigkeit und nach allgemeinen (Tat-)Fahrlässigkeitsmaßstäben zu bestimmen (ausdrücklich Duttge MK § 15 Rdn. 23 ff). 42 Wichtige Konsequenzen dieser Auffassung sind: Das Vermeidbarkeitsurteil setzt die Feststellung einer Art „Rechtsunsorgfalt" in dem Sinne voraus, dass der Täter „Anlass" dazu hatte, sich über die Rechtmäßigkeit seines Handelns zu vergewissern, und seine Vergewisserungsbemühungen unzureichend waren (u. Rdn. 51 ff), was konkret-individuell zu bestimmen ist (u. Rdn. 40 ff). Weiterhin muss eine Art „Pflichtwidrigkeitszusammenhang" in der Weise bestehen, dass der Täter bei hinreichenden Vergewisserungsbemühungen Unrechtseinsicht hätte erreichen können (u. Rdn. 46 ff). Schließlich gilt eine Art „Vertrauensgrundsatz" in der Weise, dass sich der Täter auf bestimmte Rechtserkenntnisquellen verlassen darf (u. Rdn. 49 f).
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c) In der Lehre gibt es aber auch Tendenzen, die der Rechtsprechung zustimmen oder sie noch verschärfen. Nowakowski (ZStW 65 [1953] 379 ff) wollte das Vermeidbarkeitsurteil objektivieren und darauf abstellen, ob dem Täter ein Versagen des „Wertgefühls" vorzuwerfen sei, was bei der Zuwiderhandlung gegen Rechtsnormen, die in „Kulturnormen" gründeten, stets, bei der gegen Rechtsnormen, die auf bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen beruhten, nur bei abstrakter Gesetzeskenntnis der Fall sei. Jakobs und seine Schüler (s. bereits o. Rdn. 6 m.N.) vertreten eine „Zuständigkeitstheorie" (treffend Low
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Ohne Zitat übernommen aus OLG Bremen, Beschl. vom 27.10.1953 - Ws 189/54, angeführt und wiederholt in N J W 1960 163, 164; vgl. auch Bindokat JZ 1953 748, 750. So ausdrücklich auch Freund MK
Vor § S 13 ff Rdn. 247; Roxin AT I § 21
Rdn. 49; Walter Die allgemeine Lehre vom Verbrechen und die Lehre vom Irrtum (2003) S. 380. - Hiervon zu unterscheiden ist der
Gesetzgebungsvorschlag, ein Verhalten in vermeidbarem Verbotsirrtum durch einen Auffangtatbestand der „Rechtsfahrlässigkeit" zu erfassen, wie es u.a. in der nationalsozialistischen Strafrechtsreform erwogen worden war, vgl. Vogel Einflüsse des Nationalsozialismus auf das Strafrecht (2004) S. 83 mit Fn. 301.
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§ 17
2. Abschnitt. Die Tat
S. 56 ff), wonach ein Verbotsirrtum dann vermeidbar sei, wenn der Täter für ihn „zuständig" sei, was nach positiv-generalpräventiven Gesichtspunkten zu bestimmen sei: Für die Kenntnis „unverfügbarer" Rechtsnormen im „Kernbereich" des Strafrechts sei jeder zuständig, es sei denn, er lasse sich z.B. kraft exotischer Sozialisation als „unmaßgeblich" definieren; nur bei „verfügbaren" Rechtsnormen im „Randbereich" könnten unvermeidbare Verbotsirrtümer in den Grenzen positiv-generalpräventiver Erfordernisse anerkannt werden. Auch jenseits dieser Schule wird vertreten, dass, sei dem Täter bewusst, dass er - wie i.d.R. im „Kernstrafrecht" - ein Rechtsgut verletze, bereits „geringste Nachlässigkeit" zum Vermeidbarkeitsvorwurf gereiche (Neumann NK Rdn. 61; Stratenwerth/Kuhlen § 10 Rdn. 90). 39
d) Der hier vertretenen schuldprinziporientierten Auslegung des § 17 StGB (o. Rdn. 7) entspricht allein das Verständnis der Vermeidbarkeit als Rechtsfahrlässigkeit. Gegenüber der Tatfahrlässigkeit bestehen freilich Besonderheiten: Rechtsfahrlässigkeit kann nicht als sorgfaltswidriges im Sinne von erlaubt riskantem Verhalten begriffen werden. Vielmehr muss „Rechtsunsorgfalt" schuldorientiert als unzureichende Rechtstreue verstanden werden. Zureichende Rechtstreue übt, wer sich in einem den Umständen des Falles und seinem Lebens- und Berufskreis entsprechenden Maß um Unrechtseinsicht bemüht (BGHSt 2 194, 201). Eine „Rechtsvergewisserung" kann nur aus besonderem „Anlass" verlangt werden, die nicht bei jeder Tatbestandsverwirklichung ohne weiteres gegeben ist (vgl. BGHSt 4 236, 243; s. noch u. Rdn. 52). Das „äußerstenfalls Mögliche" kann nicht verlangt werden (Roxin AT I § 21 Rdn. 39). Bei alledem kann nicht prinzipiell zwischen „Kern-" und „Nebenstrafrecht" unterschieden werden: 43 Auch im „Kernstrafrecht" gibt es kritische Randbereiche (z.B. Grenzfälle der Sterbehilfe), und im „Nebenstrafrecht" ist zu bedenken, dass der Täter häufig nach seinem „Berufskreis" Anlass haben wird, die Rechtmäßigkeit seines Handelns zu prüfen (z.B. bei exportierenden Unternehmen, bei denen das selbst Strafrechtslehrern nicht durchweg bekannte Embargostrafrecht des AWG alles andere als ein Geheimnis ist). Auch der Vertrauensgrundsatz kann nicht unbesehen auf § 17 StGB übertragen werden. Vielmehr muss die ihm zugrunde liegende Abwägung (§ 15 Rdn. 225) auf die Frage bezogen werden, welches Maß an Rechtstreue noch zumutbarer Weise gefordert werden kann. 3. Individualisierung der Vermeidbarkeit
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Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums ist nach im Ausgangspunkt nahezu einhelliger Auffassung individualisiert nach den Kenntnissen und Fähigkeiten des konkreten, individuellen Täters zu bestimmen (besonders deutlich BGHSt 3 35 7, 366). 4 4 Unterdurchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten entlasten, es sei denn, dem Täter kann ein Übernahmeverschulden vorgeworfen werden (u. Rdn. 43 ff). Demgegenüber belasten überdurchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten; für einen „doppelten Maßstab" wie bei der Fahrlässigkeit ist im Rahmen von § 17 StGB kein Raum.
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Allerdings neigt die Rechtsprechung dazu, in tendenziellem Widerspruch zu ihrem Ausgangspunkt doch „Maßfiguren" wie den „sorgfältigen Weinbauern" (BGHSt 9 164, 172) oder den „älteren erfahrenen Anwalt" (BGHSt 15 332, 341; BGH NJW 1962 1831, 1832) zu verwenden und zumindest für „Normaltäter" gruppenspezifische Umstände wie den Lebens- und Berufskreis des Täters (BGHSt 2 194, 201; 4 80, 86) oder die Vorbil-
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In diese Richtung freilich auch OLG Oldenburg N J W 1992 2438.
Ebenso Lackner/Kühl Rdn. 7; Maurach/
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Zipf § 38 Rdn. 35; vgl. hierzu auch Neu-
mann NK Rdn. 58.
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Verbotsirrtum
dung, Stellung und Berufserfahrung (BGHSt 3 105, 108; OLG Hamburg J R 1981 31, 32) zu berücksichtigen. Besonders strenge Anforderungen werden an Rechtskundige gestellt, da von ihnen angenommen werden müsse, dass sie die Tragweite gesetzlicher Gebote oder Verbote aufgrund ihrer Vorbildung und Berufsausübung wenigstens in der Regel zu erkennen vermögen (BGHSt 4 80, 86); nur bei ganz besonderen Umständen könne es im Einzelfall anders liegen (BGHSt 9 341, 347 f). Auch in gefahrenträchtigen Lebensbereichen wie z.B. der Lebensmittelherstellung seien besonders strenge Anforderungen zu stellen (BayObLGSt 1971 24, 29; BayObLG GA 1973 313, 317). Derartige Generalisierungen oder Objektivierungen sind aber nur berechtigt, soweit es um die Begrenzung dessen geht, was der konkrete, individuelle Täter tun muss, um Unrechtseinsicht zu erlangen. Nur in diesem Sinne ist es zulässig, von einer „Pflicht" zur Erlangung von Unrechtseinsicht zu sprechen (vgl. Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 195 ff, 211 ff). Soweit die Rechtsprechung tendenziell dazu neigt, den individuellen durch einen generalisierenden Maßstab zu ersetzen (vgl. BGHSt 9 164, 172; OLG Köln GA 1956 326, 328; BayObLG [wie Rdn. 41]), ist dem zu widersprechen.
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4. Zeitpunkt der Vermeidbarkeit. Das Vermeidbarkeitsurteil bezieht sich auf den Zeitpunkt der Begehung der Tat, also im Grundsatz die Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung (s. § 15 Rdn. 56 ff). Allerdings müssen die Grundsätze zur Übernahmefahrlässigkeit (s. § 15 Rdn. 303 ff) auf § 17 StGB übertragen werden (allg. M., s. nur Roxin AT I § 21 Rdn. 49): Wer eine Tätigkeit übernimmt, muss sich im Rahmen des Zumutbaren auch über das hierfür geltende Recht unterrichten; zumutbarer Weise verschiebbare Handlungen müssen verschoben werden, wenn Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen (s. bereits o. Rdn. 28).
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Ebenso wenig wie bei der Übernahmefahrlässigkeit darf dies aber dazu führen, dass das Vermeidbarkeitsurteil auf eine Lebensführungsschuld gestützt wird. Allerdings hat BGHSt 2 194, 2 0 4 f ausgesprochen, der „abgestumpfte Gewohnheitsverbrecher" habe die Fähigkeit eingebüßt, durch Gewissensanspannung Unrechtseinsicht zu erlangen; sein Verbotsirrtum sei gleichwohl vermeidbar, weil ihm eine „strafbare Lebensführung" und „Lebensführungsschuld" vorgeworfen werden könne. Aber auch „abgestumpfte Gewohnheitsverbrecher" haben Unrechtseinsicht, andernfalls sie „ja in skrupelloser Gutgläubigkeit ihre Taten vor den Augen der Öffentlichkeit ausführen und sich nichts dabei denken" müssten (Roxin AT I § 21 Rdn. 48). 4 5
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Ein die Vermeidbarkeit begründendes Übernahmeverschulden kann insbesondere nicht auf die allgemeine Konkordanz mit dem Wertgefüge der eigenen Gemeinschaft bezogen werden (zutr. Schroeder LK 1 1 § 17 Rdn. 47). Andererseits ist die Beschränkung auf „rechtliche Sondernormen" im Gegensatz zu „allgemeinen Verboten und Geboten" (so aber Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 254 ff) zu eng. So kann es einem Ausländer vorgeworfen werden, sich bei Wohnsitznahme in der Bundesrepublik Deutschland nicht über hier geltende wichtige allgemeine Verbote und Gebote (z.B. Verbot des „Ehrenmordes", der Züchtigung von Frauen und Kindern, der Klitorisbeschneidung u. dgl.) orientiert zu haben. Entscheidend ist stets die erkennbare Zäsur, die in der Übernahme einer bestimmten Tätigkeit oder dem dauerhaften Eintritt in den Geltungsbereich einer bestimmten Rechtsordnung liegt. 46
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S. aus psychologischer Sicht Schewe (Fn. 26) S. 150 f.
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Grundsätzlich hierzu Stratenwerth Kaufmann, S. 485.
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§17
2. Abschnitt. Die Tat
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5. „Vermeidbarkeitszusammenhang". Ein Verbotsirrtum ist nur dann vermeidbar, wenn der Täter, hätte er die ihm mögliche und zumutbare „Rechtssorgfalt" walten lassen, bei Tatbegehung Unrechtseinsicht i.S.d. o. Rdn. 13 ff Dargelegten erlangt hätte. 47 In Anlehnung an die „Zusammenhangslehren" bei der Fahrlässigkeit (§ 15 Rdn. 181 ff) kann das als Erfordernis eines „Vermeidbarkeitszusammenhanges" bezeichnet werden. Insbesondere ist ein Verbotsirrtum auch dann unvermeidbar, wenn der Täter zwar jede Rechtsvergewisserungsbemühung unterlassen hatte, sich jedoch ergibt, dass er z.B. bei Einholung von Rechtsauskunft die vertrauenswürdige Auskunft erhalten hätte, sein Handeln sei gewiss rechtmäßig. Die in der älteren Rechtsprechung vertretene Gegenauffassung (BGHSt 21 18, 2 1 4 8 ) ist überholt.
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Allerdings stellt sich ähnlich wie bei den „Zusammenhangslehren" zur Fahrlässigkeit die Frage, ob und inwieweit Zweifel daran, ob der Täter bei hinreichender „Rechtssorgfalt" zur Unrechtseinsicht hätte gelangen können, nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" zu behandeln sind oder ob die „Risikoerhöhungslehre" auf § 17 StGB zu übertragen ist (zsf. Low S. 138 ff). Für § 17 StGB stellen sich dabei die besonderen Fragen, ob der „Vermeidbarkeitszusammenhang" abstrakt bzw. normativ in der Weise zu bestimmen ist, dass gefragt wird, welche Rechtsauskunft eine verlässliche Person dem Täter hätte erteilen müssen,49 oder ob es konkret bzw. faktisch darauf ankommt, welche Rechtsauskunft eine bestimmte Person oder Institution (z.B. Haus- oder Syndikusanwalt, zuständige Behörde) tatsächlich erteilt hätte oder hätte sorgfältiger- und verlässlicherweise erteilen müssen, 50 oder ob ermittelt werden muss, ob es irgendwo irgendeine Person bzw. Institution gegeben hätte, die dem Täter in verlässlicher Weise die Rechtmäßigkeit seines Handelns bescheinigt hätte oder hätte bescheinigen dürfen. 51
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Die Problematik ist noch nicht abschließend geklärt. Auch bei § 17 StGB dürfte es nicht angehen, die bloße Erhöhung des Risikos des Verbotsirrtums bei unterlassener Rechtsvergewisserungsbemühung für das Vermeidbarkeitsurteil genügen zu lassen, andernfalls die dem Täter nachzuweisende Schuld zu einer „Schuldgefahr" gemindert würde, die sich nicht notwendigerweise in der Tat verwirklicht hätte (s. zu der entsprechenden Argumentation bei der Fahrlässigkeit § 15 Rdn. 194, 198). Vielmehr dürfte im Grundsatz „in dubio pro reo" zu entscheiden sein, freilich unter Beachtung der Grenzen des Zweifelsgrundsatzes. Hiernach ist zunächst zu bedenken, dass es genügt, dass der Täter auch nur „bedingtes Unrechtsbewusstsein" („Unrechtszweifel") hätte erreichen können (o. Rdn. 27 f). Auf die Rechtsauskunft einer bestimmten Person oder Institution kann es nur
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S. aus der Rechtsprechung B G H VRS 14 3 0 , 31; 15 123, 1 2 5 ; O L G H a m m N J W 1 9 5 6 1 6 5 0 , 1 6 5 1 ; BayObLG GA 1 9 5 9 2 7 7 , 2 7 8 ; BayObLG N J W 1 9 8 9 1 7 4 5 m. Anm. Rudolphi J R 1 9 8 9 3 8 7 u. Ζaczyk JuS 1 9 9 0 8 8 9 ; O L G Celle N J W 1 9 7 7 1 6 4 4 m. Anm. Wolter JuS 1 9 7 7 4 8 2 ; O L G Braunschweig StV 1 9 9 8 4 9 2 ; LG Düsseldorf N J W 2 0 0 4 3 2 7 5 , 3 2 7 6 ; KG VRS 13 1 4 4 . Aus der Lehre Baumann/ Weber/Mitsch § 21 Rdn. 6 0 bei und in Fn. 118; Gross GA 1 9 7 1 13, 17 f; Jakobs 1 9 / 4 5 ; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 1 9 4 , 1 9 9 f, 2 5 0 ff; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 18, 2 2 ; Strauss N J W 1 9 6 9 1 4 1 8 ; Welzel § 2 2 III 2 a.E.
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1320; 1965 1924, 1926; L R E 2 340; OLG Schleswig Verk Mitt. 1 9 6 5 3 7 ; O L G Köln N J W 1 9 7 4 1 8 3 0 , 1 8 3 1 ; KG L R E 2 85, 89; 1 8 4 , 1 8 9 f. 49
In diese Richtung BayObLG N J W 1 9 8 9 1 7 4 4 , 1 7 4 5 ; Roxin AT I § 17 Rdn. 65; Rudolphi SK Rdn. 4 2 ; ders. 2 5 0 ff; ähnlich Jakobs 1 9 / 4 5 .
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In diese Richtung Joecks M K Rdn. 6 2 ; Low S. 1 4 6 ; Neumann N K Rdn. 82; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 2 2 ; Zaczyk JuS 1 9 9 0 8 8 9 , 8 9 4 ; abl. Puppe FS Rudolphi, S. 2 3 1 , 2 3 7 f.
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In diese Richtung T. Walter Der Kern des Strafrechts ( 2 0 0 6 ) 9. Kap. 1. b) bb).
S. weiterhin BayObLG N J W 1 9 6 0 5 0 4 ;
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J o a c h i m Vogel
Verbotsirrtum
dann ankommen, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Täter gerade diese Person oder Institution (z.B. seinen Haus- oder Syndikusanwalt oder die zuständige Behörde) befragt hätte. Weiterhin bedarf es bei eindeutiger (geklärter) Rechtslage greifbarer Anhaltspunkte dafür, dass diese Person oder Institution dem Täter eine verlässlich erscheinende, aber unrichtige Rechtsauskunft erteilt hätte (z.B. wenn in vergleichbaren Fällen gleichfalls solche Rechtsauskünfte erteilt worden sind). Bei uneindeutiger (offener) Rechtslage bedarf es greifbarer Anhaltspunkte dafür, dass die Person oder Institution die Rechtslage als eindeutig (geklärt) und im Ergebnis unrichtig dargestellt hätte; andernfalls ist davon auszugehen, dass die Rechtslage zumindest als uneindeutig (offen) dargestellt worden wäre (zu den Konsequenzen für die Vermeidbarkeit u. Rdn. 76 f). Lässt sich eine bestimmte Person oder Institution nicht ermitteln, so muss es sich der Täter gefallen lassen, dass abstrakt bzw. normativ gefragt wird, welche Rechtsauskunft eine „Maßfigur" erteilt hätte. Die Möglichkeit, dass irgendjemand irgendwo dem Täter entgegen einer eindeutigen (geklärten) Rechtslage unrichtige und gleichwohl verlässlich erscheinende Rechtsauskunft erteilt hätte, lässt sich zwar nie ausschließen, ist aber ebenso theoretisch wie die Möglichkeit, dass irgendjemand irgendwo eine uneindeutige (offene) Rechtslage als eindeutig (geklärt) und im Ergebnis unrichtig dargestellt hätte. 6. Vertrauensgrundsatz. Die Rechtsprechung wendet den Vertrauensgrundsatz im Rahmen des § 17 StGB nur eingeschränkt an. Die Entscheidung über Recht oder Unrecht seines Tuns obliege dem Täter persönlich (BGHSt 21 18, 21), und er müsse selbst sein Gewissen anspannen und seine Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen einsetzen. Deshalb dürfe er sich nicht ohne eigene Prüfung auf Rechtsprechung, Literatur oder Rechtsauskunft verlassen (zu den Einzelheiten u. Rdn. 58 ff).
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Grund dieser Rechtsprechung ist es ersichtlich zu verhindern, dass sich der Täter durch Berufung auf unrichtige Rechtsprechung, Literatur oder Rechtsauskunft „freizeichnen" (treffend Low S. 111) und die Verantwortung so „übertragen" kann (s. Bindokat J Z 1953 748, 750; ähnlich D. Meyer JuS 1979 250, 253). Aber den hierin liegenden Sorgen kann durch eine entsprechende Handhabung der Grenzen des Vertrauensgrundsatzes Rechnung getragen werden. Jenseits dessen widerspricht es sozialen Funktionsbedingungen (Arbeitsteilung), aber auch der Gerechtigkeit, dem Bürger im Rechtsstaat bessere Rechtserkenntnis zuzumuten als Fachjuristen (zutr. Neumann NK Rdn. 79; Roxin AT I § 21 Rdn. 62); nur in Unrechtsstaaten bleibt im Ergebnis Raum für die von der Rechtsprechung vorgenommene Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes (u. Rdn. 102 ff).
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7. Kriterien der Vermeidbarkeit. Zur Konkretisierung bietet es sich an, diejenigen Kriterien („Faktoren"), die o. § 15 Rdn. 262 ff für die Erkennbarkeit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung bei der Fahrlässigkeit entwickelt worden sind, auf die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums zu übertragen (grundlegend Schroeder LK 1 1 § 17 Rdn. 28 f). Zu berücksichtigen ist hiernach, ob der Täter Anlass hatte, das Verbotensein seines Handelns zu bedenken, welche Erkenntnismittel und wie viel Zeit ihm zu Gebote standen.
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Entgegen BGHSt 2 194, 201 muss niemand alles Handeln immer auf seine Rechtmäßigkeit prüfen. Vielmehr bedarf es nach heute weit überwiegender Auffassung eines besonderen Anlasses, die Möglichkeit, Unrecht zu tun, zu bedenken. 52 Allerdings ist bei
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So schon von Welzel J Z 1956 238, 241, der allerdings - vergleichbar der Auffassung Engiscbs hinsichtlich der Fahrlässigkeit
(s.o. § 15 Rdn. 166) - nur einen erkennbaren
konkreten Anlass verlangt und daher kaum über das bloße Möglichkeitsurteil hinausgeht (unklar insoweit § 2 2 III 2 a.E.). S. aber Mattil ZStW 74 (1962) 201, 217; Schmid-
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2. Abschnitt. Die Tat
Vorsatztaten zu bedenken, dass das Vorsatzwissen um Umstände, die einen gesetzlichen Tatbestand verwirklichen, häufig selbst ausreichenden Anlass gibt zu bedenken, dass das Handeln Unrecht sein könnte (Roxin AT I § 21 Rdn. 58). Das gilt aber nicht in Grenzbereichen (z.B. beim Aufzeichnen eines Telefongesprächs zu Beweiszwecken ohne Wissen des Gesprächspartners, § 201 StGB, zutr. Roxin AT I § 21 Rdn. 61) und bei „unrechtsfernen" oder „-neutralen" Tatbeständen. 53
Hier wird teilweise verlangt, dass zumindest unspezifischer Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Handels bestehe (Horn S. 84 ff, 105; vgl. auch OLG Düsseldorf NStZ 1981 444). Daran ist richtig, dass solcher Zweifel - der in der Nähe der „bedingten Unrechtseinsicht" liegt - sicherlich Anlass zum Bedenken der Unrechtsfrage gibt (Roxin AT I § 21 Rdn. 56; Rudolphi SK Rdn. 31). Aber es kann nicht angehen, vermeidbare Verbotsirrtümer nur in diesem Fall anzunehmen und die Vermeidbarkeit so gewissermaßen auf die bewusste Rechtsfahrlässigkeit zu beschränken (zutr. Schroeder LK 1 1 § 17 Rdn. 29 in Fn. 42); vielmehr muss der Vorwurf möglich bleiben, die Überlegungen des Täters seien „an der Oberfläche geblieben" (BGHSt 5 284, 289), zumal andernfalls der skrupulöse Täter benachteiligt würde (Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 63). Nach verbreiteter Auffassung soll der bewusste Verstoß gegen „elementare soziale Normen" oder die „Sittenordnung" Anlass geben, die mögliche Rechtswidrigkeit des Handelns zu bedenken (Jescheck/Weigend § 41 II 2b; Stratenwerth/Kuhlen § 10 Rdn. 86). Aber das überspielt die Grenze zwischen Recht und Moral; z.B. mag es moralisch anstößig und wegen § 228 StGB im Ergebnis auch strafbar sein, einen anderen im Zuge bestimmter Sexualpraktiken mit dessen Einverständnis zu verletzen, was aber noch nicht zwingend impliziert, dass Rechtsunkundige mit einem rechtlichen Verbot rechnen müssen (s. auch Roxin AT I § 21 Rdn. 60 zu BGH J R 1954 188 [Geschlechtsverkehr mit Geisteskranker auf deren Verlangen]). Jedoch geben erkannte oder erkennbare Rechtsgutsverletzungen (Schädigungen Einzelner oder der Allgemeinheit) regelmäßig Anlass zu bedenken, ob sie verboten sind. Auch jenseits hiervon genügt es, dass der Täter weiß, sich in einem Bereich zu bewegen, der rechtlicher (Sonder-)Regelung unterliegt (Roxin AT I § 21 Rdn. 55, 57; Rudolphi SK Rdn. 31) oder bei dem rechtliche (Sonder-)Regelungen nahe liegen (Stratenwerth/Kuhlen § 10 Rdn. 88) oder erfahrungsgemäß bestehen (Jescheck/Weigend § 41 II 2b).
54
Das Vermeidbarkeitsurteil ist nur begründet, wenn dem Täter Erkenntnismittel zur Verfügung stehen, um zur Unrechtseinsicht zu gelangen; sie (und die Art und Weise sowie das Ergebnis ihrer Benutzung) sind vom Tatgericht festzustellen und in den Urteilsgründen anzuführen. Das „Gewissen" ist entgegen der ständigen Rechtsprechung nur in Unrechtsstaaten taugliches Erkenntnismittel für Unrecht, jedenfalls wenn nicht die „Rechtsordnung unmittelbar auf eine ethische Wertung zurückgreift" wie bei der Verwerflichkeit der Nötigung (BayObLG NJW 1965 163, 164). Nüchterner kennzeichnet BGHSt 4 1, 5 das, was der Täter tun muss, als „Nachdenken oder Erkundigen". Bloßes Nachdenken hilft, wenn der Täter einen Vergleich mit der ihm bekannten Bewertung ähnlicher Verhaltensweisen ziehen kann; stößt er jedoch auf die Grenze, dass es nicht möglich ist, sich willentlich zu erinnern, ist vielmehr die Benutzung äußerer Hilfsmittel notwendig (s. § 15 Rdn. 265). Zu ihnen zählen 53 -
Rechtsvorschriften, u. Rdn. 56 f; Rechtsprechung, u. Rdn. 58 ff; häuser FS H. Mayer, S. 317, 321. Vgl. auch
Roxin AT I S 21 Rdn. 53 ff; Rudolphi SK Rdn. 31; Tiedemann S. 328 ff.
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Tatbestandsfunktionen
53
Vgl. auch BGHSt 2 192, 196; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 205 ff; Welzel J Z 1952 3 4 0 , 3 4 2 ; 1956 238, 241.
Joachim Vogel
Verbotsirrtum -
Entscheidungen anderer staatlicher Stellen, u. Rdn. 7 0 ff; Fachliteratur sowie sonstige Literatur und Medien, u. Rdn. 74 f, und vor allem Rechtsauskünfte, u. Rdn. 76 ff.
Für die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums ist weiterhin zu bedenken, wie viel Zeit dem Täter zur Verfügung stand, um Unrechtseinsicht zu gewinnen, und welche Nachteile ein Zuwarten gehabt hätte (vgl. Mattil Z S t W 74 [1962] 201, 2 3 9 ) .
55
8. Vermeidbarkeit und Rechtsvorschriften. Die Rechtsprechung verlangt insbesondere von geschäftlich Tätigen, sich über die für ihre Geschäftstätigkeit geltenden Rechtsvorschriften zu unterrichten, seien es Gesetze, Verordnungen, Richtlinien oder ggf. auch nur Verwaltungsvorschriften (z.B. steuerrechtliche Erlasse des Bundesministeriums der Finanzen). 5 4 Bei zeitlich andauernder Geschäftstätigkeit wird außerdem verlangt, sich über strafrechtlich relevante Änderungen von Rechtsvorschriften, ggf. sogar über bevorstehende Änderungen, die für das Handeln noch relevant werden können, auf dem Laufenden zu halten. 5 5
56
Allerdings dürfen sich juristische Laien nicht damit begnügen, die Rechtsvorschriften selbständig zu studieren (BayObLG GA 1 9 6 6 182, 183). Ist insbesondere eine Rechtsvorschrift unbestimmt oder unklar, so darf sich der Täter nicht mit seiner eigenen Interpretation begnügen, sondern muss bei Rechtskundigen Rechtsrat einholen (Rudolphi SK Rdn. 35; großzügiger O L G Schleswig GA 1 9 8 2 5 0 9 f: unvermeidbarer Verbotsirrtum bei „zulässiger" Auslegungsmöglichkeit; ähnlich Roxin AT I § 21 Rdn. 66; s. auch O L G Köln V R S 8 4 6 2 ) . Unvermeidbar kann ein Verbotsirrtum aber sein, wenn die Gesetzes(usw.)lage derart verworren und unklar ist, dass es nicht mehr möglich ist, einen Überblick zu gewinnen (s. O L G Karlsruhe N J W 1 9 7 0 1056: Waffenscheinpflicht für Gaspistolen, die sich aus einem „schwer verständlichen" Zusammenspiel von Gesetz, reichsrechtlicher DVO, diese änderndem Landesverordnungsrecht und ministeriellem Erlass ergab). S. zum Ganzen Low S. 231 ff.
57
9. Vermeidbarkeit und Rechtsprechung. Auch wenn die Rechtsprechung nicht unmittelbar Gegenstand der Unrechtseinsicht ist (o. Rdn. 2 0 ) , spielt sie nach allgemeiner Ansicht für die Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums eine bedeutende Rolle (s. nur Schroeder L K 1 1 § 17 Rdn. 33 ff): Ein Verbotsirrtum kann unvermeidbar sein, wenn er darauf beruht, dass sich der Täter an der Rechtsprechung orientiert hat; umgekehrt kann es die Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums begründen, wenn er durch Unterrichtung über die Rechtsprechung hätte beseitigt werden können.
58
a) Besteht für den Täter Anlass, die Frage der Rechtmäßigkeit des Handelns zu bedenken (o. Rdn. 5 2 f), so kann von ihm verlangt werden, sich über die einschlägige Rechtsprechung zu unterrichten. Wie jedermann bekannt oder ohne weiteres erkennbar ist, obliegt es den Gerichten, das Recht anzuwenden, zu konkretisieren und fortzubilden. Da gleichfalls bekannt oder ohne weiteres erkennbar ist, dass sich Rechtsprechung wandeln kann, müssen insbesondere geschäftlich Tätige in nicht zu langen Abständen überprüfen, ob und welcher Rechtsprechungswandel in Bezug auf ihre Geschäftstätigkeit eingetreten ist (o. Rdn. 56). Allerdings kann ein der Auslegung der Verbotsmaterie durch die Rechtsprechung zuwiderlaufender Subsumtionsirrtum einen unvermeidbaren Verbotsirrtum begründen, wenn jene Auslegung für einen Bürger völlig überraschend und nicht
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54
BGHSt 4 236, 243; StV 1984 461 m. Anm. Otto StV 1984 462; BayObLG GA 1973 313, 316; vgl. auch OLG Koblenz NJW 1973 1759, 1760.
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BGH NStZ 1996 327; Roxin AT 1 § 21 Rdn. 57; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben Rdn. 17.
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2. Abschnitt. Die Tat mehr nachvollziehbar ist. Demgegenüber ist bei einem Gültigkeitsirrtum eine eingehende Befassung mit der Rechtsprechung stets geboten und zumutbar, weil die Ungültigkeit von Gesetzen im Rechtsstaat die Ausnahme ist. Im Übrigen sind Verbotsirrtümer umso leichter vermeidbar, je leichteren Zugang der Täter (z.B. als Jurist oder politisch Interessierter) zur Rechtsprechung hat. 60
Da die Unrechtseinsicht auf das Unrecht, nicht die Strafbarkeit bezogen ist, ist für die Frage nach der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums auch außerstrafrechtliche Rechtsprechung zu berücksichtigen. 5 6 Auf bloß vereinzelte Gerichtsentscheidungen darf sich der Täter aber nicht ohne weiteres verlassen, z.B. wenn sie eine auch für nicht Rechtskundige erkennbar „zu weitgehende Tendenz" haben (OLG Hamburg N J W 1 9 7 0 2 0 3 9 ; krit. Löw S. 183) oder wenn es sich nur um ein vereinzeltes Amtsgerichtsurteil handelt (OLG Düsseldorf N J W 1981 2 4 7 8 , 2 4 7 9 ) . 5 7 Insbesondere sind noch nicht rechtskräftige Entscheidungen keine zureichende Vertrauensgrundlage (OLG Hamm V R S 2 9 359; O L G Stuttgart N J W 1967 122; BayObLG N J W 1991 1493; krit. Löw S. 184 ff). Auf der anderen Seite können irreführende höchstrichterliche Entscheidungen einen unvermeidbaren Verbotsirrtum begründen, z.B. wenn ein oberstes Bundesgericht in seiner Begründung über die ihm gestellte Frage mit allgemein gehaltenen Formulierungen weit hinausgeht, selbst wenn für einen Spezialisten noch erkennbar gewesen wäre, dass die Sachaussage einen viel engeren Bereich umfassen sollte (OLG Stuttgart N J W 1 9 7 3 1892). Stets ist erforderlich, dass die Entscheidung, auf die sich der Täter bezieht, einen vergleichbaren Sachverhalt betrifft und Feststellung gerade der Rechtmäßigkeit des Handelns beinhaltet (OLG Düsseldorf N J W 1981 2 4 7 9 ; O L G Frankfurt a.M. N J W 1 9 9 0 1057; BayObLG N J W 1991 1493).
61
b) Besonderes Vertrauen genießt eine einheitliche („gefestigte", „konsistente") Rechtsprechung, insbesondere eine höchstrichterliche Rechtsprechung, der sich die Untergerichte angeschlossen haben (krit. Löw S. 181 ff: „nicht nachvollziehbares Wertigkeitsprinzip").
62
aa) Eine einheitliche unrechtsbejahende Rechtsprechung, die der Täter nicht kennt, führt regelmäßig dazu, dass der Verbotsirrtum vermeidbar ist. Das gilt erst recht, wenn der Täter sie kennt, aber ignoriert, weil er meint, bessere Rechtseinsicht zu haben. In solchen Fällen ist ein unvermeidbarer Verbotsirrtum nur denkbar, wenn sehr gewichtige neue Argumente gegen die Rechtsprechung vorgebracht werden können oder sehr ernsthafte Bedenken gegen ihre Verfassungsmäßigkeit bestehen. So lag es z.B. bei § 90a a.F. StGB (vgl. BVerfGE 12 2 9 6 ) , der Anwendung der sog. Mosaiktheorie beim Landesverrat auch hinsichtlich der Presse (vgl. BVerfGE 2 0 162, 180) und bei § 3 6 0 Nr. 11 a.F. StGB (vgl. Schroeder J Z 1 9 6 9 775 ff). 5 8
63
bb) Gibt es zur Tatzeit eine einheitliche unrechtsverneinende Rechtsprechung, so kann es zu einer Bestrafung des Täters nur kommen, wenn diese Rechtsprechung nach der Tat 56
57
BGH NJW 1999 3568, 3569; OLG Stuttgart NJW 1960 2204, 2205; 1973 1892; OLG Frankfurt a.M. NJW 1964 509; OLG Hamburg VRS 25 111; LG Saarbrücken NJW 1976 1160, 1161. Gegen die Verlässlichkeit amtsgerichtlicher, bedeutsame Rechtsfragen entscheidender Urteile auch Rengier KK-OWiG S 11 Rdn. 8; aA aber Löw S. 182; Roxin AT I § 21 Rdn. 63.
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Gegen die Maßgeblichkeit des Verhaltens der unteren Verwaltungsbehörde gegenüber einer Entscheidung des zuständigen OLG bei LG Darmstadt NStZ 1984 173 mit Recht OLG Frankfurt a.M. NStZ 1985 130. Vgl. noch BGHSt 21 18, 22; OLG Köln GA 1960 318, 319; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 113 f.
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Verbotsirrtum
§17
geändert wird, was nach (noch) h.A. nicht durch das strafrechtliche Rückwirkungsverbot ausgeschlossen wird. 5 9 In derartigen Fällen muss dem Täter aber nach dem Vertrauensgrundsatz (o. Rdn. 49 f) zugute gehalten werden, dass er auf den Bestand der Rechtsprechung vertraut hat und das positive Vertrauen auf einheitliche unrechtsverneinende Rechtsprechung im Regelfall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum begründet. 6 0 Das gilt sowohl für den Gültigkeitsirrtum (vgl. OLG Celle M D R 1956 436; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 234) als auch für den Subsumtionsirrtum (OLG Köln M D R 1954 374; KG NJW 1990 782, 783) und kann nicht auf höchstrichterliche Rechtsprechung beschränkt werden, sondern muss auch für nicht bloß vereinzelte Rechtsprechung der Instanzgerichte gelten. Ob „aus der Sicht des Rechtlichen Laien' in der Regel die von einem Gericht vertretene Rechtsansicht als die allein richtige erscheint" (OLG Frankfurt am Main NJW 1964 508 f; Herv. v. Verf.), bedarf demgegenüber der konkreten Prüfung im Einzelfall (s. bereits o. Rdn. 60). Allerdings ist zu bemerken, dass ein Wandel der höchstrichterlichen Rechtsprechung praktisch nie „aus heiterem Himmel" erfolgt, sondern praktisch immer durch literarische Kritik und häufig durch abweichende untergerichtliche Entscheidungen, teils auch durch „Ankündigungsentscheidungen" des jeweiligen obersten Bundesgerichts vorbereitet wird (s. noch u. Rdn. 75). Ist das dem Täter bekannt, so kann seinem Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung der Boden entzogen sein; 61 das gilt auch, wenn er die Rechtsprechung selbst für verfehlt hält (Schroeder LK 11 § 17 Rdn. 75). Ist die Kritik dem Täter unbekannt, so darf er auf die Autorität insbesondere höchstrichterlicher Rechtsprechung vertrauen, es sei denn, ihre Kritikwürdigkeit liege auf der Hand. So liegt es insbesondere in dem - freilich eher theoretischen - Fall, dass die Rechtsprechung ein offensichtliches Unrechtsgesetz für gültig hält oder ein Gesetz offensichtlich falsch auslegt (vgl. Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 106 Fn. 39).
64
Eine zur Tatzeit einheitliche unrechtsverneinende Rechtsprechung kann dem Täter auch dann zugute kommen, wenn er sie bei seinem Handeln nicht gekannt und Rechtsvergewisserungsbemühungen unterlassen hat, da es an dem „Vermeidbarkeitszusammenhang" fehlen kann (o. Rdn. 46). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dem Täter u. U. in der Literatur geäußerte Zweifel, abweichende untergerichtliche Rechtsprechung oder „Ankündigungsentscheidungen" bekannt geworden wären, hätte er sich hinreichend um Unrechtseinsicht bemüht.
65
c) Heikel ist demgegenüber die Frage, wie es sich auf die Vermeidbarkeit des Verbots- 6 6 irrtums auswirkt, dass nur uneinheitliche („inkonsistente") Rechtsprechung zu der Unrechtsfrage vorliegt. Die h.A. vertritt eine Art „thin ice principle": Wenn innerhalb der Rechtsprechung 6 7 Streit darüber bestehe, ob ein Handeln Unrecht sei oder nicht, so könne, wenn dies dem Täter bekannt ist, sogar „bedingtes Unrechtsbewusstsein" („Unrechtszweifel") vorliegen; wenn der Streit dem Täter unbekannt sei, bleibe ein Verbotsirrtum grundsätzlich ver-
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Zusf. Dannecker Das intertemporale Strafrecht (1993) S. 364 ff; Krey AT I § 3 Rdn. 81; Roxin AT I § 5 Rdn. 61 ff; Rudolphi SK § 1 Rdn. 8; differenzierend Baumann/Weber/ Mitsch § 9 Rdn. 38. AA Kunz GA 1983 457, 462. - Bei der Neufestsetzung der absoluten Fahruntüchtigkeit auf 1,1 % durch BGHSt 37 89 lehnte BayObLG NJW 1990 2833 einen Verbots-
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irrtum ab, weil die Tat schon vorher eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG gewesen sei; zum Problem o. Rdn. 15 ff. OLG Karlsruhe N J W 1967 2167, 2168; OLG Frankfurt N J W 1969 1634, 1635 f zur Herabsetzung der Promillegrenze durch BGHSt 21 157; abl. Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 107 Anm. 42.
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2. Abschnitt. Die Tat
meidbar. 6 2 Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei aber anzuerkennen, wenn die unrechtsbejahenden Entscheidungen „offensichtlich unrichtig" seien, da ansonsten „jede falsche Entscheidung den Freiheitsspielraum des einzelnen beschränkte]" 6 3 . Auch dürfe der Täter bei Rechtsprechungsstreit zwischen Ober- und Untergerichten auf die obergerichtliche Rechtsprechung vertrauen, jedenfalls wenn sie einheitlich sei. 64 Schließlich könne der bei Laien verbreitete Glaube an die Eindeutigkeit und Berechenbarkeit des Rechts einen unvermeidbaren Verbotsirrtum begründen, wenn dem Täter nur die unrechtsverneinende Rechtsprechung bekannt sei (OLG Köln M D R 1954 374). 68
Konsequenz der h.A. ist es, dass, wer ein Strafbarkeitsrisiko vermeiden will, ein Handeln, über dessen Rechtmäßigkeit in der Rechtsprechung Streit besteht, so lange unterlassen muss, bis die Bewertung des Handelns in der Rechtsprechung geklärt ist. Mit anderen Worten muss auch ein sich ex post als rechtmäßig erweisendes Handeln unterlassen werden, selbst wenn dies mit erheblichen Nachteilen für den Täter (z.B. entgangenem Gewinn) verbunden ist. Den hieraus resultierenden Bedenken trägt die h.A. erst auf der Ebene der Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens Rechnung. 65 Unzumutbar könne es insbesondere sein, bei Zweifeln über die Rechtmäßigkeit der Ausübung eines Gewerbes es bis zu einer Klärung schlechterdings aufzugeben. 6 6 Eine Unterlassungspflicht bestehe auch dann nicht, wenn ein Teil der Rechtsprechung gerade das Unterlassen als rechtswidrig ansehe (OLG Schleswig SchlHA 1966 206, 207; vgl. auch Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 111; s. bereits o. Rdn. 28).
69
In der Lehre findet sich demgegenüber die Auffassung, dass bei Rechtsprechungsstreit zwischen Gerichten gleicher Rangordnung stets ein „unbehebbarer Unrechtszweifel" vorliege, der unmittelbar nach (so Stratenwerth/Kuhlen § 10 Rdn. 91) oder analog (so Roxin AT I § 21 Rdn. 34) § 17 Satz 1 StGB zu behandeln sei; teils wird eine solche Lösung auch nur de lege ferenda gefordert (Low S. 200 ff). Ein von der Rechtsprechung zu verantwortendes „Normenchaos" dürfe den Handlungsspielraum der Bürger nicht einschränken (Neumann NK Rdn. 72). Aber von einem „rechtssorgfältigen", rechtstreuen Bürger kann sehr wohl verlangt werden, das „dünne Eis" rechtlich fragwürdigen Verhaltens zu meiden. Begrenzt wird diese „Rechtssorgfalt" - ebenso wie bei der Fahrlässigkeit, bei § 17 StGB aber auch bezogen auf Vorsatztaten - durch die Zumutbarkeit, die, da es um eine Schuldfrage geht, konkret-individuell (zutr. Joecks MK Rdn. 51; aA Neumann aaO) zu bestimmen ist: Je größere Nachteile dem Täter drohen und je wahrscheinlicher 62
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OLG Bremen NJW 1960 163, 164; OLG Köln GA 1960 318; M D R 1954 374; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 108 ff und SK Rdn. 38; Tröndle/Fischer Rdn. 9b; grundsätzlich zustimmend aber auf die Zumutbarkeit abstellend; Joecks MK Rdn. 23 f, 49 f. AA OLG Schleswig SchlHA 1961 350; 1966 206, 207; VRS 23 30; Neumann NK Rdn. 71 ff. Stratenwerth/Kuhlen § 10 Rdn. 91. Zur Unbeachtlichkeit unrichtiger Gerichtsurteile OLG H a m m NJW 1982 659, 661. Scharf abl. Maurach/Zipf § 38 Rdn. 36, wonach diese Auffassung den Täter in die Rolle eines „Lotteriespielers" versetzt. Neumann NK Rdn. 69; Roxin AT I § 21 Rdn. 65; Rudolphi SK Rdn. 39; ders. Unrechtsbewußtsein S. 108 f; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 21; krit.
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D. Meyer JuS 1979 250, 253 mit dem Hinweis auf die richterliche Unabhängigkeit und die i.d.R. (außerhalb eines konkreten Verfahrens) fehlende rechtliche Bindungswirkung obergerichtlicher Entscheidungen. OLG Bremen NJW 1960 163, 164; OLG Frankfurt NJW 1964 508, 509; OLG Stuttgart N J W 1967 122; OLG Braunschweig N J W 1976 60, 62; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 111 f; Sch/Schröder/Cramer/ Sternberg-Lieben Rdn. 21; Warda FS Welzel, S. 526 ff; krit. Low S. 196 f, weil es sich nicht um einen anerkannten Entschuldigungsgrund für Vorsatetaten handele. OLG Bremen NJW 1960 163, 164; OLG Schleswig SchlHA 1962 175; OLG Frankfurt N J W 1964 508, 509.
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Verbotsirrtum
es erscheint, dass sich die unrechtsverneinende Rechtsprechung durchsetzt, desto unzumutbarer wird es, dem Bürger ein Unterlassen abzuverlangen. 10. Vermeidbarkeit und Entscheidungen anderer staatlicher Stellen a) Stellt eine Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des fraglichen Handelns mit der Begründung ein, das Handeln sei rechtmäßig, so kann sich der Täter, der das Handeln fortsetzt, in der Regel auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen; im Einzelfall sind Ausnahmen möglich (OLG Bremen NJW 1960 163; BayObLG N J W 1980 1057, 1058).
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b) Genehmigt eine Verwaltungsbehörde ein Verhalten, ohne dass der Täter die Ge- 71 nehmigung durch Täuschung, Zwang, Bestechung oder Kollusion erwirkt hat (vgl. § 330d Nr. 5 StGB), so kann sich der Täter, wenn die Genehmigung nicht bereits tatbestandsausschließende oder rechtfertigende Wirkung hat, in der Regel auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen, wenn er das genehmigte Verhalten ausführt (OLG Celle NJW 1969 2250 zu einer, was der Täter nicht erkannte, nichtigen Erlaubnis eines Glücksspiels). Die Duldung eines Verhaltens durch die zuständige Verwaltungsbehörde kann sich im Einzelfall als konkludente Genehmigung darstellen und folgt dann den soeben Rdn. 71 geschilderten Regeln. 67 Bloßes Hinnehmen oder Untätigbleiben in Kenntnis des Verhaltens genügt hierfür aber nicht. 68 In derartigen Fällen kann aber zumindest langjährige Duldung dazu führen, dass die „Verbindlichkeit der Norm aus dem Rechtsbewusstsein der Bevölkerung schwindet" und deshalb ein unvermeidbarer Verbotsirrtum anzunehmen ist (BGH NJW 1953 352 f). 6 9 Im Übrigen ist es Frage des Einzelfalles, ob die Duldung überhaupt einen Verbotsirrtum begründet (s. hierzu BGHSt 16 264, 270; weiterhin BayObLG GA 1956 124, 127; vgl. auch BGH bei Daliinger M D R 1975 723 f) und, wenn ja, ob er unvermeidbar ist, was vor allem bei widersprüchlichem Behördenverhalten in Betracht kommt (s. OLG Stuttgart ZfW 1977 125; OLG Frankfurt am Main GA 1987 552; AG Lübeck StV 1989 348 [Erheben einer Abwasserabgabe in Kenntnis fehlender Erlaubnis]; s. aber auch BayObLG GA 1956 127). Weitergehend für Unvermeidbarkeit Neumann NK Rdn. 66; s. zum Ganzen auch Low S. 124 ff.
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Umgekehrt führen Verwaltungsakte, mit denen ein Verhalten untersagt wird, auch dann, wenn der Täter sie für rechtswidrig und sein Verhalten für erlaubt hält, i.d.R. zur Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums. Die irrtümliche Annahme der Nichtigkeit einer Untersagungsverfügung ist mit Blick darauf, dass nur „offensichtlich" an einem „besonders schweren Fehler" leidende Verwaltungsakte nichtig sind (§ 44 Abs. 1 VwVfG), i.d.R. vermeidbar. In der Praxis ist die irrige Annahme der Nichtigkeit von Verwaltungsakten bei Parkverboten und Ausnahmen hierzu nicht selten; die Rechtsprechung neigt dazu, bloß vermeidbare Verbotsirrtümer anzunehmen, s. OLG Stuttgart N J W 1967 122; OLG Karlsruhe NJW 1967 1625; Rudolphi S. 237 f. Vgl. auch OLG Celle N J W 1967 1623 (Verbotsirrtum mit Blick auf ein in anderer Sache vorliegendes Verwaltungsgerichts-
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BGHSt 37 21, 28; OLG Stuttgart J R 1978 2 9 4 ; LG Bonn NStZ 1988 2 2 4 , 2 2 5 ; Dahs/ Pape NStZ 1988 3 9 3 ; Rudolphi NStZ 1984 193, 198; ders. FS Dünnebier, S. 561, 570. BGH NJW 1953 352, 353; OLG Stuttgart J R 1978 2 9 4 m. Anm. Sack; LG Bonn NStZ 1988 2 2 4 ; Breuer NJW 1988 2 0 7 2 , 2 0 8 0 ;
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Kuhlen WiVerw 1992 215, 2 6 6 f; Laufhütte/ Möhrenschläger ZStW 92 (1980) 912, 932. S. auch OLG Bremen VRS 15 2 0 0 ; OLG Hamm NJW 1956 1650 (je zu Dulden des Parkens im Parkverbot über längere Zeit); aA OLG Braunschweig ZfW 1991 52, 61 ff.
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2. Abschnitt. Die Tat
urteil); OLG Saarbrücken VRS 35 112, 113 (Gültigkeitsirrtum sei nie Verbotsirrtum). Zum Verbotsirrtum bei irriger Annahme der Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Hausverbots s. OLG Hamburg J R 1978 291 m. Anm. Gössel; J R 1981 31 m. Anm. Oehler. 11. Vermeidbarkeit und Fachliteratur sowie sonstige Literatur und Medien 74
Von Rechtskundigen wird erwartet, dass sie sich zur Vermeidung von Verbotsirrtümern mit der Fachliteratur vertieft auseinandersetzen; die „bloße Durchsicht eines Kommentars" genügt nicht (BGH NJW 1987 2451, 2452). Laien, die Fachliteratur zu Rate ziehen, müssen bedenken, dass sie zu deren Würdigung nicht hinreichend in der Lage sein können; sie können aber durchaus in den Genuss unvermeidbarer Verbotsirrtümer kommen (vgl. Low S. 227). Wer sich auf nichtfachliche Literatur (z.B. Rechtsratgeber) und vor allem Medienberichte stützt, muss deren beschränkte Zuverlässigkeit berücksichtigen (OLG Bremen VRS 15 199; krit. Low S. 227 ff). Auf der anderen Seite kann sich die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums auch daraus ergeben, dass das in Rede stehende Handeln in den Medien kritisiert oder skandalisiert worden ist. 70
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Sind - wie nicht selten - Rechtsprechung und Fachliteratur unterschiedlicher Auffassung, so kann das zu einem unvermeidbaren Verbotsirrtum führen, wenn die Rechtslage insgesamt sehr unklar ist (BGH NJW 1976 1949, 1950 zum gewohnheitsrechtlichen Züchtigungsrecht eines Lehrers bezogen auf die Tatzeit 1971/1972). Im Übrigen wird in der Lehre nicht selten von einem normativen Vorrang der Rechtsprechung ausgegangen; daher sei der Verbotsirrtum des Täters, der sein Handeln entsprechend der Fachliteratur für erlaubt halte, vermeidbar, wenn die Rechtsprechung anderer Auffassung sei (Low S. 230; Rudolpbi Unrechtsbewußtsein S. 108). Umgekehrt soll freilich fachliterarische Kritik an einer unrechtsverneinenden Rechtsprechung bei späterem Rechtsprechungswandel dazu führen können, dass der auf die frühere Rechtsprechung gestützte Verbotsirrtum vermeidbar sein soll (s. bereits o. Rdn. 64). Der Grundsatz „Judikatur vor Literatur" (treffend Rengier KK-OWiG § 11 Rdn. 87) verkennt zwar in der Theorie, dass im Recht die Kraft des besseren Arguments entscheidet. In der Praxis ist das Problem jedoch „mehr den Lehrbüchern vorbehalten, als dass es von großer praktischer Relevanz wäre" (zutr. Low S. 230), da nur dann, wenn die unrechtsbejahende Rechtsprechung haltlos wäre (jedes Grundes entbehrte), das Vertrauen des Täters auf die unrechtsverneinende Fachliteratur als schutzwürdig erschiene. 12. Vermeidbarkeit und Rechtsauskünfte
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a) Verlässliche unrechtsverneinende Rechtsauskünfte führen zu einem unvermeidbaren Verbotsirrtum. Hat der Täter keine Rechtsauskunft eingeholt, so ist das ein praktisch sehr bedeutsamer Ansatzpunkt für die Feststellung der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (s. aber sogleich Rdn. 77). Besteht Anlass, die Unrechtsfrage zu bedenken (o. Rdn. 52 f), so sind Rechtsunkundige i.d.R. gehalten, Rechtsauskunft einzuholen, insbesondere wenn sie meinen, eine ihnen bekannte Rechtsvorschrift sei ungültig (Welzel J Z 1953 266, 267). Der Umstand, dass das in Frage stehende Verhalten faktisch verbreitet ist, entbindet nicht von der Pflicht zur Einholung von Rechtsauskunft (OLG Stuttgart NStZ 1981 262). Auch Rechtskundige dürfen sich nicht stets auf ihr eigenes Urteil verlassen. So
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OLG Düsseldorf L R E 10 4 6 ff; NStZ 1981 4 4 4 ; O L G Frankfurt N J W 1969 1634, 1636;
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KG WuW/E OLG 4 0 9 ; LG Krefeld N J W 1983 2 0 9 9 , 2100.
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Verbotsirrtum
muss sich ein Rechtsanwalt bei einer schwierigen Frage der anwaltlichen Berufspflicht vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer beraten lassen (BGHSt 18 192, 197; s. § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO). Auf sein eigenes Urteil verlassen darf sich freilich ein älterer Anwalt mit langjähriger Berufserfahrung (BGHSt 15 3 3 2 , 341; B G H N J W 1 9 6 2 1831, 1832). Hat sich der Täter zwar nicht um Rechtsauskunft bemüht, hätte er jedoch eine verlässliehe unrechtsverneinende „hypothetische Rechtsauskunft" (treffend Neumann NK Rdn. 81) erhalten, so führt dies gleichfalls zu einem unvermeidbaren Verbotsirrtum kraft fehlenden „Vermeidbarkeitszusammenhangs"; eingehend o. Rdn. 4 6 ff.
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Im Einzelnen müssen sowohl die Auskunftsperson (u. Rdn. 7 9 ff) als auch die Auskunft (u. Rdn. 85 ff) verlässlich sein, und die Auskunft muss unrechtsverneinenden Inhalt haben (u. Rdn. 89).
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b) Eine Auskunftsperson ist verlässlich, wenn sie Gewähr für eine objektive, sorgfältige, pflichtgemäße und verantwortungsbewusste Auskunfterteilung bietet (BGHSt 4 0 257, 264). Das ist der Fall, wenn sie persönlich zuverlässig und fachlich sachkundig ist (s. auch Neumann N K Rdn. 75). Umstritten ist allerdings, ob Zuverlässigkeit und Sachkunde objektiv gegeben sein müssen 7 1 oder ob es genügt, dass der Täter nach seinen konkretindividuellen Kenntnissen über die Auskunftsperson und Erkenntnisfähigkeiten von deren Zuverlässigkeit und Sachkunde ausgehen durfte (in diesem Sinne grundlegend BGHSt 4 347, 353 ); 7 2 die denkmögliche dritte Auffassung, es genüge, dass der Täter in wenn auch vermeidbarem Irrtum die Auskunftsperson subjektiv für zuverlässig und sachkundig gehalten hat, wird - soweit ersichtlich - nicht vertreten. Nur die zweite Auffassung entspricht einem normativen, schuldorientierten Verständnis des § 17 StGB (o. Rdn. 7).
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Von der persönlichen Zuverlässigkeit der Auskunftsperson darf der Täter nach dem Vertrauensgrundsatz (o. Rdn. 4 9 ) ausgehen, wenn er keine greifbaren Anhaltspunkte für das Gegenteil, nämlich für Unseriosität hat. Solche Anhaltspunkte können vorliegen, wenn die Auskunftsperson als unseriös (interessiert, käuflich) bekannt ist; wenn sie in interessierten Kreisen gerade deshalb empfohlen wird, weil sie auch für Unseriöses zu haben (parteiisch, zu kaufen) sei; wenn sie auffallend häufig unrechtsverneinende Rechtsauskünfte erteilt, die sich später als haltlos oder falsch erweisen (vgl. KG J R 1 9 7 7 379, 380); oder wenn sie sich sonst unseriös geriert (vgl. Schroeder LK 1 1 § 17 Rdn. 4 2 : „Das bringen wir auf jeden Fall in Ordnung!", „Bei mir liegen Sie immer richtig!").
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Bei der Beurteilung der fachlichen Sachkunde darf und muss sich ein Laie an der formalen Qualifikation der Auskunftsperson (z.B. als Rechts- oder gar Fachanwalt, Amtsträger usw.) orientieren; ein fundiertes eigenes Urteil ist ihm i.d.R. nicht möglich (Neumann NK Rdn. 75). Grenzen ergeben sich bei ersichtlichen Ausbildungs-, Status- oder Erfahrungsmängeln (z.B. Auskunft eines Studierenden der Rechtswissenschaft, O L G Celle N J W 1967 1921) oder ersichtlich fehlender fachlicher Zuständigkeit (z.B. Auskunft eines Fachanwalts für Familienrecht in einer schwierigen Frage des öffentlichen Baurechts, Rechtsgutachten eines Rechtsprofessors für Gesellschaftsrecht in einer schwierigen untreuestrafrechtlichen Frage). In (Groß-)Unternehmen dürfte es üblich und auch
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In diesem Sinne BayObLG J Z 1 9 8 9 5 9 9 ; Jescbeck/Weigend § 41 II 2b; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 2 4 1 ff und SK Rdn. 4 0 .
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Vgl. auch O L G Hamburg N J W 1 9 6 7 213, 214; J Z 1977 477, 4 7 8 = JR 1978 291,
2 9 2 m. Anm. Gössel. Ebenso Joecks MK Rdn. 5 6 ; Neumann N K Rdn. 7 5 ; Roxin AT I § 21 Rdn. 6 2 ; Sch/Schröder/Cramer/ Sternberg-Lieben Rdn. 18; Tröndle/Ftscher Rdn. 9.
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2. Abschnitt. Die Tat geboten sein, Auskunft zu heiklen (Straf-)Rechtsfragen bei anerkannten Spezialisten einzuholen. In Spezialgebieten können auch Nichtjuristen hinreichend oder gar besonders rechtskundig sein (z.B. Ärzte in medizinrechtlichen Fragen, BGHSt 4 0 257, 2 6 4 ) . 82
Im Einzelnen kommen als verlässliche Auskunftspersonen in Betracht -
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Rechtsanwälte.73 Freilich liegt es angesichts der „fortschreitenden Spezialisierung dieses Berufsstandes (...) auf der Hand, dass die Annahme, jeder Rechtsanwalt könne ohne weiteres auf jedem Rechtsgebiet zutreffende und fundierte Auskünfte erteilen, wirklichkeitsfremd ist" (KG W u W / O L G 2 2 0 7 ; krit. Low S. 115 ff); „Hausjuristen" und Syndikusanwälte (zusf. Low S. 108). Es besteht kein Grund, allgemein an ihrer Objektivität zu zweifeln, weil sie abhängig, parteilich, voreingenommen oder von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst seien (zusf. O L G Braunschweig StV 1 9 9 8 4 9 2 ) ; vielmehr haben sie i.d.R. besondere Sachkunde, müssen das von ihnen vertretene Unternehmen und dessen Mitarbeiter vor Schadensersatzansprüchen bewahren 7 4 und dürfen sich nicht wegen Teilnahme strafbar machen. 7 5 Zur Verlässlichkeit ihrer Auskünfte im Einzelfall u. Rdn. 87; Gerichtspräsidenten (BGHSt 5 111, 118), Richter (s. Low S. 109), 7 6 str. für Gerichtsassessoren;77 Notare (BGH GA 1 9 5 9 88); Rechtsprofessoren. Zur Verlässlichkeit ihrer Rechtsgutachten u. Rdn. 87; sonstige rechtskundige Personen, z.B. Ärzte in Fragen des Behandlungsabbruchs (BGHSt 4 0 257, 2 6 4 ) .
Nicht oder nicht ohne weiteres verlässlich ist aber die Auskunft 83
Studierender der Rechtswissenschaft (OLG Celle N J W 1 9 6 7 1921 und o. Rdn. 81); nicht rechtskundiger Dritter (s. Low S. 133 f).
Verlässliche Auskunftsinstitutionen bzw. -personen sind auch Behörden bzw. ihnen angehörige Amtsträger (BayObLG GA 1 9 6 6 182). Der Vermeidbarkeitsvorwurf kann sich insbesondere darauf beziehen, dass der Täter keine Rechtsauskunft der zuständigen Behörde eingeholt hat. Bei tatsächlich erteilten Rechtsauskünften muss die Behörde hingegen nicht zuständig sein; vielmehr genügt, dass der Täter sie als zuverlässige Auskunftsstelle ansehen durfte, weil die Behörde nicht von vornherein und offensichtlich unzuständig war (BGH N S t Z 2 0 0 0 364). Noch weniger ist erforderlich, dass die Auskunft von der im Behördenaufbau zuständigen Behörde und dort dem zuständigen Sachbearbeiter erteilt wird (BayObLG aaO S. 183). Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung ist aber offensichtlich unzuständig, Auskünfte zur Zulässigkeit von Preisprüfungen zu erteilen (BayObLGSt 1971 152 f). Im Einzelnen kommen in Betracht die Verkehrspolizei bei verkehrsrechtlichen Fragen (OLG Schleswig SchlHA 1 9 8 7 121 f); die
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Vgl. BGHSt 20 342, 372; OLG Frankfurt NJW 1964 508, 509; BayObLG NJW 1965 163, 164; OLG Celle NJW 1969 2250; OLG Bremen NStZ 1981 265, 266; BayObLG StV 1992 421. OLG Hamburg NJW 1967 213, 214 f; JR 1973 69, 70 m. Anm. Schroeder; OLG Bremen NStZ 1981 265, 266. Strenger OLG Stuttgart NJW 1977 1408, 1409 = JR 1978 294, 295 m. Anm. Sack; KG JR 1978 167, 168 m. Anm. D. Meyer JuS 1979 250.
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Dazu OLG Düsseldorf JR 1984 257 m. Anm. Hruscbka. OLG Celle NStZ 1993 291, 292 nimmt an, dass ein Verbotsirrtum dann unvermeidbar sei, wenn Richter der ersten Instanz das Handeln für erlaubt halten. S. einerseits AG Frankfurt a.M. NJW 1989 1745, 1746 (verlässlich) und andererseits OLG Koblenz NStE § 17 Nr. 6 (unverlässlich).
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§17
Kriminalpolizei bei strafrechtlichen Fragen (BGH NJW 1988 272 f); auf dem Lande der Bürgermeister für streitige Rechtsfragen (BGH J R 1954 188); näher Low S. 122 ff. Auch die Rechtsberatungsstellen der Amtsgerichte sind verlässliche Auskunftsstellen (OLG Frankfurt am Main VRS 28 426). Rechtauskünfte untergeordneter Behörden, die in dem Täter bekanntem Widerspruch zur Rechtsauffassung übergeordneter Behörden oder Gerichte stehen, sind aber nicht verlässlich (u. Rdn. 86). Auch Berufsorganisationen und Fachverbände können zuverlässige Auskunftsinstitutionen sein, z.B. Rechtsanwalts-, Ärzte-, Industrie-, Handels- oder Handwerkskammern für standes- oder berufsrechtliche Fragen, aber auch der Technische Überwachungsverein für Straßen verkehrszulassungsrechtliche Fragen (s. Low S. 130 f m.N. zur Instanzrechtsprechung). Demgegenüber sind Auskünfte einer politischen Partei über die Zulässigkeit von Parteispenden so interessenbeeinflusst, dass ihnen die Verlässlichkeit fehlt (AG Düsseldorf NJW 1985 1971).
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c) Eine Auskunft ist verlässlich, wenn sie objektiv, sorgfältig und verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden ist. Teils wird vertreten, alles das müsse objektiv der Fall sein. 78 Richtigerweise muss entsprechend dem o. Rdn. 79 Darlegten genügen, dass der Täter subjektiv nach seinen konkret-individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten von der Verlässlichkeit der Auskunft ausgehen durfte.79 Dabei ist die bei Laien verbreitete Auffassung von der mathematischen Schärfe und Eindeutigkeit des Rechts zu berücksichtigen (zutr. Schroeder LK 1 1 § 17 Rdn. 42; aA Kunz GA 1983 456, 461: Vermutung, dass jeder um die Zweideutigkeit des Rechts und damit um die Unmöglichkeit eindeutiger Auskünfte wisse). Wird eine in Wahrheit zweifelhafte Rechtslage als zweifelsfrei (eindeutig) dargestellt, so muss das dem Laien noch keinen Anlass geben, an der Verlässlichkeit der Auskunft zu zweifeln. Auch die in der Rechtsprechung häufig als unverlässlich angesehene „Stegreifauskunft" (s. nur OLG Bremen NStZ 1981 265, 266: Auskunft „zwischen Tür und Angel") kann für Laien durchaus verlässlich sein, zumal gerade der „Stegreifkünstler" nicht selten besondere Überzeugungskraft hat. 8 0 Je rechtskundiger der Täter ist, desto höhere Anforderungen sind freilich an die Prüfung der Verlässlichkeit der Auskunft zu stellen.
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Anlass, an der Verlässlichkeit der Auskunft zu zweifeln, besteht insbesondere, wenn sie im Widerspruch zu dem Täter bekannten Auffassungen der Gerichte oder Staatsanwaltschaften (KG J R 1977 379, 380), Behörden oder anderer Auskunftspersonen oder Institutionen steht (ebenso Neumann NK Rdn. 78). Zur Frage widerstreitender Auskünfte u. Rdn. 90. Auch durch „geringes Nachdenken" (BGHSt 2 188, 193) als unrichtig oder abwegig erkennbare Rechtsauskünfte sind nicht verlässlich (BayObLG StV 1992 421), beispielsweise wenn eine Behörde ein nach der Erfahrung des täglichen Lebens schwer gefährliches Verhalten für rechtmäßig erklärt (BGH aaO). Besteht die Auskunft gar in dem Rat, „durch die Lücken des Gesetzes zu schlüpfen" (BGHSt 3 99, 101) oder ein Gesetz durch plumpe Machenschaften zu umgehen, so wird häufig nicht bloß ein vermeidbarer Verbotsirrtum (so aber KG J R 1977 379, 380), sondern bereits „bedingte Unrechtseinsicht" vorliegen. Wer der Auskunftsperson den Sachverhalt bewusst unrichtig
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Jescheck/Weigend § 41 II 2 b ; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 2 4 1 ff und SK Rdn. 4 0 .
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Joecks M K Rdn. 5 6 ; Neumann N K Rdn. 7 5 ; Roxin AT I § 21 Rdn. 6 2 ; Sch/Schröder/
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Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 18; Tröndle/ Fischer Rdn. 9. Zust. Roxin AT I ξ 21 Rdn. 6 2 . A A Rudolphi 4 8 2 ff.
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J R 1 9 7 7 381. S.a. Wolter JuS 1 9 7 9
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§17
2. Abschnitt. Die Tat
oder unvollständig schildert, kann nicht auf die Verlässlichkeit der Auskunft vertrauen (s. Low S. 106 m.N.). 87
Nicht verlässlich sind auch Auskünfte, die erkennbar einseitig, insbesondere durch wirtschaftliche Interessen oder Parteinahme geprägt sind. Das ist bei Auskünften von „Hausanwälten" gelegentlich der Fall. 81 Auch Privatgutachten (einschließlich Gutachten von Rechtsprofessoren, s. hierzu Neumann NK Rdn. 78) müssen nicht stets verlässlich sein. 82 Auftraggeber von Gutachten pflegen das Gutachtenergebnis, mindestens dessen Richtung vor Erteilung des Gutachtenauftrags festzulegen, nur solche Gutachter zu beauftragen, die sich hiermit einverstanden erklären können, und Gutachten gerade mit Blick hierauf zu honorieren; auch können sich Gutachter die Sache des Auftraggebers in einem Maß zueigen machen, das den Blick auf die Rechtslage trübt.
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Auch bei an sich verlässlichen Auskünften steht die Rechtsprechung auf dem Standpunkt, der Täter müsse sie stets einer zusätzlichen Prüfung anhand seines Gewissens unterziehen, weil ihm persönlich die Entscheidung über Recht und Unrecht obliege (BGHSt 21 18, 21; s. bereits o. Rdn. 49). Daran ist nur zutreffend, dass als verlässlich nur eine Auskunft gelten kann, die einer Prüfung anhand dessen standhält, was vom Täter nach dessen individuell-konkreten Kenntnissen und Fähigkeiten verlangt werden kann. So bedarf es keiner Einholung von Rechtsrat zu erkennen, dass die Gewährung einer kompensationslosen Anerkennungsprämie ohne dienstvertragliche Rechtsgrundlage an einen Aufsichtsratsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft auf dessen Wunsch und dessen Betreiben rechtswidrig ist (BGH NJW 2006 522, 529). Jenseits dieser Grenze spielen aber weder das Gewissen noch die Höchstpersönlichkeit des Handelns eine Rolle (ebenso Neumann NK Rdn. 79; s. bereits o. Rdn. 35 f).
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d) Inhalt („Tenor") der Auskunft muss sein, dass das beabsichtigte Handeln kein Unrecht ist; die Auskunft, es liege kein strafbares Handeln vor, genügt als solche nicht (o. Rdn. 15 ff). Die Auskunft, es liege kein Unrecht vor, muss „bestimmt und sicher erteilt" werden (BayObLG NJW 1965 163, 164). Ergibt sich demgegenüber aus der Auskunft, dass Gerichte oder Behörden das Handeln als unrechtmäßig ansehen oder die Rechtslage zweifelhaft ist, so können, hat der Täter dies erkannt, bereits „Unrechtszweifel" („bedingte Unrechtseinsicht") vorliegen, und es kann, hat er es verkannt, der Verbotsirrtum vermeidbar sein.
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e) Hat der Täter von einer verlässlichen Auskunftsperson eine verlässliche unrechtsverneinende Auskunft erhalten, so muss er keine weitere Auskunft einholen. Tut er es gleichwohl oder liegen ihm sonst mehrere Auskünfte vor, die alle das Unrecht verneinen, ist der Verbotsirrtum erst recht unvermeidbar. Bei widerstreitenden Auskünften neigt die überwiegende Auffassung dazu, „bedingte Unrechtseinsicht" („Unrechtszweifel") oder zumindest einen vermeidbaren Verbotsirrtum anzunehmen (s. Low S. 136 ff m.N.). Teilweise wird aber auch eine „Präferenzentscheidung" (Neumann NK Rdn. 78) für möglich und geboten gehalten; dabei sollen Rechtsprechungsauskünfte Behördenauskünften (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ 1985 130) und Behördenauskünfte Privatauskünften (vgl. BGHSt 21 18, 22) vorgehen. Richtigerweise ist hier nach dem Maßstab der Zumutbarkeit zu entscheiden (o. Rdn. 69).
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Vgl. OLG Hamburg NJW 1967 213, 214; J R 1973 69, 70 m. Anm. Schroeder; OLG Stuttgart NJW 1977 1408; Neumann NK Rdn. 75; Schroeder LK 11 Rdn. 4 4 .
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KG JR 1977 378 m. Anm. Rudolpbi.
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Verbotsirrtum
§17
13. Fakultative Strafmilderung beim vermeidbaren Verbotsirrtum. § 17 Satz 2 StGB bestimmt, dass bei einem vermeidbaren Verbotsirrtum die Strafe gem. § 4 9 Abs. 1 StGB gemildert werden kann, nicht muss. Zur verfassungsrechtlichen und kriminalpolitischen Problematik dieser bloß fakultativen Strafmilderung o. Rdn. 2.
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Wie das somit dem Richter eingeräumte Rechtsfolgeermessen zu handhaben ist, war bereits im Gesetzgebungsverfahren, insbesondere in der Auseinandersetzung mit § 2 0 Abs. 2 AE, der „in der Regel" eine Milderung vorschreiben wollte, umstritten. 8 3 Zur Handhabung in der Rechtsprechung liegen keine zuverlässigen Erkenntnisse vor. Die Lehre steht weit überwiegend auf dem Standpunkt, dass die Strafmilderung die Regel sein müsse. 8 4 Das liegt für Anhänger eines psychologischen Schuldbegriffs nahe, weil psychologisch gesehen die Schuld bei fehlender Unrechtseinsicht stets gemindert ist (s. bereits o. Rdn. 4 f); mit Recht krit. Neumann NK Rdn. 83. Aber auch Anhänger eines normativen Schuldbegriffs verlangen mit Recht eine besonders gravierende Abweichung von der „normalen" Rechtstreue 8 5 oder Rechtssorgfalt. Sie kann bei „Rechtsblindheit" oder „Rechtsfeindschaft" vorliegen (s. BTDrucks. V / 4 0 9 5 S. 10; Rudolphi SK Rdn. 4 8 ) , aber auch, wenn der Verbotsirrtum auf einer Auffassung beruht, die mit den Grundwerten der Rechtsordnung unvereinbar ist. 8 6 Autoren, die für Unrechtseinsicht Strafbarkeitsbewusstsein verlangen, halten ein Absehen von der Strafmilderung für regelmäßig geboten, wenn der Täter das außerstrafrechtliche Unrecht kennt ( N e u m a n n NK Rdn. 84) was dem Streit vollends die praktische Relevanz nimmt (s. bereits o. Rdn. 19). Die Strafmilderung darf nicht deshalb versagt werden, weil andere schulderhöhende Umstände als solche, die sich auf die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums beziehen, vorliegen. 8 7 Wenn BGHSt 41 247, 2 7 7 die Strafrahmenmilderung wegen der „Schwere der ... Rechtsverstöße" versagt, ist dies nur insoweit zutreffend, als schwere Rechtsverstöße besonders leichte Vermeidbarkeit indizieren (zutr. Neumann N K Rdn. 85).
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Horstkotte meinte, die volle Vorsatzstrafe werde sich auch nach § 17 Satz 2 StGB nur in „bestimmten, seltenen Ausnahmefällen", z.B. bei einem „ohne weiteres" vermeidbaren Verbotsirrtum, ergeben; grundsätzlich sei auch beim vermeidbaren Verbotsirrtum eine Milderung angebracht, aber statt dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis gesetzlich zu fixieren, solle man es „lieber dem richtig verstandenen Schuldprinzip überlassen, (...) regulierend zu wirken" (Prot. S. 1785 f). Nach Dreher sollte die Kann-Formel vermeiden, dass „in 90 % der Fälle" die Strafe gemildert werde, was bedenklich sei (aaO S. 1789). Nach Köppler sollte die Strafmilderung bei „einer nicht zu unterschätzenden Zahl von Fällen" - nicht bloß bei „ganz extremen Ausnahmefällen" - angebracht sein (aaO S. 1790). Schwarzkopf hielt die volle Strafe sogar bei „einer großen Gruppe von Fällen" für angemessen (aaO S. 1789). In BT-Drucks. V/4095 S. 10 hieß es dann, die Strafmilderung sei zwar „meist" angebracht;
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von ihr könne aber in „nicht ganz seltenen Fällen" abgesehen werden. Jakobs 19/48 f; Jescheck/Weigend $ 41 II 2e; Joecks MK Rdn. 68; Lackner/Kühl Rdn. 8; Neumann NK Rdn. 85; Roxin AT I § 21 Rdn. 71; Rudolphi SK Rdn. 48; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 25; Ttedemann FS Gerds, S. 95, 109 f m.w.N.; einschränkend Tröndle/Fischer Rdn. 12. Jakobs 19/48 f; Jescheck/Weigend § 41 II 2e; Joecks MK Rdn. 68; Neumann NK Rdn. 83; Roxin AT I § 19 Rdn. 15 i.V.m. § 21 Rdn. 71. Warda ZStW 71 (1959) 252 ff. Ebenso Roxin AT I § 21 Rdn. 68. Eingehend mit Bildung von Fallgruppen Timpe Strafmilderungen des Allg. Teils des StGB und das Doppelverwertungsverbot (1983) S. 238 ff. Jakobs 19/49; Joecks MK Rdn. 69; Neumann NK Rdn. 85; Rudolphi SK Rdn. 49; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 26.
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2. Abschnitt. Die Tat 93
Die Strafe darf nur gem. § 4 9 Abs. 1 S t G B gemildert werden; hinsichtlich Abs. 2 liegt eine planwidrige Regelungslücke nicht vor (für Anwendbarkeit des Abs. 2 aber Jakobs 1 9 / 5 0 ) . Erst recht ist ein Absehen von Strafe unzulässig. 8 8
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Prozessual ist immer dann, wenn (und sei es auch nur „in dubio pro r e o " ) von einem Verbotsirrtum auszugehen ist, die M ö g l i c h k e i t einer Strafmilderung zu prüfen, was die Urteilsgründe erkennen lassen müssen ( B G H S t V 1 9 9 8 1 8 6 ; s. auch B G H bei Dallinger M D R 1 9 6 9 3 5 9 ; O L G H a m m V R S 1 0 7 3 5 8 ) . D a s Absehen von der Strafmilderung ist besonders zu begründen ( B G H L M § 4 4 Nr. 1; unzutr. A E Begr. S. 5 9 ) . I m Übrigen ist bei vermeidbaren Verbotsirrtümern ggf. an eine Einstellung n a c h §§ 1 5 3 , 1 5 3 a StPO zu denken.89
IV. Sonderfragen und -Vorschriften 95
1. Verbotsirrtum und Gewissens- oder Überzeugungstat. W e r weiß, dass er Unrecht tut, also geltendem R e c h t zuwiderhandelt, hat auch dann Unrechtseinsicht, wenn er meint, es sei - für jedermann oder für ihn selbst - politisch, religiös oder moralisch (sittlich, ethisch) gestattet oder geboten, gegen das geltende R e c h t zu verstoßen. Bei derartigen Gewissens- oder Überzeugungstaten 9 0 liegt nach heute allg. M . kein Verbotsirrtum vor. 9 1 Die gegenteilige Auffassung von B G H S t 2 1 9 4 , 2 0 6 , 2 0 8 , w o gegen die sog. Vorsatztheorie eingewendet wurde, sie könne den Gewissens- oder Überzeugungstäter nicht erfassen, weil ihm das Unrechtsbewusstsein fehle, wird heute einhellig a b g e l e h n t . 9 2
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In Grenzfällen k o m m t allerdings bei Gewissens- oder Überzeugungstaten ein Verbotsirrtum in Gestalt eines Gültigkeitsirrtums in Betracht. Insbesondere k a n n die Unrechtseinsicht fehlen, wenn der T ä t e r annimmt, das geltende R e c h t widerspreche dem Grundgesetz ( B G H S t 4 1, 3 ) , internationalem oder europäischem R e c h t , wenn es der T ä t e r für ius cogens hält oder aber rechtsirrig davon ausgeht, es gehe innerstaatlichem R e c h t ohne weiteres vor, oder überpositivem (vorstaatlichem) R e c h t . 9 3 Entgegen Joecks M K R d n . 2 0 und Neumann N K R d n . 4 0 ist es lediglich eine Frage der Vermeidbarkeit, wenn der T ä t e r dabei ein „privates N a t u r r e c h t s m o d e l l " oder eine „eigenwillige Verfassungsinterpretat i o n " zugrunde legt. Weiterhin ist es denkbar, dass der T ä t e r aus der verfassungsrecht88
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Dafür de lege ferenda Krümpelmann GA 1968 129, 147 und Welzel Niederschriften 2, S. 9. E 1962, Begr. S. 1350; Krümpelmann GA 1968 129, 147; Welzel Niederschriften 2, S. 9. Die h.L. spricht von „Überzeugungs- oder Gewissenstätern", was zu täterstrafrechtlich gedacht ist. S. Bopp Der Gewissenstäter und das Grundrecht der Gewissensfreiheit (1974) (hiergegen eingehend Bockelmann GA 1976 314 ff); Eben Der Überzeugungstäter in der neueren Rechtsentwicklung (1975); Gödan Die Rechtsfigur des Überzeugungstäters (1975); Heinitz ZStW 78 (1966) 615 ff; Noll ZStW 78 (1966) 638 ff; ders. Niederschriften 3, S. 49 ff; Peters FS H. Mayer, S. 257 ff; Radbruch ZStW 44 (1924) 34 ff; Verhandl. des 34. DJT 2 S. 353 ff; § 71 E 1925. Baumann/Weber/Mitsch S 18 Rdn. 36;
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Jakobs 19/24; Jescheck/Weigend §§ 37 II 3, 41 I 3a; Joecks MK Rdn. 20; Kühl AT 5 § 11 Rdn. 31; Maurach/Zipf § 35 Rdn. 7 ff; Neumann NK Rdn. 40; Roxin AT I § 21 Rdn. 15; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 35 ff, 188 ff und SK Rdn. 23; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 7; Stratenwerth/Kuhlen ξ 10 Rdn. 59; Schmidhäuser AT 10/75 f; Tröndle/Fischer Rdn. 3; Welzel § 22 IV. • Gegen BGHSt 2 194, 206, 208 auch Mattil ZStW 74 (1962) 201 ff; H. Mayer MDR 1952 393; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben Rdn. 14 f; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 223 ff; Welzel J Z 1952 340, 341 f. ! Vgl. Peters J Z 1966 457, 459; Welzel J Z 1953 266, 2 6 7 f; Tiedemann ZStW 81 (1969) 872 f Fn. 11 m.w.N.
Joachim Vogel
Verbotsirrtum
liehen Garantie der Religions- und Gewissensfreiheit (Art. 4, 12a Abs. 2, 140 GG i.V.m. Art. 136 ff WRV) den rechtsirrigen Schluss zieht, das ihm an sich bekannte geltende Recht selbst lasse im Einzelfall ein von seiner Religion oder seinem Gewissen gebotene Zuwiderhandlung zu. 9 4 Auch die irrige Annahme, die Gewissens- oder Überzeugungstat rechtfertige sich aus dem Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG oder der Länderverfassungen, kann zu einem Verbotsirrtum führen (vgl. BGH NJW 1953 1639); hier wäre sogar ggf. an einen Erlaubnistatbestandsirrtum zu denken. Bei zivilem Ungehorsam (sog. „kleines" Widerstandsrecht) ist demgegenüber zu bedenken, dass der Täter i.d.R. bewusst dem geltenden Recht zuwiderhandelt und dabei, um ein Zeichen zu setzen, auch eine Sanktionierung (Bestrafung) in Kauf nimmt; dann fehlt es an einem Verbotsirrtum. 95 Liegt ein Verbotsirrtum vor, so sind - wie stets bei Gültigkeitsirrtümern - an die Rechtsvergewisserungsbemühungen des Täters hohe Anforderungen zu stellen (o. Rdn. 35 ff), und der Irrtum wird kaum je unvermeidbar sein. Praktische Bedeutung hatten und haben Gewissens- oder Überzeugungstaten im politischen Bereich (Zuwiderhandlung gegen Parteiverbote, Widerstand gegen die sog. Wiederbewaffnung oder gegen den sog. NATO-Doppelbeschluss), im Bereich der Kriegs-, Wehrund Ersatzdienstverweigerung (sog. Totalverweigerung, s. heute § 15a ZDG) und vor allem bei Taten aus religiöser Glaubensüberzeugung (z.B. der sog. Zeugen Jehovas). Auch terroristische Straftaten können ungeachtet dessen, dass das Gewissen der Täter irrt und ihre Überzeugung abzulehnen ist, Gewissens- oder Überzeugungstaten, beim sog. islamistischen Terrorismus sogar Taten aus religiöser Glaubensüberzeugung sein; auch in Unrechtssystemen kommen durchaus Gewissens- oder Überzeugungstaten vor.
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Vor allem die zuletzt genannten Fallgruppen zeigen, dass Gewissens- oder Überzeugungstaten keineswegs stets eine mildere Beurteilung als „normale" Taten verdienen. Es lässt sich durchaus vertreten, sie nicht anders als andere Taten zu behandeln (Bockelmann FS Welzel, S. 543 ff), und zwar auch ohne dass auf den allerdings fragwürdigen Gesichtspunkt der Gefährdung der Staatssicherheit bzw. der Rechtsordnung zurückgegriffen werden muss. 96 Zunehmend wird zwischen dem eine Privilegierung verdienenden Gewissenstäter i.e.S., der sich politisch, religiös oder moralisch verpflichtet hält, geltendem Recht zuwiderzuhandeln, und dem keine Privilegierung verdienenden Überzeugungstäter i.e.S. unterschieden, der die Zuwiderhandlung nur für gestattet hält (Neumann NK Rdn. 42 m.N.). Mit anderem Akzent neigt die h.A. dazu, nur „menschlich begreifliche" oder „anerkennenswerte" Gewissensentscheidungen oder Überzeugungen zu privilegieren, sei es unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Akzeptanz oder Toleranz, sei es traditionell schuldtheoretisch oder kraft Alltagsmoral (vertiefend Hörnle Tatproportionale Strafzumessung [1999] S. 317 ff), wobei die Lösung teils auf der Ebene der Strafzumessung, teils bereits auf den Ebenen der Schuld oder gar des Unrechts gesucht wird (s. Neumann aaO Rdn. 43 m.N.). So hält BVerfGE 23 127, 134 übermäßig harte, persönlichkeitsbrechende Strafen gegen „Totalverweigerer" für unzulässig, und nach BVerfGE 32 98, 1 0 9 9 7 folgt aus Art. 4 Abs. 1 GG, dass das Strafrecht zurück-
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OLG Hamm NJW 1968 212, 214; OLG Hamburg GA 1967 2 8 5 ; Peters J Z 1966 427, 4 2 9 ; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 189 f. BayObLG J Z 1986 404, 4 0 6 ; offen gelassen: BGHSt 23 46, 58. S. hierzu insbesondere Schmidhäuser 10/76; des Weiteren Heinitz ZStW 78 (1966) 615, 629; Welzel FS DJT 1, S. 383, 3 9 7 f.
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Hierzu u.a. Bockelmann und Rudolphi FS Welzel, S. 543 ff, 6 0 5 ff; Deubner NJW 1972 814; Dreher J R 1972 3 4 2 ff; Händel NJW 1972 327; Peters J Z 1972 85 f; Ranft FS Schwinge, S. 111 ff.
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2. Abschnitt. Die Tat
weichen muss, „wenn der konkrete Konflikt zwischen einer (...) Rechtspflicht" - in casu: Hilfspflicht aus § 323c StGB - „und einem Glaubensgebot" - in casu: Ablehnung einer Bluttransfusion aus religiösen Gründen - „den Täter in eine seelische Bedrängnis bringt, der gegenüber die kriminelle Bestrafung (...) sich als eine übermäßige und daher seine Menschenwürde verletzende soziale Reaktion darstellen würde". Aber diese zustimmungswürdigen Ergebnisse hätten sich bereits aus einer angemessenen Handhabung des „einfachen" Rechts (bei BVerfGE 23 127 des Strafzumessungsrechts, bei BVerfGE 32 98 des § 323c StGB [„ihm den Umständen nach zuzumuten"]) ergeben. Zu weit geht es jedenfalls, bei Gewissens- oder Überzeugungstaten generell „Sozialadäquanz" (so aber Peters FS Hellmuth Mayer, S. 276 Fn. 66) oder „Unzumutbarkeit" (Neumann aaO Rdn. 46; Rudolphi FS Welzel, S. 605, 629 ff) zu erwägen. Auf der anderen Seite droht eine übermäßige Moralisierung des Strafrechts, wenn Gewissens- oder Überzeugungstaten allein deshalb, weil die Gewissensentscheidung oder Überzeugung nicht anerkennens- oder gar verachtenswert ist, verschärft bestraft werden. S. zum Problem auch Gribbohm LK 1 1 § 46 Rdn. 88 ff. 99
Gewissens- oder Überzeugungstäter im Strafvollzug generell zu privilegieren, erscheint gleichfalls problematisch, wie die historische Erfahrung mit §§ 17, 2 0 RStGB (Festungshaft bei Taten, die nicht „aus ehrloser Gesinnung entsprungen" waren) zeigt. Allerdings widerspräche es der Menschenwürde, im Strafvollzug das Gewissen oder die Überzeugung des Täters ändern zu wollen. Im Übrigen hängt es ganz vom Einzelfall ab, ob ein Gewissens- oder Überzeugungstäter gefährlicher oder ungefährlicher, resozialisierungsbedürftiger oder weniger resozialisierungsbedürftig als ein „normaler" Täter ist.
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2. Verbotsirrtum und Taten von Angehörigen fremder Kulturen. Nicht selten wird darauf hingewiesen, dass Verbotsirrtümer vor allem im Kernbereich des Strafrechts nur bei Taten von Angehörigen fremder Kulturen („fremde Sozialisation", Jakobs 19/7, 9) denkbar seien. Das dürfte zu restriktiv sein (o. Rdn. 39). Gleichwohl ist es zutreffend, dass bei solchen Taten der Frage nach einem Verbotsirrtum nachzugehen ist (o. Rdn. 8), wenn die Tat in der fremden Kultur als rechtmäßig und sozialadäquat anerkannt ist und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Täter (noch) nicht mit der diesbezüglichen deutschen Rechtslage vertraut war, z.B. weil er die deutsche Sprache nicht beherrscht und ausschließlich oder überwiegend im Umkreis anderer Angehöriger der fremden Kultur lebt. In der Praxis ist allerdings zu bedenken, dass jedenfalls bei schwerwiegendem Unrecht (z.B. „Ehrenmorde", Klitorisbeschneidung bei Mädchen, erhebliche Züchtigung von Familienangehörigen durch den Mann usw.) häufig kein Irrtum über das deutsche Recht, sondern nur dessen mangelnde Internalisierung vorliegt (zutr. Neumann NK Rdn. 31).
101
Handelt der Täter im Verbotsirrtum, so fragt sich, welchen Einfluss es auf dessen Vermeidbarkeit hat, dass die Tat in dem fremden Kulturkreis ggf. erlaubt und ggf. nach den dortigen politischen, religiösen oder moralischen (sittlichen, ethischen) Maßstäben nicht zu beanstanden ist. 98 An sich läge es in der Konsequenz der Rechtsprechung, die auf die Anspannung des Gewissens, einer höchst individuellen Kategorie, abstellt und auch im Übrigen die Höchstpersönlichkeit der Entscheidung über Recht und Unrecht betont (o. Rdn. 88), einen solchen Einfluss anzuerkennen. Jedoch steht die ständige Rechtsprechung auf dem Standpunkt, der Täter dürfe nicht Wertvorstellungen von Recht und Unrecht zugrunde legen, die einem fremden Kulturkreis angehörten, desgleichen nicht
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S. zum Problem Laubenthal/Baier
205 ff; Tröndle/Fischer Rdn. 8.
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GA 2 0 0 0
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Verbotsirrtum
§17
extreme politische Anschauungen, die der Wertordnung des GG widersprächen; vielmehr müsse er von den Wertvorstellungen ausgehen, die in der deutschen Rechtsgemeinschaft, in der er lebe, anerkannt seien (BGHSt 4 1, 5; BGH bei Holtz M D R 1978 108, 109; OLG Hamm NJW 1968 212, 214; OLG Karlsruhe N J W 1974 2142, 2144). Dem ist im Ausgangspunkt zuzustimmen, weil es für die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nicht auf das Gewissen ankommt (o. Rdn. 88) und Angehörige fremder Kulturen ohne weiteres erkennen können, dass auf deutschem Gebiet deutsches Recht gilt, dessen Inhalt von dem des Heimatrechts abweichen kann. Im Einzelfall ist allerdings nach dem Kriterium des „Anlasses", die Unrechtsfrage zu bedenken (o. Rdn. 52 f), zu differenzieren: Bei geringem Unrecht (z.B. Konsum „weicher" Betäubungsmittel, der in der fremden Kultur sozialadäquat und erlaubt ist, oder maßvolle Züchtigung von Kindern mit erzieherischem Ziel) kann es je nach Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland, Bildungsstand und Integration des Täters für ihn an einem hinreichenden Anlass fehlen, das Verbotensein des Handelns zu bedenken; hier dürfte i.d.R. zu verlangen sein, dass der Täter mit der jeweiligen deutschen Wertvorstellung bereits in Berührung gekommen ist, mag er sie auch allgemein oder für sich nicht akzeptieren. Bei jenseits davon liegendem Unrecht, namentlich bei nicht unerheblichen Eingriffen in die körperliche Integrität des Opfers, besteht hingegen auch für Angehörige fremder Kulturen Anlass, sich über die jeweilige deutsche Wertvorstellung und das jeweilige deutsche Recht zu unterrichten; die irrige Annahme, ein solches Handeln sei weltweit üblich und erlaubt, würde eine unvermeidbaren Verbotsirrtum nur begründen können, wenn die Einsichtsfähigkeit des Täters in einer im Grenzbereich der §§ 20, 21 StGB liegenden Weise eingeschränkt wäre. 3. Verbotsirrtum und Taten in Unrechtssystemen. In Unrechtssystemen sollen politisehe Indoktrination und ideologische Verblendung dazu führen können, dass der Täter sein Handeln, auch wenn es schweres und schwerstes Unrecht beinhalte, für rechtlich (und erst recht politisch oder moralisch, sittlich oder ethisch, in Theokratien ggf. auch religiös) erlaubt, ja geboten halte (zur Phänomenologie s. H. Jäger Verbrechen unter totalitärer Herrschaft [1967] S. 163 ff). In Wahrheit dürften solche Taten eher durch Neutralisierungstechniken (z.B. indem Juden als Unter-Menschen oder „Republikflüchtlinge" als Klassenfeinde definiert werden) und eine Orientierung an außerrechtlichen Normensystemen (z.B. dem Ehrenkodex der SS oder der DDR-Grenztruppen) zu erklären sein; das aber liegt von vornherein außerhalb des Regelungsbereichs des § 17 StGB (zutr. Neumann NK Rdn. 7).
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Gleichwohl hat die Rechtsprechung den Tätern nationalsozialistischer Gewalttaten in weitem Umfange bescheinigt, im Verbotsirrtum gehandelt zu haben. So hielt OGHSt 2 117, 127 ff zwei Pflegerinnen, die auf Anweisung ihres Vorgesetzten bis Mitte 1943 mindestens 25 „idiotische" Kinder im Alter von 2 bis 8 Jahren durch eigenhändige Gabe von Luminal ermordet hatten, einen je nach Bildungsstand ggf. unvermeidbaren Verbotsirrtum zugute, weil ihnen eine Amtsperson vorgespiegelt hatte, das entspreche einem „aus Reichssicherheitsgründen" noch nicht veröffentlichten Gesetz. Das LG Hamburg NJW 1976 1756 mit zust. Anm. Hanack meinte gar, Erkundigungen eines zur Tatzeit 21 jährigen SS-Unterscharführers, der 1942 und 1943 in einem in Weißrussland gelegenen Konzentrationslager auf Anweisung, untaugliche und kranke Juden „zu beseitigen", mindestens 50 von ihnen erschießen ließ, hätten „ihm die rechtlichen Skrupel eher ausgetrieben" und dem Angeklagten komme eine verbotsirrtums- und notstandsähnliche „Schuldmilderung durch Verstrickung" (krit. BVerfGE 54 100, 111; 95 96, 141) zugute. Demgegenüber war bereits 1966 auf einer von der Ständigen Deputation des DJT veranstalteten Königsteiner Klausurtagung beschlossen worden (Ziff. 3): „NS-Sendungsbewußtsein und Parteiideologie schließen das Unrechtsbewußtsein nicht aus."
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2. Abschnitt. Die Tat 104
Nicht sehr strenge Maßstäbe hat die Rechtsprechung auch an den Verbotsirrtum bei in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik begangenen Taten angelegt." Allerdings sei die Tötung eines unbewaffneten Flüchtlings durch Dauerfeuer an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze „ein derartig schreckliches und jeder vernünftigen Rechtfertigung entzogenes Tun (...), dass der Verstoß gegen das elementare Tötungsverbot auch für einen indoktrinierten Menschen ohne weiteres einsichtig, also offensichtlich" sei; dann sei auch für eine Strafrahmenmilderung gem. § 17 Satz 2 StGB kein Raum (BGHSt 3 9 1, 3 4 f; ebenso 3 9 168, 191 f; 4 0 241, 251 f). Das hat BVerfGE 9 5 96, 140 ff hingenommen, freilich „besondere Sorgfalt" bei der Feststellung der Schuld von Tätern verlangt, die von einer anderen Rechts- und Gesellschaftsordnung geprägt und in ein System von Befehl und Gehorsam eingebunden gewesen seien; für Soldaten vermeidbar sei ein Verbotsirrtum nur, wenn er „ohne weiteres Nachdenken und ohne weitere Erkundigungen einsichtig" gewesen sei (S. 142). Nach diesen Maßstäben hat die Rechtsprechung zunehmend unvermeidbare Verbotsirrtümer anerkannt, z.B. bei Schüssen nur mit Körperverletzungs- oder nur bedingtem Tötungsvorsatz (BGHSt 3 9 168, 194 f; 41 10, 15; 4 2 3 5 6 , 362) oder beim Verbergen von RAF-Terroristen (BGHSt 4 4 5 2 , 60). S. auch BGHSt 41 247, 2 7 6 f und 317, 3 4 0 zur Frage des Rechtsbeugungsvorsatzes von Richtern der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.
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Alles das ist schwerlich mit dem Ausgangspunkt der Rechtsprechung vereinbar, dass jedermann aufgerufen sei, sein „Gewissen" anzuspannen und dabei alle seine „sittlichen Wertvorstellungen" einzusetzen. Dieser Ausgangspunkt hat gerade - und nur - in Unrechtssystemen seine Berechtigung (ebenso Joecks M K Rdn. 83; Neumann NK Rdn. 101). Dass politische Indoktrination und ideologische Verblendung die Einsicht verunmöglichten, Morden, Foltern, Einsperren, Rauben oder Stehlen sei nicht zumindest möglicherweise Unrecht, ist auch bei extremer Psychologisierung des § 17 StGB eine unplausible These (o. Rdn. 102) und z.B. in OGHSt 2 117 (o. Rdn. 103) ein Schlag ins Gesicht der vielen Deutschen, die trotz unausgesetzter politischer Indoktrination 1942 und 1943 Widerstand gegen die sog. „Euthanasie-Aktion" leisteten und so ihren Abbruch erzwangen. Vor allem aber bestehen strafrechtliche Bedenken: Ebenso wenig wie Lebensführung als solche belastet (o. Rdn. 4 4 ) , kann sie entlasten. Stets ist die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums auf die Tat zu beziehen, die in den in Rede stehenden Fällen auch dann ein konkretes „schreckliches T u n " bleibt, wenn das Opfer abstrakt als Untermensch, politischer Feind, rechtlos, lebensunwert o. dgl. angesehen wird. Im Übrigen schließt das heute geltende Völkerstrafrecht die Beachtlichkeit des Verbotsirrtums für Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus (s. noch u. Rdn. 119). Allenfalls bei in Unrechtssystemen begangenen „einfachen" Tötungs-, Körperverletzungs-, Freiheitsberaubungsoder Eigentumsdelikten bleiben Verbotsirrtümer rechtlich möglich; auch dort gilt aber, dass, sind solche Delikte nach „gesetzlichem Unrecht" des Unrechtssystems rechtlich erlaubt, angesichts der engen Grenzen für die Nichtigkeit „gesetzlichen Unrechts" nur wenig Spielraum für Exkulpationen verbleibt (zutr. Neumann N K Rdn. 102).
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4 . Verbotsirrtum und Unterlassungsdelikt. Bei Unterlassungsdelikten besteht der „abstrakte" oder „direkte" Verbotsirrtum (o. Rdn. 31) in einem Irrtum über die Existenz, Gültigkeit, Anwendbarkeit oder Reichweite des jeweiligen Handlungsgebots und wird
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S. hierzu aus der Literatur Ambos NStZ 1997 491, 492; Amelung JuS 1993 637, 642; NStZ 1995 29, 30; GA 1996 51, 56 f; Arnold/Kühl JuS 1992 991, 996; Arnold
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JuS 1997 400, 404; Roos Vermeidbarkeit S. 245 ff; Tröndle/Fischer Rdn. 8a; aus rechtsphilosophischer Sicht: Adomeit NJW 1993 2914; Dreier JZ 1997 421.
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Verbotsirrtum
§17
deshalb als „Gebotsirrtum" bezeichnet (zusf. Low S. 233 ff). Bei unechten Unterlassungsdelikten soll er nach BGHSt 16 155, 160 häufiger entschuldbar (vermeidbar) sein als der Verbotsirrtum beim Begehungsdelikt, weil jene Ausnahme seien und besondere Voraussetzungen hätten. BGH NJW 1964 1330, 1331 (insoweit in BGHSt 19 295 nicht abgedruckt; s. auch OLG Schleswig SchlHA 1962 175) erweitert diesen Grundsatz auf Unterlassungsdelikte schlechthin. Die Lehre stimmt dem weithin zu 1 0 0 und verlangt teilweise für die Unrechtseinsicht sicheres Wissen der Rechts(Gebots-)widrigkeit (Jescheck/ Weigend § 41 II 2b). Richtigerweise ist zu differenzieren: Da unechte Unterlassungsdelikte begehungsgleich sein müssen (s. § 13 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB), kann bei ihnen für die Vermeidbarkeit eines „Gebotsirrtums" im Grundsatz nichts anderes als bei Begehungsdelikten gelten; Besonderheiten bestehen nur insoweit, als der Garant selbständig über die Reichweite seiner Handlungspflicht irren kann („Gebotsgrenzirrtum"). Bei den echten Unterlassungsdelikten gilt Gleiches für solche, die im Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit verankert sind wie insbesondere § 323c StGB; allerdings kann hier der Irrtum über das Erforderliche und Zumutbare zu einem unvermeidbaren „Gebotsgrenzirrtum" führen (s. erneut BGH wie Rdn. 106). Bei rechtsethisch „farblosen" echten Unterlassungsdelikten wie dem Führen eines Baubuchs (s. § 15 Rdn. 61) kann hingegen die Gebotsunkenntnis unvermeidbar sein, wenn das Gebot dem Lebenskreis des Täters fern liegt.
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5. Verbotsirrtum und Fahrlässigkeitsdelikt. Die Frage der Anwendung des § 17 StGB auf Fahrlässigkeitsdelikte ist in der Theorie stark umstritten, spielt aber in der Praxis kaum eine Rolle (s. aber OLG Karlsruhe NJW 1967 2167, 2168: fahrlässige Trunkenheitsfahrt mit 1,31 %o, kurz nachdem die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit auf 1,3 %o abgesenkt worden war). 101 Grund hierfür dürfte sein, dass bei Fahrlässigkeit die Vermeidbarkeit eines möglichen Verbotsirrtums nahe liegt und § 17 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB nahezu ohne praktische Relevanz ist. 1 0 2
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Seinem Wortlaut nach ist § 17 StGB auf Fahrlässigkeitsdelikte anwendbar (s. nur Joecks MK Rdn. 73). Man kann mit Armin Kaufmann (ZfRV 1964 41, 52) sogar der Auffassung sein, dass die Fahrlässigkeit „die Domäne des Verbotsirrtums schlechthin" sei, 1 0 3 weil es der Täter jedenfalls bei unbewusster Fahrlässigkeit per definitionem nicht einmal für möglich hält, dass er tatbestandliches Unrecht verwirklicht (mag er sich ggf. auch einer hiervon zu trennenden Sorgfaltspflichtverletzung bewusst sein). Freilich kann es nicht richtig sein, bei unbewusster Fahrlässigkeit stets einen Verbotsirrtum anzunehmen („absurdes Ergebnis", Schroeder LK 1 1 Rdn. 2). Auf der anderen Seite geht es zu
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S. Baumann/Weber/Mitsch § 21 Rdn. 61; Geilen JuS 1965 426; Herdegen FS BGH, S. 199; Tröndle/Fischer Rdn. 8.
S. weiterhin den kuriosen ordnungswidrigkeitenrechtlichen Fall OLG Düsseldorf NStZ 1990 396, 397: fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung, um einen nach der unwiderlegbaren Einlassung des Betroffenen „im Koma liegenden Wellensittich" zum Tierarzt zu bringen. Zu einer Höchstmaßmilderung nach § 4 9 Abs. 1 Nr. 1 StGB und einer Mindestmaßmilderung nach Nr. 3 kann es nicht kommen, da reine Fahrlässigkeitsdelikte nie mit
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lebenslanger Freiheitsstrafe oder erhöhtem Mindestmaß bedroht sind. Eine Höchstmaßmilderung nach Nr. 2 ist zwar theoretisch möglich, dürfte praktisch jedoch kaum je über die allgemeine Strafzumessung hinausführen. Zust. Welzel § 22 III 5. Hintergrund dieser Auffassung ist allerdings die fragwürdige These, dass Fahrlässigkeit vermeidbare Unkenntnis der Sorgfaltswidrigkeit (nicht: Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung) sei; übersehen in der Kritik von Hardwig ZStW 78 (1966) 1, 26.
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§17
2. Abschnitt. Die Tat
weit anzunehmen, der fahrlässig Handelnde könne nie einem Verbotsirrtum unterliegen (so aber Binavince S. 190 f, 197 f). Die h.L. will einen Verbotsirrtum dann anerkennen, wenn der Täter, hätte er vorsätzlich gehandelt, einem solchen Irrtum unterlegen wäre (s. Low S. 236; Schroeder LK 11 § 17 Rdn. 2); das soll insbesondere dann der Fall sein, wenn dem Täter die „jederzeit aktivierbare (...) Kenntnis von dem abstrakten rechtlichen Verbot" fehlt, 104 wobei freilich zudem die aktivierbare Kenntnis von der Gültigkeit und Anwendbarkeit des Verbots verlangt werden muss (s. Schroeder aaO). Dem hat Arzt (ZStW 91 [1979] 857, 880) entgegengehalten, so würde ein „rechtswidrig-schuldloses Alternativverhalten", ein „fiktiver Verbotsirrtum" berücksichtigt: „Kann sich der Täter, der einen vorwerfbaren Fehler gemacht hat, dadurch entlasten, dass (...) er sich anders falsch verhalten hätte und ihm daraus kein Vorwurf zu machen wäre?" Die Frage ist freilich im vorliegenden Zusammenhang wegen des Stufenverhältnisses zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu bejahen, und in vergleichbarer Weise wird z.B. bei „fahrlässiger Notwehr" argumentiert (s. § 15 Rdn. 310). Deshalb ist der h.L. zuzustimmen, was dazu führt, dass z.B. bei §§ 222, 229, 306d StGB ein Verbotsirrtum allenfalls als Erlaubnisirrtum in Betracht kommt; anders liegt es bei Fahrlässigkeitsdelikten des Nebenstrafrechts, wenn dem Täter das zugrunde liegende Verbot unbekannt ist. 110
Bei bewusst fahrlässigem Handeln will Arzt (ZStW 91 [1979] 857, 867 f) nie einen Verbotsirrtum anerkennen, weil der Täter mindestens für möglich halte, ein unerlaubtes Risiko zu schaffen (zust. Horn S. 14 f). Das ist zu streng, weil der bewusst fahrlässig Handelnde das Urteil, unerlaubt zu handeln, nicht nachvollziehen muss; tut er es nicht, weil er die Verbotsnorm nicht kennt oder irrig eine Risikoerlaubnis annimmt, kommt ein Verbotsirrtum in Betracht. 6. Sondervorschriften
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a) Für das Ordnungswidrigkeitenrecht enthält § 11 Abs. 2 OWiG eine dem § 17 Satz 1 StGB vergleichbare Regelung; der vermeidbare Verbotsirrtum ist aber nur Frage der allgemeinen Bußgeldbemessung. Zur Problematik der hierin liegenden Anerkennung der Schuldtheorie auch im Ordnungswidrigkeitenrecht s. Vor § 15 Rdn. 14. Zu den Einzelheiten des § 11 Abs. 2 OWiG s. die dortigen Kommentierungen, z.B. Rengier KK-OWiG § 11 Rdn. 50 ff.
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b) Soweit §§ 20, 21 StGB und § 3 JGG darauf abstellen, dass der Schuldunfähige bzw. Jugendliche unfähig bzw. unreif war, „das Unrecht der Tat einzusehen", bzw. bei dem vermindert Schuldfähigen die Fähigkeit hierzu „erheblich vermindert" war, wird das üblicherweise als Unterfall des Verbotsirrtums aufgefasst. 105 Allerdings bestehen zwischen den genannten Vorschriften einerseits und § 17 StGB andererseits vom Gesetzgeber gesehene, aber nicht beseitigte 106 Friktionen: Bei § § 2 0 StGB, 3 JGG genügt für volle Schuld die Fähigkeit bzw. Reife, das Unrecht einzusehen; das Fehlen der Unrechtseinsicht entlastet als solches nicht. Bei § 21 StGB setzt die fakultative Strafmilderung eine „erheb-
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Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 175 und SK Rdn. 19; ähnlich Burgstaller S. 197; Jakobs 19/34; Neumann NK Rdn. 87; Stratenwerth/Kuhlen § 15 Rdn. 49 f. BGH M D R 1968 854, 855; Dreher GA 1957 97, 98; ders. JR 1966 350, 351; Armin Kaufmann FS Eb. Schmidt, S. 319 ff; Lange
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LK 10 S 20 Rdn. 58; Schmidhäuser 10/20; Sch/Schröder/Lenckner/Perron § 20 Rdn. 4, 27; Schröder J Z 1966 451, 452; Seelig FS Mezger, S. 213, 223; Tröndle/ Fischer § 20 Rdn. 4 m.w.N. S. Prot. S. 1791; mit Recht kritisch hierzu Busse M D R 1971 985.
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Verbotsirrtum
§17
liehe" Verminderung der Einsichtsfähigkeit voraus, während bei § 17 Satz 2 StGB die Strafmilderung bei vermeidbaren Verbotsirrtümern auch dann zulässig ist, wenn der Täter voll einsichtsfähig war, was als Ungereimtheit und fragwürdige Privilegierung geistig Gesunder gelten muss (s. nur Neumann NK Rdn. 97; Roxin AT I § 20 Rdn. 36). Nur bei § § 2 0 StGB, 3 J G G sind die Maßregeln der §§ 63, 64, 69 StGB bzw. richterliche Maßnahmen gem. § 3 Satz 2 J G G möglich, nicht aber bei § 17 StGB. Und nur bei rauschbedingtem Fehlen der Einsichtsfähigkeit, nicht aber bei einem unvermeidbaren Verbotsirrtum kann nach § 323a StGB bestraft werden. Ob und wie diese Friktionen beseitigt werden können oder müssen, ist umstritten. Unstreitig ist allerdings, dass die Anknüpfung der Maßregeln bzw. richterlichen Maßnahmen gerade an die Schuldunfähigkeit und die hierdurch „biologisch" (konstitutionell) begründete Gefährlichkeit legitim ist; Gleiches gilt für die Anknüpfung des Vollrauschtatbestandes gerade an nicht auszuschließende rauschbedingte Schuldunfähigkeit. Auf der anderen Seite geht es zu weit, §§ 20, 21 StGB, 3 J G G im Verhältnis zu § 17 StGB (und zu anderen Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründen) eine „Sperrwirkung" beizumessen. 107 Auch der Schuldunfähige oder unreife Jugendliche muss sich auf einen für ihn im Einzelfall vorliegenden Verbotsirrtum berufen dürfen, 108 und bei § 17 StGB kann auch ein „biologisch" (konstitutionell) bedingter Verbotsirrtum berücksichtigt werden (Neumann NK Rdn. 97). Besonders heikel ist allerdings die Harmonisierung der § § 1 7 (bes. Satz 2) und 21 StGB. Einerseits geht es nicht an, bei krankhaft seelisch gestörten (usw.) Tätern das Erfordernis der „erheblichen" Verminderung der Einsichtsfähigkeit nach § 21 StGB in § 17 (bes. Satz 2) StGB hineinzuinterpretieren (so aber Jakobs 18/31); dadurch würde diese Vorschrift durch verbotene sog. Gegenanalogie zulasten des Täters korrigiert (zutr. Neumann NK Rdn. 97; Roxin AT I § 2 0 Rdn. 36). Andererseits geht es zu weit, § 21 StGB in der Weise zugunsten des Täters zu korrigieren, dass ohne weiteres auch nicht erhebliche Einschränkungen der Einsichtsfähigkeit genügen (so aber Schroeder LK 11 § 17 Rdn. 51 ); 1 0 9 umgekehrt darf § 21 StGB freilich auch nicht zulasten des Täters korrigiert werden, indem bei verminderter Einsichtsfähigkeit zudem die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums verlangt wird. 110 Gegen eine freie Konkurrenz der §§ 17, 21 StGB spricht, dass eine kumulative Milderung sowohl nach den Voraussetzungen als auch nach dem inneren Zusammenhang problematisch erscheint. 111 Deshalb sprechen die besten Argumente dafür, dass man die täterfreundlichere Regelung des § 17 Satz 2 StGB vorgehen lässt, so dass § 21 StGB insoweit leerläuft (Roxin aaO). 1 1 2
107
So aber Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 160 ff und SK Rdn. 15 ff und früher Neumann AK Rdn. 9 3 ; vgl. auch Jakobs 1 8 / 2 4 und 31. Wie hier Jescheck/Weigend AT § 4 0 IV 1; Neumann N K Rdn. 97; Roxin AT I § 2 0 Rdn. 36; Sch/Schröder/ Lenckner/Perron $ 21 Rdn. 6, 7 m.w.N.
108
Nach Bohnert N S t Z 1 9 8 8 2 4 9 , 2 5 2 ff ist § 3 Satz 1 1. Alt. J G G unpraktikabel und zugunsten § 17 StGB aufzulösen.
109
Prot. V / 1 7 9 1 ; B G H M D R 1 9 6 8 8 5 4 , 8 5 5 ; Dreher GA 1 9 5 7 97, 9 9 ; Armin Kaufmann FS Eb. Schmidt, S. 319, 3 3 2 ; Maurach/Zipf
110
§ 3 6 Rdn. 7 3 ; Schröder GA 1 9 5 7 2 9 7 , 3 0 4 . AA Rudolphi SK § 21 Rdn. 4 . So aber Dreher J R 1 9 6 6 3 5 0 , 3 5 1 und Tröndle/Fischer § 21 Rdn. 3; vgl. auch B G H M D R 1 9 6 8 854, 855.
111
Horn SK § 5 0 Rdn. 10 ff; Tröndle/Fischer s 5 0 Rdn. 3. AA Maurach/Zipf S 3 8 Rdn. 5 (vgl. aber auch $ 38 Rdn. 4 2 ) ; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 169, 171, 2 0 3 , 2 8 9 .
112
Jescheck/Weigend § 4 0 IV 1; Maurach/Zipf § 3 6 Rdn. 7 4 ; Neumann N K Rdn. 9 7 ; Sch/Schröder/Lenckner/Perron § 21 Rdn. 6, 7.
J o a c h i m Vogel
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113
2. Abschnitt. Die Tat
114
c) Der frühere § 4 7 M S t G B 1 1 3 und die heutigen § § 5 WStG, 11 SoldatenG, 3 0 ZDG, 7 U Z w G sowie die ihm entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften und schließlich § 9 7 StVollzG regeln die Frage des Handelns auf Befehl oder Anordnung und der diesbezüglichen (straf-)rechtlichen Verantwortlichkeit des Handelnden. Ratio legis ist, die in den Bereichen des Militärs, Zivildiensts, Gesetzes- und Strafvollzugs unverzichtbare Befehls- und Anordnungsgewalt durch Einschränkungen der Verantwortlichkeit der Befehls- oder Anordnungsunterworfenen zu flankieren (zutr. Jakobs 19/53); dem entspricht eine besondere Verantwortlichkeit des Befehls- oder Anordnungsgebers (zutr. Roxin AT I § 21 Rdn. 74). Neben Befehlen oder Anordnungen, die die Menschenwürde verletzen oder nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt werden, dürfen auch solche nicht befolgt werden, die die Begehung einer Straftat zum Gegenstand haben; daraus folgt, dass solche Befehle oder Anordnungen nicht rechtfertigen oder entschuldigen (s. nur Roxin AT I § 17 Rdn. 15; eingehend Spendet L K 1 1 § 32 Rdn. 74 ff). Mit Recht hielt BGHSt 2 251, 2 5 7 der Berufung auf eine angebliche unbedingte Gehorsamspflicht nach dem SS-Eid entgegen, das Strafrecht kenne keinen Entschuldigungsgrund des unbedingten Gehorsams (grundlegend Radbruch SJZ 1 [1946] 1: „Der Grundsatz ,Befehl ist Befehl' hat nie uneingeschränkt gegolten").
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Erkennt der Befehls- oder Anordnungsunterworfene nicht, dass die Ausführung des Befehls oder der Anordnung eine „rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht" (so § 5 Abs. 1 WStG) oder eine „Straftat" (so §§ 7 Abs. 2 UZwG, 97 Abs. 2 StVollzG), so enthalten die genannten Vorschriften nach h. L. Sonderregelungen des Verbotsirrtums, 114 durch die der Täter stärker entlastet wird als nach § 17 StGB, was mit der Logik des Systems von Befehl oder Anordnung und Gehorsam und mit dem besonderen Motivationsdruck des Befehls- oder Anordnungsunterworfenen erklärt wird. Das ist keine Konzession an eine „eingeschränkte Vorsatztheorie" (so aber Maurach/Zipf § 38 Rdn. 29, sondern entspricht der Schuldtheorie, freilich mit verminderten Anforderungen an die Vermeidbarkeit ( R o x i n AT I § 21 Rdn. 74).
116
Anders als bei § 17 StGB (o. Rdn. 16 ff) kann bereits der bloße Strafbarkeitsirrtum entlasten. Vor allem aber bleibt die Schuld nur bestehen, wenn es nach dem Täter bekannten - nicht bloß ihm erkennbaren - Umständen offensichtlich ist, dass durch die Ausführung des Befehls oder der Anordnung eine Straftat begangen wird ( § § 5 Abs. 1, 3 0 Abs. 3, 7 Abs. 2 Satz 2 UZwG, 97 Abs. 2 Satz 2 StVollzG). 1 1 5 Insbesondere kann die Schuld bei bloßem Strafbarkeitszweifel ausgeschlossen sein, jedenfalls wenn er unbeheb-
113
S. hierzu Hanack J Z 1967 297, 336 f; Schroeder LK 1 1 Rdn. 52. - Die Geltung der Vorschrift war mit VO v. 17.10.1939 (RGBl. I S. 2107) in nach BGHSt 5 239, 240 wirksamer Weise auf Angehörige der SS und der Polizeiverbände im besonderen Einsatz erstreckt worden. Nach S 4 7 MStGB entlastete sogar das fehlende sichere Wissen von der Strafrechtswidrigkeit des Befehls, s. BGHSt 5 239, 244; 10 294, 303. Vgl. weiterhin aus der Rechtsprechung BGHSt 15 214, 217 (Unrechtsbewusstsein des Vorgesetzten entgegen dem Wortlaut nicht erforderlich; zust. Jescheck J Z 1962 30; aA Schwinge MStGB 6 [1944] § 47 III 2 unter Berufung auf R M G 19 195); BGHSt 19 33,
1214
35 (keine Schuldlosigkeit, wenn der Täter den Befehl durch bewusst unwahre Meldungen herbeigeführt hat); BGHSt 19 231 (Pflicht zur Gegenvorstellung, wenn der Untergebene erkennt, dass der Vorgesetzte irrt, oder wenn dies offensichtlich ist).
114
Neumann NK Rdn. 98; Roxin AT I § 21 Rdn. 74; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben § 17 Rdn. 22a; Schroeder LK11 Rdn. 54. - Teils wird vertreten, es handele sich um Regelungen eigener Art,
Jescheck/Weigend 5 46 I 4; Τrändle! Fischer Vor § 32 Rdn. 14, 16. 115
Bei § 38 Abs. 2 Satz 2 BRRG genügt allerdings die einfache Erkennbarkeit.
Joachim Vogel
Verbotsirrtum
§17
bar ist (s. BTDrucks. 11/1700 S. 21); Schuld setzt voraus, dass die Strafbarkeit für „jedermann ohne weiteres Nachdenken" erkennbar ist (Neumann NK Rdn. 98 m.N. zum wehrrechtlichen Schrifttum). So lag es allerdings bei der Tötung von „Republikflüchtlingen" mit Dauerfeuer an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze (s. nur BGHSt 3 9 1, 32 ff m. Anm. Günther StV 1993 18, 24, dort auch zur entsprechenden Anwendung des § 5 WStG auf in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik begangenen Taten; s. weiterhin o. Rdn. 104). Selbst bei offensichtlicher Straftatbegehung lässt § 5 Abs. 2 WStG eine fakultative Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB und bei Vergehen sogar ein fakultatives Absehen von Strafe zu, wenn die Schuld des Untergebenen „mit Rücksicht auf die besondere Lage, in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand", gering ist. Nach BGHSt 5 239, 244 schloss § 47 MStGB die Anwendung der allgemeinen Grundsätze über den Verbotsirrtum, insbesondere die fakultative Strafmilderung bei vermeidbarem Verbotsirrtum (heute § 17 Satz 2 StGB), aus. 116 Dem ist für § 5 WStG zuzustimmen, weil dessen Abs. 2 die fakultative Strafmilderung mit besonderen Voraussetzungen und erkennbar abschließend regelt (aA Schroeder LK 1 1 § 17 Rdn. 52, 55; wie hier Neumann NK Rdn. 98). Bei § 7 UZwG, der nichts über eine Strafmilderung bestimmt, dürfte der Rückgriff auf § 17 Satz 2 StGB zwar nicht ausgeschlossen sein. Jedoch ist kaum vorstellbar, wie bei offensichtlicher Strafbarkeit eine Strafmilderung zu begründen sein soll; nicht irrtumsbezogene Unrechts- oder schuldmindernde Umstände würden nicht genügen (o. Rdn. 21).
117
d) Für Kriegsverbrechen und sonstige Völkerstraftaten nach §§ 8 - 1 4 VStGB enthält § 3 VStGB eine besondere Regelung des Verbotsirrtums bei Handeln auf Befehl oder Anordnung: Er entschuldigt, sofern der Täter nicht erkennt, dass der Befehl oder die Anordnung rechtswidrig ist und deren Rechtswidrigkeit auch nicht offensichtlich ist. Im Unterschied zu § 5 WStG kommt es auf die Kenntnis oder Erkennbarkeit der Strafbarkeit nicht an, sondern der Irrtum muss sich wie bei § 17 StGB auf die Rechtswidrigkeit beziehen. Weiterhin bestimmt sich die Offensichtlichkeit nicht bloß auf der Grundlage vom Täter erkannten Umständen, sondern es sind auch für den Täter offensichtliche Umstände zu berücksichtigen, mag er auch vor ihnen die Augen geschlossen haben.
118
§ 3 VStGB gilt nicht für Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach §§ 6, 7 VStGB. Ob insoweit auf § 17 StGB zurückgegriffen werden kann, ist noch nicht geklärt. 117 Dafür sprechen § 2 VStGB und das verfassungsrechtliche Schuldprinzip, dagegen eine völkerrechtskonforme Auslegung des VStGB: Art. 33 Abs. 2 Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (BGBl. II 2002, S. 1393) bestimmt, dass die Begehung von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stets „manifestly unlawful" sei (näher Werle Völkerstrafrecht [2003] Rdn. 369), und das Völkerstrafrecht folgt generell der „ignorantia iuris"-Regel, wonach der Rechtsirrtum nicht entlastet (s. Werle aaO Rdn. 351 ff m.N.).
119
7. Verbotsirrtum im Zivilrecht. Die zivilrechtliche Dogmatik des Verbotsirrtums („Rechtsirrtums") unterscheidet sich von der strafrechtlichen: Das Zivilrecht folgt in der
120
116
S. aber auch das fragwürdige Urteil BGHSt 22 223, 2 2 4 , wo (mit Hinweis auf BGH 1 StR 653/54 vom 22.4.1955; BGH 5 StR 411/65 vom 7.12.1965; s. weiterhin Hanack J Z 1967 297, 337) außerhalb des Anwendungsbereichs des § 4 7 MStGB ein Verbotsirrtum für möglich gehalten wurde, wenn
117
der Täter aus falsch verstandener Gehorsams- oder Treuepflicht den Befehl zu erkanntermaßen strafbaren Handlungen (Massenerschießungen von Juden) für bindend gehalten hatte. Walter J R 2 0 0 5 279, 283; Zimmermann ZRP 2 0 0 2 97, 100.
Joachim Vogel
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§17
2. Abschnitt. Die Tat
Sache der Vorsatztheorie, so dass der Verbotsirrtum stets den Vorsatz ausschließt und insgesamt in die Dogmatik der Fahrlässigkeit integriert w i r d . 1 1 8 Auf der anderen Seite kann jemandem, der sich nach Einholung einer Rechtsauskunft selbst in einem schuldlosen Verbotsirrtum befindet, gem. § 2 7 8 BGB eine Fahrlässigkeit der beauftragten Auskunftsperson (z.B. eines Rechtsanwalts) zugerechnet werden ( P a l a n d t / H e i n r i c h s ^ § 2 7 6 Rdn. 2 2 ) . Im Übrigen stellen sich im Zivilrecht aber durchaus vergleichbare Probleme wie im Strafrecht, und die im Strafrecht bislang wenig verwertete Zivilrechtsprechung kann fallweise durchaus für § 17 StGB fruchtbar gemacht werden (z.B. wenn ein Verschulden bei objektiv besonders unklarer Rechtslage abgelehnt wird, sofern jemand der sorgfältig ermittelten und begründeten subjektiven Rechtsauffassung folgt, Palandt/Heinrichs a a O Rdn. 2 3 ) .
118
S. nur die Darstellungen bei Erman/Westermannn S 276 Rdn. 8, 14; Palandt/ Heinrichs65 § 276 Rdn. 11, 22; Soergel/ Wolfn § 276 Rdn. 55 ff (der aber insbes. für SS 823 Abs. 2, 826 BGB daraufhinweist, dass dieser Ansatz „erheblich auf-
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geweicht [...] und nicht konsequent durchgehalten" werde). Zur Geltung des strafrechtlich bestimmten Vorsatzes für die zivilrechtliche Schadensersatzpflicht aus Schutzgesetzverletzung Tiedemarm ZIP 2 0 0 4 294 (295).
Joachim Vogel
§ 18 S c h w e r e r e Strafe bei b e s o n d e r e n T a t f o l g e n Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den T ä t e r oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Schrifttum Altenhain Der Zusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge bei den erfolgsqualifizierten Delikten, GA 1996 19; Ambos Präterintentionalität und Erfolgsqualifikation - Rechtsvergleichende Überlegungen, GA 2 0 0 2 455; Anders Zur Möglichkeit des Rücktritts vom erfolgsqualifizierten Versuch, GA 2 0 0 0 64; Bacher Versuch und Rücktritt vom Versuch beim erfolgsqualifizierten Delikt (2000); Backmann Gefahr als „besondere Folge der Tat" i.S. der erfolgsqualifizierten Delikte? M D R 1976 969; Baumann Kritische Gedanken zur Beseitigung der erfolgsqualifizierten Delikte, ZStW 70 (1958) 227; Burgstaller Erfolgszurechnung bei nachträglichem Fehlverhalten Dritter oder des Verletzten selbst, Festschrift Jescheck (1985) 357; Bussmann Zur Dogmatik der erfolgsqualifizierten Delikte nach dem Sechsten Strafrechtsreformgesetz, GA 1999 21; Degener Zur Bedeutung des Erfolges im Strafrecht, ZStW 103 (1991) 357; Diez Ripoìlés Die durch eine fahrlässig herbeigeführte schwere Tatfolge qualifizierten Delikte und das Schuldprinzip, ZStW 96 (1984) 1059; Dornseifer Unrechtsqualifizierung durch den Erfolg - ein Relikt der Verdachtsstrafe? Gedächtnisschrift Armin Kaufmann (1989) 427; Ferschl Das Problem des unmittelbaren Zusammenhangs beim erfolgsqualifizierten Delikt (1999); Geilen Unmittelbarkeit und Erfolgsqualifizierung, Festschrift Welzel (1974) 654; Gössel Dogmatische Überlegungen zur Teilnahme am erfolgsqualifizierten Delikt nach ξ 18 StGB, Festschrift Lange (1979) 219; Hänle Die Teilnahme an den erfolgsqualifizierten Delikten (1970); Hardtung Versuch und Rücktritt bei den Teilvorsatzdelikten des § 11 Abs. 2 StGB (2002); Hardwig Betrachtungen zum erfolgsqualifizierten Delikt, GA 1965 97; Hirsch Zur Problematik des erfolgsqualifizierten Delikts, GA 1972 65; ders. Der „unmittelbare" Zusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge beim erfolgsqualifizierten Delikt, Festschrift Oehler (1985) 111; Hobe Objektive Zurechnung, Fahrlässigkeit und Unrechtsschwere bei den erfolgsqualifizierten Delikten, Gedächtnisschrift Busch (1995) 253; Hruschka Konkurrenzfragen bei den sog. erfolgsqualifizierten Delikten, GA 1967 42; Ingelfinger Die Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen und die Entsprechungsklausel des § 13 Abs. 1 Halbs. 2 StGB, GA 1997 573; Jäger Der Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Delikt, NStZ 1998 161; Chr. Köhler Beteiligung und Unterlassen beim erfolgsqualifizierten Delikt am Beispiel der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) (2000); Kostuch Versuch und Rücktritt beim erfolgsqualifizierten Delikt (2004); Krey/Schneider Die eigentliche Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination nach geltendem und künftigem Recht, NJW 1970 640; Kudlich Die Teilnahme am erfolgsqualifizierten Delikt, JA 2 0 0 0 511; Kühl Erfolgsqualifizierte Delikte in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Festgabe BGH IV (2000) 237; ders. Der Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts, Festschrift Gössel (2002) 191; Küper Gefährdung als Erfolgsqualifikation, NJW 1976 543; ders. Der Rücktritt vom „erfolgsqualifizierten Versuch", J Z 1997 229; Küpper Der „unmittelbare" Zusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge beim erfolgsqualifizierten Delikt (1982); ders. Unmittelbarkeit und Letalität, Festschrift Hirsch (1999) 615; ders. Zur Entwicklung der erfolgsqualifizierten Delikte, ZStW 111 (1999) 785; Laubenthal Der Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts einschließlich des Versuchs in einem besonders schweren Fall, J Z 1987 1065; Lorenzen Zur Rechtsnatur und verfassungsrechtlichen Problematik der erfolgsqualifizierten Delikte (1981); Maiwald Der Begriff der Leichtfertigkeit als Merkmal erfolgsqualifizierter Delikte, GA 1974 257; ders. Zurechnungsprobleme im Rahmen erfolgsqualifizierter Delikte BGHSt 31, 96, JuS 1984 439; Maurach Probleme des erfolgsqualifizierten Delikts bei Menschenraub, Geiselnahme und Luftpiraterie, Festschrift Heinitz (1972) 403; Miseré Die Grundprobleme der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge (1997); Oehler Das erfolgsqualifizierte Delikt und die Teilnahme an ihm, GA 1954 33; ders. Das erfolgsqualifizierte Delikt als Gefährdungsdelikt, ZStW 69 (1957) 503; Otto Der Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts, Jura 1985 671; Paeffgen
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2. Abschnitt. Die Tat Die erfolgsqualifizierten Delikte - eine in die allgemeine Unrechtslehre integrierbare Deliktsgruppe? J Z 1 9 8 9 2 2 0 ; Puppe Erfolgszurechnung im Strafrecht (2000); Radbruch Erfolgshaftung, VDA II, 2 2 7 ; Rengier Erfolgsqualifizierte Delikte und verwandte Erscheinungsformen (1986); ders. Der Große Senat entscheidet: Exklusivitäts- oder Konkurrenzlösung, StV 1992 4 9 6 ; Schmoller Ist die versuchte Herbeiführung einer qualifizierenden Folge strafbar? JurBl 1984 654; Schneider Zur Anwendung des § 56 StGB, J Z 1956 750; Schroeder Verborgene Probleme der erfolgsqualifizierten Delikte, Festschrift Lüderssen (2002) 599; Schröder Konkurrenzprobleme bei den erfolgsqualifizierten Delikten, NJW 1956 1737; Schubarth Das Problem der erfolgsqualifizierten Delikte, ZStW 85 (1973) 754; Seebald Teilnahme am erfolgsqualifizierten und am fahrlässigen Delikt, GA 1964 161; Stree Zur Auslegung der §§ 224, 2 2 6 StGB (zugleich ein Beitrag zum Versuch erfolgsqualifizierter Delikte), GA 1960 2 8 9 ; ders. Beginn des Versuchs bei qualifizierenden Straftaten, Festschrift Peters (1974) 179; Tenckhoff Die leichtfertige Herbeiführung qualifizierter Folgen, ZStW 88 (1976) 897; Traub Zur Bedeutung des Wortes „wenigstens" in § 56 StGB, NJW 1957 370; Ulsenheimer Zur Problematik des Versuchs erfolgsqualifizierter Delikte, GA 1966 2 5 7 ; ders. Zur Problematik des Rücktritts vom Versuch erfolgsqualifizierter Delikte, Festschrift Bockelmann (1979) 4 0 5 ; Widmann Der Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts (1964); Wolter Zur Struktur erfolgsqualifizierter Delikte, JuS 1981 168; ders. Der „unmittelbare" Zusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge beim erfolgsqualifizierten Delikt, GA 1984 4 4 3 ; Ziege Die Bedeutung des § 56 StGB für Anstiftung und Beihilfe, N J W 1954 178. S. auch das Schrifttum zu den Vorbem. zu §§ 15 ff und zu § 15 Fahrlässigkeit.
Übersicht Rdn. I. Grundfragen 1. Entstehung und Entwicklung 2. Gesetzessystematik 3. Anwendungsbereich, Abgrenzung zu verwandten Erscheinungen a) Anwendungsbereich b) Objektive Strafbarkeitsbedingungen c) Erfolgsdelikte mit Vorsatz-Vorsatz-, Vorsatz-Fahrlässigkeits- und Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombinationen d) Echte Mischtatbestände e) Unbenannte besonders schwere Fälle und Regelbeispiele f) „Gefahrerfolge" 4. Erscheinungsformen erfolgsqualifizierter Delikte 5. „Wesen" der erfolgsqualifizierten Delikte 6. Erfolgsqualifizierte Delikte und Rechtsgüterschutz- sowie Schuldprinzip . . . a) Kritik b) Legitimation durch die h.A c) Stellungnahme 7. Praktische Bedeutung der erfolgsqualifizierten Delikte Π. Objektive Zurechnung der Folge . . . . 1. Allgemeines a) Kausalität b) Objektiver Zurechnungszusammenhang aa) Rechtsprechung bb) Lehre cc) Stellungnahme
1218
1 1 5 7 7 11
12 13 14 15 16 19 22 23 24 25 27 28 28 28 31 32 34 35
Rdn. 2. Zurechnung der Folge bei Mitverantwortung des Verletzten 3. Zurechnung der Folge bei Mitverantwortung Dritter 4. Zurechnung der durch Versuchs- oder Begleithandlungen der vollendeten Tat bewirkten Folge; sog. Letalitätstheorie 5. Zurechnung der durch Nachtatverhalten bewirkten Folgen 6. Zurechnung der Folge bei mehraktigen Grunddelikten III. Subjektive Zurechnung der Folge . . . . 1. Allgemeines 2. Vorsatz 3. Leichtfertigkeit 4. Fahrlässigkeit 5. Zeitpunkt des Vorliegens von Vorsatz, Leichtfertigkeit oder Fahrlässigkeit . . 6. Feststellung der inneren Tatseite . . . IV. Sonderfragen 1. Erfolgsqualifiziertes Delikt und Unterlassen 2. Vorsatzausschließender Irrtum, Rechtfertigung und Entschuldigung beim erfolgsqualifizierten Delikt 3. Beteiligung am erfolgsqualifizierten Delikt a) Täterschaft b) Teilnahme c) Beteiligung durch Unterlassen . . . 4. Versuch und Rücktritt beim erfolgsqualifizierten Delikt a) Nicht vorsätzlich erfolgsqualifizierter Versuch
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36 39
42 47 49 52 52 53 57 59 61 62 63 63
65 67 67 68 71 72 74
:ren Tatfolgen
Schwerere Strafe bei
§ 18 Rdn.
Rdn. aa) Rechtsprechung
75
bb) L e h r e
77
cc) S t e l l u n g n a h m e
79
e) R ü c k t r i t t
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a a ) R ü c k t r i t t v o m versuchten erfolgsqualifizierten D e l i k t
. .
84
b b ) R ü c k t r i t t v o m erfolgsquali-
b) Vorsätzlich erfolgsqualifizierter Versuch
fizierten Versuch
80
5. K o n k u r r e n z e n
c) Versuchtes erfolgsqualifiziertes D e l i k t mit vollendetem G r u n d d e l i k t
a) H a n d l u n g s k o n k u r r e n z
81
b) G e s e t z e s k o n k u r r e n z
d) Versuchtes erfolgsqualifiziertes Delikt mit versuchtem Grunddelikt
6. S t r a f z u m e s s u n g
82
85 86 86 87 92
I. Grundfragen 1. Entstehung und Entwicklung. Eine dem § 18 StGB entsprechende Vorschrift war erstmals mit § 56 StGB i.d.F. des Art. 2 Nr. 9b) Drittes Strafrechtsänderungsgesetz v. 4.8.1953 (BGBl. I S. 735) in das StGB eingefügt worden. Nach vorherigem Recht genügte es, dass der Täter die Folge durch sein Handeln adäquat verursachte (näher zur Praxis bis 1953 Rengier S. 62 ff mit dem Fazit: „ungerechte Ergebnisse findet man nicht"). Das wurde seit jeher als Verstoß gegen das Schuldprinzip kritisiert (näher zur wissenschaftlichen Diskussion bis 1953 Rengier S. 68 ff). Auf der Grundlage des (§ 43 des damaligen norwegischen StGB nachgebildeten) Vorschlags von Radbruch (VDA II, S. 251) enthielten alle Reformentwürfe dem § 18 StGB vergleichbare Vorschriften (§ 62 VE 1909, § 25 KE, § 17 E 1919, § 15 E 1925, § 21 E 1927, § 17 E 1936), wobei § 62 VE 1909 die vorsätzliche Erfolgsherbeiführung ausdrücklich ausnahm, bis zum E 1919 mindestens Voraussehbarkeit, vom E 1925 ab mindestens Fahrlässigkeit hinsichtlich der Folge verlangt wurde. Die heutige Fassung beruht auf Art. 1 Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts (s. Vor § 15 Rdn. 1) und stellt gegenüber § 56 StGB a.F. klar, dass das Vorsatz- oder Fahrlässigkeitserfordernis auch für Teilnehmer gilt.
1
Die Rechtsfigur des erfolgsqualifizierten Delikts ist weit älter als § 18 bzw. § 56 StGB a.F. In der Strafrechtsgeschichte 1 finden sich Vorläufer in den Lehren vom „versari in re illicita", vom „dolus indirectus" und von der „culpa dolo determinata" (Überblick bei Paeffgen NK Vor § 18 Rdn. 2 ff). Bis heute gibt es in ausländischen Rechtsordnungen eine Verantwortlichkeit für „präterintentionales" Handeln (instruktiv Ambos GA 2 0 0 2 455 ff). In der modernen Strafrechtsdogmatik hatte sich längst vor Inkrafttreten des § 18 StGB bzw. § 56 StGB a.F. ein dogmatischer Begriff des erfolgsqualifizierten Delikts herausgebildet. Jedoch erscheint es ebenso problematisch, das heute geltende Recht zu „rehistorisieren" (s. Puppe S. 195 ff, 200, wonach eine zutreffende Begriffsbildung „weder mit dem gemeinrechtlichen dolus indirectus noch mit Feuerbachs culpa dolo determinata gelungen zu sein scheint"), wie es fragwürdig wäre, § 18 StGB vor dem Hintergrund des zum RStGB entwickelten Rechtsbegriffs des erfolgsqualifizierten Delikts auszulegen (zutr. Schroeder LK 11 Rdn. 2).
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In der deutschen Gesetzgebung sind erfolgsqualifizierte Delikte eine seit jeher viel verwendete Deliktsform.2 Das gilt bis in neuere und neueste Zeit (s. Küpper ZStW 111 [1999] 785 ff zu den die erfolgsqualifizierten Delikte betreffenden Änderungen durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts v. 26.1.1998, BGBl. I S. 164). Im Vordergrund
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S. hierzu Oehler ZStW 6 9 (1957) 503, 504 ff;
Radbruch VDA II, S. 230 ff; Schneider JR 1955 414 f; Schubarth
ZStW 85 (1973) 754 ff.
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Aufarbeitung der Gesetzgebungsgeschichte vom preuß. ALR bis 1953 bei Rengier S. 13 ff, 5 4 ff.
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2. Abschnitt. Die Tat stehen die todeserfolgsqualifizierten Delikte, die in der Praxis Auffangfunktion bei nicht nachweisbarem Tötungsvorsatz haben (u. Rdn. 27). Die neuere Gesetzgebung neigt einerseits einschränkend dazu, Leichtfertigkeit zu verlangen, misst dann aber leichtfertiger Todesherbeiführung drastisch strafschärfende Wirkung mit z.T. höheren Mindeststrafen als bei §§ 212 ff StGB bei (zum Problem u. Rdn. 92). 4
Zur kriminalpolitischen Problematik der erfolgsqualifizierten Delikte s. Vor § 15 Rdn. 35 f. Zu einer möglichen Reform s. Paeffgen NK Rdn. 138; Rengier S. 291 ff. S 18 StGB wäre überflüssig, würde, was Hirsch GA 1972 65, 76 f de lege ferenda empfiehlt, der Gesetzgeber bei den einzelnen Strafvorschriften stets ausdrücklich anordnen, ob hinsichtlich der Folge Fahrlässigkeit (oder auch nur Leichtfertigkeit) genügt. Dem ist der Gesetzgeber für die leichtfertigen todeserfolgsqualifizierten Delikte des StGB nachgekommen, wo durchweg ausdrücklich angeordnet ist, dass der Tod „wenigstens leichtfertig" verursacht werden muss (s. BTDrucks. XIII/8587 S. 79). Freilich beeinträchtigt ein solches Vorgehen die Entlastungsfunktion des Allgemeinen Teils für den Besonderen Teil (s. zu § 15 dort Rdn. 2).
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2. Gesetzessystematik. § 18 StGB ist gesetzessystematisch nicht geglückt: Bereits aus § 15 StGB folgt, dass für die Folge Vorsatz erforderlich ist, wenn nicht ausdrücklich angeordnet ist, dass Fahrlässigkeit genügt. Eine solche Anordnung enthält freilich § 18 StGB, der systematisch besser als § 15 Abs. 2 StGB hätte eingeordnet und wie folgt gefasst werden sollen: „Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den Täter oder den Teilnehmer bereits dann, wenn ihm hinsichtlich der Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt" (zutr. Schroeder LK 1 1 Rdn. 1). Das Wort „nur" war bei § 5 6 StGB a.F. sinnvoll, liegt aber bei § 18 StGB an der Grenze zum Redaktionsfehler und kann „schlicht ignoriert" (Hardtung M K Rdn. 1) werden.
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Der systematische Zusammenhang zwischen § 18 StGB und § 11 Abs. 2 StGB ist nicht unbestritten. Nach h.A. unterfallen erfolgsqualifizierte Delikte, wenn die Folge nur fahrlässig herbeigeführt worden ist, stets auch § 11 Abs. 2 StGB, der jedoch - weitergehend - alle Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen umfasst. 3 3. Anwendungsbereich, Abgrenzung zu verwandten Erscheinungen
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a) § 18 StGB ist nur anwendbar, wenn das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe knüpft. Hieraus folgt für den Anwendungsbereich zum einen, dass die Tat für sich mit Strafe bedroht sein muss (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB): Erfordernis eines strafbaren Grunddelikts (sogleich Rdn. 8). 4 Zum anderen muss das Gesetz auf eine besondere Folge der Tat abstellen (sogleich Rdn. 9).
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Im typischen Fall des erfolgsqualifizierten Delikts ist das Grund- ein Vorsatzdelikt; hieraus ergibt sich, dass erfolgsqualifizierte Delikte typischerweise Vorsatz-Fahrlässigkeits- oder Vorsatz-Leichtfertigkeits-, aber auch („wenigstens") Vorsatz-Vorsatz-Kombinationen sind. Freilich schließt § 18 StGB nicht aus, dass das Grunddelikt ein Fahrlässigkeitsdelikt ist (ebenso Hardtung M K Rdn. 6; Lackner/Kühl Rdn. 1), so dass bei erfolgsqualifizierten Delikten auch eine Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombination denk-
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S. Hardtung Versuch und Rücktritt, S.9; Lackner/Kühl § 11 Rdn. 24; Lemke NK § 11 Rdn. 57 ff; Radtke MK § 11 Rdn. 107; Tröndle/Fischer § 11 Rdn. 32.
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E 1962 Begr. S. 119; Samson SK § 11 Rdn. 21; Sch/Schröder/Eser § 11 Rdn. 40 ff.
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
bar ist.5 Im früheren Recht enthielten §§ 309 Alt. 2, 314 Alt. 2 und 320 Alt. 2 StGB a.F. solche Kombinationen; im heutigen Recht finden sich keine überzeugenden Beispiele mehr.6 Statt von einer besonderen Folge sprachen § 62 VE 1909 von einem „bestimmten Erfolg", § § 2 5 KE, 18 E 1919 von einer „im Gesetz besonders bezeichneten Folge" und § 15 E 1925 von einer „besonders bezeichneten Folge". Hieran knüpft die nunmehrige Formulierung an (s. BTDrucks. 1/3713 S. 33) und hat dabei das Leitbild des todeserfolgsqualifizierten Delikts vor Augen. Vor diesem Hintergrund kann die besondere Folge als gesetzlich vertypte, noch nicht oder nicht notwendigerweise (u. Rdn. 17) im Grunddelikt enthaltene und rechtsgutsverletzende, nicht bloß gefährdende (u. Rdn. 15) Folge definiert werden.
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Hiernach ist § 18 StGB auf folgende Tatbestände des StGB anwendbar: §§ 176b; 178 (ggf. i.V.m. § 179 Abs. 7); 221 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3; 226 (ggf. i.V.m. § 340 Abs. 3); 227 (ggf. i.V.m. § 340 Abs. 3); 235 Abs. 5; 239 Abs. 3 Nr. 2 (str. für Nr. 1), Abs. 4; 239a Abs. 3; 239b Abs. 2; 251 (ggf. i.V.m. §§ 252, 255); 306b Abs. 1; 306c; 307 Abs. 3; 308 Abs. 2, Abs. 3 (ggf. i.V.m. §§ 313 Abs. 2, 314 Abs. 2); 309 Abs. 3, Abs. 4; 312 Abs. 3, Abs. 4; 315 Abs. 3 Nr. 2 (ggf. i.V.m. § 315b Abs. 1 Nr. 3); 316a Abs. 3; 316c Abs. 3; 318 Abs. 3; 330 Abs. 2 Nr. 2; 330a Abs. 2. Im Nebenstrafrecht ergibt sich die Anwendbarkeit des § 18 StGB aus Art. 1 EGStGB; s. z.B. § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG; § 40 Abs. 3 SprengstoffG („wissentlich"); § 74 Abs. 2 TierseuchenG („absichtlich"); § 97 Abs. 1 AufenthG (Einschleusen mit Todesfolge).
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b) § 18 StGB ist nach h.A. nicht auf objektive Strafbarkeitsbedingungen anwendbar (s. hierzu bereits § 15 Rdn. 313 f), da diese Bedingungen nicht zu „schwererer Strafe" führen, sondern die Strafbarkeit erst begründen.7 Zwar kann bei §§ 186, 231, 283 StGB das tatbestandsmäßige Verhalten im Einzelfall gem. §§ 185 (i.V.m. § 192), 223 ff oder § 331 HGB selbstständig strafbar sein; aber die genannten Vorschriften enthalten keine „Grunddelikte", zu denen bei §§ 187, 231 und 283 StGB „besondere Folgen" hinzutreten würden. In der Lehre wird allerdings vertreten, das Schuldprinzip gebiete, § 18 StGB in verfassungskonformer Auslegung oder qua argumento a maiore ad minus anzuwenden (s. zur Beteiligung an einer Schlägerei, früher § 227, heute § 231 StGB Hirsch LK 11 § 227 Rdn. 1, 13,15 und GA 1972 77).
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c) Weiterhin ist § 18 StGB nicht auf Erfolgsdelikte mit Vorsatz-Vorsatz-, VorsatzFahrlässigkeits- und Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombinationen von Handlungen und Folgen anwendbar, wenn die Handlung für sich genommen nicht oder jedenfalls nicht in ihrer Ausformung als Grunddelikt (s. hierzu Krey/Schneider N J W 1970 640, 641) straf-
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Theoretisch denkbar (aber de lege lata nicht vorgesehen) sind auch erfolgsqualifizierte Delikte mit Fahrlässigkeits-Vorsatz-Kombination (Gössel FS Lange, S. 219, 2 2 3 ; aA Schroeder LK 1 1 Rdn. 31 Fn. 45). Gäbe es z.B. ein Delikt der Trunkenheitsfahrt mit Todesfolge, so wäre denkbar, dass der betrunkene Täter in der fahrlässigen Annahme, fahrtüchtig zu sein, einen Menschen vorsätzlich durch Überfahren tötet. S. aber § 315c Abs. 3 Nr. 2 im Verhältnis zu § 316 StGB. - Entgegen Schroeder LK 1 1
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Rdn. 11 ist § 2 8 3 Abs. 5 Nr. 2 StGB nur ein Erfolgsdelikt mit Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombination, weil fahrlässige Verstöße gegen S 2 8 3 Abs. 1 Nr. 2, 5 und 7 StGB als solche straflos sind, wenn zum Tatzeitpunkt noch keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vorliegt bzw. Zahlungsunfähigkeit droht. BGHSt 6 89; Maurach/Zipf % 35 Rdn. 24; Paeffgen NK Rdn. 3; Rudolphi SK Rdn. 2; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 18 Rdn. 2; Schroeder L K » Rdn. 3.
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§18
2. Abschnitt. Die Tat
bar ist. 8 Solche Delikte sind in der neueren Gesetzgebung vor allem in der Gestalt verbreitet, dass der Gesetzgeber eine abstrakt gefährliche Handlung nicht als solche, sondern nur dann unter Strafe stellt, wenn sie zudem zu einer konkreten Gefahr („Gefahrerfolg") geführt hat, 9 wie z.B. in §§ 97, 109e, 109g, 312, 315 ff, 3 5 3 b StGB, §§ 19, 41, 4 2 , 4 4 W S t G . Bei solchen Delikten handelt es sich „praktisch um Fahrlässigkeitsdelikte mit bewußter Pflichtverletzung" (treffend Schroeder L K 1 1 Rdn. 5). Hier stellt sich nicht erst die Frage, ob ein „Gefahrerfolg" eine „Folge" i.S.v. § 18 StGB ist (u. Rdn. 15); vielmehr fehlt es bereits an einem selbstständig strafbaren Grunddelikt. 1 0 Im Übrigen ist zu bemerken, dass der Gesetzgeber bei den hier in Rede stehenden Delikten stets ausdrücklich anordnet, inwieweit sie vorsätzlich oder ganz oder teilweise fahrlässig begangen werden können (s. nur § 315c Abs. 3 StGB); auch deswegen verbietet sich der Rückgriff auf § 18 StGB (s. noch u. Rdn. 18). § 11 Abs. 2 StGB ist auf diese Delikte hingegen nach h.A. anwendbar, eingehend Gribbohm L K 1 1 § 11 Rdn. 110 ff. 13
d) Auch bei den früheren sog. echten Mischtatbeständen, bei denen ein Bußgeldtatbestand bei Eintreten besonderer Folgen zum Straftatbestand wurde (s. § 2 WiStG a.F.), fehlte es an einer „Tat" i.S.v. § 5 6 StGB a.F., nämlich einem strafbaren Grunddelikt. BGHSt 11 2 6 3 wollte hier schuldunabhängig bestrafen; dem widersprach die h.L. mit Recht, weil das Schuldprinzip dazu zwingt, mindestens Fahrlässigkeit hinsichtlich der Folge zu verlangen. 1 1 Erst recht waren Vorsatz oder Fahrlässigkeit nach allgemeinen Regeln für die früheren sog. unechten Mischtatbestände mit bloß straferschwerenden Folgen erforderlich (vgl. auch Krey/Schneider N J W 1 9 7 0 641). S. auch § 16 Rdn. 54.
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e) Auf unbenannte besonders schwere Fälle und Regelbeispiele, die an das Eintreten einer besonderen Folge anknüpfen wie z.B. §§ 2 6 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 , 2 6 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB, ist § 18 StGB nicht unmittelbar anwendbar. In der Lehre wird eine analoge
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Krey/Schneider NJW 1970 640 wollen insoweit von „eigentlichen Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen" sprechen und bezeichnen die erfolgsqualifizierten Delikte nach § 18 StGB als „uneigentliche Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination" (zust. Jescheck/Weigend § 26 II la, § 54 III 1). Hirsch (GA 1972 76 in Fn. 57) will von „erfolgsbegründeten Delikten mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination" sprechen. Vorzugswürdig dürfte die klassische Terminologie sein, wonach erfolgsqualifizierte Delikte einerseits und Erfolgsdelikte andererseits und innerhalb dieser vorsätzliche, fahrlässige und Erfolgsdelikte mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination unterschieden werden. Den letzteren Tatbestandstypus hält Cramer NJW 1964 1835, 1837 nur dann für gerechtfertigt, wenn bereits der Kernbereich des Delikts strafwürdiges Unrecht darstelle; dann aber würden diese Delikte weitgehend zu erfolgsqualifizierten Delikten i.S.v. § 18 StGB. Mag auch in der Praxis das Erfordernis eines „Gefahrerfolgs" nicht immer sehr bedeu-
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tungsvoll sein, da die abstrakt-generell gefährliche Handlung vielfach auch eine konkrete Gefahr herbeiführt, vor allem - wie im Staatsschutzrecht - für überindividuelle Güter; näher Schroeder Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht (1970) S. 312. Grenzfälle sind §§ 315a Abs. 1 Nr. 1, 315c Abs. 1 Nr. l a StGB, da sie im Verhältnis zu § 316 StGB durchaus als gefahrerfolgsqualifizierte Delikte verstanden werden können, so Gössel FS Lange, S. 219, 221; Schroeder LK 1 1 Rdn. 6; aA Krey/Schneider NJW 1970 640, 641. Freilich scheitert die Anwendung des S 18 StGB im Ergebnis daran, dass die Vorschrift nicht auf Gefahrerfolge anwendbar ist (u. Rdn. 15). Grundlegend Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 228 Fn. 141 und S. 235 ff; für schuldunabhängige Bestrafung aber BGHSt 11 263; dagegen mit Recht Baumanns § 27 I 2a und J Z 1961 564; Kohlrausch/Lange § 59 V 3b; Lang-Hinrichsen GA 1957 225 ff und ZStW 73 (1961) 230; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 87 ff.
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
Anwendung teils befürwortet, 12 teils dezidiert abgelehnt (Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 2). Richtigerweise ist zu unterscheiden: Wird das Vorliegen eines unbenannten besonders schweren Falles mit der h.A. als Frage der Strafzumessung angesehen, so legt es § 46 Abs. 2 StGB („verschuldete Auswirkungen der Tat") in der Tat nahe, dass Fahrlässigkeit genügt. Demgegenüber kann sich bei einem Regelbeispiel aus einem Vergleich mit den anderen Regelbeispielen (also durch binnensystematische Auslegung) ergeben, dass es nur vorsätzlich verwirklicht werden kann; dieses Auslegungsergebnis darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass bei bloßer Fahrlässigkeit auf einen unbenannten besonders schweren Fall zurückgegriffen wird. Erst recht abzulehnen ist die Anwendung des § 18 StGB auf Regelbeispiele, die wie z.B. §§ 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 121 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 125a Satz 2 Nr. 3, 218 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB oder § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BtMG auf einen bloßen „Gefahrerfolg" abstellen (s. sogleich Rdn. 15). f) Schließlich ist § 18 StGB nach ganz h.A. nicht auf „Gefahrerfolge" anwendbar. 13 Allerdings kennt das StGB eine Fülle von „gefahrerfolgsqualifizierten Delikten", z.B. -
„todesgefabrqualifizierte Delikte" bei §§ 177 Abs. 4 Nr. 2b; 2 2 4 Abs. 1 Nr. 5; 1 4 2 2 5 Abs. 3 Nr. 1; 2 5 0 Abs. 2 Nr. 3b; 330 Abs. 2 Nr. 1 Abs. 1; „körperverletzungsgefahrqualifizierte Delikte" bei §§ 177 Abs. 3 Nr. 2; 2 5 0 Abs. 1 Nr. lc; 312 Abs. 3; 315c Abs. 1; 330 Abs. 2 Nr. 1 Abs. 2 und 3.
Für sie gilt aber § 15, nicht § 18 StGB. Entgegen BGHSt 2 6 176, 181 ergibt sich das nicht schon aus dem grammatischen Argument, es sei sprachlich unmöglich, eine Gefahr als außenweltliche „Folge" einer Tat zu bezeichnen. In der allgemeinen Straftatlehre ist mittlerweile überwiegend anerkannt, dass auch eine konkrete Gefahr als „Erfolg" - wenn auch nicht als (Rechtsguts-) „Verletzung" - angesehen werden kann. 1 5 Fragwürdig ist auch die Anknüpfung an das „Wesen" der erfolgsqualifizierten Delikte (s. noch u. Rdn. 19 ff) 1 6 und der Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber, wenn er die fahrlässige Gefahrverursachung genügen lassen wolle, dies ausdrücklich anzuordnen pflege (aA Sch/Schröder/ Eser § 250 Rdn. 24; die dort genannten Beispiele betreffen Erfolgsdelikte mit VorsatzFahrlässigkeits-Kombinationen ohne selbstständig strafbares Grunddelikt, o. Rdn. 12). Vielmehr sprechen gegen die Anwendbarkeit des § 18 StGB zunächst historische Argumente: § 56 StGB a.F. (o. Rdn. 1) war eingefügt worden, um die Strafbarkeit bei erfolgsqualifizierten Delikten durch das Vorsatz- oder Fahrlässigkeitserfordernis einzuschränken,
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E 1962 Begr. S. 185; Backmann M D R 1976 9 6 9 Anm. 4; Frisch GA 1972 321; Hardtung M K Rdn. 15; Jescheck/Weigend § 29 II 3b; Koffka LK 9 § 13 Rdn. 45 m.w.N.; Maurach/Gössel/Zipf § 63 Rdn. 42; Wessels FS Maurach, S. 3 0 0 f; aA Dreher/Tröndle47 Rdn. 3; Gössel FS Lange, S. 2 2 2 . BGHSt 2 6 176, 180; BGH N J W 1999 3131; BGH NStZ 2 0 0 5 157. S. aus der Lehre: Backmann M D R 1976 969; Jakobs 9/30; Rudolphi SK Rdn. 2; Sch/Schröder/Cramer/ Sternberg-Lieben Rdn. 2; Tröndle/Fischer Rdn. 2a; aA für Gefahrerfolgsqualifikationen (nicht aber für Regelbeispiele mit Gefahrerfolgen) Dreher/Tröndle47 Rdn. 3 ff (sodann aufgegeben); s. auch Gössel FS Lange, S. 221.
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Ob eine konkrete Lebensgefahr eintreten muss, ist umstritten; bejahend Küper FS Hirsch, S. 614; Paeffgen NK § 2 2 4 Rdn. 28; Sch/Schröder/Stree § 2 2 4 Rdn. 12; Schröder J Z 1967 5 2 2 ff; S tree Jura 1980 281, 291 f; verneinend BGHSt 2 160, 163; OLG Düsseldorf N J W 1989 9 2 0 ; O L G Köln N J W 1983 2274; Frisch JuS 1 9 9 0 362, 365; Gallas FS Heinitz, S. 183; Lilie LK 1 1 § 2 2 4 Rdn. 36; Tröndle/Fischer § 2 2 4 Rdn. 12. Vgl. Backmann M D R 1976 969, 9 7 0 f; Küper N J W 1976 543, 5 4 4 . Backmann M D R 1976 969, 972; Küper N J W 1976 543 ff; Rudolphi SK Rdn. 2.
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2. Abschnitt. Die Tat
nicht, um die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit auszuweiten. Auch der E 1962 (Begr. S. 185, 284, 417, 468, 609) sah Gefahren nicht als „Folgen" an. 17 Das ist bis in neueste Zeit bestätigt worden (s. BTDrucks. XIII/9064 S. 23 zu § 330 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Vor allem aber bestehen systematische Bedenken gegen die Erstreckung des § 18 StGB auf „Gefahrerfolge": So leuchtet es z.B. nicht ein, dass, wenn § 251 StGB für die Herbeiführung des Todes Leichtfertigkeit verlangt, bei § 250 Abs. 2 Nr. 3b StGB für die Herbeiführung der Lebensgefahr einfache Fahrlässigkeit genügen zu lassen;18 oder es würde § 315c Abs. 3 Nr. 1 StGB umgangen, wenn § 315 Abs. 1 Nr. la StGB als „Gefahrerfolgsqualifikation" zu § 316 StGB verstanden würde (zutr. Hardtung MK Rdn. 12). Vielfach ergibt sich das Erfordernis des Gefährdungsvorsatzes (§ 15 StGB) auch daraus, dass der Strafrahmen des jeweiligen „gefahrerfolgsqualifizierten Delikts" mit einem Fahrlässigkeitsstrafbarkeitsrahmen, der regelmäßig weit nach unten offen ist, unvereinbar erscheint, 19 wie z.B. bei § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB (BGH NJW 1999 2132). 16
4. Erscheinungsformen erfolgsqualifizierter Delikte. Die Mehrzahl der erfolgsqualifizierten Delikte des StGB sind todeserfolgsqualifiziert (z.B. §§ 178, 227, 251, 306c StGB). 2 0 Daneben gibt es körperverletzungserfolgsqualifizierte Delikte, wobei teils auf eine näher bestimmte „schwere Körperverletzung" (§§ 226, 340 Abs. 3 StGB) abgestellt wird, teils auf eine davon zu unterscheidende „schwere Gesundheitsbeschädigung" (z.B. SS 221 Abs. 2 Nr. 2, 239 Abs. 3 Nr. 2, 306b Abs. 1 Alt. 1, 308 Abs. 3 Alt. 1 StGB) und teils auf eine einfache „Gesundheitsbeschädigung einer großen Zahl von Menschen" (z.B. S§ 306b Abs. 1 Alt. 2, 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB). Umstritten ist, ob die Freiheitsberaubung länger als eine Woche (S 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB) eine Folge i.S.v. S 18 StGB ist.21
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Im Verhältnis zum Grunddelikt sind erfolgsqualifizierte Delikte teils durch im Grunddelikt nicht enthaltene Erfolge, teils aber auch durch Erfolgsintensivierung gekennzeichnet. So sind die Folgen des S 226 Abs. 1 StGB selbstverständlich bereits auch Körperverletzungserfolge; oder bei §§ 221 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3, 308 Abs. 2 und 3, 312 Abs. 3 und 4 und 318 Abs. 3 und 4 StGB ist es notwendiges Durchgangsstadium zu den qualifizierenden Körperverletzungs- oder Todesfolgen, dass zuvor eine Leibes- oder Lebensgefahr eintrat, die bereits Tatbestandsmerkmal des jeweiligen Grunddelikts ist, s. §§ 221 Abs. I , 2 2 3 0 8 Abs. 1, 312 Abs. 1 und 318 Abs. 1 StGB. Gleichwohl bestehen nicht nur keine Bedenken, sondern es liegt besonders nahe, solche Delikte als erfolgsqualifizierte Delikte zu bezeichnen (u. Rdn. 20). Das Vorsatzerfordernis für das Grunddelikt bleibt selbstverständlich unberührt.
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Zahlreiche erfolgsqualifizierte Delikte regeln ausdrücklich, ob und inwieweit für die Folge Vorsatz oder Fahrlässigkeit erforderlich ist. So beschränkt § 226 Abs. 2 StGB
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Vgl. v. Bubnoff LK10 § 125a Rdn. 13; Wessels FS Maurach, S. 3 0 0 . Maurach/Schroeder/Maiwald I § 35 Rdn. 31 i.V.m. 28. Vgl. Meyer-Gerhards JuS 1976 228, 2 3 2 . S. auch Paeffgen NK Rdn. 16 ff; Rengier S. 98 ff. Verneinend Horn/Wolters SK § 2 3 9 Rdn. 16; Tröndle/Fischer § 2 3 9 Rdn. 15; Wieck-Noodt M K § 2 3 9 Rdn. 38; bejahend BGHSt 10 3 0 6 , 3 0 8 ; 21 288, 291; Lackner/Kühl § 2 3 9 Rdn. 9; Träger/Schluckebier LK 1 1 § 2 3 9 Rdn. 33. Für das Vorsatzerfordernis
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nach § 15 StGB sprechen die Verbrechensstrafe und der Umstand, dass die praktische Bedeutung einer hinsichtlich der Dauer fahrlässigen Freiheitsberaubung recht gering erscheint. Durch die Neufassung des § 221 StGB im Jahr 1998 ist die frühere Streitfrage, ob und inwieweit die Aussetzung konkretes Gefährdungsdelikt sei, entfallen; s. hierzu Feloutzis Das Delikt der Aussetzung nach deutschem und griechischem Recht (§ 221 dStGB, Art. 306 grStGB) (1984) S. 103.
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
die subjektive Zurechnung auf Absicht oder Wissentlichkeit (was im Umkehrschluss für § 226 Abs. 1 StGB heißt, dass dort Fahrlässigkeit oder bedingter Vorsatz genügen). Zunehmend beschränkt der Gesetzgeber die erfolgsqualifizierten Delikte auf „leichtfertige" oder „wenigstens leichtfertige" Herbeiführung der Folge, so in §§ 176b, 178, 179 Abs. 6, 239a Abs. 3, 239b Abs. 2, 251, 306c, 307 Abs. 3, 308 Abs. 3, 309 Abs. 4, 313 Abs. 2, 316a Abs. 3 StGB, § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG. In diesen Fällen bedarf es keines Rückgriffs auf § 18 StGB, der freilich bestätigt, dass auch dort, wo der Gesetzgeber die Zurechnung auf leichtfertiges Handeln beschränkt und dabei - wie mittlerweile nur mehr im Nebenstrafrecht, z.B. bei § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG - auf das klarstellende Wort „wenigstens" verzichtet, auch vorsätzliche Folgenherbeiführung gemeint ist; näher u. Rdn. 53 ff. 5. „Wesen" der erfolgsqualifizierten Delikte. Die erfolgsqualifizierten Delikte sind im Verhältnis zu den jeweiligen Grunddelikten leges speciales, enthalten nämlich deren Tatbestandsmerkmale und zudem das spezialisierende Merkmal der besonderen Folge. Nach h.A. sind sie zudem Qualifikationen, nämlich im Verhältnis zu den jeweiligen Grunddelikten einerseits selbstständige und andererseits durch einen gesteigerten - nicht andersartigen (delieta sui generis) - Unrechts- und Schuldgehalt gekennzeichnete Delikte. 23 Demgegenüber will Rengier S. 135 sie „nicht als Delikte mit besonderer Rechtsnatur, sondern in ihrer strafzumessungsrechtlichen Funktion (...) betrachten" und rückt sie somit in die Nähe von vertypten Strafzumessungsregeln.
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Ob der Streit von mehr als nur begrifflichem oder systematischem Interesse und ob die Frage nach dem „Wesen" der erfolgsqualifizierten Delikte sinnvoll gestellt ist, unterliegt Zweifeln (krit. zur „Wesens"suche Küpper S. 24 ff; Lorenzen S. 34 ff; Rengier S. 130 ff; s. auch Schubarth ZStW 85 [1973] 754, 763 ff). Gegen eine Einordnung der erfolgsqualifizierten Delikte als bloße Strafzumessungsregeln spricht deren bestimmte Ausformung als eigenständige gesetzliche Tatbestände. Ihre Einordnung als Qualifikationen liegt insbesondere dort nahe, wo die Folge in einer Intensivierung des Erfolges des Grunddelikts besteht (o. Rdn. 17). Ähnliches gilt für konkrete Gefährdungen oder Verletzungen, deren Eintritt ein abstraktes Gefährdungsdelikt qualifiziert. Weniger nahe liegend erscheint die Einordnung als Qualifikation bei vielen todeserfolgsqualifizierten Delikten; hier tritt das Rechtsgut Leben zu dem durch das Grunddelikt geschützten, ggf. völlig andersartigen Rechtsgut hinzu (z.B. bei § 178 StGB zur sexuellen Selbstbestimmung, bei § 251 StGB zu Willensfreiheit und Eigentum). 24 Doch fehlt es im Regelfall an der finalen Verklammerung der Angriffe auf beide Rechtsgüter, die z.B. den Raub nicht als Diebstahlsqualifikation, sondern als delictum sui generis erscheinen lässt.
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Die praktisch häufigste Konstellation des erfolgsqualifizierten Delikts ist die VorsatzFahrlässigkeits-Kombination (z.B. bei §§ 227, 251 StGB: vorsätzliche Körperverletzung bzw. vorsätzlicher Raub mit fahrlässig bzw. leichtfertig herbeigeführter Todesfolge). Auch mit Blick auf § 11 Abs. 2 StGB kann diese Konstellation als Vorsatzdelikt mit fahrlässiger Qualifikation aufgefasst werden. Denkmöglich ist aber auch die umgekehrte Sichtweise, es handele sich um ein Fahrlässigkeitsdelikt mit typisierter vorsätzlicher Pflichtverletzung. Ob diese Sichtweise mit Seebald GA 1964 161, 1 6 7 2 5 zum Ausgangspunkt der Dogmatik der erfolgsqualifizierten Delikte gemacht werden sollte, erscheint
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Hardtung MK Rdn. 4; Rudolpbi SK Rdn. 1; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 1; differenzierend Baumann/Weber/ Mitsch § 8 Rdn. 63 ff. Näher Baumann/Weber/Mitsch § 8 Rdn. 20.
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immer eine Körperverletzung als „notwendiges Durchgangsstadium" enthält, BGHSt 16 123. Ähnlich Gössel FS Lange, S. 219, 2 3 4 f; Oehler ZStW 6 9 (1957) 503, 516 ff.
- Grenzfall ist S 227 StGB, da die Tötung
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2. Abschnitt. Die Tat aber fragwürdig, weil sie § 11 Abs. 2 StGB und das verwirklichte Vorsatzunrecht zu vernachlässigen droht. 2 6 22
6. Erfolgsqualifizierte Delikte und Rechtsgüterschutz- sowie Schuldprinzip. Die Frage, ob und warum Unrecht und Schuld der erfolgsqualifizierten Delikte über Unrecht und Schuld des Grunddelikts in Tateinheit mit der Herbeiführung der Folge hinausgehen, ist umstritten und noch nicht abschließend geklärt.
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a) Gewichtige Stimmen der Kritik meinen, die Frage sei zu verneinen und die erfolgsqualifizierten Delikte verstießen - unabhängig von den konkreten Strafrahmen des geltenden Rechts (u. Rdn. 26) - gegen das Rechtsgüterschutz- und Schuldprinzip. 27 Zudem wird insbesondere bei den todeserfolgsqualifizierten Delikten (o. Rdn. 16) ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gerügt: Es sei willkürlich, dass diese Delikte drastisch höhere Strafrahmen und insbesondere Mindeststrafen im Vergleich zu den Strafrahmen und insbesondere Mindeststrafen enthielten, die sich bei Anwendung des Absorptionsprinzips nach § 5 2 StGB ergäben ( L o r e n z e n S. 115 ff).
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b) Die h.A. hält erfolgsqualifizierte Delikte hingegen für prinzipiell legitim 2 8 und begründet das mit den Erwägungen, es liege ein besonderer Gefahrverwirklichungszusammenhang 2 9 vor und es gebe keine überzeugenden Alternativen. Erfolgsqualifizierte Delikte seien dadurch gekennzeichnet, dass sich in der besonderen Tatfolge die gerade im Grunddelikt typischerweise enthaltene Gefahr realisiere (statt aller Gössel FS Lange, S. 219, 235). In der vorsätzlichen Verwirklichung des gefahrenträchtigen Grunddelikts liege ein „gegenüber einer rein fahrlässigen [Verwirklichung] gesteigerter Handlungsunwert" (Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lteben Rdn. 1 mit Nachw.), und der Täter schlage „die durch die typische Gefährlichkeit des Grundtatbestandes gegebene Warnung in den W i n d " ( S c h r o e d e r L K n Rdn. 3 4 ) . 3 0 So enthielten die Grunddelikte der todeserfolgsqualifizierten Delikte vielfach ein Verhalten, das mit Todesgefahren einhergehe, z.B. Personengewalt (so z.B. in §§ 178, 2 3 9 a Abs. 2, 2 3 9 b Abs. 2, 251, 316c Abs. 3 StGB). In anderer
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Kritisch auch Lorenzen S. 57 ff; vgl. schon Radbruch VDA II, S. 231. Blume NJW 1965 1261; Diez-Ripollés ZStW 96 (1984) 1059, 1075; vgl. schon Löffler Schuldformen des Strafrechts (1895) S. 266 ff und VDB V, S. 369 f; ebenfalls mit Zweifeln Jescheck/Weigend § 54 III 2; Sch/Schröder/ Cramer/Stemberg-Lieben Rdn. 1; Lorenzen passim mit Plädoyer für die Abschaffung; vgl. auch Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip2 (1976) S. 240 ff; AE Vorbem. vor § 108; Schmidhäuser AT 1 10/116 f. Dagegen hält Hirsch die erfolgsqualifizierten Delikte für grundsätzlich mit dem Schuldprinzip vereinbar, fordert aber Ermäßigungen konkreter Strafrahmen, ZStW 83 (1971) 140, 160 ff und GA 1972 65, 67, 75, 77. Für grundsätzliche Beibehaltung der erfolgsqualifizierten Delikte auch Küpper S. 44, 124; Rengier S. 313 ff; Roxin AT I § 10 Rdn. 110; Wolter JuS 1981 168 f. Vgl. bereits Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 237 m.N. - Krit. Rengier S. 131: Der
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Gefährdungsgedanke sei als Beleg für eine „Besonderheit" des erfolgsqualifizierten Unrechts untauglich. Rengier meint, die Probleme der erfolgsqualifizierten Delikte seien „letztlich Probleme der allgemeinen Fahrlässigkeitslehre" (S. 149). Nach deren heutigem Stand ist Fahrlässigkeit Schaffung einer unerlaubten Gefahr, die sich im Erfolg verwirklicht. Dann aber zeigt sich, dass Rengier nicht wirklich von der h.A. abweicht. Vgl. auch BGH NStZ 1992 333, 334; Boldt ZStW 68 (1956) 335, 356; Hardwig GA 1965 97,100; Hirsch GA 1972 65, 71; Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip2 (1976) S. 243 f m. Nachw. aus dem älteren Schrifttum; Oehler ZStW 69 (1957) 503, 513; Ulsenheimer GA 1966 257, 267 f. AA Schubarth ZStW 85 (1973) 754, 767 ff. Maiwald hält das kriminelle Ziel der Grundhandlung für maßgeblich (GA 1974 257, 266).
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
Weise könne das spezifische Unrecht der erfolgsqualifizierten Delikte nicht überzeugend erfasst werden. 31 Insbesondere sei es fragwürdig, bei § 52 StGB das Absorptionsprinzip aufzugeben und bei Tateinheit zwischen Grunddelikt und fahrlässigem Erfolgsdelikt (z.B. § 222 StGB) ein Asperationsprinzip einzuführen. Auch der Vorschlag, besonders schwere Fälle vorzusehen, 32 überzeuge nicht, weil so die Bestimmtheit leide („schwammiges Gebiet der Strafzumessung", Schroeder aaO Rdn. 35). Zuzugeben sei lediglich, dass nicht alle der geschichtlich entstandenen erfolgsqualifizierten Delikte einen überzeugenden Gefahrverwirklichungszusammenhang beinhalteten und das geltende Recht teilweise zu hohe Strafen androhe. Deshalb seien im Wege der Auslegung (und auch de lege ferenda) Strafrahmenkorrekturen angebracht (vgl. Rengier S. 123 ff). Auch diese Problematik werde aber dadurch gemildert, dass der Gesetzgeber zunehmend wenigstens leichtfertiges Verhalten verlange (s. Jakobs J R 1986 380, 382; vgl. Roxin AT I § 10 Rdn. 109 f). Paeffgen (JZ 1989 220, 223 ff und NK Rdn. 43 ff) will bei todeserfolgsqualifizierten Delikten sogar dort, wo der Gesetzgeber ausdrücklich einfache Fahrlässigkeit hinsichtlich des Todes genügen lässt (z.B. bei § 227 StGB), im Weg der verfassungskonformen Auslegung Leichtfertigkeit verlangen (s. noch u. Rdn. 52). c) Im Ergebnis, freilich nicht durchweg in der Begründung, ist der h.A. zu folgen. So gewiss das Handlungsrecht der erfolgsqualifizierten Delikte größer ist als bei Fahrlässigkeitsdelikten, so gewiss wird es bereits durch die Strafbarkeit wegen des Grunddelikts abgedeckt. Das hierdurch nicht abgedeckte Erfolgsunrecht der fahrlässigen Folgenherbeiführung wird durch die Strafbarkeit wegen des Fahrlässigkeitsdelikts erfasst. Der Hinweis auf eine „Unrechtsverknüpfung" zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht (Hardtung MK Rdn. 28) lässt offen, warum diese Verknüpfung ein über Idealkonkurrenz (§ 52 StGB) hinausgehendes Mehr an Unrecht und Schuld ergibt, zumal es an der Finalität (die z.B. das Raubunrecht im Verhältnis zum Nötigungs- und Diebstahlsunrecht steigert) jedenfalls bei bloßer Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit hinsichtlich der Folge fehlt. Sitz des Problems ist vielmehr die Strafzumessung (insoweit zutr. Rengier S. 134), insbesondere mit Blick auf den Strafrahmen des § 222 StGB: Nach allgemeinen Grundsätzen müsste dessen Obergrenze auch den denkbar schwersten Fall der fahrlässigen Tötung abdecken, also auch solche Fahrlässigkeit, die in schweren und schwersten, aber nicht oder nicht vorsätzlich gegen das Leben des Verletzten gerichteten Straftaten liegen kann. Bei einer Strafrahmenobergrenze von fünf Jahren Freiheitsstrafe ist das aber nicht der Fall (zutr. Paeffgen NK Rdn. 21). Dem trägt der Gesetzgeber mit den erfolgsqualifizierten Delikten Rechnung. Die Alternative, die Strafrahmenobergrenze des § 222 StGB mit Blick auf Fälle denkbar schwerster Fahrlässigkeit auf zehn oder fünfzehn Jahre oder gar fakultativ lebenslange Freiheitsstrafe anzuheben, würde ersichtlich Fragen der Rechtsfolgenbestimmtheit aufwerfen.33 Daher erscheint es vorzugswürdig, wenn der Gesetzgeber mit den erfolgsqualifizierten Delikten aus der großen Zahl gefährlicher Handlungen besonders (gesteigert) gefahrenträchtige herausgreift, die zudem vorsätzlich begangen werden müssen (.Schroeder LK 1 1 Rdn. 34), und nur bei ihnen im Falle mindestens fahrlässiger oder leichtfertiger Todesherbeiführung schärfere Strafen androht. Das trägt dem Bestimmtheitsgrundsatz Rechnung, und darin liegt weder ein Verstoß gegen das Schuldprinzip noch gegen den Gleichheitsgrundsatz (zutr. Rengier S. 123 ff).
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Vgl. Hirsch ZStW 83 (1971) 160 f und GA
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S. 245. Dafür jedoch Blume NJW 1965 1261;
Jescheck Niederschriften 2, S. 247.
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Diskutabel wäre allenfalls, einen Tatbestand der leichtfertigen Tötung mit einem über § 2 2 2 StGB und unter § 212 StGB liegenden Strafrahmen oder ein allgemeines vorsätzliches Lebensgefährdungsdelikt zu schaffen.
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§18
2. Abschnitt. Die Tat
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Eine derartige generelle Legitimation der erfolgsqualifizierten Delikte darf nicht den Blick d a r a u f verstellen, dass keineswegs jedes erfolgsqualifizierte Delikt nach geltendem R e c h t unbedenklich ist. Fragwürdig ist insbesondere der „ S a n k t i o n s s p r u n g " zwischen § § 2 2 3 , 2 2 2 , 5 2 S t G B und § 2 2 7 S t G B , soweit dieser auch einfache Körperverletzungen mit einfach fahrlässig herbeigeführter Todesfolge genügen lässt (s. nur Hirsch L K 1 1 § 2 2 7 R d n . 14 mit N a c h w . ; aA Rengier S. 1 3 4 f). Ü b e r h a u p t gibt es bei den körperverletzungserfolgsqualifizierten Delikten „Ungereimtheiten" und „grotesk ü b e r h ö h t e " Strafrahmen (näher Paeffgen N K R d n . 137). Zweifeln unterliegt auch die Androhung der fakultativen lebenslangen Freiheitsstrafe für leichtfertige todeserfolgsqualifizierte Delikte z.B. bei § § 1 7 8 , 2 3 9 a Abs. 3, 2 3 9 b Abs. 2 , 2 5 1 S t G B ; sie dürfte regelmäßig nur bei Tötungsvorsatz in B e t r a c h t k o m m e n (u. R d n . 9 4 ) . Z u den Einzelheiten s. die Kommentierungen der jeweiligen T a t b e s t ä n d e .
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7. Praktische Bedeutung der erfolgsqualifizierten Delikte. In der Praxis spielen vor allem die todeserfolgsqualifizierten Delikte als Auffangtatbestände bei nicht erweislichem Tötungsvorsatz eine erhebliche R o l l e . 3 4 Sie werden deshalb vielfach mit der Begründung angegriffen, es handele sich um „Verdachtsstrafen" oder „Vorsatzvermutungen". 3 5 D a und soweit sie mit dem Rechtsgüterschutz- und Schuldprinzip im Einklang stehen (soeben R d n . 2 5 ) und in der Sache zu einer kriminalpolitisch zutreffenden Differenzierung führen (s. Vor § 15 R d n . 2 7 ) , ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber sie auch mit Blick auf Probleme der prozessualen N a c h w e i s b a r k e i t des Tötungsvorsatzes geschaffen hat (näher Vor § 15 R d n . 7 4 f).
II. O b j e k t i v e Z u r e c h n u n g d e r F o l g e 1. Allgemeines 28
a) Unstreitig k a n n die Folge nur objektiv zugerechnet werden, wenn zwischen der Begehung des Grunddelikts und der Folge Kausalität b e s t e h t . 3 6 Typisch sind Fälle, in denen die Folge als „ w e i t e r e r " oder „ s p ä t e r e r " Erfolg von einem „ e r s t e n " oder „ f r ü h e r e n " Erfolg verursacht oder „nach sich g e z o g e n " wird, ihm „ n a c h f o l g t " oder „sich aus ihm e n t w i c k e l t " , 3 7 z.B. wenn eine schwere Verletzung sich verschlimmert und zum Tode führt (§ 2 2 7 S t G B ) . Dies ist gelegentlich zum „Wesen" der erfolgsqualifizierten Delikte erklärt w o r d e n 3 8 mit der Konsequenz, dass nur zeitlich später eintretende Folgen „ b e s o n d e r e " i.S.v. § 18 S t G B seien. N a c h heute h . L . genügt aber auch, dass die Folge sofort eintritt, 3 9 beispielsweise wenn der durch einen Messerstich ins Auge Verletzte sofort erblindet (§ 2 2 6 Abs. 1 Nr. 1 S t G B ; näher Schroeder L K 1 1 R d n . 16). D a bei § 2 2 7 S t G B die
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S. Rengier S. 133 mit Fn. 81 und dem Fazit: „Praktische Beispiele lassen sich anhäufen". So z.B. Lorenzen S. 164, 165; Schubarth ZStW 85 (1973) 754, 771 f; Stratenwerth ZStW 85 (1973) 469, 474; ders. Schweizerisches Strafrecht, BT I (1990) § 2 Rdn. 46, § 3 Rdn. 32; vgl. auch Arzt/Weber § 36 Rdn. 3; vgl. dazu bei der Leichtfertigkeitsstrafdrohung Schubarth ZStW 92 (1980) 80, 100 ff; Tiedemann LK 11 § 264 Rdn. 6, 123. S. nur Arzt/Weber § 6 Rdn. 72; Hardtung MK Rdn. 9; vgl. auch Kühl AT 5 S 17a
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Rdn. 9; Lackner/Kühl Rdn. 2; Rudolph! SK Rdn. 3; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 4. Engisch Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände (1931) S. 69 f; M. E. Mayer Strafrecht AT (1923) S. 120; Schmidhäuser AT 10/112. So die in der vorigen Fußnote Genannten. Hardtung MK Rdn. 9; Küpper S. 88; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 4; Schröder J R 1971 206, 208.
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen Körperverletzung „notwendiges Durchgangsstadium" der Tötung ist (BGHSt 16 123), kann eine fahrlässige Tötung mit Körperverletzungsvorsatz tatbestandsmäßig sein; 4 0 dem Wortlautbedenken, hier liege bei Eintritt der Folge noch keine „Tat" i.S.v. § 18 StGB vor, ist entgegenzuhalten, dass mindestens für eine kurze Zeit (nicht bloß eine „logische Sekunde") ein bloßer Körperverletzungserfolg gegeben war, bevor der Tod eintrat. Nach allgemeinen Regeln ist die Kausalität nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Tat erst über Zwischenursachen für die Folge kausal wird, z.B. wenn eine Todesfolge erst durch Sturz des körperlich verletzten Opfers, durch einen Fluchtversuch oder gar Suizid des der Freiheit beraubten oder entführten Opfers oder das Eingreifen Dritter verursacht wird (zu den hier auftretenden Zurechnungsproblemen u. Rdn. 36 ff, 39 ff).
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Die Kausalität der Tat für die Folge wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass bei mehraktigen Delikten nur einer der Akte die Folge verursacht (ebenso Hardtung MK Rdn. 10) oder die Folge bereits durch eine Versuchs- oder Begleithandlung herbeigeführt wird (zu den hier auftretenden Zurechnungsproblemen u. Rdn. 42 ff, 49 ff).
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b) Nach h.A. genügt bloße Kausalität aber nicht, sondern es setzt die Strafbarkeit wegen eines erfolgsqualifizierten Delikts einen besonderen objektiven Zurechnungszusammenhang zwischen Tat und Folge voraus. Zu den Gegenauffassungen, die allein oder überwiegend auf der Ebene der subjektiven Zurechnung korrigieren wollen, u. Rdn. 52.
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aa) Für die Rechtsprechung ergibt sich die Notwendigkeit einer bereits objektiven Eingrenzung der Zurechnung insbesondere daraus, dass die (ohnehin erst seit 1953 vorgesehene, s.o. Rdn. 1) subjektive Zurechnung kaum Filterfunktion hat, weil für Fahrlässigkeit bereits die Vorhersehbarkeit der Folge „im Endergebnis" genügen soll (s. § 15 Rdn. 252; zutr. Schroeder LK 1 1 Rdn. 17). 41 Die ältere Rechtsprechung leitete aus dem Sinn und Zweck der Tatbestände der erfolgsqualifizierten Delikte, insbesondere der regelmäßig hohen Mindeststrafdrohungen, das Erfordernis eines „unmittelbaren Zusammenhanges" zwischen Tat und Folge her (RGSt 44 139; OGHSt 2 335, 337; BGHSt 19 382, 387). Das Unmittelbarkeitskriterium ist allerdings in neuerer Zeit in Frage gestellt worden (krit. BGHSt 33 322, 323: „bestenfalls eine Fragestellung") und gilt nicht mehr für alle erfolgsqualifizierten Delikte, z.B. nicht für § 239b Abs. 2 StGB (BGH aaO). Mit anderem Akzent verlangt die neuere Rechtsprechung im Anschluss an einen Teil der Lehre 4 2 eine adäquate oder typische Verursachung (s. BGH NStZ 1997 341 mit abl. Anm. Geppert JK § 227/1). Die neuere und neueste Rechtsprechung verwendet hingegen überwiegend die Formel, in der Folge müsse sich die „für den Grundtatbestand eigentümliche" oder „ihm anhaftende spezifische Gefahr" niedergeschlagen haben (BGH NJW 1971 152; BGH bei Daliinger M D R 1976 16; s. aus neuerer Zeit BGH NStZ-RR 1998 171 f, BGH NStZ 2003 34). Das kann schlagwortartig als „spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang" (BGH NStZ 1992 333) bezeichnet werden und erlaubt von Tatbestand zu Tatbestand differenzierende Lösungen. 43
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RGSt 44 137, 138; Hirsch LK10 § 226 Rdn. 4; Küpper S. 88 mit Fn. 16; Sch/Schröder/ Stree 5 227 Rdn. 4 f und Schröder JR 1971 208. Vgl. auch Geilen FS Welzel, S. 655, 661; Rengier S. 319 ff. Boldt ZStW 55 (1935) 49 f; Geilen FS Welzel, S. 655, 681; Gössel FS Lange, S. 219, 232; Lange ZStW 59 (1939) 574, 583 Anm. 47; M. E. Müller Die Bedeutung des Kausal-
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zusammenhangs im Straf- und Schadensersatzrecht (1912) S. 64; Oehler ZStW 69 (1957) 503, 513; Ulsenheimer GA 1966 257, 258 und JZ 1973 64, 67 f. Vgl. BGH NJW 1971 152, 153; BGHSt 33 322, 323; Küpper S. 80 ff; Wolter GA 1984 443, 448. Fallgruppentypisierung bei Rengier S. 159 ff. Aufgliederung der in der „Unmittelbarkeit" enthaltenen Kriterien bei Wolter JuS 1981 168, 171 f.
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§18
2. Abschnitt. Die Tat
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Insgesamt kommt die Rechtsprechung allerdings zu wenig einheitlichen Ergebnissen und bietet ein „buntscheckiges" (treffend Geilen FS Welzel, S. 655, 672) Bild. So werden die o. Rdn. 32 dargestellten Grundsätze teilweise in haftungsausdehnender Weise angewendet, z.B. in BGHSt 31 9 6 (sog. Hochsitz-Fall), wo eine Todesfolge, die auf einem ungewöhnlichen Kausalverlauf beruhte (Tod des Verletzten an Embolie aufgrund ärztlicher Fehlberatung und eigenen Fehlverhaltens), deshalb zugerechnet wurde, weil die Verwirklichung des Grunddelikts (Herunterstoßen von einem 3,5 Meter hohen Hochsitz) an sich lebensgefährlich war. 4 4 Teilweise wirken die Grundsätze aber auch haftungseinschränkend, z.B. in B G H N J W 1955 1327 (s. auch B G H N S t Z - R R 1 9 9 9 170), wo ein Fall der nach allgemeinen Regeln zurechenbaren „culpa generalis" (der Täter würgte das Vergewaltigungsopfer ohne Tötungsvorsatz und ertränkte es in irriger Annahme, es sei bereits tot) zum Zurechnungsausschluss bei der Vergewaltigung mit Todesfolge (heute § 178 StGB) führte; s. auch O GH N J W 1 9 5 0 710 (keine Erfolgsqualifizierung, wenn der Täter im Anschluss an ein Sexualdelikt das Opfer zur Verdeckung der Tat vorsätzlich tötet). Auch finden sich schwerlich miteinander vereinbare Entscheidungen, z.B. zur Frage, ob § 2 2 7 (früher 2 2 6 ) StGB erfüllt ist, wenn das körperlich verletzte Opfer stürzt und hieran stirbt (verneinend OGHSt 2 3 3 5 ; bejahend O G H S t 1 357, 3 5 9 ; BGH bei Dallinger M D R 1954 150) oder wenn sich das Opfer selbst zu Tode bringt (s. einerseits BGHSt 19 3 8 2 , 387: zurechenbarer Tod des Opfers einer Entführung, das aus dem Wagen des Täters springt; andererseits B G H N J W 1971 152: nicht zurechenbarer Tod des Opfers, das auf der Flucht vor weiteren Angriffen aus dem Fenster springt); hierzu noch u. Rdn. 36 ff.
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bb) Soweit die Lehre nicht den Schwerpunkt auf eine Einschränkung der subjektiven Zurechnung legt (u. Rdn. 52), wird überwiegend die objektive Zurechnung zum Ausgangspunkt von Einschränkungen gemacht. 4 5 Umstritten ist aber, ob bei den erfolgsqualifizierten Delikten zusätzliche, also über diese Lehre hinausgehende Anforderungen gestellt werden müssen (so ausdrücklich Rudolphi SK Rdn. 3). In diese Richtung weisen Ansätze, die nur eine mit dem Grunddelikt „typischerweise" oder „spezifisch" verbundene Gefährlichkeit, 4 6 ein „grunddeliktadäquates" und zugleich „zwangsläufiges" Erfolgsrisiko (so Wolter JuS 1981 168, 176) genügen lassen wollen oder eine „Erfolgsdurchgangskausalität" („Durchgängigkeitserfordernis") verlangen (so Altenhain GA 1996 19, 32 ff; s. auch Hardtung M K Rdn. 36; Puppe S. 2 8 0 f) oder die ein „Hinarbeiten des Täters auf den Erfolg" verlangen und bei „eher unglücklichem Entgleiten des Kausalverlaufs" die Zurechenbarkeit ablehnen wollen (so Bussmann GA 1 9 9 9 1, 31). Die wohl h . L . 4 7 lehnt derartige generelle Zusatzerfordernisse ab, will aber je nach dem in Rede stehenden erfolgsqualifizierten Delikt tatbestandsspezifische Präzisierungen oder Modifikationen zulassen, z.B. bei § 2 2 7 StGB durch die sog. Letalitätstheorie (u. Rdn. 44).
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cc) In der Tat sind § 18 StGB und die erfolgsqualifizierten Delikte ein anschauliches Beispiel für den in Vor § 15 Rdn. 5 0 erörterten Einfluss des Besonderen Teils auf den Allgemeinen Teil (s. auch Sowada Jura 1995 6 4 4 ff). Auf der anderen Seite erscheint die Auflösung der allgemeinen Rechtsfigur des erfolgsqualifizierten Delikts in eine Aus-
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Abi. hierzu Hirsch JR 1983 80; Maiwald JuS 1984 439; Puppe NStZ 1983 22; zust. aber Stree J Z 1983 75. Ferschl S. 88 ff; Rengier S. 319 f; ders. Jura 1986 144 ff; Roxin AT I § 10 Rdn. 114. Geilen FS Welzel, S. 655, 674 ff; Gössel FS
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Lange, S. 219, 235; Kühl AT5 § 17a Rdn. 17; ders. FG BGH IV, S. 235, 250. Kühl AT5 § 17a Rdn. 17; ders. FG BGH IV, S. 235, 253 ff; Küpper FS H.-J. Hirsch, S. 615 ff; Roxin AT I § 10 Rdn. 114 f; Tröndle/Fischer Rdn. 2.
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
§ 18
legung einzelner gesetzlicher Tatbestände fragwürdig. Vorzugswürdig ist eine Typenoder Fallgruppenbildung, für die im Anschluss an Puppe S. 2 0 4 ff, 276 zwischen der Körperverletzung mit Todesfolge, den erfolgsqualifizierten Freiheitsdelikten i. w. S. (einschließlich Sexual- und Raubdelikte) und den erfolgsqualifizierten gemeingefährlichen Delikten unterschieden werden kann. Im Übrigen muss eine generelle normative Leitlinie aus der ratio legis der erhöhten Strafe für erfolgsqualifizierte Delikte - nicht aber aus allgemeinen Zurechnungslehren - hergeleitet werden. Auf der Grundlage des o. Rdn. 25 Dargelegten besteht die Leitlinie darin, dass das jeweilige Grunddelikt in einer Art und Weise begangen wird, die im Hinblick auf die Folge besonders (gesteigert) - aber nicht zwingend „typischerweise" - gefährlich ist; zudem muss sich gerade diese Gefahr in der Folge verwirklichen. 2. Zurechnung der Folge bei Mitverantwortung des Verletzten. Keineswegs selten wird die Folge unmittelbar durch Flucht-, Rettungs- oder Verteidigungsbemühungen des Verletzten des Grunddelikts herbeigeführt, z.B. wenn die erheblich verletzte Hausgehilfin über ein Fenster auf einen Balkon zu flüchten versucht und dabei abstürzt (BGH NJW 1971 152 = J R 1971 205 m. Anm. Schröder, sog. Rötzel-Fall) oder sich das brutal geschlagene Opfer benommen und wortlos aus einem Fenster fallen lässt, das sich 27 Meter über dem Boden befindet (BGH NJW 1992 1708 = J R 1992 342 m. Anm. Graul) oder wenn der Ausländer, auf den eine „Hetzjagd" veranstaltet wird, in Panik flieht und sich durch Eintreten einer Glastür in Sicherheit zu bringen versucht und hierbei schwere Schnittverletzungen am Bein erleidet, an denen er verblutet (BGHSt 48 34, sog. Gubener Hetzjagd; s. hierzu noch u. Rdn. 74 f).
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Die Rechtsprechung neigt dazu, die Zurechnung bei eigenverantwortlichem Handeln des Opfers zu verneinen (so im Rötzel-Fall), bei „Panikverhalten" (treffend Kühl AT 5 § 17a Rdn. 26) hingegen zu bejahen (so in BGH NJW 1992 1708 und im Fall der Gubener Hetzjagd, soeben Rdn. 36). § 251 StGB ist nicht erfüllt, wenn das Raubopfer bei riskanter Verfolgung des Täters stürzt und dabei ums Leben kommt (BGHSt 22 362, 363 m. Anm. Maurach J R 1970 70). Hingegen soll § 178 StGB erfüllt sein, wenn das vor einem Sexualdelikt fliehende Opfer auf der Flucht unter einen Eisenbahnzug gerät (BGH 1 StR 203/60 bei Pfeiffer/Maul/Schulte § 178 Anm. 2).
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In der Lehre wird zutreffend betont, dass, wenn die fahrlässige Mitverursachung eines Suizids straflos ist (BGHSt 24 342; näher § 15 Rdn. 236), ein in der Sache auf einen Suizid hinauslaufendes Verhalten des Opfers auch bei einer Erfolgsqualifizierung nicht berücksichtigt werden darf, 48 es sei denn, der Täter des Grunddelikts ist insoweit mittelbarer Täter. Das muss auf die bewusste Lebensgefährdung erstreckt werden, z.B. wenn sich das voll verantwortliche Opfer einer Körperverletzung trotz Hinweises auf bestehende Lebensgefahr einer Krankenhausbehandlung entzieht (aA BGH NStZ 1994 394 mit zutr. abl. Anm. Otto JK 6 zu § 226 a.F.). Weiterhin weist Schroeder LK 11 Rdn. 18 (ähnlich Hardtung MK Rdn. 49; s. auch Paeffgen J Z 1989 220, 227) darauf hin, dass es schwerlich als Folge der Tat angesehen werden kann, dass sich das Opfer aus Furcht vor einer anderen, ggf. wiederholten Tat selbst schädigt; anderes muss aber bei überwältigender, die freie Willensentschließung beeinträchtigender Panik gelten (zutr. Hardtung aaO). Anders liegt es auch, wenn der grunddeliktische Erfolg das Opfer so schädigt, dass es unfrei handelt (Hardtung aaO Rdn. 47), oder wenn das Grunddelikt und die hierdurch bewirkte Gefahrenlage noch andauern und das Opfer zu fliehen, sich zu retten oder sich
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Geilen FS Welzel, S. 655, 662. AA RG DR 1945 22; Mauracb/Schroeder/Maiwald I
§ 14 Rdn. 18; Schäfer LK 1 0 § 2 3 9 Rdn. 4 0 ; Sch/Schröder/Eser S 2 3 9 Rdn. 12.
Joachim Vogel
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§18
2. Abschnitt. Die Tat
zu verteidigen unternimmt und dabei ums Leben kommt. Insbesondere bei der Freiheitsberaubung ist zu beachten, dass bereits das Gesetz ausdrücklich „während der Tat" bewirkte Folgen genügen lässt (s. § 239 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 StGB). Hier und auch bei anderen Freiheitsdelikten kann namentlich die nicht geradezu grob unvernünftig gefährliche Flucht mit Todesfolge zurechenbar sein (BGHSt 19 382, 386 f), jedenfalls wenn sie nicht bloß auf der Furcht vor weiteren Angriffen des Täters beruht. 49 39
3. Zurechnung der Folge bei Mitverantwortung Dritter. Eine Mitverantwortung Dritter für die Herbeiführung der Folge spielt in der Praxis einerseits bei riskanten Rettungsoder Verteidigungshandlungen, die durch das Grunddelikt ausgelöst worden sind (z.B. BGHSt 33 322: Tötung der Geisel durch polizeiliches Eingreifen) und andererseits Anschluss· oder Verdeckungstaten anderer Beteiligter (seien es auch nur Nebentäter) eine Rolle (z.B. BGHSt 32 25: Tötung des durch den Gastwirt bereits lebensgefährlich verletzten Opfers durch einen hinzutretenden Dritten, der dem Opfer einen wuchtigen Fußtritt gegen den Kopf versetzt); daneben ist an ärztliche Behandlungsfehler zu denken (s. Hardtung MK Rdn. 51).
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Die Rechtsprechung entscheidet uneinheitlich: keine Zurechnung in BGHSt 33 322, 5 0 weil und wenn die Polizei von der Geiselnahme nichts wusste, aber Zurechnung, wenn es um einen risikobehafteten Befreiungsversuch gegangen wäre, S. 324; keine Zurechnung in BGHSt 32 25; anders aber bei „absolut tödlicher" Verletzung und bloßer Todesbeschleunigung durch den Dritten, BGH NStZ 1992 333, 5 1 s. auch OGHSt 3 99, 100; Zurechnung bei durch ärztliches Fehlverhalten mitbewirkter Todesfolge, BGHSt 31 96, 100, 5 2 s. auch BGH 1 StR 120/75 bei Dallinger MDR 1976 16 (Todesfolge aufgrund unerkennbaren Leberleidens und ärztlichen Kunstfehlers zurechenbar).
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Die Lehre misst dem Eingreifen Dritter teilweise „regelmäßig" zurechnungsausschließende Wirkung bei (Kühl AT 5 § 17a Rdn. 28). Vorzugswürdig erscheint eine differenzierende Lösung (vgl. Hardtung MK Rdn. 50 ff): In „Retterfällen" ist die Zurechnung erst ausgeschlossen, wenn die von dem Retter geschaffene (Zusatz-)Gefahr in keinem Verhältnis mehr zu der dem Verletzten und Opfer des Grunddelikts drohenden Gefahr steht (s. bereits § 15 Rdn. 245). Anschluss- oder Verdeckungstaten anderer Beteiligter sind nur zurechenbar, wenn diese erkennbar tatgeneigt waren (restriktiver Hardtung aaO Rdn. 50: Verdeckungstaten seien nie zurechenbar). Arztliches Fehlverhalten kann erst ab der Schwelle grober Kunstfehler die Zurechnung ausschließen (s. bereits § 15 Rdn. 246).
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4. Zurechnung der durch Versuchs- oder Begleithandlungen der vollendeten Tat bewirkten Folge; sog. Letalitätstheorie. Gelegentlich kommt es vor, dass sowohl der Erfolg des Grunddelikts als auch die qualifizierende Folge bereits durch eine Handlung verursacht werden, die bezogen auf das Grunddelikt nur Versuchshandlung ist, z.B. wenn der Täter das Opfer mit einer geladenen Schusswaffe schlagen will und sich bereits beim Ausholen mit der Waffe oder bei deren Aufschlagen versehentlich ein tödlicher
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Krit. Geilen FS Welzel, S. 655, 673; für gänzliche Ausscheidung auch des Fluchtversuchs aus § 2 3 9 Abs. 3, 4 StGB Widmann M D R 1967 972 f. Zust. Krehl StV 1986 432; Küpper NStZ 1986 117; abl. Fischer NStZ 1986 314; Wolter J R 1986 465. Abi. Puppe J R 1992 511; Pütz JA 1993 285. Dencker NStZ 1992 311 stimmt im Ergebnis
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zu, weil das Leben des Opfers bereits unrettbar verloren gewesen sei, als der Dristte eingriff; diese Argumentation würde jedoch in anderen Zusammenhängen (Sterbehilfe usw.) zu unhaltbaren Ergebnissen führen. Krit. Jakobs J R 1986 380, 381; Paeffgen J Z 1989 2 2 0 , 227; Puppe NStZ 1983 22; Rengier S. 199 f; Wolter GA 1984 443, 4 4 6 .
J o a c h i m Vogel
Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
Schuss löst. 5 3 Auch kann die Folge durch eine Begleithandlung zum Grunddelikt herbeigeführt werden wie z.B. in B G H J Z 1985 855 = J R 1 9 8 6 3 8 0 m. Anm. Jakobs, w o der Täter, der ein Kleinkind misshandelte, es versehentlich fallen ließ und das Kleinkind an einer durch den Aufprall auf dem Boden bewirkten Kopfverletzung starb. In derartigen Fällen bestraft die Rechtsprechung wegen vollendeter Körperverletzung mit Todesfolge, wenn erstens die vom Täter beabsichtigte Körperverletzung vollendet wird, z.B. der Schlag mit der Schusswaffe das Opfer trifft, 5 4 zweitens die Versuchs- oder Begleithandlung den Todeserfolg verursacht 5 5 und diese Handlung drittens vom Körperverletzungsvorsatz umfasst ist. 5 é Entscheidend sei allein, dass die vorsätzliche Körperverletzungshandlung den Todeserfolg bewirke (BGHSt 14 110, 112; insoweit ebenso RGSt 4 4 137, 139): „Es reicht aus, dass der Körperverletzungshandlung, also nicht erst dem Verletzungserfolg, das Risiko eines tödlichen Ausganges anhaftet" ( B G H R StGB § 2 2 6 Todesfolge 1).
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In der Lehre wird das unter zwei Gesichtspunkten kritisiert: Zum einen liege in derartigen Fällen eine wesentliche Abweichung des vorgestellten Kausalverlaufs vom wirklichen Kausalverlauf vor, so dass von vornherein nur wegen „erfolgsqualifizierten Versuchs" bestraft werden dürfe; die Rechtsprechung laufe darauf hinaus, contra legem den Versuch des Grunddelikts mit dessen Vollendung gleichzustellen. 57 Zum anderen genüge es jedenfalls bei § 2 2 7 StGB nicht, dass die Korperverletzungs/rarcá/tmg den Tod verursache; vielmehr müsse der Tod ursächlich auf den Körperverletzungser/o/g zurückgehen, der letal (lebensgefährlich, tödlich) sein müsse, sog. Letalitätstheorie. 58 In abgewandelter Form - als Erfordernis der „Vollendung des grunddeliktischen Aggressionsaktes", des „Ein-
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Vgl. RGSt 44 137; BGHSt 14 110 (zust. Geier LM § 226 Nr. 7; Stree GA 1960 289, 290 ff); weiterhin BGH bei Daliinger M D R 1975 196. - Die Sachverhalte von RGSt aaO und BGHSt aaO weisen allerdings (in der Lehre nicht durchweg beachtete) Besonderheiten auf: In RGSt aaO hatte der Täter das Opfer mit einem Gewehr geschlagen. Entweder vor oder nach dem Aufschlagen des Gewehrlaufs auf dem Opfer (= beabsichtigter Körperverletzungserfolg) löste sich ein Schuss, weil der Täter den Abzugsbolzen versehentlich anstieß, ohne dass dies durch die mit dem Aufschlagen verbundene Erschütterung verursacht worden war. In BGHSt aaO löste sich der Schuss in dem Augenblick, in dem die Pistole auf den Hinterkopf des Opfers aufschlug; es lag nahe (lässt sich aber den Urteilsgründen nicht eindeutig entnehmen), dass die mit dem Aufschlagen verbundene Erschütterung den Schuss ausgelöst hatte. Das ist insoweit nicht folgerichtig, als die Rechtsprechung anerkennt, dass jeder Tötung notwendigerweise eine Körperverletzung vorausgeht; dann müsste bereits die in dem tödlichen Schuss liegende „Durchgangsverletzung" genügen. Insoweit krit. Deubner NJW 1960 1068; Geier LM § 226
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Nr. 7; Schröder J R 1971 207 f; Stree GA 1960 289, 291; aber es ist zu bedenken, ob eine nur unwesentliche Abweichung zwischen vorgestelltem und wirklichem Verlauf vorliegt. Deshalb nahm RGSt 44 137, 139 im Ergebnis nur SS 223a (heute 224), 222, 52 StGB an, weil es an der Kausalität zwischen Körperverletzungshandlung und Todeserfolg fehle; hiergegen in einer Gesamtbetrachtung BGHSt 14 110, 112 f; diese Gesamtbetrachtung aber einschränkend BGH J Z 1985 855. Daran bestanden in BGH J Z 1985 855 Zweifel, weil nicht auszuschließen war, dass der Täter das Kleinkind zu einem Zeitpunkt fallen ließ, in dem er es nicht misshandelte. Maurach J R 1970 71; aA aber Paeffgen J Z 1989 220, 226. Bussmann GA 1999 21, 30 ff; Geilen FS Welzel, S. 655, 681; Hillenkamp LKn Vor S 22 Rdn. 112; Hirsch LK 10 S 226 Rdn. 4; ders. JR 1983 78, 79 f; ders. FS Oehler, S. 120, 130 f; Krey BT 1 " Rdn. 271 m.w.N.; Kühl FG BGH IV, S. 235, 2 5 5 ; Küpper S. 85 ff; ders. FS H.-J. Hirsch, S. 615, 619 f; Lackner/Kühl $ 227 Rdn. 2; Roxin AT I S 10 Rdn. 115; Sch/Schröder/Stree Rdn. 4.
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2 . Abschnitt. Die Tat
satzes gemeingefährlicher Mittel" oder der „Durchgangs-" oder „Erfolgskausalität" 59 wird die Letalitätstheorie auch für die anderen erfolgsqualifizierten Delikte vertreten und kann insgesamt als heute h.L. gelten. 45
Das Argument der Kausalabweichung verkennt allerdings, dass die Rechtsprechung Vollendung der vom Tatvorsatz umfassten Körperverletzung verlangt (o. Rdn. 42); im Übrigen liegt bei Körperverletzungshandlungen, die ein hohes Risiko des tödlichen Ausganges haben, auch im Hinblick auf die „Durchgangsverletzung" durchaus die Annahme einer bloß unwesentlichen Abweichung nahe (zutr. Paeffgen NK Rdn. 31; Rengier S. 199 f).
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Auch die Letalitätstheorie und ihre Verallgemeinerungen (besonders eindrücklich Hardtung MK Rdn. 31 ff) überzeugen nicht, weder historisch (s. hierzu Paeffgen NK Rdn. 30 gegen Küpper S. 87) noch systematisch und teleologisch: Auf eine „Unrechtsverknüpfung" kommt es richtiger Auffassung nach nicht an (o. Rdn. 25; aA Hardtung aaO Rdn. 35). Vielmehr bleibt eine vorsätzliche Körperverletzung wie z.B. ein Schlag mit einer geladenen Schusswaffe auch dann eine besonders (gesteigert) gefährliche Handlung in Bezug auf die Folge, wenn der Täter die besondere (gesteigerte) Gefährlichkeit nicht bedenkt; insoweit lässt § 18 StGB aber die Fahrlässigkeit genügen. Bei § 227 StGB läuft die Letalitätstheorie im Ergebnis regelmäßig darauf hinaus, dass nur Grunddelikte nach § 224 Abs. 1 (insbesondere Nr. 5) StGB genügen (in diesem Sinne denn auch Hardtung aaO Rdn. 41 ); das aber widerspricht dem Gesetz.
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5. Zurechnung der durch Nachtatverhalten bewirkten Folge. Nach der Rechtsprechung kann auch das Bewirken der Folge durch ein Nachtatverhalten die Strafbarkeit wegen eines erfolgsqualifizierten Delikts auslösen. Allerdings genügt es nicht, dass der Vergewaltiger nach Tatvollendung die fortbestehende Hilflosigkeit des Opfers zu dessen Tötung ausnutzt (BGH StV 1999 373) oder sonst zur Tatverdeckung tätig wird (BGH NJW 1955 1327; o. Rdn. 33); s. auch BGH NStE § 212 Nr. 37. Jedoch soll es nach § 251 StGB strafbar sein, wenn ein Räuber auf der Flucht allein zur Fluchtsicherung (also nicht in Besitzerhaltungsabsicht i.S.v. § 252 StGB) auf einen ihn verfolgenden Polizeibeamten schießt, den Beamten verfehlt und versehentlich (leichtfertig) eine Passantin tötet (BGHSt 38 295).
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Gegen BGHSt 38 295 bestehen aber erhebliche Bedenken (Erfolgsqualifikation erst in der Beendigungsphase? F/wa/zusammenhang zwischen Gewalt und Wegnahme? Verhältnis zu § 252 StGB?). 60 Auch im Übrigen ist Zurückhaltung geboten: Grundsätzlich bleibt nach Vollendung des Grunddelikts kein Raum mehr für erfolgsqualifizierendes Täterhandeln (Kühl AT 5 § 17a Rdn. 21). Gegen die von Hardtung MK Rdn. 53 erwogene Ausnahme, dass eine das Grunddeliktsopfer bedrängende Gefahr fortbesteht und der Täter zur Rettung des Opfers tätig wird, besteht das Bedenken, dass so tätige Reue, nur weil sie fahrlässiger Weise den Erfolg herbeiführt, nicht nur nicht zugunsten (was zutrifft, weil der Täter das Erfolgsabwendungsrisiko trägt), sondern sogar zulasten des Täters ausschlägt.
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6. Zurechnung der Folge bei mehraktigen Grunddelikten. Bei mehraktigen Grunddelikten wie z.B. Vergewaltigung oder Raub kommt ein vollendetes erfolgsqualifiziertes Delikt nur in Betracht, wenn das Grunddelikt vollendet ist, also alle der mehreren Akte verwirklicht sind, z.B. der Täter das Opfer zum Beischlaf genötigt oder ihm eine fremde bewegliche Sache weggenommen hat (s. noch u. Rdn. 72).
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Altenhain Hardtung
GA 1 9 9 6 19, 3 2 ff; s. auch M K Rdn. 3 6 ; Puppe S. 2 8 0 f;
dies. N S t Z 1 9 8 3 2 2 .
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Überwiegend abl. die Anm., s. Rengier N S t Z 1 9 9 2 5 8 9 ; den. JuS 1 9 9 3 4 6 0 und Schroeder J Z 1 9 9 3 5 0 ; vgl. auch Jung JuS 1 9 9 3 1 0 6 6 .
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
Weithin anerkannt ist, dass es für die Strafbarkeit wegen eines erfolgsqualifizierten Delikts genügt, wenn die Folge durch den Teilakt herbeigeführt wird, der im Hinblick auf die Folge typischer oder spezifischer Weise gefährlich ist, z.B. bei Vergewaltigung oder Raub die Gewaltanwendung, 61 im Hinblick auf Panikreaktionen des Opfers aber auch die Drohung (zutr. Hardtung MK Rdn. 40 mit Verweis auf BGH NJW 2000 1878, 1879). Bei § 251 StGB war dies bis 1975 im Gesetz ausdrücklich so bestimmt („durch die [...] verübte Gewalt"), gilt aber auch für § 178 StGB und vergleichbare (todes-)erfolgsqualifizierte Delikte. Zwar lässt sich streng am Wortlaut des § 18 StGB orientiert argumentieren, in derartigen Fällen liege keine Folge „der Tat" vor. 62 Auch ist systematisch zu bedenken, dass, lässt man die Todesherbeiführung durch Gewaltanwendung genügen, diese zum eigentlichen Grunddelikt wird; 63 bei § 240 StGB gibt es aber gerade keine Todeserfolgsqualifikation (krit. zu diesem Argument Hardtung MK Rdn. 40). Jedoch ist zum einen die Gewaltanwendung bei Vergewaltigung und Raub final mit dem ernötigten Beischlaf bzw. der Wegnahme verknüpft und so qualifiziert. Zum anderen und vor allem wäre es sinnwidrig, z.B. §§ 178, 251 StGB auf die seltenen Fälle zu beschränken, in denen der Tod des Opfers - nur oder auch - durch den Beischlaf bzw. die Wegnahme als solche verursacht wird.
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Umstritten ist, ob die Verwirklichung des Teilakts, der im Hinblick auf die Folge nicht 51 typischer oder spezifischer Weise gefährlich ist, genügen kann, wenn die Folge aufgrund besonderer Umstände - nur oder auch - durch diesen Teilakt herbeigeführt wird, z.B. wenn der Räuber dem Raubopfer ein, wie er weiß, lebenswichtiges Medikament wegnimmt und leichtfertig nicht bedenkt, dass es nicht rechtzeitig wiederbeschafft werden kann. Die h.L. verneint die Frage. 64 Richtigerweise bleibt das Grunddelikt in derartigen Fällen konkret besonders (gesteigert) gefährlich im Hinblick auf die Folge (o. Rdn. 25), so dass ein erfolgsqualifiziertes Delikt vorliegen kann. 6 5
III. Subjektive Zurechnung der Folge 1. Allgemeines. Eine vordringende Auffassung in der Lehre will die erfolgsqualifizier- 5 2 ten Delikte nur oder im Schwerpunkt auf der Ebene der subjektiven Zurechnung begrenzen. Nach Paeffgen (NK Rdn. 43 ff) soll sich der gesteigerte Handlungsunwert der erfolgsqualifizierten Delikte allein durch die Leichtfertigkeit in Bezug auf die Folge begründen lassen; sie sei in verfassungskonformer Auslegung auch bei solchen erfolgsqualifizierten Delikten zu verlangen, die wie § 227 StGB einfache Fahrlässigkeit genügen
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S. aus der Rechtsprechung - freilich überwiegend den „erfolgsqualifizierten Versuch" und Sonderfragen der Brandstiftung mit Todesfolge betreffend - RGSt 69 332; RG JW 1933 2059 m. zust. Anm. Gallas-, BGHSt 7 37; 19 102; 20 230; BGH NJW 1965 2411; vgl. weiterhin Ulsenheimer GA 1966 265 Fn. 46. In diesem Sinne hatte noch RGSt 40 321, 325 in einem obiter dictum bemerkt, dass bei todeserfolgsqualifizierten Delikten „stets die vollendete Tat (...) den Tod verursacht haben muss".
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Dann wird es auch teleologisch zweifelhaft, warum eigentlich Tatvollendung erforderlich sein soll - müsste nicht auch bei bloßem Versuch des Grunddelikts durch Gewaltanwendung ein vollendetes erfolgsqualifiziertes Delikt vorliegen? S. zum Problem Stree GA 1960 291; Hirsch LK 10 § 224 Rdn. 5. S. nur Herdegen LK 11 § 251 Rdn. 2; Sch/Schröder/Eser § 251 Rdn. 4, je m.w.N. So noch Lackner/Kühl § 251 Rdn. 1; Maurach/Schroeder/Maiwald I 8 § 35 Rdn. 32; anders jetzt Maurach/Schroeder/Maiivald I § 35 Rdn. 34.
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2. Abschnitt. Die Tat ließen. 6 6 Andere Autoren sehen erfolgsqualifizierte Delikte als „quasivorsätzliche Verletzungstaten" an und verlangen Kenntnis der die Folgengefahr begründenden Umstände. 6 7 Mit § 18 StGB ist das nicht mehr vereinbar („de lege lata [...] kaum vertretbar", Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 4) und kann sich auch nicht auf Verfassungsrechtsprechung stützen, die dem Gesetzgeber bei der Festlegung der subjektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen und der Strafrahmen einen weiten Spielraum lässt. 53
2 . Vorsatz. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 18 StGB („wenigstens") und dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers unterfällt die vorsätzliche Herbeiführung der Folge den Tatbeständen der erfolgsqualifizierten Delikte. Für die leichtfertig todeserfolgsqualifizierten Delikte des StGB hat der Gesetzgeber gleichfalls durchweg klargestellt, dass „wenigstens" leichtfertiges, also auch vorsätzliches Handeln genügt. Damit hat sich der Gesetzgeber insgesamt für die sog. Konkurrenzlehre entschieden (s. noch u. Rdn. 56). Auch wenn sich hieraus Folgefragen nicht nur für die Konkurrenzen (u. Rdn. 86 ff), sondern auch für die Beteiligung und den Versuch ergeben, ist die eindeutige Gesetzeslage hinzunehmen.
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Das hindert kriminalpolitische Kritik nicht. So hatte bereits Radbruch (VDA II, S. 2 3 4 ) bemerkt, das durch die vorsätzliche Herbeiführung des Erfolgs qualifizierte Delikt sei kriminalpsychologisch etwas ganz anderes als das durch die (zufällige oder) fahrlässige Herbeiführung qualifizierte Delikt; jenes sei in Wahrheit eine durch das Mittel qualifizierte Herbeiführung des Erfolgs, füge sich nicht in den Rahmen des erfolgsqualifizierten Delikts ein und strebe vielmehr zu dem auf den Erfolg gerichteten Verbrechen hin. Daher ist de lege ferenda vielfach eine Ausscheidung der Fälle der vorsätzlichen Erfolgsherbeiführung verlangt 6 8 und dogmatisch versucht worden, die Rechtsfigur des erfolgsqualifizierten Delikts auf Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen zu beschränken, 6 9 was als sog. Exklusivitätslehre bezeichnet wird ( P a e f f g e n N K Rdn. 84; zusf. hierzu Rengier S. 100 ff mit Nachw.).
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In der Tat können vorsätzlich begangene Todeserfolgsqualifikationen auch ohne Rückgriff auf die erfolgsqualifizierten Delikte regelmäßig (s. aber sogleich Rdn. 56 zu Sonderfällen) angemessen durch §§ 211 ff StGB erfasst werden. Anderes gilt aber für lediglich erfolgsintensivierende qualifizierende Folgen (z.B. bei §§ 2 2 6 Abs. 1, 2 3 9 Abs. 2 Nr. 1 StGB): Würde hier nicht auch und erst recht die vorsätzliche Herbeiführung der Folge erfasst, so stünde nur das Grunddelikt mit einem i.d.R. (z.B. bei §§ 223, 2 3 9 Abs. 1 StGB) deutlich milderen Strafrahmen zur Verfügung. Es wäre aber willkürlich und ungerecht, den, der die intensivierende Folge nur fahrlässig herbeiführt, strenger zu bestrafen als den, der es vorsätzlich tut. 7 0
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Daraus folgt de lege lata, dass, erwähnt der Gesetzgeber in einem besonderen erfolgsqualifizierten Delikt nur Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit in Bezug auf die Folge, dies im Hinblick auf § 18 StGB (ggf. i.V.m. Art. 1 EGStGB) in der Weise auszulegen ist, dass
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Für die ehemaligen §§ 229 Abs. 2, 307 Nr. 1, 312, 318 Abs. 2, 319 StGB in eine ähnliche Richtung, ansonsten ablehnend Rengier S. 205; generell ablehnend Roxin AT I § 10 Rdn. 115 Fn. 161. Horn/Wolters SK § 227 Rdn. 10; ähnlich auch Kohlrausch/Lange § 56 Anm. III; Lange Niederschriften 2, S. 255 f; Oehler ZStW 69 (1957) 508, 514. Hirsch GA 1972 65 f; Koffka Niederschriften
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2, S. 243; Radbruch VDA II, S. 234. - Der E 1962 wollte die vorsätzliche Erfolgsherbeiführung ausscheiden und verzichtete dementsprechend auf das Wort „wenigstens", sah aber im Besonderen Teil Ausnahmen vor (s. Begr. S. 136). Hardwig GA 1965 97; Hirsch GA 1972 65 ff. Vgl. BGHSt 9 135; 19 102, 106; Hruschka GA 1967 43; Rudolphi JR 1976 74; Traub NJW 1956 370.
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
auch und erst recht Vorsatz genügt (grundlegend BGHSt GrSSt 39 100). 71 Nach heutigem Recht spielt dieser Grundsatz aber nur mehr für das Nebenstrafrecht (z.B. bei § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) eine Rolle, da der Gesetzgeber bei den leichtfertig todeserfolgsqualifizierten Delikten des StGB durchweg klargestellt hat, dass „wenigstens" Leichtfertigkeit genügt (s. BTDrucks. XIII/8587 S. 79). Im Übrigen ergibt sich die Einbeziehung auch und erst recht des Vorsatzes im StGB daraus, dass in den Straftatenkatalog der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB) auch erfolgsqualifizierte Delikte einbezogen sind, die nur bei Vorsatz hinsichtlich der Folge „angedroht" werden können (Schroeder LK 11 Rdn. 25). Gegen die Exklusivitätslehre spricht weiterhin, dass hiernach bei Zweifeln, ob der Täter hinsichtlich der Folge vorsätzlich oder nur fahrlässig gehandelt hat, konsequenterweise nur aus dem Grunddelikt bestraft werden dürfte, was „völlig unangemessen" (Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 3) wäre. Auch ist es auf dem Boden der Exklusivitätslehre nicht möglich, den in Bezug auf die Folge vorsätzlich handelnden Teilnehmer bei nur fahrlässiger Folgeherbeiführung durch den Haupttäter als Teilnehmer an einem erfolgsqualifizierten Delikt zu bestrafen (Cramer/Sternberg-Lieben aaO). 3. Leichtfertigkeit. Soweit das Gesetz - wie regelmäßig bei den todeserfolgsqualifizierten Delikten mit Ausnahme namentlich der §§ 221 Abs. 3, 227 StGB - Leichtfertigkeit hinsichtlich der Folge voraussetzt, darf sie nicht bereits aus der Begehung des Grunddelikts als solcher hergeleitet werden, andernfalls das erfolgsqualifizierte Delikt auf eine bloße Erfolgshaftung hinausliefe (vgl. Hirsch GA 1972 65, 74). Vielmehr muss die Leichtfertigkeit in der konkreten Art und Weise der Begehung des Grunddelikts gefunden und mit ihr begründet werden; nachträgliches leichtfertiges Sterbenlassen des Opfers genügt nicht (s. noch u. Rdn. 61).
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Zu den Anforderungen an Leichtfertigkeit s. § 15 Rdn. 292 ff. Erfasst sind insbesondere „vorsatznahe" Fälle, bei den todeserfolgsqualifizierten Delikten solche mit Lebensgefährdungsvorsatz und solche grober und gröbster unbewusster Fahrlässigkeit in Bezug auf die Folge (ebenso Paeffgen NK Rdn. 48 ff). Bewusste Fahrlässigkeit genügt als solche nicht, sofern der Täter nachvollziehbarer Weise ernsthaft darauf vertraut und nicht bloß vage hofft, dass die Folge ausbleiben wird.
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4. Fahrlässigkeit. Dass der Gesetzgeber vielfach und namentlich bei § 227 StGB die einfache Fahrlässigkeit in Bezug auf die qualifizierende Folge genügen lässt, ist de lege lata hinzunehmen (o. Rdn. 52). Die erforderlichen Einschränkungen sind nach h.A. bei dem objektiven Zurechnungszusammenhang zwischen Tat und Folge vorzunehmen (o. Rdn. 31 ff).
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Zu den Anforderungen an Fahrlässigkeit s. § 15 Rdn. 164 ff. Allerdings ergeben sich bei den erfolgsqualifizierten Delikten Besonderheiten: Auch nach der Rechtsprechung sind die sonst auf der Ebene der subjektiven Fahrlässigkeitszurechnung angesiedelten Probleme ungewöhnlicher Kausalverläufe oder der Mitverantwortung des Verletzten oder Dritter bereits auf der Ebene des objektiven „spezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhanges" (o. Rdn. 32) zu lösen. Weiterhin erscheint es fragwürdig, ob das Fahrlässigkeitselement der Sorgfaltspflichtverletzung/unerlaubten Risikoschaffung bei erfolgsqualifizierten Delikten eine selbstständige Rolle spielen kann, da der Täter stets ein Grunddelikt
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S. weiterhin BGHSt 3 5 2 5 7 , 2 5 8 m. Anm. Alwart N S t Z 1 9 8 9 2 2 5 und thal J R 1 9 8 8 3 3 5 ; B G H N S t Z 1 9 9 2 m. Anm. Lagodny 4 9 0 . A A BGHSt
zust. Lauben230 2 6 175;
Maiwald GA 1 9 7 4 2 7 0 ; Rudolphi J R 1 9 7 6 7 4 und J Z 1 9 8 8 8 8 0 , 8 8 1 ; Tenckhoff Z S t W 8 8 ( 1 9 7 6 ) 9 1 2 ff. Zusf. Lackner/Kübl § 251 Rdn. 4.
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2. Abschnitt. Die Tat
vorsätzlich verwirklicht. 7 2 Deshalb beschränkt die h.L. die Prüfung der Fahrlässigkeit bei erfolgsqualifizierten Delikten auf die Frage der (objektiven und subjektiven) Erkennbarkeit (Vorhersehbarkeit) des möglichen Eintretens der Folge. 7 3 Diese ist entgegen der Rechtsprechung im Grundsatz auch auf den Kausalverlauf zu beziehen (zutr. Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 5; s. § 15 Rdn. 2 5 2 ) . 61
5. Zeitpunkt des Vorliegens von Vorsatz, Leichtfertigkeit oder Fahrlässigkeit. Vorsatz, Leichtfertigkeit oder Fahrlässigkeit hinsichtlich der Folge müssen bei Begehung des Grunddelikts vorliegen; dass sie erst nachträglich hinzutreten, genügt nicht. So führt leichtfertiges Sterbenlassen eines Betäubungsmittelabhängigen, dem der Täter Betäubungsmittel überlassen hat, ohne bereits hierbei in Bezug auf den Tod des Abhängigen leichtfertig gehandelt zu haben, nicht zur Anwendung des § 30 Abs. 1 Nr. 3 B t M G (BGHSt 33 66, 68 f). Auch der erst nach einer Sexualstraftat gefasste Tötungsvorsatz genügt nicht für § 178 StGB ( O G H N J W 1950 710); gleiches gilt für die fahrlässige Tötung des Opfers, das der Täter irrig für tot hält (s. bereits o. Rdn. 3 3 ) . 7 4 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob bereits bei Begehung des Grunddelikts Vorsatz, Leichtfertigkeit oder Fahrlässigkeit in Bezug auf eine die Folge herbeiführende Anschluss- oder Verdeckungstat eines Dritten vorlagen (hierzu o. Rdn. 3 9 ff).
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6. Feststellung der inneren Tatseite. Das Tatgericht darf die innere Tatseite nicht offen lassen, z.B. bei § 2 2 7 StGB nicht bloß feststellen, der Täter habe in Bezug auf den Tod des Opfers „wenigstens" fahrlässig gehandelt. Das versteht sich von selbst, wenn Tötungsvorsatz in Betracht kommt, weil dann idealkonkurrierend §§ 211 ff StGB verwirklicht sein können, gilt aber allgemein, weil die innere Tatseite strafzumessungsrelevant ist (u. Rdn. 94). Aus dem Fehlen des Vorsatzes, die Folge herbeizuführen, darf nicht ohne Weiteres auf die diesbezügliche Fahrlässigkeit bzw. Leichtfertigkeit geschlossen werden (§ 15 Rdn. 14). Ist zweifelhaft, ob die Folge vorsätzlich oder nur leichtfertig bzw. fahr-
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S. auch BGHSt 22 248, 249: keine Strafbarkeit gem. § 2 2 4 (heute 226 Abs. 1) StGB, wenn der Täter mit Tötungsvorsatz auf das Opfer schießt und dessen Erblindung auf einem Auge bewirkt: „Die Annahme einer solchen Fahrlässigkeit liefe auf den Vorwurf hinaus, der Täter habe es bei der von ihm beabsichtigten Tötung an der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt fehlen lassen"; krit. hierzu Hirsch LK 1 0 Vor § 223 Rdn. 16, 18,
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§ 54 III 2; Leschkas/Loose/Renneberg
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Ver-
antwortung und Schuld im neuen Strafgesetzbuch (1964) S. 111; Sch/Scbröder/
Cramer/Sternberg-Lieben
Rdn. 5; Schroeder
J Z 1989 776, 778; §§ 7, 8, 11 Abs. 2 StGB DDR; Art. 18 Abs. 3, 119 Ziff. 3, 122 Ziff. 2, 123 Ziff. 3 Schweiz. StGB; vgl. auch Stratenwerth/Kuhlen § 15 Rdn. 29. Leicht einschränkend BGH 1 StR 120/75 bei Daliinger M D R 1976 16: Vorhersehbarkeit „entscheidendes Merkmal". AA OLG Frankfurt NJW
19; Jakobs NJW 1969 437; Schroeder J Z
1989 776, 778. In der Tat dürfte es Ausnahmefälle geben, in denen ungeachtet der Begehung des vorsätzlichen Grunddelikts kein sorgfaltswidriges/unerlaubt riskantes Handeln hinsichtlich der Folge vorliegt man denke an eine einvernehmliche körperliche Auseinandersetzung, die (nur) wegen § 228 StGB (auch) gem. § 223 StGB strafbar ist, wenn die Beteiligten Vorsorge gegen schwere Folgen oder gar Todesfolgen treffen, die aufgrund ganz außergewöhnlicher Umstände (z.B. unbekannte Blutereigenschaft eines Beteiligten) eintreten.
BGHSt 24 213, 215 m. Anm. Meisenberg NJW 1972 694; BGH NStZ 1982 27; Koffka Niederschriften 2, S. 242; Jescheck Niederschriften 2, S. 2 4 8 und Jescheck/Weigend
1963 2381; Hirsch GA 1972 73 Anm. 44a
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und FS Oehler, S. 132 aufgrund einer abweichenden Fahrlässigkeitskonstruktion; Wolter GA 1984 443, 445. - Auch die Entwürfe bis 1919 (o. Rdn. 1) beschränkten sich darauf, die Vorhersehbarkeit der Folge zu verlangen. Andere Begründung bei Wolter JuS 1981 168, 172.
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen lässig herbeigeführt worden ist, so ist im Ergebnis der Bestrafung die Leichtfertigkeit bzw. Fahrlässigkeit zugrunde zu legen (§ 15 Rdn. 14; s. auch Hruschka GA 1 9 6 7 4 5 f).
IV. Sonderfragen 1. Erfolgsqualifiziertes Delikt und Unterlassen. Grunddelikt eines erfolgsqualifizierten Delikts kann auch ein (insbesondere unechtes) Unterlassungsdelikt sein. Das ist gesetzlich z.B. in § 2 2 1 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 3 StGB so vorgesehen, gilt aber nach der zutreffenden Rechtsprechung (BGH bei Holtz M D R 1 9 8 2 6 4 2 ; B G H N J W 1995 3 1 9 4 7 5 ) und h.L. 7 6 allgemein. Freilich ist es nach allgemeinen Grundsätzen erforderlich, dass es dem Täter (Garanten) individuell möglich war, nicht nur den Erfolg des Grunddelikts, sondern auch das Eintreten der qualifizierenden Folge abzuwenden, wobei nicht bloß theoretische Zweifel dem Täter zugute kommen müssen. Überdies soll nach B G H N J W 1 9 9 5 3194 das Unterlassen des Täters die Gefahr des Eintritts der qualifizierenden Folge geschaffen haben; richtigerweise genügt die Erhöhung der Gefahr, wenn im Übrigen die allgemeinen Voraussetzungen gegeben sind (zutr. Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 7 a ) . 7 7 Bei § 2 2 7 StGB verlangt die der sog. Letalitätstheorie (o. Rdn. 4 4 ) verpflichtete h.L., dass dem Täter (Garanten) vorgeworfen werden kann, einen geradezu letalen Körperverletzungserfolg vorsätzlich nicht abgewendet zu haben. 7 8 Dem ist aus den oben Rdn. 4 6 dargelegten Gründen im Ausgangspunkt zu widersprechen. Jedoch muss, wenn dem Garanten nur die vorsätzliche Nichtabwendung eines einfachen Körperverletzungserfolgs vorgeworfen werden kann, die Frage der Modalitätenäquivalenz (§ 13 Abs. 1 letzter Halbs. StGB) näher geprüft werden (zutr. B G H N J W 1995 3 1 9 4 ) . 7 9 Zur Beteiligung durch Unterlassen an einem erfolgsqualifizierten Delikt u. Rdn. 71.
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Das bloße Unterlassen der Abwendung des Eintretens der qualifizierenden Folge nach begangenem Grunddelikt kommt hingegen nicht selbständig in Betracht: Entweder liegen bereits bei Begehung des Grunddelikts Vorsatz, Leichtfertigkeit oder Fahrlässigkeit vor; dann kommt es auf das „Anschlussunterlassen" nicht mehr an. Oder Vorsatz, Leichtfertigkeit oder Fahrlässigkeit treten erst nachträglich hinzu; das genügt aber für ein erfolgsqualifiziertes Delikt nicht (o. Rdn. 61).
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2. Vorsatzausschließender Irrtum, Rechtfertigung und Entschuldigung beim erfolgsqualifizierten Delikt. Liegen in Bezug auf das jeweilige Grunddelikt vorsatzausschließende Irrtümer, Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe vor, so scheidet eine Strafbarkeit wegen des jeweiligen erfolgsqualifizierten Delikts aus. Ist eine vorsätzliche Körperverletzung, auch wenn ihr das Risiko der Herbeiführung schwerer Folgen oder des Todes des Angreifers immanent ist, durch Notwehr gerechtfertigt, so kann nicht gem. §§ 2 2 6 , 2 2 7
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Mit Anm. Wolters JR 1996 471. BGH NStZ 1995 589 f; Maurach/Schroeder/ Maiwald I 9 § 9 Rdn. 32; Paeffgen NK Rdn. 108; Rudolphi SK Rdn. 3; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 7a. S. hierzu auch Ingelfinger GA 1997 572, 589; Köhler Beteiligung und Unterlassen beim erfolgsqualifizierten Delikt (2000) S. 140 ff.
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Küpper FS Hirsch, S. 615, 627; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 7a. Zust. Ingelfinger GA 1997 573, 586 ff; für Unerheblichkeit der Modalitätenäquivalenz bei unterlassener vorsätzlicher Abwendung letaler Körperverletzungserfolge Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 7a.
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2. Abschnitt. Die Tat
StGB (im Ergebnis auch nicht gem. §§ 222, 229 StGB, s. § 15 Rdn. 310) bestraft werden. 80 Gleiches gilt bei gem. § 33 StGB entschuldigtem Notwehrexzess. Jenseits dessen kann die Notwehrüberschreitung aber durchaus zu einer Strafbarkeit auch gem. § § 226, 227 StGB führen. 8 1 Bei Einwilligung des Verletzten in die Körperverletzung ist § 228 StGB zu beachten (s. hierzu Rengier S. 145). Wenn und soweit die Einwilligung der Schwangeren in einen Schwangerschaftsabbruch (z.B. durch einen „Kurpfuscher") unwirksam ist, so kommen, stirbt die Schwangere an den Folgen des Abbruchs, § 227 StGB und erst recht § 218 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB in Betracht. 82 Ärztliche Heileingriffe, die nicht durch eine (ggf. mutmaßliche oder „hypothetische" 83 ) Einwilligung des Patienten gedeckt sind, sind nach überwiegender, freilich bestrittener Auffassung (eingehend Lilie LK 11 Vor § 223 Rdn. 3 ff) stets als vorsätzliche Körperverletzung gem. § 223 StGB strafbar; kommt es dann zu schweren Folgen oder stirbt der Patient, so kann das nach §§ 226 (Abs. 1), 227 StGB strafbar sein. 84 Dass die Einwilligung eines Patienten objektiv eine kunstfehlerhafte Behandlung nicht deckt, belastet den Arzt aber als solches nicht, da er zumindest bei unvorsätzlichem Kunstfehler subjektiv annimmt, sein Handeln sei durch die Einwilligung gedeckt, also einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterliegt, der mindestens den Vorsatzschuldvorwurf ausschließt; hier kommen nur §§ 222, 229 StGB in Betracht. 66
Bislang wenig geklärt ist die Frage, ob eine „Teilrechtfertigung" - zu denken wäre auch an eine „Teilentschuldigung" z.B. wegen partiellen Verbotsirrtums - eines erfolgsqualifizierten Delikts nur bezogen auf die herbeigeführte Folge möglich ist, z.B. wenn sich ein voll verantwortlicher Betäubungsmittelabhängiger eine - wie er erkennt - möglicherweise lebensgefährliche Überdosis verabreichen lässt, an der er stirbt. In derartigen Fällen begründet BGHSt 37 179, 181 ff, 8 5 s. auch BGHSt 49 34, 43, eine Strafbarkeit gem. § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG damit, dass Straftaten nach dem BtMG mit der Volksgesundheit ein überindividuelles Rechtsgut schützten, das nicht zur Disposition der Beteiligten stehe. Dem ist zwar für das Grunddelikt, nicht aber für die Erfolgsqualifikation zuzustimmen; 86 hier erscheint eine „Teilrechtfertigung" durchaus diskutabel. Freilich stellt sich zudem die Frage, ob, wie die h.A. meint, bei einverständlicher Lebensgefährdung der Wertungsgedanke der §§ 216, 228 StGB zu berücksichtigen ist (s. zuletzt BGHSt 49 34, 44 zu § 227 StGB: 87 Sittenwidrigkeit, „wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Betroffene [...] in konkrete Todes-
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BGH v. 1.12.1987 - 1 StR 557/87 (kein § 227 wegen vorsatzausschließenden Erlaubnistatumstandsirrtums bezüglich § 223); Hardtung MK § 226 Rdn. 3. BGHSt 45 378, 382 ff; anders für ungewollte, über das Erforderliche hinausgehende Auswirkungen der Notwehrhandlung Hassemer JuS 1980 412 ff. BGHSt 28 11 in Abkehr von BGHSt 15 345: § 218 in Tateinheit zu § 222 StGB unter Berücksichtigung der Mindeststrafe des § 227 StGB; Kröger LK 11 § 218 Rdn. 59 und 65 („Kurpfuscherklausel"). BGH NStZ-RR 2004 16 m. Anm. Kuhlen JR 2004 227 und Rönnau J Z 2004 801. St. Rspr. seit RGSt 25 375; aus der Lehre Arzt/Weber § 6 Rdn. 99 f; Horn/Wolters SK § 223 Rdn. 33 f; Joecks MK § 223
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Rdn. 68; Paeffgen NK § 228 Rdn. 56 ff; krit. Sch/Schröder/Eser § 223 Rdn. 29 ff m.w.N. 85 = BGH NStZ 1991 392 m. Anm. Beulke/ Schröder NStZ 1991 393; des Weiteren Hohmann M D R 1991 1117; Köhler M D R 1992 739; Nestler-Tremel StV 1992 273; Rudolphi J Z 1991 572. 86 Körner Betäubungsmittelgesetz, Arzneimittelgesetz 5 (2001) § 30 Rdn. 61; sowie Köhler M D R 1992 739, der allerdings das Universalrechtsgut der Volksgesundheit völlig ablehnt; ebenso Weigend LK Einl. Rdn. 4. Rechtsvergleichend dazu Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht BT Rdn. 509 m.N. S7 = NJW 2004 1054 m. Anm. Duttge N J W 2005 260 sowie Mosbacher JR 2004 390.
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
§18
gefahr gebracht wird"). Nur wer das ablehnt (§ 15 Rdn. 237 f), kann bei § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG im Ergebnis zu einer „Teilrechtfertigung" kommen. Bei § 227 StGB dürfte sich die Rechtfertigungsfrage ohnehin regelmäßig bereits im Hinblick auf das Grunddelikt stellen (s. BGHSt 49 34, 4 0 ff). 3. Beteiligung am erfolgsqualifizierten Delikt a) Täter eines erfolgsqualifizierten Delikts kann nur sein, wer nach allgemeinen Regeln das Grunddelikt täterschaftlich begeht und wem hinsichtlich der Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt (s. § 18 StGB). Wie sich auch aus § 29 StGB ergibt (Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 7), ist unerheblich, ob anderen Beteiligten Fahrlässigkeit, Leichtfertigkeit oder Vorsatz oder auch gar kein Verschulden zur Last fällt. 88 Unerheblich ist auch, ob der Täter die Folge eigenhändig herbeiführt. Da dem Mittäter die Handlungen der anderen Mittäter und dem mittelbaren Täter die Handlungen des Tatmittlers zugerechnet werden, ist der erforderliche objektive Zurechnungszusammenhang (o. Rdn. 31 ff) nur auf das Handeln des die Folge herbeiführenden Mittäters oder Tatmittlers zu beziehen. Bei Mittätern muss sich der gemeinsame Tatentschluss nur auf das Grunddelikt beziehen; wegen der Erfolgsqualifikation ist aber nur strafbar, wer in Bezug auf die Folge selbst fahrlässig, leichtfertig oder vorsätzlich gehandelt hat. Wird die qualifizierende Folge freilich durch einen Mittäterexzess verursacht,
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der nicht mehr im Rahmen des gemeinsamen Tatplanes liegt, sondern von „wesentlich anderer Art und Beschaffenheit" als vereinbart ist (BGH NStZ 1998 511, 513), so können die anderen Mittäter nicht wegen des erfolgsqualifizierten Delikts bestraft werden (BGH aaO; s. bereits BGH NJW 1973 377; BGH LM § 250 StGB Nr. 2; BGHR StGB § 251 Todesfolge 2; s. bereits Oehler ZStW 69 [1957] 503, 518). Unerhebliche Abweichungen schaden aber nicht. 89 Mittelbare Täterschaft ist entgegen Hardtung MK Rdn. 59 auch in der Weise möglich, dass jemand mit dem Vorsatz, die Folge herbeizuführen, einen anderen, von dem er weiß, dass er hinsichtlich der Folge nur fahrlässig handelt, zur Begehung des Grunddelikts „anstiftet"; auch wenn der „Angestiftete" weiß, dass er das Grunddelikt begeht, irrt er doch in rechtsgutsrelevanter Weise über die Folge, was für mittelbare Täterschaft des „Anstifters" genügt. 90 b) Bereits aus § 18 StGB („oder Teilnehmer") ergibt sich, dass Teilnahme (Anstiftung oder Beihilfe) an erfolgsqualifizierten Delikten möglich ist. Zudem ergibt sich aus dem Zusammenspiel von §§ 11 Abs. 2, 18 mit §§ 26, 27 StGB, dass erfolgsqualifizierte Delikte auch dann, wenn die Folge nur fahrlässig oder leichtfertig herbeigeführt wird, teilnahmefähige Haupttaten sind und dass es für die Teilnahmestrafbarkeit genügt (aber auch erforderlich ist), dass dem Teilnehmer nur Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit in Bezug auf die Folge zur Last fällt. §§ 11 Abs. 2, 18 StGB modifizieren insoweit das doppelte Vorsatzerfordernis der §§ 26, 27 StGB (näher Hardtung MK Rdn. 61).
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Im Einzelnen setzt die Teilnahmestrafbarkeit voraus, dass der Teilnehmer nach allgemeinen Regeln am Grunddelikt teilnimmt und ihm hinsichtlich der Folge wenigstens
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Für die Teilnahme ausdrücklich Roxin AT II § 26 Rdn. 167, 2 8 4 ; Tröndle/Fischer Rdn. 3. Zuletzt BGH NStZ 1998 511, 513; des Weiteren BGH N J W 1973 377; B G H R StGB § 251 Todesfolge 2.
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Ebenso die h.L., s. nur Kudlich JA 2 0 0 0 511, 514 mit Fn. 26; Hirsch L K n § 2 2 6 Rdn. 34; Paeffgen NK § 2 2 6 Rdn. 56; Tröndle/ Fischer Rdn. 3.
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2. Abschnitt. Die Tat Fahrlässigkeit zur Last fällt. Erneut ist es (auch mit Blick auf § 29 StGB) unerheblich, ob der Haupttäter vorsätzlich, leichtfertig, fahrlässig oder gar schuldlos handelt (grundlegend BGHSt 19 339, 341 f). Deshalb ist es möglich, jemanden wegen Teilnahme an einem erfolgsqualifizierten Delikt zu bestrafen, wenn der Haupttäter nur das Grunddelikt verwirklicht (BGH aaO), aber auch, wenn er sogar ein Vorsatzdelikt begeht (BGHSt 2 223). So kann gem. §§ 26, 226 oder §§ 26, 251 StGB bestraft werden, wer nur zu einer Körperverletzung oder zu einem Raub anstiften wollte, wenn der Haupttäter, was der Anstifter hätte vorhersehen können oder was auf der Hand lag, ein vorsätzliches Tötungsdelikt oder einen Raubmord begeht, sofern die in der Tötungshandlung liegende Körperverletzung oder Gewaltanwendung noch vom Anstiftervorsatz gedeckt ist (BGH J Z 1986 764 = NJW 1987 77). Erforderlich, aber auch genügend ist es, dass die Folge durch eine Handlung des Haupttäters, die vom mindestens bedingten Teilnehmervorsatz umfasst war, herbeigeführt wird; unerhebliche Abweichungen zwischen Teilnehmervorsatz und Haupttat schaden aber nicht. 91 Wird die Folge allein durch die Teilnahmehandlung herbeigeführt, genügt das im Grundsatz nicht (Hardtung MK Rdn. 60; Kudlicb JA 2 0 0 0 511, 516), z.B. wenn das Opfer einen Herzinfarkt erleidet, weil es hört, wie der Anstifter den Haupttäter zu seiner Tötung auffordert; anderes gilt, wenn die Teilnahmehandlung Bestandteil der Ausführung des Grunddelikts ist (Hardtung aaO). 70
In der Lehre werden diese sich aus §§ 11 Abs. 2, 18 StGB ergebenden Konsequenzen teils angezweifelt, und teils werden abweichende Konstruktionen oder auch Ergebnisse befürwortet. Im Hintergrund steht die o. Rdn. 21 geschilderte Auffassung, erfolgsqualifizierte Delikte seien ihrem „Wesen" nach Fahrlässigkeitsdelikte mit vertypter vorsätzlicher Sorgfaltspflichtverletzung (s. auch Renzikowski Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung [1997] S. 294 ff: gesetzliche Fiktion eines teilnahmefähigen Vorsatzdelikts, in Wahrheit fahrlässige Teilnahme). Hieraus wird abgeleitet, eine Teilnahme am erfolgsqualifizierten Delikt sei im Grundsatz nur bei vorsätzlicher Folgenherbeiführung durch den Haupttäter (Gössel FS Lange, S. 219, 236) bzw. bei mindestens bedingtem Vorsatz des Teilnehmers hinsichtlich der Folge (Ziege NJW 1954 179) möglich. Weniger im Ergebnis als in der Konstruktion abweichend meinte Oehler (GA 1954 33, 37 f), die Teilnahme am Grunddelikt und die Täterschaft hinsichtlich des Fahrlässigkeitsdelikts, z.B. des § 222 StGB, seien zur Täterschaft, z.B. des § 227 StGB, zu verbinden (hiergegen zutr. Hardtung MK Rdn. 56); ähnlich will Gössel (aaO S. 236 f) eine fahrlässige Nebentäterschaft des Teilnehmers am erfolgsqualifizierten Delikt zulassen. Gegen derartige Täterschafts-Lösungen ist jedoch einzuwenden, dass sie wegen des bei den Fahrlässigkeitsdelikten geltenden Einheitstäterbegriffs den Teilnehmer zum Täter machen und dem Gehilfen die obligatorische Strafmilderung gem. § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB abschneiden (Rudolphi SK Rdn. 6; Sch/Scbröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 7; Schroeder LK 1 1 Rdn. 36). Vielmehr erklären sich die aus §§ 11 Abs. 2, 18 StGB folgenden Konsequenzen zwanglos daraus, dass sich hier Teilnahme am Grunddelikt mit fahrlässiger Nebentäterschaft in Bezug auf die Folge verbindet. 92 Dass hierbei eine teilweise (und fallweise) fahrlässige Teilnahme an teilweise (und fallweise) fahrlässiger Haupttat unter Strafe gestellt wird, liegt noch im Rahmen des (auch verfassungsrechtlichen) gesetzgeberischen Spielraums (zutr. Hardtung MK Rdn. 61).
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c) Beteiligung durch Unterlassen an einem erfolgsqualifizierten Delikt ist nach allgemeinen Regeln (§ 13 StGB) unter Berücksichtigung der §§ 11 Abs. 2, 18 StGB möglich. 91
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S. aus der Rechtsprechung BGH NJW 1987 77 f; BGH NStZ 1998 513. So die h.M.: BGHSt 19 339, 341 f; Paeffgen
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NK Rdn. 132; Roxin AT II S 27 Rdn. 80; Rudolphi SK Rdn. 6; offen Schmidhäuser AT 11/128 („mag dahinstehen").
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
§ 18
Allerdings hat BGHSt 41 113, 1 1 8 9 3 für die Körperverletzung mit Todesfolge verlangt, dass der Garant die Vorstellung haben muss, die Abwendung einer Körperverletzung zu unterlassen, die „nach Art, Ausmaß und Schwere den Tod des Opfers besorgen lässt" (mit Verweis auf B G H NStE § 2 2 6 StGB Nr. 1). Darin liegt ein im Rahmen der Rechtsprechung nicht konsistent begründbares Zugeständnis an die sog. Letalitätstheorie (zutr. Hirsch LK 1 1 § 2 2 7 Rdn. 10). 4. Versuch und Rücktritt beim erfolgsqualifizierten Delikt. Nach ganz h.A. setzt die Strafbarkeit wegen vollendeten erfolgsqualifizierten Delikts voraus, dass das Grunddelikt vollendet und die Folge eingetreten ist. 9 4 Eine Versuchsstrafbarkeit kommt in zwei Hauptkonstellationen mit je zwei Unterkonstellationen in Betracht: Einerseits kann das Grunddelikt nur versucht, die Folge aber eingetreten sein (sog. erfolgsqualifizierter Versuch), wobei hinsichtlich der Folge Vorsatz oder nur Fahrlässigkeit bzw. Leichtfertigkeit vorliegen kann. Andererseits kann die Folge ausgeblieben, aber vom Tatentschluss mit mindestens bedingtem Vorsatz umfasst gewesen sein (sog. Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts), wobei das Grunddelikt vollendet oder selbst nur versucht sein kann. Über die Behandlung dieser Konstellationen besteht keine Einigkeit (s. zum Folgenden auch Hillenkamp LK 1 1 Vor § 2 2 Rdn. 107 ff).
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Unstreitig ist allerdings, dass gem. § 23 Abs. 1 StGB eine Versuchsstrafbarkeit nur bei solchen erfolgsqualifizierten Delikten in Betracht kommt, bei denen sie ausdrücklich angeordnet ist oder die Verbrechen i.S.d. § 12 Abs. 1 StGB sind, was freilich durchweg der Fall ist. Zur umstrittenen Frage, ob zudem der Versuch des Grunddelikts strafbar sein muss, u. Rdn. 76 ff.
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a) Besonders umstritten ist die Strafbarkeit des nicht vorsätzlich (fahrlässig oder leichtfertig) erfolgsqualifizierten Versuchs, z.B. wenn der Täter eine Vergewaltigung begehen will, das Opfer mit einer Pistole bedroht und dabei leichtfertig einen Schuss abgibt, der das Opfer tötet (vgl. BGHSt 2 0 269, wo es freilich nach dem Schuss noch zum Geschlechtsverkehr mit der Sterbenden kam); wenn der Täter das Opfer zusammenschlagen will und „hetzt" und das Opfer auf der Flucht durch eine zurechenbare und vorhersehbare Panikreaktion ums Leben kommt (BGHSt 4 8 3 4 ) ; 9 5 oder wenn der Täter das Opfer bei einem Raubüberfall brutal tritt und schlägt und es hierdurch leichtfertig tötet, ohne dass es noch zur Wegnahme kommt (BGHSt 4 6 24).
74
aa) Die Rechtsprechung anerkennt für die praktisch bedeutsamsten (todes-)erfolgsqualifizierten Delikte - namentlich §§ 178, 9 6 2 27, 9 7 251 9 8 und 3 0 6 c 9 9 StGB - 1 0 0 die
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= BGH NStZ 1996 35 m. Anm. Hirsch NStZ 1996 37; Schmidt JuS 1995 939; Wolfslast/Schmeissner JR 1996 338. AA - für die Vollendungsstrafbarkeit genüge der Versuch des Grunddelikts, wenn die Folge eintrete - Lüdeking-Kupzok Der erfolgsqualifizierte Versuch - eine tatbestandsspezifische Lösung (Diss. iur. Göttingen 1979) S. 107 ff, 265 ff, 288 ff; Miseré S. 55 ff; Thomsen Über den Versuch der durch eine Folge qualifizierten Delikte (1895) S. 18, 57, 70, 74; hiergegen Hardtung Versuch und Rücktritt, S. 32 f, 45 ff; Rengier S. 244 f.
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M. Anm. Hardtung NStZ 2003 261; Heger JA 2003 455; Kühl JZ 2003 637; Puppe JR 2003 123. RGSt 69 332; BGH bei Dallinger MDR 1971 363. BGHSt 48 34. RGSt 62 422; BGHR StGB § 251 Todesfolge 3; BGHSt 46 24. BGHSt 7 37, 39. Zu §§ 239b, 316c StGB s. Maurach FS Heinitz, S. 412 ff.
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2. Abschnitt. Die Tat S t r a f b a r k e i t des nicht vorsätzlich (fahrlässig oder leichtfertig) erfolgsqualifizierten Versuchs, w e n n bereits die V e r s u c h s h a n d l u n g eine deliktsspezifische G e f a h r der Herbeif ü h r u n g der Folge m i t sich bringt u n d sich diese G e f a h r im E r f o l g verwirklicht (zusf. B G H S t 4 8 3 4 , 3 7 zu § 2 2 7 StGB). Der W o r t l a u t der Vorschriften stehe nicht entgegen, s o n d e r n erfasse teils a u s d r ü c k l i c h den Versuch des G r u n d d e l i k t s (z.B. bei § 2 2 7 StGB: „[§§ 2 2 3 bis 2 2 6 ] " ; die Absätze 2 der §§ 2 2 3 bis 2 2 5 StGB o r d n e n a b e r ausdrücklich die V e r s u c h s s t r a f b a r k e i t a n ; s. B G H a a O S. 38). Bei eingetretener (Todes-)Folge sei der g r u n d d e l i k t i s c h e Erfolg f ü r d e n Unrechtsgehalt „allenfalls v o n u n t e r g e o r d n e t e r Bedeutung" (BGH aaO). 76
N i c h t a b s c h l i e ß e n d g e k l ä r t ist, o b z u d e m erforderlich ist, dass der Versuch des G r u n d d e l i k t s als solcher s t r a f b a r ist. Z u § 2 2 7 (damals § 2 2 6 ) StGB h a t B G H N J W 1971 152 - allerdings o h n e B e g r ü n d u n g u n d nicht t r a g e n d (zutr. B G H S t 4 8 34, 38) - auf die f r ü h e r e Straflosigkeit des Versuchs der e i n f a c h e n K ö r p e r v e r l e t z u n g hingewiesen. Den p r a k t i s c h b e d e u t s a m s t e n Fall der versuchten Aussetzung m i t Todesfolge (§§ 2 2 , 2 2 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 StGB) h a t der B G H zuletzt in N S t Z 1985 5 0 1 1 0 1 o f f e n gelassen.
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bb) Die Lehre s t i m m t der R e c h t s p r e c h u n g ü b e r w i e g e n d z u . 1 0 2 Die E i n w ä n d e k ö n n e n im Anschluss a n Kühl A T 5 § 17a R d n . 4 1 ff als „ F a h r l ä s s i g k e i t s e i n w a n d " , „Versuchseinw a n d " u n d „ E i n w a n d der ,Erfolgsgefährlichkeit' " systematisiert w e r d e n : Auf der G r u n d l a g e des Verständnisses der erfolgsqualifizierten Delikte als Fahrlässigkeitsdelikte (o. R d n . 21) m a c h e n Maurach/Gössel/Zipf § 4 1 R d n . 114 ff geltend, der fahrlässige Versuch sei de lege lata straflos. Ähnlich w e n d e t Hardtung (Versuch u n d R ü c k t r i t t , S. 2 6 5 ff u n d in M K R d n . 75) ein, beim bloß fahrlässig o d e r leichtfertig erfolgsqualifizierten Versuch sei die Folge nicht v o m Vorsatz u m f a s s t ; zu bestrafen sei nicht w e g e n eines Versuchs des erfolgsqualifizierten Delikts, s o n d e r n w e g e n eines „ f o l g e n s c h w e r e n Versuchs" des G r u n d d e l i k t s , freilich a u s d e m S t r a f r a h m e n des Versuchs des erfolgsqualifizierten Delikts ( „ S t r a f s c h ä r f u n g s l ö s u n g " ) . Vielfach w i r d die V e r s u c h s s t r a f b a r k e i t n u r d a n n a n e r k a n n t , w e n n sich in der Folge wie z.B. bei §§ 178, 2 5 1 StGB die „ H a n d l u n g s g e f ä h r l i c h k e i t " niederschlage, nicht aber, w e n n das erfolgsqualifizierte Delikt auf einer „Erfolgsgefährlichkeit" b e r u h e . I n s b e s o n d e r e von A n h ä n g e r n der Letalitätstheorie bei § 2 2 7 StGB (o. R d n . 44) w i r d geltend g e m a c h t , es fehle, w e n n das G r u n d d e l i k t (§§ 2 2 3 ff StGB) nicht vollendet sei, a n einem k r a f t Vorsatzes z u r e c h e n b a r e n letalen grunddeliktischen Verletzungserfolg, d u r c h d e n die Folge h e r b e i g e f ü h r t w e r d e n müsse; d e s h a l b sei n u r wegen versuchter K ö r p e r v e r l e t z u n g in Tateinheit mit fahrlässiger T ö t u n g zu b e s t r a f e n . 1 0 3
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Die Frage, o b der Versuch des G r u n d d e l i k t s s t r a f b a r sein müsse, w a s a u ß e r bei § 2 2 1 Abs. 3 a u c h bei dessen Abs. 2 Nr. 2 u n d bei § 2 3 5 Abs. 5 StGB (s. Hardtung Versuch u n d R ü c k t r i t t , S. 2 4 f) v o n Bedeutung ist, w i r d a u c h in der Lehre nicht einheitlich beantw o r t e t . Teils w i r d a r g u m e n t i e r t , es k ö n n e nicht a n g e h e n , einen Verbrechensversuch straflos zu lassen; 1 0 4 ü b e r w i e g e n d w i r d a r g u m e n t i e r t , die Folge w i r k e n a c h § 18 StGB n u r s t r a f e r s c h w e r e n d , nicht s t r a f b e g r ü n d e n d , w a s a u c h f ü r d e n Versuch gelten müsse (Hillenkamp L K 1 1 Vor § 2 2 R d n . 109; Kühl A T 5 § 17a R d n . 4 7 ) . 1 0 5
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M. abl. Anm. Ulsenheimer StV 1986 201. Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 11; Laubenthal J Z 1987 1069; Rath JuS 1999 140, 142; Stree GA 1960 289. Bussmann GA 1999 21, 32; Roxin AT II § 29 Rdn. 329 f; Sch/Schröder/Cramer/ Sternberg-Lieben Rdn. 9; Nachw. zum
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älteren Schrifttum bei Ulsenheimer GA 1966 262 f. Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 11; vgl. auch Laubenthal JZ 1987 1065, 1067. S. weiterhin Schäfer LK 10 § 239 Rdn. 34; Ulsenheimer GA 1966 269 ff. AA Laubenthal JZ 1987 1065, 1067; Rengier S. 248.
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
cc) Dem „Fahrlässigkeitseinwand" ist § 11 Abs. 2 StGB ( K ü h l aaO § 17a Rdn. 41) und die Einsicht entgegenzuhalten, dass erfolgsqualifizierte Delikte wirkliches Vorsatzunrecht enthalten (o. Rdn. 21). Dann aber kann auch der „Versuchseinwand" nicht durchgreifen (Kühl aaO Rdn. 43), zumal die „Strafschärfungslösung" im Ergebnis nicht abweicht. Der Lehre von der „Handlungsgefährlichkeit" ist insoweit zuzustimmen, als diese Gefährlichkeit erforderlich, aber auch genügend ist, und zwar auch bei § 2 2 7 StGB (o. Rdn. 46). Auf der anderen Seite kann die „Handlungsgefährlichkeit" nicht die ggf. fehlende Strafbarkeit des Versuchs des Grunddelikts ersetzen.
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b) Beim vorsätzlich erfolgsqualifizierten Versuch führt der Täter die Folge bereits durch den Versuch des Grunddelikts mindestens bedingt vorsätzlich herbei, z.B. wenn bei einem Raubüberfall die Täter das Opfer mit bedingtem Tötungsvorsatz mit Eisenstangen auf den Kopf schlagen und das Opfer stirbt, weshalb es nicht mehr zu einer Wegnahme kommt (BGH N J W 2 0 0 1 2187). Die Rechtsprechung bestraft hier aus dem versuchten erfolgsqualifizierten Delikt in Tateinheit mit dem vollendeten vorsätzlichen (Tötungs-)Delikt. 1 0 6 Da sowohl der „Fahrlässigkeits-" als auch der „Versuchseinwand" in diesen Fällen gegenstandslos sind, schließt sich die Lehre dem weitgehend a n 1 0 7 und steht überwiegend auf dem Standpunkt, dass es keiner Strafbarkeit des Versuchs des Grunddelikts bedürfe. 1 0 8
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c) Das versuchte erfolgsqualifizierte Delikt mit vollendetem Grunddelikt ist unter den Voraussetzungen der §§ 2 2 , 2 3 StGB nach allg. M . als Versuch zu bestrafen. 1 0 9 Auf die Strafbarkeit des Versuchs des Grunddelikts kommt es nicht an. Allerdings wird vertreten, bei Tötungsvorsatz sei § 2 2 7 StGB von vornherein nicht erfüllt, 1 1 0 was schwerlich mit § 18 StGB vereinbar ist; die Lösung ist vielmehr erst auf Konkurrenzebene zu suchen (u. Rdn. 89). Auch §§ 251, 2 2 StGB können neben §§ 211, 212 StGB erfüllt sein (BGH N J W 2 0 0 1 2187 = NStZ 2 0 0 1 371). Gleiches gilt für §§ 2 3 9 Abs. 3 Nr. 1, 2 2 im Verhältnis zu § 2 3 9 Abs. 1 StGB, wenn der Täter eine Freiheitsberaubung von mehr als einer Woche beabsichtigt, aber nur eine kurzfristige Freiheitsberaubung erreicht (RGSt 61 179; BGHSt 10 3 0 9 ; B G H GA 1958 3 0 4 ) und für §§ 2 2 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 2 2 im Verhältnis zu § 2 2 4 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wenn der Täter (ohne Tötungs- oder Lebensgefährdungsvorsatz) einer Frau ins Geschlechtsteil schießt, um sie fortpflanzungsunfähig zu machen, aber „nur" eine Schussverletzung eintritt (BGHSt 21 194 = N J W 1967 7 3 7 ) . 1 1 1
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d) Auch das versuchte erfolgsqualifizierte Delikt mit versuchtem Grunddelikt ist nach h.A. gem. §§ 2 2 , 23 StGB strafbar. 1 1 2 So ist gem. §§ 211, 2 2 , 251, 2 2 , 5 2 StGB strafbar, wer mit einer Armbrust auf das Opfer schießt, um es zu töten und ihm den Schlüssel und die Dokumente einer Motorjacht wegzunehmen, die er an sich bringen will, aber das
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B G H N J W 2 0 0 1 2 1 8 7 im Anschluss an BGHSt 21 1 9 4 ; B G H N S t Z 2 0 0 1 5 3 4 .
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Baier JA 2 0 0 1 7 5 1 ; Lackner/Kühl § 251 Rdn. 3; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 3 2 0 ; aA Kühl AT 5 § 17a Rdn. 4 4 . Vgl. Hirsch GA 1 9 7 2 7 5 Anm. 5 0 ; Koffka Niederschriften 2, S. 2 3 8 . A A Ulsenheimer GA 1 9 6 6 2 7 5 , jedoch aufgegeben in FS Bockelmann, S. 418.
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RGSt 61 1 7 9 ; BGHSt 10 3 0 6 , 3 0 9 f; 21 1 9 4 ; GA 1 9 5 8 3 0 4 ; N J W 2 0 0 1 2 1 8 7 ; Baumann/ Weber/Mitsch § 2 6 Rdn. 4 2 ; Jescheck/ Weigend § 4 9 VII 2b; Dehler Z S t W 6 9 ( 1 9 5 7 ) 5 0 3 , 5 2 1 ; Paeffgen N K Rdn. 1 2 7 ;
Roxin AT II S 2 9 Rdn. 3 2 0 ; Rudolphi SK Rdn. 8; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben Rdn. 11; Stree GA 1 9 6 0 2 8 9 , 2 9 5 ; Tröndle/Fischer Rdn. 4 a . 110
Roxin AT II § 2 9 Rdn. 3 1 9 ; Rengier S. 1 0 6 ; aufgegeben von dems. m. B T II 1 6 / 1 2 .
111
Krit. aber Schröder J Z 1 9 6 7 3 6 8 ; s. auch Schmoller JurBl. 1 9 8 4 6 5 4 . So auch RGSt 6 9 5 2 1 ; Hirsch L K 9 § 2 2 4 Rdn. 2 9 ; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 3 2 0 ; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 12; Stree GA 1 9 6 0 2 8 9 , 2 9 5 f. A A Schröder J Z 1 9 6 7 3 6 8 .
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§18
2. Abschnitt. Die Tat
Opfer verfehlt (BGH NStZ 2 0 0 1 5 3 4 ) . Anhänger der sog. Letalitätstheorie machen bei § 2 2 7 StGB konsequenterweise, aber zu Unrecht eine Ausnahme (Sch/Schröder/Cramer/ Sternberg-Lieben Rdn. 12). Auf die Strafbarkeit des Versuchs des Grunddelikts kommt es nach h.L. nicht an. 1 1 3 83
e) Bei der Frage des Rücktritts ist zu differenzieren:
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aa) Nach allg. M . ist ein Rücktritt vom versuchten erfolgsqualifizierten Delikt i.S.d. o. Rdn. 81 f Dargelegten möglich, sei es, dass der Täter bereits vor Vollendung des Grunddelikts zurücktritt, was ggf. insgesamt Straflosigkeit bewirkt, sei es, dass er nach Vollendung des Grunddelikts je nach Rücktrittshorizont die weitere Herbeiführung der Folge aufgibt oder ihr Eintreten verhindert, was die Strafbarkeit wegen des Grunddelikts aber unberührt lässt. 1 1 4 Das gilt auch, wenn zwar der grunddeliktische Erfolg (z.B. der §§ 2 2 3 , 2 3 9 Abs. 1 StGB), aber noch nicht die erfolgsintensivierende Folge (z.B. der §§ 2 2 6 , 2 3 9 Abs. 3 Nr. 1 StGB) eingetreten ist (zutr. Kostuch S. 2 3 2 ff).
85
bb) Umstritten ist demgegenüber, ob und inwieweit ein Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Versuch i.S.d. o. Rdn. 74 ff Dargelegten anzuerkennen ist, wenn die qualifizierende Folge bereits durch die Versuchshandlung herbeigeführt worden ist, sei es fahrlässig oder leichtfertig, sei es (bedingt) vorsätzlich, und der Täter nunmehr von der Vollendung des Grunddelikts zurücktritt. In der Lehre wird geltend gemacht, hier habe sich die besondere Gefährlichkeit der Versuchshandlung bereits in der Folge verwirklicht; das könne der Täter durch einen Rücktritt vom Versuch des Grunddelikts nicht mehr beseitigen, 1 1 5 zumal der Rücktritt nach h.A. nur persönlicher Strafaufhebungsgrund sei, also das schuldhaft verwirklichte Versuchsunrecht, auf das der erfolgsqualifizierte Versuch aufbaue, nicht entfalle (Jäger N S t Z 1 9 9 8 161, 164; ähnlich Roxin AT II § 3 0 Rdn. 2 9 2 ) . RGSt 75 5 2 , 54 und nunmehr grundlegend BGHSt 4 2 1 5 8 1 1 6 (beide zu § 251 S t G B ) 1 1 7 lassen einen Rücktritt hingegen zu: Die Gegenauffassung enthalte eine „nicht zulässige tatbestandliche Reduktion" des § 2 4 StGB und verstoße gegen Art. 103 Abs. 2 G G (BGH aaO S. 160 f). Dieses Wortlautargument (eingehend hierzu Küper J Z 1 9 9 7 2 2 9 , 231 f) erscheint freilich nicht zwingend, da unter „Tat" auch das gesamte erfolgsqualifizierte Delikt - einschließlich Folgenherbeiführung - verstanden werden kann (Roxin aaO Rdn. 2 9 0 ) . Ob es sachgerecht ist, z.B. beim freiwilligen Verzicht auf Raubvollendung nach Tod des Opfers durch lebensgefährliche Gewaltanwendung nur gem. §§ 2 4 0 , 2 2 2 StGB zu bestrafen, erscheint zweifelhaft („unbefriedigend", Lackner/ Kühl § 2 4 Rdn. 2 2 ) , und die Grundgedanken des Rücktritts („Gefährdungsumkehr" oder auch „goldene Brücke" oder Opferschutz) tragen das Ergebnis der h.A. nicht (zutr. Roxin aaO Rdn. 2 9 4 ) . Aber aus § 18 StGB ergibt sich, dass ein erfolgsqualifiziertes Delikt nur strafbar sein kann, wenn ein strafbares Grunddelikt vorliegt; nur dann knüpft das Gesetz „schwerere Strafe" an eine besondere Folge der Tat. Deshalb kann nur der Gesetzgeber bestimmen, dass der Rücktritt vom Versuch nach Eintreten der Folge aus-
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AA Ulsenheimer GA 1 9 6 6 2 7 8 ; s. auch Schröder J Z 1 9 6 7 369.
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S. nur Hillenkamp L K 1 1 § 2 4 Rdn. 314; Paeffgen N K Rdn. 1 2 8 ; Rudolphi SK Rdn. 8a; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben Rdn. 13.
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Herdegen L K 1 1 § 2 5 1 Rdn. 16; Jäger N S t Z 1 9 9 8 161; Roxin AT II § 3 0 Rdn. 2 8 9 ff; Ulsenheimer FS Bockelmann, S. 4 0 5 , 4 1 3 ff;
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Wolter JuS 1981 168, 1 7 8 ; krit. auch Egon Schneider J Z 1 9 5 6 7 5 2 . - Radbruch (VDA II, S. 2 5 2 ) hatte eine einschlägige „Zusatzbestimmung zum Rücktrittsparagraphen" angeregt. 116
Mit Anm. Beineke JuS 1 9 9 7 1151; Küper J Z 1 9 9 7 2 2 9 ; Martin JuS 1 9 9 7 178; Sonnen JA 1 9 9 7 184.
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S. weiterhin B G H N S t Z 2 0 0 3 3 4 .
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Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen geschlossen ist (Kühl A T 5 § 1 7 a R d n . 5 8 ) . Bereits de lege lata ist allerdings sorgfältig zu prüfen, o b der R ü c k t r i t t vom Versuch des Grunddelikts angesichts des Eintretens der Folge noch freiwillig (s. hierzu B G H S t 4 2 1 5 8 , 1 6 1 ) und o b der Versuch nicht bereits fehlgeschlagen ist, was z.B. bei § 1 7 8 S t G B regelmäßig der Fall sein dürfte (zutr. Roxin a a O R d n . 2 9 4 ) , aber auch bei § 2 5 1 S t G B der Fall sein k a n n , wenn die W e g n a h m e nur unter M i t w i r k u n g des Opfers hätte vollendet werden können (so in B G H N J W 2 0 0 1 2187).
5.
Konkurrenzen
a) Fragen der Handlungskonkurrenz (Tateinheit oder -mehrheit, §§ 5 2 , 5 3 S t G B ) k ö n n e n sich bei erfolgsqualifizierten Delikten insbesondere bei „Anschlussunterlassen" stellen. N a c h B G H N S t Z 2 0 0 0 2 9 , 3 0 und N S t Z - R R 2 0 0 0 3 3 0 sind eine K ö r p e r v e r letzung mit Todesfolge und ein anschließender Totschlag durch Unterlassen durch den Todeserfolg zu einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne verbunden. D a s P r o b l e m des Fortsetzungszusammenhanges bei erfolgsqualifizierten D e l i k t e n 1 1 8 hat sich durch die weitgehende Verwerfung dieser Rechtsfigur in B G H S t 4 0 138 erledigt.
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b) Vor allem stellen sich bei erfolgsqualifizierten Delikten heikle Fragen der Gesetzeskonkurrenz.
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D a s vollendete erfolgsqualifizierte Delikt mit fahrlässiger oder leichtfertiger (Todes-) Folge verdrängt nach h.A. als lex specialis s o w o h l das Grunddelikt als auch das Fahrlässigkeitsdelikt (z.B. § 2 2 2 S t G B ) . Insbesondere k a n n nicht idealkonkurrierend aus S S 2 2 7 und 2 2 2 S t G B bestraft werden ( B G H S t 8 5 4 ; 14 1 1 0 , 113). Die G e g e n a u f f a s s u n g will stets durch idealkonkurrierende Verurteilung klargestellt wissen, dass die Folge nur fahrlässig herbeigeführt worden ist (so für §S 1 7 8 und 2 2 2 S t G B B G H S t 2 0 2 6 8 , 2 7 0 f ) , 1 1 9 was aber überflüssig ist, wenn - nur - bei vorsätzlicher F o l g e n h e r b e i f ü h r u n g idealkonkurrierend bestraft wird (vgl. Widmann M D R 1 9 6 6 5 5 4 ff). Entsprechendes gilt beim erfolgsqualifizierten Versuch mit nicht vorsätzlich (fahrlässig oder leichtfertig) herbeigeführter (Todes-)Folge in Bezug auf das versuchte Grunddelikt und das Fahrlässigkeitsdelikt.
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D a s vollendete erfolgsqualifizierte Delikt mit vorsätzlicher (Todes-)Folge verdrängt zwar als lex specialis das Grunddelikt, aber nicht das Vorsatzdelikt (z.B. SS 2 1 2 , 2 1 1 S t G B ) ; zur Klarstellung ist grundsätzlich idealkonkurrierend zu b e s t r a f e n . 1 2 0 Allerdings tritt S 2 2 7 S t G B hinter S S 2 1 2 , 2 1 1 S t G B zurück, weil die Körperverletzung notwendiges Durchgangsstadium zur T ö t u n g ist (aber nicht, weil sich T ö t u n g s - und K ö r p e r v e r -
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S. hierzu Schroeder LK 11 Rdn. 32; für die Möglichkeit eines Fortsetzungszusammenhanges auch bei Fahrlässigkeitsdelikten Kohlrausch /Lange § 56 IV 5; Egon Schneider J Z 1956 752 zu der umstrittenen Entscheidung OGHSt 2 343, 347; weit. Nachw. bei BGHSt 22 67,71. So Jescheck/Weigend § 67 III 3; Schroeder L K n Rdn. 43 (ausdrücklich auch für §§ 2 2 7 und 222 StGB); s. auch die stark differenzierenden und wenig praktikablen Vorschläge von Hruschka GA 1967 42, 4 7 ff
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(z.B. Tenorierung als „Vergewaltigung mit fahrlässiger Todesverursachung" ). Grundlegend BGHSt 3 9 100, 109 (unter Aufgabe von BGHSt 2 6 175 m. zust. Anm. Rudolphi ]K 1976 74); s. bereits BGHSt 9 135, 136; 19 101, 106; 28 18, 20. S. aus der Lehre: Hardtung MK Rdn. 82; Jescheck/ Weigend § 67 III; Maurach/Zipf § 35 Rdn. 20; Rudolphi SK Rdn. 9; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 6; Schroeder LK 1 1 Rdn. 43.
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2. Abschnitt. Die Tat
letzungsvorsatz ausschlössen oder weil § 227 StGB Bei versuchten (todes-)erfolgsqualifizierten Delikten such, die (Todes-)Folge herbeizuführen (z.B. §§ 212, versuchte Grunddelikt tritt zurück, nicht aber das 194 f; BGH NJW 2001 2187).
tatbestandlich nicht erfüllt wäre). 121 ist idealkonkurrierend mit dem Ver211, 22 StGB) zu bestrafen; das bloß vollendete Grunddelikt (BGHSt 21
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Treffen mehrere erfolgsqualifizierte Delikte tateinheitlich zusammen, so hängt es von den jeweiligen Delikten ab, ob Ideal- oder Gesetzeskonkurrenz besteht (s. hierzu die Einzelkommentierungen). Der Tendenz nach neigt die Rechtsprechung zur Annahme von Idealkonkurrenz. Allerdings soll § 251 den § 227 StGB verdrängen (BGH NJW 1965 2116). 122 Jedoch besteht nach BGHSt 46 24 zwischen §§ 251, 22 und § 227 StGB Tateinheit; ebenso BGH NStZ 2000 420 für §§ 178, 22 und § 227 StGB. BGHSt 49 34 lässt Idealkonkurrenz zwischen § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG und § 227 StGB zu und lehnt eine Sperrwirkung des § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG ab (s. noch u. Rdn. 92).
91
Beim Zusammentreffen von erfolgsqualifizierten Delikten mit anderweitigen Qualifizierungen der Grunddelikte hängt es gleichfalls von den jeweiligen Delikten ab, ob Idealoder Gesetzeskonkurrenz besteht. So verdrängt § 227 den § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB (BGH NStZ-RR 2000 80).
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6. Strafzumessung. Die Strafrahmen bedeutsamer todeserfolgsqualifizierter Delikte wie z.B. der §§ 178, 251, 306c StGB sind mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren strenger als diejenigen der vorsätzlichen Tötungsdelikte der §§ 212 ff StGB. Diese „Strafrahmen-Disharmonie" (treffend Paeffgen NK Rdn. 86) wird von der Rechtsprechung hingenommen. In der Lehre wird vielfach versucht, sie durch „wechselseitige Strafrahmenverschränkungen" (Paeffgen aaO) in Gestalt von Sperrwirkungen aufzulösen. So ist auf dem Boden der Exklusivitätslehre (o. Rdn. 54), die z.B. § 251 StGB a.F. nur bei leichtfertiger Todesverursachung anwenden und bei vorsätzlicher Todesverursachung nur nach §§ 211 ff StGB bestrafen wollte, vertreten worden, dass, liege nur ein Fall des § 212 Abs. 1 StGB vor, § 251 StGB a.F. in der Weise eine Sperrwirkung entfalten solle, dass seine erhöhte Mindeststrafe von (auch damals) zehn Jahren Freiheitsstrafe im Rahmen des § 212 Abs. 1 StGB anzuwenden sei. 123 Eine derartige Sperrwirkung zuungunsten des Täters hat BGHSt 39 100, 107 mit Recht als strafschärfende Analogie (Art. 103 Abs. 2 GG) verworfen, mag der BGH auch auf dem Boden der Konkurrenzlehre über § 52 Abs. 2 StGB zu demselben Ergebnis kommen. Diskutabler ist es, eine Sperrwirkung insbesondere der §§ 213 und 216 StGB zugunsten des Täters anzunehmen, der idealkonkurrierend ein erfolgsqualifiziertes Delikt, insbesondere § 227 StGB, verwirklicht. Allerdings wird das Problem dadurch entschärft, dass §§ 221 Abs. 4, 227 Abs. 2 StGB minder schwere Fälle vorsehen; insbesondere ist § 227 Abs. 2 StGB regelmäßig anzuwenden, wenn der Täter unter den Voraussetzungen des § 213 StGB handelte. 1 2 4 Insgesamt müssen gesetzlich nicht vorgesehene Sperrwirkungen auch dann, wenn sie sich zugunsten des Täters auswirken, die Ausnahme bleiben. So entfaltet § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG, der die leichtfertige Todesverursachung mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bedroht, keine privilegierende Sperrwirkung im Verhältnis zu § 227
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Hardtung MK § 227 Rdn. 26; Hirsch LK 11 § I I I Rdn. 1; Horn/Wolters SK § 227 Rdn. 17; Sch/Schröder/Eser % 212 Rdn. 18; Tröndle/Fischer § 227 Rdn. 12. Unter Berufung auf Schröder NJW 1956 1738. Dagegen Fuchs N J W 1966 868; Jescheck/Weigend § 67 III 3 Anm. 19.
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Lackner22 § 251 Rdn. 4. Zust. Tenckhoff ZStW 88 (1976) 914 ff. S. nur BGHSt 25 222; Sch/Schröder/Stree $ 227 Rdn. 8.
Joachim Vogel
Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen StGB, der die bloß fahrlässige Todesverursachung mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bedroht, weil nicht jedes Verabreichen von Betäubungsmitteln eine Körperverletzung beinhaltet (BGHSt 4 9 3 4 , 36 ff). Wegen § 11 Abs. 2 StGB sind erfolgsqualifizierte Delikte auch strafzumessungs- und rechtsfolgenrechtlich als Vorsatzdelikte zu behandeln. Deshalb sind z.B. §§ 56g Abs. 2 Satz 1, 6 6 StGB anwendbar, was auch in der Sache unproblematisch ist, da die dort verlangten Mindeststrafen innerhalb der Strafrahmen der Grunddelikte verbleiben und i.d.R. unabhängig von der Anwendung der erfolgsqualifizierten Delikte und ihrer Strafrahmen gem. § 4 6 Abs. 2 StGB („verschuldete Auswirkungen der T a t " ) erreicht werden können.
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Auf der anderen Seite ist die vom Tatgericht festzustellende (o. Rdn. 62) innere Tatseite hinsichtlich der Folge (Fahrlässigkeit und Leichtfertigkeit in ihrer jeweiligen Schwere, Vorsatz in seiner jeweiligen Form) bei erfolgsqualifizierten Delikten ein entscheidender Strafzumessungsfaktor (zutr. Hardtung M K Rdn. 83). An die Obergrenze des Strafrahmens darf nur bei vorsätzlicher oder absichtlicher Folgenherbeiführung gegangen werden. 1 2 5
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Bei nicht todeserfolgsqualifizierten Delikten spielt weiterhin die Schwere der Folge, soweit sie verschuldet ist (vgl. § 4 6 Abs. 2 StGB), eine maßgebliche Rolle für die Strafzumessung.
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BGHSt 3 9 100, 109 hebt hervor, dass bei idealkonkurrierender Verurteilung im Hinblick auf ein und dieselbe Folge „das in den Bereich der Überschneidung fallende Unrecht dem Angeklagten nur einmal angelastet werden darf". Das folgt aus dem Doppelverwertungsverbot (§ 4 6 Abs. 3 StGB) und ist allgemein anerkannt. 1 2 6
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S. allgemein Hardtung MK Rdn. 83; Paeffgen NK Rdn. 99; Roxin AT I § 10 Rdn. 110. - Für § 178 StGB Sch/Schröder/ Lenckner/Perron/Eisele § 178 Rdn. 5; Wohlers/Horn SK § 178 Rdn. 5; für § 251
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Paeffgen NK § 251 Rdn. 13; Tröndle/ Fischer § 251 Rdn. 7. S. nur Hardtung MK Rdn. 84; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 6; Tröndle/Fischer Rdn. 5.
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§ 19 Schuldunfähigkeit des Kindes Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.
Schrifttum H.-J. Albrecht, Ist das deutsche Jugendstrafrecht noch zeitgemäß? Gutachten D zum 64. Deutschen Juristentag (2002); P.-A. Albrecht Jugendstrafrecht, 3. Aufl. (2000); Bohnert Strafmündigkeit und Normkenntnis, NStZ 1988 249; Bottke Berücksichtigung kinderdelinquenten Vorverhaltens, Festschrift Geerds (1995) 263; Brunner Überlegungen zur Strafmündigkeit, J R 1997 492; ders./Dölling Jugendgerichtsgesetz, 11. Aufl. (2002); Diemer/Schoreit/Sonnen Jugendgerichtsgesetz, 4. Aufl. (2002); Dörner 100 Jahre Diskussion des Strafmündigkeitsalters, DVJJ-Journal 1996 176; Dräger Die Strafmündigkeitsgrenzen in der deutschen Kriminalgesetzgebung des 19. Jahrhunderts, Diss. Kiel 1992; Eisenberg Jugendgerichtsgesetz, 10. Aufl. (2004); Elliger 12/13jährige zum Jugendgericht? Heranwachsende zum Strafgericht? DVJJ-Journal 1996 324; Fischer Strafmündigkeit und Strafwürdigkeit im Jugendstrafrecht (2000); Frehsee „Strafverfolgung" von strafunmündigen Kindern, ZStW 100 (1988) 290; ders. 12/13jährige zum Jugendgericht? Heranwachsende zum Strafgericht? DVJJJournal 1996 321; Hinz Strafmündigkeit ab vollendetem 12. Lebensjahr? ZRP 2000, 107; Hommers/ Lewand Zur empirischen Fundierung des strafrechtlichen Eintrittsalters, ZfJ 2003 7; diess. Beurteilung egoistisch oder altruistisch motivierter Einbrüche zur empirischen Fundierung des § 19 StGB, MschrKrim 2 0 0 5 61; Meier/Rössner/Schöch Jugendstrafrecht, 2. Aufl. (2007); Ostendorf Jugendgerichtsgesetz, 6. Aufl. (2003); Schaffstein/Beulke Jugendstrafrecht 14. Aufl. (2002); Schoene Können Kinder Beschuldigte sein? DRiZ 1999 321; Streng Jugendstrafrecht (2003); Trauisen Zur Delinquenz der 12- und 13jährigen, DVJJ-Journal 1997 47; Verrei Kinderdelinquenz - ein strafrechtliches Tabu? NStZ 2001 284; Walter Zulässigkeit der Strafverfolgung von Kindern? - Eine Stellungnahme zu H. Schoene - Können Kinder Beschuldigte sein? DRiZ 1999 325; Weinschenk Beginnt die Schuldfähigkeit wirklich erst mit der Vollendung des 14. Lebensjahres? MschrKrim. 1984 15; Wolfslast Strafrecht für Kinder? Zur Frage einer Herabsetzung der Strafmündigkeitsgrenze, Festschrift Bemmann (1997) 274.
Entstehungsgeschichte und Reformfragen § 5 5 des RStGB von 1 8 7 1 bestimmte, dass strafrechtlich nicht verfolgt werden kann, wer bei der Begehung einer Handlung das 12. Lebensjahr nicht vollendet hat. 1 Die §§ 5 6 und 5 7 R S t G B regelten die Verantwortlichkeit von Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren. Die Vorschriften sind durch das J G G vom 1 6 . 2 . 1 9 2 3 aus dem Strafgesetzbuch herausgelöst worden; dabei wurde die Strafmündigkeitsgrenze auf 14 Jahre angehoben. Das R J G G v o m 6 . 1 1 . 1 9 4 3 ermöglichte wieder die Bestrafung von 12- und 13-Jährigen, allerdings nur in schweren Fällen. Erst das J G G vom 4 . 8 . 1 9 5 3 führte wieder die Altersgrenze von 14 Jahren ein. Das 2. StrRG vom 4 . 7 . 1 9 6 9 hat die Bestimmung über die Strafmündigkeit wieder in das StGB eingefügt, weil sie wegen ihrer allgemeinen Bedeutung hierher gehöre (E 1 9 6 2 S. 1 3 7 ) ; das EGStGB hat sie neu gefasst (dazu Erster Bericht des Sonderausschusses des BT, BT-Drs. 7 / 1 2 6 1 S. 4). Insbesondere in den neunziger Jahren des 2 0 . Jahrhunderts wurde anlässlich spektakulärer Fälle der Kinderdelinquenz und im Hin-
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Allgemein zur Entwicklung des Jugendstrafrechts Lenckner in Göppinger/Witter Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I (1972) S. 242; Schaff-
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stein/Beulke14 §§ 3 - 5 ; Eisenberg10 Rdn. 1 ff; Streng MK Rdn. 3, 4.
Heinz Schöch
Einleitung
Schuldunfähigkeit des Kindes
§ 19
blick auf ausländische Regelungen 2 verstärkt die Absenkung der Strafmündigkeitsgrenze auf 12 Jahre verlangt (zusammenfassend Hinz Z R P 2 0 0 0 , 107 ff; früher Weinschenk MschrKrim. 1984 15 ff). Diese Forderung wurde jedoch in der Literatur fast durchweg zurückgewiesen 3 und in der Strafrechtlichen Abteilung des 6 4 . Deutschen Juristentags im Jahr 2 0 0 2 mit überwältigender Mehrheit abgelehnt (Deutscher Juristentag [Hrsg.], Verhandlungen des 6 4 . Deutschen Juristentages Berlin 2 0 0 2 , Band II/l, Sitzungsberichte Ν 110).
Übersicht Rdn. I. R e c h t s n a t u r und R e c h t s f o l g e n II. Abgrenzung zu Jugendlichen
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Rdn. III. K r i m i n a l p r o g n o s t i s c h e B e d e u t u n g
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I. R e c h t s n a t u r u n d R e c h t s f o l g e n § 19 bezeichnet Personen unter 14 Jahren - im Sinne des StGB also Kinder (§ 176 Abs. 1) - als generell schuldunfähig 4 und bestimmt damit die Grenze der Strafmündigkeit. Der 14. Geburtstag selbst fällt nach dem allgemeinen Grundsatz des § 187 Abs. 2 Satz 2 BGB bereits in das Strafmündigkeitsalter (RGSt 35 37; Bohnert N S t Z 1 9 8 8 2 4 9 ; Brunner J G G § 1 Rdn. 10). Eine Prüfung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit findet auch dann nicht statt, wenn das Kind im konkreten Fall die dafür erforderliche Reife vielleicht schon erreicht hat (Schild NK Rdn. 2; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 1).
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Die Bestimmung stellt eine unwiderlegliche Vermutung auf (E 1962 S. 137), die jeden Gegenbeweis ausschließt. 5 Rechtssystematisch hat sie eine Doppelnatur. Materiellrechtlich enthält sie einen Schuldausschließungsgrund, prozessual ein Verfahrenshindernis (RGSt 5 7 2 0 6 ) . 6 Als Schuldausschließungsgrund bestimmt § 19 den Standort des Strafmündigkeitsalters im Verbrechensaufbau. Ausgeschlossen ist bei Straftaten von Kindern lediglich die Schuld; Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit werden nicht berührt. Daher bleibt Teilnahme an solchen Taten möglich, soweit nicht - etwa bei Beteiligung Erwachsener mittelbare Täterschaft vorliegt. Grundsätzlich ist gegen rechtswidrige Taten von Kindern auch Notwehr zulässig, jedoch unter starker Einschränkung, da meist die Gebotenheit
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Z.B. Schweiz 7 Jahre, Holland 12 Jahre (Albrecht, H.-J. Gutachten D 84); umfassender internationaler Vergleich bei Albrecht/ Kilchling (Hrsg.), Jugendstrafrecht in Europa (2002). Vgl. die Kurzstellungnahmen von Experten in DVJJ-J 1996 321 ff; Albrecht, H.-J. Gutachten D 85, 166; Hommers/Lewand ZfJ 2003 7 ff; MschrKrim 2005 61 ff; Kreuzer NJW 2002 2345, 2348; differenzierend Paul ZRP 2003 204; ferner Wolfslast Festschrift Bemmann, S. 274. Kritisch Lange LK 10 Rdn. 2; Weinschenk MSchKrim. 1984 15; anders Maurach/Zipf AT 1 § 36 IV Rdn. 84.
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Zur empirischen Fundierung Hommes/ Lewand ZfJ 2003 7 ff; kritisch Lange LK 10 Rdn. 2; Roxin AT I § 20 Rdn. 49, der jedoch den Ausschluss der Verantwortlichkeit von Kindern im Hinblick auf die fehlende präventive Strafbedürftigkeit für sachgerecht hält. Brunner JGG § 1 Rdn. 12, 13, 14; Tröndle/ Fischer Rdn. 2; Eisenberg10 JGG S 1 Rdn. 1, 31; Frehsee ZStW 100 (1988) 290, 295; Jescheck/Weigend AT5 § 40 II 1; Lackner/Kühl Rdn. 2; Pfeiffer KK Einl. Rdn. 135; Rudolphi SK 7 Rdn. 1, 3; Schäfer in Löwe/Rosenberg Einl. Kap. 12 Rdn. 99; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 3, 5.
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2. Abschnitt. Die Tat der Trutzwehr zu verneinen sein wird (Streng MK Rdn. 10; Roxin AT I § 15 Rdn. 61 f). Ein Kind kann ferner Vortäter einer Hehlerei sein (BGHSt 1 47); ob eine Kompensation gemäß § 199 zulässig ist, wenn ein Kind beteiligt war, ist streitig (ablehnend Tröndle/ Fischer § 199 Rdn. 3; differenzierend Herdegen LK 1 1 § 199 Rdn. 2). 3
Als Prozesshindernis schließt § 19 die Strafverfolgung von Kindern aus; gleichwohl eingeleitete Verfahren sind einzustellen (RGSt 57 206; Roxin AT 1 § 20 Rdn. 51; kritisch Zielinski Gedächtnisschrift Hilde Kaufmann S. 875, 882). Dies erfolgt nach bereits eingeleitetem Ermittlungsverfahren aus § 170 Abs. 2 StPO, im Zwischenverfahren wird die Eröffnung des Verfahrens gem. § 204 StPO abgelehnt und nach Eröffnung des Hauptverfahrens wird das Verfahren gem. 206a StPO eingestellt (Streng MK Rdn. 11). Wird erst in der Hauptverhandlung festgestellt, dass der Täter im Zeitpunkt der Tat noch ein Kind war oder ist dies nicht auszuschließen, so wird das Verfahren durch Prozessurteil gem. § 2 6 0 Abs. 3 StPO eingestellt (Kintzi DRiZ 1997 3). Dies gilt auch wenn der Täter mittlerweile das Strafmündigkeitsalter erreicht hat, was zwar der Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich ergibt, aber aus dem Zusammenhang mit dem J G G folgt. Dieses sieht Sanktionen nur für Straftaten von Personen vor, die bei Tatbegehung jugendlich oder heranwachsend waren, nicht jedoch für Taten von Kindern (§ 1 JGG). Die deutsche Rechtsordnung stellt also für die im Kindesalter begangenen Taten ein Strafverfahren nicht zur Verfügung (Walter DriZ 1999 325 f; aA Schoene DRiZ 1999 321 ff). Reaktionen auf Straftaten von Kindern sind daher nur im Rahmen des Jugendhilferechts (SGB VIII) und der familien- und vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben nach den §§ 1631 Abs. 3, 1666, 1666a, 1800, 1915 BGB möglich.
4
Daher dürfen gegen Strafunmündige auch keine Maßregeln der Besserung und Sicherung ( § § 6 3 ff) verhängt werden. Eine Ausnahme macht das Gesetz bei der Sicherungseinziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, § 74d Abs. 1 in Verbindung mit § 76a Abs. 2 Nr. 2 (Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 4).
5
Zu den Folgen einer Nichtbeachtung des Prozesshindernisses Brunner Rdn. 12; Eisenberg10 S 1 Rdn. 33 ff; Ostendorf6 J G G § 1 Rdn. 13.
6
Nach wohl überwiegender Meinung in der Literatur soll eine vorläufige Festnahme gem. § 127 StPO bei kindlichen Tätern nicht zulässig sein, weil dieses Zwangsmittel ausschließlich der Sicherung der Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Festgenommenen diene, was bei Strafunmündigen nicht in Betracht komme (Diemer/Schoreit/ Sonnen4 J G G § 1 Rdn. 21; Ostendorf6 J G G § 1 Rdn. 3). Dies kann jedoch nicht überzeugen, denn bei rechtswidrigen Taten Strafunmündiger sind auch andere strafrechtlich relevante Fragen zu klären, beispielsweise das Alter des Täters, die Existenz von Hintermännern oder Beteiligten (Verrei NStZ 2001 285). Für eine vorläufige Festnahme spricht auch der spezialpräventive Aspekt der Verhinderung von Folgetaten mittels jugendhilferechtlicher Maßnahmen (Streng MK Rdn. 12). Der Wortlaut des § 127 Abs. 3 StPO, welcher den Begriff „Straftat" verwendet, widerspricht dem nicht, denn bei den dort relativierten Prozessvoraussetzungen geht es um die Verfolgbarkeit von Taten, für die der Begriff der Straftat angebracht ist (Streng MK Rdn. 12). § 127 Abs. 1 StPO verlangt lediglich die Betroffenheit von „jemand" und verzichtet auf die sonst übliche strafprozessuale Bezeichnung als Beschuldigter oder Verdächtiger (Verrei NStZ 2001 287).
7
Ebenso umstritten ist die Anwendbarkeit der Maßnahmen der Identitätsfeststellung gemäß § 163b Abs. 1 und 2 StPO. Angesichts der in § 163 StPO normierten Verpflichtung der Polizei alle Straftaten aufzuklären, muss die Polizei auch im Zusammenhang mit Kindern Maßnahmen ergreifen können, die erforderlich sind, um die Beziehung des Kindes zur Tat und die möglicherweise gegebene Strafunmündigkeit festzustellen ( Verrei NStZ 2001 285; abweichend Streng MK Rdn. 13). Besteht die Möglichkeit, dass straf-
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Heinz Schöch
JGG § 1
Schuldunfähigkeit des Kindes
mündige Personen an der Tat eines Kindes beteiligt waren, so kann im Strafverfahren gegen diese das Kind als Zeuge vernommen werden. Dabei ist gegebenenfalls eine Belehrung gem. § 5 2 StPO erforderlich, während § 5 5 StPO nicht in Betracht k o m m t ( Verrei N S t Z 2 0 0 1 2 8 5 ) . Strittig ist auch die Anwendung der §§ 102, 111b, 81a, 81b StPO (ausführlich Verrei N S t Z 2 0 0 1 2 8 5 f; Streng M K Rdn. 13 m.w.N.; kritisch zu allen M a ß n a h -
men Albrecht, P. A. 3 S. 88 f). Entscheidend für die Einordnung ist der Zeitpunkt der Begehung der Tat. Wann eine Tat begangen wurde, richtet sich nach dem Zeitpunkt, in dem der Täter gehandelt hat oder hätte handeln müssen ( M e i e r / R ö s s n e r / S c b ö c h 2 § 5 Rdn. 1). Lässt er sich nicht zweifelsfrei aufklären, gilt, weil es auch um die materielle Frage der Schuld geht, der Grundsatz „in dubio pro r e o " . 7
8
Der Begehungszeitpunkt bestimmt sich nach § 8. Bei zeitlichem Auseinanderfallen von Handlung und Erfolg ist also der Abschluss der Handlung maßgebend. Teile eines Dauerdelikts oder einer fortgesetzten Handlung, welche vor dem Erreichen der Strafmündigkeit begangen sind, bleiben außer Betracht (RGSt 6 6 36, 3 7 ; Eisenbergw JGG
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§ 1 Rdn. 9; Ostendorf6
JGG § 1 Rdn. 8; Sch/Schröder/Lenckner/Perron
Rdn. 2).
II. Abgrenzung zu Jugendlichen Bei Jugendlichen ist nach § 3 J G G jeweils positiv zu prüfen, ob sie nach ihrer geistigen und sittlichen Entwicklung reif genug sind, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Der Jugendliche ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er diese Fähigkeiten hatte, oder wenn er sie zwar im konkreten Fall nicht hatte, aufgrund seiner Reife jedoch hätte haben müssen ( D i e m e r / S c h o r e i t / S o n n e n 4 J G G § 3 Rdn. 3). § 3 J G G ist ein Element der Schuld und keine Verfahrensvoraussetzung (zum Verhältnis zwischen § 3 J G G und den §§ 2 0 , 21 vgl. § 2 0 Rdn. 213 ff).
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III. Kriminalprognostische Bedeutung Bedeutsam ist die Berücksichtigung von Kindheitsdelinquenz auch in einem später stattfindenden Jugendstrafverfahren. Während im Kindesalter nur mit M a ß n a h m e n der öffentlichen Jugendhilfe reagiert werden kann, sind bei Jugendlichen die Vorschriften des J G G anzuwenden. Bei der prognostischen Beurteilung der Erziehungsbedürftigkeit des Täters ist die Kinderdelinquenz zwingend zu berücksichtigen. Die gegen dieses in der Praxis gängige Vorgehen vereinzelt erhobenen Einwände 8 überzeugen nicht (zutreffend Verrei N S t Z 2 0 0 1 2 8 8 ) .
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Zwar sind die Aufzeichnungen der Polizei nur beschränkt verlässlich, weil bei Kindem genauere Ermittlungen im Hinblick auf die Strafunmündigkeit unterbleiben ( Verrei N S t Z 2 0 0 1 2 8 8 ) . Ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung liegt gleichwohl nicht vor, da das Gericht nunmehr im Jugendstrafverfahren gemäß § 2 4 4 Abs. 2 StPO die relevanten Einzelheiten der Kinderdelinquenz aufklären muss. Insbesondere wenn der Jugendliche der ihm vorgeworfenen Kinderdelinquenz widerspricht, ist darüber Beweis zu erheben.
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BGHSt 5 3 6 6 ; Brunner/Dölltng11 JGG § 1 Rdn. 11; Eisenberg10 J G G § 1 Rdn. 11; Ostendorf5
J G G § 1 Rdn. 11.
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Bottke Festschrift Geerds S. 2 9 0 ; Eisenberg10 § 4 3 Rdn. 2 4 ; Frehsee Z S t W 1 0 0 ( 1 9 8 8 ) , 3 1 8 ff; Ostendorf5
Heinz Schöch
§ 1 Rdn. 3, § 4 3 Rdn. 14.
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2. Abschnitt. Die Tat
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Auch datenschutzrechtlich ist es keineswegs ausgeschlossen, Informationen über kindliches Fehlverhalten, welche das Jugendamt im Rahmen der Jugendhilfe erhoben hat, nunmehr im Bericht der Jugendgerichtshilfe gemäß §§ 38, 43 JGG zu berücksichtigen. Diese Mitteilungsbefugnis ergibt sich aus den § § 6 1 Abs. 3, 64, 65 SGB VIII, 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X.
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Es trifft auch nicht zu, dass damit die prognostische Bedeutung von Kinderkriminalität verkannt wird. Natürlich darf deren Episodenhaftigkeit bezüglich der Begehung leichterer Straftaten nicht zu schematischer Negativbewertung bei der Prognose führen. Es geht nicht um die Kinderdelinquenz als solche, sondern um die wiederholte Begehung schwererer Straftaten, insbesondere von Gewaltdelikten, denen nach allen Erkenntnissen der Prognoseforschung erhebliche prognostische Bedeutung zukommt.
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§20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer S t ö r u n g e n Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das U n r e c h t der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Schrifttum zu Grundfragen von Willensfreiheit und Schuld. Achenbach Historische und dogmatische Grundlagen der strafrechtssystematischen Schuldlehre (1974); P.-A. Albrecht. Unsicherheitszonen des Schuldstrafrechts, GA 1983 193; Baer Normalität und Willensfreiheit als Problem der Forensischen Psychiatrie, Fundamenta Psychiatrica 1988 150; Baratta Philosophie und Strafrecht (1985); Baumgartner/Eser (Hrsg.) Schuld und Verantwortung (1983); Baurmann Zweckrationalität und Strafrecht (1987); Bernsmann/Kisker ξ 2 0 StGB und die Entschuldbarkeit von Delinquenz diesseits biologisch-psycho(patho)logischer Exkulpationsmerkmale, MschrKrim. 1975 325; Blau/Franke Prolegomena zur strafrechtlichen Schuldfähigkeit, Jura 1982 393; Bock Ideen und Schimären im Strafrecht, ZStW 103 (1991) 636; Bockelmann Willensfreiheit und Zurechnungsfähigkeit, ZStW 75 (1963) 372; 77 (1965) 253; Braun Meine Freiheit ist deine Freiheit, J Z 2004 610; Bron Schuld und Freiheit aus psychiatrischer und juristischer Sicht, MedR 1990 240; Burkhardt Das Zweckmoment im Schuldbegriff, GA 1976 321; ders. Schuldprinzip, Unrechtsbewusstsein, Schuldtheorie, Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums, in Eser/Burkhardt Strafrecht I (1992) 163 (zit.: Burkhardt 1992); ders. Freiheitsbewusstsein und strafrechtliche Schuld, Festschrift Lenckner (1998) 1; ders. Und sie bewegt uns doch: die Freiheit, Das Magazin 2003 Nr. 2, 21 (zit.: Burkhardt 2003); Cerezo Der materielle Schuldbegriff, ZStW 108 (1996) 9; Danner Gibt es einen freien Willen? 4. Aufl. (1977); Dencker Gefährlichkeitsvermutung statt Tatschuld? StV 1988 262; Dölling Gerechtigkeit, Hilfe und Kontrolle - Über Entwicklungen bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung und bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung, Festschrift Rolinski (2002) 56; Dreher Der psychologische Determinimus Manfred Danners, ZStW 95 (1983) 340; ders. Die Willensfreiheit (1987); ders. Kann der Mensch schuldig werden? Universitas 1989 1040; ders. Unser indeterministisches Strafrecht, Festschrift Spendel (1992) 13; Eickhoff Oit Benachteiligung des psychisch kranken Rechtsbrechers im Strafrecht, NStZ 1987 65; Engisch Die Lehre von der Willensfreiheit in der strafrechtsphilosophischen Doktrin der Gegenwart, 2. Aufl. (1965); Eser/Fletcher (Hrsg.) Rechtfertigung und Entschuldigung (1988); Frister Schuldprinzip, Verbot der Verdachtsstrafe und Unschuldsvermutung als materielle Grundprinzipien des Strafrechts (1988); ders. Die Struktur des „voluntativen Schuldelements" (1993); Gimbernat Ordeig Zur Strafrechtssystematik auf der Grundlage der Nichtbeweisbarkeit der Willensfreiheit, Festschrift Henkel (1974) 151; Griffel Prävention und Schuldstrafe, ZStW 98 (1986) 28; ders. Widersprüche um die Schuldstrafe, GA 1989 193; ders. Freiheit und Schuld, MDR 1991 109; ders. Willensfreiheit und Strafrecht, GA 1996 457; Günther Hirnforschung und strafrechtlicher Schuldbegriff, KJ 2006 116; Guss Willensfreiheit, Diss. Gießen 2002; Haddenbrock Soziale oder forensische Schuldfähigkeit (Zurechnungsfähigkeit) (1992); ders. Geistesfreiheit und Geisteskrankheit - Grenzparameter forensischer Schuldfähigkeit, NStZ 1995 581; ders. Die temporalanthropologische Komplementarität der Freiheitsprämisse des Schuldstrafrechts, MschrKrim. 1996 50; ders. Das rechtliche Schuldprinzip in wissenschaftlich-anthropologischer (= global akzeptabler) Sicht, GA 2003 521; Haffke Tiefenpsychologie und Strafrecht (1976); Hauptmann Strafrecht und Willensfreiheit, Rechtstheorie 15 (1984) 153; Henrich (Hrsg.) Aspekte der Freiheit (1982); Hillenkamp Strafrecht ohne Willensfreiheit? Eine Antwort auf die Hirnforschung, J Z 2 0 0 5 313; ders. (Hrsg.) Neue Hirnforschung - Neues Strafrecht (2006); Hirsch Das Schuldprinzip und seine Funktion im Strafrecht, ZStW 106 (1994) 746; Janzarik Grundlagen der Einsicht und das Verhältnis von Einsicht und Steuerung, Nervenarzt 1991 423; Jakobs Schuld und Prävention (1976); ders. Das Schuldprinzip (1993); ders. Individuum und Person, ZStW 117 (2005) 247; Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip, 2. Aufl. (1976); ders. Schuld und Prävention, Festschrift Wassermann (1985) 889; ders. Strafrecht und Freiheit, Fundamenta Psychiatrica 1988 146; Keiser Schuldfähigkeit als Voraussetzung
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2. Abschnitt. Die Tat
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
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Brennpunkte der Rechtspsychologie (1991); Eisenberg Anmerkung zu dem Beitrag Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten, NStZ 2005 57, 304; Endres Die Diagnostik des Andershandelnkönnens und die Unfreiheit der psychologischen Diagnostik: Empirische Befunde und kritische Anmerkungen zur Begutachtung der Schuldfähigkeit, Praxis der Rechtspsychologie 10 (2000) 6; Frank/Harrer Zur Problematik der Reifebeurteilung jugendlicher Delinquenten, Forensia 2 (1977/78) 44; dies. (Hrsg.) Der Sachverständige im Strafrecht; Kriminalitätsverhütung (1990); Frister Der Begriff der Schuldfähigkeit, MschrKrim. 1994 316; Goreta Möglichkeiten und Grenzen des psychoanalytischen Ansatzes in der forensischen Psychiatrie, R δί Ρ 1988 20; Haddenbrock Psychiatrisches Krankheitsparadigma und strafrechtliche Schuldfähigkeit, Festschrift Sarstedt (1981) 35; ders. „Steuerungsfähigkeit" zur Tatvermeidung - Hauptparameter forensischer Schuldfähigkeit? MschrKrim. 1994 44; ders. Zum „Begriff der Schuldfähigkeit" - Replik auf die kritischen Überlegungen von H. Frister zu meinem Beitrag MschrKrim. 1994, 44, MschrKrim. 1994 324; ders. Gesinnungsbestimmtes und naturbestimmtes Handeln, MschrKrim. 2001 288; Haffke Gibt es ein verfassungsrechtliches Besserungsverbot? MschrKrim. 1975 246; S. O. Hoffmann Psychotherapeutische Gesichtspunkte zur „schweren anderen seelischen Abartigkeit" im Sinne des Strafgesetzbuchs, Festschrift Leithoff (1985) 457; Hommers (Hrsg.) Perspektiven der Rechtspsychologie (1991); Janzarik Grundlagen der Schuldfähigkeitsprüfung (1995); Keiser Schuldfähigkeit als Voraussetzung der Strafe, Jura 2001 376; Kerner/Kury/Sessar (Hrsg.) Deutsche Forschungen zur Kriminalitätsentstehung und Kriminalitätskontrolle Bd. 2 (1983); Konrad Psychiatrische Richtungen und Schuldfähigkeit (1995); Krümpelmann Die Neugestaltung der Vorschriften über die Schuldfähigkeit durch das Zweite Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969, ZStW 88 (1976) 6; R. 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2. Abschnitt. Die Tat
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
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Jäger Individuelle Zurechnung kollektiven Verhaltens (1985); Kallwass Der Psychopath (1969); Kaufen Zur forensischen Beurteilung psychischer Auffälligkeiten von Epileptikern, MschrKrim. 1984 389; Kellermannn Glücksspielsucht und Beschaffungsdelinquenz, StV 2005 287; Knecht „Atypical Theft Offender" - ein brauchbares diagnostisches Konzept für die forensische Psychiatrie? Archiv für Kriminologie 2 0 9 (2002) 129; Konrad/Weitze Forensisch-psychiatrische Begutachtung der Schuldfähigkeit bei koprophilen Handlungen an einem Minderjährigen, Rechtsmedizin 7 (1997) 61; Kröber Spielsucht und Schuldfähigkeit, Forensia 8 (1987) 113; ders. Konzepte zur Beurteilung der „schweren anderen seelischen Abartigkeit", Nervenarzt 1995 532; ders. Zum Beurteilungsspielraum gerichtlicher Unterbringungsentscheidungen bei sog. Borderline-Persönlichkeitsstörung, Anmerkungen zum Beschluss des 4. Strafsenats vom 6.2.1997, NStZ 1998 80; ders. Das limbische System - ein mortaler Limbus? 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(Hrsg.) Angewandte Kriminologie zwischen Sicherheit und Freiheit, Forum (2004) 391; Rohdich/Kirste Ein integrierter Behandlungsansatz für schizophrene Patienten mit Suchterkrankung und Persönlichkeitsstörung in der Klinik für Forensische Psychiatrie Haina, R & Ρ 2005 116; Saß Die „tiefgreifende Bewußtseinsstörung" gemäß den §§ 20, 21 StGB - eine problematische Kategorie aus forensisch-psychiatrischer Sicht, Forensia 4 (1983/84) 3; ders. Psychopathie Soziopathie Dissozialität (1987); ders. Zur Diagnostik der Persönlichkeitsstörungen in der forensischen Psychiatrie, Forensia 9 (1988) 149; ders. Zur Standardisierung der Persönlichkeitserfassung mit einer integrierten Merkmalsliste für Persönlichkeitsstörungen, MschrKrim. 1989 133; ders. Forensische Erheblichkeit seelischer Störungen im psychopathologischen Referenzsystem, Festschrift Schewe (1991) 266; Saß/ Koehler Borderline-Syndrome, Neurosen und Persönlichkeitsstörungen, Nervenarzt 53 1982 519; Saß/Wiegand Exzessives Glücksspielen als Krankheit, Nervenarzt 1990 435; Saß/Herpertz (Hrsg.) Psychotherapie von Persönlichkeitsstörungen (1999); Schmidt/Scholz/Nedopil Schuldfähigkeit, Dissozialität und .Psychopathy' - eine Gutachtenanalyse, MschrKrim. 2 0 0 4 103; Scholz/Schmidt Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit: Psychopathologie - gutachterliche Entscheidungshilfen (2003); Schöch Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998, NJW 1998 1257; ders. Spielsucht und Schuldfähigkeit, Anmerkung zu BGH J R 2005, 294, J R 2005 296; Scborsch Perversion als Straftat (1985); ders. Die juristische Bewertung sexueller Tötungen, Festschrift Venzlaff (1986) 169; Schretzenmayer Die forensisch-psychiatrische Begutachtung von Persönlichkeitsstörungen, neurotischen Störungen, Belastungs- und Anpassungsstörungen sowie von Affektdelikten (2002); Schumacher Gruppendynamik und Straftat, NJW 1980 1880; ders. Die Beurteilung der Schuldfähigkeit bei nicht stoffgebundenen Abhängigkeiten, Festschrift Sarstedt (1981) 361; Solms-Rödelheim Zum Problem der Zurechnungsfähigkeit bei Neurosen und Psychopathien, Forensia 2 (1977/78) 50; Spraner Zur Willensfreiheit geistig Behinderter, ZFSH/SGB 1999 26; Stange Gibt es psychiatrische Diagnostikansätze, um den Begriff der schweren anderen seelischen Abartigkeit in §§ 20, 21 StGB auszufüllen? (2003); Theune Die Beurteilung der schweren anderen seelischen Abartigkeit in der Rechtsprechung und ihre Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip, ZStW 114 (2002) 300; Tolle Gibt es Psychopathen? DÄB1. 1980 1629; Vent Spielsucht als Affektregulation (1999); Venzlaff/Pfäfflin Persönlichkeitsstörungen und andere abnorme seelische Entwicklungen, in Foerster4 S. 247; Venzlaff/SchmidtDegenhard Schizophrene Psychosen, in Foerster4 S. 139; dies. Affektive Psychosen, in Foerster4 S. 155; C. Wahl (Hrsg.) Spielsucht (1988); ]. Weber Sogenannte nicht stoffgebundene Süchte und ihre forensisch-psychologische Bedeutung, Das off. Gesundheitswesen 1987 581; Witter/Rösler Zur Begriffsbestimmung und rechtlichen Beurteilung sogenannter Neurosen, Forensia 6 (1985) 1. Schrifttum zu Alkohol, Drogen, Medikamente im Besonderen. Aderjan/Schmidt Die Bedeutung der quantitativen Benzodiazepin-Analyse in Urin- und Blutproben, Der med. Sachverst. 1980 92; Bischof Forensisch-psychiatrische Probleme bei der strafrechtlichen Begutachtung Alkoholkranker und Drogenabhängiger, Forensia 2 (1977/78) 95; Blau Promillegrenze und verminderte Schuld, BA 1989 1; Bresser Trunkenheit - Bewußtseinsstörung - Schuldfähigkeit, Forensia 5 (1984) 45; Denk u.a. Haaranalysen bei Betäubungsmittelkonsum, Kriminalistik 1992 253; Dittmann Die Bedeutung typischer Rauschmittelkombinationen und möglicher rauschphasenabhängiger Wirkungen bei der Schuldfähigkeitsbegutachtung, Blutalkohol Supplement 2003 29; Dölling Über Schuldfähigkeitsbeurteilung und Rechtsfolgenzumessung bei Gewaltdelikten, Festschrift Müller-Dietz (2001) 119; Eben (Hrsg.) Aktuelle Probleme der Strafrechtspflege (1991); Erkwoh/Saß Forensisch-psychiatrische Aspekte des Drogenmissbrauches, Rechtsmedizin 6 (1996) 105; Foerster Störungen durch psychotrope Substanzen in Venzlaff (Hrsg.)IFoerster Psychiatrische Begutachtung 4. Auflage (2004) (zit.: Foerster Störungen durch psychotrope Substanzen); Foerster/Winckler Erfüllt das Führen eines Kraftfahrzeugs durch einen an Epilepsie Leidenden den Tatbestand von StGB S 315c? Anmerkung zu BGH NStZ 1995, 183, NStZ 1995 344; Forster/Joachim Alkohol und Schuldfähigkeit: eine Orientierungshilfe für Mediziner und Juristen (1997); Forster/Rengier Alkoholbedingte Schuldunfähigkeit und Rauschbegriff des § 323a StGB aus rechtsmedizinischer und juristischer Sicht, NJW 1986 2869; Foth Zur Strafzumessung bei Taten unter Alkoholeinfluß, DRiZ 1990 417; ders. Alkohol, verminderte Schuldfähigkeit, Strafzumessung, NJ 1991 386; ders. Zur Frage der verminderten Schuldfähigkeit bei alkoholisierten Tätern, in Egg/Geisler (Hrsg.) Alkohol, Strafrecht und Kriminalität (2000) 97; Frister Eine Strafrahmenmilderung kommt in der Regel nicht in
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Betracht, wenn der Täter die erhebliche Verminderung seiner Schuldfähigkeit durch selbst verschuldete Trunkenheit herbeigeführt hat, J Z 2003 1019; Gerchow Alkohol- und Drogenkriminalität unter dem Aspekt neuerer Entwicklungen, BA 1985 152; ders. Rauschdelikte - Begutachtungsprobleme, Forensia 7 (1986) 155; Gerchow/Heifer/Schetve/Schwerd/Zink Die Berechnung der maximalen Blutalkoholkonzentration und ihr Beweiswert für die Beurteilung der Schuldfähigkeit, BA 1985 77; v. Gerlach Blutalkoholwert und Schuldfähigkeit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, BA 1990 305; Glatzel Zur Beurteilung der Schuldfähigkeit bei Rauschmittelkonsumenten, Kriminalistik 1996 799; Haddenbrock/Witter/Luthe/Rösler Promillediagnostik versus Psychodiagnostik (Diskussion), MschrKrim. 1988 402; Haffner u.a. Statistische Annäherung an forensische Rückrechnungswerte für Alkoholiker, BA 1992 53; Hirsch Alkoholdelinquenz in der Bundesrepublik Deutschland, Beih. 1981 zur ZStW S. 2; Hofstätter Nur Haarspalterei? Kriminalistik 1992 395; Kauert Drogenwirkung und Schuldfähigkeit - Toxikologischer Befund und Aussagemöglichkeit, Blutalkohol Supplement 2 0 0 3 15; Kemper Psychopharmaka und Straßenverkehr, DAR 1986 391; Konrad Probleme der forensischpsychiatrischen Beurteilung von Rauschzuständen, MEDSACH 1995 5; Kreuzer Drogendelinquenten zwischen Therapie und Strafjustiz, NJW 1979 1241; Kröber Kriterien verminderter Schuldfähigkeit nach Alkoholkonsum, NStZ 1996 569 (zit.: Kröber 1996); ders. Die Beeinflussung der Schuldfähigkeit durch Alkoholkonsum, Sucht 2001 341; ders. Individuelle Schuldfähigkeit nach Alkoholkonsum, in Egg (Hrsg.) Alkohol, Strafrecht und Kriminalität (2000); Luthe/Rösler Die Beurteilung der Schuldfähigkeit bei akuter alkoholtoxischer Bewußtseinsstörung, ZStW 98 (1986) 314; Maatz Die Beurteilung alkoholisierter Straftäter in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - Die Kontroverse BÄK versus psychopathologische Symptomatik, BA 1996 233; ders. §§ 20, 21 StGB, Privilegierung der Süchtigen? - zur normativen Bestimmung der Schuldfähigkeit alkoholisierter Straftäter, StV 1998 279; ders. Erinnerungen und Erinnerungsstörungen als sog. psychodiagnostische Kriterien der §§ 20, 21 StGB, NStZ 2001 1; ders. Drogenbedingte Verminderung der Schuldfähigkeit - zum gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Blutalkohol Supplement 2003 7; ders. Der alkoholisierte Affekttäter - Bedeutung für die Schuldfähigkeit, Nervenarzt 2005 1389; Maatz/Mille Drogen und Sicherheit des Straßenverkehrs, DRiZ 1993 15; Maatz/Wahl Die Verminderung der Schuldfähigkeit infolge Alkoholisierung, Festschrift BGH (2000) 531; Miltner u.a. Zum Stellenwert der Blutalkoholkonzentration bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit, BA 1990 279; Oehmichen/Patzelt/Birkholz (Hrsg.) Drogenabhängigkeit (1992); Otto Die Beurteilung alkoholbedingter Delinquenz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Festgabe BGH (2000) 113; Paeffgen Strafzumessungsaspekte bei S 323a StGB, NStZ 1993 66; Pluisch Neuere Tendenzen der BGH-Rechtsprechung bei der Beurteilung der erheblich verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB nach Medikamenteneinnahme, NZV 1996 98; Rautenberg Strafmilderung bei selbstverschuldeten Rauschzuständen? - Eine Anregung für den Gesetzgeber aus den neuen Bundesländern, DtZ 1997 45; Reinhardt/Sachs Haaranalysen als Mittel zur Beurteilung des Ausmaßes einer Drogenabhängigkeit, Festschrift Schewe (1991) 261; Rengier/Forster Die sogenannten „Promillegrenzen" zur alkoholischen Schuldunfähigkeit aus juristisch-medizinischer Sicht, BA 1987 161; Saba Schuldfähigkeit bei Beschaffungskriminalität Drogensüchtiger mit Schwerpunkt auf den Opiatsüchtigen, Diss. Köln 1999; Saiger Strafrechtliche Aspekte der Einnahme von Psychopharmaka, DAR 1986 383; ders. Die Bedeutung des Tatzeit-Blutalkoholwertes für die Beurteilung der erheblich verminderten Schuldfähigkeit, Festschrift Pfeiffer (1988) 379; ders. Zur korrekten Berechnung der Tatzeit-Blutalkoholkonzentration, DRiZ 1989 174; Schewe Alkoholdelinquenz aus medizinischer Sicht, Beih. 1981 z. ZStW S. 39; ders. Die „mögliche" Blutalkoholkonzentration von 2 %o als Grenzwert der absoluten verminderten Schuldfähigkeit? J R 1987 179; ders. Blutalkoholwert und Schuldfähigkeit, Festschrift Venzlaff (1986) 39; Schnarr Alkohol als Strafmilderungsgrund, in Schnarr/Henning/Hettinger (Hrsg.) Reform des Sanktionenrechts Alkohol als Strafmilderungsgrund, Vollrausch, Actio libera in causa Band 1 (2001) 1; Schnarr/Hennig/Hettinger Alkohol als Strafmilderungsgrund - Vollrausch - Actio libera in causa (2001); Schneble Zum forensischen Stellenwert der Blutalkoholkonzentration bei der Prüfung der Schuldfähigkeit, Festschrift Pribilla (1990) 307; Schneider/Frister (Hrsg.) Alkohol und Schuldfähigkeit (2002); Schramm/Kröber Probleme der Schuldfähigkeitsbeurteilung bei Drogenabhängigen - Angst vor dem Entzug und Dissozialität, MEDSACH 1994 205; Sucht und Delinquenz (Hrsg. Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren [1983]); Täschner Forensisch-psychiatrische Probleme bei der Beurteilung von Drogenkonsumenten, NJW 1984 638; ders. Kriterien der Schuldfähigkeit Drogenabhängiger, BA 1993 313; ders. Heroinsucht und Schuldfähigkeit, Blutalkohol Supplement 2 0 0 3 3; Theune Auswir-
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kungen der Drogenabhängigkeit auf die Schuldfähigkeit und die Zumessung von Strafe und Maßregeln, NStZ 1997 57; Wendt Persönlichkeitsbedingte Sucht oder drogenbedingte Persönlichkeitsveränderung? Differentialdiagnostik der Verläufe bei Drogenabhängigkeit und ihre Bedeutung für die Schuldfähigkeit, Blutalkohol Supplement 2003 21; Winckler Der „pathologische Rausch", Nervenarzt 1999, 1; Zabel Schuldunfähigkeit bzw. verminderte Schuldfähigkeit und Promillegrenze, BA 1986 262. Schrifttum zu Affekten im Besonderen. Barbey Postdeliktische Erinnerungsstörungen - Ergebnisse einer retrospektiven Erhebung, BA 1990 241; Berendt Affekt und Vorverschulden (1983); Bernsmann Affekt und Opferverhalten, NStZ 1989 160; Blau Die Affekttat zwischen Empirie und normativer Bewertung, Festschrift Tröndle (1989) 109; Burgheim Tötungsdelikte bei Partnertrennungen, MschrKrim. 1994 215; ders. Zur Dynamik von Tötungsverbrechen am Beispiel der sogenannten Trennungstaten, ZfStrVo 1994 277; Diesinger Der Affekttäter (1977); Eisenberg Horror-Video-Konsum und Voraussetzungen von § 3 J G G bzw. §§ 2 0 , 21 StGB? NJW 1997 1336; Endres Psychologische und psychiatrische Konzepte der tiefgreifenden Bewußtseinsstörung nach §§ 20, 21 StGB, StV 1998 674; Foerster Die Problematik der Beurteilung von Affekttaten aus psychiatrischer Sicht, StraFo 1997 165; ders./Venzlaff httektive Ausnahmezustände, in Foerster (Hrsg.) Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl. (2004) S. 223; Frisch Grundprobleme der Bestrafung „verschuldeter" Affekttaten, ZStW 101 (1989) 538; Geilen Zur Problematik des schuldausschließenden Affekts, Festschrift Maurach (1972) 173; Glatzel Privilegierung versus Dekulpation bei Tötungsdelikten, StV 1987 553; ders. Die Bewertung von Schuld und Verantwortlichkeit, Kriminalistik 1995 97; Grosbüsch Die Affekttat (1981); Klesczewski (Hrsg.) Affekt und Strafrecht: erstes interdisziplinäres Symposium der Juristenfakultät Leipzig 15. Juni 2002 (2004); Kröber Persönlichkeit, konstellative Faktoren und die Bereitschaft zum „Affektdelikt", in Krümpelmann Affekt und Schuldfähigkeit (1972, Nachdruck 1988); ders. Motivation und Handlung im Affekt, Festschrift Welzel (1974) 327; ders. Schuldzurechnung unter Affekt und alkoholisch bedingter Schuldunfähigkeit, ZStW 9 9 (1987) 191; ders. Die strafrechtliche Schuldfähigkeit bei Affekttaten, R &C Ρ 1990 150; Maatz Der alkoholisierte Affekttäter - Bedeutung für die Schuldfähigkeit, Nervenarzt 2 0 0 5 1389; Maisch Die Tatamnesie bei sogenannten Affektdelikten, StV 1995 381; Marneros Affekttaten und Impulstaten (2007); Nau Die Bewusstseinsform bei normalpsychologischen Affekttaten: ein Vorsatzproblem? Diss. Tübingen 2001; Otto Affekt und Vorverschulden, Jura 1992 329; Prittwitz Dolus eventualis und Affekt, GA 1994 454; Quatember Affekt und Zurechnungsfähigkeit, Forensia 2 (1977/78) 55; Rasch Tötung des Intimpartners (1964); ders. Die psychologisch-psychiatrische Beurteilung von Affektdelikten, NJW 1980 1309; ders. Zweifelhafte Kriteriologien für die Beurteilung der tiefgreifenden Bewußtseinsstörung, NJW 1993 757; Ritzel Forensisch-psychiatrische Beurteilung der Affekttat, M M W 1980 623; Rudolphi Affekt und Schuld, Festschrift Henkel (1974) 199; Saiger Zur forensischen Beurteilung der Affekttat im Hinblick auf erheblich verminderte Schuldfähigkeit, Festschrift Tröndle (1989) 201; Saß Affektdelikte, Nervenarzt 1983 557; ders. Handelt es sich bei der Beurteilung von Affektdelikten um ein psychopathologisches Problem? FortschrNeurPsych. 1985 55; ders. Affekt und Schuldfähigkeit: ein psychopathologischer Lösungsvorschlag, in Saß (Hrsg.) Affektdelikte, Interdisziplinäre Beiträge zur Beurteilung von affektiv akzentuierten Straftaten (1993) 214; ders. (Hrsg.) Affektdelikte: interdisziplinäre Beiträge zur Beurteilung von affektiv akzentuierten Straftaten (1993; zit. Affektdelikte); Schewe Reflexbewegung Handlung Vorsatz (1972); Schorsch Affekttaten und sexuelle Perversionstaten im strukturellen Vergleich, R & Ρ 1988 10; Schumacher Gruppendynamik und strafrechtliche Schuldfähigkeit, StV 1993 549; Simons Tötungsdelikte als Folge mißlungener Problemlösungen (1988); Steck Tödlich endende Beziehungskonflikte, R & P 2 0 0 2 211; ders./Matthes/Sauter Tödlich endende Partnerkonflikte, MschrKrim. 1997 404; Täschner Kriterien der Schuldfähigkeit Drogenabhängiger bei unterschiedlichen Deliktformen, BA 1993 313; Theune Auswirkungen des normalpsychologischen (psychogenen) Affektes auf die Schuldfähigkeit sowie den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch, NStZ 1999 273; Venzlaff Die forensisch-psychiatrische Beurteilung affektiver Bewußtseinsstörungen, Festschrift Blau (1985) 391; Ziegert Vorsatz, Schuld und Vorverschulden (1987); ders. Die Affekttat zwischen Wertung und Willkür in Saß (Hrsg.) Affektdelikte, Interdisziplinäre Beiträge zur Beurteilung von affektiv akzentuierten Straftaten (1993) 43.
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Schrifttum zur actio libera in causa. Ambos Der Anfang vom Ende der actio libera in causa? N J W 1997 2 2 9 6 ; Baier Unterlassungsstrafbarkeit trotz fehlender Handlungs- oder Schuldfähigkeit, GA 1999 272; Fahnenschmidt Der Anfang vom Ende der actio libera in causa? DRiZ 1997 77; Hardtung Die „Rechtsfigur" der actio libera in causa beim strafbaren Führen eines Fahrzeugs und anderen Delikten - Möglichkeiten und Grenzen der Bestrafung, N Z V 1997 97; Henning Vollrausch, in Hettinger Reform des Sanktionenrechts - Alkohol als Strafmilderungsgrund, Vollrausch, Actio libera in causa Band 1 (2001) 97; Herzberg Gedanken zur actio libera in causa, Festschrift Spendel (1992) 2 0 3 ; Hettinger Die „actio libera in causa": Strafbarkeit wegen Begehungstat trotz Schuldunfähigkeit? (1988); ders. Zur Strafbarkeit der fahrlässigen „actio libera in causa", GA 1989 1; ders. Die „actio libera in causa": eine unendliche Geschichte, Festschrift Geerds (1995) 623; ders. Actio libera in causa, in Hettinger (Hrsg.) Reform des Sanktionenrechts - Alkohol als Strafmilderungsgrund, Vollrausch, Actio libera in causa Band 1 (2001) 189; Hirsch Zur Frage der Haltung des BGH zur actio libera in causa, Anmerkung zu BGH J R 1997 391, J R 1997 391; Horn Der Anfang vom Ende der actio libera in causa, StV 1997 2 6 4 ; Hruschka Probleme der actio libera in causa heute, J Z 1989 310; ders. Die actio libera in causa - speziell bei § 20 StGB mit zwei Vorschlägen für die Gesetzgebung, J Z 1996 64; ders. Die actio libera in causa bei Vorsatztaten und bei Fahrlässigkeitstaten, J Z 1997 22; Jerouschek Die Rechtsfigur der actio libera in causa - Allgemeines Zurechnungsprinzip oder verfassungswidrige Strafbarkeitskonstruktion? JuS 1997 385; ders. Zur Bedeutung des so genannten Koinzidenzprinzips im Strafrecht, JuS 2001 417; Joerden Strukturen des strafrechtlichen Verantwortlichkeitsbegriffs: Relationen und ihre Verkettungen (1988); Kindhäuser Gefährdung als Straftat (1989); Krause Probleme der actio libera in causa, Jura 1980 169; Küper Der „verschuldete" rechtfertigende Notstand (1983); ders. Aspekte der „actio libera in causa", Festschrift Leferenz (1983) 573; Lampe (Hrsg.) Verantwortlichkeit und Recht (Jahrb. f. Rechtssoziologie u. Rechtstheorie Bd. XIV, 1989); Nedopil Konstruktion und Argument in der neueren Diskussion zur actio libera in causa, Festschrift Arthur Kaufmann (1993) 581; Neumann Zurechnung und „Vorverschulden" (1985); ders. Gesetzeswidrigkeit der Rechtsfigur der actio libera in causa? Anmerkung zu BGH StV 1997, 21, StV 1997 23; Otto Actio libera in causa, Jura 1986 4 2 6 ; ders. BGHSt 42 235 und die actio libera in causa, Jura 1999 217; ders. Die Beurteilung alkoholbedingter Delinquenz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Festgabe BGH (2000) 113; Paeffgen Actio libera in causa und § 323a StGB, ZStW 97 (1985) 513; Puppe Grundzüge der actio libera in causa, JuS 1980 346; Rath Zur actio libera in causa bei Schuldunfähigkeit des Täters, JuS 1995 4 0 5 ; Rönnau Grundstruktur und Erscheinungsformen der actio libera in causa, JA 1997 599; ders. Dogmatisch-konstruktive Lösungsmodelle zur actio libera in causa, JA 1997 707; Roxin Bemerkungen zur actio libera in causa, Festschrift Lackner (1987) 307; Saiger Die actio libera in causa - eine rechtswidrige Rechtsfigur, NStZ 1993 561; Satzger Dreimal in causa - actio libera in causa, omissio libera in causa und actio illicita in causa, Jura 2 0 0 6 513; Schmidhäuser Die actio libera in causa: ein symptomatisches Problem der deutschen Strafrechtswissenschaft (1992); Schweinberger Die Rechtsfigur der actio libera in causa, JuS 1998 191; Spendel Actio libera in causa und Verkehrsstraftaten, J R 1997 133; Sternberg-Lieben Grenzen fahrlässiger actio libera in causa, Gedenkschrift Schlüchter (2002) 217; Streng Der neue Streit um die „actio libera in causa", J Z 1997 7 0 9 ; ders. „actio libera in causa" und Vollrauschstrafbarkeit - rechtspolitische Perspektiven, J Z 2 0 0 0 20; ders. „Actio libera in causa" in Egg (Hrsg.) Alkohol, Strafrecht und Kriminalität (2000) 69; ders. Actio libera in causa und verminderte Schuldfähigkeit - BGH NStZ 2 0 0 0 , 584, JuS 2001 5 4 0 ; Sydow Die actio libera in causa nach dem Rechtsprechungswandel des Bundesgerichtshofs, Diss. Göttingen 2 0 0 2 ; Venzlaff/Foerster Affektive Ausnahmezustände, in Foerster Psychiatrische Begutachtung, S. 2 2 3 ; Wolff, M. Das Ende der actio libera in causa, N J W 1997 2032; Wolter Vorsätzliche Vollendung ohne Vollendungsvorsatz, Festschrift Leferenz (1983) 545. Schrifttum zu Diagnoseschlüsseln, standardisierter Dokumentation, Schwereskalen. Blau Zum Thema „Quantifizierung", MschrKrim. 1986 3 4 8 ; Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten, NStZ 2 0 0 5 57; Bresser Über die Grenzen psychiatrischer Dokumentation: Was wird nicht abgebildet? Forensia 9 (1988) 163; Dilling/Mombour/Schmidt/Schulte-Markwort (Hrsg.) Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD10 Kapitel V(F) 3. Aufl. (2004); Erhardt Zur Problematik von Terminologie und Klassifikation in
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§20
2. Abschnitt. Die Tat
der Forensischen Psychiatrie, Forensia 5 (1984) 35; Fabricius Quantifizierung von Schuldfähigkeit, R &C Ρ 1984 181; Foerster Kann die Anwendung einer klinischen Beeinträchtigungsschwere-Skala hilfreich sein bei der Feststellung einer „schweren seelischen Abartigkeit"? NStZ 1988 444; ders./Heck Zur Quantifizierung der sogenannten „schweren anderen seelischen Abartigkeit", MschrKrira. 1991 49; Hettinger Reform des Sanktionenrechts - Alkohol als Strafmilderungsgrund, Vollrausch, Actio libera in causa Band 1 (2001); ders. Reform des Sanktionenrechts- Einführung der Einheitsstrafe Band 2 (2001); Kröber/Faller/Wulf Nutzen und Grenzen standardisierter Schuldfähigkeitsbegutachtung, MschrKrim. 1994 339; Maisch Diagnostische Urteilsbildung zur Einschätzung von Schweregraden psychischer Störungen und ihrer Auswirkungen für forensische Zwecke, MschrKrim. 1983 343; Mende Zur Frage der Quantifizierung in der Forensischen Psychiatrie, MschrKrim. 1983 328; Möller/v. Ζerssen Psychopathometrische Verfahren, Nervenarzt 1982 493; 1983 1; Nedopil Operationalisierung und Standardisierung als Hilfen bei der psychiatrischen Begutachtung, MschrKrim. 1988 117; ders./Graß Das Forensisch-Psychiatrische Dokumentationssystem (FPDS) Forensia 9 (1988) 139; Rosier Entwicklungsmöglichkeiten des phänomenalen Ansatzes in der psychiatrischen Dokumentation, Forensia 9 (1988) 175; Rosier Zur kriteriengeleiteten Erfassung von Affektdelikten, Nervenarzt 1991 49; Saß Ein psychopathologisches Referenzsystem für die Beurteilung der Schuldfähigkeit, Forensia 6 (1985) 33; ders. Zur Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen, Nervenarzt 1986 193; ders. Zur Standardisierung der Persönlichkeitserfassung mit einer integrierten Merkmalsliste für Persönlichkeitsstörungen, MschrKrim. 1989 133; ders. Forensische Erheblichkeit seelischer Störungen im psychopathologischen Referenzsystem, Festschrift Schewe (1991) 266; ders./Wiegand Operationalisierte Klassifikationssysteme in der forensischen Psychiatrie - Fortschritt oder Irrweg? Festschrift Göppinger (1990) 349; Saß/Wittchen/Zaudig/Houben (Hrsg.) Diagnostisches und statistisches Manual Psychischer Störungen - Textrevision - DSM-IV-TR 312.31, Deutsche Bearbeitung (2003); Schöch Die Beurteilung von Schweregraden schuldmindernder oder schuldausschließender Persönlichkeitsstörungen aus juristischer Sicht, MschrKrim. 1983 333; Schiiler-Springorum „Benzin nach Metern"? Festschrift Venzlaff (1986) 52; Steller Standards der forensisch-psychologischen Begutachtung, MschrKrim. 1988 16. Schrifttum zu Sachverständigen und Verfahren. Barton Der psychowissenschaftliche Sachverständige im Strafverfahren (1983); Blau Der befangene Sachverständige im Strafprozeß, Festschrift Schewe (1991) 10; Bochnik/Gärtner/Richtberg Richter und psychiatrischer Sachverständiger, MedR 1988 73; Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß u.a. Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten, NStZ 2 0 0 5 57; Böttger/Kury/Albrecht (Hrsg.) Kriminologische Forschung in den 80er Jahren (1988); de Boor Retrograde Extrapolation, Forensia 2 (1977/78) 55; ders. Zur Problematik des psychiatrischen Gutachtens über die Schuldfähigkeit, Z.f.d. ges. Sachverst.wesen 1986 92; Detter Der Sachverständige im Strafverfahren - eine Bestandsaufnahme, NStZ 1998 57; Dippel Die Stellung des Sachverständigen im Strafprozeß (1986); Dittmann u.a. Psychiatrische Sachverständige und Juristen - ein problematisches Verhältnis? Festschrift Pribilla (1990) 267; Dölling Begutachtung der Schuldfähigkeit und Strafurteil, Festschrift Kaiser (1999) 1337; ders. Rausch, Kriminalität und Strafrecht, in Kiesel (Hrsg.) Rausch (1999) 149; Eisenberg Anmerkung zu dem Beitrag Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten, NStZ 2005, 5 7 - 6 2 , NStZ 2 0 0 5 304; Engelhardt Schuldfähigkeitsbegutachtung und Strafurteil: eine Untersuchung über die Auswirkungen von Sachverständigengutachten auf die Entscheidung über die Schuldfähigkeit in Strafverfahren wegen Gewaltdelikten vor bayerischen Strafgerichten, Jur. Diss. Erlangen-Nürnberg 1994; Foerster Der psychiatrische Sachverständige zwischen Norm und Empirie, NJW 1983 2 0 4 9 ; ders. Die Bedeutung von Lehre und Forschung für die forensische Psychiatrie, Festschrift Venzlaff (1986) 25; ders. Die forensisch-psychiatrische Beurteilung persönlichkeitsgestörter Straftäter, Festschrift Schewe (1991) 189; ders. Forensische Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland, DRiZ 1991 197; Fotakis Zur Kompetenz des psychiatrischen Sachverständigen, Festschrift Venzlaff (1986) 301; Furger Hinweise zum kritischen Umgang mit psychiatrischen Gutachten, SchwZStr. 1988 385; Gerstenfeld Der Psychiater als Inquisitor - Die Bedeutung des Geständnisses für das Begutachtungsergebnis, MschrKrim. 2 0 0 0 2 8 0 ; Glatzel Zur Beurteilung der Schuldfähigkeit bei Rauschmittelkonsumenten, Kriminalistik 1996 799; Göppinger/Kaiser (Hrsg.) Kriminologie und Strafverfahren (1976); Gretenkord Aspekte der Schuldfähigkeitsbegutachtung aus Sicht eines
1264
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
psychologischen Praktikers, Praxis der Rechtspsychologie 10 (2000) 25; Haddenbrock Der Psychiater im Strafprozeß, DRiZ 1974 37; Heim Der forensisch-psychiatrische Gutachter in der Hauptverhandlung, R Sc Ρ 1989 149; Heinz Fehlerquellen forensisch-psychiatrischer Gutachten (1982); Helbing Forensische Gutachten auf dem Prüfstand, ZRP 2 0 0 4 55; Hettinger Tatstrafrecht - ein hinreichend beachtetes Grundprinzip? Festschrift Lüderssen (2002) 253; Hetzer Wahrheitsfindung im Strafprozeß (1982); Horn Die prognostische Beurteilung im Strafverfahren, MschrKrim. 1989 97; Hruschka Die actio libera in causa - speziell bei § 2 0 StGB mit zwei Vorschlägen für die Gesetzgebung, J Z 1996 64; ders. Die actio libera in causa bei Vorsatztaten und bei Fahrlässigkeitstaten, J Z 1997 22; ders. „Actio libera in causa" und mittelbare Täterschaft, Festschrift Gössel (2002) 145; Jakobs Die sogenannte actio libera in causa, Festschrift Nishihara (1998) 105; Jerouschek Die Rechtsfigur der actio libera in causa: Allgemeines Zurechnungsprinzip oder verfassungswidrige Strafbarkeitskonstruktion? JuS 1997 385; Arthur Kaufmann Das Problem der Abhängigkeit des Strafrichters vom medizinischen Sachverständigen, J Z 1985 1065; Konrad Forensisch-psychiatrische Gutachten im Unterbringungsverfahren gemäß § 63 StGB, Med. Sachverst. 1992 25; Kröber Das psychoanalytische Gutachten zwischen Psychiatrie und Strafrecht, R & Ρ 1994 64; Kulisch Psychiater oder Psychologe? StraFo 2001 337; Luthe Die zweifelhafte Schuldfähigkeit: Einführung in Theorie und Praxis der Begutachtung für Beteiligte an Gerichtsverfahren (1996); Maisch Disziplinen und Methoden psychologisch-psychiatrischer Sachverständiger, R & Ρ 1984 162; ders. Fehlerquellen psychologisch-psychiatrischer Begutachtung im Strafprozeß, StV 1985 517; Maisch/Schorsch Zur Problematik der Kompetenz-Abgrenzung von psychologischen und psychiatrischen Sachverständigen bei Schuldfähigkeitsfragen, StV 1983 32; Marneros/Rössner/Haring (Hrsg.) Psychiatrie und Justiz (2000); Mauthe Zur psychiatrischen Begutachtung von Sexualstraftätern, DRiZ 1999 162; Mende/Biirke Fehlerquellen bei der nervenärztlichen Begutachtung, Forensia 7 (1986) 143; Menne (Hrsg.) Psychoanalyse und Justiz (1984); Meyer Der psychiatrische Sachverständige und seine Funktion im Strafprozeß, MschrKrim. 1981 224; Nedopil Grenzgänger. Zum Dilemma von Recht und Psychiatrie, Festschrift Schüler-Springorum (1993) 571; ders. Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Juristen und den psychiatrischen Sachverständigen, NStZ 1999 433; ders. Begutachtung zwischen öffentlichem Druck und wissenschaftlicher Erkenntnis, R & Ρ 1999 120; ders. Grenzziehung zwischen Patient und Straftäter, NJW 2 0 0 0 837; ders. Qualität psychiatrischer Gutachten und deren unkritische Übernahme durch Gerichte, Anmerkung zu BGH J R 2 0 0 5 216; ders./Krupinski BeispielGutachten aus der forensischen Psychiatrie (2001 ); Parzeller Gutachterauswahl und Gutachterkompetenz - Die Begutachtung der Schuldfähigkeit im Strafverfahren durch Rechtsmediziner, Rechtsmedizin 13 (2003) 301; Pfäfflin Vorurteilsstruktur und Ideologie psychiatrischer Gutachten über Sexualstraftäter (1978); Plewig Funktion und Rolle des Sachverständigen aus der Sicht des Strafrichters (1983); Rasch Richtige und falsche psychiatrische Gutachten, MschrKrim. 1982 257; ders. Die Auswahl des richtigen Psycho-Sachverständigen im Strafverfahren, NStZ 1992 257; ders. Das Missbehagen des psychischen Sachverständigen im Strafverfahren, Festschrift Schüler-Springorum (1993) 561; Rauch Nochmals: Gutachterliche Kompetenz bei der Klärung der Schuldfähigkeit oder: Der Streit zwischen Psychiatrie und Psychologie, NStZ 1984 497; Rode/Legano Der Straftäter und sein Gutachter - Subjektive Aspekte der psychiatrischen Begutachtung, StV 1995 496; Rössner Zur Feststellung einer psychischen Störung nach §§ 20, 21 StGB im Strafverfahren: Eine Problemskizze anhand empirischer Befunde, Festschrift Lenckner (1998) 837; Schmidt/Scholz Schuldfähigkeitsbegutachtung bei Tötungsdelikten, MschrKrim. 2 0 0 0 414; B. Schmitt Bemerkungen zur Bestellung des psychiatrischen Sachverständigen im Strafverfahren, Festschrift Geerds (1995) 541; Schöch Zum Verhältnis von Psychiatrie und Strafrecht aus juristischer Sicht, Nervenarzt 2 0 0 5 , 1382; Scholz Schuldfähigkeitsbegutachtung durch Diplom-Psychologen - Am Beispiel der sogenannten schweren anderen seelischen Abartigkeit, ZStW 116 (2004) 618; ders./Schmidt Schuldfähigkeitsbegutachtung bei Tötungsdelikten - Neue Befunde zur Begutachtungspraxis sowie zu Divergenzen zwischen Gutachtern und Gerichten, MschrKrim. 2 0 0 0 414; Schorsch Phantasie, Irrtum, Lüge und die Wahrheitsfindung, StV 1985 522; Schreiber Zur Rolle des psychiatrisch-psychologischen Sachverständigen im Strafverfahren, Festschrift Wassermann (1985) 1007; ders./Rosenau Rechtliche Grundlagen der psychiatrischen Begutachtung, in Foerster (Hrsg.) Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl. (2004) 53; Schreiber/Rosenau Der Sachverständige im Verfahren und in der Verhandlung, Psychiatrische Begutachtung, in Foerster (2004) 126; dies. Der Sachverständige im Verfahren und in der Verhandlung, in Foerster (2004) 125; Schumacher/Arndt Die Unantastbarkeit der Menschenwürde als Maßstab für
Heinz Schöch
1265
§20
2. Abschnitt. Die Tat
psychiatrische Gutachten, StV 2003 96; Streng Richter und Sachverständiger, Festschrift Leferenz (1983) 397; ders. Psychowissenschaftler und Strafjuristen - Verständigungsebenen und Kompetenzkonflikte bei der Schuldfähigkeitsentscheidung, l.Teil NStZ 1995 12, 2. Teil NStZ 1995 161; Täschner Welcher Sachverständige ist für die Beurteilung des Geisteszustandes von Sexualdelinquenten zuständig? MschrKrim. 1980 108; Tondorf Oer „aufgedrängte" Sachverständige - ein Ärgernis für die Verteidigung, R &c Ρ 1984 155; ders. Psychologische und psychiatrische Sachverständige im Strafverfahren: Verteidigung bei Schuldfähigkeits- und Prognosebegutachtung, 2. Aufl. (2005); Undeutsch Zur Problematik des psychologischen Sachverständigen, Festschrift Lange (1976) 703; Venzlaff Fehler und Irrtümer in psychiatrischen Gutachten, NStZ 1983 199; Verrei Die Anwendung der §§ 20, 21 StGB im Bereich der Tötungskriminalität, MschrKrim. 1994 272; ders. Die Verwertung von Schuldfähigkeitsgutachten im Strafurteil, ZStW 106 (1994) 332; ders. Schuldfähigkeitsbegutachtung und Strafzumessung bei Tötungsdelikten (1995); Wächtler Das Schuldfähigkeitsgutachten zwischen Machtkampf und Glaubenskrieg, StV 2003 184; "Wegener Über die Beziehungen zwischen der forensischen Psychologie und der forensischen Psychiatrie, Festschrift Venzlaff (1986) 181; Witter Richtige oder falsche psychiatrische Gutachten? MschrKrim. 1983 253; G. Wolff Gutachterliche Kompetenz bei der Klärung der Schuldunfähigkeit, NStZ 1983 537; St. Wolff Die Vermittlung von Recht und Psychiatrie als praktisches Problem, StV 1992 292. Zum früheren Schrifttum s. auch Voraufl. zu §§ 20, 21.
Entstehungsgeschichte Geistige G e s t ö r t h e i t u n d S c h w a c h s i n n w a r e n e b e n s o w i e exzessiver R a u s c h m i t t e l g e n u s s u n d A f f e k t e stets B e g l e i t f o r m e n sozialen L e b e n s . Eine b e w u s s t e s t r a f r e c h t l i c h e A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t i h n e n b e g a n n a b e r erst auf h ö h e r e n E n t w i c k l u n g s s t u f e n des R e c h t s u n d der M e d i z i n . 1 D i e C a r o l i n a v o n 1 5 3 2 verwies auf v e r s t ä n d i g e n R a t (Art. 179, 219). I m g e m e i n e n R e c h t w u r d e n lediglich - o h n e systematische u n d begriffliche K l ä r u n g geistige Z u s t ä n d e b e s c h r i e b e n , w e l c h e S t r a f e a u s s c h l i e ß e n k o n n t e n . Erst d a s P r e u ß i s c h e A L R e n t h i e l t B e s t i m m u n g e n ü b e r d e n A u s s c h l u s s u n d die V e r m i n d e r u n g d e r S c h u l d f ä h i g keit (Teil II T i t . 2 0 §§ 16, 18). D a s P r e u ß i s c h e StGB v o n 1851 n a h m W a h n s i n n i g e u n d B l ö d s i n n i g e v o n s t r a f r e c h t l i c h e r V e r a n t w o r t l i c h k e i t s c h l e c h t h i n a u s , enthielt a b e r keine R e g e l u n g ü b e r die v e r m i n d e r t e S c h u l d f ä h i g k e i t . I m R e i c h s s t r a f g e s e t z b u c h v o n 1871 f a n d e n die A u f f a s s u n g e n m e d i z i n i s c h e r Fachg e l e h r t e r w e i t g e h e n d B e r ü c k s i c h t i g u n g . Sie f ü h r t e n zu d e r V o r s c h r i f t des § 51, die u r s p r ü n g l i c h lautete: Eine s t r a f b a r e H a n d l u n g ist nicht v o r h a n d e n , w e n n d e r T ä t e r z u r Z e i t d e r Begehung der H a n d l u n g sich in e i n e m Z u s t a n d e v o n Bewusstlosigkeit o d e r k r a n k h a f t e r S t ö r u n g der Geistestätigkeit b e f a n d , d u r c h w e l c h e n seine freie W i l l e n s b e s t i m m u n g ausgeschlossen war. A u c h d a s R S t G B k a n n t e keine B e s t i m m u n g ü b e r die v e r m i n d e r t e S c h u l d f ä h i g k e i t 2 . E i n e s o l c h e w u r d e erst d u r c h A r t . 3 N r . 4 des Gesetzes g e g e n g e f ä h r l i c h e G e w o h n h e i t s 1
Übersichten bei His Das Strafrecht des deutschen Mittelalters Bd. I (1920) S. 67; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I (1972) S. 78; v. Lilienthal VDA Bd. V (1908) S. 1; Lubbers Die Geschichte der Zurechnungsfähigkeit von Carpzow bis zur Gegenwart (1938, Neudruck 1977); Schild NK Rdn. 9; Eb. Schmidt Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege 3. Aufl. (1965) S. 36, 71; speziell zur Behandlung des Rausches Hettinger S. 57, zur Psychopathie
1266
2
Rautenberg Die psychiatrisch-strafrechtliche Beurteilung des sogenannten Psychopathen in historischer Sicht, SchlHA 1986 2. Zum damaligen Streitstand in dieser Frage Kahl VDA Bd. I (1908) S. 1; Überblick über die gesetzliche Entwicklung bei Rautenberg Verminderte Schuldfähigkeit (1984) S. 3; als Strafzumessungsgrund galt verminderte Schuldfähigkeit bereits vor ihrer gesetzlichen Regelung, RGSt 69 110, 112.
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
Verbrecher und über M a ß r e g e l n der Sicherung und Besserung v o m 2 4 . 1 1 . 1 9 3 3 ( R G B l . I S. 9 9 5 ) geschaffen (Begründung D t . ReichsAnz. u. Preuß. StaatsAnz. Nr. 2 7 7 v. 2 7 . 1 1 . 1 9 3 3 , 1. Beil. S. 1). Hierdurch erhielt § 5 1 S t G B insgesamt folgende Fassung: (1) Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Täter zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig ist, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. (2) War die Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe erheblich vermindert, so kann die Strafe nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs gemildert werden. Die Unterscheidung von Einsichts- und Steuerungsfähigkeit folgte dem Vorbild des J G G vom 1 6 . 2 . 1 9 2 3 . Die geltenden Bestimmungen der §§ 2 0 , 2 1 beruhen auf dem E 1 9 6 2 (dazu H. Kaufmann J Z 1 9 6 7 1 3 9 ) , dem seinerseits die Vorarbeiten der G r o ß e n S t r a f r e c h t s k o m m i s s i o n zugrunde lagen. Ziel der R e f o r m war, der R e c h t s p r e c h u n g , welche § 5 1 a.F. weit ausgelegt hatte, eine feste gesetzliche Grundlage zu geben; ferner sollten Forderungen und Erkenntnisse der M e d i z i n Berücksichtigung finden. Die G r o ß e S t r a f r e c h t s k o m m i s s i o n und der Sonderausschuss des Deutschen Bundestages für die Strafrechtsreform hörten zahlreiche Sachverständige (Niederschriften 4 4 9 2 ; M a t . der Gr. S t r a f r e c h t s k o m m i s s i o n : Gutachten pp zu Fragen der Strafrechtsreform m. ärztl. Einschlag; Prot. V / 4 4 9 ; B e r i c h t des Sonderausschusses über die Beratung des E 1 9 6 2 in der IV. W a h l p . S. 2 0 ) . Sachlich umstritten blieb, o b das M e r k m a l der schweren anderen seelischen Abartigkeit nur eine Verminderung der Schuldfähigkeit oder - wie die anderen M e r k m a l e - auch ihren Ausschluss begründen k ö n n e . Die G r o ß e S t r a f r e c h t s k o m m i s s i o n , der E 1 9 6 2 (§ 2 5 , Begründung S. 141) und der Sonderausschuss in der IV. Wahlperiode (Bericht S. 2 0 ) hatten die sog. differenzierende Lösung befürwortet. Psychiater wiesen aber auf sehr seltene Fälle (ca. 2 % ) hin, in denen Schuldunfähigkeit auch infolge einer schweren anderen seelischen Abartigkeit in B e t r a c h t k o m m e . D a r a u f entschloss sich der Sonderausschuss zur jetzigen „Einheitslösung" oder „harmonisierenden L ö s u n g " (Prot. V / 2 4 1 , 4 4 9 , 4 7 7 , 4 8 4 ; Bericht B T D r u c k s . V / 4 0 9 5 S. 1 0 ) , nach welcher das vierte psychopathologische M e r k m a l a u c h im Bereich des § 2 0 Bedeutung erlangen k a n n . Sie ist durch das 2 . S t r R G geltendes R e c h t geworden. Z u m R e c h t der D D R s. L K 1 1 .
Übersicht Rdn.
Rdn. I. Allgemeines
1
1. Psychiatrisches und juristisches
1. G r u n d l a g e n
1
System seelischer Störungen
2 . Schuldprinzip
4
a) Psychiatrische Systeme
52
3. Analogiefähigkeit
5
b) Juristisches System
59
4. Anwendungshäufigkeit
aa) K r a n k h a f t e seelische Störungen
6
II. Verhältnis zu § 17
51
59
b b ) Tiefgreifende Bewusstseins-
12
III. Voraussetzungen des Schuldurteils . . . .
14
störungen
61
1. Das P r o b l e m der Willensfreiheit
15
cc) S c h w a c h s i n n
67
. .
dd) S c h w e r e andere seelische A b -
2 . Folgen aus der U n b e w e i s b a r k e i t von Willensfreiheit
artigkeit
27
2 . Allgemeine Beurteilungsgrundsätze
3. Feststellbarkeit von Schuldfähigkeit im Einzelfall a) „ B i o l o g i s c h e s " S t o c k w e r k
31 . . . .
b) „ P s y c h o l o g i s c h e s " S t o c k w e r k c) N o r m a t i v e s Urteil
. .
36 42
74
a) M e t h o d i k
74
b) Begriffliches
79
V. Beurteilungsmerkmale bei den einzelnen
46
IV. Grundlagen der Schuldfähigkeitsbeurteilung
68 .
51
Heinz Schöch
Störungen
82
1. E n d o g e n e Psychosen
82
2 . E x o g e n e Psychosen
91
1267
2. Abschnitt. Die Tat
§20
Rdn. 3. T r u n k e n h e i t
Rdn.
95
4 . Drogeneinfluss
3. Vorsätzliche a c t i o libera in c a u s a
116
5. M e d i k a m e n t e
120
6 . Affekte
123
7. S c h w a c h s i n n
150
8. S c h w e r e a n d e r e seelische Abartigkeit
152
zustandes
176
e) B e l a s t u n g s r e a k t i o n e n
178
beweises verständigen
184
213 217 217 221
3. E i n f ü h r u n g und W ü r d i g u n g des G u t achtens
194
4 . Verfahrensfragen
194 . . . .
211
2 . A u f g a b e n und Auswahl des Sach-
191
1. A b g r e n z u n g 2 . B e g r ü n d u n g der R e c h t s f i g u r
207
1. P r o b l e m a t i k des Sachverständigen-
180
VI. M a ß g e b e n d e r Zeitpunkt
. .
digen. Verfahrensfragen
d) N e u r o s e n
VII. Vorverlagerte Schuld (actio libera in causa)
6. U r s a c h e n der Schuldunfähigkeit
X . Z u s a m m e n a r b e i t mit dem Sachverstän-
168
9. K o m o r b i d i t ä t
206
Übrigen
c) Persönlichkeitsstörungen (Psycho-
10. Einzelheiten aus der R e c h t s p r e c h u n g
. . .
I X . Verhältnis zu § 3 J G G
159
pathien)
205
5. Fahrlässige a c t i o libera in causa V i n . Verschuldete Schuldunfähigkeit im
154
b) S ü c h t e
202
4 . Fahrlässige Herbeiführung des Defekt-
a) Sexuelle V e r h a l t e n s a b w e i c h u n g e n und S t ö r u n g e n
. .
X I . Recht des Einigungsvertrages
225 233 240
198
I. Allgemeines 1
1. Grundlagen. § 2 0 geht davon aus, dass die Schuldfähigkeit (früher: Zurechnungsfähigkeit) bei Erwachsenen die Regel und die Schuldunfähigkeit die Ausnahme ist. Kinder gelten bis zum vollendeten 14. Lebensjahr generell als schuldunfähig (§ 19 StGB), Jugendliche vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind bedingt schuldfähig, d.h. die Schuldfähigkeit muss in jedem Fall positiv festgestellt werden (§ 3 J G G ) . Schuld ist ausgeschlossen, wenn der Täter bei Begehung der Tat infolge bestimmter, in der Vorschrift aufgeführter Störungen („biologisches Stockwerk") einsichts- oder steuerungsunfähig war („psychologisches Stockwerk") 3 . In diesem Fall ist Strafe ausgeschlossen. Steht der Defekt fest, können aber Maßregeln der Besserung und Sicherung nach §§ 63, 64, 69, 7 0 verhängt werden.
2
Schuldfähigkeit ist von Handlungsfähigkeit zu unterscheiden (BGH V R S 56 4 4 7 ; anders im Anschluss an den Gesetzeswortlaut zunächst RGSt 11 5 6 , 58; 21 14; 2 9 130). Fehlt es an einer Handlung als gewolltem Tun eines Menschen, so stellen sich die Fragen nach Schuldfähigkeit und Schuld nicht, da Ausgangspunkt strafrechtlicher Zurechnung auch in § 2 0 die rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5) ist. Körperbewegungen im Zustand völliger Bewusstlosigkeit, etwa bei epileptischen Anfällen (OLG Schleswig V R S 6 4 4 2 9 ) , sind Nichthandlungen, nicht etwa wegen Bewusstseinsstörung entschuldigte Taten. Die Abgrenzung ist jedoch bei Rauschzuständen mitunter schwierig (vgl. BGHSt 1 124, 127; B G H N J W 1952 193, 194; zur Handlungsunfähigkeit einer Mutter bei der Geburt vgl. B G H M D R 1 9 9 4 127). Maßgebend ist, ob der Wille als Handlungsgrundlage der Tat wirksam war. 4 Keine geeigneten Abgrenzungsmerkmale hingegen sind fehlende
3
So die herkömmliche Bezeichnung, vgl. Lackner/Kühl Rdn. 1. Neuerdings wird treffender von biologisch-psychologischer, psychologisch-normativer oder biologisch-normativer Methode gesprochen, vgl. Jakobs AT2 18/3; Jescheck/Weigend AT5 § 40 III 1; Rasch StV 1984 264, 265; Roxin FS Spann, S. 457, 458;
1268
4
Schreiber/Rosenau S. 60 und Kaiser/Schöch6 2006 Fall 4, Rdn. 5 sprechen von psychischnormativer Methode. RGSt 69 189, 191; OLG Hamburg JR 1950 408; OLG Hamm JZ 1974 716; OLG Frankfurt/M. VRS 28 364 (dagegen Franzheim NJW 1965 2000); OLG Schleswig VRS 64
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
Vorhersehbarkeit oder mangelnde Beherrschbarkeit der Situation; der durch ein unabwendbares Ereignis verursachte Verkehrsunfall (§ 7 Abs. 2 StVG) ist in der Regel Ergebnis menschlichen Handelns (aA Jakobs A T 2 6/34; ders. Festschrift Welzel S. 3 0 7 ) . Körperbewegungen auf Grund reflektorischer Nervenreizungen, die nicht über das Bewusstsein vermittelt werden (z.B. beim Zusammenzucken unter einem Stromschlag) scheiden hiernach als Handlungen aus, nicht aber schnelle („instiktive") Spontanreaktionen im Straßenverkehr bei plötzlich auftauchenden Hindernissen (OLG H a m m N J W 1975 6 5 7 ; OLG Frankfurt V R S 2 8 [1965], 3 6 4 ; zust. Roxin AT I § 8 Rdn. 65 ff). Ebenso sind eingeschliffene, automatisierte Verhaltensweisen generell vom Willen getragen, und auch für kurzschlüssige Affekt- und Triebdurchbrüche ist die Handlungsqualität nicht zweifelhaft (Sch/Schröder/Lenckner/Eisele vor § 13 Rdn. 41/42). Nach formallogischen Regeln wäre Schuldfähigkeit die Voraussetzung für Schuld (so Baumann/Weber/Mitsch A T 1 1 § 19 I). Doch ist der dem Gesetz selbst fremde Begriff nur ein Kürzel. Er umfasst Unrechtseinsicht und Fähigkeit zu normgemäßer Steuerung. Diese beiden Elemente konstituieren die Vorwerfbarkeit des Täterverhaltens im Einzelfall und sind damit Schuldmerkmale (Jescheck/Weigend A T 5 § 3 9 IV 2). Im Verbrechensaufbau gehören sie in die Schuldebene, und ihre Konsequenzen für andere Tatbeteiligte regelt § 29.
3
2. Das Gesetz definiert den Begriff Schuld nicht ausdrücklich, verwendet ihn jedoch mehrfach (§ 4 6 I, § 17, § 35 StGB) oder setzt ihn voraus (§§ 1 9 - 2 1 StGB). Die Vorschriften über die Schuldfähigkeit verwirklichen auf einem wichtigen Teilgebiet das Schuldprinzip, das durch die Rechtsprechung des BVerfG Verfassungsrang erhalten hat (nulla poena sine culpa, BVerfGE 2 0 323, 331; 41 121, 125; 45 187, 2 5 9 ; 5 0 125, 133; 8 0 367, 379). Strafe darf nur verhängt werden, sofern dem Täter sein Tun vorzuwerfen ist, denn nur dann ist der mit ihr verbundene sozialethische Tadel gerechtfertigt. Wenn der Täter für seine Handlung „nichts k a n n " , wäre seine Bestrafung ein großes Unrecht (BGHSt 2 3 176, 192; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 96).
4
3. Hiermit im Zusammenhang steht die Frage, ob § 2 0 eine abschließende Regelung enthält oder ob Entschuldigung auch auf andere als die darin genannten Defekte gestützt werden könnte. Das Schuldprinzip scheint die Möglichkeit analoger Anwendung zu fordern, weil niemand bestraft werden darf, der - aus welchen Gründen auch immer ohne Schuld ist. 5 § 17 unterbindet aber eine solche Analogie, indem es für den dort geregelten Fall fehlender Unrechtseinsicht auf die Vermeidbarkeit des Defekts abstellt. Außerdem greift die mit Exkulpation verbundene Konsequenz des Überwechseins zu freiheitsentziehenden Maßregeln auf andere, aber ebenso schwerwiegende Weise in die Freiheit des Beschuldigten ein, so dass mit der Analogie nichts gewonnen wäre. Allerdings ist der maßgebliche Gesetzeswortlaut 6 mit dem Merkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit so weit, dass die in Betracht kommenden Störungen im Allgemeinen zwanglos erfasst werden. 7
5
5
430; Jescheck/Weigend AT5 § 23 V 2a; Lackner/Kühl Rdn. 14; Otto Grundkurs AT7 § 5 Rdn. 37; Scheine Reflexbewegung Handlung Vorsatz (1972) S. 71 ff; Sch/Schröder/ Lenckner vor § 13 Rdn. 37. Bernsmann/Kisker MschrKrim. 1975 325, 332; Geilen FS Maurach, S. 173, 191; Jakobs KT2 18/7; Krümpelmann GA 1983 337, 359 Fn. 92; Roxin FS Spann, S. 457, 460.
6
7
Tröndle/Fischer Rdn. 4; Jescheck/Weigend AT5 § 40 III 2; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 101; Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 5; differenzierend Rudolphi SK7 Rdn. 5. Albrecht GA 1983 193, 194; Blau MschrKrim. 1989 71, 74; Krümpelmann ZStW 99 (1987) 181, 192; Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 5.
Heinz Schöch
1269
§20
2. Abschnitt. Die Tat
6
4. Anwendungshäufigkeit. Über die quantitative Bedeutung der Schuldfähigkeitsbegutachtung lassen sich nur begrenzte Aussagen machen. Die Strafverfolgungsstatistik erfasst nur die Fälle einer letztendlichen Annahme von Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit, nicht aber die Fälle, in denen die Begutachtung dazu geführt hat, dass die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB durch das Gericht verneint wurden.
7
Wie sich aus Tabelle 1 ergibt, die sich nur auf das allgemeine Strafrecht (ohne Jugendstrafrecht) bezieht, wird weitaus häufiger als eine Aufhebung (§ 20 StGB) eine Verminderung (§ 21 StGB) der Schuldfähigkeit angenommen. (2003: 0,09 % der Abgeurteilten exkulpiert, 2,9 % der Verurteilten dekulpiert; 2 0 0 2 waren es sogar 0,10 % bzw. 3,1 %). Hieraus sowie aus der in Tabelle 1 dargestellten Entwicklung der Ex- und Dekulpationen ergibt sich, dass die Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit bei den abgeurteilten Tätern in der Gerichtspraxis bis heute eine Ausnahme darstellt. Die statistische Entwicklung seit 1975 hat gezeigt, dass der befürchtete Dammbruch jedenfalls bei den Exkulpationen ausgeblieben ist. Während vor der Reform 0,11 % aller Abgeurteilten exkulpiert wurden, waren es danach fast ein Jahrzehnt nur 0,05 % . Zurzeit sind es 0,09 % (Tab. 1). Das sind weniger als vor 30 Jahren, allerdings doch mehr als 1981. Demgegenüber sind die Dekulpationen im gleichen Zeitraum von 1,1 % auf 2,9 % aller Verurteilten gestiegen, also um mehr als das 2 V 2 -fache. Empirische Untersuchungen aus Niedersachsen ( Verrei S. 108; MschrKrim 1994 272 ff), Bayern (Dölling Festschrift Kaiser S. 1337 ff), SachsenAnhalt (Marneros/Ullrich/Rössner S. 80 ff) und Baden-Württemberg (Frädrich/Pfäfflin S. 95 ff) legen die These nahe, dass dies neben der Zunahme des Alkohol-, Drogen- und Medikamentenmissbrauchs vor allem auf der häufigeren Anwendung der schweren anderen seelischen Abartigkeit beruht, und hier vor allem auf dem weiten Konzept der Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV-TR, teilweise auch auf der häufigeren Anerkennung von Störungen der Sexualpräferenz als Paraphilien im Sinne dieser Klassifikationssysteme (dazu Rasch/Konrad3 S. 52 ff; Nedopil2 S. 81 ff, 164 ff). Wie sich aus den letzten beiden Spalten von Tabelle 1 ergibt, hat dies auch zu einem beträchtlichen Anstieg der Untergebrachten im Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB und § 64 StGB geführt.
8
Starke Unterschiede gibt es bei den Ex- und Dekulpierungsanteilen zwischen den verschiedenen Deliktsgruppen (vgl. Tabelle 2; ähnlich der Längsschnittvergleich bei Streng MK Rdn. 9). Bei den Exkulpierungsraten dominieren die Delikte gegen das Leben mit 6,97 %, gefolgt von gemeingefährlichen Straftaten mit 2,69 %, Sexualdelikten mit 0,5 % sowie Raub und Erpressung mit 0,47 %. Verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB wird mit 25,67 % ebenfalls bei Tötungsdelikten am häufigsten bejaht, es folgen Raub und Erpressung (11,67 %), Sexualdelikte (8,91 %) sowie Körperverletzung (8,84 %).
9
Die unterschiedlich hohen Ex- und Dekulpationsraten bei den verschiedenen Deliktsgruppen beruhen einerseits darauf, dass gewisse Delikte eher im Defektzustand begangen werden, andererseits aber auch auf der unterschiedlich hohen Bereitschaft der Staatsanwaltschaften und Gerichte, eine mögliche Ausnahmesituation überhaupt in Betracht zu ziehen und eine Begutachtung anzuordnen (Streng MK § 21 Rdn. 4). Bei Tötungs- und Sexualdelikten wird in der Regel eine psychiatrische Begutachtung angeordnet. Die Deliktsart ist der Faktor, dem das größte „Gewicht" für die Veranlassung einer psychiatrischen Begutachtung zukommt (Marneros/Ullricb/Rössner S. 101).
1270
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§ 2 0
Tabelle 1: A n w e n d u n g s h ä u f i g k e i t der §§ 2 0 , 2 1 und 6 3 , 6 4 StGB (alle Straftaten, nur allgemeines Strafrecht)
Jahr
Abgeurteilte Ν
§20 η
%*
§63 η
%**
Verurteilte Ν
%*
§63 η
1967
628.751
656
0,10
1969
607.920
637
0,10
197
30,0
558.384
212
33,3
530.947
6.047
1,1
98
1,6
-
6.226
1,2
90
1,4
1971
653.349
691
0,11
228
33,0
-
571.423
6.248
1,1
86
1,4
1973
687.651
578
0,08
201
-
34,8
601.419
6.679
1,1
112
1,7
-
1975
655.971
312
0,05
1977
726.375
423
0,06
167
53,5
567.605
7.356
1,3
123
1,7
61
201
47,5
607.307
10.824
1,8
118
1,1
133
1979
723.247
485
0,07
195
1,2
40,2
591.543
11.168
1,9
108
1,0
205
1,8 1,5
§21 Ν
%**
§64 η
%**
0,8
1981
743.788
372
0,05
193
51,9
605.946
12.341
2,0
131
1,1
190
1983
776.655
502
0,06
243
48,4
636.105
14.086
2,2
118
0,8
233
1,7
1985
741.861
455
0,06
247
54,3
600.798
13.556
2,3
124
0,9
242
1,8
1987
737.932
449
0,06
235
52,3
591.321
12.536
2,1
108
0,8
258
2,6
1989
755.376
525
0,07
234
44,6
608.548
14.033
2,3
147
1,1
264
1,9
1991
754.420
548
0,07
305
55,7
622.390
13.295
2,1
132
1,0
283
2,1
1993
817.044
523
0,06
293
56,0
688.128
14.730
2,1
143
1,0
311
2,1
1995
813.055
607
0,07
339
55,8
683.258
14.889
2,2
185
1,2
334
2,2
1997
821.706
685
0,08
432
63,1
692.723
17.599
2,5
253
1,4
525
3,0
1999
795.483
661
0,08
447
67,6
666.059
18.740
2,8
221
1,2
523
2,8
2001
744.122
724
0,10
512
66,5
622.027
17.980
2,9
247
1,4
584
3,2
2002
739.555
771
0,10
524
68,0
618.269
19.236
3,i
263
1,4
702
3,6
2003
758.667
695
0,09
508
73,1
634.735
18.612
2,9
292
1,6
746
4,0
= niedrigster (genauer) %-Wert = höchster (genauer) %-Wert
* = % bezogen auf Abgeurteilte bzw. Verurteilte ** = % bezogen auf § 2 0 bzw. § 21
Quelle: jeweilige Strafverfolgungsstatistik, zuletzt Tab. 2.2, 2.3, 5.6, 5.7
Heinz Schöch
1271
§20 11
2. Abschnitt. Die Tat
Tabelle 2: Schuldunfähig Abgeurteilte und vermindert schuldfähig Verurteilte im Jahr 2 0 0 2 nach Deliktsarten (allgemeines Strafrecht und Jugendstrafrecht) Art der Straftat
Abgeurteilte
Schuldunfähige Abgeurteilte gemäß S 20
Verurteilte
Vermindert schuldfähige Verurteilte gemäß S 21
Straftaten insgesamt
893.005
816
0,09
591.159
20.576
3,48
Darunter Straftaten nach dem StGB
550.380
803
0,15
421.202
19.492
4,63
gegen die sexuelle Selbstbestimmung S S 174-184
8.450
42
0,50
6.770
603
8,91
- Vergewaltigung § 177 II Nr. 1
1.081
9
0,83
824
155
18,81
gegen das Leben §§ 211-222*
1.206
84
6,97
892
229
25,67
646
77
11,91
437
196
44,85
87.005
267
0,31
57.923
5.122
8,84
183.989
47
0,03
149.139
5.549
3,72
12.274
58
0,47
9.535
1.113
11,67
128
1
0,78
70
28
40,00
124.935
22
0,02
99.177
583
0,59
5.551
160
2,69
5.041
318
6,31
η
- Mord und Totschlag S S 211,212 gegen die körperliche Unversehrtheit SS 221-231* Diebstahl und Unterschlagung S S 242-248C Raub und Erpressung, Angriff auf Kraftfahrer SS 249-255, 316a - räuberischer Angriff auf Kraftfahrer S 316a Betrug und Untreue SS 263-266b Gemeingefährliche Straftaten SS
%
η
%
306-323C*
* O h n e S t r a f t a t e n im Straßenverkehr. Quelle: Statistisches B u n d e s a m t , Strafverfolgungsstatistik, Fachserie 10/Reihe 3, 2 0 0 2 , Tabelle 2.1, 5.6. u n d 5 . 7
Π. Verhältnis zu § 17 12
§ 2 0 ist hinsichtlich der E i n s i c h t s k o m p o n e n t e u n g e n a u formuliert. Es k o m m t hier n i c h t auf die Fähigkeit zur U n r e c h t s e i n s i c h t an, s o n d e r n d a r a u f , dass der Täter diese Einsicht i m T a t z e i t p u n k t hatte. H a t t e er sie, d a n n ist seine S c h u l d nicht g e m i n d e r t , a u c h w e n n er seine K e n n t n i s i n f o l g e einer geistigen B e e i n t r ä c h t i g u n g nur mit M ü h e g e w o n n e n h a b e n m a g (ständ. Rspr., B G H S t 2 1 27, 2 8 m . A n m . Dreher JR 1 9 6 6 3 5 0 ; B G H S t 3 4 2 2 , 2 5 ) . U n r e c h t s k e n n t n i s aber b e d e u t e t V e r b o t s k e n n t n i s . § 2 0 s c h l ä g t d a m i t eine Brücke zu § 17. F e h l e n d e U n r e c h t s e i n s i c h t ist, w e n n sie auf einer p s y c h i s c h e n S t ö r u n g beruht, eine h i e r d u r c h g e p r ä g t e F o r m des V e r b o t s i r r t u m s . 8 § 17 setzt aber die - r e g e l m ä ß i g der Tat 8
B G H GA 1968 279; 1971 365; B G H bei Holtz M D R 1978 984; BGH N S t Z 1985 309; 1986
1272
264; 1989 430; B G H R StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 5; Tröndle/Fischer Rdn. 4; Geilen
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
vorgelagerte - Unvermeidbarkeit des Irrtums voraus, während § 2 0 allein die Einsichtsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Tatbegehung aufgrund eines psychischen Defektes erfasst (Streng M K Rdn. 16). § 2 0 hat also eigenständige Bedeutung gegenüber § 17 (aA Seh/ Schröder/Lenckner/Perron § 2 0 Rdn. 27); einmal wegen der Nennung besonders nahe liegender Ausschlussgründe für die Einsichtsfähigkeit (Jescheck/Weigend AT 5 § 4 0 III 3), zum andern, weil nur unter den Voraussetzungen des § 2 0 , nicht aber bei bloßer Verbotsunkenntnis, eine Maßregel nach §§ 63, 6 4 , 69, verhängt werden kann (Schreiber/ Rosenau S. 74). Demgegenüber führt das Nebeneinander von § 21 und § 17 zu scheinbaren Spannungen (Prot. V/1791). § 21 setzt eine „erhebliche" Verminderung der Einsichtsfähigkeit voraus, während § 17 jeden Verbotsirrtum berücksichtigt. Indessen lässt sich das Spannungsverhältnis mit der auf tatsächlichem Gebiet liegenden Erwägung auflösen, dass eine Verminderung der Einsichtsfähigkeit, welche sogar zum Verlust der Einsicht geführt hat, immer erheblich ist und damit auf derselben Wertungsebene wie § 17 liegt. Als von größerer Bedeutung erweist sich, dass § 17 volle Entschuldigung ausschließt, wenn der Verbotsirrtum vermeidbar war (hierzu § 21 Rdn. 9).
13
III. Voraussetzungen des Schuldurteils § 2 0 verlangt für das Schuldurteil, dass der Täter Unrechtseinsicht hatte und ihr gemäß handeln konnte. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist es sinnvoll, das Recht als Handlungsanweisung aufzufassen und nur dann kann dem Täter sein Tun vorgeworfen und er zur Rechenschaft gezogen werden. Das führt zu den Fragen, ob der Mensch überhaupt je anders als geschehen handeln kann und ob dies im Einzelfall feststellbar ist. Die Grundfragen nach den Strafzwecken und dem materiellen Begriff von Schuld sind zugleich berührt (Jescheck/Weigend AT5 § 37).
14
1. Das Problem der Willensfreiheit. Definiert man Schuld im Sinne der heute überwiegenden Meinung als „subjektive Zurechnung rechtswidrigen Verhaltens trotz normativer Ansprechbarkeit" (Roxin AT I § 19 Rdn. 36; Schreiber/Rosenau S. 59), so stellt sich die Frage, ob der damit verbundene persönliche Vorwurf die Willensfreiheit des Täters voraussetzt. Ein Andershandelnkönnen gäbe es nicht, wenn das Verhalten des Menschen bloßes Produkt von Anlage und Umwelt oder von neurobiologischen Gehirnaktivitäten (Rdn. 25) wäre, welche dieses Tun zwangläufig nach sich ziehen. Dieser deterministischen Konzeption widerspricht der Indeterminismus. Nach seiner Auffassung ist der Mensch in der Lage, die auf ihn einwirkenden Kausalfaktoren zu steuern und kraft seiner Willensfreiheit vorausplanend eigene Ziele zu setzen und zu verwirklichen. Dafür kann er dann verantwortlich gemacht werden. Der Streit um das Freiheitsproblem ist nicht neu und nicht lediglich juristischer Natur; er greift tief in naturwissenschaftliche, psychologische, philosophische und theologische Fragestellungen ein. 9
15
9
FS Maurach, S. 173, 191; Lackner/Kühl Rdn. 15; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 4; differenzierend Jakobs AT2 18/24; Rudolphi SK7 § 17 Rdn. 29; Streng MK Rdn. 16 f; Schreiber/Rosenau S. 74. Eingehend dazu Dreher Die Willensfreiheit (1987); ders. ZStW 95 [1983] 340; Pothast
Seminar: Freies Handeln und Determinismus 2. Aufl. (1988); Haddenbrock Schuldfähigkeit S. 116 ff, 123 ff; ders. NStZ 1995 581; ders. MschrKrim 2001 288; ders. GA 2003 521; Maiwald FS Lackner, S. 149 ff; kritisch Schild AK vor § 13 Rdn. 51, der die Frage nach der Willensfreiheit als Scheinproblem bezeichnet.
Heinz Schöch
1273
§20
2. Abschnitt. Die Tat
16
Der Bundesgerichtshof hat sich schon zu Beginn seiner Rechtsprechung in den 50er Jahren zu einem nahezu schrankenlosen Indeterminismus bekannt. In der berühmten Entscheidung vom 18. März 1952 heißt es: „Mit dem Unwerturteil der Schuld wird dem Täter vorgeworfen, dass er sich nicht rechtmäßig verhalten, dass er sich für das Unrecht entschieden hat, obwohl er sich rechtmäßig verhalten, sich für das Recht hätte entscheiden können. Der innere Grund des Schuldvorwurfes liegt darin, dass der Mensch auf freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt ist, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden" (BGHSt 2 194, 200). In späteren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof ein solch klares Bekenntnis zur Willensfreiheit vermieden. In der Strafrechtswissenschaft finden wir diese Konzeption heute nur noch selten. Die Praxis und ein beachtlicher Teil der Literatur gehen einfach davon aus, dass „das Prinzip der Verantwortlichkeit des sittlich reifen und seelisch gesunden Menschen eine unumstößliche Realität unserer sozialen Existenz" sei (Wessels/Beulke AT 3 5 Rdn. 397). Schuld sei Verantwortung für eine Straftat i.S. individueller Vorwerfbarkeit (Hillenkamp J Z 2005 320; Hirsch ZStW 106 [1994] 746 ff).
17
In der Wissenschaft wird die Begründung des Schuldvorwurfs durch das Bekenntnis zur Freiheit des Menschen überwiegend für unzureichend gehalten, da die Entscheidungsfreiheit des Täters in der konkreten Situation unbeweisbar sei (Roxin AT I § 19 Rdn. 21 f; Jescheck/Weigend AT 5 § 37 I 4; Sch/Schröder/Lenckner/Eisele Vor §§ 13 ff Rdn. 109). Da aber auch die deterministische Konzeption nicht beweisbar ist, geht man von einer Ungewissheit aus, die nach normativen Grundsätzen zu überbrücken ist. Der Grundsatz „in dubio pro reo" ist in solchen Fällen der prinzipiellen Erkenntnisgrenzen unanwendbar. Die Lösungen reichen von der Negierung des Problems der Willensfreiheit bis zur Betonung des individuellen Freiheitsbewusstseins.
18
Zur Negierung des Problems der Willensfreiheit führt der funktionale Schuldbegriff von Jakobs, der Schuld als Zuschreibung nach generalpräventiven Bedürfnissen versteht. Nicht die Willensfreiheit sei der tragende Grund für den Schuldvorwurf, sondern „die Stabilisierung des durch das deliktische Verhalten gestörten Ordnungsvertrauens" {Jakobs Schuld und Prävention S. 8 ff; s. auch AT 2 17/18 ff und Das Schuldprinzip S. 24). Diese Auffassung ist aber nicht überzeugend, da sie die Schuld letztlich durch generalpräventive Bedürfnisse ersetzt (zur Kritik Streng MK Rdn. 21 f m.w.N.). Damit geht die strafbarkeitseinschränkende Funktion des Schuldprinzips weitgehend verloren. Die herrschende Meinung hält daran fest, dass die Entscheidungsfreiheit eine unabdingbare Voraussetzung des Schuldgrundsatzes ist. Sie versucht aber, auf verschiedenen Wegen die Feststellung der konkreten Freiheit im Einzelfall entbehrlich zu machen.
19
Der „pragmatische soziale Schuldbegriff", der am Prinzip subjektiver Zurechnung normabweichenden Verhaltens festhält, verzichtet auf die Feststellung des Fehlgebrauchs der Wahlfreiheit im indeterministischen Sinne und bezeichnet Schuld „auf der Basis der Erfahrung pragmatisch als Zurückbleiben hinter dem Maß an Verhalten, das vom Bürger unter normalen Bedingungen erwartet werden kann und erwartet wird, als Fehlgebrauch eines Könnens, das wir uns wechselseitig für die Praxis unseres individuellen und sozialen Lebens zuschreiben" (Schreiber/Rosenau S. 59; ähnlich Jescheck/Weigend AT 5 § 39 III 1, die auf einen Vergleich mit „einem anderen in der Lage des Täters" abstellen).
20
Die im sozialen Schuldbegriff angelegte Verlagerung des Problems auf die normative Ebene (Streng NStZ 1995 161, 164 f) kommt in der Konzeption Roxins am klarsten zum Ausdruck, der Schuld als „Unrechtes Handeln trotz normativer Ansprechbarkeit" bezeichnet (Roxin AT I § 19 Rdn. 36). Als normativ ansprechbar gilt jeder, der nach seiner geistigen und seelischen Verfassung zu normorientiertem Verhalten fähig ist, also jeder, dessen Fähigkeit zur Selbststeuerung nicht durch geistig-seelische Beeinträchtigungen
1274
Heinz Schöch
§20
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
ausgeschlossen ist. Der Täter wird „bei intakter Steuerungsfähigkeit und damit gegebener normativer Ansprechbarkeit als frei behandelt". Die Freiheitsannahme ist nach Roxin also eine „normative Setzung, eine soziale Spielregel, deren gesellschaftlicher Wert vom erkenntnistheoretischen und naturwissenschaftlichen Problem der Willensfreiheit unabhängig ist" (Roxin AT I § 19 Rdn. 37). Es sei mit der Freiheit im Recht nicht anders als mit der Gleichheit. Wenn die Rechtsordnung von der Gleichheit aller Menschen ausgehe, stelle sie nicht den unsinnigen Satz auf, dass die Menschen tatsächlich alle gleich seien, sondern sie ordne an, dass die Menschen vor dem Gesetz eine gleiche Behandlung erfahren sollen. Roxin bezeichnet seine Auffassung als eine „gemischt empirisch-normative Gegebenheit" (Roxin AT I § 19 Rdn. 42). Empirisch feststellbar sei die bei gesunden Erwachsenen regelmäßig vorhandene prinzipielle Fähigkeit zur Selbststeuerung und die damit gegebene normative Ansprechbarkeit. Normativ zugeschrieben werde dagegen - jedenfalls von dem, der sich nicht auf eine indeterministische Position festlegen will - die aus diesem Befund abgeleitete Möglichkeit zu rechtmäßigem Verhalten. Die Frage nach dem tatsächlichen Andershandelnkönnen bleibt bei dieser Konzeption letztlich unbeantwortet, weshalb Roxin konsequent jede absolute Rechtfertigung der Strafe sowie sittliche Postulate wie Sühne von Schuld ablehnt. Roxins empirisch-normativer Schuldbegriff ist die strafrechtsdogmatisch konsequenteste normative Konzeption, die kein Bekenntnis zum Indeterminismus fordert und gleichwohl an der individuellen Verantwortlichkeit des Täters im Regelfall festhält.
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Problematisch ist aber, dass nach dieser Konzeption anthropologisch so zentrale Begriffe wie Freiheit, Entscheidung und Gewissen bei der strafrechtlichen Schuld keine Rolle mehr spielen sollen. Danach ist Schuld nur noch ein normatives Konstrukt, bei dem es auf das subjektive Erleben der Menschen nicht mehr ankommt. Angesichts der zentralen Rolle, die das Freiheitsbewusstsein im sozialen Zusammenleben und bei der Zuschreibung von Verantwortung hat, muss auch diese subjektive Freiheit in den strafrechtlichen Schuldbegriff aufgenommen werden.10 Da alle Menschen in dem Bewusstsein handeln, sich auch anders entscheiden zu können, ist das Freiheitsbewusstsein eine psychische und soziale Realität, die im Alltagsleben erfahren wird. Ähnlich wie wir den Schmerz nur als Schmerzerlebnis empfinden, entspricht der Entscheidungsfreiheit das Bewusstsein des Anderskönnens (Burkhardt 2003 S. 24). Es ist die subjektive Gewissheit der Steuerungsfähigkeit, die im Gesetz als normative Ansprechbarkeit vorausgesetzt wird. Das Freiheitsbewusstsein schafft den individuellen Spielraum für praktische Entscheidungsalternativen und eröffnet damit auch die Möglichkeit, normative Erwartungen an den Handelnden zu richten.
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In Abwandlung des früheren BGH-Urteils kann man sagen: Weil der Mensch darauf angelegt ist, im Bewusstsein der Freiheit zu handeln, ist er jederzeit in die verantwortliche Entscheidung gerufen (vgl. Burkhardt 2003 S. 24). Das Freiheitsbewusstsein ist auch unabhängig von dem Bekenntnis zum Determinismus oder Indeterminismus. Für einen Menschen, der sich überlegt, ob er etwas tun oder unterlassen soll, ist es ein rein theoretisches Problem, ob er dazu determiniert ist oder nicht. Er wird die Entscheidung so treffen, wie er sie für richtig hält, im Bewusstsein, dass er sich auch anders hätte entscheiden können.
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In diesem Sinne Thiemeyer
S. 2 0 3 ff; Z S t W
1 0 5 ( 1 9 9 3 ) 4 8 3 ff; Burkhardt 1 9 9 2 S. 163 ff; 2 0 0 3 S. 21 ff; Griffel GA 1 9 9 6 4 5 7 ; Schmid-
häuser FS Jescheck, S. 4 8 5 , 4 9 8 ; kritisch Hillenkamp
Heinz Schöch
J Z 2005 320.
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2 . Abschnitt. Die Tat
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Dieses Bewusstsein des Anderskönnens ist die entscheidende Grundlage für den subjektiven Schuldvorwurf. Nach diesem subjektiv empirisch-normativen Schuldbegriff wird dem Täter also vorgeworfen, dass er sich nicht rechtmäßig verhalten hat, obwohl es ihm aus seiner Sicht möglich war, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden (vgl. Schock Willensfreiheit S. 92 f). Diese Kombination von normativer Ansprechbarkeit und subjektiver Freiheit lässt sich auch mit einem deterministischen Weltbild vereinbaren. Auch ein Determinist kann, sofern er nicht psychisch krank ist, nicht leugnen, dass er seine täglichen Entscheidungen im Bewusstsein der Freiheit trifft. Im Grunde handelt es sich um zwei notwendige Komponenten der individuellen Schuldbeurteilung. Das Freiheitsbewusstsein begründet aus der Sicht des Täters, warum er für seine rechtswidrige Tat verantwortlich gemacht wird, das Konstrukt der normativen Ansprechbarkeit begründet aus der Sicht der Strafrechtsordnung, warum es trotz Unbeweisbarkeit der Willensfreiheit legitim ist, psychisch gesunde Täter für ihr Verhalten verantwortlich zu machen.
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In den letzten Jahren wird auf der Grundlage der modernen Hirnforschung, die mit Hilfe bildgebender Verfahren (z.B. Magnetresonanztomographie oder Kernspintomographie) Hirnaktivitäten messen und darstellen kann, teilweise wieder ein neurophysiologischer Determinismus vertreten, der dem Prinzip persönlicher Schuld die Grundlage entziehen soll (Roth Festschrift Lampe, S. 43 ff, 57; Roth 2 0 0 3 S. 536 ff) und zu tiefgreifenden Veränderungen unseres Selbstverständnisses zwinge (Singer S. 194). Es wird darauf verwiesen, dass Geist und Bewusstsein sich innerhalb bekannter physiologischer, physikalischer und chemischer Gesetzmäßigkeiten vollziehen und dass Wollen, Denken und Verhalten des Menschen in großen Teilen von limbischen Gehirnsystemen gesteuert werde, die grundsätzlich unbewusst arbeiten und dem bewussten Ich nur sehr begrenzt zugänglich sind (Roth 2 0 0 3 S. 530 ff). Dem Willensentschluss gehe ein auf elektrischen Aktivitäten des Gehirns beruhendes „Bereitschaftspotential" voraus, das unbewusst entstehe und den nachfolgenden Willensentschluss determiniere. Was der Mensch in der „Erste-Person-Perspektive" als freien Willen alltäglich erfahre, sei mit dem „was uns wissenschaftliche Analyse aus der Dritte-Person-Perpsektive" lehre, nicht zu vereinbaren (Singer 2 0 0 3 S. 22, 32; ähnlich Roth Festschrift Lampe, S. 55 ff; aus psychologischer Sicht Prinz Das Magazin 2 0 0 3 Nr. 2 S. 18). Die Annahme, wir seien „voll verantwortlich für das was wir tun, weil wir es ja auch anders hätten machen können", sei „aus neurobiologischer Perspektive nicht haltbar" (Singer 2 0 0 3 S. 12, 58 f).
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Dagegen ist einzuwenden, dass aus der genaueren neurobiologischen Erfassung der psychischen und mentalen Vorgänge nicht folgt, dass die menschliche Entscheidung unfrei sei; vielmehr dokumentiert diese nur die unbestreitbare Erkenntnis, dass es für jedes menschliche Verhalten physiologische und lebensgeschichtliche Bedingungen gibt. 11 Die Erkenntnis, dass unsere Entscheidungen auf einer materiell fassbaren biologischen Grundlage beruhen, sagt nichts darüber, ob diese frei sind oder nicht. Ein „durch nichts bedingter Entschluss" wäre zufällig und könnte „gerade deshalb seinem Urheber nicht zugeschrieben werden" (Roxin AT I § 19 Rdn. 45). Der Position der Hirnforscher liegt
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Kritisch auch Roxin AT I § 19 Rdn. 4 3 f; Braun J Z 2 0 0 4 6 1 0 ff; Burkhardt 2 0 0 3 S. 21 ff; Schreiber/Rosenau S. 5 7 f; Hillenkamp J Z 2 0 0 5 313 ff; Kröber F A Z ν. 1 1 . 1 1 . 2 0 0 3 S. 3 7 ; ders. Nervenarzt 2 0 0 5 1 3 7 9 ; Jakobs Z S t W 117 ( 2 0 0 5 ) 2 4 7 ; Lampe
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Z S t W 118 ( 2 0 0 6 ) 1 ff; Mosbacher JR 2 0 0 5 61; Reinelt N J W 2 0 0 4 2 7 9 2 ; kritisch zur Rezeption der Erkenntnisse der Hirnforschung durch die deutsche Strafrechtswissenschaft Schiemann N J W 2 0 0 4 2 0 5 6 , 2 0 5 8 f.
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ein begriffliches, kategorisches Missverständnis zugrunde, da sie verkennt, dass normative Ansprechbarkeit eine „normative Setzung" darstellt, die nicht vom erkenntnistheoretischen Problem der Willensfreiheit abhängt (Roxin AT I § 19 Rdn. 36 ff; Miiller-Dietz GA 2006 338, 341). Die Dokumentation eines neuronalen Korrelats für menschliches Verhalten erklärt nicht kausal, welche Prinzipien psychischen Phänomenen und Leistungen zu Grunde liegen (Prinz u.a. Gehirn &c Geist 7-8/ 2005 56, 60). Es ist aber denkbar, dass die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung und die dabei entwickelten bildgebenden Verfahren Fortschritte bei der Therapie psychisch kranker oder gestörter Menschen ermöglichen (Kröber Nervenarzt 2005 1379). 2. Folgen aus der Unbeweisbarkeit von Willensfreiheit. Da es keine Strafe ohne 2 7 Schuld geben darf, Schuld aber Verantwortungsfähigkeit voraussetzt, berührt die Unbeweisbarkeit von Willensfreiheit die Legitimität staatlichen Strafens überhaupt. 1 2 Wenn es denkbar ist, dass der Täter im Sinne des Determinismus für seine Tat nichts kann, dann stellt sich die Frage, ob der Staat ihn so behandeln darf, als habe er sich frei entscheiden können. Die Problematik verschärft sich, sobald die denkbare Alternative eines reinen Maßregelrechts in den Blick gerät. Maßregeln sind allein unter dem Gesichtspunkt eines Sicherungsbedürfnisses der Allgemeinheit zu rechtfertigen, denn normbestätigend wirkt nur die Strafe (Amelung in Schiinemann S. 85, 99; Lang-Hinrichsen Schuldstrafrecht S. 27; Schünemann Grundfragen S. 153, 178). Viele Taten lösen ein Sicherungsbedürfnis aber gar nicht aus. Das gilt für Tötungen in einmaligen, nicht wiederkehrenden Konfliktsituationen ebenso wie für viele Straftaten in totalitären Regierungssystemen. Sie müssten ohne jede strafrechtliche Reaktion bleiben. Umgekehrt wären gewohnheitsmäßige Taschendiebe und Zechpreller u.U. lebenslang zu verwahren, weil Besserung nicht zu erwarten ist. 13 Keine dieser Lösungen ist diskutabel. Kohlrausch hat die Willensfreiheit deshalb als „staatsnotwendige Fiktion" bezeichnet. 14 2 8 Der BGH hat sich nicht nur zur Willensfreiheit bekannt, sondern beim abgestumpften Gewohnheitsverbrecher sogar eine Lebensführungsschuld angenommen (BGHSt 2 194, 200, 208; s. auch Jescheck/Weigend AT 5 § 38 IV 2; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 40). Im Vordringen befindliche Ansichten begnügen sich mit der praktischen Gewissheit, dass der Mensch fähig ist, sich durch Normen motivieren zu lassen. 15 Ob dieser normativen Ansprechbarkeit 1 6 Willensfreiheit zugrunde liegt, wird - als generell und im Einzelfall nicht feststellbar - dahingestellt gelassen. 17 Eine damit sich berührende Auffassung
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Hauptmann Rechtstheorie 15 (1984) 153; Roxin Grundlagenprobleme S. 1, 4; Übersicht bei Roxin AT I § 19 Rdn. 18 ff. Dreher Willensfreiheit S. 20; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 17; zur défense sociale und den dagegen bestehenden Einwänden Roxin Grundlagenprobleme S. 1, 6. Kohlrausch Sollen und Können als Grundlage der strafrechtlichen Zurechnung, Festgabe Güterbock (1910) S. 1, 26; ebenso Haft AT 5. Teil § 3, 2; dazu Stratenwerth SchwZStr. 1984 225; ähnlich für den Schuldbegriff "Wagner Das absurde System 2. Aufl. (1985) S. 18, 22, 47. Jähnke LK Voraufl. Rdn. 12 m.w.N.; Roxin
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AT I § 19 Rdn. 36, 39 f; Schreiber/Rosenau S. 57; kritisch Baurmann in Lüderssen/Sack Seminar IV S. 196, 239; ders. Zweckrationalität S. 294; Gimbernat Ordeig FS Henkel, S. 151, 160. Der Begriff geht wohl auf v. Liszt zurück (Tiemeyer ZStW 100 [1988] 527, 533), vgl. ZStW 13 (1893) 324, 343: ders. Zurechnungsfähigkeit als Empfänglichkeit für die durch Strafe bezweckte Motivsetzung. Achenbach S. 7; Burkhardt in Baumgartner/ Eser S. 51, 62; Tröndle/Ftscher Rdn. 5; Krümpelmann ZStW 99 (1987) 191, 192 Fn. 4; Lackner/Kühl Rdn. 12; vor § 13 Rdn. 26; Maiwald FS Lackner, S. 149, 155;
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nimmt an, dass jedenfalls die negative Feststellung möglich sei, der Mensch habe in bestimmten Situationen keine Wahlfreiheit, und dies genüge 1 8 ; sie stimmt mit der psychiatrischen „Falsifikationsmethode" 1 9 überein, die ebenfalls lediglich nach Störungen fragt, welche geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit aufzuheben. 30
Es bleibt die Frage, ob die Unbeweisbarkeit von Willensfreiheit der Schuldstrafe den Boden entzieht und ob der Gesetzgeber mit ihrer Verankerung im geltenden Recht seine Grenzen überschritten hat. Davon kann jedoch keine Rede sein. Auch Determination ist nicht beweisbar. Wäre das non liquet für das Recht ein Hindernis, hätte sich der Gesetzgeber der Schaffung von Sanktionen überhaupt enthalten müssen. Der gelegentlich anklingende Gedanke, im Zweifel sei zugunsten des Täters ein Maßregelrecht geboten (Engisch S. 39; Hassemer in Baumgartner/Eser S. 89, 102, 105), greift demgegenüber nicht. Maßregeln stellen im Verhältnis zu Strafe für den Betroffenen keineswegs das geringere Übel dar. Faktisch und in ihrer stigmatisierenden Wirkung können sich Unterbringung und Sicherungsverwahrung als wenigstens ebenso schwerwiegender Eingriff in das Leben des Täters darstellen wie Strafe. 2 0 Zudem beschränkt sich die Geltung des Satzes „in dubio pro r e o " auf die gerichtliche Tatsachenfeststellung. Der Gesetzgeber hingegen ist darin frei, eine von mehreren wissenschaftlich begründbaren Alternativen zu wählen (Roxin Z S t W 9 6 [1984] 641, 6 5 0 ; Sch/Schröder/Lenckner/Eisele vor § 13 Rdn. 110). Das hat er mit der Entscheidung für die Sanktion „Strafe" getan, so dass die Freiheitsfrage für das geltende Recht - rechtstheoretisch - nicht offen ist. Sie ist es nur insoweit, als ein exakter Beweis für die Übereinstimmung der gesetzgeberischen Entscheidung mit letzten anthropologischen Gegebenheiten nicht zu führen ist. In diesem Sinne gilt Willensfreiheit als praktisches Postulat, welches aber durch die tägliche Erfahrung eine Bestätigung findet, sich im sozialen Leben als Realität darstellt und daher wohlbegründet ist. 2 1 In den Ergebnissen führt dies zu weitgehender Übereinstimmung mit den Vertretern eines pragmatisch-sozialen Schuldbegriffs (Schreiber/Rosenau S. 57; ders. in Lauter/Schreiber S. 29, 3 3 ; Lackner/Kühl vor § 13 Rdn. 23, 26), die die durchschnittliche menschliche Motivationsfähigkeit zum Ausgangspunkt ihrer Erwägungen nehmen (Rdn. 9) und die Freiheitsfrage theoretisch dahingestellt lassen (Hettinger S. 51, 54; Sch/Scbröder/Lenckner/Perron Rdn. 2 6 : „vergleichende Aussage"). Kein Einwand liegt auch darin, dass Willensfreiheit im Einzelfall nicht feststellbar ist (dazu Rdn. 31 ff). Auch Motivationsfähigkeit ist nicht
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Schreiber Nervenarzt 1977 242, 245; ders. NStZ 1981 46, 51; Venzlaff in Frank/Harrer S. 11, 13; zum österreichischen Recht Moos FSPallin (1989) S. 283, 288. Tiemeyer GA 1986 203, 223; ZStW 100 (1988) 527, 543; dazu Dreher FS Spendel, S. 13, 15; Streng ZStW 101 (1989) 273, 279; zu ihm wiederum Griffel MDR 1991 109. Luthe in Witter Sachverständige S. 94, 104; Witter MschrKrim. 1983 253, 258; ders. FS Leferenz, S. 441, 444; ders. Perspektiven S. 33; aA Haddenbrock JR 1991 225, 226; Streng ZStW 101 (1989) 273, 279. OLG Karlsruhe JR 1975 473 m. Anm. Hanack S. 441; Eickhoff NStZ 1987 65; Gschwind ZStW 88 (1976) 66; Lackner FS Kleinknecht, S. 245, 266; Roxin ZStW 96 (1984) 641, 646, 651; Stratenwerth Schuld-
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prinzip S. 27; zur überlangen Dauer der Unterbringung nach § 63 Laubenthal FS Krause, S. 357 (positiver Bischof MschrKrim. 1985 29); dazu, dass die Psychiatrie mit vielen Untergebrachten nichts anzufangen weiß, Rasch NStZ 1982 177, 180; vgl. auch Haddenbrock FS Sarstedt, S. 35, 46. Baumann/Weber/Mitsch AT11 § 18 III 2; Dreher Willensfreiheit S. 396; Tröndle/ Fischer vor § 13 Rdn. 28; ]escheck/Weigend AT5 § 37 I 3; Jescheck LK 10 vor § 13 Rdn. 67; Kim S. 67; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 97; Rudolphi SK7 vor S 19 Rdn. 1; Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 218; Schwalm JZ 1970 487, 489; Roxin AT I § 19 Rdn. 35; abw. auch (fundierte Hypothese) Lang-Hinrichsen Schuldstrafrecht S. 21.
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feststellbar im naturwissenschaftlichen Sinne, sondern etwas, das wir uns „gegenseitig zuschreiben" (Schreiber Nervenarzt 1 9 7 7 2 4 2 , 2 4 5 ) . 3. Feststellbarkeit von Schuldfähigkeit im Einzelfall. Von der Postulierung genereller Willensfreiheit zu unterscheiden ist die Frage, ob und wie die Fähigkeit des Täters, im konkreten Fall anders zu handeln als geschehen, nachträglich feststellbar ist. Hier liegt das Kernproblem der Vorschriften über die Schuldfähigkeit. Das Gesetz nimmt an, dass der geistig gesunde Mensch im Normalfall die Gebote des Rechts erkennen und ihnen folgen kann; Störungen dieser Fähigkeiten betrachtet es, wie die Wortwahl in § 2 0 ergibt, als Ausnahme. Es verlangt von jedermann, dass er seine Steuerungskräfte voll einsetzt (BGHSt 14 3 0 , 32; B G H bei Holtz M D R 1 9 8 7 4 4 4 ; OGHSt. 3 80, 83). Eine besondere Prüfung ihres Vorhandenseins ist deshalb im Regelfall entbehrlich. (OLG Düsseldorf N S t Z - R R 1 9 9 6 134).
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Im „Agnostizismusstreit" geht es um die mit dem Indeterminismusproblem (Rdn. 15 ff) zusammenhängende Frage, ob wissenschaftlich begründete Aussagen der Psychiatrie oder Psychologie zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit überhaupt möglich sind (Göppinger S. 2 4 2 ff; Schreiber/Rosenau S. 75 f m.w.N.). Die vor allem von Kurt Schneider geprägte agnostische Richtung vertritt die Ansicht, dass die Frage nach der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit im Einzelfall wissenschaftlich nicht beantwortet werden könne, 2 2 während die gnostische Richtung empirische Aussagen über die Wirkungen psychischer Störungen auf das Bedingungsgefüge des Handelns als Basis für die Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit für möglich hält. 2 3 Sie geht davon aus, dass keine Entscheidung über die Willensfreiheit verlangt wird, sondern nur eine Beurteilung von unterschiedlichen Graden sozialer Kompetenz anhand des Vergleichsmaßstabs der normativen Ansprechbarkeit des durchschnittlichen Menschen. Dies entspricht dem oben dargestellten pragmatischen sozialen Schuldbegriff (Rdn. 19), bei dem es auf den Nachweis der Willensfreiheit im Einzelfall nicht ankommt.
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Der psychiatrische oder psychologische Sachverständige hat neben der Darlegung der Störungen anhand der vier Eingangsmerkmale dem Gericht nur darzulegen, in welchem Ausmaß aus seiner fachwissenschaftlichen Sicht Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit bei der Tat beeinträchtigt waren. Das abschließende normative Urteil über die Einsichtsoder Steuerungsfähigkeit ist ausschließlich Sache des Richters (BGHSt 8 113, 124; B G H R StGB § 2 0 Affekt 1; B G H N S t Z 1 9 9 7 383). Die für den Sachverständigen verbleibenden Wertungsprobleme beim Grad der individuellen Abweichung vom Durchschnittsmenschen beruhen nicht auf der Unlösbarkeit der Freiheitsfrage, sondern tauchen immer bei der normativen Bewertung medizinischer Befunde auf, z.B. bei der Beurteilung der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, der Fahreignung oder der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen einer Krankschreibung. Auch die psychischen Merkmale des ersten Stockwerks lassen sich nicht ohne Wertungen feststellen, wie bereits die Begriffe „tiefgreifende Bewusstseinsstörung" und „schwere seelische Abartigkeit" zeigen.
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Der Sachverständige muss also in allen Fällen die Intensitätsfrage beantworten, denn auch bei den krankhaften seelischen Störungen und beim Schwachsinn führt nur ein Teil der Fälle quasi automatisch zum Schuldausschluss (z.B. akute Schizophrenie). Von ihm wird aber keine juristisch-normative Aussage erwartet, sondern eine empirisch-vergleichende Einschätzung über das Ausmaß der Beeinträchtigung des Täters im Vergleich
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Klassisch Kurt Schneider Zurechnungsfähigkeit S. 16, 28; s. ferner Haddenbrock Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. II S. 911.
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Hierzu Erhardt/Villinger Psychiatrie d. Gegenwart 1. Aufl. Bd. III S. 181, 2 2 5 ; Schreiber/Rosenau S. 74 m.w.N.
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zu Durchschnittsmenschen oder zu anderen Straftätern. Die Einschätzung des Sachverständigen nimmt dem Richter zwar die Letztentscheidung über § 2 0 StGB oder § 21 StGB nicht ab, ist aber eine wichtige Hilfe bei der gemeinsamen Suche nach psychiatrisch-juristischen Konventionen, ohne die eine einigermaßen einheitliche Konkretisierung der §§ 2 0 , 21 StGB in der Gerichtspraxis nicht möglich wäre (Kaiser § 82 Rdn. 8; Schreiber/Rosenau S. 85). 35
Der Agnostizismusstreit spielt derzeit weder in der gerichtlichen Praxis noch in der wissenschaftlichen Diskussion seit 1975 eine wesentliche Rolle, weshalb man den „Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten" (Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß et al. NStZ 2 0 0 5 5 7 ff; s. auch Rdn. 42, 45, 217) nicht vorwerfen kann, dass sie sich mit dieser eher akademischen Frage nicht auseinandergesetzt haben (aA Eisenberg NStZ 2 0 0 5 305).
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a) Die Ungewissheit beginnt im „biologischen Stockwerk". Der Psychiatrie und Psychologie stehen für die Ermittlung seelischer Störungen nur eine begrenzte Zahl objektiver Diagnoseverfahren zur Verfügung. Im Wesentlichen muss sie die Befunde durch Beobachtung im persönlichen Gespräch erheben. Die Ergebnisse können von der Persönlichkeit des Arztes und der Einstellung des Probanden zu ihm sowie zur Untersuchung überhaupt beeinflusst werden; die Bewertung ist notwendig subjektiv (s. auch Rdn. 217). Die Schwierigkeiten vervielfachen sich bei der erforderlichen Rückbeziehung der Untersuchungsergebnisse auf den Zustand des Täters im Zeitpunkt der Tat.
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Um die Objektivität und die Vergleichbarkeit der Beurteilungen zu verbessern, sind in den letzten beiden Jahrzehnten Diagnoseschlüssel entwickelt worden, die den jeweiligen Defekt unter Beschreibung seiner Art und Schwere einer bestimmten Schlüsselnummer zuordnen. 2 4 Dabei handelt es sich um systematische Zusammenstellungen von Krankheitsbildern, die anhand von Kriterienkatalogen operationalisiert wurden und dadurch auch mittels standardisierter Erhebungsverfahren überprüfbar sind. Die Brauchbarkeit dieser überwiegend nicht für forensische Zwecke entwickelten Störungsklassifikationen wurde früher teilweise skeptisch beurteilt, 2 5 jedoch sind sie in letzter Zeit differenzierter geworden. Sie gewinnen seit Anfang der 90er Jahre zunehmende Bedeutung auch in der Gerichtspraxis (insbesondere seit BGHSt 37 397, 4 0 0 f; vgl. Tröndle/Fischer Rdn. 7).
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Für die Eingangsmerkmale des § 2 0 StGB müssen konkrete Feststellungen zum Ausmaß der vorhandenen Störung und ihrer Auswirkung auf die Tat getroffen werden; die bloße Diagnose reicht nicht aus (BGHSt 37 397, 4 0 1 ; B G H StV 1992 316; N S t Z 1997, 383). Die Einordnung eines psychopathologischen Befundes in eines der anerkann-
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ICD = International Classification of Diseases, 10. Revision (ICD-10), entwickelt von der Weltgesundheitsorganisation, in Deutsch herausgegeben als „Internationale Klassifikation psychischer Störungen von
Dilling/Mombour/Schmidt/Schulte-Markwort
(2004); DSM-IV-TR = Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen Textrevision - der amerikanischen Gesellschaft für Psychiatrie; Deutsche Bearbeitung von Wittchen/Saß/Zaudig/Koehler 3. Aufl. (1991); zu den Vorläufern Voraufl. Rdn 14 Fn. 31; außerdem Mende MschrKrim. 1983 328; FPDS = (deutsches) Forensisch-psychia-
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trisches Dokumentationssystem, Weiterentwicklung des klinischen AMDP für forensische Zwecke; dazu Nedopil/Graßl Forensia 9 (1988) 139. Beim ICD-Schlüssel veranlassten die Unterschiede zur Begriffsbildung der deutschen Psychiatrie die Herausgeber zu einem Glossar; vgl. Blau MschrKrim. 1986 348; 1989 71, 72; Nedopil MschrKrim. 1988 117; ders. in Egg S. 414; Saß Nervenarzt 1986 S. 193, 196; Psychopathie S. 115; Saß/Wiegand FS Göppinger, S. 349; Schiinemann GA 1986 293, 297.
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ten Klassifikationssysteme der Weltgesundheitsorganisation WHO (z.B. ICD-10 [Dilling/ Mombour/Schmidt/Schulte-Markwort 2004] oder DSM-IV-TR [Saß/Wittchen/Zaudig/ Houben 2003]) ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben, sie wird aber von den Gerichten und den anderen Verfahrensbeteiligten immer häufiger erwartet, um die Nachvollziehbarkeit und Transparenz des Gutachtens zu gewährleisten (Bötticher/Nedopil/Bosinski/ Saß et al. NStZ 2 0 0 5 58). Allerdings ist die Bezeichnung einer oder mehrerer psychischer Störungen nach ICD-10 für die rechtliche Beurteilung der Schuldfähigkeit nicht verbindlich (BGHSt 37 397, 401; 49 45, 52; NStZ 1995 176; StV 2001 5 6 4 f). Ob der sachverständige Befund unter ein Eingangsmerkmal des § 20 StGB subsumiert werden kann, ist eine juristische Frage, die allein das Gericht entscheidet (problematisch z.B. bei Spielsucht, Kleptomanie oder Pyromanie, s.u. Rdn. 161 ff). Die Zitierung des Störungsbefundes nach ICD-10 oder DSM-IV-TR ersetzt weder die Einordnung unter eines der Eingangsmerkmale des § 2 0 2 6 (BGHSt 49 347, 352) noch die erforderlichen Feststellungen zum Ausmaß der Störungen (BGH NStZ 1997 383; Tröndle/Fischer Rdn. 7). Gelangt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass das Störungsbild die Merkmale eines oder mehrerer Muster oder einer Mischform der Klassifikationen in ICD-10 oder DSM-IV-TR erfüllt, ist für die Annahme einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit" auch das Ausmaß der psychischen Störung und deren Auswirkung auf die Tat(en) zu bestimmen, die vom Sachverständigen aufgrund einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Beschuldigten, des Ausprägungsgrads der Störung und ihrer Auswirkung auf seine soziale Anpassungsfähigkeit ermittelt werden kann (BGHSt 49 45, 52; Bötticher/Nedopil/Bosinski/Saß et al. NStZ 2 0 0 5 58). Die Rechtsprechung hat aber anerkannt, dass ein Befund nach ICD-10 in der Regel auf eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung hinweist (BGHSt 37 397, 4 0 0 f; 49 45, 52; NStZ-RR 1998 188 ff).
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In der Regel dürfen die Diagnose der psychischen Störung sowie ihre Einordnung unter die Eingangsmerkmale des § 20 StGB nicht offen bleiben (BGHSt 49 347, 351, 355). Dies gilt gleichermaßen für die Anordnung des § 63, denn dieser setzt einen länger dauernden psychischen Defektzustand des Betroffenen voraus, auf welchem die Gefährlichkeit beruht (BGHSt 34 24, 28; 42 385, 388; 49 347, 351). Liegen mehrere Merkmale gleichzeitig vor oder ist keines in „reiner" Form gegeben, so muss das Gericht „konkrete Feststellungen zu den handlungsleitenden Auswirkungen der Störung zum Zeitpunkt der Tat (vgl. § 20) treffen" (BGHSt 49 347, 352). Dabei dürfen die in Betracht kommenden Eingangsmerkmale nicht nur jeweils isoliert betrachtet und abgehandelt werden, sondern es ist auch eine Gesamtwürdigung geboten (NStZ-RR 2004 360; s. Rdn. 180).
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Aussichtsreiche Arbeiten konzentrieren sich auf die Zusammenstellung von Merk- 4 1 malskatalogen speziell für die Schuldfähigkeitsbeurteilung (Schöch MschrKrim. 1983 333, 340 ff; Schünemann GA 1986 293, 297). Darin sind diejenigen Anzeichen aufgelistet, die für oder gegen eine bestimmte Beeinträchtigung sprechen. Für den Affekt erarbeitete Kataloge 27 erfreuen sich zunehmender Anerkennung, harren aber noch der Abstimmung in wichtigen Einzelheiten wie der Bedeutung von Erinnerungsstörungen (Rdn. 136). Einen vergleichbaren Merkmalskatalog hat Saß für Psychopathien entwickelt ( S a ß Psychopathie S. 119; s. ferner Mende in Forster S. 504 und Scholz ZStW 116 (2004) 618, 628 ff; näher Rdn. 172). Die Bemühungen um die Entwicklung von Schwereskalen seeli-
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Dafür de lege ferenda Gretenkord Praxis der Rechtspsychologie 2 0 0 2 2 5 ff. BGHR StGB § 21 Affekt 4; Mende in Forster S. 503; Saß Nervenarzt 1983 5 5 7 ; Fortschr.
NeurPsych. 1985 55; Schöch MschrKrim. 1983 342; VenzlaffFS Blau, S. 391, 4 0 3 ; dazu Saiger FS Tröndle, S. 201, 208.
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2. Abschnitt. Die Tat
scher Störungen, 2 8 die insbesondere für die quantifizierende Abwägung bei der verminderten Schuldfähigkeit und bei der Strafzumessung hilfreich wäre, stagnieren derzeit, da die forensischen Wissenschaften primär mit der qualitativen Beschreibung und Objektivierung von Störungsbefunden befasst sind. Das von Nedopil (MschrKrim. 1988 117; Nedopil/Graßl Forensia 9 (1988) 139) entwickelte Forensisch-Psychiatrische Dokumentationssystem (FPDS) erwies sich bei einer Überprüfung anhand von 2 3 2 Heidelberger Gutachten zwar als objektiv und reliabel, hinsichtlich der angestrebten standardisierten Schuldfähigkeitsbegutachtung aber nicht als valide (Kröber/Faller/Wulf MschrKrim. 1994 3 3 9 ff). 42
b) Im „psychologischen Stockwerk" kommt es nicht darauf an, ob die Einsichtsoder Steuerungsfähigkeit generell aufgehoben oder rechtlich erheblich eingeschränkt ist. Maßgeblich ist nur der Zustand zum Zeitpunkt der Tatbegehung (Boetticher/Nedopil/ Bosinski/Saß etal. N S t Z 2 0 0 5 58; s. Rdn. 7 7 f). Unmittelbare wissenschaftliche Aussagen hierzu sind nur begrenzt möglich (z.B. bei schwerem Schwachsinn), weil die motivatorischen Fähigkeiten des Menschen sich der nachträglichen Erforschung entziehen. Dass der Täter trotz im Allgemeinen vielleicht rechtstreuer Gesinnung versagt hat, ist durch die Tat erwiesen; ob er versagen musste oder Kräfte zur Vermeidung der Unrechtshandlung hatte und aufbieten konnte, ist allenfalls mittelbar zu erschließen. 2 9 Dafür sind der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend. Bei dauerhaften Störungen, die nicht nur zur Tatzeit wirksam sind, hängt die Bewertung der Schwere insbesondere davon ab, ob es im Alltag außerhalb des zu beurteilenden Delikts zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist ( B o e t t i c h e r / N e d o p i l / B o s i n s k i / S a ß etal. N S t Z 2 0 0 5 5 8 ) . 3 0 Wurde eine Persönlichkeitsstörung oder eine andere psychopathologische Auffälligkeit zutreffend einer Kategorie gemäß ICD-10 zugeordnet und außerdem als schwer eingestuft, so liegt es nahe, dass sie jedenfalls die Wirkungen einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB hatte. Will der Tatrichter dennoch die Erheblichkeit dieser schweren seelischen Abartigkeit verneinen, so hat er dies näher zu begründen (BGH N S t Z - R R 1 9 9 8 188). Die Anforderungen hierfür sind nicht gering (s. auch Rdn. 168 ff).
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Um bei der Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zu rechtlich und praktisch annehmbaren Ergebnissen zu gelangen, gibt es verschiedene Wege. Einer davon besteht in der Konvention (Bresser N J W 1978 1188; aA Jähnke L K 1 1 : „Erfahrung"), dass die echten Geisteskrankheiten in akuten Phasen im Allgemeinen volle Entschuldigung begründen, die meisten anderen Störungen regelmäßig nicht. 3 1 Eine Verallgemeinerung
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Siehe insbesondere die Beiträge von Mende, Schöch, Maisch in MschrKrim. 1983 328 ff; Foerster NStZ 1988 444; Saß MschrKrim. 1989 133; Übersicht bei Graßl/Mende MschrKrim. 1987 165; skeptisch foerster MschrKrim. 1989 83; Nedopil MschrKrim. 1988 117; Saiger FS Tröndle, S. 201, 210; Kröber Nervenarzt 2005 1378. Haddenbrock S. 124; ders. Kriminolog. Gegenw.fragen 9 (1970) 161, 174; Jescheck/ Weigend AT § 37 I 2b; Krümpelmann ZStW 88 (1976) 6, 10; Langelüddeke/Bresser S. 269; Lackner/Kühl Rdn. 13; Lenckner
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Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 97; Rasch StV 1984 264, 265; Roxin ZStW 96 (1984) 641, 643; Schreiber FS Wassermann, S. 1007, 1019; Venzlaff ZStW 88 (1976) 57, 64; optimistischer Albrecht GA 1983 193, 214. Nicht nachvollziehbar ist die Kritik Eisenbergs (NStZ 2005 305), der in diesen allseits anerkannten Kriterien „alltagstheoretische Erklärungsmuster" sieht. Leferenz ZStW 88 (1976) 40, 41; weitergehend Kurt Schneider Zurechnungsfähigkeit S. 27.
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dieses Ergebnisses versucht von psychiatrischer Seite eine Syndromlehre, welche das manifeste Erscheinungsbild der Störung (Syndrom) ohne Rücksicht auf seine Ursachen darauf untersucht, ob es einer Geisteskrankheit entspricht (Witter Festschrift Leferenz S. 441, 445; Sachverständige S. 57, 64). Die Rechtsprechung hat dafür eine Grundlage geliefert, indem sie seit langem auf den „Krankheitswert" der jeweiligen Störung abstellt (zu den Bedenken hiergegen Rdn. 63 f). Dieser Pragmatismus ist indes ungenügend, wo Differenzierungen angebracht sind und es eines Maßstabes dafür bedarf. Auffassungen, die deshalb allein oder maßgeblich auf die Stärke des Defekts (Jakobs AT 2 18/25) oder darauf abstellen, ob dieser für eine schwere Beeinträchtigung der Kontroll- oder Steuerungsfunktion des Bewusstseins typisch ist, 32 sind tendenziell zutreffend, liefern einen solchen Maßstab für sich genommen aber nicht, weil der Bezugspunkt für das Urteil fehlt. Eine weitere Ansicht, welche die Verantwortungs- und Sühnefähigkeit und damit letztlich die Strafempfänglichkeit des Täters als ausschlaggebend erachtet (Haddenbrock Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. II S. 863, 900; Schuldfähigkeit S. 252), hat entgegen § 2 0 nicht den Tatzeitpunkt im Blick; sie kann für den Zustand des Täters in diesem Zeitpunkt lediglich Indizien liefern (Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 26) und sieht sich in wenig überzeugender Weise genötigt, den normalpsychologischen Affekt der schweren anderen seelischen Abartigkeit zuzuordnen (Haddenbrock Schuldfähigkeit S. 275), weil für ihn in ihrem System kein Platz ist - nach dem Abklingen des Affekts ist der Täter für Strafe stets empfänglich. Überwiegend wird heute eine empirisch-vergleichende Einschätzung zugrundegelegt. Man fragt danach, wie sich erfahrungsgemäß ein Mensch in der - sorgfältig erforschten inneren und äußeren Situation des Täters verhalten hätte. Ergibt dieses „analogische Verfahren", dass andere in derselben Lage die Tat vermieden hätten, dann rechtfertigt sich der Schluss, dass auch der Täter hierzu imstande war; er muss die Tat folglich schuldhaft begangen haben. 33 Pointierter formuliert bilden Sachverständiger und Richter den Normaltypus eines Menschen, ein Konstrukt, dessen durchschnittliche Fähigkeiten in der jeweiligen Situation den Maßstab für die Anforderungen liefern, welche an den einzelnen Täter zu stellen sind. 34 Die Einwände, dass Grundlage des Schuldurteils damit nicht das Vermögen des Täters, sondern die Fähigkeiten anderer seien, 35 und dass es den Durchschnittsmenschen in der Situation des Täters nicht gebe (Haddenbrock Forensia 2 [1977/781 11, 13), tragen nicht. Keine materielle Schuldauffassung, welche der Schuld ein empirisches Substrat belässt, kommt im Ergebnis ohne einen solchen Vergleich aus, weil die psychische Störung - das „Ver"-rückte - nur als Abweichung vom Normalen erfass-
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Lackner/Kühl Rdn. 13; Saiger FS Pfeiffer, S. 379, 381; ähnlich (Regelbilder für alle Störungen) Krümpelmann GA 1983 337, 3 4 9 ff. Jescheck/Weigend AT 5 § 3 9 III; Arthur Kaufmann Schuldprinzip S. 212, 2 2 3 ; Krümpelmann ZStW 8 8 (1976) 6, 12 (abw. GA 1983 337, 3 4 8 ff); Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 100; Maiwald FS Lackner, S. 149, 164; Otto Grundkurs AT 7 § 12 Rdn. 2 4 ; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 27; SK 7 vor § 19 Rdn. 1; Schreiber/ Rosenau S. 57, 75; Schreiber Nervenarzt 1 9 7 7 2 4 2 , 2 4 5 ; vom dogmatischen Ausgangspunkt der Schuldfähigkeit als „Gleich-
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heit" aus auch Jakobs AT 2 1 7 / 4 8 (s. aber 18/25). BGH N J W 1983 3 5 0 ; RGSt 6 7 2 5 1 , 2 5 2 ; Blau/Franke Jura 1 9 8 2 3 9 3 , 3 9 5 ; Schöch MschrKrim. 1983 3 3 3 , 3 3 9 ; kritisch Bresser in "Witter Sachverständige S. 2 1 ; Langelüddeke/Bresser S. 100; Schreiber in Lauter/ Schreiber S. 29, 33. Albrecht GA 1983 193, 2 1 4 ; Engisch S. 2 2 ; Hauptmann Rechtstheorie 15 ( 1 9 8 4 ) 153, 159; Krümpelmann Z S t W 8 8 ( 1 9 7 6 ) 6, 32 f; Roxin AT I § 19 Rdn. 2 0 ; Schreiber in Lauter/Schreiber S. 29, 33, Tiemeyer GA 1 9 8 6 2 0 3 , 214.
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bar ist. Den Einwänden suchen im Übrigen Auffassungen zu begegnen, die die Schuldfähigkeit rechtstheoretisch als Zumutbarkeit normgemäßen Handelns begreifen und darauf abstellen, welche Anforderungen die Rechtsgemeinschaft allgemein an den einzelnen in dessen Situation stellen muss, um sich selbst zu erhalten. 3 6 Eine Rechtfertigung dieser Ansichten liegt in der gesetzlichen Behandlung des vermeidbaren Verbotsirrtums durch § 17 und der gebotenen Gleichbehandlung von Einsichts- und Steuerungsunfähigkeit ( D r e h e r GA 1957 97, 100). 45
Alle diese - vielfach sich überschneidenden - Ansichten betonen in unterschiedlicher Stärke Teilaspekte einer empirisch-normativen Methode, welche als einzige sachgemäße Ergebnisse erwarten lässt. Nach dem Gesetz ist der geistig gesunde, normal veranlagte Mensch der Regelfall und im Allgemeinen schuldfähig (Rdn. 31). Bei dieser Ausgangslage drängt sich die Methode des Vergleichs für die Ausnahmefälle, in denen der Täter dem als Regel vorausgesetzten Menschenbild nicht entspricht, förmlich auf. Dies ist zunächst eine empirische Aufgabe (aA Jakobs A T 2 17/23). Es obliegt deshalb zunächst dem Sachverständigen, das Ausmaß der psychischen Störung und deren Auswirkung auf die Tat(en) zu bestimmen, die auf Grund einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Beschuldigten, des Ausprägungsgrades der Störung und ihrer Auswirkung auf seine soziale Anpassungsfähigkeit zu ermitteln sind (Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß et al. N S t Z 2 0 0 5 5 9 ff). 3 7 Der sachverständig beratene Richter hat auf dieser Grundlage einerseits die innere Befindlichkeit des Täters im Tatzeitpunkt sorgfältig zu erforschen, andererseits vorhandenes Erfahrungswissen über das Verhalten von Menschen in der Situation des Täters heranzuziehen und zu nutzen (BGH StV 1 9 9 0 3 0 2 ) . Erfüllt der Richter diese Aufgabe, so verschafft das dem anschließenden normativen Urteil, 38 dass dem Täter die Vermeidung der Tat angesonnen werden durfte und musste, eine methodisch einwandfreie Grundlage. Keine Besonderheit für das richterliche Tun bildet der Umstand, dass das Bild des „Normalen" durch normative Elemente vorgeprägt und das normative Zumutbarkeitsurteil von Art und Stärke der Störung abhängig ist. Tatsachenermittlung und -bewertung bilden auch sonst häufig eine Gemengelage. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass Persönlichkeitsstörungen bei vielen Straftätern vorliegen. Diese stets als entlastend zu werten, könnte ein an der Schuld orientiertes Strafrecht aus den Angeln heben ( S t r a t e n w e r t h / K u h l e n AT § 10 Rdn. 2 9 ; Schöch Nervenarzt 2 0 0 5 1386f). Die Rechtsprechung sucht tastend nach Wegen, dies zu vermeiden (BGH N J W 1983 3 5 0 ; B G H L M StGB § 51 II Nr. 15 Rdn. 30, 32). Die faktisch-normative Gemengelage fordert eine besonders enge, auf fundierten psychiatrischen Kenntnissen beruhende Zusammenarbeit des Richters mit dem Sachverständigen (Rdn. 217 ff).
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Jescheck/Weigend AT5 § 39 III 2; MüllerDietz Grundfragen S. 15; tiefenpsychologisch Streng ZStW 92 (1980) 637, 656; ebenso die Vertreter der Präventionstheorien, die mit dem Begriff der „Zuschreibung" arbeiten, Jakobs AT2 18/25; von psychiatrischer Seite Witter Sachverständige S. 51. Ungerechtfertigte Kritik bei Eisenberg NStZ 2005 305, der offenbar die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit für ein ausschließlich normatives Kriterium hält und deshalb den o.g. Empfehlungen Kompetenzüberschreitungen, „Simplifizierungen" und „alltagstheoretische Erklärungsmuster" vorwirft.
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BGHSt 8 113, 124; 49 45, 53; BGH NJW 1959 2315, 2317; BGH GA 1962 116; BGHR StGB § 20 Affekt 1; Blei AT § 56; Blau Β A 1989 1, 5; Lackner/Kühl Rdn. 13; Maisch MschrKrim. 1983 343, 346; Rudolphi SK7 Rdn. 23; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 26; Schreiber in Lauter/Schreiber S. 29, 36; kritisch Streng FS Leferenz, S. 397, 404. Zutr. zur ambivalenten Haltung der Rspr. v. Gerlach in Ebert S. 165, 173; verkannt von Saß Forensia 6 (1985) 33, 35.
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c) Normatives Urteil. Noch nicht befriedigend geklärt sind die Kriterien, die das normative Urteil der Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens im Einzelfall zu tragen vermögen. 3 9 Dass dem Täter die Vermeidung der Tat angesonnen werden durfte und musste, ist eine Blankettformel, die ihrerseits vom Bild des „Normalen" geprägt ist (Rdn. 45). Welches Maß präventiver Vorkehrungen die Gesellschaft zur Erhaltung ihrer selbst einsetzen muss, ist kaum konkret fassbar. 40 Der Vergleich des Täters mit anderen „in seiner Situation" wirft die Frage auf, inwieweit es auf die Besonderheiten des Einzelfalles ankommt oder ob diese aus präventiven Gründen zu vernachlässigen sind. 41
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Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes und die Rechtstradition einschließlich der überkommenen Wertüberzeugungen (Rudolphi SK 7 Rdn. 26) geben jedoch wichtige Hinweise. Danach ist zunächst die Art der Störung von Bedeutung. Krankheiten lassen die Erwartung normgemäßen Verhaltens eher zurücktreten als Abweichungen auf normalpsychologischer Grundlage (BGH bei Daliinger M D R 1972 269). Zornaffekte, denen jedermann erliegen kann, oder Triebregungen, denen sich viele ausgesetzt sehen, sind grundsätzlich normal, weil „ubiquitär" {Jakobs AT 2 18/25). Menschliche Eigenschaften geraten erst dann in das Blickfeld des Psychiaters, wenn der Betroffene oder die Umgebung darunter leiden (Kurt Schneider Psychopathologie S. 4, 17; Saß Psychopathie S. 14). Dem entspricht, dass der Gesetzgeber die schwere andere seelische Abartigkeit nur zögernd in den Katalog des § 20 aufgenommen hat; diese zieht lediglich ausnahmsweise, nämlich im Falle einer ausgesprochenen Persönlichkeitsentartung, Schuldunfähigkeit nach sich. 42 Auch die Rechtsprechung hat stets betont, das Gesetz nehme an, dass der geistig gesunde Mensch im Normalfall über diejenigen Kräfte verfüge, welche es ihm ermöglichen, strafbaren Neigungen und/oder Gefühlsexplosionen zu widerstehen. Er ist deshalb verpflichtet, diese Kräfte voll einzusetzen. 43 Darüber hinaus sind leichte Hirndefekte, Minimalabweichungen des Verstandes und der Wesensart in der Gruppe der Rechtsbrecher sehr verbreitet. Das wird vom Gesetz vorausgesetzt und ist für sich genommen unerheblich (BGH NJW 1983 350; BGH LM StGB § 51 II Nr. 15). Art und Stärke der Störung sind deshalb im Einzelnen zu würdigen, und beides ist am verletzten Rechtsgut zu messen (BGH NJW 1966 1871; Blau Festschrift Tröndle, 109, 118).
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Auch im normativen Bereich sind aber schematische Richtlinien verfehlt; es ist zu differenzieren. Allgemein lässt sich zwar die Aussage treffen, dass Entschuldigung umso ferner liegt, je „normaler" der Tatantrieb ist 4 4 ; ein Erfahrungssatz verbirgt sich dahinter jedoch nicht (BGH StV 1990 302; vgl. ferner BGHR StGB § 21 seel. Abartigkeit 14; Meyer ZStW 88 [1976] 46, 88). Die Anforderungen sind umso höher, je schwerer das zugrundeliegende Delikt ist (BGH NJW 2 0 0 6 386). Die normative Beurteilung des Hemmungsvermögens gibt den Gerichten die Möglichkeit, einer zu großzügigen Exkulpationstendenz mancher Sachverständiger entgegenzuwirken und die Annahme von Schuldunfähigkeit auf die schwereren Ausprägungen psychischer Störungen zu beschränken (Stratenwerth/Kuhlen AT § 10 Rdn. 37).
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Krümpelmann in Egg S. 412; Rudolphi SK 7 Vor § 19 Rdn. lb; Stratenwerth Schuldprinzip S. 4 2 . Für Strafbegrenzung bei gering präventivem Bedürfnis Roxin ZStW 96 [1984] 641, 654; AT 1 § 19 Rdn. 3, 6. BGH NJW 1966 1871; Albrecht GA 1983 193, 214; Lackner FS Kleinknecht, S. 245, 2 5 6 ; Rudolphi SK 7 Rdn. 26. Bericht BTDrucks. V/4095 S. 10; OLG
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Hamm N J W 1977 1498, 1499; Rasch NStZ 1982 177, 179. BGHSt 14 30, 32; 2 3 176, 190; BGH N J W 1955 1726; BGH bei Dallinger M D R 1953 146; BGH bei Holtz MDR 1987 4 4 4 ; OGHSt 3 80, 82. BGH NStZ 1991 31, 32; BGH bei Holtz M D R 1984 980; BGH LM StGB § 51 II Nr. 15.
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Daneben kann auch den Entstehungsbedingungen der Störung Bedeutung zukommen. Derjenige, dem der Eintritt des Defektzustandes zuzurechnen ist, hat größere Anstrengungen zur Vermeidung daraus drohender schädlicher Folgen zu unternehmen als jemand, den die Störung schicksalhaft getroffen hat (Jakobs AT 2 17/69 ff). Ist der Ausnahmezustand von anderen verursacht, handelt der Täter vielleicht in der Nähe der Voraussetzungen des Notstandes nach § 35, wird Selbstbeherrschung dagegen schwerer fallen und möglicherweise auch nicht gefordert werden können (Schaffstein Festschrift Stutte, 253, 267). Eine besondere Rolle spielt diese Risikoverteilung beim Affekt (vgl. BGHSt 11 20, 26; näher Rdn. 132 ff), während sie beim Alkoholrausch bis zum Erreichen der Grenze des § 3 2 3 a 4 5 häufig unbeachtet bleibt (Rdn. 98) und bei der Betäubungsmittelkriminalität immerhin dazu führt, dass die bloße Abhängigkeit als Entschuldigung ausscheidet (Rdn. 116).
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Inwieweit ein Vorverschulden allgemein von Bedeutung ist, ist weithin ungeklärt (dazu Stratenwerth Gedächtnisschrift Armin Kaufmann, 485); insbesondere ist die Reichweite der gesetzlichen Regelungen in §§ 17, 33, 199, 213 streitig (s. dazu Rdn. 211 f).
IV. Grundlagen der Schuldfähigkeitsbeurteilung 51
1. Psychiatrisches und juristisches System seelischer Störungen. § 51 RStGB kannte als Zentralbegriff die „krankhafte Störung der Geistestätigkeit". Um dem Schuldprinzip gerecht zu werden, wandte das RG und ihm folgend der BGH diesen Begriff auf jedes psychische Geschehen an, welches eine Verminderung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit bewirken konnte. 4 6 Als krankhafte Störung der Geistestätigkeit galten nicht nur Geisteskrankheiten im klinisch-psychiatrischen Sinne, sondern alle Arten von Störungen der Verstandestätigkeit sowie des Willens-, Gefühls- oder Trieblebens, welche die bei einem normalen und geistig reifen Menschen vorhandenen, zur Willensbildung befähigenden Vorstellungen und Gefühle beeinträchtigen (BGHSt 14 3 0, 32). 4 7 Damit geriet die Rechtsprechung in Gegensatz zu Teilen der forensischen Psychiatrie, die einen solch weitgespannten Begriff von Krankheit ablehnte. Der von der Rechtsprechung entwickelte „juristische Krankheitsbegriff" bereitete ihr beträchtliche Verständnisschwierigkeiten (vgl. BGHSt 23 176, 191).
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a) Psychiatrische Systeme. Ein „medizinischer Krankheitsbegriff" lag zunächst dem psychiatrischen System zugrunde, welches mit dem Namen Kurt Schneider verknüpft ist. Wegen seiner Einfachheit und Klarheit hat es überragende Bedeutung gewonnen. 48 Es
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Z u m Einfluß der Schaffung des jetzigen § 3 2 3 a auf die Exkulpationspraxis bei Rauschzuständen Krümpelmann ZStW 9 9 ( 1 9 8 7 ) 191, 195; v. Weber FS Stock, S. 59, 6 3 .
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RGSt 5 7 7 6 ; 7 3 121; RG H R R 1 9 3 6 Nr. 1 4 6 3 ; RG DJ 1 9 3 9 8 6 9 ; RG D R 1 9 3 9 9 8 7 ; vgl. schon RGSt 7 4 2 5 , 427. Dazu Bernsmann/Kisker MschrKrim. 1 9 7 5 3 2 5 , 3 2 8 ; Krümpelmann Z S t W 8 8 ( 1 9 7 6 ) 6, 9; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 1 0 3 ; Schmitt Z S t W 9 2 ( 1 9 8 0 ) 3 4 6 .
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Ferner BGHSt 11 2 0 ; 19 2 0 1 , 2 0 4 ; 2 3 1 7 6 ,
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1 9 0 ; B G H L M StGB § 51 I Nr. 4 , 10; BGH bei Daliinger M D R 1 9 5 3 1 4 6 ; BGH N J W 1 9 5 5 1 7 2 6 ; B G H M D R 1 9 5 5 3 6 8 ; BGH N J W 1 9 5 9 2 3 1 5 , 2 3 1 6 ; B G H GA 1 9 6 2 185; KG HESt 1 17, 18; O L G Frankfurt/M. GA 1 9 7 0 2 8 6 ; O L G Nürnberg HESt 2 199. 48
Kurt Schneider Klinische Psychopathologie 12. (posthume) Aufl. 1 9 8 0 ; Kurt Schneider Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit 3. Aufl. 1 9 5 6 ; Jaspers Psychopathologie S. 5 0 7 f; Witter Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 4 7 7 ff.
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unterscheidet zwischen Krankheiten und abnormen Spielarten menschlichen Wesens und ist in folgender schematischer Übersicht dargestellt. 49 Psychische Störungen
Krankheiten
Körperlich begründbare (exogene) Psychosen und Defektzustände (z.B. nach Kopfverletzungen, Vergiftungen, Infektionen, Altersabbau)
Abnorme Spielarten menschlichen Wesens
Körperlich nicht begründbare (endogene) Psychosen (Schizophrenie und Zyklothymie) Oligophrenie (Schwachsinn unbekannter Ursache)
Persönlichkeitsstörungen (Psychopathien)
abnorme Erlebnisreaktionen (Neurosen)
TriebStörungen, Süchte
Krankheiten sind hiernach lediglich die Psychosen und die durch sie verursachten Defektzustände. Sie unterscheiden sich von den abnormen Spielarten menschlichen Wesens durch die Ursache. Krankheiten haben feststellbare oder - so die endogenen Psychosen - zu vermutende körperliche Ursachen, die anderen Störungen nicht. Als Methode zur Abgrenzung der Krankheiten von den abnormen Spielarten menschlichen Wesens gelten Erklären und Verstehen. Endogene Psychosen sind nach Erlebensform und (oder) Erlebnisinhalt unverständlich. Die psychotische Lebensäußerung ist aus der Biographie nicht ableitbar; es fehlt die Sinnkontinuität. 50 Exogene Psychosen sind durch die Ursachen erklärbar. Für die abnormen Spielarten menschlichen Wesens trifft dies alles nicht zu. Sie sind gegenüber dem Normalen lediglich quantitative Abweichungen, während die Krankheiten qualitativ ein aliud darstellen. 51
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Das psychiatrische System von Kurt Schneider ergibt sich aus Sachgesetzlichkeiten und liegt in irgendeiner Form den heutigen Darstellungen der meisten psychiatrischen Lehrbücher zugrunde. Auch seine Abgrenzung der Psychosen von den Spielarten mensch-
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Kurt Schneider Psychopathologie S. 2; Zurechnungsfähigkeit S. 10; Huber Psychiatrie S. 26; Rasch StV 1984 264, 268; zur vielfach umstrittenen Terminologie Saß Psychopathie S. 15. Bresser in Witter Sachverständige S. 86; Haddenbrock FS Sarstedt, S. 35, 43; Jaspers S. 483, 486; Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 213; Witter H d b . d. forens. Psychiatrie
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Bd. I S. 478; ders. FS Lange, S. 723, 726; kritisch Rasch StV 1984 264, 265. Baer S. 9; Haddenbrock Kriminolog. Gegenw.fragen 13 (1978) 161, 175; Langelüddeke/Bresser S. 97; Witter H d b . d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 490; ders. FS Lange, S. 723, 726; ders. Sachverständige S. 64; ders. Grundriß S. 8.
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liehen Wesens gilt überwiegend als zutreffend oder zumindest hilfreich. 5 2 Z u keiner Zeit unbestritten war sein Krankheitsbegriff jedoch, soweit er mehr als ein bloßer (formaler) Ordnungsbegriff sein sollte. Krankheit als behandlungsbedürftiges Leiden und als schuldausschließendes oder -minderndes Geschehen gibt es auch im Bereich der Neurosen und der anderen Spielarten menschlichen Wesens. 5 3 Die auf Kurt Schneider zurückgehende medizinische Krankheitsdefinition ist daher in erster Linie als Klassifizierungsbegriff gerechtfertigt. 5 4 Daneben hat der Begriff nach der Rechtsprechung insofern einen Wert, als das in der Krankheit sichtbare Ausmaß psychischer Störung einen Vergleichsmaßstab bei der Beurteilung der nicht-pathologischen Abweichungen abgeben kann. Entschuldigung soll danach in Betracht kommen, wenn die Auswirkungen einer nicht-krankhaften Auffälligkeit auf das Persönlichkeitsgefüge in ihrem Gewicht denen einer Krankheit gleichkommen, also „Krankheitswert" haben (BGHSt 34 22, 24 f; 37 397; dazu Rdn. 63 f). 55
Mit dieser Bedeutung haben der Krankheitsbegriff Schneiders und sein psychiatrisches System Eingang in § 2 0 gefunden, 5 5 so dass es außerhalb des Gesetzes keinen eigenen „juristischen" Krankheitsbegriff mehr gibt. Die Festlegung des Gesetzgebers wird mitunter als verfehlt bezeichnet, weil der Psychiater auf den Begriff des Krankhaften als Bezugspunkt und Vergleichsgröße angewiesen, dieser aber nicht auf körperliche Störungen reduzierbar sei (Rasch StV 1984 264, 265), und weil auch im Normativen sachlich zutreffende Begriffe verwendet werden sollten (Schreiber/Rosenau S. 63). Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass dem Gesetzgeber eine überzeugende und praktikable Abgrenzung auch zwischen Krankheit und Gefährlichkeit - gelungen ist, weshalb die Kriterien des § 20 auch für die Unterbringung nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen zugrunde gelegt werden sollten (Nedopil N J W 2 0 0 0 837 ff).
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Verbreitete Zustimmung hat der von Rasch entwickelte strukturell-soziale Krankheitsbegriff gefunden, bei dem die allgemeine soziale Kompetenz der Persönlichkeit, ihre entindividualisierende, typisierende Umprägung im Vordergrund steht. 5 6 Die Zuerkennung von Krankheit mit forensischer Relevanz hängt davon ab, „ob der zu beurteilende Zustand die Struktur von ,Krankheit' hat und ob er die allgemeine soziale Kompetenz der Persönlichkeit beeinträchtigt". 5 7 Dimensionen, die bei der Beurteilung der sozialen Kompetenz Beachtung verdienen, sind: Einengung der Lebensführung, Arbeitsunfähigkeit, Abbruch bzw. Verlust von Kontakten, verzerrte Realitätsbeurteilung, Stereotypisie-
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Bresser in Witter Sachverständige S. 80; Foerster MschrKrim. 1989 83; Haddenbrock Kriminolog. Gegenw.fragen 13 (1978) 161, 175; ders. FS Sarstedt, S. 35, 43; ders. Schuldfähigkeit S. 206; Huber Psychiatrie S. 24; Luthe/Rösler ZStW 98 (1986) 314, 321; Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 213; Witter Grundriß S. 8; kritisch Meyer ZStW 88 (1976) 46, 48; Venzlaff ZStW 88 (1976) 57, 58; aA Glatzel Forens. Psychiatrie S. 67; Luthe Psychopathologie S. 40; Maisch/ Schorsch StV 1983 32, 37; Rasch NStZ 1982 177; StV 1984 264, 265. Rasch StV 1984 264, 265; Schreiber NStZ 1981 46, 48; Venzlaff in Venzlaff S. 346; vgl. auch BGHSt 11 304, 306. Venzlaff ZStW 88 [1976] 57, 60; Witter Grundriß S. 10.
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E 1962 S. 138 f; Bericht des Sonderausschusses IV. Wahlp. S. 20; Jescheck/Weigend AT 5 § 40 III 2a; Krümpelmann ZStW 88 (1976) 6, 15; Lackner/Kühl Rdn. 3; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. IS. 115 ; Rasch StV 1984 264; Schreiber NStZ 1981 46; Schreiber/Rosenau S. 61; Schwalm J Z 1970 487, 493; kritisch Mahlmann Verwissenschaftlichung des Rechts - Verrechtlichung von Wissenschaft? (1986); Schild NK Rdn. 9 f; ders. AK Rdn. 6. Rasch in Lauter/Schreiber S. 38, 41; ders. NStZ 1982 177, 182; ders. StV 1984 264, 267; ders. NStZ 1990 400, 401; ders. StV 1991 126, 131; weitergeführt in Rasch/ Konrad3 S. 51 f; kritisch Witter MschrKrim. 1983 253, 261. Rasch/Konrad3 S. 51.
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
rung des Verhaltens, Festgelegtsein auf bestimmte Verhaltensmuster, Häufung sozialer Konflikte auch außerhalb strafrechtlicher Belange. 58 Ähnlich sieht Foerster das Merkmal der Krankhaftigkeit in Einschränkungen der Variabilität des Verhaltens und Erlebens im Hinblick auf die Anforderungen in einer gegebenen Situation (Foerster MschrKrim. 1989 83). Venzlaff hält in funktionaler Sicht die Krankheitsdiagnose für minder bedeutungsvoll; ihm kommt es auf die fehlende oder eingeschränkte Sozialisation als Folge psychischer Unregelmäßigkeiten an (Yenzlaff S. 87; ders. Festschrift Schaffstein S. 293, 295).
57
Das von Saß entwickelte „psychopathologische Referenzsystem" soll vergleichbare Maßstäbe für die Erfassung und Schweregradbestimmung der verschiedenen forensisch relevanten psychischen Störungen ermöglichen (Saß Forensia 6 [1985], 34, 37; ders. Festschrift Schewe S. 2 6 6 , 271 ff). Als Prinzip gilt, dass die zu prüfenden psychischen Auffälligkeiten in Struktur und Ausprägung verglichen werden mit den psychopathologischen Erscheinungen bei geistig-seelischen Krankheiten. Die empirisch gesicherten Kenntnisse von körperlich begründbaren und endogenen Psychosen, die als krankhafte seelische Störung anerkannt sind, bilden die Kernkategorie und Höhenmarke (Krümpelmann ZStW 88 [1976], 6 ff) der Schuldfähigkeitsbeurteilung. Die in diesem Kerngebiet psychischer Störungen vorliegende Symptomatologie, die Auswirkungen auf Erleben und Verhalten, die Verlaufsmöglichkeiten sowie die Dauerverfassungen psychischer Gestörtheit sind bei den psychotischen Erkrankungen aus den endogenen Formenkreisen von Schizophrenien und Zyklothymien sowie bei den körperlich begründbaren Psychosen in aller Breite untersucht, weshalb hier ein empirisch gut gesicherter Orientierungsrahmen für sämtliche Erscheinungen gestörten Seelenlebens zur Verfügung steht ( S a ß Festschrift Schewe S. 272). Der Maßstab für die Erheblichkeit liegt dabei nicht in einer abstrakten Formel der Krankhaftigkeit oder Krankheitswertigkeit, sondern in einer Analyse der Desintegration psychischer Funktionen, für die bei den drei anderen Kategorien des Schwachsinns, der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung und der schweren anderen seelischen Abartigkeit spezielle Kriterien zu entwickeln sind (Einzelheiten dazu Saß Forensia 6 [1985], 38 ff; ders. Festschrift Schewe S. 273 ff).
58
Alle diese systematischen Bemühungen werden durch die gesetzliche Regelung nicht behindert, solange diese richtig verstanden wird: Der in § 20 verwendete Krankheitsbegriff ist ein formaler Ordnungsbegriff, der die Definition der Krankheit den Erkenntnissen der Psychowissenschaften überlässt, sich aber nicht mit der Verneinung oder Bejahung eines pathologischen Befundes begnügt. Daran scheitern viele Sachverständige und Gerichte, die Krankheit und Schuldfähigkeit in eine materiale Beziehung zueinander bringen. Dies kann dazu führen, dass die Prüfung der Schuldfähigkeit fälschlicherweise abgebrochen wird, wenn Anzeichen einer Krankheit im Sinne eines pathologischen Geschehens nicht ermittelt werden konnten, 59 aber auch dazu, dass Krankheit ohne sorgfältige Prüfung der weiteren Voraussetzungen mit Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit gleichgesetzt wird. 6 0
58 59
Rasch/Konrad3 S. 52. BGHSt 34 22, 24; 35 76, 78; 35 2 0 0 , 2 0 7 ; BGHR StGB § 21 seel. Abartigk. 6, 9, 14, 19; BGH bei Holtz M D R 1979 105; Maisch/Schorsch StV 1983 32, 36.
60
Auf die Gefahr einer Gleichsetzung von Gefährlichkeit und Krankheit bei gefährlichen Sexualstraftätern weist zutreffend Nedopil (R & Ρ 1999 120 ff) hin.
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§20
2. Abschnitt. Die Tat
b) Juristisches System 59
aa) Krankhafte seelische Störungen sind in der Terminologie des § 2 0 somit die exogenen und endogenen Psychosen sowie deren Defektzustände (zu den medizinischen Merkmalen Rdn. 8 2 ff). Als Vergiftungen gehören auch die akuten Alkohol- und Drogenräusche hierher (vgl. RGSt 5 338; B G H N J W 1 9 6 9 5 6 3 ) . Geringe Normabweichungen, die zwar auf einem Organprozess beruhen, in ihren Wirkungen aber unbedeutend sind, erfüllen nach dem Wortsinn den Begriff des Krankhaften nicht (BGH N J W 1983 3 5 0 ; Schwalm J Z 1 9 7 0 487, 4 9 3 ) . Auch die Medizin verwendet für solche Fälle nicht den Begriff der Psychose, sondern Worte wie Durchgangssyndrom oder Hirnleistungsschwäche (Huber S. 27). Der Begriff der krankhaften seelischen Störung ist weit auszulegen; er umfasst auch angeborene Störungen. Seelisch ist im Sinne von psychisch zu verstehen und deckt den Bereich des Intellektuellen und Emotionalen ab. Krankhaft ist eine Störung, wenn sie auf eine somatische (körperliche) Ursache zurückgeht oder eine solche Ursache vermutet werden muss (Begr. Zu § 2 4 E 1962, S. 137 f; Lackner/Kühl Rdn. 3). „Krankhaft" ist zugleich eine quantitative Begrenzung angesichts eines breit gefächerten Diagnosekataloges. Damit wird zum einen die Analogie zur Schicksalhaftigkeit einer Krankheit, die sich der willentlichen Steuerung entzieht, nahegelegt, zum andern die Erschütterung des Persönlichkeitsgefüges in einem Ausmaß, das die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aufhebt, verdeutlicht (Nedopil2 S. 21).
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Beispiele exogener Psychosen sind Intoxikationen durch Alkohol, Drogen oder Medikamente, Abweichungen durch und nach Hirnverletzungen sowie degenerative Hirnerkrankungen, ebenso vorübergehende organische Psychosen infolge von Infektionen, Stoffwechseldefekten oder epileptischen Verwirrtheits- oder Dämmerzuständen sowie körperliche Abhängigkeiten ( N e d o p i l 2 S. 21). Sie können angeboren oder erworben sein; der Begriff der Störung verlangt nicht, dass zuvor ein regelgerechter Zustand vorhanden war.
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bb) Bewusstseinsstörungen sind Störungen der Fähigkeit zur Vergegenwärtigung des eigenen intellektuellen und emotionalen Erlebens, 6 1 die nicht auf einem Organprozess beruhen (Schwalm J Z 1 9 7 0 487, 4 9 3 ) . Hierunter fallen Schlaftrunkenheit, Erschöpfung (BGHSt 6 329, 3 3 2 ; B G H N S t Z 1983 2 8 0 ) , Schlafwandeln (Payk M e d R 1 9 8 8 125), gelegentlich der Unfallschock und vor allem der sog. normalpsychologische Affekt (E 1962 S. 139; Frisch Z S t W 101 [1989] 538, 548), der als auf einer Erschütterung des Gefühlslebens beruhende Bewusstseinsstörung besonders bei Gewalttaten im sozialen Nahbereich auftritt. Relativ häufig sind affektive Erregungs- und Ausnahmezustände, während Übermüdungs-, Erschöpfungs- und Dämmerzustände selten vorkommen (BGH NStZ 1983 2 8 0 ; zur Abgrenzung von den Nichthandlungen im Zustand der Bewusstlosigkeit Rdn. 2). Die davon zu unterscheidenden Impulshandlungen aufgrund starker Erregung begründen als solche noch keine Bewusstseinsstörung, können aber in Verbindung mit konstellativen Faktoren aus allen vier Merkmalen des § 2 0 forensisch relevant werden, insbesondere in Verbindung mit psychotropen Substanzen ( M a r n e r o s S. 123 ff). Drogen- und Alkoholräusche sind zwar ebenso wie eine Anzahl anderer Beeinträchtigungen durch Bewusstseinsstörungen gekennzeichnet (Saß Forensia 4 [1983/84] 3, 4), zählen aber systematisch zu
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Jescheck/Weigend
AT5 § 40 III 2b; Saß
Lenckner/Perron
Rdn. 12; Spittler Fort-
in Undeutsch S. 326, 338; 'Wegener Ein-
Forensia 4 (1983/84) 3, 5;
Sch/Schröder/
schrNeur-Psych. 1992 54;
Thomae/Scbmidt
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führung S. 74; Witter Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 4 3 2 .
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
den Krankheiten. Praktische Bedeutung hat die Einordnung nicht (Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 11, 13, 16). Tiefgreifend soll eine Bewusstseinsstörung nach der Gesetzesbegründung sein, wenn sie von einer solchen Intensität ist, dass das seelische Gefüge des Betroffenen zerstört, im Falle des § 21 erschüttert ist (Bericht BTDrucks. V/4095 S. 11; BGH NStZ 1990 231; BGHSt 34 22, 25; 35 200, 207; 37 397, 401). 6 2 Nur in sehr seltenen Fällen kommt ein Ausschluss der Steuerungsfähigkeit in Betracht, wenn ein Mensch ohne geistige oder seelische Dauerschäden ausschließlich durch den Höchstgrad seiner Erregung in eine Lage gerät, in der er gänzlich die Selbstbesinnung und die Fassung verliert (BGH NStZ 1997 232 f). Das Wort „tiefgreifend" wird mitunter als überflüssig angesehen (Rasch NJW 1980 1309; StV 1984 264, 267; 1991 126, 127), ist aber nach der Entstehungsgeschichte unverzichtbar. Der E 1962 hatte vorgesehen, dass die Bewusstseinsstörung einer krankhaften Störung „gleichwertig" sein sollte. Damit einer zu weitgehenden Entschuldigung von vornherein ein Riegel vorgeschoben werde, sollte die Frage nach einer Beeinträchtigung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erst zulässig sein, wenn die Bewusstseinsstörung einen solchen Grad erreicht, dass sie wie eine Psychose die Fähigkeit des Täters zu sinnvollem Handeln in Frage stellt. Der E 1962 knüpfte damit ausdrücklich an die von der Rechtsprechung entwickelte Kategorie des „Krankheitswertes" an, 6 3 die ihr einen rechtlichen Maßstab für die zu fordernde Schwere normal-psychologischer Störungen liefert (E 1962 S. 139). Der Gesetzgeber änderte die Terminologie unter dem Eindruck von Einwänden aus psychiatrischen und psychologischen Kreisen, die geltend machten, Krankes und Gesundes könnten nicht miteinander verglichen werden (Bericht BTDrucks. V/4095 S. 10; Schreiber NStZ 1981 46, 47; Schwalm J Z 1970 487, 494). Eine sachliche Abweichung war damit nicht beabsichtigt (Krümpelmann ZStW 88 [1976] 6, 8). Das Merkmal hat daher auch einen normativen Einschlag (Roxin Festschrift Spann S. 457, 466; kritisch Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 117).
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Das Wort „tiefgreifend" soll nach heutigem Verständnis zum Ausdruck bringen, dass nur Bewusstseinsstörungen von solcher Intensität erfasst werden, die das Persönlichkeitsgefüge in vergleichbar schwerwiegender Weise beeinträchtigen, wie eine krankhafte Störung (BGH NStZ 1990 231; BGHSt 34 22, 25; 35 200, 207; 37 397, 401). Allerdings sollte der Begriff „Krankheitswert" hierfür vermieden werden; dieser ist in den Psychowissenschaften umstritten und auch juristisch missverständlich, da es gerade nicht um krankhaft bedingte Bewusstseinsstörungen geht (Tröndle/Fischer Rn. 29). Soweit er bei den schweren anderen seelischen Abartigkeiten zur Bestimmung des rechtserheblichen Schweregrads der Störung herangezogen wird, ist er dort gleichermaßen problematisch (Rdn. 72). Sachliche Vergleiche von Symptomen einer Bewusstseinsstörung mit Krankheitssymptomen sind unzulässig und die Kategorien von Verstehen und Erklären sind dabei unbrauchbar (BGHR StGB § 21 seel. Abartigk. 19); ihre Verwendung würde § 20 auf den Bereich des Krankhaften reduzieren (Witter Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. II S. 1019). Die Rechtsprechung hatte deshalb immer wieder Anlass zu betonen, dass Krankheitswert ein reiner Maßbegriff ist, also das Gewicht und nicht die Art der Störung umschreibt. 64
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Z u r Bedeutung des Ausdrucks in § 1 7 9 Abs. 1 Nr. 1 B G H M D R 1985 9 4 9 , 9 5 0 (Unfähigkeit, Widerstandswillen zu bilden).
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BGHSt 3 7 3 9 7 ; B G H N J W 1 9 5 8 2 1 2 3 ; 1 9 5 9 2 3 1 5 , 2 3 1 6 ; 1 9 8 3 3 5 0 ; B G H bei Holtz M D R 1 9 7 9 105; B G H N S t Z 1 9 8 3 2 8 0 ; 1 9 9 0 2 3 1 ; B G H StV 1 9 8 4 4 1 9 ; B G H L M StGB § 51 II
Nr. 15; B G H R StGB § 21 seel. Abartigkeit 8; vgl. auch BGHSt 10 57, 6 0 ; abw. B G H N J W 1989 918. 64
BGHSt 3 4 2 2 , 2 4 ; 3 5 7 6 , 7 8 ; 35 2 0 0 , 2 0 7 ; B G H R StGB § 21 seel. Abartigkeit 6, 9, 14, 19; B G H N S t Z 1 9 9 0 4 0 0 , 4 0 1 ; B G H StV 1 9 9 2 316; B G H bei Holtz M D R 1 9 7 9 1 0 5 .
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§20
2. Abschnitt. Die Tat
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Auch als Maßbegriff führt der Krankheitswert aber nicht weiter und sollte aufgegeben werden. 6 5 Er setzt voraus, dass Krankheit ein definierbares Ausmaß hat, an dem auch andere Störungen gemessen werden können. Das ist aber so nicht der Fall. Lediglich das Gewicht schwerster Defektzustände und akuter Phasen endogener Psychosen liegt fest; diese Zustände begründen Schuldunfähigkeit. Sie erscheinen deshalb als Vergleichsmaßstab geeignet und dienen auch dazu. 6 6 Der Vergleich normalpsychologischer Störungen etwa mit endogenen Psychosen in ihrer Vollform mag damit eine Aussage dahin ermöglichen, dass Schuldunfähigkeit vorliege. Diese Fälle sind aber in der Regel ohnehin unproblematisch. Unterhalb dieser Schwelle hingegen ist der Vergleich unergiebig. Gerade bei kritischen Sachverhaltsgestaltungen bleibt offen, ob eine normalpsychologische Abweichung ein Gewicht erreicht, welches im Rahmen von § 21 Bedeutung erlangen kann. Denn bei den überaus zahlreichen Defekten, für die fraglich ist, ob die Auffälligkeit noch im Bereich des rechtlich Unerheblichen liegt oder schon eine gewichtigere Störung darstellt, ist der Vergleich etwa mit einer endogenen Psychose zu grob. Für § 21 können auch Abweichungen ohne Realitätsverlust oder andere den Psychosen eigentümliche Symptome von Bedeutung sein.
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Der B G H hält es deshalb für denkbar, statt Krankheitsbildern, welche zum Ausschluss der Schuldfähigkeit führen, „schwächere Formen" zum Vergleich heranzuziehen (BGHSt 3 7 397, 401). Ein solcher Vergleich setzt indessen voraus, dass das Gewicht der „schwächeren F o r m " im Rahmen der Schuldfähigkeitsbeurteilung feststeht und nicht seinerseits erst zu ermitteln ist. Hier versagt die Ansicht des BGH. Keine krankhafte Störung schwächerer Form eignet sich als Bezugsgröße, weil deren Auswirkungen jeweils im konkreten Fall bestimmt werden müssen. Eine frühkindliche Hirnschädigung kann Folgen verschiedener Art und Stärke haben und ebenso folgenlos geblieben sein. Die Orientierung am „Krankheitswert" ersetzt in diesen Fällen lediglich eine Unbekannte durch eine andere. Die im Gesetzgebungsverfahren zu Recht gegen den Begriff des Krankheitswertes erhobenen Einwände sind durch die Änderung der Terminologie also nicht ausgeräumt (Jescheck/Weigend AT § 4 0 III 2d).
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Erfolgversprechender zur Erfassung des Wortes erscheint der Weg, den die Rechtsprechung im Rahmen des § 323a zur Charakterisierung des Rausches beschritten hat. Rausch ist hiernach ein Zustand, der nach seinem ganzen Erscheinungsbild als durch den Genuss von Rauschmitteln hervorgerufen anzusehen ist (BGHSt 2 2 8, 10; 2 6 363, 364; 32 48, 5 3 ; Spendel LK § 323a Rdn. 113; zur Problematik Forster/Rengier N J W 1986 2 8 6 9 ) . Für die Zwecke der §§ 2 0 , 21 ergibt eine Weiterentwicklung der Rauschdefinition einen brauchbaren Maßstab. Als tiefgreifend ist eine Bewusstseinsstörung zu bezeichnen, wenn sie nach ihrem ganzen Erscheinungsbild so ausgeprägt ist, dass sich die Möglichkeit einer daraus folgenden Aufhebung oder Minderung des Einsichts- oder Hemmungsvermögens aufdrängt (vgl. ferner Rdn. 76).
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cc) Schwachsinn (Oligophrenie) ist die angeborene Intelligenzschwäche (näher Wegener Einführung S. 90) ohne nachweisbare Ursache (E 1962 S. 140; B G H N S t Z 1 9 9 7 199). Ist
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Krümpelmann ZStW 88 (1976) 6, 8, 29; Lackner FS Kleinknecht, S. 245, 263; Merkel MedR 1986 53, 57; Reinhardt in BeckMannagetta/Reinhardt S. 279, 283; Roxin FS Spann, S. 457, 466; Saß Forensia 6 (1985) 33, 34; Schreiber NStZ 1981 46, 48; ders. in Venzlaff S. 25; Thomae/Schmidt in Undeutsch S. 326, 345; anders Bresser in
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Frank/Harrer S. 38, 43; ders. in Witter Sachverständige S. 80, 91; Erhardt/Villinger Psychiatrie d. Gegenwart 1. Aufl. Bd. III S. 181, 209; Langelüdekke/Bresser S. 265; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 14, 22. Rasch StV 1991 126, 131; Venzlaff FS Schaffstein, S. 293, 295; Saß Forensia 6 (1985), 34, 37; ders. FS Schewe, S. 266 ff.
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
eine körperliche Ursache bekannt, liegt auch dann, wenn diese noch vor der Geburt wirksam war, eine krankhafte seelische Störung vor (Tröndle/Ftscher Rdn. 35; Schreiber/Rosenau S. 21; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 18). Auch hier scheiden leichtere Formen, welche den Persönlichkeitskern nicht berühren, aus (Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 118). dd) Schwere andere seelische Abartigkeit. Mit diesem Merkmal hat das Gesetz einen Auffangbegriff eingeführt. Der gesetzliche Ausdruck „Abartigkeit" wird häufig als stigmatisierend kritisiert, 6 7 da er vordergründig auf Triebstörungen ausgerichtet scheint. Obwohl mit diesem Terminus keine sachlichen Vorentscheidungen verbunden sind, sollte er ersetzt werden. Vorzuziehen wäre der vom Alternativ-Entwurf vorgeschlagene Begriff der „vergleichbar schweren Störung" (Schreiber/Rosenau 2 0 0 4 , 69) oder der „Persönlichkeitsanomalie" ( R a s c h / K o n r a d 3 2 0 0 4 , 71). In der Praxis wird vielfach auch nur vom 4. Merkmal gesprochen.
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Unter das Merkmal fallen alle Normabweichungen, die nicht einem der sonstigen Kriterien zuzuordnen, insbesondere nicht pathologisch bedingt sind. 6 8 Es umfasst seelische Störungen und Fehlentwicklungen ohne körperliche Ursache, nicht jedoch den intellektuellen Irrtum, dem jedermann erliegen kann (über das Verhältnis zum Verbotsirrtum Rdn. 12), und Reifeverzögerungen, weil diese von den Spezialregelungen der § § 3 , 105 J G G erfasst werden. Auch Charaktermängel können eine seelische Abartigkeit darstellen. Der Satz, dass jeder Mensch für seinen Charakter einzustehen habe, 6 9 kann nicht zur Abgrenzung der rechtserheblichen von unbeachtlichen Normabweichungen dienen. 7 0 Er widerspricht dem Schuldprinzip, weil der Täter auf die Entwicklung seines Charakters bis zu einem gewissen Alter keinen bestimmenden Einfluss hat. Er widerspricht ferner dem Grundsatz der Tatschuld, welcher auf das in der konkreten Tat zum Ausdruck kommende Versagen abhebt und nach dessen Vermeidbarkeit fragt. Schließlich sind auch keine Kriterien ersichtlich, die Charaktermängel von seelischen Störungen verlässlich abzugrenzen vermögen. 7 1
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Den seelischen Abartigkeiten wird - im Unterschied zu den meist kurzfristigen Bewusstseinsstörungen - ein Element der Dauerhaftigkeit beigelegt. 7 2 Das ist zwar insoweit zutreffend, als Fehlanlagen und Fehlentwicklungen in der Regel ihre volle Ausprägung nicht sofort erfahren und nicht lediglich flüchtiger Natur sind; doch hat dieser Gesichts-
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Venzlaff Nervenarzt 1977 257; Foerster MschrKrim. 1989 83; Krümpelmann ZStW 88 (1976) 6, 30; Rasch StV 1984 264, 266; 1991 126; Schreiber/Rosenau S. 69; Rasch/Konrad3 S. 71. BGHSt 34 22, 24; 35 76, 79; BGHR StGB § 21 seel. Abartigkeit 6, 9, 14, 15, 17; kritisch zur Weite des Begriffs Blau MschrKrim. 1989 71, 73; Göppinger S. 40; ders. FS Leferenz, S. 411, 418; Schreiber NStZ 1981 46, 48; Bresser in Witter Sachverständige S. 80, 91 (eine wissenschaftliche Diagnose nicht zulassend); Foerster FS Venzlaff, S. 25, 28. Engisch S. 53; MschrKrim. 1967, 108; Lange FS Bockelmann, S. 261, 272; Moos ZStW 89 (1977) 796, 820. So die frühere Rechtsprechung, BGHSt 14
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30, 33; 23 176, 190; BGH LM StGB § 51 I Nr. 10 = NJW 1955 1726; MDR 1955 368; NJW 1958 2123; 1966 1871; 1983 350; BGHR StGB § 20 Bewusstseinsstörung 8; RG DR 1939 987; R. Lange in Haesler S. 63. Vgl. BGH LM StGB § 51 I Nr. 10; § 51 II Nr. 15; Haddenbrock DRiZ 1974 37, 39; Jakobs AT 2 18/20; Kallwass S. 70; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 104; Rasch StV 1991 126, 127; Saß Psychopathie S. 115, Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 21; aA Lackner/Küh Rdn. 11; R. Lange in Haesler S. 63. Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 118; Saß Forensia 4 (1983/84) 3, 12; Schwalm JZ 1970 487, 493; Witter FS Leferenz, S. 441, 456; Sachverständige S. 66.
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2. Abschnitt. Die Tat
punkt für die forensische Praxis keine eigenständige Bedeutung. Er führt vielmehr in die Irre, wenn der Sachverständige etwa die dauerhaften Persönlichkeitszüge isoliert auf ihre Aussagekraft für die Schuldfähigkeitsbeurteilung untersucht und die Tat sodann in das gefundene Ergebnis einordnet (BGH J R 1990 119 m. Anm. Blau; BGHR StGB § 21 seel. Abartigk. 2, 4, 9; aA Witter Sachverständige S. 66, 194; näher Rdn. 184). 71
Zu den anderen seelischen Abartigkeiten zählen hiernach sexuelle Verhaltensabweichungen und Störungen (BGH NStZ 1995 329 f), Süchte, Persönlichkeitsstörungen (früher Psychopathien; vgl. BGH NStZ-RR 1997 355 f; NStZ 1999 395; NStZ-RR 2005 137 f), Neurosen und Belastungsreaktionen, ohne dass es dabei auf Systembildungen in der Psychiatrie oder der Psychologie ankäme (Schild NK Rdn. 90; BGH NStZ-RR 2002 225; NStZ 1998 30 f; zu den medizinischen Merkmalen Rdn. 152 ff). Nicht hierher gehören bloße Haltlosigkeit (BGH bei Dallinger M D R 1953 146), der kriminelle Hang des Hangoder Gewohnheitstäters (BGH LM StGB § 51 Abs. 2 Nr. 15), Unempfänglichkeit gegenüber Freiheitsstrafen (aA OLG Frankfurt/M. GA 1971 316), Hass, Geltungssucht (Tröndle/ Fischer Rdn. 41) sowie eine mangelnde ethische Verwurzelung, welche früher - verkürzt - unter dem Begriff des „moralischen Irreseins" (moral insanity) diskutiert wurde. 73 Die heute gebräuchlichen Ausdrücke Soziopathie und Dissozialität, auch „antisoziale Persönlichkeit", dürften denselben Sachverhalt meinen (vgl. BGHR StGB § 21 Alkoholauswirkungen 2).
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Vergleichbare Probleme wie das Wort „tiefgreifend" bei den Bewusstseinsstörungen bereitet der Ausdruck „schwer" bei den anderen seelischen Abartigkeiten. Nach der Gesetzesbegründung sollen beide Worte gleichermaßen dem Schutz vor zu weitgehender Exkulpation dienen (E 1962 S. 142). Aber auch für die Beurteilung der Schwere einer Abartigkeit hat der Gesetzgeber keinen Maßstab festgelegt (kritisch daher Leferenz ZStW 88 [1976] 40, 42), und der Begriff des Krankheitswertes (BGHSt 37 397) liefert wie bei den Bewusstseinsstörungen (Rdn. 62 ff) - nur eine beschränkte Orientierungshilfe. Andererseits kann nur aus Art und Schwere der Normabweichung auf eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit geschlossen werden, einen anderen Weg gibt es nicht (Rdn. 45). Das Adjektiv schwer soll zum Ausdruck bringen, dass die seelische Abartigkeit in ihrer den Betroffenen belastenden Wirkung und im Hinblick auf seine Fähigkeit zu normgerechtem Verhalten von solchem Gewicht ist, dass sie insoweit den krankhaften seelischen Störungen als gleichwertig erscheint (BGHSt 34 22, 24 f, 28 f; 35, 76, 78 f; 37, 397, 401; BGH StV 1997 127 f; NJW 2004 1810 f).
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Die rechtlichen Parallelen zum Merkmal der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung bieten einen weiteren Ansatzpunkt für die Bestimmung des rechtserheblichen Schweregrades einer anderen seelischen Abartigkeit (vgl. Rdn. 66). Als schwer ist danach eine andere seelische Abartigkeit zu bezeichnen, die nach ihrem ganzen Erscheinungsbild so ausgeprägt ist, dass sich die Möglichkeit einer daraus folgenden Aufhebung oder Minderung des Einsichts- oder Hemmungsvermögens aufdrängt. (aA [generelle Einschränkung der sozialen Kompetenz] Venzlaff in Frank/Harrer S. 11, 19).
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RGSt 15 97, 99; OGHSt 2 73, 75; eingehend Janzarik Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 692; Saß Psychopathie S. 6.
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
2. Allgemeine Beurteilungsgrundsätze a) Methodik. Liegt eine seelische Störung vor, sind nach dem Gesetz ihre Folgen für die Schuldfähigkeit abzuschätzen. Da sich das Fehlen der Einsicht oder des Hemmungsvermögens zur Tatzeit der unmittelbaren Erkenntnis entzieht (Rdn. 42), sind Art und Ausmaß der seelischen Beeinträchtigung der entscheidende empirische Ausgangspunkt für die Beurteilung ihrer psychischen Auswirkungen. Deshalb ist auch die Zuordnung einer Störung zu den einzelnen Merkmalen des § 20 nicht lediglich eine Frage der begrifflichen Klarheit. Sie kann zugleich die Einschätzung der Störungsfolgen beeinflussen (Rdn. 47). Darüber hinaus gibt es „störungstypische" Verfehlungen wie etwa kleinere Sexual-, Eigentums- und Brandstiftungsdelikte bei Schwachsinnigen oder Sexualstraftaten von Männern im Rückbildungsalter. Allgemein gilt freilich, dass die Feststellung der Intensität der Beeinträchtigung wichtiger ist als die genaue Diagnose (Foerster MschrKrim. 1989 83; Rasch StV 1984 264, 266).
74
Diese Form der gemischten Methode, welche vom „biologischen" auf das „psychisehe" Stockwerk schließt, gilt allgemein und auch bei der schweren anderen seelischen Abartigkeit. 74 Nur so ist eine Abgrenzung zum bloßen intellektuellen Irrtum (Rdn. 12) möglich, und die Vernachlässigung der Erforschung eines der beiden Stockwerke wäre ein unbegreiflicher Verzicht auf Erkenntnismöglichkeiten.
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Das normative Modell zur Abschätzung der Auswirkungen einer Störung auf die Schuldfähigkeit ist in Rdn. 45 ff dargelegt. Es ist insofern zu ergänzen, als tiefgreifende Bewusstseinsstörungen und schwere andere seelische Abartigkeiten häufig, aber nicht stets (BGH NJW 1983 350) die Schuldfähigkeit berühren (nicht: aufheben) werden, weil die Definition des rechtserheblichen Schweregrades (Rdn. 66, 72) einen solchen Einfluss nahe legt (BGHR StGB § 21 seel. Abartigkeit 10, 20; Rasch StV 1991 126, 127; Saiger Festschrift Tröndle S. 201, 214).
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Die Störung muss sich in jedem Fall auf die Tat ausgewirkt haben; es muss also ein Zusammenhang zwischen Störung und Tat bestehen (Rasch StV 1991 126, 130; Schreiber NStZ 1981 46, 51; Venzlaff ZSW 88 [1976] 57, 59). Ebenso unerheblich sind lediglich mittelbare Folgen der Störung. Dient der Raubüberfall des Betäubungsmittelabhängigen nicht der Beschaffung von Geldmitteln für neuen Stoff, sondern der Auffüllung der chronisch leeren Haushaltskasse, ist ein Zusammenhang zwischen einer möglichen suchtbedingten Verminderung des Hemmungsvermögens und der Tat nicht gegeben (BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 2; seel. Abartigkeit 17).
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Der Zusammenhang zwischen Störung und Tat ist nicht mit der Conditio-sine-quanon-Formel erfassbar, die überhaupt bei psychischen Sachverhalten versagt (BGHSt 2 7 246, 249). Es genügt, wenn der Defekt die Willensbildung des Täters mitbeeinflusst hat (BGH StV 1986 14; BGHR § 21 Ursachen mehrere 2, 3, 7, 9; Rasch StV 1991 126, 130; Schreiber NStZ 1981 46, 51). Darüber hinaus muss die Störung das konkret verwirklichte Unrecht betreffen; eine Schuldunfähigkeit „an sich" gibt es nicht (BGH NStE StGB § 21 Nr. 14; aA Bockelmann/Volk AT § 16 A IV 2c). Der Täter kann daher bei derselben Tat für den einen Rechtsverstoß voll verantwortlich sein, für den anderen nicht (BGHSt 14 114; BGH NStZ 1990 231; Rdn. 180).
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BGH StV 1990 302; Saß Forensia 6 (1985) 33, 36; Witter Sachverständige S. 61; aA wohl Bernsmann/Kisker MschrKrim. 1975 325, 332; Haddenbrock Kriminologische
Gegenwartsfragen 13 (1978) 161, 168; Krümpelmann ZStW 88 (1976) 6, 20; 99 (1987) 191, 192 Fn. 4.
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§20
2. Abschnitt. Die Tat
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b) Begriffliches. Fehlende Unrechtseinsicht ist ein Fall des Verbotsirrtums (Rdn. 12). Sie kann bei extremem Schwachsinn und bei Wahnkrankheiten vorliegen, ist aber nicht sehr häufig. Steuerungsunfähigkeit ist ein forensisch vertrauteres Bild. Ihr Kennzeichen ist das Fehlen des Hemmungsvermögens, nicht hingegen das Fehlen von Hemmungen selbst; die Überwindung entgegenstehender Hemmungen ist Voraussetzung jeder, auch der in schuldfähigem Zustand verübten Tat (de Boor in Bonner [Hrsg.] Antrieb und Hemmung bei den Tötungsdelikten [1982] S. 5). Steuerungsunfähigkeit ist daher gegeben, wenn der Täter auch bei Aufbietung aller Widerstandskräfte außerstande ist, die Anreize zur Tat und die ihr entgegenstehenden Hemmungsvorstellungen gegeneinander abzuwägen und danach seinen Willensentschluss zu bilden. 75
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Obwohl Einsichts- und Steuerungsunfähigkeit schwer zu trennen sind (Janzarik Nervenarzt 1991 423; Langelüddeke/Bresser S. 269; Foth Festschrift Saiger S. 35), kann die Anwendung des § 2 0 nicht auf beide Alternativen gleichzeitig gestützt werden (BGHSt 21 27; 40 341, 349; NStZ 1982 201; 1991 529; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 25); denn fehlende Einsicht lässt die Steuerungsfähigkeit für die konkrete Tat zwangsläufig entfallen (Schüler-Springomm Festschrift Venzlaff S. 52, 54). Auch für eine Unterbringung nach § 63 ist eine eindeutige Klassifizierung erforderlich; sie darf weder auf Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit noch auf Einsichts- und Steuerungsfähigkeit gestützt werden (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 5; Schuldunfähigkeit 1, 3; Zustand 11, 14; BGH StV 1999 485; NStZ-RR 2003 232).
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Für bestimmte Störungen haben sich weitgehend anerkannte Kriterien bei der Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit herausgebildet, so für die endogenen Psychosen, für Affekte und Persönlichkeitsstörungen (Rdn. 37 ff); in anderen Bereichen herrscht beträchtliche Unsicherheit.
V. Beurteilungsmerkmale bei den einzelnen Störungen 82
1. Endogene Psychosen sind Störungen mit postulierter somatischer Ursache in Form schizophrener Störungen (meist wahnhaft) und affektiver Störungen (meist bipolar), die früher auch als Zyklothymie, Gemütskrankheit oder manisch-depressives Irresein bezeichnet wurden ( N e d o p i l 2 S. 21). Die Schizophrenien (BGH StV 1995 405; 1998 15; 1999 485) sowie die affektiven Psychosen sind nur begrifflich, selten in der Praxis scharf voneinander zu scheiden. „Von den Psychosen, deren körperliches Wesen man nicht kennt, zieht man die einigermaßen typisch zyklothymen ab, den bleibenden Rest heißt man Schizophrenien." 76 Die Unzulänglichkeiten der Unterscheidung haben den Begriff der schizo-affektiven oder Mischpsychose hervorgebracht (Scharfetter Psychiatrie d. Gegenwart 4 S. 31). Hervorstechendes Merkmal aller endogenen Psychosen ist die Störung des Realitätsbezuges (Rasch in Beck-Managetta/Reinhardt S. 13). Eifersuchtswahn oder andere psychoseähnliche Wahnentwicklungen gehören nicht hierher, sondern zum Merkmal der
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RGSt 57 76; 63 46, 48; 67 149, 150; Tröndle/Fischer Rdn. 4; Lackner/Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 29; gänzlich anders Jakobs in Witter Sachverständige S. 271, 280: § 20 liege vor, wenn das Verhalten des Täters nicht mehr als individuelle Wahl verstanden werden kann,
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weil die Motivation zur Tat von ihm selbst objektiv erlitten wird; weil es an der Qualität eines sich selbst verwaltenden Subjekts fehle. Kurt Schneider Psychopathologie S. 6; ähnlich Glatzel Forens. Psychiatrie S. 73; Huber S. 117; Bresser in Witter Sachverständige S. 83.
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„schweren anderen seelischen Abartigkeit" (Schreiber/Rosenau S. 64; BGH NJW 1997 3101 = NStZ 1998 296 f m. zust. Anm. Winckler/Foerster; vgl. Rdn. 69 ff). Die Zyklothymie ist eher eine Gefühlskrankheit und durch Phasen depressiver oder gehobener Stimmung gekennzeichnet; die Stimmungslagen depressiv und manisch können auch abwechseln (Streng MK Rdn. 34). Zwischen den Phasen ist der Betroffene nicht beeinträchtigt 77 ; es ist auch nur sehr selten mit bleibenden Folgeschäden (Defektzuständen) zu rechnen (Bleuler S. 466; Venzlaff/Schmidt-Degenhard S. 156).
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Die Schizophrenien werden nach im Vordergrund stehenden Symptomen unterteilt in Schizophrenia simplex (schleichender Beginn, unbegreifliches soziales Versagen, verschrobene Sprache, Bleuler S. 440), katatone Schizophrenie (gestörte Motorik - Körperstarre oder Erregung); Hebephrenie (läppischer Affekt; Bleuler S. 438; Scharfetter Psychiatrie d. Gegenwart 4 S. 29); paranoide Schizophrenie (Wahnideen [Paranoia] 78 und Sinnestäuschungen [Halluzinationen]); letztere gilt als die am meisten verbreitete Form (Rasch/Konrad3 S. 274). Allerdings sind diese Formen praktisch nicht rein anzutreffen (s. auch Mundt/Lang Psychiatrie d. Gegenwart 4 S. 53; Venzlaff in Venzlaff S. 174 zur Basisstörung bei allen Schizophrenien; Kurt Schneider Psychopathologie S. 135). Während die Schizophrenien früher als progredient galten - nach den einzelnen Schüben blieb ein jedes Mal verstärkter Defektzustand zurück - , ist die Medizin insoweit jetzt optimistischer (Huber Festschrift Leferenz S. 463, 464; Retterstöl Psychiatrie d. Gegenwart 4 S. 105; Witter Grundriß S. 91). Dank moderner Pharmakotherapie mit Neuroleptika, deren Verzicht bei der Behandlung forensischer Schizophreniepatienten aus heutiger Sicht ein Kunstfehler wäre ( N e d o p i l 2 S. 123), gelingt es, die Mehrzahl der Patienten aufgrund mehrjähriger Behandlung zu heilen. Bei 2 0 - 2 5 % aller akut Erkrankten kommt die Erstmanifestation zur vollständigen Ausheilung, bei etwa einem Drittel bleibt eine Residualsymptomatik mit Verlust an energetischem Potential und Persönlichkeitsveränderungen mit Facetten der verschiedenen Grundstörungen; nach ca. 20 Jahren sind zwei Drittel aller Kranken entweder vollständig oder bis auf diskrete Residien remittiert (Venzlaff/ Schmidt-Degenhard in Foerster4 S. 142 f).
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Von den endogenen Psychosen sind differentialdiagnostisch eine Reihe von Leiden zu trennen, die eine ähnliche Symptomatik hervorbringen, aber nicht zu diesen Krankheiten zählen. Fragen wirft insbesondere das sog. Borderline-(Grenzfall-)Syndrom (BGH NStZ 1997 278; NStZ 1999 508; Streng MK Rdn. 44) auf. Wie die Wortwahl zeigt, handelt es sich hierbei um einen Symptomkomplex, der an der Grenze zwischen Neurose und Psychose steht ( N e d o p i l 2 S. 153). Teils begreift man darunter psychosenahe Abweichungen (Rasch StV 1991 126, 128), teils eine in seiner Ursache spezifische vorübergehende oder dauernde Persönlichkeitsstörung 79 mit Symptomen wie chronischen Ängsten, Phobien, Amnesien, Selbstschädigungen, Zwangshandlungen oder Wahn. Nach den Kategorien des § 20 ist die Borderline-Störung als schwere andere seelische Abartigkeit einzuordnen (s. Rdn. 168 ff).
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Ferner sind zu nennen reaktive Depressionen, welche bestimmten Formen der Zyklothymie ähneln können, sich davon aber in Unruhe und Erlebnisinhalt - als einfühlbare
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BGH R 8c Ρ 2 0 0 5 , 2 0 1 : keine dauerhafte Verminderung der Schuldfähigkeit in einer „hypomanischen Episode". BGH StV 1997 469. Übersicht bei Saß/Koebler Nervenarzt 1982
519, 521; dies, in Huber Basisstadien S. 195;
s. ferner B G H R StGB § 21 seel. Abartigk. 13;
Bleuler S. 444; Rohde-Dachser Psychiatrie d. Gegenwart 1 S. 126; dies, in Battegay S. 94; Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 225; Venzlaff in Venzlaff S. 177.
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2. Abschnitt. Die Tat
Reaktion auf ein psychisches Trauma - abheben (Strömgren Psychiatrie d. Gegenwart 4 S. 202). 87
Besondere Abgrenzungsschwierigkeiten können auch die verschiedenen Formen von Wahn (Paranoia) bereiten. Während die überwertige Idee als höchste Konzentration auf einen bestimmten Gegenstand zu herausragenden Leistungen führen kann und zunächst als normal gilt, 80 bewirkt eine weitere Verfestigung und Verengung des Denkens nicht selten Realitätsverlust; es entstehen objektiv falsche, nicht korrigierbare und oft mit Heftigkeit verfochtene Anschauungen und damit Wahnvorstellungen. Sie gehören zu den schweren anderen seelischen Abartigkeiten. Die Charakterisierung einer solchen Störung als paranoid (oder schizoid, schizotypisch) besagt für sich genommen noch nichts über die Schuldfähigkeit (vgl. BGHSt 37 397 m. Anm. Grasnick JR 1992 118; BGH NStZ 1991 31; Bleuler S. 577).
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Wahnvorstellungen und Sinnestäuschungen können somit auftreten, ohne dass eine endogene Psychose vorliegt. Umgekehrt sind derartige „produktive" Symptome zwar häufig bei Schizophrenien und Zyklothymien anzutreffen, aber nicht stets. Der Richter ist in diesem Bereich auf die Erfahrung des Sachverständigen angewiesen; eigene Sachkunde kann er nicht in Anspruch nehmen. Insbesondere ist davor zu warnen, einzelne Symptome voreilig bestimmten Krankheiten oder Normabweichungen zuzuordnen. Wichtig ist aber die Kenntnis der Anzeichen im Verhalten des Täters, welche eine Begutachtung nahe legen. Dies sind in erster Linie - neben Wahn und Sinnestäuschung (z.B. Hören von Stimmen) - leibliche Beeinflussungserlebnisse, Gedankenbeeinflussung, zerfahrene Gedankenführung. Bei der Zyklothymie fällt weiter die durch Erlebnisreize kaum zu beeinflussende Konstanz der Stimmungslage auf; in depressiven Phasen auch Früherwachen und Antriebslosigkeit, in manischen Phasen pausenlose Aktivität, Fortfall von Hemmungen, Ideenflucht (kaum nachvollziehbarer ständiger Themenwechsel, Venzlaff/ Schmidt-Degenhard S. 159). Subtile Anzeichen können selbst dem Arzt verborgen bleiben oder erst durch längere Beobachtung ihre wirkliche Bedeutung verraten. Forensisch bereitet dies besondere Schwierigkeiten, wenn die Tat als erster Durchbruch einer Psychose in Betracht kommt oder massivere Symptome einer solchen Krankheit erst im Anschluss an die Tat auftreten. 8 1 Völlig sinn- und motivlose Taten sollten deshalb regelmäßig Anlass zur Prüfung sein, ob ein Sachverständiger hinzuzuziehen ist (Venzlaff/ Schmidt-Degenhard S. 163 f).
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Endogene Psychosen hindern den Betroffenen, wenn sie voll ausgeprägt sind, im Allgemeinen an normgemäßer Motivation. Doch gilt dies uneingeschränkt nur während akuter Schübe einer Schizophrenie (BGH StV 1995 405 f), während manischer und depressiver Phasen in ihrer Vollform und bei schwersten Defektzuständen (Endphasen der Schizophrenie). 82 Die sog. schizophrene Basisstörung zieht Schuldunfähigkeit da-
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de Boor Zeitschr. f. d. ges. Sachverst.wesen 1983 38; Witter Grundriß S. 75; ders. Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 470; ders. Bd. II S. 1020. Bresser Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 541; Groß Forensia 8 (1987) 167; Venzlaff in Frank/Harrer S. 11, 15; ders. NStZ 1983 199, 201; zur Früherkennung von Schizophrenien Groß u.a. Fundamenta Psychiatrica 1991 172. Bresser in Witter Sachverständige S. 80, 88;
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Erhardt /Villinger Psychiatrie d. Gegenwart 1. Aufl. Bd. III S. 181, 217; Glatzel Forens. Psychiatrie S. 87; Huber FS Leferenz, S. 463, 472; Mende in Bleuler S. 642; Meyer ZStW 88 (1976) 46, 48; Rasch StV 1984 264, 266; Schreiber NStZ 1981 46, 51; Venzlaff in Venzlaff S. 182, 197; Witter MschrKrim. 1983 253, 259; ders. Sachverständige S. 68; abw. Krümpelmann GA 1983 337, 351; zu weitgehend BGH NStZ 1991 527.
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
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gegen nicht immer nach sich (Groß/Pfolz Forensia 2 [1977/78] 25, 29). Die frühere Auffassung, dass die Diagnose einer endogenen Psychose stets Schuldunfähigkeit bedeute (Blei AT § 56 I; Kurt Schneider Zurechnungsfähigkeit S. 27), ist deshalb unzutreffend geworden ( N e d o p i l 2 S. 127); sie wird auch durch die mögliche Wiedereingliederung der Kranken in das Berufsleben nach pharmakologischer Behandlung widerlegt (Haddenbrock Schuldfähigkeit S. 270). Dies gilt jedoch nur, wenn das Delikt aus dem Leben des Menschen heraus normalpsychologisch nachvollziehbar ist ( N e d o p i l 2 S. 128); dies muss sorgfältig geprüft werden (BGH NStZ-RR 2002 202 f; für affektive Störungen BGHSt 46 257, 260; BGH R & Ρ 2005 201). Damit erledigt sich auch die Frage, ob es bei diesen Kranken „lucida intervalla" (lichte Momente) gibt (Roxin AT I § 2 0 Rdn. 30). Psychosenahe Erscheinungen werden selten für § 20, häufig aber für § 21 Bedeutung erlangen. In seltenen Ausnahmefällen - etwa bei Beleidigungen durch Querulanten kommt auch eine Exkulpation hinsichtlich des störungstypischen Delikts, also partielle Schuldunfähigkeit, in Betracht (Erhardt Festschrift Göppinger S. 409; Rdn. 180 ff).
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2. Exogene Psychosen sind Störungen, die nachweisbar auf hirnorganischen Ursachen beruhen.
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Dazu gehören traumatische Psychosen aufgrund von Hirnverletzungen, Infektionspsychosen (z.B. progressive Paralyse, Enzephalitis oder Meningitis), außerdem hirnorganische Krampfleiden (Epilepsie 83 ), Hirntumore, hirnorganisch bedingter Persönlichkeitsabbau i.S.d. Demenz (Hirnarteriosklerose, Hirnatrophie oder krankheitsbedingter - nicht angeborener - Schwachsinn; zum Altersschwachsinn vgl. BGH NStZ 1983 43; StV 1989 102 f; 1994 14, 15), ferner hirnorganische Schädigungen infolge längeren Drogenkonsums, Intelligenz- und Persönlichkeitsabbau bei chronischen Alkoholikern (vgl. BGHR, § 20 Einsichtsfähigkeit 3 - Alkoholhalluzinose) sowie körperliche Abhängigkeit von psychotropen Substanzen. Demgegenüber gehört die Sucht infolge psychischer Abhängigkeit, die nicht oder noch nicht zur körperlichen Abhängigkeit geführt hat, zu den seelischen Abartigkeiten der vierten Fallgruppe (vgl. zum ganzen Nedopil2 S. 21 f, 92; Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 11, 21 ). Forensisch steht die reversible Intoxikationspsychose in Form der Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenintoxikation im Mittelpunkt. Am häufigsten ist der Alkoholrausch, aber auch die Rauschwirkung von zentral wirksamen Medikamenten (z.B. Benzodiazepine, morphinhaltige Medikamente, Neuroleptika) ist bedeutsam, wird jedoch bei Ermittlungen oft nicht hinreichend beachtet.
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Im Verhältnis zu Störungen ohne körperliche Ursache ist die Beurteilung jedoch vielfach erleichtert, weil sich der Defekt häufig mit technischen Methoden und Apparaten (z.B. EEG) nachweisen und in seiner Stärke erfassen lässt. Von Juristen werden deshalb hirnorganische Störungen in ihrer Bedeutung für die Schuldfähigkeit oft überschätzt. Unhaltbar ist aber die Ansicht, auf die Feststellung der Ursachen komme es nicht an, weil allein die psychopathologischen Auswirkungen einer Störung von Belang seien (Glatzel StV 1990 132). Die Ermittlung der Ursache liefert wichtige Anhaltspunkte für die Art der psychischen Auswirkungen und für die Bestimmung des Grades der Minderung der Schuldfähigkeit. Zu Recht fordern die forensischen Sachverständigen, dass die Begutachtung des Täters eine körperliche Untersuchung einschließen müsse (Mende/ Biirke Forensia 7 [1986] 143, 145). Ein Beispiel bietet die Epilepsie, bei der das EEG
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Zum Verschulden und zur Einsichtsfähigkeit eines Epileptikers bei einem von ihm verursachten tödlichen Verkehrsunfall vgl. BGH
NJW 1995 795 m. Anm. Kaatsch BA 1995 2 9 3 f.
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2. Abschnitt. Die Tat
ein entscheidendes diagnostisches Hilfsmittel ist (zur Schuldfähigkeit Mende in Forster S. 516, Pittrow/Saß MschrKrim. 1994 82; BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 12). 94
Bei durch Körperprozesse verursachten Wesensänderungen (Pseudopsychopathien) wie denen von Epileptikern (vgl. BGH StV 1991 245) ermöglichen Dauer und Schwere der Krankheit mitunter einen mittelbaren Rückschluss auf die psychischen Auswirkungen. Ansonsten sind wie bei den schweren anderen seelischen Abartigkeiten die Auswirkungen der Persönlichkeitsveränderung auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit abzuschätzen. 8 4
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3. Quantitativ gesehen ist Alkohol die „kriminologisch bedeutsamste Droge" (Rasch/ Konrad3 S. 223; für Tötungsdelikte Verrei S. 108 f). Für die Trunkenheit liegt mit der Blutalkoholkonzentration (BÄK) eine objektive Messgröße bereit, die wichtige Aussagen liefert; ihr Gewicht wird allerdings vom rechtsmedizinischen Schrifttum großenteils anders als von der Rechtsprechung bewertet (Rdn. 101). Schwierige Probleme stellen sich aber beim Zusammenwirken von alkoholischer Beeinflussung mit anderen die Schuldfähigkeit berührenden Umständen (s. Rdn. 181) wie Affekt (BGHR StGB § 20 BÄK 13; Bewusstseinsstörung 9), Erschöpfung, Drogeneinnahme (Brettel in Forster S. 460ff; BGH bei Holtz MDR 1992 631; BGHR StGB § 20 Ursachen, mehrere 1, 2). Zur rechtlichen Behandlung des schuldhaften Sichberauschens und zur actio libera in causa Rdn. 194 ff; § 21 Rdn. 33, 49 ff.
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Teilweise wird der Rauschzustand wegen vergleichbarer Auswirkungen als tiefgreifende Bewusstseinsstörung bezeichnet, ohne dass dieser rein begriffliche Streit praktische Konsequenzen hätte. 8 5 Obwohl die für alle exogenen Psychosen typische Bewusstseinsstörung hier nur vorübergehender Natur ist, sollte der Alkoholrausch nicht mehr unter das Merkmal „tiefgreifende Bewusstseinsstörung" subsumiert werden (ebenso Nedopil2 S. 21; Foerster4 S. 200: Störungen durch psychotrope Substanzen).
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Alkoholmissbrauch kann für die Schuldfähigkeit in der Form der Abhängigkeit (Sucht), des organischen Psychosyndroms und des akuten Rausches Bedeutung erlangen (umfassend Böning/Holzbach Psychiatrie d. Gegenwart 3 S. 143; zum Begriff der Sucht Wanke in Feuerlein S. 180).
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Die Abhängigkeit führt bei Süchtigen (Gamma- und Deltatrinkern, dazu Finzen in Venzlaff S. 271; Langelüddeke/Bresser S. 153) in extremen Fällen dazu, dass ihnen selbst das Trinken, das Sichberauschen, nicht mehr vorgeworfen werden kann, so dass auch eine Verurteilung nach § 323a ausscheidet. 86 In der Regel führt sie aber nur zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit (vgl. BGH StV 2005 495). Ansonsten ist Alkoholsucht heute bei nahezu allen Deliktsformen anzutreffen. Langjähriger Alkoholmissbrauch führt häufig zu einem organischen Psychosyndrom, d.h. zu hirnorganischen Veränderungen mit Persönlichkeitsabbau. Es kann mit rauschbedingten Alkoholpsychosen einhergehen wie etwa dem Delirium tremens, das allerdings oft auch als Entzugssymp-
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Koufen MschrKrim. 1984 389; zu organisch bedingten Dämmerzuständen (im Gegensatz zu Affekten als psychogenen Dämmerzuständen) Athen Das öff. Gesundheitswesen 1985 65. Sch/Schöder-Lenckner/Perron Rdn. 11, 13, 16; offen gelassen von BGHSt 37 231, 239; mit der herrschenden Literaturmeinung für eine „krankhafte seelische Störung" durch
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einen akuten Alkoholrausch BGHSt 43 66, 68. BGHSt 1 196, 199; BGHR StGB § 323a Sichberauschen 1; BGH bei Janiszewski NStZ 1991 576; Tröndle/Fischer § 323a Rdn. 14; Lackner/Kühl § 323a Rdn. 13; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 323a Rdn. 12.
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§ 2 0
tom auftritt. Das Psychosyndrom kann nur ein Sachverständiger ermitteln und beurteilen. 87 Anlass zur Hinzuziehung eines Sachverständigen bieten regelmäßig bereits Dauer und Ausmaß des Missbrauchs; die Folgen müssen nicht stets auf den ersten Blick erkennbar sein. Die Beurteilung des akuten Rausches gehört heute zu den täglichen richterlichen Aufgaben. Von Ausnahmen abgesehen, ist dafür die Höhe der BÄK ein besonders wichtiges Indiz (NStZ-RR 2 0 0 0 299; NStZ-RR 2004 163). Zu den Ausnahmefällen zählen die Überempfindlichkeit gegen Alkohol (RGSt 73 11, 12; BGHSt 34 313), die durch gesteigerte Erregung gekennzeichnete abnorme Alkoholreaktion (Finzen in Venzlaff S. 268) und der pathologische Rausch. Dieser ist eine ganz seltene Form einer Alkoholpsychose; häufig liegt eine Hirnschädigung zugrunde. Merkmale sind ein plötzliches Einsetzen höchster Affekte ohne Bezug zur gegebenen Situation, Ende in einem narkoseartigen Schlaf und Erinnerungslosigkeit. 88 Er begründet wegen seines den endogenen Psychosen vergleichbaren Bildes Schuldunfähigkeit (BGH bei Pfeiffer/Maul/Schulte § 51 Anm. 5; Erhardt/Villinger Psychiatrie d. Gegenwart 1. Aufl. Bd. III S. 181, 210). Alkoholisierung spielt auch als konstellativer Faktor eine wichtige Rolle (s. Rdn. 181 ff), insbesondere bei der Tötung des (trennungswilligen oder untreuen) Intimpartners durch den (verlassenen) alkoholisierten Affekttäter (dazu Maatz Nervenarzt 2005 1389 ff m.w.N.).
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Für die gewöhnliche Trunkenheit haben Rechtsprechung und Wissenschaft Schwellenwerte der BÄK ermittelt, deren Überschreitung Indizwirkung für eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit entfaltet; 89 ein Ausschluss der Unrechtseinsicht durch Trunkenheit wird kaum vorkommen. Danach ist von einem BAK-Wert ab 2 %o erheblich vermindertes Hemmungsvermögen in Betracht zu ziehen 90 und ab 3 %o Steuerungsunfähigkeit.91 Je höher die gemessene BÄK, je kürzer die Zeit zwischen Tat und Blutentnahme und je alkoholungewohnter der Täter ist, desto größer wird der Indizwert der BÄK eingeschätzt (Nedopil2 S. 103; BGH bei Detter NStZ 1999 121). Bei schwerwiegenden Straftaten, insbesondere Delikten gegen das Leben, sind diese Werte um 10 % zu erhöhen (Schild NK Rdn. 70), weil vor der Begehung schwerer Taten eine höhere Hemmschwelle liegt, 92 also
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BGHSt 7 3 5 ; B G H R StGB § 2 0 Einsichtsfähigk. 1; Bischof Forensia 2 ( 1 9 7 7 / 7 8 ) S. 95, zum Korsakow-Syndrom (u.a. Verwirrtheit, Denk- und Gedächtnisstörungen) B G H R StGB § 2 0 Bewusstseinsstörung 7, 8; Böning/Holzbach Psychiatrie d. Gegenwart 3 S. 165; Platz in Beck-Mannagetta/Reinhardt S. 77, 83.
88
Bresser Forensia 5 ( 1 9 8 4 ) 4 5 , 5 2 ; Brettel in Forster S. 4 7 9 ; Finzen in Venzlaff S. 2 6 9 ; Glatzel Forens. Psychiatrie S. 1 0 9 ; Platz in Beck-Mannagetta/Reinhardt S. 77, 8 2 ; Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 2 3 2 ; Witter Hdb. d. Forens. Psychiatrie Bd. II S. 1 0 3 5 ; kritisch Venzlaff m Frank/Harrer S. 11, 18.
89
BGHSt 3 7 2 3 1 , 2 3 4 ; B G H R StGB S 2 0 BÄK 7; BGH bei Detter N S t Z 1 9 9 0 1 7 6 ; vgl. bereits B G H bei Pfeiffer/Maul/Schulte § 51 Anm. 8; Bischof Forensia 2 ( 1 9 7 7 / 7 8 ) 95, 9 8 ; Blau J R 1 9 8 8 2 1 2 ; Bresser Forensia 5 ( 1 9 8 4 ) 45, 5 7 ; v. Gerlach BA 1 9 9 0 3 0 5 ; Gerchow
Forensia 7 ( 1 9 8 6 ) 1 5 5 , 1 6 3 ; Glatzel Forens. Psychiatrie S. 1 0 7 ; Roxin FS Spann, S. 4 5 7 , 4 6 0 ; Saiger Verkehrsstrafrecht S. 9, 11; ders. FS Pfeiffer, S. 3 7 9 , 3 8 3 ; Scheine J R 1 9 8 7 179, 1 8 4 ; ders. Sucht u. Delinquenz S. 4 3 , 4 6 ; ders. FS Venzlaff, S. 39, 4 5 ; abw. ders. BA 1 9 9 1 2 6 4 , 2 6 6 ; Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 2 3 1 ; Zabel BA 1 9 8 6 2 6 2 ; kritisch Rengier/ Forster BA 1 9 8 7 161. 90
BGHSt 3 7 2 3 1 , 2 3 4 ; B G H R StGB S 21 BÄK 15; Foth N J 1 9 9 1 3 8 6 ; vgl. aber B G H BA 2 0 0 0 2 5 6 m. krit. Anm. Scheffer ( 1 , 9 6 %o).
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BGHSt 3 4 2 9 , 3 1 ; B G H N S t Z 1 9 8 6 114; 1 9 8 2 2 4 3 , 3 7 6 ; B G H R StGB § 2 0 BÄK 2, 6, 7, 8; Schewe FS z. 25jähr. Bestehen d. Bundes geg. Alkohol im Straßenverkehr ( 1 9 8 2 ) ,
92
S. 171, 181; dagegen Luthe/Rösler Sachverständige S. 2 1 1 ; unklar O L G Düsseldorf NJW 1992 992. BGHSt 3 7 2 3 1 , 2 3 5 ; B G H N S t Z 1 9 9 1 1 2 6 (Tötungsdelikte); B G H R StGB § 21 BÄK 16
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2. Abschnitt. Die Tat
2 , 2 % für § 21 StGB und 3,3 % für § 2 0 StGB (vgl. BGHSt 37 231, 2 3 5 ; B G H N S t Z 1991 126; BA 2 0 0 1 186). Andererseits können die Indizwerte im Einzelfall - insbesondere bei Erschöpfung oder nach Einnahme von Schlaf- oder Beruhigungstabletten sowie bei trinkungewohnten Personen - auch erheblich niedriger liegen. Im Regelfall - beim Fehlen von Besonderheiten im Sachverhalt und von den in Rdn. 95 ff dargelegten Ausnahmen abgesehen - muss der Richter aber erst beim Erreichen des Schwellenwertes von 2 %o (bzw. 2 , 2 %o) in eine nähere Prüfung der Schuldfähigkeit eintreten, dann allerdings stets (BGH StV 1 9 8 7 3 4 1 ; B G H NStZ 1 9 9 0 384). Als Besonderheiten im Sachverhalt sind zu nennen: Hirnverletzungen oder affektive Erregung (BGH StV 1 9 8 6 2 8 5 ; B G H bei Holtz M D R 1992 631); alkoholbedingte Ausfallerscheinungen (BGH N S t Z 1990 384); Alkoholungewohntheit bei internistischer und altersbedingter Vorschädigung des Gehirns (BGH StV 2 0 0 7 128); sonstige Auffälligkeiten in Person und Tat, die auf eine affektive Erregung hindeuten (BGH StV 1 9 8 9 14); Anfallsleiden (OLG Köln V R S 6 8 350); auch jugendliches Alter des Täters; allenfalls ausnahmsweise jedoch die Eigenschaft als Heranwachsender (weitergehend B G H N S t Z 1984 75; B G H StV 1992 432). 101
Ein schematisches Vorgehen nach der Höhe der Blutalkoholkonzentration (BÄK) ist wegen der ganz unterschiedlichen Auswirkungen auf Personen und in verschiedenen Tatsituationen unmöglich. Insbesondere bei starker Alkoholgewöhnung oder -toleranz hat selbst eine BÄK von 3 %o und mehr nicht zwingend größere Ausfallerscheinungen zur Folge, während sie bei Personen ohne diese Merkmale bereits tödliche Wirkung haben kann. Bei Vorliegen einer BÄK von 3 %o oder mehr zur Tatzeit darf eine Schuldfähigkeit des Angeklagten jedoch nur bejaht werden, wenn der Richter sich nach einer - alle wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände im Erscheinungsbild des Täters erfassenden - Gesamtwürdigung vom Fortbestehen der Steuerungsfähigkeit ohne Zweifel überzeugen konnte (BGH DAR 1993 395). Unter erheblicher Kritik im forensischpsychiatrischen und juristischen Schrifttum 9 3 hatte die Rechtsprechung aufgrund einer Entscheidung des 4 . Senats vom 2 2 . 1 1 . 1 9 9 0 (BGHSt 37 2 3 1 ff) zwischenzeitlich (von 1990 bis Ende 1996) versucht, die Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit als „kaum widerlegbare" Folge einer BÄK von 2 , 0 %o und mehr zu postulieren. Gegenüber der durch einen „wissenschaftlich gesicherten statistischen Erfahrungssatz" verbürgten Bedeutung der Blutalkoholkonzentration sollten andere psychopathologische Faktoren nur ganz ausnahmsweise von Bedeutung sein, wenn sie durch einen fachkundigen Mediziner in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tatgeschehen diagnostiziert würden (BGHSt 3 7 2 3 1 ff, 2 4 1 , 2 4 4 ) . Hintergrund dieser Rechtsprechung, der sich alle 9 4
93
(Anstiftung zur gef. Körperverletzung); v. Gerlach in Eben S. 165, 175; Saiger FS Pfeiffer, S. 379, 389; anders (normativ aus Art. 1, 2 GG ableitbar) Blau FS Tröndle, S. 109, 119. Aus dem rechtsmedizinischen Schrifttum vgl. die Nachweise in BGHSt 37 231; Glatzel StV 1990 132, 134; Grüner JR 1992 117, 118; Helfer/Pluisck BA 1990 436; Miltner u.a. BA 1990 279; Schewe JR 1987 179, 183; ders. BA 1991 264; Venzlaff in Frank/Harrer S. 11, 18; Witter Sachverständige S. 21 („primitiver Biologismus"); aA Haddenbrock MschrKrim. 1988 402, 405, 418; noch anders (BÄK über 2 %o deutet auf Miss-
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brauchgewöhnung und erhaltene Schuldfähigkeit hin) Stephan in Hommers S. 91, 94, 104; vgl. zur ähnlichen Beurteilung bei Betäubungsmittelmissbrauch Rdn. 51; aus der juristischen Literatur: Blau JR 1988 210; ders. 1989 337; Tröndle/Fischer Rdn. 19; Foth NJ 1991 386, 388; Lackner/Kühl § 21 Rdn. 3; R. Lange J Z 1991 1071; Mayer NStZ 1991 526; Roxin AT I § 20 Rdn. 10. Ebenso BGH JR 1988 208; BGHR StGB § 21 BÄK 6, 10; zum Grundsatz in dubio pro reo BGHR StGB § 20 BÄK 10; eingehend v. Gerlach BA 1990 305; Saiger Verkehrsstrafrecht S. 9, 11; ders. FS Pfeiffer, S. 379, 385; Maatz BA 1996 233 ff.
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
Strafsenate des B G H angeschlossen hatten, waren vor allem Praktikabilitätsgesichtspunkte (vgl. Saiger 1988, S. 3 7 9 ff: „einfache und schnelle" sowie „rechtlich unbedenkliche" Bewältigung eines „Massenproblems"). Im Rahmen eines vom 1. Senat in die Wege geleiteten Anfrageverfahrens gemäß § 132 II, III GVG sind inzwischen jedoch sämtliche Strafsenate des Bundesgerichtshofs mehr oder weniger deutlich von dieser einseitigen Betonung der BÄK abgerückt und zu der Feststellung gelangt, dass ein gesicherter medizinisch-statistischer Erfahrungssatz über die alleinige Bedeutung der Blutalkoholkonzentration für die Annahme einer Ex- oder Dekulpation nicht existiert (BGHSt 43 66 ff = J R 1 9 9 7 514 m. zust. Anm. Loos; Anfragebeschluss B G H N S t Z 1 9 9 6 5 9 2 ff); der Entscheidung lag ein Gutachten von Kröber zugrunde (NStZ 1 9 9 6 5 6 9 ff). Damit hat die „Psycho-Diagnostik" im Verhältnis zur „Promille-Diagnostik" wieder größere Bedeutung erlangt (vgl. Sch/Scbröder/Lenckner/ Perron Rdn. 16a; B G H N S t Z 2 0 0 5 329). Bei sehr hoher Alkoholkonzentration (z.B. 3,61 %o) ist aber nach wie vor davon auszugehen, dass diese die Steuerungsfähigkeit zumindest erheblich einschränkt, da einfache Handlungen eines alkoholgewohnten Täters nicht das Gegenteil indizieren (BGH N S t Z 2 0 0 5 6 8 3 f).
102
Einigkeit bestand zwischen den Strafsenaten schon vorher darin, dass im Bereich des § 2 0 eine korrespondierende Indizwirkung des Schwellenwertes von 3 %o (3,3 %o) nicht besteht, 9 5 da es sich insoweit nicht um einen „Grenzwert" aufgrund medizinisch-statistischer Erfahrung handelt, der Gegenindizien verdrängt (BGH N S t Z 1 9 9 6 593). Darin liegt kein Widerspruch. Der vermindert Schuldfähige ist schuldfähig und hebt sich lediglich graduell vom Normalen ab. Der steuerungsunfähige Täter hingegen unterscheidet sich von anderen qualitativ. Zwar hat ein besonders hoher BAK-Wert auch für § 2 0 großes Gewicht ( B G H R StGB § 2 0 BÄK 10, 12, 13; B G H N S t Z 2 0 0 0 136; StV 1998 2 5 6 f). Gegenanzeichen können dieses Gewicht im Rahmen einer Gesamtwürdigung aber relativieren. Nur wenn Gegenindizien fehlen, wird bei einer über dem Schwellenwert liegenden BÄK Schuldunfähigkeit regelmäßig anzunehmen sein. Das Hinzutreten weiterer belastender Faktoren kann hingegen das Gewicht des BAK-Wertes verstärken.
103
Als wichtiges psychodiagnostisches Gegenindiz ist umsichtiges Reagieren auf unvorhergesehene und plötzliche Situationsveränderungen 9 6 sowie außergewöhnliche Körperbeherrschung zu betrachten. Ebenso von Bedeutung sind Alkoholgewöhnung und -tolerara (Streng M K Rdn. 6 9 ; B G H N S t Z 1 9 9 7 591 f; StV 1998 2 5 8 ; N S t Z - R R 1 9 9 7 161). „Süchtiges Gleichgewicht" zeigt ebenso wie bei Betäubungsmittelabhängigen auch beim Alkoholiker, etwa beim Spiegeltrinker, voll erhaltene Schuldfähigkeit an (Stephan in Hommers S. 91, 94, 104; s. auch B G H bei Pfeiffer/Maul/Scbulte § 51 Anm. 5); führt der Süchtige sich den seiner Sucht entsprechenden Bedarf an Alkohol zu, befindet er sich unter dem Blickwinkel der Steuerungsfähigkeit im „Normalzustand". Planvolles, zielgerichtetes, auch äußerlich geordnetes, motorisch kontrolliertes und situationsangepasstes Verhalten besagt dagegen bei alkoholgewohnten Tätern nach ständiger Rechtsprechung wenig, 9 7 weil es Voraussetzung der Tat ist oder auch durch eingeschliffene Automatis-
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BGHSt 35 30B, 315; BGH NStZ 1982 376; 1991 126, 127; BGH StV 1989 387; BGH VRS 69 431; BGHR StGB § 20 BÄK 1 - 4 , 6, 10, 12, 13; BGH NStE StGB § 20 Nr. 25; Rudolphi SK 7 Rdn. 7; Saiger Verkehrsstrafrecht S. 9, 14. Vgl. BGHR StGB § 20 BÄK 1; § 21 BÄK 9; Alkoholauswirkungen 2, s. auch Rdn. 72 ff.
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BGH StV 1991 297; 1992 317; BGH NStZ 1984 408; 1987 453; BGHR StGB S 20 BÄK 12; S 21 BÄK 4, 7, 15; v. Gerlach BA 1990 305; s. ferner Rdn. 73; kritisch Foth NJ 1991 386, 388; aA Streng MK Rdn. 69.
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2. Abschnitt. Die Tat
men begünstigt sein kann. Umgekehrt kann aber die Unsinnigkeit der Tat und diffuses, wenig folgerichtiges Vorgehen ein Anhalt für aufgehobenes Hemmungsvermögen sein ( B G H R StGB § 2 0 BÄK 5; Bewusstseinsstörung 2; § 21 BÄK 6). Eine erhaltene Erinnerung ist allein ebenso wenig aussagekräftig, eher schon ein „Filmriss". 9 8 Noch weniger taugt das Kriterium der Persönlichkeitsfremdheit der Tat; es besagt nur, dass man dem nüchternen Täter die Tat nicht zutrauen würde; das ist keine nachprüfbare A u s s a g e . " Die Einschätzung des Trunkenheitsgrades des Täters durch darin nicht geschulte Personen ist für die Beweiswürdigung bedeutungslos (BGH StV 1992 317); anders die Mitteilung konkreter Indiztatsachen wie Lallen, Schwanken oder sonstige motorische Ausfälle ( B G H R StGB § 21 Ursachen, mehrere 11), die aber selbst bei hohen BAK-Werten fehlen können (Stephan in Hommers S. 91, 109). 105
Können belastende Indizien nicht nachgewiesen oder entlastende Indizien nicht widerlegt werden, so ist nach dem Grundsatz in dubio pro reo von den für den Beschuldigten günstigeren Begleitumständen auszugehen, wobei allerdings nicht isoliert auf das einzelne Indiz, sondern auf das Ergebnis einer Gesamtwürdigung der Gesamtanzeichen abzustellen ist (Tröndle/Ftscher Rdn. 15). Gegenüber aussagekräftigen psychodiagnostischen Beweisanzeichen ist einem Blutalkoholwert insbesondere dann geringere Bedeutung beizumessen, wenn dieser lediglich auf Grund von Trinkmengenangaben nach längerer Trinkzeit ermittelt worden ist. (BGH N S t Z 1998 4 5 7 f; BGHSt 35 3 0 8 , 315). Eine tatzeitnah gemessene BÄK von mehr als 2 %o stellt aber nach wie vor das wichtigste Indiz für eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit dar (Schöch GA 2 0 0 6 372).
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Die Ermittlung der Tatzeit-BAK geschieht durch Hinrechnung (aus den Trinkmengen vor der Tat) oder Rückrechnung (aus einer nach der Tat entnommenen Blutprobe). 1 0 0
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Die Hinrechnung beruht auf der festgestellten Trinkmenge vor der Tat (zur Würdigung von Trinkmengenangaben des Angeklagten B G H NStZ 1991 126, 127). Daraus ergäbe sich eine BÄK, die vorhanden wäre, wenn der aufgenommene Alkohol insgesamt und gleichzeitig ins Blut gelangt und damit im Zentralnervensystem wirksam geworden wäre. Weil nicht der gesamte Alkohol in dieser Weise wirksam und der ins Blut gelangte fortlaufend (aber nicht unbedingt gleichmäßig) abgebaut wird, sind von der theoretischen BÄK mit Hilfe der sog. Widmark-Formel Abzüge wegen der Verteilung des Alkohols im Körpergewebe zu machen sowie ein Resorptionsdefizit und der Alkoholabbau zu berücksichtigen. 101 98
99
BGHSt 34 22, 26; BGH NStZ 1981 298; 1982 376; 1989 365, BGH StV 1990 259; 1991 297; BGH bei Daliinger MDR 1953 596; bei Holtz MDR 1976 632; BGH VRS 69 431; BGH GA 1955 269; BGHR StGB § 20 BÄK 11; § 21 BÄK 4; Ursachen, mehrere 11; § 323a Rausch 2; BGH NStE StGB § 20 Nr. 25; Athen Das öff. Gesundheitswesen 1985 65; Forster/Joachim in Forster S. 480 ff; Platz in Beck-Mannagetta/ Reinhardt S. 77, 97; zu weitgehend BGHR StGB § 20 Bewusstseinsstörung 5; OLG Karlsruhe BA 1991 190; s. ferner Rdn. 184. BGH bei Spiegel DAR 1982 197; Platz in Beck-Mannagetta/Reinhardt S. 77, 97; Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 221; vgl. auch Rasch NJW 1980 1309, 1312; Mende in Venzlaff S. 324; aA BGH NStZ 1981 298.
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Zu den untereinander abweichenden Berechnungsarten bei Beurteilung der Fahrtauglichkeit: BGHSt 25 246, 250; BGH NStZ 1986 114; BGHR StGB § 316 I Fahruntüchtigkeit, absolute 1; Saiger DRiZ 1989 174; der Glaubwürdigkeit einer Beweisperson: BGHR StGB § 21 BÄK 1, 3, 7, 8, 18; bei Plausibilitäts- oder Kontrollberechnungen findet der Zweifelssatz keine Anwendung (BGHR StGB § 20 BÄK 3). BGHSt 34 29, 32; 35 286, 288; 37 231, 238; BGHR StGB § 20 BÄK 2, 4; BGH VRS 71 176; zur Bedeutung von AtemalkoholWerten s. Schoknecht/Schröder BGesundheitsbl. 1992 435; Denkschrift d. Deutschen Gesellschaft f. Rechtsmedizin, BA 1992 108, 116; Schoknecht/Brackemeyer BA 1992 316.
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
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Nach der Widmark-Formel (c = A/p· r) ist die aufgenommene Alkoholmenge in 1 0 8 Gramm (A) durch das reduzierte Körpergewicht in kg zu teilen. Das reduzierte Körpergewicht spiegelt die Verteilung des Alkohols im gesamten Körpergewebe (also außerhalb des Bluts) wider; dazu ist das Körpergewicht (p) mit dem sog. Verteilungsfaktor c (in der Regel 0,7) zu multiplizieren. Beispiel: Der 70 kg schwere Täter hat von 16 Uhr bis zur Tat um 21 Uhr 4 1 Bier getrunken. 4 Liter Bier enthalten durchschnittlich 160 g Alkohol. 102 Die Höchst-BAK beträgt nach Errechnung des reduzierten Körpergewichts (70 · 0,7 = 4 9 kg) 160 g geteilt durch 49 kg = 3,26 %„ (Einzelheiten bei Brettel in Forster S. 450). Hiervon abzuziehen sind das Resorptionsdefizit (nicht vom Körper resorbierter Alkohol, zwischen 10 und 30 % , in dubio pro reo mithin: 10 %) von 0,32 %0 sowie der Abbau über 5 Stunden (in dubio 0,1 %o pro Stunde) = 0,5 %o. Der Täter hätte hiernach im Tatzeitpunkt eine für die Beurteilung maßgebende BÄK von 2 , 4 4 %o gehabt. Um die Nachprüfung eines derartigen Ergebnisses zu ermöglichen, bedarf es der Feststellung des Körpergewichts, der Getränkeart, der Trinkmenge und der Trinkzeit im Urteil (BGHR StGB § 20 BÄK 5, 11, 12; § 12 BÄK 2). Doch darf die scheinbare Genauigkeit der Berechnung nicht darüber hinwegtäuschen, dass der sog. Reduktionsfaktor ein Durchschnittswert ist, welcher die Berechnung mit beträchtlichen Unsicherheiten behaftet. Die Rückrechnung auf der Grundlage einer nach der Tat entnommenen Blutprobe ist bis zu einem Zeitraum von 10 Stunden einfacher. Wenn zwischen Tat und Blutentnahme kein Nachtrunk stattgefunden hat, ist zugunsten des Täters ein stündlicher Alkoholabbau von 0,2 %o und zusätzlich ein einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2 %o anzusetzen (BGHSt 37 231, 237). 1 0 3 Ein individueller Abbauwert, welchen man früher aus der Differenz zweier im Abstand entnommener Blutproben zu ermitteln suchte, ist nach medizinischer Erkenntnis nicht feststellbar (BGHSt 34 29, 32; BGH NStZ 1991 329 m. Anm. Grüner J R 1992 117; BGH NStZ 1986 114; BGH VRS 71 176, 360). Auch die Dauer der Resorptionsphase, in welcher die BAK-Kurve noch ansteigt, lässt sich nicht im Einzelfall bestimmen. Sie kann an sich zwar bis zu 2 Stunden dauern (BGHSt 25 2 4 6 , 2 5 0 bezüglich der belastenden Rückrechnung für die Fahruntüchtigkeit gem. § 316 StGB). Um eine Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen, ist aber bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit anzunehmen, dass die Resorption im Tatzeitpunkt abgeschlossen und der Scheitelpunkt der BAK-Kurve erreicht war. In die Rückrechnung ist daher der gesamte zwischen Tat und Blutentnahme verstrichene Zeitraum einzubeziehen (Saiger DRiZ 1989 174; aA Grüner J R 1992 118).
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Für die Rückrechnung kann ein Nachtrunk Bedeutung erlangen. Steht er fest, ist aus der festgestellten Nachtrunkmenge mit Hilfe der Widmark-Formel (Rdn. 108) ein BAKWert zu ermitteln, welcher vom Ergebnis der Rückrechnung abzuziehen ist, weil der Nachtrunk im Tatzeitpunkt keine Bedeutung für die Schuldfähigkeit hatte. Der In-dubioSatz gebietet hierbei aber, die Berechnungsfaktoren so zu handhaben, dass sich ein möglichst niedriger Nachtrunkwert ergibt, denn je geringer der Abzug wegen Nachtrunks ist, desto höher ist der verbleibende Tatzeitwert. Ein höherer BAK-Wert aber wirkt bei der Prüfung der Schuldfähigkeitsfrage zugunsten des Angeklagten. Daher ist für den Nachtrunk ein Resorptionsdefizit von 30 % anzunehmen (BGHR StGB § 21 BÄK 10). Ein Abzug für Alkoholabbau im Blut scheidet hingegen aus. Der bei der Rückrechnung
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Gerchow/Heberle Alkohol-AlkoholismusLexikon S. 30; Mühlhaus/Janiszewski StVO 12. Aufl. § 316 StGB Rdn. 39. Gutachten von Gerchow/Hetfer/Schewe/ Schwerd/Zink BA 1985 77, nunmehr
ständige Rechtsprechung, vgl. BGH N S t Z 1991 329; aA für Alkoholiker (0,29 %„ und mehr pro Stunde + 0,2 Sicherheitszuschlag) Haffner u.a. BA 1992 46; s. auch Bilzer u.a. BA 1991 377.
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2 . Abschnitt. Die Tat
ohnehin berücksichtigte stündliche Abbau von 0,2 %o ist bereits ein Maximalwert, er verändert sich nicht dadurch, dass der Täter nach der Tat weiteren Alkohol zu sich nimmt. Ein nur möglicher Nachtrunk bleibt für die Schuldfähigkeitsbeurteilung außer Betracht. Seine Berücksichtigung würde gegen den In-dubio-Satz verstoßen, weil sich daraus zu Lasten des Täters eine Verminderung der Tatzeit-BAK ohne feststehende Tatsachengrundlage ergäbe. 111
Stets ist jedoch der eingeschränkte Beweiswert errechneter BAK-Wert aufgrund von Trinkmengenangaben oder bei einer Rückrechnung über lange Zeiträume zu beachten (BGH N S t Z 2 0 0 0 136 f; N S t Z 1995 2 2 6 ; nach Kröber N S t Z 1996 569, 5 7 6 sogar indiziell bedeutungslos und praktisch irreführend; ähnlich Kröber Sucht 2 0 0 1 341 ff). Dieser hat jedenfalls nicht dieselbe Indizwirkung für die Schuldfähigkeit wie der von einer Blutprobe ohne oder mit kurzzeitiger Rückrechnung entnommene Wert (BGHSt 3 6 2 8 6 , 2 8 9 ) . Dies ändert aber nichts daran, dass es der Zweifelssatz gebietet, den errechneten Maximalwert mit der sich daraus ergebenden Indizwirkung der Beurteilung der Schuldfähigkeit zugrunde zu legen, wenn keine kontraindikatorischen Beweisanzeichen vorhanden sind (BGHSt 3 6 2 8 6 , 2 9 1 ; B G H N S t Z 1989 17; Bay-ObLG VRS 82 182). Dies führt in der Regel zur Annahme verminderter Schuldfähigkeit beim Überschreiten des Schwellenwertes (Rdn. 4 5 ; s. ferner Rdn. 2 3 5 ) . Allerdings verbietet es der Zweifelssatz nicht, die errechnete BÄK in eine Gesamtwürdigung aller für die Schuldfähigkeit relevanten Feststellungen zum Tatgeschehen und zum Täterverhalten - also Beweisanzeichen im weiteren Sinne wie Alkoholgewöhnung und Tatplanung - einzubeziehen, weshalb in aller Regel doch ein völliger Ausschluss der Steuerungsfähigkeit verneint werden kann (vgl. BGHSt 35 3 0 8 , 316 f; Streng M K Rdn. 30, 72). Ist der genaue Tatzeitpunkt nicht festzustellen und hat der Angeklagte in den Tagen vor der Tat und darüber hinaus durchgehend in erheblichem M a ß e Alkohol konsumiert, so ist für einen Ausschluss der Schuldunfähigkeit die Feststellung erforderlich, dass für den gesamten in Betracht kommenden Tatzeitraum die BÄK des Täters den Wert von 3 %o nicht erreicht hat ( B G H R StGB § 2 0 BÄK 15; zur Berücksichtigung leer laufender Abbauzeiten, wenn der Angeklagte vor der Tat in zwei Phasen Alkohol getrunken hat vgl. B G H N S t Z 1 9 9 4 334).
112
Noch keine einheitliche Linie hat die Rechtsprechung bezüglich der Alkoholgewöhnung und -Verträglichkeit gefunden. Sie wird von psychiatrischer und gerichtsmedizinischer Seite für besonders wichtig gehalten (vgl. Kröber N S t Z 1996 5 6 9 ff; Joachim nach; B G H N S t Z 1996 5 9 2 ff). Nach der vom 1. Senat veranlassten Wende (BGHSt 43 63, 66 ff) wird ihnen auch vom 3., 4. und 5. Senat größere Bedeutung beigemessen (Nachweise bei Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 16e), während der 2. Senat darin nach wie vor „keine wesentlichen Kriterien" sieht (BGH NStZ 1 9 9 8 2 9 5 f, dagegen neuerdings der 1. Senat in B G H N S t Z 2 0 0 5 3 3 9 ff).
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Relevante Beeinträchtigungen unterhalb der Schwellenwerte wurden bei folgenden physischen und psychischen Befindlichkeiten in Verbindung mit Alkohol anerkannt: Affekte oder affektive Erregungen, 1 0 4 ein Unfallschock (BGH VRS 2 4 189), hirnorganische Schädigungen (BGH N S t Z 1992 32; StV 1987 2 4 6 m. Anm. Neumann StV 1993 187), Schizophrenie (BGH N S t Z 1991 352), schwere Persönlichkeitsstörung (BGH NStZ 1999 5 0 8 ) , schwere neurotische Fehlentwicklung (BGH N J W 1984 1631), soziopathische Persönlichkeitsstruktur (BGH StV 1993 185 f; B G H - R § 2 0 , Ursachen, mehrere 2), die
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BGHSt 3 5 3 0 8 , 317; N S t Z 1 9 8 6 114; 1 9 8 7
321; 1988 268 mit Anm. Venzlaff-, 1997 232: 1999 508.
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zusätzliche Einnahme von Drogen (BGH StV 1988 294) und das Zusammenwirken mit Medikamenten (OLG Karlsruhe VRS 80 [1991] 440, 448). Zu den Ausnahmefällen, in denen der Grad der Alkoholisierung geringere Bedeutung hat, gehört die durch gesteigerte Erregung gekennzeichnete abnorme Alkoholreaktion (sogenannter abnormer oder komplizierter Rausch), bei dem lediglich eine quantitative Steigerung der Alkoholwirkung eintritt, die sich in einer außergewöhnlich starken Ausprägung einzelner rauschtypischer Merkmale wie Streitsucht oder Gereiztheit äußert (BGHSt 40 198, 199). Davon zu unterscheiden ist der sog. pathologische Rausch, der nach der psychiatrischen Literatur äußerst selten auftritt und als ein durch Alkohol ausgelöster Dämmerzustand beschrieben wird. Dabei handelt es sich um äußerst intensive Wut- und Angstaffekte, welche das alkoholbedingte dämmrige Bewusstsein psychogen noch weiter einengen (Joachim in Saß Affektdelikte [1993] S. 187). Ein pathologischer Rausch entsteht fast immer aufgrund einer Hirnschädigung oder einer schwerwiegenden körperlichen Erkrankung, die eine Alkoholunverträglichkeit zur Folge haben (hierzu und zum Folgenden BGHSt 4 0 198, 200; kritisch Schneider/Frister S. 28, die wegen der unspezifischen und differenzialdiagnostisch wenig trennscharfen Merkmale auf diese diagnostische Kategorie verzichten wollen; differenzierend Konrad MEDSACH 1995 5 ff). Sein Ablauf ist gekennzeichnet durch rasches, gleichzeitiges Einsetzen von vitaler Erregung, Bewusstseinsstörung und einem massiven Affektausbruch (zu den Voraussetzungen vgl. BGH NJW 1994 2426 f = J R 1995 115 ff m. Anm. Blau). Die Erlebniszusammenhänge haben keine durchschaubaren Sinnbezüge mehr. Die Grundstimmung ist meistens die Angst. Das Handeln erscheint nur noch von Affekt erfüllt und enthält kein gegenständliches Erleben mehr (Joachim in Saß Affektdelikte [1993] S. 187). Körperliche Anzeichen, wie sie bei einem Alkoholrausch üblicherweise zu beobachten sind - Torkeln, Taumeln oder verwaschene Sprache - , fehlen. Dem laienhaften Betrachter vermittelt der Berauschte eher den Eindruck eines Geisteskranken als den eines Volltrunkenen. Das anfallsartige Geschehen endet in der Regel in einem narkoseähnlichen Schlaf, aus dem der Betroffene fast immer ohne Erinnerung erwacht (BGHSt 40 200 mit Nachweisen aus der psychiatrischen und rechtsmedizinischen Literatur). Ein solcher pathologischer Rausch begründet wegen seines den endogenen Psychosen vergleichbaren Bildes Schuldunfähigkeit (bei erstmaligem Auftreten kann dem Betroffenen auch kein Schuldvorwurf unter dem Aspekt der actio libera in causa oder des Sichberauschens im Sinne des § 323a StGB gemacht werden, BGHSt 4 0 198, 200; kritisch aufgrund empirischer Befunde Winckler Nervenarzt 1999 1; Tröndle/Fischer Rdn. 18).
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Fehlen zuverlässige Berechnungsgrundlagen für die Bestimmung der Tatzeit-BAK, so ist der Richter in der Regel (BGH NJW 1986 1555, 1557; StV 1989 12 m. Anm. Weider, BGHR StGB § 21 BÄK 13) gehalten, sich unter Beachtung des Zweifelssatzes eine Uberzeugung davon zu verschaffen, welche Höchstmenge aufgenommenen Alkohols nach der Sachlage in Betracht kommt (BGHR StGB § 20 BÄK 1; § 21 BÄK 22; Ursachen, mehrere 12). Doch muss er sich nicht in reiner Spekulation ergehen (BGH NStZ 1992 32; weitergehend BGH StV 1992 317). Ergeben sich zureichende tatsächliche Anknüpfungspunkte, ist zwar eine Schätzung zulässig und geboten (BGHR StGB § 21 BÄK 23). Der Richter ist aber nicht verpflichtet, Sachverhalte zugunsten des Angeklagten zu unterstellen, für die es keinen begründeten Anhalt gibt (BGHSt 34 29, 34; BGHR StGB § 21 BÄK 22; stand. Rechtsprechung). Lassen sich nach Erschöpfung aller Beweismöglichkeiten keine Erkenntnisse darüber gewinnen, dass der Täter erheblich alkoholisiert war, ist daher volle Schuldfähigkeit anzunehmen (BGHR StGB § 21 BÄK 9, 13). Auf eine eingehende Erörterung des Trunkenheitsgrades kann der Richter ferner verzichten, wenn die Angaben des Angeklagten über seinen Alkoholgenuss (bei fehlender Blutprobe) die Möglichkeit einer
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2. Abschnitt. Die Tat
Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit nicht nahe legen (OLG Düsseldorf J Z 1990 100). Umgekehrt müssen festgestellte psychodiagnostische Merkmale auch dann geprüft und im Hinblick auf die Frage der Schuldfähigkeit gewürdigt werden, wenn Feststellungen zur Menge des getrunkenen Alkohols und zur BÄK unmöglich sind. Unerheblich ist Alkoholgenuss im Falle der actio libera in causa (Rdn. 194). 116
4. Drogeneinfluss.105 Die bloße Abhängigkeit von Drogen 1 0 6 ist eine schwere andere seelische Abartigkeit, soweit sie nicht wegen körperlicher Abhängigkeit zu den krankhaften seelischen Störungen gehört (Rdn. 92). Sie beeinflusst für sich genommen die Steuerungsfähigkeit nicht (Maatz BA Supplement 2003 7 ff m.w.N). Ihr Ausschluss ist jedoch in Betracht zu ziehen, 107 wenn langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat. In diesen Fällen liegt regelmäßig zugleich ein organischer Befund und damit eine krankhafte seelische Störung vor. Ebenso zu beurteilen ist ein akuter Rausch. Schwere Entzugserscheinungen können die Steuerungsfähigkeit bei Beschaffungsdelikten in Ausnahmefällen, zumal in Kombination mit Persönlichkeitsveränderungen, gleichfalls aufheben. 108 Entzugserscheinungen, welche erst bevorstehen, mögen mitunter den Drang zur Beschaffungskriminalität übermächtig werden lassen und damit die Voraussetzungen des § 21 begründen (BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 5, 9; BGH NStZ 1990 384); § 20 ist in solchen Fällen aber nicht gegeben. 109 Eine Drogenabhängigkeit, welche sich nicht tatmotivierend ausgewirkt hat, ist gänzlich bedeutungslos (BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 2; seel. Abartigkeit 17).
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Ein weiterer, aber nicht einheitlich beurteilter Fall möglicher Schuldunfähigkeit ist der sog. „flash back", bei dem nach längerer Enthaltsamkeit von LSD oder Haschisch, also ohne akute Intoxikation, aus ungeklärter Ursache die Symptome eines schweren Rausches auftreten. 110
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Keine verlässlichen Maßstäbe hat die Wissenschaft bisher zur nachträglichen Bestimmung der Wirkmenge von Drogen und für die nachträgliche Beurteilung der Schuldfähigkeit an Hand des Ausmaßes der Betäubungsmittelaufnahme zu entwickeln vermocht. Methoden der Hinrechnung zur Tat und der Rückrechnung nach der Tat wie beim Alkohol (Rdn. 106 ff) gibt es nicht. Zwar ist eine solche Bestimmung nicht unbedingt für den schweren akuten Rausch erforderlich; wenn es in diesem Zustand zu einer Straftat kommt, ist die Beurteilung der Psychose nach denselben Kriterien wie bei einem Alkoholrausch, bei dem Blutprobe und Trinkmengenangaben fehlen, also nach psychodiagnosti-
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Zur Begutachtung bei Drogenkonsumenten Glatzel Kriminalistik 1996 799; Erkwoh/ Saß Rechtsmedizin 1996 105; Schramm/ Kroeber MEDSACH 1994 2 0 5 ; Täschner BA 1993 313; sowie die Beiträge von Kauert, Maatz, Täschner, Wendt/Kröber in BA Supplement 2 0 0 3 3 - 2 8 . Dazu Geschwinde Rauschdrogen 2. Aufl. [1990]; Maatz/Mille D R i Z 1993 15; (Jehmichen u.a. Drogenabhängigkeit 1992; Theune NStZ 1997 57 ff. BGH J R 1987 2 0 6 m. Anm. Blau; BGH StV 1981 2 3 7 ; 1988 198 m. Anm. Kamischke; BGH bei Holtz M D R 1977 982; 1978 109; BGH bei Schoreit NStZ 1990 331; BGH bei Schmidt M D R 1991 1115; BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 6, 8, 10, 11; OLG Celle
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NStE StGB § 2 0 Nr. 4; Finzen in Venzlaff S. 277; Gerchow Psychiatrie d. Gegenwart 3 S. 81, 90; Kreuzer N J W 1979 1241, 1243; Saiger DAR 1986 383 ; Täschner N J W 1984 638, 639. BGHR StGB S 2 0 BtM-Auswirkungen 1; BGH N S t Z - R R 1997 2 2 7 ff; NStZ 2001 82 f; NStZ 2 0 0 2 31 f. Haddenbrock Schuldfähigkeit S. 273; Täschner N J W 1984 638, 639; Vossen in Haesler S. 311, 314; aA, aber undifferenziert, Kellermann in Sucht u. Delinquenz S. 77, 79. Logemann/Werp in Forster S. 776; Scheute! Reinhardt in Schwerd S. 2 3 4 ; Schleuss in Venzlaff S. 445.
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sehen Merkmalen, vorzunehmen (Foerster in Foerster4 S. 216 f). Der Zustand der Persönlichkeitsveränderung (Depravation) ist ohnehin minder kriminogen (Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 233). Misslich ist das Fehlen eines der BÄK vergleichbaren Parameters aber in den Fällen, in denen es nicht zu einem schweren Rausch gekommen ist, in denen Nachwirkungen einer Drogenaufnahme abzuschätzen sind oder in denen Drogengenuss im Zusammenhang mit anderen belastenden Faktoren zu beurteilen ist. Es geht hier in aller Regel um die Voraussetzungen des § 21 (Platz in Frank/Harrer S. 113, 128; Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 234). Der Wissenschaft ist es zwar gelungen, Drogen und ihre Abbauprodukte im Blut, im Urin und in den Haaren (Balabanova u.a. Zeitschr. f. Rechtsmedizin 1989 503; Reinhardt/Sachs FS Schewe, S. 261) nachzuweisen. Sogar der Verzehr geringer Mengen Mohnkuchen hinterlässt entsprechende Spuren ( L o g e m a n n / W e r p in Forster S. 763). Aber bei einer Droge wie Haschisch gestattet ein positiver Urinbefund lediglich den Schluss, dass Cannabis konsumiert wurde. Über den Zeitpunkt des Konsums und über die aufgenommene Menge sind Feststellungen hingegen kaum jemals möglich (dazu auch Rdn. 121). Wegen der unerforschten individuellen Wirkungen von Drogen ist auch eine hinreichend zuverlässige Aussage über die Korrelation zwischen Urin- oder Blutbefund und Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nicht möglich. 111 Feststehen dürfte lediglich, dass mit dem Suchtgewöhnungseffekt die Wirkung der einzelnen Dosis abnimmt. Es bleibt mithin lediglich der Versuch, aus psychodiagnostischen Merkmalen unter Verwertung des Blut-, Urin- oder Haarbefundes Rückschlüsse auf die Tatzeit-Befindlichkeit des Täters zu ziehen (OLG Köln StV 1992 167).
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5. In vielem vergleichbar ist der Wissensstand über die Wirkungen von zentral wirksamen Medikamenten (sog. psychotrope Sustanzen wie Benzodiazepine, morphinhaltige Medikamente, Neuroleptika; nicht andere Medikamente wie Herz- und Kreislaufmittel, Antihistaminica oder pflanzliche Beruhigungsmittel, die allenfalls Übermüdung zur Folge haben). Die bloße Abhängigkeit von psychotropen Medikamenten ist kein Grund, die volle Schuldfähigkeit des Täters anzuzweifeln, weil Medikamentensucht qualitativ nichts anderes als Betäubungsmittelabhängigkeit ist. Eine akute Intoxikation hingegen kann zu Bewusstseinstrübungen bis hin zum Verlust der Handlungsfähigkeit führen; bei Schlafmittelabhängigkeit ist auch eine Wirkungsumkehr des Medikaments hin zum Aufputschen möglich (BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 10).
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Aus naheliegenden Gründen ist der Forschungsaufwand bei Medikamenten groß. Er hat zu begrifflichen Festlegungen geführt, welche in der Diskussion benutzt werden, im forensischen Bereich aber keinen erheblichen Ertrag abwerfen. So ist die (Eliminations-)Halbwertszeit die Zeit, welche vergeht, bis der Organismus die Hälfte des aufgenommenen Wirkstoffs ausgeschieden hat ( L o g e m a n n / W e r p in Forster S. 722; s. aber auch Kemper DAR 1986 391). Sie ist individuell und unter verschiedenen Bedingungen auch bei derselben Person höchst unterschiedlich {Joachim in Forster S. 397). Exakte Rückschlüsse auf die zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgenommene oder wirksame Quantität sind daher nicht möglich (Gerchow BA 1987 233; Kemper DAR 1986 391, 394; Maatz/Mille DRiZ 1993 15, 24). Eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit resultiert außerdem nicht aus der Wirkstoffmenge im Gesamtorganismus. Sie hängt vielmehr davon ab, wie viel Wirkstoff an die Rezeptoren im Zentralnervensystem gelangt ist. Gesetzmäßigkeiten
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Gerchow BA 1985 152; 1987 2 3 3 ; in (Jehmichen u.a. S. 175, 182; 25. Deutscher Verkehrsgerichtstag (1987) S. 38, 40; Loge-
mann/Werp in Forster S. 7 7 9 ; Maatz/Mille DRiZ 1993 15, 24; Saiger DAR 1986 383, 388.
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sind insoweit, anders als beim Alkohol, nicht nachweisbar. Daher ist auch der sog. effektive Wirkstoffspiegel im Blut (Übersicht bei Logemann/Werp in Forster S. 726 ff) nicht unmittelbar aussagekräftig; er drückt lediglich Erfahrungswerte über die zur Erzielung der angestrebten therapeutischen Wirkung erforderliche Arzneimittelkonzentration im Blut aus. Allerdings sind die in Blut- und Urinproben des Täters ermittelten Wirkstoffe und Abbauprodukte nicht ohne Bedeutung. Mit einiger Zuverlässigkeit lässt sich daraus immerhin die Größenordnung der Medikamentenaufnahme abschätzen; etwaige Angaben des Täters zu seinem Tablettenkonsum lassen sich hiermit überprüfen (s. Aderjan/ Schmidt Der med. Sachverst. 1980 92). Hohe Konzentrationen werden im Übrigen eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit eher anzeigen als niedrige und umgekehrt. 122
In der Praxis führt die Einnahme eines einzigen Medikaments selten zu größeren Begutachtungsproblemen. Schwieriger zu beurteilen sind Kombinationswirkungen verschiedener Medikamente oder von Medikamenten mit Drogen und Alkohol (hierzu Joachim in Forster S. 404; Glatzel Forens. Psychiatrie S. 112). Betäubungsmittelabhängige suchen häufig durch die Einnahme von Benzodiazepinen (früher Valium mit dem Wirkstoff Diazepam, seither Rohypnol mit dem Wirkstoff Flunitrazepam) die als angenehm empfundenen Wirkungen des Betäubungsmittelgenusses zu steigern und zu verlängern oder unangenehme Begleiterscheinungen und Entzugssymptome zu bekämpfen. Aussagen zu § 2 0 oder § 21 sind auch in diesen Fällen nur im Wege einer Gesamtwürdigung der psychodiagnostischen Beurteilungsmerkmale und des Blut- oder Urinbefundes zu treffen (Saiger Verkehrsstrafrecht S. 9, 18), wobei die feststellbaren Verhaltensauffälligkeiten und das Leistungsverhalten des Täters größeres Gewicht haben (Pluisch NZV 1996 98 ff).
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6. Affekte. Unter den tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen spielen als konstellative Faktoren die Übermüdung (RG HRR 1939 Nr. 1063) und die Erschöpfung (BGH NStZ 1983 280) eine gewisse Rolle, in besonderen Konstellationen auch gruppendynamische Effekte in Verbindung mit Alkoholisierung bei Gewalttaten Jugendlicher (Schumacher StV 1993 549). Forensisch von Bedeutung sind vor allem die normalpsychologischen Affekte, d.h. solche, die nicht als Symptom einer Krankheit in Erscheinung treten. Marneros (S. 109 ff) ordnet diese auch der schweren akuten Belastungsreaktion und damit dem 4. Merkmal zu. Sie können in seltenen Fällen den Tatvorsatz 112 sowie besondere Bewusstseinsformen wie bei den niedrigen Beweggründen und der Heimtücke in § 211 (Jährtke LK 11 § 211 Rdn. 37, 47) berühren, in der Regel aber eher die Steuerungsfähigkeit, während das Unrechtsbewusstsein erhalten bleibt (BGHSt 2 194, 206; zum Merkmal „tiefgreifend" Rdn. 62 ff). In seltenen Fällen kommt ein völliger Schuldausschluss in Betracht, der auch im Zusammenwirken von Affekt und alkoholischer Enthemmung möglich ist (BGH StV 1994 13; NStZ 1997 232 f; einschränkend Maat ζ Nervenarzt 2 0 0 5 1393, 1401).
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Eine überzeugende Definition des Begriffs Affekt ist bisher nicht gelungen. Seine Kennzeichnung als „Höchstform der Erregung" (BGHSt 11 20, 24) bzw. als reaktives seelisches Gefühl von akutem Charakter, starkem Grad und mit körperlichen Begleit112
BGH VRS 2 0 47; Geilen FS Maurach, S. 173, 176; E. A. Wolff FS Gallas, S. 197, 2 0 9 Fn. 49; Prittwitz GA 1994 454 ff hält jedenfalls dolus eventualis bei Affekttaten für ausgeschlossen; aA Bockelmann Gedächtnisschrift Radbruch S. 252, 256; Krümpelmann Affekt S. 208; Scheine
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Reflexbewegung S. 107; Ziegert S. 21, 171; Stratenwerth FS Welzel, S. 289, 300; kritisch Maatz Nervenarzt 2 0 0 5 1393, der zutreffend auf die Gefahr einer Überstrapazierung der Hemmschwellentheorie bei vorsätzlicher Tötung hinweist.
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erscheinungen (Saß Nervenarzt 1983 557, 558) 1 1 3 beschreibt immerhin wesentliche Aspekte. Es geht stets um Zustände höchster Erregung (Saß Affektdelikte, S. 1: impulsive Taten im Zustand hochgespannter Affekterregung), die das Bewusstsein in unterschiedlichem Maße einengen können, also um normalpsychologische Erscheinungen, bei denen es entscheidend auf das Ausmaß der Bewusstseinsverengung ankommt, insbesondere auf den Verlust der bewussten Beziehung zur Umwelt (Kaiser/Schöch 6 Schuldfähigkeit, Fall 4 Rdn. 35; Schöch MschrKrim. 1983, 333 342 mit typischen Befundkriterien). Z u unterscheiden sind dabei sthenische und asthenische Affekte. Sthenische Affekte sind Wut, Hass, Zorn (Rauch in Saß Affektdelikte 1993, S. 202); sie sind häufige Ursache von Gewalttaten gegen Leib und Leben sowie von Beleidigungen. Das Gesetz hat für sie Sonderregelungen in § 213 1. Alt. und §§ 199, 233 geschaffen. Asthenische Affekte umschreibt das Gesetz in § 33 mit den Worten Verwirrung, Furcht und Schrecken. Sie können Flucht- und Panikreaktionen auslösen und für § 142 (BGH VRS 20 47; KG VRS 67 258; OLG H a m m VRS 37 431; 42 24; OLG Köln NJW 1967 1521, 1522), bei einer Massenflucht aus umschlossenen Räumen sowie beim sog. erweiterten Suizid Bedeutung erlangen. Auch die Exzesstat des überraschten Einbrechers kann hierher gehören (Bernsmann NStZ 1989 160; Blau Festschrift Tröndle S. 109, 111; dagegen Krümpelmann Affekt S. 135). Bei Kindestötungen spielen die §§ 20, 21 hingegen kaum eine Rolle (Vossen in Göppinger/Bresser S. 81, 88), sofern nicht besondere Faktoren hinzutreten (BGH bei Holtz M D R 1983 447).
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Im psychiatrischen Sprachgebrauch werden durch Affekte ausgelöste Explosivhandlungen und Kurzschlusstaten auch als Primitivreaktionen bezeichnet. 114 Das darf nicht als Abwertung missverstanden werden und hat auch keine Bedeutung für die Frage der Schuldfähigkeit. Der Sprachgebrauch beruht auf dem Modell des Schichtenaufbaus der Persönlichkeit, wonach diese in verschiedenen - primitiven und höher organisierten Schichten konstruiert ist. Affektivdurchbrüche gehen von den archaischen, primitiven Schichten aus, die jedermann hat, und werden vom Verstand oder anderen persönlichen Instanzen nicht gezügelt. 115 Andere sprechen stattdessen von psychogenen Dämmerzuständen (Mende in Venzlaff S. 319) oder akuten Belastungsreaktionen (Barbey BA 1992 252, 260; zu organischen Dämmerzuständen Athen Das öff. Gesundheitswesen 1985 65).
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Affekte, denen jedermann erliegen kann, gehören zum Bereich des Normalen und können nur unter engen Voraussetzungen entschuldigen (§ 33) oder zu einer Abmilderung der Sanktion führen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, muss der geistig gesunde Mensch seine Affekte und sich im Allgemeinen beherrschen. 116 Andererseits sind die §§ 20, 21 hier nicht außer Geltung gesetzt. Die bruchlose Vereinigung der beiden gegenläufigen Gesetzestendenzen ist eine schwierige Aufgabe.
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Weitere Begriffsbestimmungen Blau FS Tröndle, S. 109; Diesinger S. 4; Geilen FS M a u r a c h , S. 173, 175; Clatzel Kriminalistik 1995 4 5 4 ; Krümpelmann Z S t W 9 9 (1987) 191, 202; Quatember Forensia 2 (1977/78) 55; Rudolphi FS H e n k e l , S. 199, 201; Kröber in Saß Affektdelikte, S. 7 7 ff; Krümpelmann in Saß Affektdelikte, S.18 ff; f ü r E i n o r d n u n g als schwere a n d e r e seelische Abartigkeit Schorsch R & Ρ 1988 10, 19; aus anderen G r ü n d e n auch Haddenbrock Schuldfähigkeit S. 275; dazu R d n . 16.
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Saß N e r v e n a r z t 1983 557, 5 5 9 ; Venzlaff in Venzlaff S. 328; Wegener E i n f ü h r u n g S. 84; Krümpelmann Affekt S. 155. Saß N e r v e n a r z t 1983 557, 5 5 9 ; Wegener E i n f ü h r u n g S. 73; Witter H d b . d. f o r e n s . Psychiatrie Bd. I S. 5 2 6 ; zur Schichtentheorie auch Jescheck/Weigend A T 5 § 3 7 III. B G H bei Dallinger M D R 1953 146; bei H o l t z M D R 1987 4 4 4 ; O G H S t . 3 19, 23; 3 80, 82.
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Asthenische Affekte höchsten Grades können die Schuldfähigkeit in erster Linie dann beeinträchtigen, wenn andere belastende Umstände hinzutreten und die Wirkung der Angst oder der Verwirrung verstärken (BGH NStZ 1984 259; BGH VRS 18 201; 20 47). Wann dies der Fall ist, ist im Einzelnen aber ungeklärt. 117 Durch einen Unfallschock ausgelöste Angst- oder Schreckreaktionen sind an ihrer Eigenart erkennbar (BGH VersR 1966 579; 1967 1087) und bei planvollem Handeln ausgeschlossen (BGH VRS 20 47, 48), anders bei Fluchtreaktionen (BGH NStZ 1984 259).
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Bei den sthenischen Affekten gibt es hingegen geradezu typische Konstellationen, in denen Selbstbeherrschung eine die Kräfte des Täters übersteigende Aufgabe sein kann. Geschehensabläufe dieser Art - in erster Linie ist der partnerschaftliche Beziehungskonflikt zu nennen - werfen zwar nicht die Frage nach der Unrechtseinsicht auf (BGHSt 2 194, 206; BGHR StGB § 20 Bewusstseinsstörung 6; Blau FS Tröndle, S. 109, 116), weil der Affekttäter die Tat in ihrer Bedeutung regelmäßig klar erfasst und mit dieser Bedeutung will. 118 Infolge einer Einengung und Fixierung seines Bewusstseins auf bestimmte, konfliktbeladene Gedankeninhalte und Vorstellungen kann aber die Fähigkeit zum Abwägen, also die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt sein. 119 Treffend ist daher die Kennzeichnung des Affekts als Verlust der Besonnenheit (Glatzel StV 1982 434, 435; Jakobs AT 2 18/17) oder Bewusstseinseinengung (VenzlaffFoerster in Foerster4 S. 224).
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Wichtigstes Merkmal einer aus einem partnerschaftlichen Beziehungskonflikt erwachsenen Affekttat ist die spezifische Vorgeschichte (Maatz Nervenarzt 2005 1393 f). Hierdurch unterscheidet sie sich von „Impulstaten" (Marneros S. 145). Fortwährende Demütigung, Kränkung oder eine konstitutionelle psychische Unterlegenheit lassen in dem Täter eine Affektspannung entstehen (vgl. die Beispiele von Kröber in Saß Affektdelikte 1993, S. 83 ff sowie die Interview-Daten bei Steck R&P 2002 211 ff). Im Wechselbad der Beziehung verzehrt der Kampf gegen den einsetzenden Drang nach aggressiver Entladung die seelischen Widerstandskräfte, bis ein Zustand der Tatbereitschaft eintritt. Er ist dem präsuizidalen Syndrom (Jähnke LK 11 vor § 211 Rdn. 27) vergleichbar und fällt durch eine depressive Einengung („Affekttunnel") auf, zu der körperliche Symptome hinzutreten. Auch ein gedankliches Vorbefassen mit der Tat („Vorgestalten") findet sich in diesem Zustand. Die eigentliche Tat kann dann aus einer erfolglosen „letzten Aussprache" heraus - zu der die Tatwaffe oft bereits mitgeführt war - oder aus einem an sich unbedeutenden Anlass geschehen. Sie ist ihrerseits nach bestimmten Abläufen typisierbar, oft auch durch erstaunlichen kurzzeitigen Energie- und Kraftaufwand gekennzeichnet (Bernsmann NStZ 1989 106, 163) und kann gegen ein Ersatzopfer gerichtet sein (BGH NStZ 1988 268 m. Anm. Venzlaff; Krümpelmann Affekt S. 98; FS Welzel, S. 327, 332). 120 Unzutreffend ist es deshalb, die Jähzornstat des explosiven Psychopathen mit der
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Krümpelmann R & Ρ 1990 149, 153; Spiegel DAR 1972 291, 294; für Gleichbehandlung mit anderen Affekten bei entspr. Vorgeschichte Barbey Forensia 6 (1985) 185, 193; BA 1992 252, 261. Schewe Reflexbewegung S. 101; anders BGH GA 1971 365, 366; zweifelnd Krümpelmann FS Welzel, S. 327, 338. Frisch ZStW 101 (1989) 538, 548; Krümpelmann FS Welzel, S. 327, 338; Rudolphi FS Henkel, S. 199, 206; FS Leferenz, S. 379, 387; Überblick bei Albrecht GA 1983 193, 203. S. auch Haddenbrock Schuldfähigkeit
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S. 275 (Einordnung der Störung als schwere andere seelische Abartigkeit). Klassische Darstellung bei Rasch Tötung des Intimpartners (1964); Fallbeispiele BGHSt 8 113; 11 20; OGHSt. 3 19; hierzu ferner Berendt S. 13; Krümpelmann Affekt S. 90; FS Welzel, S. 327, 330; ZStW 99 (1987) 191, 206; Rudolphi FS Henkel, S. 199, 212; Thomae/Schmidt in Undeutsch S. 326, 357; Venzlaff ZStW 88 (1976) 57, 62; Wegener Einführung S. 86; zu einem Fall latenten Affekts Glatzel StV 1983 339.
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Affektproblematik in Verbindung zu bringen (BGH bei Pfeiffer/Maul/Schulte § 51 Anm. 4 a.E.; Krümpelmann ZStW 9 9 [1987] 191, 209). Echte, die Schuldfähigkeit beeinträchtigende Affekte sind immer „protrahiert" (zeitlich gedehnt); der Begriff des protrahierten Affekts hat keinen eigenen Erkenntniswert (Krümpelmann Affekt S. 131; Quatember in Göppinger/Bresser S. 141, 146). Kurzzeitig verursachtes „Ausrasten" eines Täters wirft die Frage nach affektbedingtem Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 allenfalls auf, wenn die Explosion eine Vorgeschichte hat und von einer entsprechend disponierten Persönlichkeit ausgeht (wohl abw. BGHR StGB § 20 Bewusstseinsstörung 3, 9); ansonsten ist meist an die enthemmende Wirkung von Alkohol zu denken. In solchen Fällen kommt eine sog. Impulstat in Betracht, die vor allem in Verbindung mit konstellativen Faktoren (z.B. Alkohol, Persönlichkeitsstörung) Auswirkungen auf die Steuerungsfähigkeit haben kann (Marneros S. 123 ff). Die Regelmäßigkeiten solcher Affekttaten sind empirisch gut belegt und lassen sich im Prinzip sogar im Experiment nachweisen. 121 Sie treten vorwiegend bei Männern in Erscheinung. Frauen erliegen, sofern sie aus der Opferrolle heraustreten, bei der Lösung ihrer Partnerkonflikte offenbar seltener derartigen explosiven Gefühlsreaktionen. Dass das Bild der Affekttat deshalb ein sexistisches Konstrukt von Männern und für sie sei (Schorsch R &c Ρ 1988 10, 11), ist jedoch eine ideologiebehaftete Verzerrung.
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In der Beurteilung der Schuldfähigkeit von Affekttätern setzen die einzelnen Psychiater unterschiedliche Schwerpunkte. Während eine Richtung auf die Entwicklung zur Tat (die Psychodynamik) abhebt, erblickt die andere die gewichtigeren Merkmale in den Tatumständen selbst (Darstellung bei Krümpelmann ZStW 99 [1987] 191, 204; Witter Sachverständige S. 177). Richtig kann nur eine Gesamtbetrachtung sein (Blau Festschrift Tröndle S. 109, 123). Die psychodynamische Richtung vermag Affekte, bei denen die spezifische Vorgeschichte aus Beweisgründen nur unzulänglich erfassbar ist, kaum zu würdigen. Die Gegenansicht vernachlässigt Forschungsergebnisse mit hoher Plausibilität. Die erforderliche Gesamtbetrachtung muss sich deshalb auf möglichst viele Affektmerkmale erstrecken; auf deren Feststellung sollten die Verfahrensbeteiligten besonderen Wert legen.
132
Nach im Einzelnen unterschiedlich bewerteten, aber sachlich in wesentlichen Punkten übereinstimmenden Merkmalskatalogen ist die Prüfung der Schuldfähigkeit weitgehend an Hand bestimmter Anzeichen möglich (zusammenfassend und weiterführend Marneros S. 75 ff). Der Merkmalskatalog von Saß, der auch Eingang in die Rechtsprechung gefunden hat, 1 2 2 nennt für eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit folgende Kriterien: 123
133
Spezifische Vorgeschichte und Tatanlaufzeit; affektive Ausgangssituation mit Tatbereitschaft; psychopathologische Disposition der Persönlichkeit; konstellative Faktoren (Alkohol, Medikamente, Übermüdung); abrupter, elementarer Tatablauf ohne Sicherungstendenzen; charakteristischer Affektauf- und -abbau, Folgeverhalten mit schwerer Er-
134
121
122
Vgl. die Darstellung der sog. Dembo-Versuche bei Krümpelmann Affekt S. 59 ff; FS Welzel, S. 327, 330; zur Dynamik von Tötungsverbrechen bei sog. Trennungstaten finden sich empirische Daten bei Burgheim MschrKrim. 1994 215; ZfStrVo 1994 277 und Steck/Matthes/Sauter MschrKrim. 1997 404. BGH StV 1987 434; 1988 57, 58; 1989 12,
335 m. Anm. Schlothauen 1990 493; BGH
123
BGH bei Holtz MDR 1992 63 1; BGHR § 20 Bewusstseinsstörung 3; § 21 Affekt 5; Saß Nervenarzt 1983 557, 562; Maatz Nervenarzt 2 0 0 5 1393 f. Saß Nervenarzt 1983 557; FortschrNeurPsych. 1985 55, 61; dargestellt von Goydke in Verkehrsstrafverfahren, Schriftenreihe der Arb.Gem. Strafrecht u. Verkehrsrecht d. DAV [1992] S. 16; Saiger FS Tröndle, S. 201,
208.
NStZ 1990 231; 1995, 175; 2005 149 f;
Heinz Schöch
1313
§20
2. Abschnitt. Die Tat
schiitterung; Einengung des Wahrnehmungsfeldes und der seelischen Abläufe; Missverhältnis zwischen Tatanstoß und Reaktion; Erinnerungsstörungen; Persönlichkeitsfremdheit; Störung der Sinn- und Erlebniskontinuität. 135
Gegen eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit sprechen die folgenden Merkmale: Aggressives Vorgestalten in der Phantasie; Ankündigen der Tat; Aggressive Handlungen in der Tatanlaufzeit; Vorbereitungshandlungen für die Tat (dazu B G H StV 2 0 0 1 2 2 8 ff); Konstellierung der Tatsituation durch den Täter; fehlender Zusammenhang Provokation Erregung - Tat; zielgerichtete Gestaltung des Tatablaufs vorwiegend durch den Täter, lang hingezogenes Tatgeschehen; komplexer Handlungsablauf in Etappen; erhaltene Introspektionsfähigkeit (Selbstbeobachtung) bei der Tat; exakte, detailreiche Erinnerung; zustimmende Kommentierung des Tatgeschehens; Fehlen von vegetativen, psychomotorischen und psychischen Begleiterscheinungen heftiger Affekterregung (Introspektionsfähigkeit und Kommentierung fehlen im Katalog von 19 8 5 ) . 1 2 4 Dazu tritt umsichtiges, geordnetes Nachtatverhalten (vgl. BGH N S t Z 1 9 9 0 231; B G H R StGB § 21 Bewusstseinsstörung 4; skeptisch bei isolierter Betrachtung des Nachtatverhaltens B G H N S t Z - R R 2 0 0 4 161 f).
136
Die einzelnen Merkmale müssen jeweils durch Anknüpfungstatsachen aus dem Sachverhalt belegt werden (BGH N S t Z 2 0 0 5 149 f). Sie sind von unterschiedlichem Gewicht und werden auch von Psychiatern und Psychologen unterschiedlich gewertet (vgl. Endres StV 1998 6 7 4 ff). Kaum objektivierbar ist die Gewichtung und gegenseitige Verrechnung von Positiv- und Negativpunkten (Rasch N J W 1993 7 5 7 ff). Umstritten ist insbesondere, ob Erinnerungsstörungen von Bedeutung sind. 1 2 5 Amnesien können auf psychischer Verdrängung beruhen; behaupteter Erinnerungsverlust ist häufig auch als Verteidigungsvorbringen zu würdigen (BGHSt 8 113, 119; B G H N S t Z 1987 5 0 3 ; skeptisch auch Maatz N S t Z 2 0 0 1 1, 8). Dass echte Tatzeitamnesien nie beweisbar seien und daher für die Beurteilung schlechthin ausschieden (Rasch N J W 1980 1309, 1312), erscheint indessen zu weitgehend. Wenn der Täter unmittelbar nach dem Verlassen des Tatorts zu sich kommt, fassungslos auf seine blutbeschmierten Hände starrt und fragt, was geschehen sei, wird der Richter ihm eine Erinnerungslücke glauben dürfen (vgl. BGHSt 11 2 0 , 2 5 ; B G H GA 1971 365; B G H St V 1 9 8 7 4 3 4 ; OGHSt. 3 19, 2 3 ; Quatember Forensia 2 (1977/78) 55, 59). Mit aller Vorsicht wird anzunehmen sein, dass eine derartige Erinnerungsstörung zwar als gewichtiger Hinweis auf eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit zu gelten hat ( B G H R StGB § 2 0 Affekt 2; Bewusstseinsstörung 3, 4, 5, 9; B G H StV 1992 5 6 9 ) , dass
124
Ähnliche Zusammenstellungen auch bei Schöch MschrKrim. 1983 333, 342; Blau FS Tröndle, S. 109, 122; Glatzel Mord u. Totschlag S. 31; s. aber StV 1982 434, 435; Mende in Bleuler S. 658; in Forster S. 503; in Venzlaff S. 323; Rasch NJW 1980 1309, 1313; Ritzel MM W 1980 623, 626; Thomae in Hommers S. 81, 89; Undeutsch Hdwb. d. Kriminologie 2. Aufl. (1966) S. 205, 224; Venzlaff FS Blau, S. 391, 397; 'Witter Sachverständige S. 177; dagegen zu Unrecht Bernsmann NStZ 1989 160; Schorsch R & Ρ 1988 10, 15; zur Differenzierung in Trennungstaten und Bereicherungstaten Simons S. 91, 117; Saß Nervenarzt 1983 557, 567 f.
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125
Bejahend: Langelüddeke/Bresser S. 259; Mende in Forster S. 503; in Venzlaff S. 320, 324; Venzlaff YS, Blau, S. 391, 403; Verneinend: Barbe y BA 1990 241, 257; Bernsmann NStZ 1989 160; Glatzel StV 1982 434, 436; Maisch StV 1995 381; Rasch NJW 1980 1309, 1312; 1993 757 ff; Schewe/ Reinhardt in Schwerd S. 220, 222; Differenzierend: Ritzel MM W 1980 623, 626; Saß Nervenarzt 1983 557, 565; insgesamt kritisch Bresser in Frank/Harrer S. 38, 43; einschränkend i. S. eines Einzelindizes im Rahmen der Gesamtwürdigung Maatz NStZ 2001 1, 8.
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
umgekehrt eine erhaltene Erinnerung aber keinen Schluss auf ein intaktes Hemmungsvermögen zur Tatzeit gestattet (BGH bei Daliinger M D R 1972 752; BGHR StGB § 20 Bewusstseinsstörung 5; § 21 Alkoholeinwirkungen 1; kritisch auch Maatz NStZ 2001 1, 8). Einigkeit besteht hingegen in der Auffassung, dass das Hinzutreten konstellativer Faktoren, wie insbesondere Alkoholisierung, von besonderer Bedeutung ist (BGH bei Holtz MDR 1992 631; BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 11; s. Rdn. 180). Schuldunfähigkeit ist nach der Rechtsprechung nur in seltenen Ausnahmefällen gegeben. 126 Tritt der affektive Ausnahmezustand erst nach Versuchsbeginn ein, ist dies nach den Regeln über den abweichenden Kausalverlauf in aller Regel eine unwesentliche Abweichung, welche die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht ausschließt. 127 Ist dies ausnahmsweise doch der Fall, so ist wegen Versuchs zu bestrafen (Roxin AT I, § 20 Rdn. 192). Wann ein Ausnahmefall vorliegt, welcher einen Ausgleich der in Rdn. 127 dargelegten gegenläufigen Gesetzestendenzen verlangt, ist jedoch wenig geklärt. Im Schrifttum wird geltend gemacht, dass nach allen Beobachtungen Steuerungsunfähigkeit bei zahlreichen echten Affektdelikten vorliege. 128 In der gegenwärtigen Praxis spielt § 20 jedoch nahezu keine Rolle (Saiger Festschrift Tröndle S. 201, 213; Tröndle/Fischer Rdn. 30 f), während bei der Anwendung des § 21 großzügiger verfahren wird. Der Grund liegt in Bedürfnissen der Generalprävention (Integrationsprävention). Beziehungsdelikte aus dem Nahbereich zeigen oft keine allgemeine Gefährlichkeit des Täters an, so dass die Anordnung von Maßregeln ausscheidet. Der bei voller Entschuldigung verbleibende Verzicht auf jede strafrechtliche Sanktion gegen den „normalen" Täter stieße aber gerade in aufsehenerregenden Fällen auf Ablehnung und ließe die Frage nach der Rechtsgeltung laut werden (Krümpelmann GA 1983 387, 354; ZStW 99 [1987] 191, 221; Miiller-Dietz Grundfragen S. 4).
137
Ein dennoch geübter Sanktionsverzicht muss daher frei von Willkür und verständlich sein; andernfalls fordert das Rechtsbewusstsein Strafe. Aber auch dem Schuldprinzip ist Genüge zu tun. Selbstbeherrschung kann nicht gefordert werden, wenn der Täter eine solche Leistung effektiv nicht erbringen kann. Die Rechtsprechung hat im Wege einer Risikoverteilung zwischen Täter und Opfer Eckpunkte gesetzt, welche diese Spannung mildern. Der eine - den Täter entlastende - Eckpunkt ist durch den Gesichtspunkt der überwiegenden Konfliktsverursachung durch das Opfer bestimmt. Der andere - den Täter belastende - Eckpunkt wird durch dessen Verschulden an der Entstehung des Affekts markiert.
138
Entschuldigung auf Grund höchsten Affekts kommt danach in Betracht, wenn der Konflikt vom Opfer verursacht war und dieses die Gefahr einer explosiven Entladung zurechenbar heraufbeschworen hat, 129 ferner fast nur bei sog. asthenischen Affekten
139
126
127
BGHSt 3 194, 198; 7 325, 327; 8 113, 125; 11 20; BGH bei Dallinger M D R 1953 146; BGH N J W 1954 565, BGH GA 1971 365; BGH bei Holtz M D R 1977 4 5 8 ; BGH NStZ 1997, 232; OGHSt. 3 19, 22; 3 80, 82; OLG Frankfurt/M. GA 1970 2 8 6 ; weitere Nachweise bei Theune NStZ 1999 273 ff. BGHSt 7 325, 329; 23 133, 135; BGH bei Holtz M D R 1977 4 5 8 ; NStZ 2 0 0 3 535 f; H. Mayer J Z 1956 109; Oehler GA 1956 1; J Z 1970 380; Herzberg FS Oehler, S. 163, 171; Sch/Schröder/CramerSternberg-Lieben § 15 Rdn. 56; Roxin AT I, § 20 Rdn. 192;
128
129
abw. Geilen FS Maurach, S. 173, 194; Jakobs AT 2 17/68; Krümpelmann Affekt S. 140; Wolter Z S t W 89 (1977) 649, 7 0 0 ; s. ferner BGH J Z 1 9 7 9 411, 412 u. Rdn. 75. Krümpelmann R & Ρ 1990 150, 152; in Hammers S. 13, 30; Rudolphi FS Henkel, S. 199, 2 0 6 ; aA Mende in Venzlaff S. 324; Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 2 2 6 ; Venzlaff Z S t W 8 8 (1976) 57, 62; zurückhaltend auch Glatzel StV 1987 553, 5 5 6 ; Rasch N J W 1980 1309, 1314. BGH NStZ 1997 2 3 2 ; Bernsmann NStZ 1989 160, 164; Blau FS Tröndle, S. 109,
Heinz Schöch
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§20
2. Abschnitt. Die Tat
(Panik, B G H StV 2 0 0 1 5 6 3 ; Verwirrung, Furcht, Schrecken, vgl. § 3 3 ) , so gut wie nicht bei sthenischen Affekten (Wut, Hass, ungerichtete Aggressionen; vgl. Tröndle/Fischer Rdn. 30). Die Rechtsprechung hat diesen Gesichtspunkt zwar bisher im Zusammenhang mit dem Täterverschulden erörtert (BGHSt 11 2 0 , 2 6 ; B G H bei Dallinger M D R 1953 146; OGHSt. 3 19, 22). In der Sache hat sie aber stets eine Risikoverteilung nach Verursachungsschwerpunkten vorgenommen. Wenn vom Opfer verursachter gerechter Zorn zur Strafmilderung führt, ist ein vom Opfer zu verantwortender Zustand der Schuldunfähigkeit erst recht nach der in § 213 niedergelegten gesetzlichen Leitlinie zu bewerten, und Präventionsgesichtspunkte entfalten keine Durchschlagskraft. Die zu § 213 ergangene Rechtsprechung, welche eine Gesamtbetrachtung der Täter-Opfer-Beziehung verlangt (BGHR StGB § 213 1. Alt., Misshandlung 3), ist damit zwar nicht unmittelbar einschlägig, aber ihre Grundlagen sind vergleichbar und mit der gebotenen Zurückhaltung übertragbar. So ist das Gewicht von Kränkungen auch nach ihrer Bedeutung im Lebenskreis der Beteiligten zu beurteilen (BGH NStZ 1985 216; N S t Z 1987 503). Andererseits fehlt es an einer zurechenbaren Verschärfung des Konflikts durch das Opfer, wenn dieses an einer psychischen Erkrankung leidet und sein Verhalten erkennbar darauf beruht (BGH N J W 1987 3143). 140
Der andere Eckpunkt - Verschulden des Täters an der Entstehung des Affekts schließt Entschuldigung aus, 1 3 0 sofern nicht ohnehin die Voraussetzungen der actio libera in causa vorliegen (Rdn. 194 ff). Hat der Täter zur Entstehung seiner Erregung vorwerfbar beigetragen oder war das Anwachsen des Gefühlsdrucks für ihn vorhersehbar, dann trifft ihn eine erhöhte Pflicht zur Selbstbeherrschung. 131 Zorn und Wut sind allgemein als gefahrenträchtige Aufwallungen bekannt; die Pflicht zur Beherrschung entspricht in diesen Fällen dem allgemeinen Gedanken der Zuständigkeit für im eigenen Verantwortungsbereich befindliche Gefahrenquellen. 1 3 2 Die normativ begründete Versagung einer Entschuldigung legt dem Täter keine gegen das Schuldprinzip verstoßende weil unerfüllbare Last auf, denn sie stellt auf die Vermeidbarkeit des Affekts ab (dagegen Glatzel Mord u. Totschlag S. 34).
141
Mit § 2 0 ist das vereinbar. Der E 1962 hat die Frage ausdrücklich offen gelassen (E 1962 S. 139); eine bestimmte Willensäußerung des Gesetzgebers hierzu ist nicht feststellbar. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Steuerungsfähigkeit im Zeitpunkt der Tat entscheidend. Steuerungsfähigkeit ist aber kein bloßer Zustand und keine Eigenschaft, sondern Ergebnis eines psychologischen Prozesses (Krümpelmann in Hommers S. 13, 19) und einer empirisch-normativen Wertung. Sie ist gegeben, wenn dem Täter in seiner
130
131
112; Jakobs AT 2 17/72; in Gerchow S. 21, 32; Neumann Zurechnung und „Vorverschulden" S. 255; dagegen Frisch ZStW 101 (1989) 538, 554 Fn. 68; Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 15. BGHSt 3 194, 198; 35 143, 145; BGH NJW 1959 2315; BGH bei Dallinger MDR 1953 146; bei Herían MDR 1955 527; bei Holtz MDR 1977 458; 1987 444; BGH bei Pfeiffer/Maul/Schulte $ 51 Anm. 4; OGHSt. 3 80, 82; Bedenken in BGHSt 7 325, 328; 8 113, 125; 11 20, 26. Ziegen S. 201, 208; dagegen Frisch NStZ 1989 265; Präventive Begründung (vgl. Rdn. 9) bei Neumann ZStW 99 (1987) 567,
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132
581; s. auch Zurechnung und „Vorverschulden" S. 259. Insoweit Unterlassungsschuld annehmend Berendt S. 77 ff, 98, 104; Krümpelmann R &c Ρ 1990 150, 154; wohl auch Frisch ZStW 101 (1989) 538, 570 m. Fn. 113, 587; vgl. auch Hruschka Strafrecht nach log.analyt. Methode 2. Aufl. (1988) S. 294, der aus dem primären Tötungsverbot Sekundärpflichten (Obliegenheiten) ableitet, sich nicht in gefahrenträchtige Zustände zu versetzen; dazu Frisch ZStW 101 (1989) 538, 575; Neumann GA 1985 389; vgl. ferner OGHSt. 2 324, 327; aA Roxin FS Spann, S. 457, 464; AT 1 § 20 Rdn. 19.
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
Situation die Vermeidung der Tat angesonnen werden durfte und musste (Rdn. 45 ff). Eine derartige Wertung muss alle Umstände des Geschehens würdigen und kann die zur Tat führenden Steuerungsvorgänge (Küper Notstand S. 86) nicht ausblenden (Frisch ZStW 101 [1989] 538, 607; zur actio libera vgl. auch Stratenwerth/Kuhlen5 § 10 Rdn. 47). Vielmehr gebietet normative Betrachtung, von dem Täter, der vorwerfbar selbst zur Entstehung des gefährlichen Affekts beigetragen hat, Selbstbeherrschung bis zum Tatzeitpunkt zu verlangen. Die Rechtsprechung hat diesen Gedanken auch offen generalpräventiv formuliert (BGH bei Daliinger M D R 1974 721; OGHSt. 3 19, 22). Das Schrifttum steht dem zumeist ablehnend gegenüber.133 Zuletzt mehrten sich die Stimmen, die den Ausschluss der Exkulpation wegen Vorverschuldens mit dem Schuldprinzip nicht für vereinbar halten (Roxin AT I, § 20 Rdn. 16-18; Sch/Schröder/Lenckner/Perron 15a; Schreiber/Rosenau S. 68). § 20 StGB stellt eindeutig auf die tiefgreifende Bewusstseinsstörung „bei Begehung der Tat" ab, weshalb ein früheres Verschulden unter dem Aspekt einer vorsätzlichen schuldhaften Tat ausscheiden muss. In Betracht kommt insoweit nur eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Affekttäters nach den Grundsätzen der actio libera in causa (Roxin AT I, § 2 0 Rdn. 18; Tröndle/Fischer, Rdn. 34). Eine Bestrafung wegen einer Vorsatztat würde aber voraussetzen, dass der Täter den schuldausschließenden Affekt vorsätzlich herbeigeführt oder nicht abgewendet hat. Dies wird sich in aller Regel nicht feststellen lassen. Deshalb kommt nur eine Bestrafung wegen fahrlässiger actio libera in causa in Betracht, wobei der Fahrlässigkeitsvorwurf dadurch begründet wird, dass der Täter in der Phase der Entstehung und Verschärfung des Konfliktes, insbesondere bei der Auseinandersetzung mit den Vorgestalten der Tat, keine Vorkehrungen gegen eine mögliche und später nicht mehr kontrollierbare Affektentladung getroffen hat (z.B. durch Entfernung aus dem Einflussbereich des potentiellen Opfers) weil er leichtsinnig darauf vertraut hat, den Affektdurchbruch vermeiden zu können (vgl. Roxin AT I, § 20 Rdn. 18).
142
Einige Autoren befürworten bei Vorverschulden eine analoge Anwendung des § 17, oft einschließlich der in § 17 Satz 2 bei Vermeidbarkeit vorgesehenen Strafrahmenmilderung, oder sie greifen auf eine Rechtsanalogie zu den §§ 17, 35, 213 sowie zu Rechtsgrundsätzen der Notwehrprovokation zurück. 134 Die Analogie zu § 17 ist verfehlt, weil hier das Fehlen der Unrechtseinsicht nur bei Unvermeidbarkeit zum Schuldausschluss führt, während in § 20 nirgends die Rede davon ist, dass nur die unvermeidbare Steuerungsunfähigkeit die Schuld ausschließt (Roxin AT I, § 20 Rdn. 17). Im übrigen wären diese Analogien nur geboten, wenn das zutreffende Ergebnis nicht durch Auslegung des § 20 erzielbar wäre. Da dies aber möglich ist, entfällt auch die Grundlage für eine Strafrahmenmilderung nach Satz 2 jener Vorschrift. Soweit eine actio libera in causa nicht vorliegt, kann der besonderen Natur des Vorverschuldens bei § 21 durch Versagung der fakultativen Strafmilderung Rechnung getragen werden (BGHSt 35 143; BGH NStZ 1997 334).
143
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Bockelmann/Volk AT § 16 A IV 2bb; Jescheck/Weigend A T 5 § 4 0 III 2b; Baumann/Weber/Mitsch AT 1 1 § 19 Rdn. 14 Fn. 14; Otto Jura 1 9 9 2 3 2 9 ; Grundkurs A T 7 § 13 Rdn. 8; Roxin FS Spann, S. 4 5 7 , 4 6 3 ; AT l 4 § 2 0 Rdn. 16; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 15a; Grosbüsch S. 3 3 ; Schreiber N S t Z 1 9 8 1 4 6 , 4 9 ; Schreiber/ Rosenau S. 6 8 ; eher zustimmend Stratenwerth/Kuhlen A T 5 § 10 Rdn. 31.
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Blau FS Tröndle, S. 109, 118; Geilen FS M a u r a c h , S. 173, 1 9 0 ; Krümpelmann GA 1 9 8 3 337, 3 5 5 ; Z S t W 9 9 ( 1 9 8 7 ) 191, 2 2 1 ; R Sc Ρ 1 9 9 0 150, 153, 1 5 5 ; in Hommers S. 13, 32 (anders noch Affekt S. 2 5 9 ; Z S t W 8 8 ( 1 9 7 6 ) 6, 13); Rudolphi FS Henkel, S. 199, 2 0 7 ; in Bonner S. 16; SK 7 Rdn. 12; Stratenwerth Gedächtnisschrift Armin Kaufmann S. 4 8 5 , 4 9 5 ; Ziegert S. 2 0 3 ; wohl auch Jakobs A T 2 1 8 / 1 6 , 18 (s. aber 1 8 / 1 0 ) .
Heinz Schöch
1317
§20
2. Abschnitt. Die Tat
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Wann den Täter ein Verschulden an der Entstehung des Affekts im Sinne der Rechtsprechung trifft, ist im Einzelfall schwierig zu entscheiden. Ein Tatschuldstrafrecht darf die Entstehungsbedingungen der tatauslösenden Erregung nicht zu weit zurückverfolgen; anderenfalls überschritte es die Schwelle zur Lebensführungsschuld. Außerdem bedarf es der Festlegung, welche konkreten Umstände dem Täter ein solch deutliches Warnsignal setzen, dass er Anlass hat, der wachsenden Erregung entgegenzuwirken. Die Frage ist rein juristischer Natur und wertend zu beantworten ( K r ü m p e l m a n n Affekt S. 2 4 8 ) . Die kritische Situation tritt ein, wenn der unmittelbar zur Tat führende Affekt sich aufbaut; daher muss das Schuldurteil an diese Affektgenese anknüpfen. 1 3 5 Unbeachtlich sind Umstände, welche noch keinen Bezug zur konkreten Tat haben, wie etwa Eifersucht bei ehewidrigem Verhalten (BGH bei Holtz M D R 1976 6 3 3 ) , verschuldete wirtschaftliche Schwierigkeiten (BGH N S t Z 1984 2 5 9 ) , Duldung übermäßigen Alkoholgenusses des Opfers (BGH N J W 1 9 8 8 1153).
145
Als markanter Anknüpfungspunkt für einen Vorwurf stellen sich in einem Beziehungskonflikt die typischen Vorgestalten der Tat dar, 1 3 6 auch der Entschluss, eine Waffe zur Aussprache mitzunehmen (BGHSt 8 113, 125; B G H N S t Z 1 9 8 4 118; B G H bei Holtz M D R 1 9 8 7 4 4 4 ; B G H R StGB § 21 Affekt 3; Frisch N S t Z 1 9 8 9 2 6 5 ) oder eine sonstige gefahrerhöhende Handlung (Beispiele BGHSt 11 139, 142; bei Frisch Z S t W 101 [1989] 538, 5 8 9 ; Roxin Festschrift Spann S. 457, 4 6 4 ) . Einem Täter, der sich in rechtsfeindlicher Absicht in eine kritische, affektbeladene Situation begibt, wird Entschuldigung wegen affektiver Entgleisung ebenfalls nicht zuteil werden können. 1 3 7 Das gilt etwa für den M a n n , der seine Partnerin unter Missachtung ihres Selbstbestimmungsrechts gewaltsam zu sich zurückholen will, dabei in einen Affekt gerät und sie in dieser Situation tötet. Hierbei ist die normale affektive Beteiligung bei einem Tötungsdelikt von einer darüber hinausgehenden tiefgreifenden Bewusstseinsstörung zu unterscheiden (BGH N S t Z - R R 1 9 9 7 2 9 6 ) . Auch können die Dauer der affektiv belasteten Situation und sogar die berufliche Stellung des Täters als Polizeibeamter eine verstärkte Pflicht zur Selbstzügelung auslösen (BGH bei Holtz M D R 1977 4 5 8 ) . Andererseits schließt der Glaube, den Konflikt bereits bewältigt zu haben, ein Vorverschulden ebenso aus wie manche Sachlage, welche zum erweiterten Suizid führt (Krümpelmann GA 1983 337, 3 5 5 ; Z S t W 9 9 [1987] 191, 2 2 6 ) . Diese Beschränkungen des exkulpierenden Affektes beruhen hauptsächlich auf generalpräventiven Erwägungen.
146
Voraussetzung für den Vorwurf, die Entstehung des tatauslösenden Affekts nicht vermieden zu haben, ist aber die Fähigkeit des Täters hierzu. Daran kann es bei einem Täter fehlen, der an einer schweren Persönlichkeitsstörung leidet (BGHSt 35 143, 146), oder der erheblich alkoholisch enthemmt ist ( B G H R StGB § 21 Affekt 3). In solchen Fällen liegt relevantes Vorverschulden nur vor, wenn der Täter im Zeitpunkt der Alkoholaufnahme und sonstiger gefahrerhöhender Tatvorbereitung (z.B. Mitnahme des Tatwerkzeugs) voll schuldfähig war und damit rechnen musste, dass er das Opfer im Affekt töten würde (Maatz Nervenarzt 2 0 0 5 1396 m.w.N.).
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BGHSt 35 143, 145 m. Anm. Blau JR 1988 511 und frisch NStZ 1989 263; BGH NStZ 1984 311; BGH VRS 71 21, 22; BGH NJW 1959 2315, 2317; Krümpelmann Affekt S. 238. Frisch ZStW 101 (1989) 538, 566; Geilen FS Maurach, S. 173, 193; Rudolphi FS Henkel,
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S. 199, 213; Ziegen S. 209; anders Krümpelmann Affekt S. 240. BGH NStZ 1984 259; BGHR StGB § 21 Vorverschuiden 3; OGHSt. 3 80, 82; BGH NStZ 1995 539 bei affektiver Erregung nach Anzeigedrohung des vergewaltigten Tatopfers.
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
Für eine erhaltene Fähigkeit zur Affektbeherrschung spricht, dass der Täter seine aggressiven Neigungen kennt und gelernt hat, mit ihnen umzugehen (BGH NStZ 1984 311), oder dass die Situation für ihn nicht neu ist (BGHR StGB § 21 Affekt 5). In solchen Fällen ist ihm auch anzusinnen, konfliktträchtige Situationen zu meiden (Berendt S. 98; Frisch ZStW 101 [1989] 538, 589; Krümpelmann Affekt S. 241).
147
Nicht zu fordern ist hingegen, dass der Täter während der Affektgenese die im Affekt begangene Tat bereits vorhersehen konnte. 1 3 8 Es ist rechtsdogmatisch nicht zu begründen, dass der Täter eine vorsätzliche Straftat begehe, wenn er sie fahrlässig nicht vorhersieht. Vielmehr führt das Erfordernis der Vorhersehbarkeit der Tat zur Konfusion mit der actio libera in causa (dafür Frisch ZStW 101 [1989] 538, 570). Nach dieser Rechtsfigur begründet der Wille, in schuldunfähigem Zustand eine bestimmte Straftat zu begehen, strafrechtliche Haftung wegen vorsätzlicher Tat; bedenkt der Täter fahrlässig nicht, dass er unter den Voraussetzungen des § 20 eine bestimmte rechtswidrige Tat verüben werde, trifft ihn ein Fahrlässigkeitsvorwurf (Rdn. 142, 194 ff). Diese Grundsätze sind bei der Affekttat nicht außer Geltung gesetzt. Deren Besonderheit liegt vielmehr darin, dass ein Vorverschulden unmittelbar die Voraussetzungen des § 20 ausschließt. Dass die Rechtsprechung durch Alkoholgenuss herbeigeführte Beeinträchtigungen der Schuldfähigkeit nicht strafmildernd berücksichtigt, wenn der Täter, wie er weiß oder wissen kann, zu Verhaltensweisen neigt, welche dem begangenen Unrecht entsprechen (so das Argument in BGHSt 35 143, 145), besagt nichts. Diese Regel gilt nur für § 21 und setzt gerade voraus, dass keine subjektive Beziehung zu der konkreten, später begangenen Tat besteht. Besteht eine solche Beziehung, liegt eine actio libera vor.
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Wenn ausnahmsweise eine völlige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit wegen Affektes bei einem erheblich alkoholisierten Täter anzunehmen oder nicht auszuschließen ist und auch weder eine actio libera in causa noch die Zurechnung des Vorverschuldens bei der Affektentstehung greifen, kommt eine Strafbarkeit nach dem Auffangtatbestand des § 323a in Betracht (Maatz Nervenarzt 2005 1398). Diese setzt aber voraus, dass der Täter beim Alkoholgenuss vor Eintritt der Schuldunfähigkeit mit affektbegründenden Umständen gerechnet und sie billigend in Kauf genommen hat (vorsätzliche Begehung) oder sie in vorwerfbarer Weise nicht bedacht hat (fahrlässige Begehung; BGH NStZ 1997, 232 f).
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7. Schwachsinn ist ein Merkmal, das § 20 StGB als Unterfall der „schweren seelisehen Abartigkeit" aufführt (Rdn. 67). Es wird hier nur eine angeborene Intelligenzschwäche ohne nachweisbaren Organbefund erfasst. Intelligenzdefekte mit bekannter körperlicher Ursache (z.B. als Folge einer intrauterinen, geburtstraumatischen oder frühkindlichen Hirnschädigung sowie als Folge eines hirnorganischen Krankheitsprozesses) fallen bereits unter die „krankhaften seelischen Störungen". Herkömmlich wird nach den Schweregraden der Behinderung zwischen Debilität (Bildungsfähige, IQ 5 0 - 6 9 ) , Imbezillität (lebenspraktisch Bildbare, IQ 3 0 - 4 9 ) und Idiotie (schwerstgeschädigte Behinderte, IQ unter 30) 1 3 9 unterschieden. Ein IQ unter 50 bedeutet bei Erwachsenen im
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BGH bei Holtz M D R 1977 458; aA BGHSt 35 143, 145; BGHR StGB § 21 Affekt 3 (für § 21); Saiger FS Tröndle, S. 201, 213; dagegen unter Befürwortung einer Bestrafung nach den Grundsätzen der actio libera in causa Blau JR 1988 516; Frisch NStZ 1989 265; Otto Jura 1992 329; Grundkurs AT 7 § 13 Rdn. 8; Sch/Schröder/Lenckner/
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Perron Rdn. 15a; zutreffende Antikritik bei Krümpelmann R &c Ρ 1990 150; noch anders (Vorsatzstrafe, wenn Unrecht der später verwirklichten Art vorhersehbar) Rudolphi FS Henkel, S. 199, 210; vgl. auch SK 7 Rdn. 12 a.E. Wegener Einführung S. 91; "Witter Sachverständige S. 66; Roxin FS Spann, S. 457, 465.
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§20
2. Abschnitt. Die Tat
allgemeinen Bildungsunfähigkeit (Wegener fähigkeit.
Einführung S. 98) und Ausschluss der Schuld-
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Im ICD-10 F 7 0 - F 7 3 erfolgt eine Einteilung in vier Stufen, wobei der weniger stigmatisierende Oberbegriff der „Intelligenzminderung" verwendet wird. 1 4 0 Außerdem wird zur Schuldfähigkeitsbeurteilung der vergleichbare Entwicklungsstand eines Kindes herangezogen (vgl. auch BGHSt 2 0 2 6 4 ; RGSt 6 8 35, 37; kritisch L K 1 1 und Langelüddeke/ Bresser S. 132, 2 6 3 ) . Leistungs- und Intelligenztests stellen allerdings nur ein (wichtiges) Hilfsmittel dar und ersetzen nicht die gebotene umfassende psychodiagnostische Abklärung, bei der bei der auch die schulischen Leistungen eine wichtige Beurteilungsgrundlage sind ( B G H R StGB § 6 3 Zustand 8). Maßgebend bleibt die Qualität der (Rest-)Intelligenz. 141 Die Verhängung einer strafrechtlichen Rechtsfolge setzt auch bei Schwachsinnigen eine umfassende Würdigung der Persönlichkeit voraus (BGHSt 5 312); es darf bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung eines minderbegabten Menschen keine Beschränkung auf die Feststellung eines niedrigen IQ stattfinden. Vielmehr müssen auch die im diagnostischen Gespräch oder in der Lebensbewährung gezeigte praktische Intelligenz (Streng M K Rdn. 39), soziale Fertigkeiten und Teilleistungsschwächen berücksichtigt werden (Nedopil2 S. 172; B G H N J W 1967 2 9 9 ) . Wegen der mit Schwachsinn oft einhergehenden Beeinträchtigung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit bedarf der Richter dazu im Allgemeinen sachverständiger Beratung (BGH N J W 1967 2 9 9 ) .
152
8. Mit dem Oberbegriff der schweren anderen seelischen Abartigkeiten hat der Reformgesetzgeber 1975 die in ihrer rechtlichen Bewertung seinerzeit so umstrittenen psychischen Auffälligkeiten erfasst, die nach bisherigem Erkenntnisstand nicht auf einem organischen Prozess beruhen 1 4 2 und nicht unter das zweite und dritte Eingangsmerkmal subsumiert werden können. Diese führen grundsätzlich nicht zur Schuldunfähigkeit (BGH N S t Z 1991 31, 32; B G H bei Holtz M D R 1984 979). Das Gesetz nimmt an, dass der geistig gesunde Mensch im Normalfall über diejenigen Kräfte verfügt, die es ihm ermöglichen, strafbaren Neigungen oder Gefühlsexplosionen zu widerstehen. Er ist deshalb verpflichtet, diese Kräfte voll einzusetzen. 143 Nur ganz ausnahmsweise, im Falle einer ausgesprochenen Persönlichkeitsentartung, bewirkt eine Störung dieser Art Schuldunfähigkeit. 1 4 4
153
Früher hat man dieser Gruppe insbesondere Psychopathien, Neurosen sowie sexuelle Triebstörungen zugeordnet. In den letzten Jahren werden die Fallgruppen differenzierter und teilweise mit neuer Terminologie erfasst. Heute gehören dazu sexuelle Verhaltensabweichungen und Störungen (BGH NStZ 1995 3 2 9 f), Süchte (soweit sie nicht oder noch nicht zu einer körperlichen Abhängigkeit geführt haben; vgl. Nedopil2 S. 21 f), Persönlichkeitsstörungen (früher Psychopathien) 1 4 5 , Neurosen, Belastungsreaktionen sowie
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Dilling u.a. ICD-10, S. 169: leicht (IQ 50-69, mentales Alter 9 bis unter 12 Jahre), mittelgradig (IQ 35-49, 6 bis unter 9 Jahre); schwer (IQ 20-34, 3 bis unter 6 Jahre), schwerst (IQ unter 20, unter 3 Jahren). Bresser in Witter Sachverständige S. 89; Frank Forensia 2 (1977/78) 36, 41; Thomae/Schmidt in Undeutsch S. 326, 335. Skeptisch Nedopil2 (S. 20, 151) im Hinblick auf biologische und neurophysiologische Besonderheiten bei bestimmten - vor allem dissozialen - Persönlichkeitsstörungen.
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BGHSt 14 30, 32; 23 176, 190; BGH NJW 1955 1726; BGH bei Holtz MDR 1987 444; OGHSt. 3 80, 82. Bericht BTDrucks. V/4095 S. 10; OLG Hamm NJW 1977 1498, 1499; Mende in Bleuler S. 648; Rasch NStZ 1982 177, 179; Wegener Einführung S. 101; aA (niemals § 20) Rauch in Frank/Harrer S. 74, 80. Neuerdings wieder als spezielles Psychopathy-Konstrukt (Schmidt/Scholz/Nedopil MschrKrim. 2004 103);
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§ 20
paranoide Entwicklungen mit Wahnvorstellungen ohne psychotische Ursache (Nedopil2 S. 21 f, 122; B G H N S t Z 1 9 9 7 3 3 5 f; zum Eifersuchtswahn B G H N J W 1 9 9 7 3101 = N S t Z 1998 2 9 6 f m. zust. Anm. Winckler/Foerster und Blau J R 1 9 9 8 2 0 7 ff). Insbesondere bei den Persönlichkeitsstörungen, Neurosen und psychogenen Reaktionen handelt es sich nicht um trennscharfe Diagnosebegriffe; vielmehr ist die Abgrenzung im Einzelfall problematisch (vgl. dazu den Kategorienkatalog bei Scholz Z S t W 116 [2004] 618 ff) und nicht selten vom wissenschaftlichen Standort des Sachverständigen und von der zugrunde liegenden Schuldkonzeption abhängig (Theune Z S t W 114 [2002] 3 0 0 ff). a) Sexuelle Verhaltensabweichungen und Störungen wurden in der herkömmlichen Terminologie oft als Triebstörungen oder Perversionen bezeichnet. Forensisch am häufigsten relevant sind Pädophilie und Exhibitionismus, seltener Sadismus, Fetischismus oder andere Formen. Sie bildeten den Anlass für die Entwicklung des sogenannten juristischen Krankheitsbegriffs durch die Rechtsprechung, bevor der Gesetzgeber mit den „schweren anderen seelischen Abartigkeiten" klarstellte, dass nicht nur somatisch bedingte seelische Störungen, sondern alle Arten von Störungen der Verstandestätigkeit sowie des Willens-, Gefühls- oder Trieblebens die Schuldfähigkeit ausschließen oder erheblich mindern können (BGHSt 14 3 0 ; 19 2 0 1 ; 2 3 176). Im ICD-10 werden unter der Gruppe F 65 außer den bereits genannten noch folgende „Störungen der Sexualpräferenz" genannt: fetischistischer Transvestitismus; Voyeurismus, Sadomachismus, multiple, sonstige oder nicht näher bezeichnete Störungen der Sexualpräferenz. 1 4 6
154
Die Abartigkeit eines sexuellen Verhaltens allein 1 4 7 - ein heute eher problematisches M e r k m a l 1 4 8 - rechtfertigt dabei noch nicht die Annahme einer rechtserheblichen Störung, sondern erst die Tatsache einer im Zusammenhang mit der Triebanomalie stehenden, das Hemmungsvermögen betreffenden Persönlichkeitsentartung. Die Abartigkeit kann allerdings ein wichtiges Anzeichen dafür sein ( B G H R StGB § 21 seel. Abartigkeit 10, 16; NStZ 1 9 9 4 75). Ein anderer wesentlicher Gesichtspunkt ist das Vorliegen einer süchtigen Entwicklung. 1 4 9 Eine solche Entwicklung schreitet über die Süchtigkeit fort zum süchtigen Verfall und ist äußerlich gekennzeichnet u.a. durch eine Zunahme der Frequenz bei Abnahme der Befriedigung, Ausbau der Praktiken und der Phantasie, Promiskuität (Beliebigkeit des Partners, mangelnde persönliche Beziehung). Innerlich leidet der Betroffene unter starker Unruhe, sein Denken und Fühlen ist eingeengt und fixiert auf den Gegenstand der Sucht. 1 5 0
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Dilling/Mombour/Schmidt/Schulte-Markwort S. 162 ff. Im hessischen „Kannibalenfall" hat der 2. Senat des BGH dem Landgericht bescheinigt, dass es trotz der festgestellten schweren Persönlichkeitsstörung des Angeklagten, die mit einer sexuellen Einengung auf den Fetisch Männerfleisch verbunden war, ohne Rechtsfehler von dessen uneingeschränkter Schuldfähigkeit ausgegangen war (BGH NStZ 2005 505, insoweit unvollständig abgedruckt); zur Koprophilie (eine mit sexueller Regung einhergehende Neigung, den Kot und/oder Urin eines anderen Menschen zu verzehren) Konrad/Weitze Rechtsmedizin 7 (1997) 61 ff. Jakobs AT2 18/22; Rudolphi SK 7 Rdn. 17; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 21.
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BGH JR 1990 119; 1983 69 je m. Anm. Blau; BGHSt 14 30, 32; 19 201, 204; 23 176, 190; BGH NJW 1955 1726; 1962 1779, 1780; 1989 2958; BGH GA 1962 185; BGH bei Dallinger MDR 1969 901; BGH LM StGB § 51 Nr. 4; BGHR StGB § 21 Sachverst. 7; seel. Abartigkeit 22; OGHSt. 1 190; KG HESt. 1 17; Krümpelmann GA 1983 337, 359; Rudolphi SK 7 Rdn. 17; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 21; Schorsch in Giese/Schorsch Psychopathologie der Sexualität (1973) S. 14, 28; weitergehend zu sexuellen Impulshandlungen in Venzlaff S. 279, 310; Witter in Haesler S. 341, 346; warnend Jakobs AT 2 18/23. Giese Psychopathologie d. Sexualität (1962) S. 420; Glatzel Forens. Psychiatrie S. 175; Rasch FS Bürger-Prinz, S. 173; Saß Psycho-
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§20
2 . Abschnitt. Die Tat
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Die sachgerechte Diagnostik sexueller Störungen setzt eine ausführliche Sexualanamnese und eine Einordnung paraphiler Neigungen anhand der gängigen Klassifikationssysteme voraus. Bei der Einstufung einer Paraphilie als schwere seelische Abartigkeit bedarf es einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Täters unter Einbeziehung seiner Entwicklung, seines Charakterbildes und der Tatmotive (BGH NJW 1998, 2753 m. Anm. Winckler/Foerster NStZ 1999 126) sowie einer Prüfung des Anteils der Paraphilie an der Sexualstruktur und im Persönlichkeitsgefüge sowie der bisherigen Fähigkeit des Probanden zur Kontrolle paraphiler Impulse (Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß NStZ 2005 61 f mit Hinweisen zu den für die Beurteilung der Steuerungsfähigkeit relevanten Aspekten).
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Für die sehr seltene Exkulpation orientiert sich die Rechtsprechung im Anschluss an Giese (1963, S. 32 ff; Giese/Schorsch S. 155 ff) am Kriterium der „süchtigen Entwicklung" (BGH J R 1990 119; NStZ 1993 181; NStZ 2001 243): Kriterien hierfür sind Verfall an Sinnlichkeit; steigende Frequenz der sexuellen Betätigung bei abnehmender Satisfaktion; Ausbau von Phantasie, Praktik, Raffinement; Promiskuität und Anonymität; Süchtigkeit des Erlebens; dranghafte Unruhe, Unrast, Fahrigkeit, Reizbarkeit (Giese aaO.; Streng MK Rdn. 98). Voraussetzung für eine Exkulpation ist, dass der Trieb derart gesteigert ist, dass der Täter selbst bei Aufbietung aller ihm eigenen Willenskräfte ihm nicht zu widerstehen vermag (Streng MK § 20 Rdn. 99; Schreiber/Rosenau S. 73). Nach der Rechtsprechung des BGH kann bei naturwidriger Triebhaftigkeit (z.B. Pädophilie) schon ein Trieb von durchschnittlicher Stärke exkulpieren, während bei normaler Sexualität dieser Trieb unüberwindbar stark ausgeprägt sein müsse (BGHSt 14 31; 23 176, 190; BGH J R 1990 119; kritisch zu dieser Differenzierung Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 23; Schreiber/Rosenau S. 73).
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Höchstrichterliche Entscheidungen finden sich zur Pädophilie, 151 zum Sadismus (BGH NStZ 1994 75; NStZ-RR 1998 174) und zur Hypersexualität (BGHR § 21 seelische Abartigkeit 22, 26, 32; StV 1996 367). Exhibitionismus stellt für sich genommen kein Krankheitsbild dar, kann aber Ausfluss einer rechtserheblichen Störung sein (OLG Zweibrücken StV 1986 436; Mende in Bleuler S. 655; Wille in Forster S. 552). Dass jeder Exhibitionist gestört sei, das Gesetz aber diese Störung mit der Schaffung des § 183 für unbeachtlich erklärt habe, ist den §§ 20, 21 nicht zu entnehmen (BGHSt 28 357; BGHR StGB § 20 Steuerungsfähigkeit 1). b) Süchte
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Im Mittelpunkt steht hier die Alkohol-, Drogen- und Medikamentensucht, die in der Terminologie der Weltgesundheitsorganisation als Abhängigkeit bezeichnet wird. ICD F 10.2 spricht deshalb vom Abhängigkeitssyndrom, das nach verschiedenen psychotropen Substanzen aufgeschlüsselt wird (Alkohol, Opioide, Cannabinoide, Sedative oder Hypnotika, Kokain, sonstige Stimulanzien einschließlich Koffein, Halluzinogene, Tabak, flüchtige Lösungsmittel und sonstige psychotrope Substanzen). Die psychische Abhängigkeit von einer Substanz, die bei vielen Suchterkrankungen auch von einer physischen pathie S. 119; Scborscb R & Ρ 1 9 8 8 10; ferner Schumacher FS Sarstedt, S. 361, 3 6 5 ; in Feuerlein S. 165, 1 6 8 ; zur Beurteilung sexueller Abweichungen nach dem tiefenpsychologischen (psychodynamischen) Modell Wille in Forster S. 5 3 1 und Rdn. 7 0 . 151
B G H N J W 1 9 9 8 2 7 5 2 , dazu Anm.
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ler/Förster N S t Z 1 9 9 9 2 3 6 ; B G H N J W 1 9 9 8 , 2 7 5 3 m. Anm. Winckler/Foerster N S t Z 1 9 9 9 126; BGH N J W 1 9 9 8 3 6 5 4 ; N S t Z 1 9 9 9 611; 2 0 0 1 2 4 3 mit Anm. Nedopil N S t Z 2 0 0 1 4 7 4 ; N S t Z - R R 2 0 0 4 2 0 1 ; StV 2 0 0 5 2 0 f).
Winck-
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
Abhängigkeit mit körperlichen und vegetativen Symptomen begleitet wird, ist eine besondere Form der Persönlichkeitsveränderung, die heute - soweit sie nicht oder noch nicht zu einer körperlichen Abhängigkeit geführt hat - unstreitig zu den schweren anderen seelischen Abartigkeiten gerechnet wird (Rasch/Konrad3 S. 291 ff; Nedopil2 S. 21 f, 92 ff; BGH StV 2001, 564). Typisch für die Abhängigkeitsentwicklung ist die Toleranzsteigerung, bei der sich der Körper durch die Gewöhnung auf die Aufnahme immer größerer Mengen des Suchtmittels einstellt, um die gleichen Effekte zu erzeugen. Die Rechtsprechung verfolgt auch bei Suchtfällen bezüglich der Exkulpation eine sehr restriktive Linie, schließt allerdings Schuldunfähigkeit nicht von vornherein aus (Streng MK § 20 Rdn. 105). Auch bei der Anwendung des § 21 StGB ist die Rechtsprechung sehr zurückhaltend, jedoch gibt es immer wieder Fälle, in denen verminderte Schuldfähigkeit angenommen wird (BGH NStZ 2001, 83; 2001, 85)
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Problematisch sind in diesem Zusammenhang die nicht stoffgebundenen Süchte, insbesondere die Spielsucht (vgl. ICD-10 F 63.0; DSM-IV-TR-TR 312.31; kritisch Nedopil2 S. 161 ff). Hier lassen sich in krassen Fällen psychische Defekte und Persönlichkeitsänderungen feststellen, die eine ähnliche Struktur und Schwere aufweisen wie bei stoffgebundenen Süchten oder bei devianter Sexualität ( R a s c h / K o n r a d 3 S. 301 f; Streng M K § 20 Rdn. 107; Kellermann StV 2005 287 ff). Trotz der in den letzten 20 Jahren forensisch bedeutsamer gewordenen Problematik des „pathologischen Spielens" verfährt die Rechtsprechung mit Recht überaus restriktiv bei der Anerkennung der Spielsucht als „schwere andere seelische Abartigkeit" i.S.d. §§ 20, 21 StGB. „Pathologisches Spielen" oder „Spielsucht" stelle für sich genommen keine die Schuldfähigkeit erheblich einschränkende oder ausschließende krankhafte seelische Störung oder andere seelische Abartigkeit dar. Maßgeblich sei insoweit vielmehr, ob der Betreffende durch seine Spielsucht gravierende psychische Veränderungen in seiner Persönlichkeit erfahre, die in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig seien. 152
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Tatsächlich findet sich in der Rechtsprechung des BGH kein einziger Fall mit vollständiger Exkulpation, und viele Entscheidungen zum pathologischen Spielen verneinen bzw. bezweifeln durchweg eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Während die juristische Literatur insoweit - unter Verweis auf die Rechtsprechung - kaum eigenständige Positionen vertritt, 153 ist die forensische Behandlung extremer Spielleidenschaft in der psychiatrisch-psychologischen Literatur umstritten (vgl. Kröber Forensia 8 (1987) 113 ff m.w.N.).
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Ausgehend von den psychiatrischen Klassifikationssystemen, welche unter dem Sammelbegriff „abnorme Gewohnheiten oder Störungen der Impulskontrolle" (ICD-10 F63; ähnlich DSM-IV-TR 312) das pathologische Glücksspielen neben Kleptomanie und Pyromanie nennen, will ein Teil der Literatur die Spielsucht als eigenständiges und einheitliches psychiatrisch-psychologisches Syndrom akzeptieren, das - ebenso wie Alkoholoder Drogensucht - der „schweren anderen seelischen Abartigkeit" zuzuordnen ist (vgl. Schumacher Festschrift Sarstedt S. 361 ff; Meyer MschrKrim. 1988 2 1 3 - 2 2 7 ; Kellermann NStZ 1996 335 f).
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Die wohl überwiegende Meinung in der psychiatrischen Literatur lehnt dagegen die eigenständige Bedeutung der „Spielsucht" als Krankheit im Kontext der §§ 20, 21 StGB
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BGHSt 4 9 3 6 5 , 3 6 9 ff = J R 2 0 0 5 2 9 4 mit Anm. Schöch = N S t Z 2 0 0 5 2 0 7 mit Anm. Bottke S. 3 2 7 ; vgl. auch B G H R StGB § 21 seelische Abartigkeit 7, 8, 17; B G H N S t Z 1 9 9 4 5 0 1 ; 1 9 9 9 4 4 8 f; 2 0 0 4 31 f; 2 0 0 5
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2 8 1 f; LG München N S t Z 1 9 9 6 3 3 5 m. Anm. Stoll N S t Z 1 9 9 7 2 8 3 . Vgl. z.B. Lackner/Kühl Rdn. 11; Roxin AT I § 2 0 Rn. 2 5 f; Streng M K Rdn. 1 0 7 ; Tröndle/Ftscher Rdn. 41.
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§20
2. Abschnitt. Die Tat
ab und behandelt exzessives Spielverhalten nur als Symptom für andere psychopathologische Auffälligkeiten. 154 Insbesondere weist sie nicht selten auf eine dissoziale, narzisstische oder Borderline-Persönlichkeitsstörung hin. Die vermittelnde Position des BGH, die bei „Spielsucht" eine Primärstörung mit möglicherweise ursächlicher Wirkung für delinquentes Verhalten nicht grundsätzlich verneint, entspricht in etwa der Konzeption Rascbs, der verschiedene Kriterien für eine relevante Steuerungsbeeinträchtigung entwickelt hat und letztlich darauf abstellt, ob durch das exzessive Spielen eine „typisierende Umprägung" der Persönlichkeit, eine „Persönlichkeitsentartung" eingetreten sei, wie sie in der Rechtsprechung - unter Bezugnahme auf die süchtige Persönlichkeit - bei der Beurteilung der schweren seelischen Abartigkeit verlangt werde (Rasch StV 1991 129; Rasch/Konrad3 S. 301 f). Dies wird allerdings oft erst nach aufwendiger Begutachtung feststellbar sein, während die - von der überwiegenden psychiatrischen Literatur befürwortete - Reduzierung auf ein Symptom für andere psychopathologische Auffälligkeiten ein engeres Eingangsraster für die Begutachtung zugrunde legt. 165
Deshalb ist die in der forensisch-psychiatrischen Literatur überwiegend vertretene engere Konzeption vorzugswürdig. Denn die vom BGH geforderte Gleichwertigkeit mit dem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung ist praktisch nur in den Fällen der Komorbidität (dazu Streng StV 2004 614 ff; Rdn. 180) zu erreichen, d.h. beim Zusammentreffen der Spielsucht mit anderen gravierenden psychopathologischen Auffälligkeiten. Sie ist auch sachgerecht, denn die primär an klinischen Aspekten orientierten Klassifikationssysteme DSM-IV-TR und ICD-10 sind forensisch nicht unmittelbar relevant (BGHSt 37 397, 401). Die für die klinische und therapeutische Behandlung der Spielsucht, der Kleptomanie und der Pyromanie sinnvolle Einordnung im ICD-10 und DSM-IV-TR bedeutet also nicht, dass diese „Störungen der Impulskontrolle" automatisch auch als „schwere andere seelische Abartigkeit" zu qualifizieren wären. Vielmehr ist es im Kontext der §§ 20, 21 StGB wegen der gebotenen engen Auslegung des 4. Merkmals und wegen der hohen Anforderungen an die Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit sachgerechter, diese lediglich als Symptome für umfassendere psychopathologische Auffälligkeiten heranzuziehen (Schöch JR 2005 296 f). Was für die Kleptomanie und Pyromanie heute nahezu unstreitig ist (s. folgenden Absatz), kann für die Spielsucht nicht anders beurteilt werden.
166
Pathologisches Stehlen (Kleptomanie ICD-10 F 63.2) und pathologische Brandstiftung (Pyromanie ICD-10 F 63.1) sind über den Diagnoseschlüssel der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft ebenfalls unter der Fallgruppe F 63 (abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle) in den internationalen Diagnoseschlüssel gelangt. Sie werden jedoch in der deutschen Psychiatrie aufgrund einer langen und intensiven Diskussion nahezu einhellig als eigenständige Merkmale abgelehnt. 1 5 5 Dies schließt nicht aus, dass es bei diesen Delikten einen relativ hohen Anteil anderer relevanter Störungen geben kann. Auch die Rechtsprechung hat bisher ein eigenständiges Merkmal Kleptomanie nicht anerkannt (BGH NJW 1969, 563; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 134; OLG Koblenz R & Ρ 2006 101).
167
In einem außergewöhnlichen Fall hat das LG Passau (NStZ 1996 601 = JR 1997 118 mit zust. Anm. Brunner) aufgrund des suchtartigen Konsums von gewaltdarstellenden
154
Saß/Wiegand Nervenarzt 1990 435 ff; ahnlieh Kröber Forensia 8 (1987) 113; JR 1989 381; Nedopil2 S. 161 f; Bork/Foerster Sucht 2004 368 ff mit Hinweisen zu Therapiemöglichkeiten und pharmakologischer Behandlung.
1324
155
Rasch/Konrad3 S. 303; Nedopil2 S. 161 f; Foerster in Foerster4 S. 321; Foerster/ Knöllinger StV 2000 457 ff.
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
Horror-Videos mit gleichzeitig schwerem Erziehungsversagen der Eltern bei einem 15-jährigen Jugendlichen eine schwere andere seelische Abartigkeit bejaht und für eine schwere Gewalttat nach dem Vorbild der Horror-Figur eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB angenommen (kritisch und noch weitergehend Eisenberg NJW 1997 1336 ff). Forensische Relevanz kann auch die Sammelsucht haben (Möller/Bier-Weiß Rechtsmedizin 7 [1997] 53). c) Dagegen berührt eine Persönlichkeitsstörung (früher als Psychopathie, Charakterneurose, Kernneurose, abnorme Persönlichkeit bezeichnet) selten allein, zusammen mit anderen Faktoren allerdings häufiger die Schuldfähigkeit, ohne sie jedoch in aller Regel völlig aufzuheben (Foerster MschrKrim. 1989 83, 86; Witter Sachverständige S. 69). Dass solche Störungen mit dem Charakter zusammenhängen, ändert rechtlich nichts (Rdn. 68 ff).
168
Die Persönlichkeitsstörungen beschreiben in ihrem Temperaments- und Charaktermerkmalen besonders auffällige Persönlichkeitsstrukturen, die sich vor allem durch ein tiefgreifend abnormes, meist dissoziales Verhaltensmuster auszeichnen, das andauernd ist, bereits in der Kindheit oder Jugend beginnt und sich im Erwachsenenalter manifestiert. Hieraus resultiert eine starke forensische Relevanz, die noch durch ein erhöhtes Risiko für Gewalttaten bei manchen Persönlichkeitsgestörten verstärkt wird (Kröber Nervenarzt 2005 1380). Für die Betroffenen selbst sind mit der Störung erhebliche subjektive Leiden und deutliche Leistungseinschränkungen verbunden. Es werden mehrere Idealtypen unterschieden, die sich in Anlehnung an DSM-IV-TR und ICD-10 60 - 60.9 und DSM-IV-TR aufschlüsseln lassen in paranoide, schizoide, dissoziale, emotional instabile und Borderline-Persönlichkeiten, außerdem histrionische (früher hysterische), anankastische, ängstliche und abhängige Persönlichkeiten, sowie die narzisstische und schizotype Persönlichkeitsstörung ( N e d o p i l 2 S. 152 ff). Die klinische Diagnose einer Persönlichkeitsstörung darf nicht automatisch mit dem juristischen Begriff der schweren anderen seelischen Abartigkeit gleichgesetzt werden. Nur wenn die durch die Persönlichkeitsstörung hervorgerufenen Leistungseinbußen mit den Defiziten vergleichbar sind, die im Gefolge forensisch relevanter krankhafter seelischer Verfassungen auftreten, kann von einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gesprochen werden (Boetticher/Nedopil/ Bosinski/Saß NStZ 2 0 0 5 60 mit beispielhaften Kriterien für diese Einstufung).
169
Die Rechtsprechung verlangt daher eine relativ genaue Qualifizierung der Art der Persönlichkeitsstörung und eine Darlegung des symptomatischen Zusammenhangs der Störung mit dem Tatgeschehen. 156 Nicht selten wird beanstandet, dass trotz Vorliegens einer schweren anderen seelischen Abartigkeit die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit zu oberflächlich verneint (BGH NStZ-RR 1998 188; BGH NStZ-RR 2004 8) oder zu ungenau bejaht (BGH NStZ 2 0 0 6 154) wurde. Mit besonderer Skepsis wird in der Rechtsprechung nach wie vor die Borderline-Persönlichkeitsstörung behandelt, wohl auch deshalb, weil hier die Gefahr einer Fehldiagnose und einer nicht gerechtfertigten Unterbringungsempfehlung gemäß § 63 durch unerfahrene Sachverständige nicht ganz gering ist (BGHSt 42 385, zust. Faller NJW 1997 3073 f; abl. Kröber NStZ 1998 80; Dannborn NStZ 1998 81; BGH NStZ-RR 2 0 0 4 199).
170
Der Unterschied zu den Neurosen wird meist in der Ursache gesehen; teilweise wird auch nach therapeutischen Gesichtspunkten differenziert. Hiernach betreffen Psycho-
156
BGH NStZ-RR 1998 106; BGHSt 37 397, 401 f; BGH NStZ 1997 383; NJW 1997 3101.
Heinz Schöch
1325
§20
2. Abschnitt. Die Tat
pathien die Gesamtpersönlichkeit und sind allenfalls kompensierbar, aber kaum zu heilen; Neurosen beeinträchtigen als abgrenzbare Symptomkomplexe die Persönlichkeit nicht im Ganzen, vielleicht auch nicht ständig, und sind therapeutisch wesentlich besser zu beeinflussen (Binder Psychiatrie d. Gegenwart 1. Aufl. Bd. II S. 199; anders Wegener Einführung S. 100). Eine scharfe begriffliche Trennung ist, da jede Störung auf Anlagen in der Person rückführbar ist, nicht möglich (Solms-Rödelheim Forensia 2 [1977/78] 50, 51); teilweise wird der Begriff der Neurose auch gänzlich als verfehlt betrachtet (Rdn. 176). 171
Persönlichkeitsstörungen werden regelmäßig nach den vorherrschenden Auffälligkeiten beschrieben (Kurt Schneider Psychopathologie S. 17), teilweise auch von psychopathologischen Entwicklungen - in Symptomatik und Gewicht fortschreitenden Störungen - abgehoben (kritisch Saß Forensia 9 [1988] 149, 152). Für die Schuldfähigkeitsbeurteilung haben derartige Systematisierungen ersichtlich keinen Wert, entscheidend sind Beschreibung und Gewichtung der einzelnen Befunde. Insbesondere sollte die der Klinik der endogenen Psychosen entlehnte Terminologie nicht dazu verleiten, vorschnell auf eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit zu schließen. So neigen paranoide Persönlichkeiten zu Größenideen und dazu, bedeutungslosen Geschehnissen wahnhaft einen bestimmten Sinn beizulegen; anankastische Persönlichkeiten zu zwanghaft wiederholten Handlungen, zu Perfektionismus und übermäßiger Gewissenhaftigkeit; schizoide Persönlichkeiten sind kontaktarm, gefühlskalt, auch verschrobene Querköpfe und Eigenbrötler. 157 Ob und inwieweit sie in der Lage sind, eine konkrete Straftat zu vermeiden, ist eine völlig andere Frage. Allerdings gibt es auch Grenzfälle mit psychoseähnlichen Symptomen, welche die Anwendung des § 21 ohne weiteres nahe legen (BGHSt 37 397 m. Anm. Grasnick J R 1992 118, Rdn. 38).
172
Die Beurteilung der Schuldfähigkeit sollte sich an den Kriterien von ICD-10 oder DMS-IV-TR orientieren und dabei den allgemeinen definierenden Merkmalen von Persönlichkeitsstörungen in beiden Klassifikationssystemen (Dilling/Mombour/Schmidt/ Schulte-Markwort ICD-10, F 6, G 1 bis G 6, S. 149 f; Saß/Wittchen/Zaudig/Houben DSM-IV-TR S. 753 f) besondere Beachtung widmen (Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß et al. NStZ 2005 60 mit weiteren Hinweisen zur sachgerechten Diagnostik). Ähnlich wie für Affekte hat Saß (Psychopathie S. 119; Forensia 6 [1985] 33; in: Saß/ Herpertz S. 179 f; dazu auch Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 227) einen Merkmalskatalog entworfen, in dem die für und gegen eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit bei Psychopathien und anderen schweren seelischen Abartigkeiten sprechenden Anzeichen aufgelistet sind. Er stellt ebenfalls einen Beitrag zu mehr Rationalität und Transparenz dar, obwohl er objektbedingt mehr unscharfe Kriterien enthält als der Affektkatalog.
173
Danach sprechen für eine mindestens erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit: psychopathische Disposition der Persönlichkeit; chronische konstellative Faktoren (Abusus, Lebensumstände); Schwäche der Abwehr- und Realitätsprüfungsmechanismen; Einengung der Lebensführung; Stereotypisierung des Verhaltens; Häufung sozialer Konflikte auch außerhalb des Delinquenzbereichs; konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor der Tat; abrupter, impulshafter Tatablauf; aktuelle konstellative Faktoren (Alkohol, Drogen, Ermüdung, Affekt); Hervorgehen der Tat aus neurotischen Konflikten oder entsprechender Symptomatik; bei sexuellen Deviationen auch Einengung, Fixierung, Progredienz (s. Rdn. 154 ff).
157
Näher Bleuler S. 5 7 7 ; zur unbefriedigenden wissenschaftlichen Erforschung unter foren-
1326
sischen Aspekten Foerster 28.
Heinz Schöch
FS Venzlaff, S. 25,
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
Gegen eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit sprechen Tatvorbereitungen; planmäßiges Vorgehen bei der Tat; Fähigkeit zu warten; lang hingezogenes Tatgeschehen; komplexer Handlungsablauf in Etappen; Vorsorge gegen Entdeckung; Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen; Hervorgehen des Delikts aus dissozialen Charakterzügen. Foerster (MschrKrim. 1989 83, 86) stellt allgemeiner auf Realitätsprüfung und Wirklichkeitssinn, Urteilskraft, Regulierung und Kontrolle von Trieben, Affekten und Impulsen, Objektbeziehungen, Abwehrfunktionen und Reizschutz ab, jedoch im Rahmen einer umfassenden Persönlichkeitsbeurteilung, welche auch alle situativen Gegebenheiten einschließt (eingehend auch Venzlaff/Pfäfßin in Foerster4 S. 226 f). Die gerichtliche Praxis tendiert zu großzügiger Annahme der Voraussetzungen des § 21 (s.o. Rdn. 7; kritisch Schöch Nervenarzt 2005 1386 f; Bresser in Frank/Harrer S. 38, 44; Glatze Forens. Psychiatrie S. 212). Auffälligkeiten, welche früher als unbeachtlich galten (Rdn. 68 ff), erscheinen unter anderer Bezeichnung vielfach als rechtserhebliche Störungen (vgl. z.B. BGH StV 1990 302; 1992 316; NStZ 1990 122). Es hat den Anschein, als würden die Grenzen der Verantwortlichkeit für moralische Defizite mit Hilfe von Ausdrücken wie Dissozialität und Soziopathie häufig überspielt (zur Abgrenzung Blei AT § 56 III; Saß Psychopathie S. 82; BGH StV 1992 316; Rdn. 71). Das ist ebenso wenig gerechtfertigt wie die grundsätzliche Annahme voller Verantwortlichkeit bei Persönlichkeitsgestörten (Venzlaff in Venzlaff S. 357; Venzlaff/Pfäfßin in Foerster4 S. 267 ff). Der Umstand, dass dadurch haltlose, willensschwache und gefühlskalte Personen gegenüber dem an sich rechtstreuen Bürger bevorzugt werden, erscheint unter Gerechtigkeitsaspekten nicht unbedenklich (vgl. BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 3 - „narzisstische Urwut"). Deshalb müssen sozial deviante Verhaltensweisen von chronischen Rückfalltätern sorgfältig von den psychopathologischen Merkmalen einer Persönlichkeitsstörung abgegrenzt werden (Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß et al. NStZ 2005 60).
174
Zwar ist es nach den Maßstäben des Schuldstrafrechts verboten, bei Persönlichkeitsgestörten die Anwendung des § 21 mit Rücksicht darauf abzulehnen, dass sie kaum behandelbar sind und bei einer Einweisung gemäß § 63 in den Krankenanstalten nur stören {Rasch NStZ 1982 177, 180; Rautenberg SchlHA 1986 2, 6; Saß Forensia 6 [1985] 33, 36). Allerdings bedarf die für klinische Zwecke entwickelte relativ weite Konzeption der Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 (Kategorie F6; Dilling/Mombour/Schmidt/SchulteMarkwort S. 149 ff) und DSM-IV-TR (Saß/Wittchen/Zaudig/Houben S. 743 ff) einer Anpassung an forensische Bedürfnisse. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass unter den nicht begutachteten Angeklagten vor der Strafkammer in Sachsen-Anhalt 43,8 % eine Persönlichkeitsstörung aufweisen, davon 35,2 % die dissoziale und 18,1 % die Borderline-Störung (Marneros/Ulrich/Rössner S. 75). Bei 90 Gefangenen des offenen Strafvollzugs in Ulm fanden sich sogar 50 % Persönlichkeitsgestörte dieser Kategorien (Frädrich/ Pfäfßin S. 95-104). Deshalb sind die strengen normativen Anforderungen an die Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB beim 4. Merkmal zu betonen (vgl. BGH NStZ 1991 31; NStZ-RR 2005 331 f bei Theune), die es gestatten, neben zahlreichen diagnostischen Kriterien auch die Therapieprognose ergänzend heranzuziehen. Eine derartige teleologische und rechtsfolgenorientierte Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ist unserer Rechtsordnung nicht fremd und steht im Einklang mit dem strafrechtlichen Zurechnungs- und Sanktionensystem (Schöch Nervenarzt 2005 1387 f). In Grenzfällen der verminderten Schuldfähigkeit - nicht bei eindeutiger Feststellung - sollte diese verneint werden, wenn die Therapieprognose für das psychiatrische Krankenhaus nicht günstiger ist als für den Strafvollzug (einschließlich der sozialtherapeutischen Anstalt gemäß § 9 StVollzG).
175
Heinz Schöch
1327
§20 176
2. Abschnitt. Die Tat
d) N e u r o s e n . N e u r o t i s c h e S t ö r u n g e n sind erlebnisbedingte psychische Fehlentwicklungen, die sich in seelischen u n d / o d e r k ö r p e r l i c h e n S y m p t o m e n m a n i f e s t i e r e n k ö n n e n (Rasch StV 1991 126 ff; z.B. Angst- u n d Z w a n g s n e u r o s e , p s y c h o s o m a t i s c h e E r k r a n k u n gen, sexuelle F u n k t i o n s s t ö r u n g e n , vgl. Nedopil2 S.137). Im I C D - 1 0 w i r d der Begriff der N e u r o s e als selbständige Klassifikation weitgehend a u f g e g e b e n u n d m i t den psychos o m a t i s c h e n S t ö r u n g e n u n d Belastungsreaktionen zu einer einheitlichen G r u p p e z u s a m m e n g e f a s s t . Im H i n b l i c k auf die bisherige forensische Praxis e m p f i e h l t es sich jedoch, d e n Begriff als selbständige Einheit beizubehalten ( R a s c h / K o n r a d 3 S. 2 8 4 ff). Die Abg r e n z u n g zu d e n Persönlichkeitsstörungen ist o f t schwierig. Strafrechtlich spielen N e u r o sen eine geringere Rolle. Die Voraussetzungen des § 21 liegen bei s t a r k a u s g e p r ä g t e n N e u r o s e n , i n s b e s o n d e r e w e n n sie bereits psychoseähnliche S y m p t o m e a u f w e i s e n , relativ h ä u f i g vor. Sehr selten w i r d Schuldunfähigkeit a n g e n o m m e n ; jedoch ist a u c h dies nicht völlig ausgeschlossen (Venzlaff in Frank/Harrer S. 11, 16, 20). Die D i a g n o s e einer N e u r o s e b e r u h t o f t auf tiefenpsychologischen T h e o r i e n (dazu Becker-Toussaint S. 29) H i e r b e i ist d a r a u f zu a c h t e n , dass der Sachverständige nicht d e m M i s s v e r s t ä n d n i s erliegt, dass aus den Tiefen des U n b e w u s s t e n h e r v o r b r e c h e n d e Antriebe v o n d e m T ä t e r nicht zu v e r a n t w o r t e n seien, weil er auf sein U n b e w u s s t e s keinen Einfluss h a b e o d e r weil die Tiefenpsychologie d e m D e t e r m i n i s m u s v e r h a f t e t sein müsse u n d desh a l b generell zur E x k u l p a t i o n neige. 1 5 8 Solche A u f f a s s u n g e n sind v e r f e h l t . 1 5 9 Es bleibt sich gleich, aus welcher Quelle ein A n t r i e b h e r r ü h r t u n d welche U r s a c h e n er hat; entscheidend ist allein, o b er nach der psychischen Befindlichkeit des T ä t e r s im Einzelfall b e h e r r s c h b a r ist. D a s s im Allgemeinen auch die im U n b e w u s s t e n w u r z e l n d e n R e g u n g e n b e h e r r s c h b a r sind, k a n n nicht z w e i f e l h a f t sein. D a g e g e n k ö n n e n tiefenpsychologische E r k e n n t n i s s e f ü r die B e s t i m m u n g des Schuldmaßes u n d f ü r die T h e r a p i e von g r o ß e m N u t z e n w e r d e n (de Boor FS Klug, S. 571; Venzlaff in Thomas S. 41, 55).
177
H ö c h s t r i c h t e r l i c h e E n t s c h e i d u n g e n zu N e u r o s e n gibt es k a u m (zum Q u e r u l a n t e n w a h n B G H N J W 1 9 6 6 1871; O L G Düsseldorf GA 1983 4 7 3 ) . Speziell f ü r den Q u e r u l a n t e n w a h n 1 6 0 h a t Nedopil einen M e r k m a l s k a t a l o g e n t w o r f e n (Forensia 5 [1985] 188). D a n a c h sind die f o l g e n d e n möglichen S y m p t o m e k e n n z e i c h n e n d : E i n e n g u n g des D e n k e n s auf die ü b e r w e r t i g e Idee (Rdn. 87); A b s u r d i t ä t der ü b e r w e r t i g e n Idee; aggressives Verhalten, welches als Selbstzweck dient; affektives Getriebensein; Missverhältnis zwischen der Realität u n d d e n gezogenen Schlussfolgerungen; M o n o t o n i e im D e n k e n ; M a n i festation eines individuell neurotischen Konflikts; w a h n h a f t e , verhaltensbestimmende Ausd e u t u n g e n ; m a n i f e s t e r W a h n . Für die A n n a h m e einer S c h u l d m i n d e r u n g ist das Vorliegen einiger dieser M e r k m a l e erforderlich; deren G e w i c h t u n d deren Einfluss auf die Tat sind im Einzelfall a b z u s c h ä t z e n . Im Hinblick auf die engen Beziehungen zwischen N e u r o s e u n d Psychopathie ( R d n . 171) sind a u c h die M e r k m a l e von B e d e u t u n g , welche zur Beurteilung v o n Persönlichkeitsstörungen dienen (Rdn. 173 ff). Ein eindrucksvolles Fall-
158
159
Krümpelmann GA 1983 337, 358; Scheute/ Reinhardt in Schwerd S. 217; Wegener Einführung S. 69; Witter in Haesler S. 341, 349; FS Wassermann, S. 1007, 1014. Beck-Mannagetta S. 23, 36; Bohle in BeckMannagetta/Reinhardt S. 39, 46; Bräutigam Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 777; Duncker MschrKrim. 1988 381, 383; Glatzel Forens. Psychiatrie S. 195; Goldschmidt in Menne S. 23, 38; Hoffmann
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FS Leithoff, S. 457, 464; Huber Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 746; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 117; Luthe Forensia 4 (1983/84) 161, 168; StV 1991 126, 130; Streng MschrKrim. 1976 77, 80; Venzlaff m Frank/Harrer S. 11, 20; Goreta R & Ρ 1988 20; in Beck-Mannagetta/Reinhardt S. 227, 233. BGH NJW 1966 1871; OLG Düsseldorf GA 1983 473; Erhardt FS Göppinger, S. 409.
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
beispiel für Ladendiebstähle einer schwer neurotisch gestörten 33-jährigen Frau findet sich bei Rasch/Konrad3 S. 287 f. e) Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen. Sie werden auch als abnorme Erlebnisreaktionen oder psychogene Reaktionen bezeichnet. Es handelt sich um Anpassungsstörungen in Bezug auf außergewöhnliche Belastungen, wie sie zum Beispiel als reaktive Depressionen bei schicksalhaften Konflikten in der Familie, in einer Partnerschaft oder im Berufsleben auftreten können (vgl. Rasch/Konrad3 S. 278; Nedopil2 S. 137). Als Folge von Extrembelastungen kann die Störung chronisch fortbestehen, so dass eine „andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung" (ICD-10 Nr. F 62.0) diagnostiziert werden muss ( N e d o p i l 2 S. 140). Hierher gehören auch posttraumatische Belastungsstörungen nach einem überwältigenden traumatischen Erlebnis wie Naturkatastrophen, Kriegsereignisse, Unfälle, Vergewaltigung, Verlust der sozialen Stellung oder des sozialen Bezugsrahmens durch den plötzlichen Tod naher Angehöriger oder ähnliches (Nedopil2 S. 140).
178
Kriminologisch bedeutsam sind vor allem die länger dauernden depressiven Reaktionen (ICD F 43.21), die vielfach den Boden für das Auftreten affektiver Erregungszustände bilden (Rasch/Konrad3 S. 278). Der spannungsreiche Verstimmungszustand kann sich in einer Aggression entladen, in unserem Kulturkreis häufiger in Form von Selbstmordhandlungen. Als Fremdaggressionen jedoch können auch diese beim erweiterten Suizidversuch, wenn Kinder oder Partner in die Selbsttötung einbezogen wurden, zu strafrechtlichen Konsequenzen führen, wenn der Täter überlebt.
179
9. Komorbidität. Im Rahmen der Schuldfähigkeit bedeutet Komorbidität die Kumulation mehrerer Eingangsmerkmale des § 20 StGB im Sinne des Zusammentreffens mehrerer psychischer Störungen (Streng StV 2004 614 ff). Relevant wird das Problem bei den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der §§ 20, 21 StGB und des § 323a StGB. Gesetzlich ist die Komorbidität nicht geregelt. Somit stellt sich die Frage, wie das gleichzeitige Auftreten von mehreren Störungen zu behandeln ist, insbesondere, wenn nur die Kumulation zu §§ 20, 21 StGB führt.
180
Das Zusammentreffen mehrerer Beeinträchtigungen erfordert stets eine besonders sorgfältige Gesamtwürdigung ihrer Auswirkungen auf das seelische Gefüge des Täters (BGHSt 34 22, 26; BGHR StGB § 20 Ursachen, mehrere 1, 2). Es ist dabei gleichgültig, ob mehrere Leiden oder Fehlentwicklungen zusammentreffen (wie etwa bei schwachsinnigen Triebtätern), ob zu einem dauerhaften Defekt ein sog. konstellativer Faktor oder situativer, vorübergehender Zustand (wie Trunkenheit oder Affekt) hinzutritt oder ob vorübergehende Ausfälle sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken, so bei dem alkoholisierten Affekttäter. 161 Leichte Hirndefekte, Minimalabweichungen des Verstandes und der Wesensart sind in der Gruppe der Rechtsbrecher aber sehr verbreitet. Das wird in unserer Strafrechtsordnung vorausgesetzt und kann daher nicht von selbst zur Entschuldigung führen; die Normabweichungen sind vielmehr in ihrem Gewicht für die konkrete Tat zu würdigen (BGH NJW 1983 350; de Boor FS Klug, S. 571). Leidet der Angeklagte unter mehreren nach international geltenden Standards (ICD) als schwer eingestuften Persönlichkeitsstörungen, so liegt es nahe, dass das Hinzutreten externer Einflüsse, wie etwa die Aufnahme von Alkohol, zu einer Verminderung oder einem vollständigem Ausschluss der Steuerungsfähigkeit führen kann (BGH StV 2004 477; NStZ-RR 2 0 0 4 162).
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BGH StV 1987 341; BGH StV 1994 13; NStZ 1997 232; Maatz Nervenarzt 2 0 0 5 1391, 1394.
Heinz Schöch
1329
§20
2. Abschnitt. Die Tat
Allgemein anerkannte „Verknüpfungsregeln" gibt es nicht; weder eine allzu starre Fixierung auf die „Hauptdiagnose" noch ein schlichtes Aufsummieren einzelner leichter Beeinträchtigungen würde der Komplexität psychischer Störungen gerecht (Winckler/ Foerster NStZ 1999 237). 181
Die praktische Bedeutung des Problems ist relativ groß, wie verschiedene empirische Studien zeigen (Verrei S. 107 f; Marneros/Ullrich/Rössner S. 87 f). In der forensisch-psychiatrischen Literatur wird vor allem auf das häufige Zusammentreffen von Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit mit anderen psychischen Störungen, insbesondere mit der dissozialen Persönlichkeitsstörung hingewiesen (Nedopil2 S. 100 m.w.N.). Außerdem spielt die Tötung des (trennungswilligen oder untreuen) Intimpartners durch den alkoholisierten Affekttäter eine besondere Rolle (Maatz Nervenarzt 2005 1389 ff). In sehr seltenen Fällen kommt ein völliger Schuldausschluss in Betracht, der auch im Zusammenwirken von Affekt und alkoholischer Enthemmung möglich ist (BGH StV 1994 13; NStZ 1997 232 f; einschränkend Maatz Nervenarzt 2005 1393, 1401; restriktiver auch BGH StraFo 2004 249). Es ist in solchen Fällen fehlerhaft, allein auf den Alkoholisierungsgrad oder den Affekt abzustellen, ohne den jeweils anderen Anteil zu berücksichtigen (BGH StraFo 2004 249). Eine „Doppelmilderung" wäre aber unzulässig; vielmehr geht es darum, die Auswirkungen des Affektes und der Alkoholisierung in einer „gestalthaften Gesamtschau des Geschehens" (Rasch Tötung des Intimpartners [1964] S. 105) gemeinsam zu würdigen (Maatz Nervenarzt 2005 1394 f).
182
Die Problematik wird in mehreren höchstrichterlichen Entscheidungen der letzten Jahre behandelt, z.B. BGHSt 44 338, 344 (Persönlichkeitsstörung + Alkoholsucht); 44 369, 375 (Psychose + geringer Alkohol); BGH NJW 1998 2752 (Pädophilie + Persönlichkeitsstörung); BGH NStZ 2004 197 (Alkoholabhängigkeit + Intelligenzminderung + kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, paranoiden, schizoiden und impulsiven Zügen). Die erste gründliche juristische Erörterung des Problems findet sich bei Streng (StV 2004 614 ff).
183
Folgende Kombinationen kommen in der Praxis häufig vor: dauerhafte krankhafte Störung und Alkoholisierung bzw. Drogenkonsum; tiefgreifende Bewusstseinsstörung und Alkoholisierung; Alkoholintoxikation und Drogenwirkungen; Persönlichkeitsstörung und Alkoholisierung bzw. Drogenkonsum. Es gibt aber auch andere relevante Kombinationen (vgl. z.B. BGH NStZ 2003 363 f: Diabetes + Bluthochdruck + „nervliche Belastung"; BGHR § 21 StGB Ursachen, mehrere 5: Tabletten + Schwachsinn + Depression). Im psychiatrischen Krankenhaus Haina/Hessen gibt es seit Beginn der 90er Jahre einen integrierten Behandlungsansatz für schizophrene Patienten mit Suchterkrankung und Persönlichkeitsstörung. Dabei finden sich unter 158 Patienten folgende Diagnosen: Schizophrenie + Substanzmissbrauch 45 % ; Schizophrenie + Substanzmissbrauch + Persönlichkeitsstörung 29 %; Substanzmissbrauch + Persönlichkeitsstörung 15 % ; nur schizophrene Psychose 5 % (Rohdich/Kirste R & Ρ 2005 116 f).
184
10. Einzelheiten aus der Rechtsprechung. Einen Verbrecher aus erblicher Veranlagung gibt es nach bisherigen Erkenntnissen nicht (BGH bei Dallinger MDR 1971 185). Unrechtseinheit und Hemmungsvermögen des Täters beziehen sich immer auf den konkreten Rechtsverstoß. Ebenso wie das Unrechtsbewusstsein teilbar ist, ist es auch die Schuldfähigkeit. 162 So wird ein Querulant bei Beleidigungsdelikten eher die Voraus162
BGHSt 10 355, 356; 14 114, 116; BGH NJW 1959 2315, 2317; 1983 350; BGH
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NStZ 1990 231; BGH StV 1984 419; BGH NStE StGB § 21 Nr. 14; BGH bei Pfeiffer/
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
Setzungen des § 21 erfüllen als bei einem Mord (BGH N J W 1 9 6 6 1871). Ein berauschter Täter kann für einen Gesetzesverstoß noch, für einen anderen schon nicht mehr verantwortlich sein (BGHSt 14 114, 116); selbst für einzelne Teile eines einheitlichen Geschehens kann die Schuldfrage unterschiedlich zu beantworten sein (BGH N S t Z 1 9 9 0 231). Der Lustmörder ist anders zu beurteilen als derjenige, der aus Habgier tötet oder ein sonstiges Mordmerkmal verwirklicht (BGH J R 1 9 9 0 119 m. Anm. Blau). Dass ein Sexualtäter auf anderen Gebieten, etwa im Erwerbsleben, ungestört willensfähig und zielstrebig ist, besagt nichts (BGH L M StGB § 51 Nr. 4), insbesondere kann intakte Intelligenz einen Altersabbau überdecken (BGH N J W 1964 2213; N S t Z 1983 34; StV 1 9 8 9 102). Aus intakter Intelligenz rechtfertigt sich auch nicht ohne weiteres der Schluss, dass ein Exhibitionist in der Lage gewesen sei, sich belasteten Situationen von vornherein zu entziehen (BGHSt 2 8 3 5 7 ) . Bei einem Tötungsdelikt kann es anders liegen (BGH bei Holtz M D R 1984 9 7 9 ) . Intakte Intelligenz kann im übrigen auch durch eine künstlich aufrechterhaltene Verhaltensfassade lediglich vorgespiegelt sein (Venzlaff in Thomas S. 41, 54). Die Stärke der vorhandenen Hemmungen richtet sich auch nach dem angegriffenen Rechtsgut. So wird das Hemmungsvermögen in Bezug auf eine Vergewaltigung oft noch ausreichen, während es bei Sexualtaten, bei denen ein Widerstand nicht zu brechen ist, versagt (BGH L M StGB § 51 Nr. 4). Ebenso kann ein bloß unbedeutender Tatbeitrag (Beihilfe) bei arbeitsteiligem Vorgehen die Widerstandskräfte des Täters mindern ( B G H R StGB § 21 BtM-Auswirkungen 1). Allgemein liegt vor schweren Gewalttaten, insbesondere Verbrechen gegen das Leben, eine höhere Hemmschwelle als vor minder schweren Delikten, 1 6 3 zumal etwa bei Tötung der eigenen Kinder (BGH N J W 1 9 5 9 2315s, 2317). Der Schwellenwert der Blutalkoholkonzentration, der für alkoholisierte Täter die Voraussetzungen der §§ 2 0 , 21 anzeigt, ist bei diesen Delikten daher erhöht (Rdn. 100); die Steuerungsfähigkeit wird bei Mordtaten selten völlig aufgehoben sein (Rdn. 100). Andererseits können völlig aus dem Rahmen fallende Verhaltenweisen ihrer Art nach eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit indizieren (vgl. BGHSt 2 3 176), so bei dem Arzt, der Patientinnen betäubt und missbraucht ( B G H R StGB § 21 seel. Abartigkeit 10; s. ferner Alkoholauswirkungen 6). Dass der süchtige Täter eines Beschaffungsdelikts noch imstande war, Tatort und Tatopfer auszuwählen, rechtfertigt nicht den Schluss, er habe die Tat überhaupt unterlassen können ( B G H R StGB § 2 0 BtM-Auswirkungen 1).
185
Dem Merkmal der Persönlichkeitsfremdheit hat die Rechtsprechung zwar gelegentlich Bedeutung beigemessen (BGH N S t Z 1981 2 9 8 ) , doch ist dieses Kriterium weder zuverlässig feststellbar noch aussagekräftig. 1 6 4 Dem rechtstreuen Normalbürger ist jede vorsätzliche Straftat persönlichkeitsfremd, dem Hangtäter die dem Hang entsprechende Tat überhaupt nicht. Folgerungen lassen sich daraus nicht herleiten (s. auch Rdn. 104). Die
186
Maul/Schulte S 51 Anm. 1; RGSt 67 251, 252; Blau/Franke Jura 1982 393, 398; Tröndle/Fischer Rdn. 2; Erhardt FS Göppinger, S. 409; Jakobs AT2 18/26; Jescheck/Weigend AT5 § 40 III 3; Lackneri Kühl Rdn. 16; Roxin AT I § 20 Rdn. 31; Rudolphi SK 7 Rdn. 22; Schewe JR 1987 179, 181; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 31; für Jugendliche BGH bei Herían GA 1961 358; RGSt 11 387; 47 385; Bohnert NStZ 1988 249.
163
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BGH NStZ 1990 231; Tröndle/Fischer Rdn. 19; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 29; zur parallelen Frage des Tötungsvorsatzes bei Taten mit höherer Hemmschwelle s. z.B. BGH NStZ 1991 126, einer besonderen subjektiven Qualifikation (§211) BGH bei Holtz MDR 1984 979. Rasch NJW 1980 1309, 1312; Saiger DAR 1986 383, 388; Schewe/Reinhardt in Schwerd S. 221.
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§20
2. Abschnitt. Die Tat
Beurteilung der Schuldfähigkeit darf sich deshalb nicht isoliert auf den seelischen Z u stand des Täters gründen, sondern muss die T a t in ihren k o n k r e t e n Bezügen eins c h l i e ß e n . 1 6 5 Von der Art der Deliktsbegehung k a n n nicht auf „ S o z i o p a t h i e " geschlossen werden ( B G H S t V 1 9 9 2 3 1 6 ; hierzu R d n . 71, 1 7 8 ) . 187
Planvolles, zielgerichtetes und folgerichtiges Vorgehen erlaubt zwar meist die Annahme erhaltener Unrechtseinsicht; ein Schluss auf ungeschmälertes Steuerungsvermögen ist aber nach ständiger Rechtsprechung - nicht nur beim Trunkenheitstäter - im Allgemeinen ungerechtfertigt, 1 6 6 weil im zielgerichteten H a n d e l n nichts anderes als die Verwirklichung des Tatvorsatzes liegt. Dasselbe gilt für logisches Vorgehen beim Betrug ( B G H S t V 1 9 9 0 3 0 2 ) . Die G e f a h r eines Zirkelschlusses ist - ebenso wie bei dem M e r k m a l des ungestörten Leistungsverhaltens ( B G H S t V 1 9 9 0 3 0 2 ; B G H R S t G B § 2 1 Ursachen, mehrere 11) - aber gebannt, sofern Besonderheiten im Sachverhalt wie intensive, lang hingezogene Tatvorbereitungen ( B G H R S t G B § 21 U r s a c h e n , mehrere 4 ) , Vorsicht, Tarnungsm a ß n a h m e n und gezielte Auswahl des T a t o b j e k t s ( B G H bei Daliinger M D R 1 9 6 8 2 0 0 ) oder ungewöhnliche Anforderungen an die Tatausführung festgestellt sind. Bei Fluchtreaktionen nach Unfallschock (dazu K G V R S 6 7 2 5 8 ) ist hingegen - anders als bei Polizeiflucht ( B G H N S t Z 1 9 8 4 2 5 9 ) - planvolles Vorgehen mit verminderter Schuldfähigkeit unvereinbar ( B G H V R S 2 0 4 7 ; O L G H a m m V R S 4 2 2 4 ) . Umsichtiges, zielstrebiges N a c h t a t v e r h a l t e n spricht auch sonst gegen einen schuldmindernden Affekt ( B G H N S t Z 1 9 9 0 2 3 1 ) . Ein aus planvollem, zielgerichtetem Verhalten gezogener Schluss auf erhaltene Einsichtsfähigkeit versagt, wenn der T ä t e r in Wahnvorstellungen befangen ist und sein Handeln danach bestimmt ( B G H R S t G B 5 2 0 Einsichtsfähigkeit 2 ) .
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D a s s ein T ä t e r früher vergleichbaren Tatanreizen widerstanden hat, gestattet nicht o h n e weiteres den Schluss, er sei dazu auch in der aktuellen Situation imstande und daher uneingeschränkt steuerungsfähig gewesen; so ist vor allem ein früherer Tatverzicht bei Entdeckungsgefahr o h n e Aussagewert ( B G H L M S t G B § 51 Nr. 4 ; B G H StV 1 9 8 8 3 8 4 ; Haddenbrock Festschrift Sarstedt S. 3 5 , 3 8 ; Krümpelmann Z S t W 8 8 [1976] 6, 21), ebenso der U m s t a n d , dass der T ä t e r auf ein Weiterhandeln ganz ( B G H S t V 1 9 9 0 3 0 2 ) oder zeitweilig verzichten k o n n t e ( B G H R S t G B § 2 1 A l k o h o l a u s w i r k u n g e n 1).
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Eine erhaltene oder gestörte Erinnerung an das Tatgeschehen ist bei hohen BAK-Werten isoliert von geringem Beweiswert (Rdn. 1 0 4 ) , kann aber im R a h m e n der stets erforderlichen G e s a m t b e t r a c h t u n g Bedeutung erlangen. E b e n s o ist bei alkoholisierten Tätern stets zu berücksichtigen, dass das Ergebnis der Tat ernüchternd gewirkt haben k a n n ( B G H N S t Z 1 9 8 3 19; 1 9 8 4 4 0 8 ) . Außerhalb von Trunkenheitstaten k a n n dagegen Erinnerungslosigkeit - ebenso wie unkontrolliertes Verhalten - ein Anzeichen für eine Beeinträchtigung sein ( B G H G A 1 9 7 1 3 6 5 ; a A Barbey BA 1 9 9 0 2 4 1 , 2 5 7 ; zur Bedeutung von erhaltener und gestörter Erinnerung bei Affekttaten R d n . 135).
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BGHSt 37 397, 402; BGH GA 1971 365; BGH StV 1988 384; BGH NStE StGB § 21 Nr. 14; Blau J R 1990 120; aA Bockelmann ZStW 75 (1963) 372, 383; Witter Sachverständige S. 66, 194. RGSt 63 46, 49; BGHSt 1 384, 385; 34 22, 26; BGH NStZ 1981 298; 1982 243, 376; 1983 19; 1984 259, 408 ; BGH GA 1955 269, 271; 1971 365; BGH bei Holtz M D R 1976 632; bei Spiegel DAR 1982 197; BGH
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VRS 23 209, 211; BGHR StGB § 20 Bewußtseinsstörung 2; § 21 seel. Abartigk. 10; Alkoholauswirkungen 6; BayObLGSt. 1953 143, 144; Tröndle/Fischer Rdn. 24, 25; Lackner/Kühl Rdn. 17; Saiger FS Pfeiffer, S. 379, 388; Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 30; Rudolphi SK 7 Rdn. 19; bedenklich BGH StV 1991 155; kritisch Foth NJ 1991 386, 388.
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
Die eigene Einschätzung des Täters über seine Verantwortlichkeit ist regelmäßig ohne Beweiswert (BGHR StGB § 21 seel. Abartigkeit 14). Anders liegt es bei der Beurteilung der eigenen Trunkenheit, die wiederum darin ungeschulte Dritte nicht zuverlässig abschätzen können (Rdn. 104).
190
VI. Maßgebender Zeitpunkt Die Schuldfähigkeit des Täters muss bei der Begehung der Tat gegeben sein, damit er zur Verantwortung gezogen werden kann. Maßgebender Zeitpunkt ist wie in § 8 die Tathandlung, nicht der Erfolgseintritt. Da es um persönliche Schuld, nicht um Zurechnungsfragen geht, ist auch allein auf den Handelnden, nicht auf die Tatbeiträge anderer Beteiligter abzustellen (§ 29). Für die Strafbarkeit des mittelbaren Täters oder des Anstifters kommt es daher darauf an, ob er bei der Einwirkung auf den anderen Beteiligten schuldfähig war oder nicht. Wird Mittäterschaft durch die Mitwirkung an Vorbereitungshandlungen begründet, ist der Zeitpunkt dieser Mitwirkung maßgebend.
191
Die Schuldfähigkeit muss nicht während der gesamten Dauer der Tathandlung vorliegen. Es genügt zur Strafbarkeit, wenn sie in irgendeinem Zeitpunkt gegeben ist, in dem der Täter den Ablauf des Geschehens durch Tun oder Unterlassen gestaltet. Jedoch ist der Umfang der Haftung (Schuldumfang) auf die Tatteile beschränkt, für die er verantwortlich zu machen ist (Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 41).
192
Wird der Täter nach dem Beginn des Versuchs schuldunfähig, so ändert das an seiner Strafbarkeit - wegen vollendeter Tat - nichts, sofern der weitere Tatablauf im Wesentlichen seinem Plan entspricht; es gelten die Regeln über den abweichenden Kausalverlauf (s.u. Rdn. 197). 167 Wird der Täter bereits vor Versuchsbeginn schuldunfähig, so liegt von dem Fall der actio libera in causa abgesehen - eine strafbare Handlung auch dann nicht vor, wenn die Tat den im Zustand der Schuldfähigkeit geplanten Verlauf nimmt (BGHSt 23 356; BGH NStZ 1998, 30 f; zusammenfassend Hettinger S. 199). Zur entsprechenden Problematik bei verminderter Schuldfähigkeit s. § 21 Rdn. 52 ff.
193
VII. Vorverlagerte Schuld (actio libera in causa) 1. Abgrenzung. Der Grundsatz des Gesetzes, dass Schuldfähigkeit bei Begehung der Tat gegeben sein muss (Koinzidenzprinzip), 168 wirft unter Präventions- und Gerechtigkeitsgesichtspunkten Fragen auf, die bisher nicht alle zufriedenstellend beantwortet sind. Für einen Teilbereich hat § 323a Abhilfe geschaffen. 169 Der selbstverschuldete Rausch ist
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BGHSt 7 325, 329; 23 133, 135 m. Anm. Oehler J Z 1970 380; BGH bei Holtz M D R 1977 458; Herzberg FS Oehler, S. 163, 171; Jescheck/Weigend AT 5 § 40 III 4; Kühl AT 5 § 11 Rdn. 25; Roxin AT I § 12 Rdn. 178; Rudolphi SK 7 Rdn. 27; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 40; abw. Geilen FS Maurach, S. 173, 194; JuS 1972 73, 76; Jakobs AT 2 17/68; Krümpelma nn Affekt S. 140; Wolter ZStW 89 (1977) 649, 700; FS Leferenz, S. 545, 567 (s. aber S. 552); sehr
168
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weit differenzierend Frisch Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung zum Erfolg (1988) S. 615; s. ferner BGH J Z 1979 412. Roxin AT I § 20 Rdn. 58; Streng MK Rdn. 115; BGHSt 42 235, 241; BGH NStZ 1997 485; BGH StV 1995 406. Zu den Bemühungen der Rechtsprechung vor Einführung des heutigen § 323a v. Weber FS Stock, S. 59, 63; Krümpelmann ZStW 99 (1987) 191, 195.
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§20
2. Abschnitt. Die Tat
strafbar, wenn der Täter im Zustand wenigstens nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit irgendeine rechtswidrige Tat begeht. Versetzt sich der Täter aber, weil er anders seine einem geplanten Mord im Wege stehenden Hemmungen nicht zu überwinden vermag, vorsätzlich in einen Rausch, um die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit zu begehen, so kann es nicht Rechtens sein, ihn nur aus § 323a zu bestrafen. Dieser Täter hat seine Tat „in freier Ursache" - wie jeder andere Mörder - ins Werk gesetzt und plangemäß vollendet; das Rechtsgefühl verlangt seine Bestrafung aus § 211, weil die Berufung auf willentlich herbeigeführte Schuldunfähigkeit ein „Rechtsmissbrauch" wäre (Otto Jura 1986 426, 431; vgl. auch Paeffgen ZStW 87 [1985] 513, 523). Ebenso schuldig ist der Bahnwärter, der sich betrinkt, um sich unfähig zu machen, die notwendige Weichenstellung vorzunehmen, und so vorsätzlich einen Unfall herbeiführt. 1 7 0 Eine bei der Ursachensetzung freie Handlung (actio libera in causa) liegt bei einem mehraktigen Geschehen vor, bei welchem der schuldfähige Täter in der ersten Phase vorsätzlich oder fahrlässig eine Ursache für die eigentliche Tathandlung setzt, die er dann in der zweiten Phase als inzwischen Schuldunfähiger ausführt (Kühl AT 5 § 11 Rdn. 6). Bei Unterlassungsdelikten gibt es die vergleichbare Figur der „omissio libera in causa" (Roxin AT II § 31 Rdn. 103 ff), die aber ebenso umstritten ist und für regelungsbedürftig gehalten wird (Baier GA 1999 272 283 f). 195
Die Rechtsprechung hat diese im Gesetz nicht vorgesehene Konstruktion unter der Bezeichnung „actio libera in causa" 171 oder „vorverlagerte Schuld" seit langem akzeptiert. 172 Erst in einem Urteil vom 22.8.1996 hat der 4. Strafsenat des BGH eine Einschränkung für eigenhändige verhaltensgebundene Delikte wie §§ 315c StGB, 21 StVG gemacht, da das Sichberauschen noch nicht als „Führen" eines Kraftfahrzeugs im Sinne dieser Bestimmungen bezeichnet werden könne (BGHSt 42 235, 239 f = JR 1997 391 m. zust. Anm. Hirsch).173 Bei der Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung (§ 222) oder anderen fahrlässigen Erfolgsdelikten bedürfe es des Rückgriffs auf die Rechtsfigur der actio libera in causa nicht, da Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs jedes in Bezug auf den tatbestandsmäßigen „Erfolg" sorgfaltwidrige Verhalten sei, das diesen ursächlich herbeiführe, also auch das Sich-Betrinken trotz erkennbarer Gefahr einer anschließenden Trunkenheitsfahrt (BGHSt 42 235, 236 f; ebenso bereits BGHSt 40 341 343 für die §§ 222, 229, 315c Abs. 1 Nr. l b i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 bei einem vorhersehbaren epileptischen Anfall). Inzwischen haben der 2. und 3. Senat des BGH bekräftigt, dass sie im Übrigen an der Rechtsfigur der actio libera in causa festhalten wollen (BGH NStZ 1999 448; 2000 584 mit Bespr. Streng JuS 2001 540; BGHR StGB § 20 actio libera in causa 4).
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Während nach § 323a das Sichberauschen Strafe auslöst, ist bei der actio libera in causa Gegenstand des Schuldvorwurfs die im Defektzustand begangene Tat. 174 Die Abgrenzung geschieht allein im subjektiven Bereich. Bei § 323a hat der Täter keine oder 170
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Zur Abgrenzung von Tun und Unterlassen hierbei Rudolphi SK 7 vor § 13 Rdn. 46. Zur Herkunft des Begriffs Hruscbka ZStW 96 (1984) 661; J Z 1989 310; Krause Jura 1980 169, 170. RGSt 22 413; 60 29; 70 85, 87; 73 177, 182; RG JW 1930 909 m. Anm. Honig,; RG H R R 1939 Nr. 1316; BGHSt 2 14, 17; 17 259, 333; 21 381; 34 29, 33; BGH LM StGB § 51 I Nr. 7; BGH NJW 1977 590. Eine Änderung deutete sich an durch den Aufsatz von Salger/Mutzbauer NStZ 1993 561.
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Zustimmend Fahnenschmidt DRiZ 1997 77; Hirsch NStZ 1997 230; JR 1997 Hruschka J Z 1997 22; Kindhäuser § 20 Rdn. 19; Roxin AT I $ 20 Rdn. 58, 64; WoZ/'NJW 1997 2032; kritisch Otto Festgabe BGH S. 211; Neumann StV 1997 23, 25; Spendei JR 1997 133, 135. Zur rechtstheoretischen Einbettung des Problems Hruschka J Z 1989 310.
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
nur eine unbestimmte subjektive Beziehung zur Rauschtat. Die actio libera in causa setzt dagegen voraus, dass er eine bestimmte rechtswidrige Handlung begehen will oder dass er - im defektfreien Zustand - die Möglichkeit der Begehung eines bestimmten Rechtsverstoßes fahrlässig nicht bedenkt. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, kommt es auf die Schuldfähigkeit im Tatzeitpunkt nicht mehr an; sie bedarf folglich auch keiner Feststellung im Urteil ( O L G Koblenz VRS 76 365, 3 6 6 ; M D R 1 9 7 2 6 2 2 ) . Von der actio libera in causa sind die Fälle zu unterscheiden, in denen die SchuldUnfähigkeit erst nach Versuchsbeginn eintritt (s. Rdn. 193). Zu einer solchen „sukzessiven Schuldunfähigkeit" kann es vor allem in Fällen kommen, in denen der Täter durch seine eigenen Angriffshandlungen in eine affektive Ausnahmesituation, einen sogenannten „Blutrausch", gerät (Streng M K Rdn. 111). Da der Täter aufgrund eines affektfrei gebildeten Tatvorsatzes zur Tatausführung angesetzt hat, greift hier die Konstruktion der actio libera in causa nicht ein; vielmehr gelten für diese Fälle der „sukzessiven Schuldunfähigkeit" die Regeln über den abweichenden Kausalverlauf (BGHSt 7 3 2 5 ; 2 3 133; B G H NStZ 1998 3 0 f; 2 0 0 3 5 3 5 f; Lackner/Kühl Rdn. 16). Danach bleibt eine Bestrafung wegen eines vollendeten vorsätzlichen Delikts möglich, wenn es sich um eine „unerhebliche Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf" handelt, d.h. wenn sich die Abweichung in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt (Lackner/Kühl § 15 Rdn. 11 m.w.N.). Das ist dann der Fall, „wenn sich der Zustand der Zurechnungsunfähigkeit aus dem vorangegangenen Handeln entwickelt hat und nicht durch äußere (von der Persönlichkeit unabhängige) Einflüsse ausgelöst worden ist" (BGHSt 2 3 133, 136). War der Einritt der Schuldunfähigkeit durch das Verhalten des Opfers oder Dritter ausgelöst oder die affektive Ausnahmesituation aus anderen Gründen völlig unvorhersehbar, so kommt nur eine Bestrafung wegen Versuches in Betracht (vgl. auch Rdn. 211).
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2. Begründung der Rechtsfigur. Wie die actio libera in causa mit ihren Auswirkungen rechtlich zu begründen sei, ist allerdings streitig. 1 7 5 Die Rechtsprechung hat zunächst das Bild eines Täters gebraucht, der sich zur Ausführung der Tat seiner eigenen Person als Werkzeug bedient. 1 7 6 In neuerer Zeit spricht sie von vorverlagerter Schuld und erblickt den die Zurechnung begründenden Akt in der Herbeiführung des Defektzustandes (BGHSt 17 3 3 3 , 3 3 5 ) . Dies ist mit dem Wortlaut des § 2 0 nur vereinbar, wenn man das zweckbestimmte Sichberauschen bereits als Teil der Tatbegehung ansieht. Diese Tatbestandslösung liegt bis heute der Rechtsprechung zugrunde (BGHSt 4 2 2 3 5 , 2 3 9 ) und wird auch überwiegend in der Literatur vertreten. 1 7 7 Das den Schuldausschluss begründende Sichberauschen oder sonstige Vorverhalten wird als Anfang der geplanten Tat angesehen. Da der Täter bereits zum früheren Zeitpunkt eine innere Beziehung zu seiner Tat hergestellt hat, ist es gerechtfertigt, daran den strafrechtlichen Vorwurf anzuknüpfen. Teils wird dies damit begründet, dass der Versuch bereits mit der Herbeiführung des
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Übersichten bei Hettinger S. 436; Küper Notstand S. 82; Otto Jura 1986 426; Roxin FS Lackner, S. 307; Roxin AT I § 20 Rdn. 56 ff; Schmidhäuser Die actio libera; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 35. RGSt 22 413, 415; ebenso: Puppe JuS 1980 346, 348; Roxin FS Lackner, S. 307, 314. Berendt Affekt S. 66; Eben AT S. 84; Lampe S. 286, 292; Puppe JuS 1980 346; Roxin
FS Lackner, S. 307, 314; Roxin AT I § 20 Rdn. 59; Rudolphi SK 7 Rdn. 28b; Satzger Jura 2006 513 ff; Wolter FS Leferenz, S. 545, 555 (aber im Ergebnis abw. S. 567); andere Begründung: Berauschung und Tat bilden retrospektiv eine Bewertungseinheit, so dass das Koinzidenzprinzip nicht verletzt ist; Herzberg FS Spendei, S. 203, 207; Spendel LK 10 § 323a Rdn. 30.
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§20
2. Abschnitt. Die Tat
Defektzustandes beginne, teils wird in Analogie zur mittelbaren Täterschaft angenommen, dass der Täter sich selbst als schuldloses Werkzeug einsetze. 178 Diese Konzeption stimmt mit der neueren Rechtsprechung überein, die nur bei eigenhändigen Delikten wie §§ 315c, 316, bei denen auch mittelbare Täterschaft nicht in Betracht kommt, die Möglichkeit einer actio libera in causa verneint (Roxin AT I § 20 Rdn. 62). So wie bei der mittelbaren Täterschaft der Versuch in der Entlassung des Werkzeugs aus dem eigenen Herrschaftsbereich liegt, so beginnt bei der actio libera in causa der Versuch bereits mit der Versetzung der eigenen Person in den Zustand der Schuldunfähigkeit (Roxin AT I § 20 Rdn. 61). 199
Die Tatbestandslösung findet nicht allgemeine Zustimmung und wird teilweise als Zweckkonstruktion bezeichnet, welche das erwünschte - und richtige - Ergebnis nicht trage. 179 Vielmehr müsse die actio libera in causa als richterrechtliche 180 oder gewohnheitsrechtliche 181 Ausnahme vom Koinzidenzprinzip begriffen werden. 182 Dieses sog. Ausnahmemodell habe der Gesetzgeber akzeptiert, ohne dies im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck zu bringen. 183 Dass der Sachverhalt keinen Raum für Richterrecht lasse, sei eine nicht begründbare Behauptung (aA Hettinger S. 447; GA 1989 1, 19). Die Ausnahme stehe auch mit dem Schuldprinzip in Einklang, weil es an einer auf die Tatbestandsverwirklichung bezogenen Schuld nicht mangele (vgl. Rdn. 140; Burkhardt in Eser/Kaiser/ Weigend S. 147, 171). Der Täter habe sich im Hinblick auf die im schuldunfähigen Zustand begangene Tat schuldhaft um seine Schuldfähigkeit gebracht. Die bei Begehung der Tat fehlende Schuld werde durch dieses schuldhafte Vorverhalten ausgeglichen (sog. Schuldlösung). 184 Das Ausnahmemodell verstößt gegen den Grundsatz nullum crimen sine lege (Art. 103 II GG), der strafbegründendes Gewohnheitsrecht und richterrechtliche Durchbrechungen des Koinzidenzprinzips ausschließt. 185 Es ist auch mit dem eindeutigen Wortlaut des § 2 0 StGB, nach dem die Schuldfähigkeit bei Begehung der Tat vorliegen muss, nicht in Einklang zu bringen" (BGHSt 42 235, 241). 178
179
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Roxin AT I § 2 0 Rdn. 61; Baumann/ Weber/Mitsch AT 1 1 § 19 Rdn. 45; Hirsch NStZ 1997 231; J R 1997 3 9 2 ; )akobs AT 2 17/64; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn 35; Schünemann FS Lampe, S. 537, 554; skeptisch zur Begründung über die mittelbare Täterschaft BGHSt 4 2 235, 2 4 0 . ]ähnke LK 1 1 § 2 0 Rdn. 78; Kindhäuser Gefährdung als Straftat (1989) S. 124; Küper Notstand S. 84; Neumann S. 32; Otto Jura 1986 4 2 6 , 4 2 9 ; Grundkurs AT 7 § 13 Rdn. 18; Sch/Schröder/Lenckner/ Perron Rdn. 35; Stratenwerth Gedächtnisschrift Armin Kaufmann S. 485, 493; zur weitgehenden Ubereinstimmung beider Modelle zutreffend Stratenwerth/Kuhlen AT S 10 Rdn. 47. Jähnke LK 1 1 S 20 Rdn. 78, Haft AT 5. Teil § 4, 2d; Jescheck/Weigend AT S § 4 0 VI 1 ; Lemke in Ulsamer Lexikon d. Rechts S. 718; zweifelnd Krause Jura 1980 169, 172. Mit teils abw. Begründung ebenso Burkhardt in Eser/Kaiser/Weigend S. 147, 171; Hruschka Strafrecht 2. Aufl. (1988) S. 4 0 ,
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2 9 4 ; Kindhäuser (Fn. 147) S. 127; Küper Notstand S. 86; Neumann S. 44; Otto Grundkurs AT 7 § 13 Rdn. 24; Streng ZStW 101 (1989) 273, 303; Wessels/Beulke AT 3 5 Rdn. 415. E 1962 S. 538 f; RegEntw. d. EGStGB, BTDrucks. 7/550 S. 2 6 8 ; Schriftl. Bericht des Sonderausschusses BTDrucks. 7/1261 S. 2 0 f; Jähnke LK 1 1 S 2 0 Rdn. 78; Wessels/Beulke AT 3 S Rdn. 415; Nachw. auch bei Hettinger S. 333 ff; zum Analogieverbot und Art. 103 Abs. 2 GG in diesem Zusammenhang treffend Otto Jura 1986 4 2 6 , 4 3 0 . Kühl AT 5 S 11 Rdn. 9; Hruschka FS Gössel, S. 145; ders. J Z 1989 312; Jerouschek FS Hirsch, S. 241; Jerouschek/Kölbel JuS 2001 417; Jescheck/Weigend AT 5 § 4 0 VI 1; Küper FS Leferenz, S. 5 7 3 ; Jähnke LK 1 1 S 20 Rdn. 78; Wessels/Beulke AT 3 5 Rdn. 415; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 35a: „Schuld- und Ausnahmemodell", das aber von Perron aufgegeben wurde. BGHSt 4 2 235, 241; Roxin AT I S 20 Rdn 58; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 35a m.w.N.
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
Eine Zwischenlösung im Sinne eines modifizierten Tatbestandmodells stellt das sog. Ausdehnungsmodell dar. 186 Danach ist das Sich-Versetzen in den zurechnungsunfähigen Zustand zwar noch keine Versuchshandlung, jedoch kann bei späterer Tatbegehung im Zustand der Schuldunfähigkeit die Zurechnung dennoch an das Vorverhalten anknüpfen, weil sich der Tatbegriff i.S.d. § 20 im Sinne einer funktionalen Schuldzuschreibung auf das an sich nur vorbereitende Sichschuldunfähig-Machen erstreckt. Auch diese Lösung ist von BGHSt 42 235, 240 f nicht akzeptiert worden, da das Strafgesetzbuch in § 20 keinen anderen Tatbegriff verwende als z.B. in den §§ 16, Abs. 1 und 2, 17 S. 1 und da dieses Ausdehnungsmodell über die Fälle der actio libera in causa hinaus zu unangemessenen Einschränkungen des § 2 0 führen würde (BGHSt 42 235, 2 4 0 f).
200
Im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der dogmatischen Begründung der actio libera in causa und die mögliche Kollision einer extensiven Auslegung mit Art 103 II GG mehren sich die grundsätzlich ablehnenden Stimmen in der Literatur, die entweder eine gesetzliche Regelung 187 für notwendig halten oder eine Beschränkung der Strafbarkeit auf § 323a StGB. 1 8 8
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3. Vorsätzliche actio libera in causa liegt zweifelsfrei vor, wenn der Täter den Tatvorsatz vor Eintritt des Defektzustandes bildet, auch diesen Zustand in seinen Willen aufnimmt und die Tat sodann willentlich begeht. Vorausgesetzt wird also ein „Doppelvorsatz" bezüglich der Herbeiführung des schuldunfähigen Zustandes und bezüglich der späteren Tatbegehung in diesem Zustand. 1 8 9 Der auf den Defekt gerichtete Vorsatz kann bedingt (BGH NStZ 2002 28; OLG Hamm NJW 1972 2232; OLG Koblenz VRS 76 365, 366) und seinerseits im Zustand verminderter Schuldfähigkeit gefasst sein (OLG Düsseldorf NJW 1962 684; Krause Jura 1980 169, 174; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 36). Es bedarf auch keiner Herbeiführung der Schuldunfähigkeit gerade zum Zwecke der Tatbegehung (Krause Jura 1980 169, 174). Vielmehr genügt es, wenn der Täter Rauschmittel zu sich nimmt, obwohl er unter Billigung des Erfolgs damit rechnet, dass er die Tat begehen werde. 190 Actio libera in causa scheidet aber aus, sofern der Defektzustand vor Tatbeginn ohne Verschulden des Täters, etwa schicksalhaft oder durch Manipulationen Dritter, eintritt (BGHSt 23 356, 358; Sch/Schröder/Lenckner/ Perron Rdn. 36).
202
Bei der geplanten Tat muss es sich aber grundsätzlich um eine bestimmte RechtsVerletzung handeln (BGHSt 2 14, 17; BGH NStZ 1992 536; BGH bei Holtz M D R 1991 1020). Die Voraussicht irgendeiner beliebigen Straftat oder die Kenntnis der eigenen
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Streng M K Rdn. 128 ff; Z S t W 101 ( 1 9 8 9 ) , 2 7 3 , 3 1 0 ff; J Z 1 9 9 4 7 0 9 , 711 ff; J Z 2 0 0 0 2 0 , 2 2 ff; ähnlich Herzberg FS Spendel, S. 2 3 6 ; Jerouschek JuS 1 9 9 7 3 8 5 („Relationstheorie"); Gegenargumente bei Hettinger FS Geerds, S. 637, 6 4 4 . Gesetzesvorschläge im Sinne von Klarstellungen bei § 2 0 finden sich u.a. bei
189
Hruschka J Z 1 9 9 6 6 4 , 7 1 ; Streng J Z 2 0 0 0 2 0 , 2 6 f; Hinweise auf Regelungen in Italien, Spanien und in der Schweiz bei 188
Ambos N J W 1 9 9 7 2 2 9 6 , 2 2 9 8 . Hettinger S. 4 4 9 , 4 5 9 ; FS Geerds, S. 6 2 3 ff; Reform des Sanktionenrechts Bd 1, s. 1 8 9 ; Paeffgen Z S t W 9 7 ( 1 9 8 5 ) 513, 5 2 4 ;
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ders. N K Vor § 3 2 3 a , Rdn. 5 ff; Kaspar Jura 2 0 0 7 69, 7 1 ; Kindhäuser AT S 2 3 Rdn. 2 0 ; Köhler AT 7. II. 5 . 3 . 1 ; Neumann FS Arthur Kaufmann, S. 5 8 1 ; Rath JuS 1 9 9 5 4 0 5 ; Rönnau JA 1 9 9 7 5 9 9 und 7 0 7 ; Salger/Mutzbauer NStZ 1993 561, 565. Kühl AT S § 11 Rdn. 19; Wessels/Beulke A T 3 5 Rdn. 4 1 5 ; Streng M K Rdn. 141; BGHSt 2 17; 17 3 3 4 ; 2 3 135; 3 5 8 ; B G H N J W 1 9 7 7 5 9 0 ; aA Jähnke L K 1 1 § 2 0 Rdn. 8 2 . B G H N J W 1 9 7 7 5 9 0 ; L M StGB § 51 I Nr. 7; Puppe JuS 1 9 8 0 3 4 6 , 3 4 9 ; Kühl A T 5 § 11 Rdn. 21.
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2. Abschnitt. Die Tat
Neigung zu Gewalttätigkeiten genügen nicht und führen im Falle einer Straftat nur zur Bestrafung nach § 323a (BGH StV 1993, 3 5 6 ; O L G Schleswig N S t Z 1 9 8 6 511; Wessels/ Beulke A T 3 5 Rdn. 418). Für die Anforderungen an die Bestimmtheit des Tatvorsatzes gelten keine Besonderheiten. So handelt derjenige vorsätzlich, der sich vornimmt, irgendeine ihm begegnende Frau zu vergewaltigen und dies dann im Zustand der Schuldunfähigkeit tut (BGHSt 21 381 m. Anm. Cramer J Z 1 9 6 8 2 7 3 und Schröder J R 1 9 6 8 3 0 5 ; Kühl AT 5 § 11 Rdn. 21). Eine rauschbedingte Verwechslung der Person des Opfers wird vom B G H in einem obiter dictum als unbeachtlicher error in persona bezeichnet (BGHSt 21 381, 3 8 3 f). Zutreffend nimmt die Literatur in diesem Falle - wie bei der mittelbaren Täterschaft für den abirrenden Tatmittler - ganz überwiegend eine wesentliche Abweichung vom Plan und damit eine aberratio ictus an, die nur zur Bestrafung wegen Versuchs der geplanten Straftat führt. 1 9 1 204
J e nach dem Charakter des Delikts kann die Konkretisierung des Vorsatzes bloß auf eine bestimmte Art von Rechtsbrüchen genügen, sofern die weiteren Einzelheiten wie etwa die Person der weiteren Beteiligten gleichgültig sind (BGH N J W 1 9 7 7 5 9 0 ; B G H bei Dallinger M D R 1967 7 2 4 betr. Betäubungsmittelstraftaten). Der Entschluss eines früher Drogenabhängigen zum erneuten Betäubungsmittelkonsum umfasst aber nur einschlägige Straftaten, nicht ohne weiteres Gewaltdelikte (BGH N J W 1 9 7 7 590). Vorsätzliche Handlungen dieser Art kommen vor (BGH bei Dallinger M D R 1 9 6 9 903), sind aber selten und bedürfen zur inneren Tatseite sorgfältiger Prüfung (BGHSt 17 259, 2 6 3 ; B G H L M StGB § 5 1 1 Nr. 7; RG H R R 1939 Nr. 1316).
205
4. Fahrlässige Herbeiführung des Defektzustandes schließt eine Bestrafung wegen vorsätzlicher actio libera in causa aus, da es an dem erforderlichen Doppelvorsatz fehlt. 1 9 2 Wenn der Täter fahrlässig nicht bedacht hat, dass er im Zustand der Schuldunfähigkeit eine vorsätzliche gefährliche Körperverletzung begehen wird, so kann er nur wegen fahrlässiger Körperverletzung unter den Voraussetzungen der actio libera in causa in Tateinheit mit § 3 2 3 a (gefährliche Körperverletzung als Rauschtat) bestraft werden (BGHSt 2 14, 18; Roxin AT I § 2 0 Rdn. 76; Hruschka J Z 1 9 9 7 2 2 . Die in L K 1 1 vertretene Auffassung, in solchen Fällen sei wegen vorsätzlicher Tat zu bestrafen (Jähnke LK 1 1 § 2 0 Rdn. 81 f), ist nicht haltbar; sie betrifft auch andere Fälle, in denen sich der Täter M u t antrinkt, dabei aber über das Ziel hinausschießt, oder in denen er den Tatzeitpunkt im Wirtshaus abwartet und sich versehentlich berauscht (BGH NStE StGB § 2 0 Nr. 24). Hier plant er eine bestimmte Tat und begeht sie später mit natürlichem Vorsatz, jedoch führt er den Defektzustand fahrlässig herbei. Bei einem solchen Täter, der nach Versuchsbeginn - hier also nach Trinkbeginn - schuldunfähig wird, gelten - wie oben dargelegt (Rdn. 197) - die Grundsätze über den abweichenden Kausalverlauf (BGHSt 7 325, 329; 2 3 133, 135 m. Anm. Oehler J Z 1970 3 8 0 ; B G H NStZ 1998 3 0 f; 2 0 0 3 5 3 5 f; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rdn. 56). Nach ihnen wird der Eintritt der Schuld-
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Roxin AT I ξ 20 Rdn 74; Rudolpbi SK7 Rdn. 31; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 37; Wessels/Beulke AT 35 Rdn. 418; differenzierend (bei Identifizierungsvorbehalt error in persona) Kühl AT5 S 11 Rdn. 23. Jakobs AT2 17/66; Jescheck/Weigend AT5 § 40 VI 2; Lackner/Kühl Rdn. 26; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 47; Otto Jura 1986 426, 433; Grundkurs
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AT7 ξ 13 Rdn. 24; Puppe JuS 1980 346, 348; Roxin FS Lackner, S. 307, 320; AT I § 20 Rdn. 64; Rudolphi SK7 Rdn. 30; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 36; Tröndle/Fischer Rdn. 50, 51; Wessels/ Beulke AT35 Rdn. 417; Wolter FS Leferenz, S. 545, 555; BayObLG NJW 1969 1583, 1584; VRS 64 189, 190; OLG Koblenz VRS 75 34, 35; OLG Schleswig MDR 1989 761.
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Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
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Unfähigkeit für den Täter in der Regel eine unwesentliche Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf darstellen und die Zurechnung der Tat zum Vorsatz nicht in Frage stellen. 5. Fahrlässige actio libera in causa liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich oder fahrlässig in Schuldunfähigkeit gerät und fahrlässig nicht bedenkt, dass er in diesem Zustand eine bestimmte Straftat begehen 193 oder eine bestimmte schwere Folge herbeiführen (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 3) kann. Es fehlt bei diesen Sachverhaltsgestaltungen mithin an dem verantwortlich gefassten Tatentschluss (OLG Koblenz VRS 74 29, 31). Früher betraf dies vor allem Autofahrer, die in Fahrbereitschaft oder in dem möglichen Wissen, noch fahren zu müssen, dem Alkohol zusprachen und dann im Zustand der Schuldunfähigkeit ein Straßenverkehrsdelikt begingen (BayObLG VRS 61 339; bei Janiszewski NStZ 1988 264). Seit dem Urteil des 4. Senats vom 22.8.1996 (BGHSt 42 235) kommt auch die fahrlässige actio libera in causa bei eigenhändigen verhaltensgebundenen Delikten wie §§ 315c, 316 nicht mehr in Betracht. Für die Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung wird die Rechtsfigur der actio libera in causa nicht benötigt, da Anknüpfungspunkt für die Fahrlässigkeitsschuld jedes in Bezug auf den tatbestandsmäßigen „Erfolg" sorgfaltwidrige Verhalten ist, also auch das SichBetrinken trotz erkennbarer Gefahr einer anschließenden Trunkenheitsfahrt (BGHSt 42 235, 236 f; s. Rdn. 195). Dies gilt auch für die fahrlässigen Erfolgsdelikte außerhalb des Straßenverkehrs, weshalb man von einer „Sonderform normaler Fahrlässigkeit" (Streng MK Rdn. 148) sprechen kann, welche das Konstrukt der fahrlässigen actio libera in causa letztlich entbehrlich erscheinen lässt. 194
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6. Ursachen der Schuldunfähigkeit. Welche Ursache die Schuldunfähigkeit bewirkt hat, ist ohne Belang. Häufig handelt es sich um Kombinationswirkungen von Rauschmitteln (OLG Düsseldorf NJW 1962 684; OLG Hamm NJW 1972 2232) oder von Alkohol und körperlichen Beeinträchtigungen (BGH VRS 16 186, 189). Auch ein Zusammentreffen mehrerer psychischer Beeinträchtigungen, die in der psychiatrischen Literatur als Komorbidität bezeichnet wird (Rdn. 179; Streng StV 2 0 0 4 614 ff), kommt oft vor und bedarf einer besonders sorgfältigen Gesamtwürdigung ihrer Auswirkungen auf das seelische Gefüge des Täters (BGHSt 34 22, 26; BGHR StGB § 20 Ursachen, mehrere 1, 2; zu den praktisch relevanten Kombinationen s.o. Rdn. 181).
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Keinen Unterschied macht es, ob der Täter lediglich seine Schuldfähigkeit beeinträchtigt oder zusätzlich auch seine Handlungsfähigkeit (omissio libera in causa). 195
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Keine Verschuldenshaftung nach den Grundsätzen der actio libera in causa setzt im Allgemeinen ein, sofern die Schuldunfähigkeit ihre Ursache in einem krankhaften Geschehen (exogene oder endogene Psychose) hat (aA Neumann ZStW 99 [1987] 567, 581). Daher ist es unerheblich, dass der Täter den Ausbruch der akuten Phase einer Psychose herbeiführt, indem er trotz wahrgenommener eindeutiger Anzeichen es unterlässt, seine Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus zu veranlassen. Die gegenteilige Auffassung liefe auf eine strafbewehrte Pflicht, sich ärztlich behandeln zu lassen und körperliche Eingriffe zu dulden, hinaus. Eine solche allgemeine Pflicht ist dem Strafrecht aber
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BGHSt 2 14, 18; 17 259, 2 6 3 ; 17 333, 335; RGSt 70 85, 87; OLG Celle VRS 4 0 16; OLG Schleswig NStZ 1986 511; Stratenwertb GS Armin Kaufmann, S. 485, 4 9 8 ; dagegen Hettinger S. 4 5 5 ; GA 1989 1, 15; abw. auch Krause Jura 1980 169, 175. Ebenso Frisch ZStW 101 (1998) 608 ff;
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Hettinger S. 4 5 0 ff; Otto Festabe BGH S. 126 f; Neumann StV 1 9 9 7 2 4 ; Roxin FS Lackner, S. 312; Streng MK Rdn. 148. Krause Jura 1980 169, 172; Otto Jura 1 9 8 6 4 2 6 , 4 3 4 ; Sch/Schröder/Stree Vor § 13 Rdn. 144.
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2. Abschnitt. Die Tat
fremd; sie würde zudem den Zwecken zuwiderlaufen, welche das Strafrecht mit § 63 verfolgt. Denn wenn zufolge der Grundsätze über die actio libera in causa die §§ 20, 21 außer Anwendung blieben, fehlte es an der rechtlichen Möglichkeit, den Täter nach § 63 in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Die Vorschrift muss in derartigen Fällen aber aus Sicherheitsgründen Vorrang haben. 210
Daher ist die Grenze der Haftung für Straftaten, die in schicksalhaft krankhaften Defektlagen begangen werden, dort zu ziehen, wo der Täter eine medizinische Behandlung in der vorhandenen oder möglichen Kenntnis der Folgen abbricht oder wo er die Tat ohne zusätzliche Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe vermeiden könnte.
VIII. Verschuldete Schuldunfähigkeit im Übrigen 211
Liegen die Voraussetzungen der actio libera in causa nicht vor, weil der Täter vor dem Eintritt der Schuldunfähigkeit keine bestimmte Tat ins Auge gefasst hat, so haftet er gleichwohl in den Fällen der Affekttat, sofern der Affekt verschuldet ist (Rdn. 140 ff). Umgekehrt scheidet Strafbarkeit wegen des Vorrangs des § 63 häufig aus, wenn der Täter schuldhaft eine psychotische Phase nicht vermeidet und in diesem Zustand eine Straftat begeht (Rdn. 209). Für unter Alkohol-, Drogen- und Medikamenteneinfluss begangene Delikte kann § 323a eingreifen. Ansonsten gilt zwar nicht der Satz, dass verschuldete Schuldunfähigkeit stets unbeachtlich sei (so Cramer J Z 1971 766), jedoch auch nicht sein Gegenteil (aA Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 42). Vielmehr kommt den Entstehungsbedingungen des Defektzustandes im Rahmen des normativen Urteils über die Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens (Rdn. 46 ff) eine gewisse Bedeutung zu.
212
Insbesondere Neurosen wie der Querulantenwahn werden oftmals die Prüfung nahe legen, ob der Täter sich schuldhaft einer Entwicklung überlassen hat, welche letztlich zur Tat führte; ähnlich verhält es sich beim Eifersuchtswahn. Solchen Tätern werden häufig Belehrungen, Warnungen und auch Bestrafungen zuteil, die ihnen in noch schuldfähigem Zustand deutliche Zeichen setzen; auch die zur Tat führende Entwicklung nehmen diese Delinquenten - wie der Affekttäter das Stadium des Vorgestaltens - wahr. Ähnliches gilt für Triebtäter, die die zur Straftat führende Situation häufig in schuldfähigem Zustand selbst schaffen. Gleichwohl ist deren Exkulpation bei extrem ausgeprägten Störungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, da § 20 auf dem Tatschuldgedanken beruht, der nicht durch Aspekte der Lebensführungschuld ausgehöhlt werden darf (zutr. Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 42, aA LK 11 Rdn. 86). Allerdings geht es in diesen Fällen in aller Regel nicht um Schuldunfähigkeit, sondern um verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21. Hier kann das Vorverschulden im Rahmen der Strafzumessung regelmäßig berücksichtigt werden. Eine grundsätzliche Verneinung der Strafrahmenmilderungsmöglichkeit nach §§ 21, 49 wäre aber nicht sachgerecht, da sie den Spielraum der Strafzumessungsschuld zu schematisch einengen würde (s. S 21 Rdn. 49 ff; aA LK 1 1 Rdn. 86). I X . Verhältnis zu § 3 J G G
213
Nach § 3 J G G sind Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren strafrechtlich verantwortlich, wenn sie zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug sind, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Die Schuldfähigkeit und damit die „Strafmündigkeit" des Jugendlichen muss positiv festgestellt werden. Ausführungen derart, dass die Schuldfähigkeit indiziert und für ihr Fehlen keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, dürfen in diesem Zusammenhang nicht angestellt wer-
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den. Vielmehr müssen umgekehrt die Anhaltspunkte dargelegt werden, aus denen auf die Schuldfähigkeit des Jugendlichen zur Zeit der Tat geschlossen werden kann (Meier/ Rössner/Schöch1 § 5 Rdn. 9). Jedoch entspricht § 3 J G G den §§ 2 0 , 21 StGB insoweit, als er ebenfalls nach einer psychisch-normativen Methode aufgebaut ist (Schreiber/ Rosenau S. 81). Während in § 3 J G G Reifungsdefizite zum Ausschluss der Schuldfähigkeit führen sollen, sind es bei den §§ 2 0 , 21 StGB reifeunabhängige pathologische Hintergründe, welche die Schuldfähigkeit ausschließen können (Streng M K Rdn. 1 5 6 ) . 1 9 6 Die Frage, welche Vorschriften bei einem in der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten Jugendlichen anzuwenden sind, erscheint zunächst für die Schuldfähigkeit kaum relevant, während sie für die Bestimmung der Rechtsfolgen von erheblicher Bedeutung ist. Denn § 3 J G G führt bei fehlender Strafreife allenfalls zur Anordnung von familien- und vormundschaftsrichterlichen Maßnahmen, während die §§ 2 0 , 21 StGB die Möglichkeit einer Anordnung der auch im Jugendstrafrecht zulässigen Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 7 J G G ) , insbesondere der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt (§§ 63, 6 4 StGB), beinhalten. Oft lassen sich die Defizite nicht eindeutig § 2 0 StGB oder § 3 J G G zuordnen; vielmehr treffen psychopathologische Schädigung und Reifeverzögerung zumindest ihrem äußeren Erscheinungsbild nach zusammen ( M e i e r / R ö s s n e r / S c h ö c h 2 § 5 Rdn. 18; skeptisch Lempp Gerichtl. Kinder- und Jugendpsychiatrie S. 212). Handelt es sich bei der Persönlichkeitsstörung um die Folge eines noch nicht abgeschlossenen Entwicklungsprozesses und ist voraussichtlich mit fortschreitender Reife ein Ausgleich zu erwarten, so ist allein § 3 J G G anwendbar. In Fällen einer pathologischen Störung, die vom Entwicklungsprozess des Jugendlichen unabhängig ist und die voraussichtlich mit fortschreitender Entwicklung nicht oder nur mangelhaft ausgleichsfähig ist, bestimmen sich die Rechtsfolgen allein nach den §§ 2 0 , 21 (Schild NK Rdn. 58). Bleiben Zweifel, ob neben § 3 J G G auch die Merkmale des § 2 0 vorliegen, ist nur § 3 J G G anwendbar (Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 44); denn die Unterbringung gemäß § 63 als die wesentliche Folgemaßnahme ist nur bei positiver Feststellung der Schuldunfähigkeit und der weiteren Kautelen statthaft (BGHSt 3 4 2 2 , 2 6 ; Tröndle/Fischer § 63 Rdn. 5). In Fällen der Defektkumulation, in denen sich die Voraussetzungen sowohl des § 3 J G G als auch der §§ 2 0 , 21 zuverlässig ermitteln lassen (z.B. bei einer pathologischen Entwicklungsstörung aufgrund frühkindlicher Hirnschädigung), gebührt keiner der Vorschriften ein grundsätzlicher Vorrang, 1 9 7 vielmehr ist auf die Rechtsfolge zu erkennen, deren besondere Bedingungen gegeben sind. Der Richter hat damit regelmäßig die Möglichkeit, diejenige Anordnung zu treffen, die unter erzieherischen Gesichtspunkten dem Wohl des Jugendlichen am besten gerecht wird. 1 9 8 Die Rechtsprechung fördert dies dadurch, dass sie an die Unterbringung eines Jugendlichen im psychiatrischen Krankenhaus besonders strenge Anforderungen stellt (BGHSt 37 3 7 3 ) .
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Vgl. auch BGHSt 5 366, 367; 22 41, 42; Eisenberg11 JGG § 3 Rdn. 33; Lempp in Nissen/Schmitz S. 15, 22; Roxin AT I § 20 Rdn. 54; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 44; Wegener Einführung S. 158. Streitg: wie hier BGHSt 26 67, 68 m. Amn. Brunner JR 1976 116; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 254; Roxin AT I § 20 Rdn. 54; Rudolphi SK 7 Rdn. 2; Schaffstein/Beulke14 § 7 IV 3; Schreiber/ Rosenau S. 82 f; Streng MK Rdn. 157; aA
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(Vorrang des § 3 JGG:) Eisenbergu JGG § 3 Rdn. 39; Ostendorf7 § 3 Rdn. 20; Peters in Undeutsch S. 260, 281; RuppDiakojanni S. 65; (Vorrang der §§ 20, 21) Blau/Franke Jura 1982 393, 398. Schaffstein/Beulke14 § 7 IV 3; Meier/ Rössner/Schöch2 § 5 Rdn. 18; für einen Vorrang des § 3 Eisenbergn JGG § 3 Rdn. 39; BGH NStZ 2000 485 f; für einen Vorrang der §§ 20, 21 BGHSt 26 67.
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2. Abschnitt. Die Tat
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Eine verminderte jugendstrafrechtliche Verantwortlichkeit analog § 21 StGB gibt es im Jugendstrafrecht nicht; jedoch kann der Reifegrad bei der Auswahl und Zumessung der Sanktionen eine Rolle spielen (Schreiber/Rosenau S. 83). Daneben kommt § 21 StGB als allgemeiner Strafmilderungsgrund in Betracht (BGHSt 5 367), dessen Anwendung allerdings zugleich die Möglichkeit einer Unterbringung nach § 63 StGB eröffnet. Dies soll sogar dann möglich sein, wenn die Strafmündigkeit gemäß § 3 J G G verneint wurde (BGHSt 2 6 6 7 mit zust. Anm. Brunner J R 1976 116: im Fall eines jugendlichen Debilen). Dem ist trotz des scheinbaren begrifflichen Widerspruchs zuzustimmen, da § 3 J G G nur die Strafbegründungsschuld ausschließt, nicht die für die Maßregelentscheidung geltenden § § 5 Abs. 3, 7 J G G , welche die Verhängung von Maßregeln gemäß §§ 63, 64 auch unter den Voraussetzungen des § 21 StGB zulassen. 1 9 9
216
Die Ermittlung der Schuldfähigkeit des Jugendlichen vollzieht sich methodisch wie beim Erwachsenen; es ist vom „biologischen" auf das „psychologische" Stockwerk zu schließen (Rdn. 74 ff). Jedoch gilt mit dem Kriterium der Reifeverzögerung oder der Möglichkeit der Nachreifung ein anderes „biologisches" Merkmal (BGH NStZ 1982 332), welchem eine zusätzliche Problematik anhaftet, weil es auch unreife Erwachsene gibt. Als Maßstab dient der durchschnittliche Entwicklungsstand anderer Jugendlicher. Für das vergleichende Urteil sind die konkreten Tatumstände aber von besonderer Bedeutung. Jugendliche sind leichter zu beeinflussen als Erwachsene; an ihr Hemmungsvermögen können aus normativer Sicht nicht dieselben Anforderungen gestellt werden wie bei älteren Menschen. Außerdem ist auch bei der Unrechtseinsicht differenzierter auf den einzelnen Tatbestand abzuheben, weil sich die Eingliederung des Jugendlichen in die Welt der Erwachsenen und ihre verschiedenen Verbote nur schrittweise vollzieht (Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 2 5 1 ; Rupp-Diakojanni S. 5 9 ff).
X . Zusammenarbeit mit dem Sachverständigen. Verfahrensfragen 217
1. Problematik des Sachverständigenbeweises. In der wissenschaftlichen Literatur über die Rechtswirklichkeit von Schuldfähigkeitsgutachten wird häufig kritisiert, dass diese den wissenschaftlichen Standard verfehlen, weil das Ergebnis nicht aus mitgeteilten Befunden reproduzierbar abgeleitet ist und damit als willkürlich erscheint, weil dem subjektiven Ermessen ein erkennbar zu breiter Spielraum eingeräumt wird und weil inhaltliche und methodische Unzulänglichkeiten bis hin zu einer den Täter herabsetzenden Wortwahl anzutreffen sind. 2 0 0 In den letzten Jahren ist deshalb eine Reihe von Beiträgen über Fehler in psychiatrischen Gutachten erschienen. 2 0 1 Die Standardwerke der forensi-
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200
Ebenso Brunner/Döllingu § 3 Rdn. 10; Streng MK Rdn. 158: § 21 Rdn. 47; aA Eisenberg11 JGG § 3 Rdn. 34; Ostendorf6 % 3 Rdn. 4; Schaffstein/Beulke14 § 7 IV 3; Sch/Schröder/Lenckner/Perron § 21 Rdn. 27. Foerster DRiZ 1991 197; Heinz in Frank/ Harrer S. 29, 30; Tondorf StV 2004 279 ff; in Venzlaff S. 141; Maisch StV 1985 517, 518; Streng NStZ 1995 12; Venzlaff NStZ 1983 199; Scholz/Schmidt MschrKrim. 2000 414 ff; Verrei Schuldfähigkeitsbegutachtung (1995) S. 32 f, 41 ff; MschrKrim. 1994
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I I I ff; ZStW 106 (1994) 332 ff; zur Kritik aus Verteidigersicht Wächter StV 2003 144; als Streitschrift aus psychoanalytischer Sicht versteht sich Tilmann Mosers Repressive Kriminalpsychiatrie (1971); überzogene Pauschalkritik bei Helbling ZRP 2004 55. Böttger u.a. in Kaiser/Kury/Albrecht S. 223; Fegert u.a. Abschlussbericht (2003) S. 79 ff; Gerstenfeld MschrKrim. 2000 280 ff; Heinz Fehlerquellen; Konrad Med. Sachverst. 1992 25; Maisch StV 1985 517; Mende/Bürke Forensia 7 (1986) 143; Ffäfflin Vorurteilsstruktur; Rasch MschrKrim. 1982 257;
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sehen Psychiatrie und andere Publikationen bemühen sich, Sachverständigen und Richtern gezielte Hilfen für ihre Tätigkeit zu geben. 2 0 2 Große Anstrengungen werden auch unternommen, die Erhebung und Bewertung der Befunde mit Hilfe von Diagnoseschlüsseln und Merkmalskatalogen objektiver und damit nachprüfbarer zu gestalten (Rdn. 37 ff). Aber auch aus juristischer Sicht wird oft kritisiert, dass die Realität des Sachverständigenbeweises nicht mit der gesetzlichen Konzeption (§ 78 StPO) und der von der Rechtsprechung geforderten Gehilfenrolle des Sachverständigen (BGHSt 3 27 f; 7 238 f; 11 211, 213; 13 1, 4) übereinstimmt (Verrei Schuldfähigkeitsbegutachtung S. 32 f, 41 ff m.w.N.). Es wirkt auf den Revisionsrichter quälend, wenn im Urteil des Tatrichters das schriftliche Gutachten wiederkehrt und aus ängstlicher Übernahme selbst der Terminologie erkennbar wird, dass der Urteilsverfasser dem Gutachten gefolgt ist, ohne es zu verstehen (Saiger Festschrift Tröndle S. 201). In mangelnden Kenntnissen liegt offenbar der Grund dafür, dass viele Richter auf das zur Würdigung des Gutachtens erforderliche Fachgespräch mit dem Sachverständigen verzichten.
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Der Richter ist jedoch verpflichtet, sich eine eigene Überzeugung von der Schuld des Täters zu bilden. Er muss sich daher die Grundlagen der Schuldfähigkeitsbeurteilung erarbeiten, um den Beweiswert des Sachverständigengutachtens würdigen zu können. Die Problematik des Sachverständigenbeweises liegt nicht primär in Kompetenzüberschreitungen der forensisch tätigen Psychiater und Psychologen, sondern eher darin, dass Richter mangels ausreichender Kenntnisse methodisch ungenügend fundierte Ergebnisse der Begutachtung ohne eigenständige Sachprüfung übernehmen (dazu Plewig S. 174; Verrei S. 34). Die Abhängigkeit des Strafrichters vom Sachverständigen erscheint damit als hausgemachtes Problem der Justiz (Arthur Kaufmann J Z 1985 1065), das durch gezieltere Aus- und Fortbildung der Richter, Staatsanwälte und Verteidiger sowie durch regelmäßigen Erfahrungsaustausch zwischen den forensisch tätigen Psychiatern, Psychologen und Juristen zu überwinden ist.
219
Einen wesentlichen Beitrag zur Fortbildung und Kommunikation für beide Seiten stellen die Empfehlungen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus Juristen, forensischen Psychiatern und Psychologen zu Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten dar (Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß etal. NStZ 2005 57 ff). Diese enthalten je einen Katalog mit formellen und inhaltlichen Mindestanforderungen für forensische Gutachten sowie weitere Mindestanforderungen bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung von Beschuldigten mit Persönlichkeitsstörungen oder sexueller Devianz (Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß etal. NStZ 2005 59 ff). Diese sollen dem Sachverständigen die fachgerechte Gutachtenerstellung und den Verfahrensbeteiligten die Bewertung der Aussagekraft konkreter Gutachten erleichtern. Auch für die Auswahl des Sachverständigen nach §§ 73 ff StPO und für das Beweisrecht nach § 244 StPO können sie herangezogen werden. Schließlich können sie bei der Entscheidung helfen, ob die Sachkunde des Gutachters zweifelhaft ist, ob das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, ob es Widersprüche enthält oder ob einem anderen Sachverständigen überlegene Forschungsmittel zur Verfügung stehen (Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß et al. NStZ 2005 57; vgl. z.B. BGHSt 49 347, 353). Bedarf hierfür war schon vorher von fachkundiger Seite artikuliert worden (Tondorf StV 2004 279, 283). Die hiergegen von Eisenberg (NStZ 2005 304 ff) vorgebrachten Einwände überzeugen nicht (dazu bereits Rdn. 32 ff). Die Empfehlungen
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R & Ρ 1992 76; Venzlaff NStZ 1983 199; Witter MschrKrim. 1983 253; aus juristischer Sicht Peters Fehlerquellen im Strafprozeß 2. Band (1972) S. 118 ff.
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Foerster/Leonhardt in Foerster4 S. 43; Göppinger
u.a. Hdb. d. forens. Psychiatrie
Bd. II S. 1485; Nedopil2 S. 10, 13; Langeliiddeke/Bresser S. 13; Rasch/Konrad S. 19.
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erwecken auch nicht den Anschein normativer Verbindlichkeit, sondern verstehen sich als interdisziplinärer Beitrag angewandter Wissenschaft, der für Verbesserungsvorschläge offen ist und genügend Spielraum für Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls lässt. „Verfassungsrechtliche Bedenken im H i n b l i c k auf die tatrichterliche U n a b h ä n g i g k e i t " (Eisenberg N S t Z 2 0 0 5 3 0 6 ) sind daher nicht angebracht. 221
2 . Aufgaben und Auswahl des Sachverständigen. Aufgabe des Sachverständigen ist es, dem Gericht die tatsächlichen Kenntnisse zu vermitteln, welche dieses für seine Entscheidung zur Schuldfähigkeit benötigt ( D e t t e r N S t Z 1 9 9 8 5 7 6 1 ) . Die Funktion des Sachverständigen beschränkt sich nicht darauf darzulegen, wie es „zur Tatzeit im K o p f des T ä t e r s a u s s a h " (so Sarstedt N J W 1 9 6 8 177, 181). Vielmehr obliegt ihm auch die Vermittlung des vorhandenen Erfahrungswissens über das Verhalten von anderen M e n s c h e n in der Situation des Täters. Im Hinblick auf die dem Gesetz zugrunde liegende Schuldkonzeption muss der Sachverständige die Anforderungen, die er an einen „ N o r m a l e n " stellt, darlegen ( R d n . 31 ff).
222
Art und Stärke der Störung einerseits, ihr Vergleich mit dem N o r m a l t y p u s und die Bewertung der Abweichung als erheblich andererseits bilden eine empirisch-normative Gemengelage (Rdn. 4 5 ) . Sie lässt eine Trennung des N o r m a t i v e n von seinem tatsächlichen Substrat nicht zu. Die Frage an den Sachverständigen nach seiner Beurteilung der Schuldfähigkeitsvoraussetzungen (nicht: o b er „den § 2 1 a u s s c h l i e ß e n " k ö n n e - das kann er nie) ist daher keine G r e n z ü b e r s c h r e i t u n g . 2 0 3 Dass das Gericht dem Urteil nur seine eigene Wertung zugrunde legen darf ( B G H S t 2 , 14, 16; 8 113, 1 2 4 ; B G H G A 1 9 6 2 116), steht dazu nicht in W i d e r s p r u c h .
223
O b zur Begutachtung ein Psychiater oder ein Psychologe herangezogen werden sollte, w a r Gegenstand lebhaften Streits zwischen den Fachdisziplinen. Heute dürfte er zwar abgeflaut, aber k a u m endgültig beigelegt s e i n . 2 0 4 Die Rechtsprechung überlässt die Auswahl bei Zuständen nicht krankhafter Art dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatricht e r s . 2 0 5 N u r ausnahmsweise - so bei Hirnschäden und Kopfverletzungen - verlangt sie, sofern es sich nicht um eine ersichtlich folgenlose bloße Gehirnerschütterung gehandelt hat ( B G H R S t G B § 2 1 Sachverst. 10), die Zuziehung eines Spezialisten ( N e u r o l o g e n ) . 2 0 6 G a n z besondere T a t u m s t ä n d e können es ferner erforderlich m a c h e n , von Amts wegen aus dem Fachgebiet einen Sachverständigen eines speziellen Forschungsbereichs oder mit
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BGHSt 7 238, 240; Foerster NJW 1983 2049, 2052; Schreiber Nervenarzt 1977 242, 246; NStZ 1981 46, 51; in Lauter/Schreiber S. 29, 36; zurückhaltend Rudolphi SK 7 Rdn. 23; aA Streng Strafrechtl. Sanktionen 2 Rdn 75; Tröndle/Fischer Rdn. 63. Bernsmann NStZ 1989 160, 161; Bresser NJW 1958 248; Ruitsch StraFo 2001 337; Liebel/v. Uslar S. 120; Rasch NStZ 1984 497; Scholz ZStW 118 (2004) 618; Täschner MschrKrim. 1980 108 mit Entgegnung Sigusch MschrKrim. 1981 229 und Schorsch/Pfäfflin MschrKrim. 1981 234; G. Wolff NStZ 1983 537; vgl. dazu Löwe/ Rosenberg/Gollwitzer StPO § 244 Rdn. 81 m. Fn. 145; zur Kompetenz von Rechtsmedizinern Parzeller Rechtsmedizin 2 0 0 3 301.
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BGHSt 23 8, 13 m. Anm. Peters J R 1970 152; BGHSt 34 355, 357 m. Anm. Meyer NStZ 1988 87; BGH NJW 1959 2315; BGH NStZ 1990 400; BGH bei Holtz MDR 1984 982; BGH bei Spiegel DAR 1980 205; BGHR StGB § 21 Sachverst. 6; OLG Karlsruhe GA 1972 316. BGH NJW 1952 633; 1969 1578; BGH bei Holtz M D R 1977 281; BGH bei Pfeiffer/ Maul/Schulte § 51 Anm. 13; BGHR StGB § 20 Sachverst. 2, 4; § 21 Sachverst. 1, 4; Ursachen, mehrere 2, 8; StPO § 261 Sachkunde 1; § 2 4 4 IV 1 Sachkunde 3; NJW 1993 1540; einschr. BGH NStZ 1991 80; dagegen Glatzel StV 1990 132.
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besonderen Erfahrungen hinzuzuziehen, so bei Delikten auf sexueller Grundlage (BGHSt 23 176, 187; BGHR StGB § 21 seel. Abartigkeit 18) oder für Schriftvergleiche (BGHSt 10 116, 119). Eines Drogenspezialisten bedarf es zur Beurteilung Drogenabhängiger angesichts des heutigen Wissensstandes in der Psychiatrie nicht (aA OLG Köln M D R 1981 598, 953). Im Allgemeinen sollte sich der Tatrichter bei der Auswahl von dem Gesichtspunkt leiten lassen, dass der forensische Psychiater die umfassenderen Kenntnisse und Erfahrungen hat, insbesondere wenn er den „Krankheitswert" einer Störung (Rdn. 62 ff) darlegen soll, und dass zur Begutachtung in aller Regel eine körperliche Untersuchung gehört, für die nur er gerüstet ist (Rauch NStZ 1984 497, 498). Zur Beurteilung von Krankheiten erscheint der Psychologe nach seiner Ausbildung generell weniger geeignet (Wegener Festschrift Venzlaff S. 181, 186); er kann dem Psychiater im Einzelfall gleichstehen, soweit Schwachsinn oder sonstige nicht krankhafte Störungen zu beurteilen sind. 207 Ob eine psychoanalytische Begutachtung im Bereich der §§ 20, 21 Ertrag verspricht, kann aber zweifelhaft sein (Rdn. 176 ff). Unergiebig ist jegliche Sachverständigentätigkeit jedenfalls, sofern der Gutachter einen streng deterministischen oder einen agnostischen Standpunkt einnimmt (Schreiber FS Wassermann, S. 1007, 1018), weil er damit das Gesetz für nicht vollziehbar hält und, wenn er konsequent sein will, zu einer Beantwortung der gestellten Fragen nicht gelangen kann.
224
3. Einführung und Würdigung des Gutachtens. Im Gutachten ist für alle Beteiligten nachvollziehbar und transparent darzulegen, auf Grund welcher Anknüpfungstatsachen (Angaben des Probanden, Ermittlungsergebnisse, Vorgaben des Gerichts zum Sachverhalt und zu möglichen Tathandlungsvarianten) sowie auf Grund welcher Methoden und Denkmodelle der Sachverständige zu den von ihm gefunden Ergebnissen gelangt ist (BGH NStZ 2004 437 ff; Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß et al. NStZ 2005 58). Wenn der Sachverständige sich weigert, seine Methoden offen zu legen, sollte dies für den Tatrichter Anlass zu Zweifeln an dessen Sachkunde geben, was wiederum die Anhörung eines „weiteren Sachverständigen" gemäß § 244 Abs. 4 S. 2 StPO zur Folge haben kann (BGHSt 4 9 347, 352 f; BGH NStZ 1999 630 ff). Der Wert eines Gutachtens bestimmt sich nicht nach dem Umfang des für den Richter eigentlich entbehrlichen Aktenauszuges, der möglichst knapp und präzis sein sollte, sondern nach der Qualität der Anamnese und der Befunde (Rasch/Konrad S. 338 ff).
225
Bei der Abfassung schriftlicher Gutachten empfiehlt sich die Einhaltung einer relativ schematischen Struktur, um wesentliche Punkte nicht zu übersehen und weil es dem Leser leichter fällt, das Gutachten zu erfassen, wenn er genau weiß, wo welche Informationen zu finden sind. Deshalb enthalten die Empfehlungen der interdisziplinären Arbeitsgruppe (Boetticher/Nedoptl/Bosinski/Saß et al. NStZ 2 0 0 5 59 f) sowohl formale Anforderungen an Aufbau und Gliederung des Gutachtens als auch inhaltliche Aspekte wie die Verwendung kriterienorientierter Diagnosen entsprechend ICD-10 oder DSM-IVT R (Rdn. 37 ff).
226
Es muss ersichtlich sein, welchen Stellenwert die Tat bei der Diagnose und Beurteilung hat, damit eine tautologische Beweisführung ausgeschlossen ist (Rdn. 186 ff), die
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BGH StV 1989 102; B G H R StGB § 21
Sachverst. 3; Maisch/Schorsch StV 1983 32, 37; Saiger FS Tröndle, S. 201, 204; Undeutsch FS Lange, S. 703; "Wegener in Egg S. 423; weitergehend Rasch in Lauter/
Schreiber S. 38, 43. Kritisch zu der Praxis, einen Psychologen als bloßen Ergänzungsgutachter zu verwenden, Wegener FS Venzlaff, S. 181, 186.
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2. Abschnitt. Die Tat
Beurteilung also nicht lediglich eine subjektive Erläuterung des Tatgeschehens darstellt, und damit der Sachverständige Veränderungen der Sachlage, welche erst die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ergibt, nachprüfbar berücksichtigen kann. Die mangelnde Trennung von Befund, Bewertung und daraus gezogener Folgerung ist ein Fehler, der ebenso schwer wiegen kann wie eine unzulängliche biografische und Fremdanamnese oder das Fehlen einer körperlichen Untersuchung (Rasch StV 1984 264, 265; Venzlaff NStZ 1983 199, 201). Eine Beurteilung ohne eingehende Untersuchung wird sich nur vertreten lassen, wenn Beweisgegenstand nicht der Zustand des Angeklagten selbst ist, sondern die Frage, ob Anhaltspunkte bestehen, welche seine Prüfung erforderlich machen. Wenn der Beschuldigte seine Mitwirkung an der Untersuchung verweigert, ist die bloße Beobachtung in der Hauptverhandlung allerdings unvermeidbar (kritisch hierzu Venzlaff in Kury S. 75, 86). 228
Für die Einführung des Gutachtens in das Strafverfahren sind auch dessen Beweisgrundlagen darzulegen. Es muss deutlich werden, ob und welche Angaben des Beschuldigten als Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt wurden. Besonders hervorzuheben sind die gerichtlich noch zu überprüfenden Zusatztatsachen (Boetticher/Nedopil/Bosinski/ Saß et al. NStZ 2005 58), d.h. die das Gutachten vorbereitenden Anknüpfungstatsachen, zu deren Ermittlung - anders als bei den sog. Befundtatsachen des Sachverständigen keine besondere Sachkunde erforderlich ist und die daher auch das Gericht hätte feststellen können (BGHSt 13 1; 18 107; 20 164, 166; Meyer-Goßner49 § 79 Rdn. 11). Um sie gerichtlich verwerten zu können, muss der Sachverständige hierüber gesondert als Zeuge vernommen werden (BGHSt 22 268, 271; BGH NStZ 1985 135). In Betracht kommen hierfür z.B. Tatsachen, die der Sachverständige von Angehörigen oder anderen Auskunftspersonen erfahren hat, ein bisher noch nicht vorliegendes Geständnis des Angeklagten (BGH NJW 1988 1223 f) oder Erkenntnisse aus einem außergerichtlichen Augenschein (BGH NStZ 1993 245).
229
In der Hauptverhandlung muss das mündliche Gutachten auf das dort gefundene Beweisergebnis - gegebenenfalls mit vom Gericht vorgegebenen Sachverhaltsvarianten eingehen. Grundlage für die richterliche Urteilsfindung ist allein das in der Hauptverhandlung mündlich erstattete Gutachten. Der vorläufige Charakter des schriftlichen Gutachtens muss dem Sachverständigen und dem Gericht bewusst bleiben (Boetticher/ Nedopil/Bosinski/Saß et al. NStZ 2005 58).
230
Bei der kritischen Auseinandersetzung mit dem Gutachten sollte der Richter sich bewusst sein, dass dem Sachverständigen - von einigen technischen Untersuchungen abgesehen - prinzipiell keine anderen Hilfsmittel zur Verfügung stehen als ihm selbst (vgl. Schorsch StV 1985 522). Zwar ist die gezielte, auf besonderer Ausbildung und Erfahrung beruhende und ohne Zeitdruck durchgeführte Exploration des Täters nicht mit dessen Vernehmung in der Hauptverhandlung vergleichbar. Erkenntnismittel ist aber in beiden Fällen das Gespräch. Das psychiatrische Gutachten ist daher kein unter Verwendung hochkomplizierter Apparate gewonnener Sachbeweis, sondern die Schilderung von Tatsachen, welche ein und dieselbe Person wahrgenommen, gefiltert und bewertet hat. Das sollte den Sachverständigen auch veranlassen, von der beliebten Verschlüsselung seiner Darlegungen in einen medizinischen Fachjargon abzusehen (Langelüddeke/Bresser S. 21).
231
Für die Verfahrensbeteiligten besteht kein Anlass zur Scheu vor der medizinischen Fachsprache. Sie müssen vielmehr in Rechnung stellen, dass einige psychiatrische Begriffe nicht eindeutig definiert und umstritten sind. Scheinbar klare Diagnosen bieten deshalb besonderen Anlass zu kritischer Prüfung (Schiiler-Springorum FS Venzlaff, S. 52, 58; Streng NStZ 1995 161, 165). Welcher Diagnose ein bestimmtes Erscheinungsbild zuge-
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ordnet wird, kann auch von der Schulrichtung abhängen, zu welcher sich der Sachverständige rechnet (Rasch MschrKrim. 1982 257, 2 6 1 ) . Darüber hinaus ist die medizinische Fachsprache durchaus nicht immer vorbildlich. So ist eine „symptomatische Schizophrenie" keineswegs, wie der Ausdruck vermuten lässt, eine Schizophrenie, sondern eine Störung mit den Anzeichen einer solchen Krankheit. Eine sachgerechte Würdigung des Gutachtens verlangt aber auch auf Seiten der Juristen ein gewisses Einfühlungsvermögen in medizinische Denkkategorien, ein Gespür für medizinisch erhebliche Sachverhalte und die Bereitschaft zur Respektierung des beruflichen Selbstverständnisses des Psychiaters und der Maximen ärztlicher Ethik (Nedopil N S t Z 1 9 9 9 4 3 3 ff). Wer nicht weiß, welche Symptome für ein krankhaftes Geschehen sprechen können, wird keine Auffälligkeiten in Vorakten und früheren klinischen Berichten entdecken und kann auch das Gutachten nicht darauf überprüfen, ob es alle erheblichen Befundtatsachen berücksichtigt und ausgewertet hat. Ein Richter, der die gebotene Souveränität besitzt, wird im Übrigen imstande sein, überflüssigen Sachverständigenbeweis zu vermeiden. 2 0 8 Entbehrlich ist z.B. ein Gutachten zur Tatzeitbefindlichkeit des Angeklagten in Fällen, in denen offensichtlich die Voraussetzungen der actio libera in causa gegeben sind, oder in Betäubungsmittelsachen, in denen Anhaltspunkte für eine Verminderung der Schuldfähigkeit fehlen ( B G H R StPO § 2 4 4 II Schuldfähigkeit 2; Rdn. 116). Auch die Berechnung der Tatzeit-Blutalkoholkonzentration sollten die Gerichte in einfachen Fällen ohne Sachverständigen durchführen können.
232
4. Verfahrensfragen. Ergibt sich im Strafverfahren die Schuldunfähigkeit des Angeklagten, so hat das Gericht ihn freizusprechen und gegebenenfalls Maßregeln nach den §§ 61 ff anzuordnen. Stellt sich in der Hauptverhandlung die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten heraus, so ist das Verfahren gem. § 2 6 0 Abs. 3 StPO einzustellen und anschließend ein selbständiges Sicherungsverfahren nach § 71 StGB, §§ 413 ff StPO durchzuführen; ein Übergang ins Sicherungsverfahren analog § 416 StPO ist unzulässig (BGHSt 4 6 345, 3 4 7 ) . Steht die Schuldunfähigkeit bereits im Ermittlungsverfahren zur Überzeugung der Staatsanwaltschaft fest, so kann sie an Stelle der Anklage einen Antrag auf Durchführung des Sicherungsverfahrens gem. § 413 StPO stellen.
233
Da das Gesetz annimmt, dass der Mensch im allgemeinen schuldfähig ist, braucht sich das Gericht mit den Voraussetzungen der §§ 2 0 , 21 nur zu befassen, wenn Anzeichen einer rechtserheblichen Störung erkennbar sind, nicht jedoch, sofern solche völlig fern liegen (BGH NStE StGB § 2 0 Nr. 2 0 ; B G H bei Pfeiffer/Maul/Schulte § 51 Anm. 1), aus Rechtsgründen ferner nicht im Falle der actio libera in causa (Rdn. 194 ff).
234
Lassen sich tatsächliche Umstände im Rahmen feststellen noch ausschließen, gilt der Satz in dubio dass für die Annahme von Schuldunfähigkeit oder Satz ebenfalls gelte, 2 1 0 denn hierbei handelt es sich
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Kritisch zur Überpsychologisierung des Strafverfahrens Rasch in Beck-Mannagetta/ Reinhardt S. 13, 17; zur übermäßigen Heranziehung von Sachverständigen Schiiler-Springorum in Hippius (Hrsg.) Ausblicke auf die Psychiatrie (1984) S. 69. BGHSt 3 169, 173; 8 113, 124; 37 231; BGH StV 1983 278; BGHR StGB § 20 Bewußtseinsstörung 1; StPO § 261 In dubio pro reo 1, 6; RGSt 70 127; zur Problematik BGHSt 36 286, 290.
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der Schuldfähigkeitsprüfung weder pro r e o . 2 0 9 Daraus folgt aber nicht, verminderter Schuldfähigkeit dieser um eine Rechtsfrage. 2 1 1 Es ist daher
Blau FS Tröndle, S. 109, 124; Tröndle/ Fischer Rdn. 67; v. Gerlach in Ebeti S. 165, 182; Lackner/Kühl Rdn. 23, FS Kleinknecht, S. 245, 264; Schöch MschrKrim. 1983 333, 338; Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 43. BGHSt 8 113, 124; BGH NJW 1959 2315, 2317; BGH GA 1962 116; BGHR StGB § 20 Affekt 1; Rdn. 17.
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2. Abschnitt. Die Tat
jeweils zu prüfen, welche Auswirkungen das nach dem Zweifelssatz zu unterstellende Geschehen hatte. So sind unwiderlegte Behauptungen früherer epileptischer Anfälle, zurückliegender Selbstmordversuche oder anderer biografischer Besonderheiten, über Tatmotive und relevante Tatabläufe mit ihrem vollen Gewicht in die Würdigung einzubeziehen. Rechtfertigen sie allein oder zusammen mit anderen Umständen den Schluss auf eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit, dann - und nur dann - ist sie dem Urteil zugrunde zu legen. Ebenso verhält es sich bei nicht ausschließbarer Trunkenheit (zur notwendigen Zurückhaltung gegenüber Trinkmengenangaben des Angeklagten Rdn. 115). Im Bereich des § 20 ist die zu unterstellende BÄK in die Würdigung aller Indizien einzubeziehen (Rdn. 103 ff). 236
Die Schuldfähigkeit kann der Richter in problematischen Fällen nicht allein beurteilen; er muss sich der Hilfe eines Sachverständigen bedienen. Anlass zur Zuziehung können Hirnschäden und Kopfverletzungen sein (Rdn. 223), geistige Minderbegabung oder ein Zurückbleiben in der Entwicklung (BGH NJW 1967 299), insbesondere bei Begehung eines für Schwachsinnige typischen Delikts (OLG Köln M D R 1980 245), Auffälligkeiten Unbestrafter im fortgeschrittenen Alter, so die plötzliche Häufung von Ladendiebstählen bei einer Frau in der Menopause (OLG Köln MDR 1975 858; StV 1992 321) oder Sexualdelikte und andere Straftaten (Venzlaff in Thomas S. 41, 54) im Rückbildungsalter (BGH NJW 1964 2213; BGH NStZ 1983 34; BGH StV 1989 102 und 2006 13 BGHR StGB § 21 Sachverst. 5 6). Auch Triebanomalien und ungewöhnliche Tatausführung (BGHSt 23 176; BGH NJW 1982 2009; BGH NStZ 1989 190; BGH StV 1984 507; BGHR StGB § 21 Sachverst. 7; seel. Abartigk. 16) können die Zuziehung eines Sachverständigen gebieten, ebenso übermäßiger Geschlechtstrieb (BGH NJW 1962 1779; BGH bei Dallinger MDR 1969 901; BGHR StGB § 21 seel. Abartigkeit 22) und je nach Lage des Falles langjähriger Alkohol- oder Drogenmissbrauch (Rdn. 98, 116) sowie regelmäßig Taten unter dem Einfluss einer BÄK um 3 %o (OLG Koblenz VRS 79 13). Auch die Beurteilung mehrerer belastender Faktoren in ihrem Zusammenwirken (Affekt und Alkohol, Alkohol und psychopathische Persönlichkeit usw.) bedarf sachverständiger Beratung, ferner stets die Beurteilung von endogenen Psychosen (Rdn. 82 ff).
237
Allerdings genügt ein Sachverständiger (BGHSt 23 176, 187; BGH NStZ 1991 80), dessen Auswahl grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts obliegt (Rdn. 221 ff). Die Bestellung eines weiteren Gutachters - auch einer anderen Schulrichtung oder eines anderen Forschungsbereichs - kann in aller Regel nicht verlangt werden; entsprechende Beweisbegehren scheitern - von den in Rdn. 223 f genannten Ausnahmen abgesehen - fast durchweg an § 244 Abs. 4 StPO (BGHSt 34 355; BGH bei Spiegel DAR 1980 205; Löwe/Rosenberg/Gollwitzer StPO § 244 Rdn. 306). Bei erheblichen inhaltlichen und methodischen Mängeln des Gutachtens ist das Gericht allerdings kraft seiner Amtsaufkärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) oder aufgrund eines Beweisantrags verpflichtet, ein weiteres Sachvertändigengutachten einzuholen (BGHSt 49 347, 358 = JR 2005 213 m. zust. Anm. Nedopil).
238
Eine Anstaltsbeobachtung (§ 81 StPO) ist ebenfalls nur erforderlich, wenn die Aufklärungspflicht sie gebietet; als bloße Zweituntersuchung können Verfahrensbeteiligte sie nicht erzwingen (BGHSt 8 76; zur Bestellung von Obergutachtern BGHSt 3 169, 174). Ein weiterer Sachverständiger ist daher auch kein neues Beweismittel i.S.d. Wiederaufnahmerechts (OLG Karlsruhe GA 1972 316). Eines weiteren Sachverständigen bedarf es allerdings, sofern der Erstgutachter Widersprüche zwischen dem schriftlichen und mündlichen Gutachten nicht auszuräumen vermag (BGHSt 8 113, 116; BGHR StPO § 21 Sachverst. 2) oder wenn seine Sachkunde sonst zweifelhaft ist. Will das Gericht von einem von Mängeln freien Gutachten abweichen, weil es sein Ergebnis nicht für überzeugend
1348
Heinz Schöch
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
§20
hält, so ist es verfahrensrechtlich daran nicht gehindert, sofern es im Urteil nachweist, dass es die zur Entscheidung nötige Sachkunde durch die Ausführungen des gehörten Sachverständigen erlangt hat (BGH StV 1984 241, 2 4 2 ; B G H bei Holtz M D R 1980 104). In der Regel wird der Richter aber ein neues Gutachten einholen müssen (BGHSt 8 113, 117; B G H GA 1977 275). Im Urteil muss das Gericht die zum Verständnis und die für die Beurteilung der gedanklichen Schlüssigkeit des Gutachtens notwendigen Anknüpfungstatsachen darlegen; das gilt auch, wenn es sich dem Sachverständigen ohne weitere eigene Erwägungen anschließt. 2 1 2 Bei der Ermittlung der Tatzeit-BAK im Wege der Hinrechnung zur Tat gehören dazu das Körpergewicht des Angeklagten, Trinkbeginn sowie Art und Menge des genossenen Alkohols (Rdn. 107 f). Hat der Sachverständige ein vom Üblichen abweichendes Resorptionsdefizit und einen individuellen Verteilungsfaktor angenommen, muss das Urteil auch die hierfür maßgebenden Gründe erkennen lassen. Bei einer Blutprobe genügt die Mitteilung des Mittelwerts der Untersuchungsergebnisse (BGHSt 28 1, 2; 28 235) und des Entnahmezeitpunkts. Zwar darf ein errechneter BAK-Wert bei der Beweiswürdigung nicht wieder relativiert werden (BGH N S t Z 1991 126; StV 1991 17), jedoch ist der eingeschränkte Beweiswert errechneter BAK-Werte aufgrund von Trinkmengenangaben oder bei einer Rückrechnung über lange Zeiträume zu beachten (BGH N S t Z 1995 2 2 6 ; 1998 457; 2 0 0 0 136 f; Rdn. 111). Der Grundsatz in dubio pro reo verbietet es nicht, die errechnete BÄK in eine Gesamtwürdigung aller für die Schuldfähigkeit relevanten Feststellungen zum Tatgeschehen und zum Täterverhalten einzubeziehen und diese auch bei einem hohen errechneten BAK-Wert als gewichtige Anzeichen für ein intaktes oder nicht erheblich vermindertes Steuerungsvermögen zu werten (BGHSt 35 308, 318).
239
XI. Recht der D D R und des Einigungsvertrages
240
S. L K 1 1 Rdn 96 f.
212
BGHSt 7 237, 238; 12 311, 314; 34 29, 31; B G H GA 1962 185.
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§21 Verminderte Schuldfähigkeit Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 2 0 bezeichneten Gründe bei Begehung der T a t erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 4 9 Abs. 1 gemildert werden.
Schrifttum H.-J. Albrecht Das deutsche Konzept der verminderten Schuldfähigkeit und Lösungen im ausländischen Strafrecht, in Kröber/Albrecht (Hrsg.) Verminderte Schuldfähigkeit und psychiatrische Maßregel (2001) 7; Baier §§ 21, 4 9 StGB: Keine Strafminderung wegen vorwerfbarer Trunkenheit, JA 2 0 0 4 104; Dötting Über Schuldfähigkeitsbeurteilung und Rechtsfolgenzumessung bei Gewaltdelikten, Festschrift Müller-Dietz (2001) 119; Duensing Schuldmindernde Wirkung des zurechenbaren Alkoholgenusses, StraFo 2005 15; Foth Alkohol, verminderte Schuldfähigkeit, Strafzumessung, NJ 1991 386; ders. Einige Bemerkungen zur verminderten Schuldfähigkeit bei alkoholisierten Straftätern, Festschrift Saiger (1995) 31; ders. Zur Frage der verminderten Schuldfähigkeit bei alkoholisierten Straftätern, in Egg (Hrsg.) Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, KrimZ 2 0 0 0 97; Göppinger Kriminologische Aspekte der sogenannten verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB), Festschrift Leferenz (1983) 411; Haffke Zur Ambivalenz des § 21 StGB, R &c Ρ 1991 94; König Verschärfung der Anforderungen an eine Strafmilderung bei alkoholisierten Straftätern, NJ 2 0 0 5 44; Kotsalis Verminderte Schuldfähigkeit und Schuldprinzip, Festschrift Baumann (1992) 33; Krauß Schuldzurechnung und Schuldzumessung als Probleme des Sachverständigenbeweises, Kriminolog. Gegenwartsfragen 12 (1976) 88; Kröber Kriterien verminderter Schuldfähigkeit nach Alkoholkonsum, NStZ 1996 569; ders./'Albrecht (Hrsg.) Verminderte Schuldfähigkeit und psychiatrische Maßregel (2001); Landgraf Oie „verschuldete" verminderte Schuldfähigkeit (1988); Maatz §§ 20, 21 StGB, Privilegierung der Süchtigen? - zur normativen Bestimmung der Schuldfähigkeit alkoholisierter Straftäter, StV 1998 279; ders. Drogenbedingte Verminderung der Schuldfähigkeit - zum gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Blutalkohol Supplement 2003 7; Neumann Erfolgshaftung bei selbstverschuldeter Trunkenheit StV 2003 527; Pluisch Neuere Tendenzen der BGH-Rechtsprechung bei der Beurteilung der erheblich verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB nach Medikamenteneinnahme, NZV 1996 98; Rau Verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) und selbstverschuldete Trunkenheit, J R 2 0 0 4 401; Rautenberg Verminderte Schuldfähigkeit (1984); ders. Strafmilderung bei selbstverschuldeten Rauschzuständen? - Eine Anregung für den Gesetzgeber aus den neuen Bundesländern, DtZ 1997 45; Rissing-van Saan Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit bei der Begehung von Straftaten und deren strafrechtliche Folgen, in Schneider/ Frister (Hrsg.) Alkohol und Schuldfähigkeit (2002) 103; Schild Strafrechtsdogmatische Aspekte der Tötung des Intimpartners, JA 1991 48; Schnarr Alkohol als Strafmilderungsgrund, in Hettinger (Hrsg.) Reform des Sanktionenrechts, Band 1 (2001) 5; Schöch Die Beurteilung von Schweregraden schuldmindernder oder schuldausschließender Persönlichkeitsstörungen aus juristischer Sicht, MschrKrim. 1983 343; Schöch Abschied von der Strafmilderung bei alkoholbedingter Dekulpation? GA 2 0 0 6 371; Streng Ausschluss der Strafmilderung gem. § 21 StGB bei eigenverantwortlicher Berauschung? N J W 2 0 0 3 2 9 6 3 ; Terhorst Zur Strafbemessung bei verminderter Schuldfähigkeit infolge Drogensucht, M D R 1982 368; Theune Auswirkungen der Drogenabhängigkeit auf die Schuldfähigkeit und die Zumessung von Strafe und Maßregeln, NStZ 1997 57; Verrel/Hoppe Trunkenheit und schuldangemessene Strafe - BGH, NJW 2003, 2 3 9 4 , JuS 2005 308; Winckler/Foerster Erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit - Pädophilie, NStZ 1999 236. S. im Übrigen die Schrifttumsangaben zu § 20.
Entstehungsgeschichte s. bei § 2 0 sowie Rautenberg Verminderte ( 1 9 8 4 ) ; Schnarr A l k o h o l als Strafmilderungsgrund, in Hettinger S. 6 ff.
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Heinz Schöch
Schuldfähigkeit
Verminderte Schuldfähigkeit
§21
Übersicht Rdn. II. Struktur der Vorschrift. Anwendungsfälle III. Einsichtsfähigkeit (1. Alternative)
Rdn.
1
I. Allgemeines
1. Regelungsgegenstand und Verhältnis zum Verbotsirrtum 3. Folgen . .
38
1. Wahlmöglichkeiten
38
2 . Fakultative Strafrahmenmilderung
40 43 46
13
b) Tatmodalitäten
47
15
c) Vorverschulden d) Einzelheiten
49 60
1. Zum Begriff des Hemmungsvermögens
15
2 . Erheblichkeit
18
V. Actio libera in causa
35
3. Versagungsgründe . . a) Gesamtwürdigung
10
2 . Verschulden
3. Abstufungen der Beeinträchtigung. Verhältnis zu § 2 1 3
33
2 . Einzelheiten VI. Strafrahmenwahl
. . .
IV. Steuerungsfähigkeit (2. Alternative)
1. Geltung im R a h m e n des § 21
4 . Auswahl unter mehreren Strafrahmen VII. Strafzumessung
27 33
VIII. Verhältnis zu § 3 J G G und § 7 W S t G I X . Recht des Einigungsvertrages
64 66 69 71
I. Allgemeines Verminderte Schuldfähigkeit ist keine selbständige dritte Kategorie der „Halbzurechnungsfähigkeit" zwischen Schuldfähigkeit und Schuldunfähigkeit, sondern eine besondere Form der Schuldfähigkeit. 1 Die Annahme verminderter Schuldfähigkeit wird als sog. Dekulpation bezeichnet. Der vermindert schuldfähige Täter ist für seine Tat verantwortlich und wird bestraft. 2 Qualitativ andersartig gegenüber dem Normalen ist allein der Schuldunfähige. 3 Die Vorschrift berücksichtigt, dass es dem Täter aus bestimmten Gründen wesentlich schwerer fallen musste, sich normgerecht zu verhalten. S 21 enthält daher einen Schuldminderungsgrund, an den sich eine Strafzumessungsregel anschließt. 4 Daraus wird ersichtlich, dass Schuldfähigkeit quantifizierbar ist (Rasch StV 1991 126, 131; Schöch MschrKrim. 1983 3 3 3 , 3 3 9 ) . Der verminderten Schuldfähigkeit liegt ein empirisches Substrat zugrunde; die Bestimmung ist nicht lediglich eine Ausprägung des Gedankens der Zumutbarkeit (aA Jakobs in Witter Sachverständige S. 271, 2 8 1 ; ders. AT 18/28). Prozessual betrifft die Vorschrift allein den Rechtsfolgenausspruch (Lötve/Rosenberg/Hanack25 § 3 4 4 Rdn. 2 9 m.w.N.; aA Hettinger J Z 1987 3 8 6 , 3 9 0 , 3 9 4 ) .
1
Eine Brücke zu § 2 0 schlägt § 21 jedoch insofern, als aus dem Zustand des Täters drohenden Gefahren auch durch Maßregeln der Besserung und Sicherung begegnet werden kann, welche teils unter den Voraussetzungen des § 21 (§ 63), teils ohne Rücksicht auf sie (so insbesondere nach § 64) angeordnet werden dürfen. Fernwirkungen wie eine Änderung des Deliktcharakters oder bei der Verjährung zieht die Anwendung des § 21 nicht nach sich (BGHSt 16 71, 72). Zu der besonderen Problematik des Eingreifens von § 323a bei ungewisser Beweislage s. BGHSt 32 4 8 ; Tröndle/Fischer § 3 2 3 a Rdn. 21.
2
1
2
3
4
Jescheck/Weigend AT5 § 40 IV 1; Roxin AT I § 20 Rdn. 33; Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 77. Kritisch z.B. Krauß Kriminolog. Gegenwartsfragen 12 (1976) 88; dazu Rautenberg S. 195; rechtsvergleichend zum österr. Recht Zipf Kriminolog. Gegenwartsfragen 15 (1982) 157. Witter Sachverständige S. 16; Kröber in Kröber/Albrecht S. 60. OLG Hamm NJW 1977 1498; Tröndle/
Fischer Rdn. 2; Haffke R & Ρ 1991 94, 99; Jescheck/Weigend AT5 § 40 IV 1; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 122; Roxin AT I § 20 Rdn. 33; Sch/Schröder/Lenckner/ Perron Rdn. 1; Schreiber NStZ 1981 46, 48; aA (bloße Strafzumessungsregel) Göppinger FS Leferenz, S. 411, 420; Krauß Kriminolog. Gegenwartsfragen 12 94 f; Schöch MschrKrim. 1983 333, 339.
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§21 3
2. Abschnitt. Die Tat
Die Anwendungshäufigkeit der Bestimmung ist in den letzten Jahrzehnten beständig und beträchtlich gestiegen (1975 bis 2 0 0 3 von 1,3 % auf 2 , 9 % aller Verurteilten, also um mehr als das Zweieinhalbfache, s. § 2 0 Rdn. 10, Tab. I ) 5 . Die Ursachen für den „inflationären Umgang der Strafjustiz mit dem § 2 1 " (Maatz StV 1 9 9 8 279, 285) sind vielschichtig. Neben der Zunahme des Alkohol-, Drogen- und Medikamentenmissbrauchs sind die Begutachtungspraxis 6 und auch eine spürbare Großzügigkeit der Gerichte bei der Anwendung der Vorschrift zugunsten des Angeklagten zu nennen, da bei Bejahung verminderter Schuldfähigkeit das Urteil mit größerer Wahrscheinlichkeit rechtskräftig wird bzw. es für den Verurteilten akzeptabler gestaltet werden kann (Streng M K Rdn. 6). Normative Basis für die Ausweitung des § 21 dürfte vor allem die schwere andere seelische Abartigkeit sein. Problematisch ist insbesondere die zu häufige Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit aufgrund des weiten Konzepts der Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV-TR, der sexuellen Paraphilien und der Suchterkrankungen unter Einbeziehung der stofflosen Süchte. Wie sich aus den letzten beiden Spalten von Tabelle 1 (§ 2 0 Rdn. 10) ergibt, hat dies im angegebenen Zeitraum auch zu einem beträchtlichen Anstieg der Unterbringungsanordnungen in den Maßregelvollzug gemäß § 63 und § 6 4 geführt. 7 Hinzu kommt noch die restriktivere Entlassungspraxis seit der Verschärfung der §§ 67d Abs. 2 StGB, 4 6 3 Abs. 3 StPO durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 2 6 . 1 . 1 9 9 8 (BGBl. I 1050; s. dazu Schöch N J W 1 9 9 8 1257 ff; Hammerschlag/Schwarz N S t Z 1 9 9 8 321 ff), die zu einer kaum mehr erträglichen Überlastung der Maßregelvollzugsanstalten geführt hat (Schöch in Foerster4 S. 3 9 3 f; Dessecker in Kröber!Albrecht S. 130, 141 f). Zwar können die Gerichte kriminalpolitische Fehlentwicklungen nur begrenzt korrigieren, jedoch zeigen die regional erheblichen Unterschiede bei den Dekulpationsraten, dass sich regionale Konventionen gebildet haben 8 (Streng M K Rdn. 7), die auch durch strengere Anforderungen bei der Erheblichkeitsbeurteilung der Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit wieder korrigiert werden können (Rdn. 22). Immerhin zeigt die Entwicklung bei den Tötungsdelikten sowie bei der Vergewaltigung seit Anfang der 90er Jahre eine sinkende Dekulpationsbereitschaft der Gerichte, die mit der strengeren gesellschaftlichen Bewertung der Straftaten unter Alkoholeinfluss zusammenhängen dürfte (Streng M K Rdn. 5 mit tabellarischen Nachweisen).
II. Struktur der Vorschrift 4
§ 21 ist ebenso wie § 2 0 zweistufig aufgebaut. Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit setzt das Vorliegen eines der in § 2 0 bezeichneten Defekte voraus. Das Gesetz hat mit der sog. harmonisierenden Lösung den Bestrebungen eine Absage erteilt, welche das Merkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit dem § 21 vorbehalten wollten (s. Entstehungsgeschichte zu § 2 0 ; Schreiber N S t Z 1981 4 6 ) . Die Störung muss
5
6
Streng MK Rdn. 5 mit tabellarischem Nachweis deliktsspezifischer Dekulpationsquoten von 1957 bis 2000; Albrecht, H.-J. in Kröber/Albrecht S. 10 ff; Göppinger FS Tröndle, S. 473, 483; Rasch/Volbert MschrKrim. 1985 137. Vgl. Göppinger FS Leferenz, S. 420; Schreiber NStZ 1981 46, 50; Marneros/Ullrich/Rössner (2002).
1352
7
8
Bei § 63 von 123 auf 292 jährlich (+ 239 %); bei § 64 von 61 auf 746 (+ 1223 %); s. auch Albrecht, H.-). in Kröber/Albrecht S. 12 f. Müller/Siadak MschrKrim. 1991 316, 319; Kröber/Faller/Wulf MschrKrim. 1994 339, 349; Streng MK Rdn. 7.
Heinz Schöch
Verminderte Schuldfähigkeit
§21
sich sodann im „psychologischen Stockwerk" schuldmindernd ausgewirkt haben; von ihrer Art und Stärke ist im Allgemeinen auf die psychische Beeinträchtigung zu schließen (zur Methode § 20 Rdn. 74-78). Das den Bestimmungen der §§ 20, 21 zugrunde liegende System und der juristische 5 Gehalt der einzelnen Merkmale sind in den Erläuterungen zu § 20 dargestellt (§ 20 Rdn. 51 ff). Ebenso ergeben die dortigen Ausführungen zugleich für den Bereich der erheblich verminderten Schuldfähigkeit die empirischen und normativen Beurteilungsgrundlagen der einzelnen Störungen (§ 20 Rdn. 52 ff), die alle auch für § 21 in Betracht kommen. Auch hier gilt, dass Einsichts- und Steuerungsunfähigkeit nicht gleichzeitig gegeben sein können (BGHSt 40 349; BGH NJW 1995 1229; NStZ-RR 1998 294). Ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit vorliegt, ist eine Rechtsfrage, für die der Grundsatz „in dubio pro reo" nicht gilt (BGH NStZ 2005 281, 282). Praktisch kommen für die Anwendung des § 21 in erster Linie nicht krankhafte 6 Zustände in Betracht, bei denen Schuldunfähigkeit ferner liegt (BGH NStZ 1991 31, 32; BGH bei Holtz MDR 1984 979), aber nicht ausgeschlossen ist. Es sind dies die Psychopathien, Neurosen, Triebstörungen sowie die normalpsychologischen Affekte und der Schwachsinn. Jedoch können auch Krankheiten, so vor allem Defektzustände nach Hirnverletzungen oder Wesensveränderungen bei Epileptikern erheblich verminderte Schuldfähigkeit bewirken (kritisch bei Straßenverkehrsgefährdung durch einen Epileptiker gem. § 315a Abs. 1 Nr. l a Foerster/Winckler NStZ 1995 344 f, Anmerkung zu BGHSt 40 341, 348 ff, der sogar § 20 nicht ausschließen will). Endogene Psychosen erfüllen die Voraussetzungen des § 21 häufig außerhalb akuter Phasen, so vor allem beim Vorliegen der sog. schizophrenen Basisstörung. Ein Irrtum über die eigene Schuldfähigkeit oder den Grad ihrer Beeinträchtigung ist 7 bedeutungslos (Tröndle/Fischer § 16 Rdn. 9; Sch/Schröder/Cramer/Steinberg-Lieben § 16 Rdn. 33), weil diese Umstände nicht zum gesetzlichen Tatbestand gehören und von § 16 daher nicht erfasst sind.
III. Einsichtsfähigkeit (1. Alternative) 1. Regelungsgegenstand und Verhältnis zum Verbotsirrtum. Nach dem Gesetzeswort- 8 laut in seiner 1. Alternative ist als Folge der biologisch-psychologischen Störung eine Verminderung der Fähigkeit erforderlich, das Unerlaubte der Tat einzusehen. Das ist ungenau. Verminderte Einsichtsfähigkeit kann den Täter nicht entlasten, wenn er das Unrecht seines Tuns dennoch erkennt. Zwischen Kenntnis und Unkenntnis gibt es keine schuldmindernde dritte Kategorie. 9 Fehlende Unrechtseinsicht aber ist ein Verbotsirrtum und als solcher zu behandeln (§ 20 Rdn. 12). In ständiger Rechtsprechung erkennt der BGH deshalb, dass die 1. Alternative des § 21 ausscheidet, „wenn der Täter trotz an sich verminderter Einsichtsfähigkeit das Unerlaubte seines Tuns erkennt" (BGH NStZ 2007 682 m.w.N.). Denn seine Schuld wird nicht gemindert, wenn er ungeachtet seiner geistigen Verfassung das Unrecht tatsächlich eingesehen hat (BGH StraFo 2005 207 f). § 21 StGB regelt ebenso wie § 20 StGB, soweit er auf die Einsichtsfähigkeit abstellt, einen Fall des Verbotsirrtums. Fehlt dem Täter die Einsicht wegen einer krankhaften seelischen Störung
9
Weinschenk bezeichnet § 21 deshalb als logisch u n h a l t b a r (Forensia 7 (1986) 55); dagegen zu Recht Haddenbrock Forensia 8
(1987) 157; Rautenberg 111.
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Forensia 9 (1988)
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§21
9
2. Abschnitt. Die Tat
oder aus einem anderen in § 2 0 StGB bezeichneten Grund, ohne dass ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann, so ist - auch bei an sich nur verminderter Einsichtsfähigkeit nicht § 21 StGB, sondern § 2 0 StGB anwendbar. „Die Vorschrift des § 21 StGB kann in den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann angewendet werden, wenn die Einsicht gefehlt hat, dies aber dem Täter vorzuwerfen ist". 1 0 Das Schrifttum pflichtet dem bei und weist auf den Widerspruch zum Wortlaut des § 1 7 hin. 1 1 Während § 2 1 nur eine erhebliche Verminderung der Einsichtsfähigkeit berücksichtigt, ist nach den Regeln des § 17 über den Verbotsirrtum jeder Rechtsirrtum beachtlich. Die darin liegende Diskrepanz ist durch die Annahme eines Vorrangs der täterfreundlicheren Norm des § 17 zu beseitigen. 12 Kommt aufgrund eines biologischpsychologisch bedingten vermeidbaren Verbotsirrtums wegen der Gefährlichkeit des Täters eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 in Betracht, so behält § 21 insoweit seine eigenständige Bedeutung gegenüber § 17 (Streng M K Rdn. 14).
10
2. Verschulden. Bei fehlender Unrechtseinsicht ist Voraussetzung einer Anwendung des § 21 hiernach ein Verschulden des Täters an seinem intellektuellen Mangel. Ein derartiges Verschulden liegt in aller Regel vor. Der unter den Bedingungen des § 21 handelnde Täter ist nach der Definition des Gesetzes zur Einsicht fähig; wäre er es nicht, wäre § 2 0 anzuwenden. Die nicht genutzte Fähigkeit zur Einsicht begründet den Schuldvorwurf, weshalb § 21 insoweit nur ein Anwendungsfall des vermeidbaren Verbotsirrtums gemäß § 17 ist (Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 6/7; Streng M K Rdn. 11). Das entbindet jedoch nicht von der Prüfung, ob weitere Umstände des konkreten Tatgeschehens einen Vorwurf ausnahmsweise entfallen lassen. Insoweit trifft der Satz zu, dass aus der Tatsache nur verminderter Schuldfähigkeit nicht ohne weiteres auf die Vorwerfbarkeit des Fehlens der Einsicht geschlossen werden darf (BGH GA 1 9 6 9 2 7 9 ) .
11
Gegenstand des Schuldvorwurfs ist aber nicht ein Beitrag des Täters zur Entstehung der Störung, sondern zum Fehlen der Einsicht. Dass der Täter den tatauslösenden Affekt nicht vermieden hat, ist daher nach den Grundsätzen über den verschuldeten Affekt (§ 2 0 Rdn. 140) zu beurteilen (aA B G H VRS 71 21, 22). Der Begriff des „Krankheitswertes" ist hier - wie bei § 2 0 (s. dort Rdn. 6 2 - 6 6 , 72) nur begrenzt tauglich als Maßstab für die Gewichtigkeit und Stärke der Normabweichung (so aber BGHSt 3 4 2 2 , 2 4 f; B G H N S t Z 1991 3 3 0 ) . Ausgeschlossen ist ein Verschulden bezüglich des Einsichtsmangels bei tiefgreifender Bewusstseinsstörung oder schwerer anderer seelischer Abartigkeit
10
11
BGHSt 40 341, 349; ähnlich bereits BGHSt 21 27, 28 m. Anm. Dreher JR 1966 350 und Schröder JZ 1966 451; BGHSt 34 22, 25; BGH NStZ 1985 309; 1989 430; 1990 333; 1991 31; NStZ-RR 2002 328; 2004 38 f; StV 2005 495 f; StraFO 2005 207 f. Baumann/Weber/Mitsch AT § 19 Rdn. 27; Dreher GA 1957 97, 98; Tröndle/Fischer Rdn. 3, 4; Haffke R & Ρ 1991 94, 104; Jescheck/Weigend AT5 § 40 IV 1; Lackner/Kühl Rdn. 1; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 123; Streng MK Rdn. 17; Roxin AT I § 20 Rdn. 36; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 6, 7; Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 79; aA
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12
Jakobs AT 2 18/31, der die Erheblichkeitsschwelle des § 21 in § 17 hineininterpretieren will, während Jähnke (LK11 Rdn. 4) jede verminderte Einsichtsfähigkeit, die zum Fehlen der Unrechtseinsicht führt, für erheblich i.S.d. § 21 hält und deshalb die von der Literatur betonte Diskrepanz für ein Scheinproblem hält. Dreher GA 1957 97, 99; Haffke R & Ρ 1991 94, 104; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 127; Roxin AT I S 20 Rdn. 36; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 6, 7; Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 79; aA (Vorrang des S 21) Jakobs AT 2 18/31; Rudolphi SK7 Rdn. 4.
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Verminderte Schuldfähigkeit
§21
nur in den seltenen Fällen, in denen diese für die Fähigkeit des Betroffenen zur Unrechtseinsicht ähnliches Gewicht wie die Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit bei den krankhaften seelischen Störungen haben (BGHSt 34 22, 2 4 f , 28f; 35 76, 78f; 37 397, 401; 49 45, 52; BGH StV 1997 127f; Kröber NStZ 1998 80 f). In solchen Fällen wird die Unrechtseinsicht regelmäßig direkt nach § 2 0 ausgeschlossen sein (Dreher J Z 1966 350; Jakobs AT 2 18/29 Fn. 78 f). Fehlendes Verschulden an mangelnder Unrechtseinsicht kommt deshalb praktisch fast nur in Betracht, wenn Handlungen Dritter die Wirkungen der Störung bei dem Täter verstärken, etwa die unbemerkte Gabe bewusstseinsverändernder Drogen. Verminderte Einsichtsfähigkeit kann auch Bedeutung erlangen für die Beurteilung eines Tatbestands- oder Verbotsirrtums, der sich auf der geistigen Beeinträchtigung aufbaut, aber eine selbständige sachliche Grundlage hat. Das Problem stellte sich in dem „Katzenkönig-Fall" (BGHSt 35 347 m. Anm. Herzberg Jura 1990 16; kritisch Küper J Z 1989 617, 627 f; Schaffstein NStZ 1989 153; Schumann NStZ 1990 32). Der Täter war eingebunden in ein mystisches Beziehungsgeflecht und wurde für ein Tötungsgeschehen unter dem Vorwand missbraucht, im Falle seiner Weigerung müssten Millionen Menschen sterben. Der BGH hat dem vermindert schuldfähigen Täter zu Recht einen vermeidbaren Verbotsirrtum vorgeworfen, weil seine Fähigkeit zur Unrechtserkenntnis nicht aufgehoben war (vgl. auch BGH MDR 1979 987; Rudolphi SK 7 § 50 Rdn. 11).
12
3. Folgen. Im Gegensatz zur folgenlos gebliebenen verminderten Einsichtsfähigkeit führt erheblich vermindertes Hemmungsvermögen ohne weiteres zur Anwendung des § 21. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen verlangen deshalb, dass der Richter sich Klarheit darüber verschafft, welche der Alternativen des § 21 vorliegt. Er kann seine Entscheidung nicht auf beide zugleich stützen 13 oder eine Wahlfeststellung treffen (vgl. auch § 20 Rdn. 80).
13
Das gilt auch bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung, sofern diese an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 geknüpft sind. Eine bloß allgemein verminderte Fähigkeit zur Unrechtseinsicht schließt derartige Anordnungen aus, wenn der Täter das Unrecht seines Tuns gleichwohl erkannt hat. 1 4
14
IV. Steuerungsfähigkeit (2. Alternative) 1. Zum Begriff des HemmungsVermögens. Der Gesetzeswortlaut ist auch in seiner 2. Alternative nicht ganz genau. Eine Anwendung des § 21 scheidet aus, wenn die Fähigkeit des Täters zu einsichtsgemäßem Handeln zwar allgemein reduziert ist, sein Hemmungsvermögen bei der konkreten Tat aber vollkommen intakt war (BGHSt 21 27; Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 78). Der Begriff des Hemmungsvermögens ist bei § 20 Rdn. 79 erläutert. Er bedeutet nicht, dass der Täter Hemmungen zu überwinden hatte; dies ist Kennzeichen einer jeden Tat. Maßgebend ist vielmehr, ob ihm auf Grund biologisch-psychologischer Störungen die normgerechte Steuerung seines Verhaltens wesentlich erschwert war, er muss den Tatanreizen wesentlich weniger Widerstand leisten können als ein Durchschnittsbürger (Streng MK Rdn. 17). Die Fähigkeit zu solcher 13
14
BGHSt 21 28; 4 0 341 3 4 9 m. Anm. Kautsch BA 1995 2 9 3 ; BGH NStZ 1982 2 0 0 , 201; 1989 4 3 0 ; 1990 3 3 3 ; 2 0 0 5 205, 2 0 6 ; BGH NJW 1995, 1229; BGH StrafFo 2 0 0 5 2 0 7 f. BGHSt 21 27, 28 m. Anm. Schröder JZ 1966
451; BGHSt 34 22, 26; 4 2 385 389; BGH NStZ 1985 3 0 9 ; NStZ-RR 2 0 0 4 38, 39; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 26; Tröndle/Fischer § 63 Rdn. 11.
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§21
2. Abschnitt. Die Tat
Steuerung setzt zwar logisch die Feststellung voraus, dass der Täter Unrechtseinsicht hatte (BGH bei Pfeiffer/Maul/Schulte § 51 Anm. 15a; OLG Hamm VRS 43 347, 349); meist ist eine derartige Feststellung aber entbehrlich, weil ein Fehlen der Einsicht nach der Sachlage nicht in Betracht zu ziehen ist. Kein Fall verminderter Steuerungsfähigkeit und überhaupt des § 21 (vielmehr nach § 66 zu beurteilen) ist eine absolute Unempfänglichkeit des Täters für Strafe (aA OLG Frankfurt/M. GA 1971 316). 16
Beim Alkoholrausch geht die Rechtsprechung nach Aufgabe der strengen Regelvermutung für eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit als „kaum widerlegbare" Folge einer BÄK ab 2,0 %o (bzw. 2,2 %,; BGHSt 37 231) durch BGHSt 43 66 heute zutreffend davon aus, dass ein gesicherter medizinisch-statistischer Erfahrungssatz über die alleinige Bedeutung der Blutalkoholkonzentration für die Annahme einer Ex- oder Dekulpation nicht existiert (bekräftigt zuletzt durch BGH NStZ 2 0 0 5 329; eingehend dazu § 20 Rdn. 101-105; Maatz StV 1998 279 ff). Nach wie vor wird die Blutalkoholkonzentration als gewichtiges Indiz für die erhebliche Herabsetzung des Hemmungsvermögens angesehen, das aber durch psychodiagnostische Kriterien widerlegt werden kann. Diese werden von den verschiedenen Strafsenaten des BGH unterschiedlich gewichtet. 15 Während der 4. Senat (NStZ-RR 1997 162) und ihm weitgehend folgend der 2. und 5. Senat (NStZ-RR 1998 107; StV 1998 257; NStZ 1998 295; vgl. aber NStZ 2005 683) daran festhalten, dass bei BAK-Werten von 2 %o an § 21 ernsthaft in Betracht zu ziehen sei, sofern keine sicheren Anhaltspunkte für eine Verneinung verminderter Steuerungsfähigkeit vorliegen, betonen der 1. Senat und ansatzweise auch der 3. Senat stärker die psychodiagnostische Gesamtbeurteilung (BGH NStZ-RR 1997 162; NJW 1998 3427; NStZ 2 0 0 0 193; 2005 92, 329). Deshalb kann auch ein niedrigerer BAKWert als 2,0 %o bei Tatbegehung eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn besondere Umstände vorliegen, welche die Tat insgesamt als persönlichkeitsfremd und nicht erklärlich erscheinen lassen (BGH NStZ 2 0 0 0 193).
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Bei Abweichungen von der Regelvermutung nach oben spielt die Alkoholgewöhnung die wichtigste Rolle, da bei Gewohnheitstrinkern die Steuerungsfähigkeit in der Regel auch bei BAK-Werten zwischen 2,0 und 3,0 %o erhalten bleibt (Kröber NStZ 1996 573; BGH NStZ 2 0 0 5 329 f). In Ausnahmefällen wurde sogar bei berechneten Maximalwerten von 3 , 5 4 % o (BGH NStZ 2 0 0 2 5 3 2 ) oder 3 , 2 3 %„ (BGH 1 1 . 9 . 2 0 0 3 - 4 StR 1 3 9 / 0 3 ) eine erhebliche Verminderung des Steuerungsvermögens ausgeschlossen. Einfache Handlungsabläufe eines alkoholgewohnten Täters genügen aber bei einer BÄK von 3,61 %o nicht als Indiz für uneingeschränkte Steuerungsfähigkeit (BGH NStZ 2 0 0 5 683 f). Eine tatzeitnah gemessene BÄK von mehr als 2 %o stellt nach wie vor das wichtigste Indiz für die Verminderung der Steuerungsfähigkeit dar, das nur in Ausnahmefällen durch klare und eindeutige psychodiagnostische Kriterien widerlegt werden kann (Schöch GA 2 0 0 6 372).
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2. Erheblichkeit. Die Problematik der Bestimmung liegt in einer rational begründbaren und sachgerechten Eingrenzung ihres Anwendungsbereiches.
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Mit dem Rechtsbegriff 16 der Erheblichkeit will das Gesetz alle bloßen Varianten der Normalität dem Anwendungsbereich der Vorschrift entziehen; schuldmindernde Abweichungen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle verweist es in die Strafzumessung (BGH NStZ 1984 2 5 9 ; BGH StV 1983 148; Roxin AT I § 20 Rdn. 34). Als Rechtsfrage ist die
15
BGHSt 43 66, 76; BGH NStZ 2 0 0 5 329, 331; Lackner/Kühl S Rdn. 3; Tröndle/ Fischer § 2 0 Rdn. 23; Rissing-van Saan S. 103, 107; Rönnau JA 1997 924.
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BGHSt 8 113, 124; 43 66, 77; Tröndle/ Fischer Rdn. 14; Sch/Schröder/Lenckner/ Perron Rdn. 5; Theune NStZ 1997 59; Maatz StV 1998 183.
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Verminderte Schuldfähigkeit
§21
Erheblichkeit - ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen - vom Tatrichter in eigener Verantwortung zu beantworten (BGH 43 66, 77; 4 9 45, 53). Folglich ist die Erheblichkeitsbeurteilung nicht dem Zweifelssatz zugänglich. (BGH NStZ-RR 2 0 0 4 329 f; NStZ 2005 149 f). Entscheidend sind die Anforderungen, welche die Rechtsordnung an jedermann stellt (BGHSt 43 66, 77; 49 45, 53). Diese Anforderungen sind umso höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (BGHSt 4 9 45, 53; BGH NStZ 2 0 0 5 149 f). Eine exaktere Erfassung des Begriffs der Erheblichkeit ist nicht möglich. Zwar lassen sich Grenzen abstecken. Geistige Beeinträchtigungen, welche bei Kapital-, Trieb- und Hangverbrechern regelmäßig vorliegen, fallen nicht unter § 21 (E 1962 S. 142). Die Rechtsprechung formuliert dahin, dass leichte Hirndefekte, Minimalabweichungen des Verstandes und der Wesensart in der Gruppe der Rechtsbrecher sehr verbreitet seien; das werde vom Gesetz vorausgesetzt und sei für sich genommen unerheblich (BGH NJW 1983 350; BGH LM StGB § 51 II Nr. 15). Die andere Grenzlinie ist erreicht, wenn die Beeinträchtigung in qualitative Andersartigkeit umschlägt und Schuldunfähigkeit nach § 2 0 vorliegt. Weitere allgemeine Aussagen erscheinen bedenklich.
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Unzutreffend ist jedenfalls der Satz, dass Willensschwäche, Charaktermängel und kriminelle Veranlagung eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht zu begründen vermögen (s. § 20 Rdn. 30, 32). Die Bezeichnung des rechtserheblichen Zustandes als Erschütterung des Persönlichkeitsgefüges (E 1962 S. 139; OLG Hamm NJW 1977 1498) ist zwar griffig, aber so allgemein, dass in Zweifelsfällen wenig daraus herzuleiten ist. Zu weit geht das Bild, wonach die Abweichung vom normalen seelischen Geschehen so groß sein müsse, dass sie sich der Grenzmarke nähert, bei welcher der Bereich des schlechthin Andersartigen im Sinne des § 2 0 beginnt. 17 Eine im Einzelnen noch zu konkretisierende Leitlinie bietet immerhin die Formel, dass eine Beeinträchtigung erheblich sein könne, wenn krankhafte Symptome in der Persönlichkeit des Täters führend geworden sind (Rasch StV 1991 126, 131); „krankhaft" ist dabei als allgemeine Umschreibung für eine Abweichung von der Norm zu verstehen.
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In dem verbleibenden Rahmen ist eine möglichst gleichmäßige Rechtsanwendung an- 2 2 zustreben (Saiger Festschrift Tröndle S. 201, 203), die durch vorhandene und zu entwickelnde Merkmalskataloge für die einzelnen Störungen (§ 20 Rdn. 41, 133, 172) gefördert wird. Dabei ist zu beachten, dass im Bereich der Humanwissenschaften nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich sind und die normativen Grenzen nur mit Hilfe von Konventionen festgelegt werden können (Schöch MschrKrim. 1983 338; Schreiber/ Rosenau in Foerster4 S. 78). Die Erheblichkeit der Störung kann nur über eine quantitative Einschätzung durch den sachverständig beratenen Richter bestimmt werden, der sich bewusst sein muss, dass es hier um eine vergleichende Gewichtung geht und nicht um die Suche nach nicht vorhandenen qualitativen Unterschieden (Schöch MschrKrim. 1983 338). Ausgangspunkt ist - wie bei § 20 - die sorgfältige Erforschung der inneren Befindlichkeit des Täters im Zeitpunkt der Tat und die Heranziehung vorhandenen Erfahrungswissens darüber, wie sich andere in der Situation des Täters verhalten (§ 20 Rdn. 45). Ergibt der (bereits normativ geprägte) Vergleich eine Abweichung des Täters vom Normalbild, so ist die rein normative Frage anzuschließen, ob die Abweichung als erheblich anzuerkennen ist. Sie lautet nicht wie bei § 20, ob dem Täter die Vermeidung der Tat
17
So Lenckner
Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I
S. 125; Sch/Schröder/Lenckner/Perron
Rdn. 5; ähnlich Roxin AT I § 2 0 Rdn. 34;
Jakobs AT2 18/29.
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§21
2. Abschnitt. Die Tat
angesonnen werden konnte und musste - das ist bei nur verminderter Steuerungsfähigkeit stets der Fall. Sie geht vielmehr dahin, ob dem Täter auf Grund seines Zustands die Normbefolgung so wesentlich erschwert war, dass die Rechtsordnung diesen Umstand bei der Durchsetzung ihrer Verhaltenserwartungen nicht übergehen darf (vgl. BGH bei Pfeiffer/Maul/Schulte § 51 Anm. 15). 24
Von der Art und der Stärke der Störung ist auf die Minderung des Hemmungsvermögens zu schließen. „Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt. Diese sind umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt ist" (BGH NStZ-RR 2004 330; ähnlich BGH StV 2 0 0 4 263; Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß NStZ 2005 61 f; Roxin AT I § 20 Rdn. 34). Auch hier ist zu beachten, dass vor schweren Gewalttaten, insbesondere Delikten gegen das Leben, eine höhere Hemmschwelle liegt als vor anderen Rechtsverstößen; das Urteil über die Steuerungsfähigkeit ist immer auf den konkret verwirklichten Tatbestand zu beziehen (§ 20 Rdn. 184 f).
25
Gewisse Vorentscheidungen fallen hierbei schon durch die Einordnung einer Bewusstseinsstörung als tiefgreifend und einer Abartigkeit als schwer (§ 20 Rdn. 76). Verfehlt ist allerdings die vereinzelt in der Rechtsprechung auftauchende Annahme, die schwere seelische Abartigkeit führe - wenn sie nicht die Schuldfähigkeit ausschließe - regelmäßig zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit.18 Richtig ist aber, dass die Verneinung der Erheblichkeit einer schweren seelischen Abartigkeit durch den Tatrichter besonders begründungsbedürftig ist (BGH NStZ 1996 380; NStZ-RR 1998 188; ähnlich Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß NStZ 2005 58). Hierbei ist - wie bereits dargelegt (§ 20 Rdn. 174 f) - zu berücksichtigen, dass die für klinische Zwecke entwickelte relativ weite Konzeption der Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 (Kategorie F6; Dilling/Mombour/ Schmidt/Schulte-Markwort S. 149 ff) und DSM-IV-TR (Saß/Wittchen/Zaudig/Houben S. 743 ff) einer Anpassung an forensische Bedürfnisse bedarf, um nicht zu einer schrankenlosen Ausweitung des § 21 zu gelangen. Ähnliches gilt für die Abhängigkeiten von psychotropen Substanzen und die sexuellen Deviationen, die neben den Persönlichkeitsstörungen zu den in foro am häufigsten zu begutachtenden Störungen gehören ( Winckler/ Foerster NStZ 1997 335). Neben den sachbedingten Unscharfen bei der Diagnostik dieser Störungen kommt es bei der Schwerebeurteilung zu Einschätzungen, die nicht unerheblich von subjektiven Positionen des Sachverständigen abhängen können. Die Eigenständigkeit des „zweiten Stockwerks" gebietet es, die strengen normativen Anforderungen an die Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB besonders beim 4. Eingangsmerkmal zu betonen (vgl. BGH NStZ 1991 31; Winckler/Foerster NStZ 1997 334 f). In G r e n z f ä l l e n - nicht bei eindeutiger Feststellung - sollte die normativ geprägte (s. § 20 Rdn. 46 ff) erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Wege rechtsfolgenorientierter teleologischer Reduktion verneint werden, wenn die Therapieprognose für das psychiatrische Krankenhaus nicht günstiger ist als für den Strafvollzug (Schöch Nervenarzt 2005 1387 f; s.o. § 20 Rdn. 175). Ansätze hierzu finden sich in einer Entscheidung des 4. Strafsenats des BGH vom 4.1.2005, in der für die Diagnose „Persönlichkeitsstörung" eine restiktive Anwendung der §§ 21, 63 StGB verlangt wird (BGH 4 StR 592/04, NStZ-RR 2005 331 f bei Theune).
18
BGH NStZ 1996 380 m. krit. Anm. von Winckler/Foerster NStZ 1997 334; zurückhaltender BGHSt 37 397, 4 0 0 ff; BGH NStZ 1997 4 8 5 ; B G H R StGB § 20 seelische Ab-
artigkeit 20; Nedopil2 S. 23.
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Zum Überlappungsbereich zwischen Persönlichkeitsstörungen und Soziopathie Kröber in Kröber/Albrecht S. 60 f, 63; Saß Psychopathie Soziopathie Dissozialität (1987).
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§21
Hat der Täter seinen Defektzustand schuldhaft herbeigeführt (z.B. durch Berauschung 2 6 trotz vorhersehbarer Straftaten oder durch mitverschuldeten Affekt), ohne dass die Voraussetzungen der vorsätzlichen actio libera in causa vorliegen (dazu Rdn. 33 ff), so schließt dies nach h.M. die Verminderung der Schuldfähigkeit nicht aus, sondern ist beim möglichen Verzicht auf die fakultative Strafmilderung zu beachten. 20 Die in der Vorauflage (Rdn. 10) vertretene Gegenauffassung, die sich auf einen Wertungsvergleich mit § 213 stützt, überzeugt nicht, da es in § 213 nicht um eine Änderung der Schuldfähigkeit, sondern nur darum geht, dass der verschuldete Affekt die vertypte Strafzumessungsregel des Totschlags in einem minder schweren Fall (so die h.M., vgl. Jähnke LK 11 § 213 Rdn. 2; Lackner/Kühl § 213 Rdn. 1; Neumann NK § 213 Rdn. 1) beseitigt. Es ist daher sachgerecht, dass eine durch biologisch-psychologische Defekte reduzierte Schuld nicht erst bei der allgemeinen Strafzumessung berücksichtigt wird, sondern zu einer neuen Schuldbewertung - unter Berücksichtigung des Vorverschuldens - führt, für die das Gesetz die fakultative Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 vorsieht (ähnlich Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 21). 3. Abstufungen der Beeinträchtigung. Verhältnis zu § 213. Bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit sind innerhalb dieses Rahmens weitere Abstufungen nach dem Schweregrad der psychischen Störung geboten, um dem M a ß der Einschränkung der Handlungskompetenz des Täters gerecht zu werden. 2 1 Auch unterschiedliche Affektgrade oder Ausprägungen von Persönlichkeitsstörungen ermöglichen strafzumessungsrechtlich relevante Differenzierungen. 22 Richtig ist dagegen, dass eine Differenzierung nach dem Grad der Alkoholisierung bei einer BÄK zwischen 2 %o und 3 %o willkürlich wäre, weil die individuellen Wirkungen des Rausches einer subtileren Unterscheidung als über das Raster, welches die Rechtsprechung anlegt (§ 20 Rdn. 95 ff; § 21 Rdn. 16), nicht zugänglich sind. Sinnvoll sind aber Abstufungen nach der Schwere des Rausches an Hand psychodiagnostischer und psychopathologischer Kriterien.
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Generell ist es nicht ausgeschlossen, graduelle Steigerungen oder Abschwächungen innerhalb des § 21 bei der Strafzumessung innerhalb des milderen Strafrahmens erneut zu berücksichtigen; soweit Unterschiede feststellbar sind, ist dies im Hinblick auf die gesetzlich vorgeschriebene schuldangemessene Bestrafung (§ 46 Abs. 1 S. 1) sogar geboten. 2 3
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In diesem Sinne hat die Rechtsprechung ausdrücklich klargestellt, dass es nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 verstößt, wenn innerhalb des nach § 49 gemilderten Strafrahmens noch einmal Ausprägungsgrade einzelner Umstände bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, die bereits zur Annahme eines vertypten Strafmilderungsgrundes geführt haben, z.B. der Verschuldensgrad bei der Minderung der Schuldfähigkeit infolge von Alkoholgenuss (BGHSt 26 311 f) oder beim Versuch, ob das Ver-
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20
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BGHSt 35 143, 147; 43, 66, 77 f; BGH N S t Z 1984 118; Frisch ZStW 101 (1989) 538, 605; Krümpelmann ZStW 88 (1976) 6, 39; R & Ρ 1990 150, 154; Saiger FS Tröndle, S. 201, 213, 215; Streng MK Rdn. 2 3 m.w.N. Schöch MschrKrim. 1983 333, 337, 339; Jakobs AT 2 18/30; Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 81; Lackner/Kühl Rdn. 5; BGH N S t Z 1984 548; ansatzweise in diesem Sinne auch BGHSt 7 28, 31; BGH StV 1981 237; BGH N S t Z 1984 548; zweifelnd BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 2, 17;
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Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 23; Haffke R & Ρ 1991, 100; aA Jähnke LK 11 Rdn. 11; Saiger FS Tröndle, S. 215. AA Janzarik Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 651; Langelüddeke/Bresser S. 257; Saiger FS Tröndle, S. 201, 215; Witter FS Lange, S. 703, 731. Konsequent Jakobs AT 2 18/30, der bei sehr starker Beeinträchtigung neben § 4 9 Abs. 1 sogar Strafmilderung nach S 4 9 Abs. 2 zulassen will.
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2. Abschnitt. Die Tat
suchsstadium m e h r oder weniger nahe der Vollendung liegt ( B G H S t 1 6 3 5 1 , 3 5 4 ; 2 6 311 f).24 30
D e s h a l b ist es auch konsequent, dass die h . M . eine Doppelmilderung nach §§ 21, 4 9 und n a c h § 2 1 3 zulässt, wenn die Voraussetzungen des § 2 1 3 1. Alt. vorliegen, der Affekt a b e r die für diese Bestimmung genügende Stärke übersteigt. 2 5 § 5 0 steht nicht entgegen, weil der Schuldminderungsgrund des § 2 1 3 den des § 2 1 nicht notwendig einschließt.
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In den meisten Tötungsfällen wird die verminderte Schuldfähigkeit nur zu einem sonst minder schweren Fall gem. § 2 1 3 2 . Alt. führen, w e s h a l b kein R a u m für eine Doppelmilderung bleibt ( B G H R S t G B § 5 0 M e h r f a c h m i l d e r u n g 2 ; B G H M D R 1 9 8 5 9 4 7 ) . In diesen Fällen lässt die Rechtsprechung dem Richter die W a h l zwischen drei verschiedenen Strafr a h m e n : aus § 2 1 2 bei Verzicht auf jede Strafmilderung, aus der vertypten Strafrahmenmilderung gem. § § 2 1 2 , 2 1 , 4 9 und aus dem Strafrahmen des § 2 1 3 . 2 6
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Verfehlt ist es, der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit ein anderes G e w i c h t als einer Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit beizulegen ( B G H N S t Z 1 9 8 5 3 5 7 ; 1 9 8 9 18; S t V 1 9 9 0 6 2 ; B G H bei Holtz M D R 1 9 8 6 6 2 2 ) . Schlechthin unzulässig ist eine unterschiedliche Würdigung einer feststehenden und einer lediglich nach dem Zweifelssatz anzunehmenden Verminderung des H e m m u n g s v e r m ö g e n s ( B G H N S t Z 1 9 8 9 18; 1 9 9 6 3 2 8 ; S t V 1 9 9 9 4 9 0 ) .
V. Actio libera in causa 33
1. Geltung im R a h m e n des § 2 1 . N a c h h . M . ist die Rechtsfigur der actio libera in causa auch bei b l o ß verminderter Schuldfähigkeit a n w e n d b a r mit der Folge, dass eine Schuldmilderung nach § 2 1 nicht in Betracht k o m m t , weil auch den T ä t e r eine vorverlagerte Schuld trifft, der vorsätzlich nach dem Tatentschluss nicht seine Schuldunfähigkeit herbeiführt, sondern lediglich vermindert schuldfähig wird oder gegen den in gleichem M a ß e wie bei § 2 0 ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu erheben ist (§ 2 0 R d n . 2 0 6 ) 2 7 . Dass j e m a n d , der im W i r t s h a u s den Tatzeitpunkt erwartet, versehentlich oder zufällig die G r e n z m a r k e der Schuldunfähigkeit k n a p p verfehlt, k a n n für die rechtliche Bewertung seiner Schuld keinen Unterschied begründen. D o g m a t i s c h e Begründungsprobleme haben insoweit die Anhänger der „Tatbestandslösung", die im Sichberauschen bereits den Beginn des Versuchs der sodann verübten Tat erblicken (§ 2 0 R d n . 1 9 8 ) . Sie räumen ein, dass für eine Vorverlegung des Versuchsbeginns im Falle des § 21, in dem ein schuldfähiger
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Relevant wird der Ausprägungsgrad auch in den Fällen der Komorbidität (§ 20 Rdn. 72); vgl. BayObLG VRS 67 219 für das Zusammentreffen von jeweils für sich für § 21 ausreichender Gehirnschädigung und Alkoholwirkung. BGH J Z 1983 4 0 0 m. Anm. Schmitt; BGH StV 1985 233; BGH NStZ 1986 115; 1995 287; NStZ-RR 2 0 0 4 105; Tröndle/Fischer § 213 Rdn. 17; Lackner/Kühl § 213 Rdn. 10; Maurach/Scbröder/Maiwald BT 1 § 2 IV Rdn. 58; aA für den Fall, dass der provokationsbedingte Affekt zugleich zur verminderten Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 führt: Voraufl Rdn 12; Blau FS Tröndle,
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26
27
S. 109, 116, 120; Schneider NStZ 2001 455, 457. BGHSt 21 59; BGH NStZ 1984 118; 1993 278; Tröndle/Fischer § 213 Rdn. 19; kritisch Schneider NStZ 2001 455, 459 f. BGHSt 21 381, 382; 34 29, 33; BGH NStZ 1999 448; 2000 584; 2 0 0 3 535; 2005 384; Bruns Strafzumessungsrecht S. 531; Tröndle/Fischer Rdn. 16; Lackner/Kühl Rdn. 6; Rautenberg S. 164; Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 11; Schreiber/ Rosenau in Foerster4 S. 80; s. ferner § 20 Rdn. 62 mit Fn. 114; aA Landgraf S. 132; Saiger FS Tröndle, S. 201, 216; Roxin FS Lackner, S. 307, 322; AT I § 2 0 Rdn. 69.
Heinz Schöch
Verminderte Schuldfähigkeit
§21
Täter die eigentliche Ausführungshandlung begeht, kein Raum ist. 28 Sie lehnen daher im Rahmen des § 21 die Anwendung der actio libera in causa ab und wollen dem Täter lediglich die nach § 21 mögliche Strafrahmenmilderung versagen (so BGH NStZ 1984 118; Saiger Festschrift Tröndle S. 201, 216; Roxin AT I § 20 Rdn. 69; Rudolphi SK 7 Rdn. 4a). Diese Strafzumesssungslösung umgeht zwar die strafrechtsdogmatischen Begründungsprobleme, wird aber der Sachfrage nicht gerecht. Wenn es dem Täter nach der Rechtsfigur der actio libera in causa verwehrt ist, Schuldunfähigkeit bei der Tat geltend zu machen, dann muss dies erst recht für die nur verminderte Schuldfähigkeit gelten. In beiden Fällen verwirklicht er in voller Schuld alle Elemente der Straftat und haftet dafür, weil eine Berufung auf Ex- oder Dekulpation bei entsprechender Planung oder Nachlässigkeit rechtsmissbräuchlich wäre (vgl. Otto Grundkurs AT 7 § 13 Rdn. 26). Im Rahmen des § 21 bestehen auch keine Bedenken, die actio libera in causa auf ein anderes Begründungsmodell als die Tatbestandslösung zu stützen (s. § 2 0 Rdn. 199). Da es in § 21 nicht um Schuldbegründung, sondern um eine fakultative Strafrahmenmilderung geht, kann ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG auf diese traditionelle Rechtsfigur zurückgegriffen werden (Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 11). Im Falle der actio libera in causa scheidet die Anwendung des § 21 deshalb unter denselben Voraussetzungen aus wie die des § 20 (s. im Einzelnen § 2 0 Rdn. 199 ff).
34
2. Einzelheiten. Auch die Folgen sind dieselben, jedoch mit einer Ausnahme. Hat der Täter bei der (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Herbeiführung des Defektzustandes fahrlässig nicht bedacht, dass er in diesem Zustand eine bestimmte Vorsatztat begehen werde, so ist dies - anders als im Falle des § 20 - kein Fall der fahrlässigen actio libera in causa, sondern der Täter wird wegen vorsätzlich begangener Tat bestraft. Denn der lediglich im Zustand des § 21 Handelnde ist schuldfähig; es kommt bei ihm auf Vorsatz und Schuld im Zeitpunkt der Ausführungshandlung an (Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 11; Tröndle/Fischer Rdn. 16). Das zieht zwar auch die grundsätzliche Anwendbarkeit der Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 nach sich (BGH StV 1993 356; NStZ 2005 384; OLG Hamm DAR 1972 133; OLG Koblenz VRS 51 201), weil die Sachlage im subjektiven Bereich anders nicht erfassbar ist. Aber der Fahrlässigkeitsvorwurf gibt dem Richter die Befugnis, von der Strafrahmenmilderung des § 4 9 im Einzelfall abzusehen (Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 11; Tröndle/Fischer Rdn. 16; Streng MK Rdn 24; s.u. Rdn. 49). Die vorausgegangene Fahrlässigkeit wäre darüber hinaus regelmäßig ein für die Verurteilung wegen fahrlässiger Straftat genügender tatbestandsmäßiger Sorgfaltsverstoß. Daher darf in diesen Fällen bei der Strafbemessung der für die entsprechende Fahrlässigkeitstat vorgesehene Strafrahmen nicht unterschritten werden (Rudolphi SK 7 Rdn. 4a; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 11).
35
Ist § 21 ohne Rücksicht auf die vorwerfbare Herbeiführung seiner Voraussetzungen aus anderen Gründen anwendbar (der in Fahrbereitschaft trinkende Täter ist Hirnverletzter), so hat es dabei sein Bewenden (BayObLG VRS 67 219; Sch/Schröder/Lenckner/ Perron Rdn. 11; s. auch BayObLG NJW 1968 2299).
36
Die Grundsätze der actio libera in causa gelten selbstverständlich nicht, soweit der Täter bereits im Zeitpunkt des Ingangsetzens des Geschehensablaufs in seiner Schuldfähigkeit erheblich vermindert ist (BayObLG VRS 67 219, 221; OLG Hamm NJW 1974
37
28
Puppe JuS 1980 346, 349; Roxin FS Lackner, S. 307, 322; AT I § 20 Rdn. 69; Rudolphi SK 7 Rdn. 4a.
Heinz Schöch
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§21
2 . Abschnitt. Die Tat
614). Doch kann sich der vermindert Schuldfähige in den Zustand des § 2 0 versetzen und in dieser Weise haftbar sein (§ 2 0 Rdn. 198 ff).
VI.
Strafrahmenwahl
38
1. Wahlmöglichkeiten. Die Vorschrift eröffnet dem Richter die Möglichkeit, den Regelstrafrahmen des verwirklichten Tatbestandes gemäß § 4 9 Abs. 1 zu mildern. Statt dessen und über den Gesetzeswortlaut hinaus ist der Richter aber auch befugt, verminderte Schuldfähigkeit des Täters durch die Annahme eines minder schweren Falles zu berücksichtigen, 2 9 sofern der gesetzliche Tatbestand eine Strafmilderung für solche Fälle vorsieht. 3 0 Ebenso gestattet § 21 bei Sachverhalten, welche an sich die Voraussetzungen eines besonders schweren Falles erfüllen, auf den Regelstrafrahmen zurückzugehen 3 1 oder den durch Regelbeispiele für besonders schwere Fälle gebildeten Sonderstrafrahmen nach §§ 21, 4 9 herabzusetzen. 3 2 Die Wahlmöglichkeiten wirken sich besonders stark bei §§ 212, 213 (Rdn. 3 0 f) und bei § 2 5 0 aus, weil die Strafrahmen dieser Bestimmungen in sich nicht spannungsfrei sind.
39
Streitig ist jedoch, ob der Richter wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 stets einen milderen Strafrahmen wählen muss und ob er unter mehreren verfügbaren den dem Täter günstigsten heranzuziehen hat. Beides ist zu verneinen (Rdn. 4 0 , 6 4 f).
40
2 . Fakultative Strafrahmenmilderung. Problematisch ist, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes der Richter die Strafe nur gemäß § 4 9 Abs. 1 StGB mildern kann, dies jedoch nicht muss. Es ist umstritten, ob diese bloße „Kann-Milderung" mit dem - auch verfassungsrechtlich verankerten - Schuldprinzip zu vereinbaren ist. Eine dem Gesetzeswortlaut und der Entstehungsgeschichte (E 1962 S. 142) widersprechende Umdeutung in eine zwingende Vorschrift (so § 2 2 AE-StGB) würde voraussetzen, dass verminderte Schuldfähigkeit stets so stark verminderte Schuld ist, dass eine Versagung der Rahmenmilderung das Schuldprinzip missachtet. 3 3 Das ist jedoch - wie auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat - nicht der Fall. 3 4 Als zwingend müsste die Milderung auf Grund des Schuldprinzips nur gelten, wenn der im Normalrahmen gewährte Spielraum stets oder regelmäßig nicht ausreicht, um die Schuld zutreffend zu erfassen. Ein solcher Nachweis ist nicht zu führen.
29
E 1 9 6 2 S. 1 8 7 ; BGHSt 16 3 6 0 ; 2 7 2 9 8 ; B G H StV 1 9 8 2 113; 1 9 9 7 5 2 1 ; N S t Z 1 9 8 4 2 6 2 ; 1 9 8 6 117; 1 9 9 7 145; Tröndle/Fischer
33
Rdn. 19; Lackner/Kühl § 5 0 Rdn. 2; aA Sch/Schröder/Stree § 5 0 Rdn. 3; Timpe J R 1 9 8 6 77. 30
N o c h weiter gehend - stets Rahmen des § 4 9 Abs. 2 -Jakobs A T 2 1 8 / 3 0 ; Timpe J R 1 9 8 6 77.
31
B G H N S t Z 1 9 8 3 2 6 8 ; 1 9 8 6 3 6 8 ; BGH N J W 1 9 8 6 1 6 9 9 , 1 7 0 0 ; vgl. auch BGHSt 3 3 9 2 ra. Bespr. Frisch J R 1 9 8 6 89, der eine Kombination der gemilderten Strafrahmen befürwortet; aA Schäfer J R 1 9 8 6 5 2 3 ; Sch/ Schröder/Stree § 5 0 Rdn. 7.
32
Sch/Schröder/Stree
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34
BGHSt 3 3 3 7 0 , 3 7 7 m. Anm. Schäfer J R 1986 522. So Baumann/Weber/Mitsch AT § 19 III; Haffke R & P 1 9 9 1 9 4 , 9 9 ; Kotsalis FS Baumann, S. 3 3 , 4 2 ; Rautenberg S. 188 (m. Ausnahme Rausch); Rudolphi SK 7 Rdn. 5; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 14, 19, 2 1 ; Stratenwerth/Kuhlen A T 5 § 10 Rdn. 4 1 ; Wolfslast JA 1981 4 6 4 , 4 7 0 . BVerfGE 5 0 5; BGHSt 7 2 8 ; B G H N J W 1 9 9 3 2 5 4 4 ; N S t Z 1 9 9 7 5 9 2 ; 2 0 0 4 6 1 9 ; Bruns Strafzumessungsrecht S. 5 1 2 ; Jescheck/ Weigend A T 5 § 4 0 IV 2 ; Roxin AT I § 2 0 Rdn. 3 7 ff; Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 8 0 ; einschränkend Jakobs A T 2 18/34.
§ 5 0 Rdn. 7 ; vgl.
Heinz Schöch
Verminderte Schuldfähigkeit
§21
Dies gilt selbst in Fällen der absoluten Strafe, wo die Versagung der Strafmilderung, 4 1 wie im Fall des § 211, zur Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe führt (BGHSt 7 28 f; 49 239, 247 f; BGH StV 1993 355; BGH NStZ 1985 164; 1994 183), da es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, „den Schuldgehalt einer Tat nicht allein nach dem Grad der Schuldfähigkeit des Täters zu bestimmen, sondern nach den Gesamtumständen, welche die Tat unter dem Gesichtspunkt der Schuld mehr oder minder leicht oder schwer erscheinen lassen" (BVerfGE 50 10f). Die gegenteilige Auffassung (Roxin AT I § 20 Rdn. 44; Lenckner Hdb. d. forens. Psychiatrie Bd. I S. 133) berücksichtigt nicht hinreichend, dass der Gesetzgeber inzwischen in § 57a zum Ausdruck bringt, dass der lebenslangen Freiheitsstrafe verschiedene Schuldschweregrade zugrunde liegen können, die vom Schwurgericht nach Maßgabe der individuellen Schuld festgestellt werden müssen (BVerfGE 86 288, 317 ff) und die sich in unterschiedlicher Dauer des Vollzugs auswirken. Verminderte Schuldfähigkeit wird in aller Regel - allerdings nicht zwingend dazu führen, dass die sonst vorliegende „besondere Schwere der Schuld" gem. § 57a verneint wird (Streng MK § Rdn. 38). Insbesondere in den Fällen selbstverschuldeter Trunkenheit lässt die neuere Rechtsprechung trotz erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit die Annahme besonders schwerer Schuld zu (BGH NStZ 2005 88). Der Rahmen der von der lebenslangen Freiheitsstrafe umfassten Schuldgrade ist also so weit gespannt, dass auch Taten nach § 21 StGB darunter fallen können, wenn straferhöhende Umstände hinzutreten (Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 80 m.w.N.). Deshalb entspricht es der gesetzlichen Konzeption der lebenslangen Freiheitsstrafe, das Gewicht der Schuldminderung im Verhältnis zu den schulderschwerenden Umständen im Einzelfall zu bestimmen und danach die Entscheidung zu treffen, ob eine Rahmenänderung nach § 49 Abs. 1 geboten ist oder nicht. Allerdings müssen besonders erschwerende Umstände vorliegen, um die mit den Voraussetzungen des § 21 StGB verbundene Schuldminderung so auszugleichen, dass die gesetzliche Höchststrafe verhängt werden darf (BGH NStZ-RR 1995 295; BGHR § 21 Strafrahmenverschiebung 7, 8, 12, 18, 25; Streng MK Rdn. 37).
42
3. Versagungsgründe. Im Übrigen ist wegen der gebotenen verfassungskonformen Orientierung am Schuldprinzip eine restriktive Handhabung des richterlichen Ermessens erforderlich, die den Milderungsverzicht auf seltene Ausnahmen beschränkt. 35 Da das Gesetz eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit verlangt, muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass auch eine erheblich verringerte Schuld des Täters vorliegt (Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 79). 3 6 Das Ausmaß der Änderung des Strafrahmens in § 49 Abs. 1 zeigt, dass der Gesetzgeber die Verringerung als im Allgemeinen beträchtlich ansieht. An ein Absehen von Milderung sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr sich der gemilderte Strafrahmen von dem nicht gemilderten unterscheidet (Sch/Schröder/Lenckner/Perron § 21 Rn. 14).
43
Die Strafmilderung nach § 21 StGB darf keinesfalls aus schuldfremden - also insbesondere aus speziai- oder generalpräventiven - Gründen versagt werden, obwohl das Bedürfnis nach einer spezialpräventiven Sicherungsstrafe beim Erlass des Gewohnheitsverbrechergesetzes vom 24.11.1933 maßgeblich für die Einführung der bloßen Kann-
44
35
BGHSt 7 29; BGH NJW 1981 1221; 1993 2544; StV 1994 608; gegen Regelmilderung Foth FS Saiger, S. 31, 37; einschränkend zuletzt auch BGH NJW 2 0 0 4 3350 f: keine „Sollmilderung".
36
In diesem Sinne auch BGHSt 7 28, 30; BGHR StGB S 21 Strafrahmenverschiebung 3, 9, 14, 18, 21; RGSt 69 314, 317; Montenbruck Strafrahmen und Strafzumessung (1983) S. 128.
Heinz Schöch
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§21
2. Abschnitt. Die Tat
Milderung in § 51 Abs. 2, dem Vorläufer des heutigen § 21, war. 37 Nach heutigem Verständnis der Schuldstrafe dürfen präventive Strafzwecke nur innerhalb des Spielraums zwischen schon schuldangemessener und noch schuldangemessener Strafe berücksichtigt werden (BGHSt 7 28, 32; 2 0 264, 267). Für darüber hinausgehende spezialpräventive Bedürfnisse stehen Maßregeln der Besserung und Sicherung nach §§ 63 ff StGB zur Verfügung. Eine Strafmilderung nach § 21 StGB darf auch nicht mit der Begründung versagt werden, dass der Täter eine geringere Strafempfindlichkeit aufweise, wie es zum Teil für Schwachsinnige oder Psychopathen angenommen wird (zutreffend Roxirt AT I § 20 Rn. 39; anders noch die ältere Rechtsprechung BGHSt 7 28 31; BGH MDR 1953 147). 45
Die Versagung der Strafmilderung darf auch nicht damit begründet werden, dass eine Verminderung der Schuldfähigkeit nicht positiv festgestellt werden konnte (BGH StV 1984 464; NStZ 1989 18; NStZ-RR 2000 166 f). Wenn wegen Nicht-Aufklärbarkeit der den Befund betreffenden Tatsachen zweifelhaft bleibt, ob der Täter zur Zeit der Tat voll oder vermindert schuldfähig war, so ist § 49 Abs. 1 anzuwenden (BGHSt 8 113, 124; StV 1984 69). Kann dagegen nicht festgestellt werden, ob der Täter schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war, so gilt § 20 StGB. Im ersten Fall sind jedoch die Regeln der actio libera in causa, im zweiten Fall ist § 323a StGB zu beachten (vgl. Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 12; BGH NJW 1992 1519).
46
a) Gesamtwürdigung. Streitig ist jedoch, welche Umstände bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Ein Teil des Schrifttums will nur auf den Schuldminderungsgrund bezogene Gesichtspunkte heranziehen. Wie beim Versuch die mehr oder minder große Nähe zur Vollendung von Bedeutung ist, sollen im Rahmen der verminderten Schuldfähigkeit nur mit dieser zusammenhängende Umstände eine Versagung der Strafrahmenmilderung rechtfertigen. 38 Die Rechtsprechung und die wohl überwiegende Literatur verlangen hingegen eine Gesamtwürdigung aller Umstände in der Tat und der Person des Täters. 39 Das ist zutreffend, weil eine Beeinträchtigung nach §§ 20, 21 immer auf den einzelnen Rechtsverstoß in seiner konkreten Gestalt bezogen ist (§ 20 Rdn. 76 ff, 184 ff) und sich von dessen Umständen ebenso wenig trennen lässt wie von der Person des Täters. Außerdem entspricht dies der allgemeinen Strafzumessungsregel des § 46 Abs. 2 S. 1, nach der die gesamten tat- und täterbezogenen Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander abzuwägen sind (Roxin AT I § 2 0 Rdn. 41). Bei der gebotenen restriktiven, am Schuldgrundsatz orientierten Interpretation der „Kann-Milderung" kommen nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Meinung in der Literatur nur zwei Fallgruppen für die Versagung der Strafmilderung in Betracht: der Ausgleich der erheblich verminderten Schuldfähigkeit durch andere schulderhöhende Umstände (Rdn. 47 f) und die selbstverschuldete Einschränkung der Schuldfähigkeit (Rdn. 49 ff), die besonders häufig bei Straftaten unter Alkoholeinfluss, aber auch bei Affekttaten vorkommt (Roxin AT I Rdn. 40; Schreiber/Rosenau in Foerster S. 80 f).
37
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39
Vgl. Roxin AT I § 2 0 Rdn. 38 m.w.N.; Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 80 m.w.N. Dreher J Z 1968 209, 213; Frisch ZStW 101 (1989) 538, 605; Frisch/Bergmann J Z 1990 944, 949; Horn Gedächtnisschrift Armin Kaufmann S. 573, 587; SK 7 § 4 6 Rdn. 68d; Lackner/Kühl § 4 9 Rdn. 4; Landgraf S. 88. BGHSt 7 28, 31; 43 66, 78; BGH StV 1981 2 3 7 ; BGH NStZ 1986 114, 115; BGHR StGB
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§ 21 Strafrahmenverschiebung 3, 21; zustimmend Bruns Strafzumessungsrecht S. 526; Montenbruck Strafrahmen und Strafzumessung (1983) S. 129; Roxin AT I § 20 Rdn. 41 f; Tröndle/Fischer Rdn. 18; Überblick bei Schäfer Praxis der Strafzumessung (3. Aufl. 2001) Rdn. 541; Streng MK Rdn. 20.
Heinz Schöch
Verminderte Schuldfähigkeit
§21
b) Tatmodalitäten. Schulderhöhende Umstände, welche im Rahmen der Gesamtwürdigung die an sich gebotene Milderung kompensieren können, ergeben sich zunächst aus der Tat selbst. Besondere Grausamkeit und Brutalität, die Tötung mehrerer Opfer oder die Verletzung mehrerer Strafgesetze sind Strafzumessungstatsachen, die sich zu Lasten des Täters bereits bei der Strafrahmenwahl auswirken können, ebenso geplante Elemente der Heimtücke beim Totschlag (BGHR StGB § 21 BÄK), gesteigerte verbrecherische Energie oder besondere Rücksichtslosigkeit bei der Tatausführung. 40 Ihre schulderhöhende Bedeutung ist jeweils im Einzelfall zu bestimmen.
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Sind die besonderen Tatmodalitäten gerade auf den Zustand zurückzuführen, der die verminderte Schuldfähigkeit begründet hat, dann dürfen sie dem Täter nicht in vollem Umfang angelastet werden. Zwar ist ihre Berücksichtigung nicht ausgeschlossen, weil der Täter schuldfähig und für seine Tat in ihrer konkreten Ausführung verantwortlich ist. Aber sie sind in ihrem Gewicht angesichts der geistigen Beeinträchtigung des Täters gemindert.41 Das ist nur anders, wenn die Herbeiführung dieses Zustandes ihrerseits Ausdruck erhöhter Schuld ist, wie die Alkoholaufnahme trotz Kenntnis der eigenen Neigung zu alkoholbedingten Ausschreitungen.42
48
c) Vorverschulden. In der zweiten Fallgruppe geht es um das Vorverschulden des Täters, insbesondere beim selbstverschuldeten Alkohol- oder Drogenrausch in den Fällen, in denen die actio libera in causa nicht eingreift, weil der Täter im Zeitpunkt des schuldhaften Sichversetzens in den Zustand verminderter Schuldfähigkeit noch nicht vorsätzlich bzw. fahrlässig im Hinblick auf die begangene Tat gehandelt hat. In Betracht kommen hier auch Fälle des Affektes (BGHSt 35 143, dazu Anm. Blau J R 1988 514), u.U. sogar Persönlichkeits- oder Triebstörungen, deren tatfördernde oder hemmungsmindernde Wirkung der Täter kennt (Tröndle/Fischer Rdn. 24; kritisch Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 21; rechtsvergleichend Schnarr in Hettinger S. 21 ff). Hat der Täter seinen schuldmindernden Defekt schuldhaft selbst herbeigeführt (z.B. durch Einnahme aggressivitätssteigernder Sexualhormone, BGH NStZ 2006 98), so kann die Strafrahmenmilderung grundsätzlich versagt werden, sofern er damit rechnen musste, dass er in diesem Zustand Straftaten verüben werde. Die Zurechnung eines solchen Vorverschuldens setzt allerdings - wie bei den schulderhöhenden Tatmodalitäten (Rdn. 4 7 f) - voraus, dass das betreffende Verhalten nicht seinerseits Ausdruck der Störung ist (Tröndle/ Fischer Rdn. 24). Andererseits schließen die Grundsätze der actio libera in causa in Fällen des Vorverschuldens eine Strafrahmenverschiebung nicht zwingend aus, z.B. bei schwersten Gesundheitsschäden des Täters aufgrund eines anschließenden Selbsttötungsversuchs (BGH NStZ 2005 384).
49
Da das Tatschuldprinzip einen auf konkretes Unrecht bezogenen Vorwurf verlangt, bedarf es indessen einer bestimmten subjektiven Beziehung zu der später begangenen strafbaren Handlung. Die Rechtsprechung ist hierbei nicht einheitlich verfahren. Zunächst hat sie die selbstverschuldete Trunkenheit für unbeachtlich gehalten (BGH bei Daliinger M D R 1951 657; anders schon BGH NJW 1953 1760). Sodann hat sie darauf
50
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BGHSt 7 2 8 , 31; B G H bei Holtz M D R 1 9 8 6 9 6 ; 1 9 9 0 6 7 6 ; B G H R StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 11, 12; OGHSt 2 98, 103; Tröndle/Fischer Rdn. 2 2 ; ]escheck/Weigend AT 5 § 4 0 IV 2 ; Roxin AT I § 2 0 Rdn. 4 6 ; krit. Lackner/Kühl Rdn. 5; aA Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 18, 19. BGHSt 16 3 6 0 , 3 6 4 ; B G H N S t Z 1 9 8 2 2 0 0 ;
1 9 8 6 114, 115; 1 9 9 1 81; 1 9 9 2 5 3 8 ; 1 9 9 7 5 9 2 ; B G H StV 1 9 8 9 198, 1 9 9 ; B G H bei Holtz M D R 1 9 8 8 98, 9 9 ; B G H R StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 5, 15, 2 0 ; Strafzumessung 1 - 5 , 9, 11. 42
B G H N S t Z 1 9 8 9 18; B G H bei Holtz M D R 1988 98, 99; Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 18.
Heinz S c h ö c h
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§21
2. Abschnitt. Die Tat
abgehoben, dass der Täter, der seine erheblich verminderte Schuldfähigkeit selbst herbeigeführt hat, die Neigung hatte, nach Alkoholgenuss Straftaten zu begehen, und er sich dieser Neigung bewusst war oder doch hätte bewusst sein können 4 3 (Einzelheiten zur Entwicklung bei Schnarr in Hettinger S. 49 ff; zum neuesten Stand s. Rdn. 52 ff). Doch ist eine Neigung zu Straftaten lediglich ein allgemeiner, nicht auf die abzuurteilende Tat bezogener Strafzumessungsgrund. Die Rechtsprechung präzisiert nunmehr, dass der Täter zwar nicht bereits ein gleiches oder ähnliches Delikt begangen haben muss, jedoch Handlungen, welche nach Ausmai? und Intensität der ihm jetzt vorgeworfenen Straftat entsprechen. 44 Ausreichend kann dabei auch eine einzelne Vortat sein. Entscheidend ist aber nicht eine äußerliche Vergleichbarkeit der einzelnen Taten, sondern die nämliche Wurzel des jeweiligen deliktischen Verhaltens. Denn schulderhöhende Wirkung kommt nur der Kenntnis der eigenen Gefährlichkeit und der Voraussehbarkeit daraus entstehender Rechtsbrüche zu. Sie fordert besondere Vorkehrungen, deren Unterlassen dem Täter vorgeworfen werden darf. Vorkehrungen aber sind nur möglich gegen ein seiner Art nach bestimmbares und in seinem Ausmaß abschätzbares Risiko. Dabei ist die Möglichkeit einer künftigen Intensivierung des Unrechts stets in Rechnung zu stellen. Eine ausreichende Kongruenz kann daher zu bejahen sein zwischen typischen Bandentaten (BGH M D R 1960 938) und Rohheitsdelikten untereinander, etwa Körperverletzungs- und Tötungsdelikten sowie Raubtaten mit Verletzung der körperlichen Integrität (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 3; sehr eng BGH NStZ 1986 114, 115); u.U. auch zwischen Sachbeschädigung und Tötung, sofern beides auf einer Neigung zu Kurzschlussreaktionen beruht (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 2), sowie zwischen Sachbeschädigung und gefährlicher Körperverletzung bei Auseinandersetzungen im Nahbereich (BGHR StGB § 21 Strafzumessung 6). Keine Kongruenz besteht hingegen zwischen Bereicherungs- und Sexualdelikten wie Raub und Vergewaltigung (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 1). Konkretisiert sich die Voraussehbarkeit in subjektiver Hinsicht auf eine bestimmte Tat, liegt actio libera in causa vor (Rdn. 33 ff). 51
Nach den Grundsätzen der unbeachtlichen Abweichung vom Kausalverlauf beurteilt es sich, wenn der Täter während der Durchführung einer in schuldfähigem Zustand geplanten und ins Werk gesetzten Straftat in Übererregung gerät und sich die Voraussetzungen des § 21 einstellen. Die Lage ist nicht anders als beim Eintritt von Schuldunfähigkeit nach Versuchsbeginn (§ 20 Rdn. 191 ff, 197; verfehlt - Haftung entsprechend actio libera in causa - BGHR StGB § 21 Vorverschulden 3). Da der Täter jedoch schuldfähig bleibt, dürfte ein Fall, in dem eine Zurechnung der Kausalabweichung ausscheidet, kaum denkbar sein.
52
Zu einer erheblichen Verschärfung bei der Versagung der fakultativen Strafmilderung tendiert die neuere Rechtsprechung bei selbstverschuldeter Trunkenheit, dem praktisch wichtigsten Fall des Vorverschuldens. Nach der prinzipiellen Anerkennung alkoholbedingter Schuldminderung als fakultativer Strafmilderungsgrund (Rdn. 49) versagte sie die Strafmilderung zunächst nur dann, wenn der Täter, der sich bewusst betrinkt, schon
43
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BGHSt 34 29, 33; BGH MDR 1985 947 m. Anm. Bruns J R 1986 337; BGH NStZ 1986 114; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 1, 11, 19; vgl. ferner BGH VRS 16 186, 189; 23 209; BGH bei Dallinger MDR 1972 16, 570; OGHSt 2 324, 327. BGHSt 35 143, 145; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 3, 6, 9, 14, 16; dagegen
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Haffke R & Ρ 1991 94; Landgraf S. 88; Neumann Zurechnung S. 128, 140; Rudolphi SK 7 Rdn. 4b; Sch/Schröder/Lenckner/ Perron Rdn. 21; Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 80 f; zustimmend jedoch Jakobs AT 2 18/34; Jescheck/Weigend AT 5 § 40 IV 2; Rautenberg S. 188 ff; Roxin AT I § 20 Rdn. 45.
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Verminderte Schuldfähigkeit
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früher unter Alkoholeinfluss straffällig geworden war und daher weiß oder wissen muss, dass er in diesem Zustand zu Straftaten vergleichbarer Art neigt, die nach Ausmaß und Intensität mit der nunmehr begangenen Tat vergleichbar sind. 45 Die Literatur hat diesem Modell überwiegend zugestimmt. 46 Im Jahr 2003 hat der 3. Strafsenat in einem ausführlich begründeten obiter dictum 5 3 deutlich gemacht, dass er an dieser Rechtsprechung nicht festhalten wolle, sondern die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 „in der Regel schon allein dann" ausschließen wolle, „wenn die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf verschuldeter Trunkenheit beruht" (BGH NStZ 2003 4 8 0 ff). Das Erfordernis der Warnwirkung früher unter Alkoholeinfluss begangener - vergleichbarer - Straftaten stehe im Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung des Vollrausches in § 323a, nach der das schuldhafte Sichberauschen unabhängig von vergleichbaren Vorerfahrungen bestraft werde. 47 Die Reaktion der anderen Strafsenate auf diesen „Testballon" ( S c h e f f l e r BA 2003 449; Foth NStZ 2003 597) ist noch unklar und nicht einheitlich. Der 2. Senat hat - ebenfalls in einem obiter dictum - angedeutet, dass er zu der vom 3. Senat vertretenen Rechtsauffassung neige, jedoch liege ein solcher Fall nicht vor, wenn der Täter alkoholkrank sei. 48 In einer neueren Entscheidung distanziert sich der 2. Senat von einer schematischen Versagung der Strafmilderung wegen selbst zu verantwortenden Alkoholrausches; diese sei zwar in der Regel geboten, jedoch seien Ausnahmen möglich, wenn der Täter über keine Vorerfahrungen derart verfüge, dass er persönlich unter Alkoholeinfluss zu rechtsgutsverletzendem Verhalten neige (BGH StV 2 0 0 6 465 f). Der 1. Senat hat beiläufig bemerkt, dass die Versagung einer Strafmilderung bei einem nicht vorbestraften Täter, der aber wiederholt zur Ausnüchterung im Polizeigewahrsam war, „in Einklang mit Tendenzen der neueren Rechtsprechung zur Bewertung zu verantwortender Trunkenheit" stehe. 49 Der 4. Senat hatte zuletzt - kurz vor der Entscheidung des 3. Senats - die bisherige Rechtsprechung bekräftigt (BGH NStZ-RR 2003 136). Eine behutsame Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung stellt das Urteil des 5. Strafsenats vom 17.8.2004 dar (BGHSt 49 2 3 9 m. zust. Anm. König NJ 2 0 0 5 44). Dieser will zwar an der Rechtsprechung zur Strafrahmenverschiebung bei vorwerfbarer Alkoholisierung nicht mehr uneingeschränkt festhalten, gelangt aber zu einem differenzierenden Ergebnis, das der bisherigen Rechtsprechung nicht tragend widerspricht.
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Zutreffend weist der 5. Senat darauf hin, dass eine generelle Versagung der Strafrahmenmilderung bei zu verantwortender Trunkenheit weder aus dem Rechtsgedanken des § 323a noch aus den Überlegungen des historischen Gesetzgebers abzuleiten sei (BGHSt 49 239, 248 ff). Für eine Versagung der Strafrahmenmilderung sei zumindest Fahrlässigkeit des Täters, also Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit bezüglich eines rechts-
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BGHSt 3 4 29, 3 3 ; 4 3 6 6 , 7 8 ; B G H N J W 1 9 9 7 2 4 6 0 ; StV 1 9 9 1 2 5 4 f; 1 9 9 3 3 5 5 . Jakobs A T 2 1 8 / 3 4 ; Jescheck/Weigend AT5 § 4 0 IV 2 ; Maatz StV 1 9 9 9 2 7 9 , 2 8 4 ; Roxin AT I S 2 0 Rdn. 4 5 ; Schäfer Praxis der Strafzumessung (3. Aufl. 2 0 0 1 ) Rdn. 5 3 8 ; Tröndle/Fischer Rdn. 2 4 f; Streng N J W 2 0 0 3 2 9 6 3 , 2 9 6 6 ; Verrel/Hoppe JuS 2 0 0 5 3 0 8 , 311; aA wegen Interpretation des § 21 als Mussvorschrift: Sch/Schröder/Lenckner/ Perron Rdn. 2 1 ; Stratenwerth/Kuhlen AT5 § 10 Rdn. 4 1 .
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B G H N S t Z 2 0 0 3 4 8 0 ff = J Z 2 0 0 3 1 0 1 6 m. Anm. Frister.
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B G H R StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 3 2 ; ebenso 3. Senat B G H R StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 3 3 ; ebenso für Alkoholkranke der 5. Senat ( B G H StV 2 0 0 5 4 9 5 ) . B G H N S t Z 2 0 0 5 151 f; offen gelassen im Beschl. v. 5 . 8 . 2 0 0 3 - 1 StR 3 0 2 / 0 3 - BeckRs 2 0 0 3 07431.
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2. Abschnitt. Die Tat
widrigen Ergebnisses ganz allgemein (objektiv) und speziell für den Täter (subjektiv) erforderlich (BGHSt 4 9 239, 242; vgl. auch BGH NStZ 2005 384 ff). Hierfür komme neben Vorerfahrungen mit vergleichbaren Straftaten auch die Alkoholisierung in einer Umgebung in Betracht, in der sich aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalles das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge des Alkoholgenusses erhöht hat (z.B. Alkoholisierung in einer emotional aufgeladenen Krisensituation oder unter gruppendynamischen Einflüssen, etwa in einer Gruppe marodierender Hooligans oder gewaltbereiter Radikaler; BGHSt 4 9 239, 243 ff). An die Überzeugungsbildung des Tatrichters, der die Begriffe der objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit strafbaren Verhaltens bei Alkoholisierung in wertender Betrachtung auszufüllen habe, dürften dabei nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden, da die vielfach verheerende Wirkung des übermäßigen Alkoholgenusses allgemein bekannt sei. 56
Während die Entscheidung des 5. Senats nur eine Präzisierung und keine grundsätzliche Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung beinhaltet (ebenso jetzt der 4. Senat NStZ 2 0 0 6 274; zust. Schöch GA 2 0 0 6 375 sowie der 2. Senat StV 2 0 0 6 465 f), würde die vom 3. Senat angestrebte Neuorientierung, die nach derzeitigem Stand nicht ohne Anrufung des Großen Senats für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG erfolgen dürfte, eine schwerlich mit dem Schuldprinzip zu vereinbarende Aushöhlung des § 21 darstellen.
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Die Änderung der Rechtsprechung wird daher in der Literatur nahezu einhellig abgelehnt. 50 Insbesondere bei schwereren Straftaten, bei denen der gemilderte Strafrahmen die Fünfjahresgrenze des § 323a übersteigt (alle Verbrechen sowie die meisten Vergehen mit erhöhter Mindeststrafe wie z.B. § 224 oder § 243), existiert der behauptete Wertungswiderspruch nicht (Neumann StV 2003 528 f; Streng NJW 2003 2964 f; Verrei/ Hoppe JuS 2005 310). Vielmehr wird in diesen Fällen die aus § 21 resultierende Schuldminderung nicht generell durch den zusätzlichen Schuldvorwurf selbstverschuldeter Trunkenheit kompensiert (Roxin AT I § 20 Rdn. 45; Frister J Z 2003 1020), der nach der Konzeption des 3. Senats ohne jede Vorerfahrung zu erheben wäre, also sogar bei der ersten Berauschung, die zugleich zur ersten Straftat führt ( Verrel/Hoppe JuS 2005 311). Die Berufung des 3. Senats auf den Willen des historischen Gesetzgebers ist vom 5. Senat überzeugend widerlegt worden, insbesondere durch den Hinweis, dass sich der Gesetzgeber in Kenntnis verschiedener Vorschläge zur Versagung der Strafmilderung bei selbstverschuldeter Trunkenheit bewusst für die fakultative Strafmilderung auch in diesen Fällen entschieden hat (BGHSt 49 239, 249). 5 1 Wenig überzeugend ist auch der Hinweis auf die - eine Strafmilderung bei selbstverschuldeter Trunkenheit ausschließenden Regelungen in § 16 Abs. 2 S. 3 DDR-StGB und § 7 WStG, da erstere aus einem Rechtssystem mit anderem Verständnis des Schuldstrafrechts auch bei alkoholbedingter Schuldunfähigkeit stammt (Neumann StV 2003 530) und letztere ersichtlich mit den Gefahren des Alkohols für die soldatische Disziplin einen Sonderfall im Auge hat, der sich kaum für eine Übertragung auf Staatsbürger außerhalb dieses besonderen Gewaltverhältnisses eignet (Rau J R 2004 404; Verrel/Hoppe JuS 2005 310 f). Das bisher praktizierte Kompensationsmodell ist also sowohl de lege lata als auch de lege ferenda 52 vorzugswürdig, 50
Roxin AT I § 2 0 Rdn. 4 5 ; Frister J Z 2 0 0 3 1016; Neumann StV 2 0 0 3 5 2 7 ; Streng N J W 2 0 0 3 2 9 6 3 ; Scheffler BA 2 0 0 3 4 4 9 ; Baier JA 2 0 0 4 1 0 4 ; Rau J R 2 0 0 4 4 0 1 ; Duensing StraFo 2 0 0 5 15; Verrel/Hoppe JuS 2 0 0 5 3 0 8 ; a A Foth N S t Z 2 0 0 3 5 9 7 ; in diesem Sinne bereits ders. D R i Z 1 9 9 0 417, 4 2 0 ; den. N J 1 9 9 1 3 8 6 , 3 9 0 ; Baier JA 2 0 0 4 1 0 4 ff.
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Dazu auch Rautenberg S. 12 ff; Neumann StV 2 0 0 3 5 2 8 ; Verrel/Hoppe JuS 2 0 0 5 3 0 9 f.
52
Vgl. Rautenberg S. 2 4 6 ; ders. (mit neuen Vorschlägen) D t Z 1 9 9 7 4 5 ; für Herausnahme der selbstverschuldeten Trunkenheit aus dem Regelungsbereich des § 21 Schnarr sowie Abschlussbericht der Kommission zur
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Verminderte Schuldfähigkeit
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da es sachgerechte Abstufungen zwischen Personen erlaubt, die erstmals unter Alkoholeinfluss straffällig werden und solchen, die wegen ihrer einschlägigen Vorerfahrungen keine Nachsicht verdienen ( Verrel/Hoppe JuS 2005 311). Nicht ohne weiteres als schulderhöhender Umstand gilt eine selbstverschuldete Sucht. So wird der Alkohol- oder Drogensüchtige, solange er abhängig ist, selten die Kraft aufbringen, dem Drang nach erneutem Rauschmittelkonsum zu widerstehen (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 10, 19, 33, 38; BGH NStZ 1999 448; 2004 495; StV 1992 569; 2004 651, 652). Anders verhält es sich bei Beschaffungstaten von Drogenabhängigen, wenn der Täter in klarer Kenntnis der Folgen eine ihm angebotene Drogentherapie abgelehnt hat. Sofern in derartigen Fällen nicht ohnehin die Voraussetzungen einer actio libera in causa gegeben sind (§ 2 0 Rdn. 209 f), wird dieses Verhalten als Gleichgültigkeit gegenüber den Anforderungen des Rechts und damit als schulderhöhender Umstand gewertet werden können (Terhorst MDR 1982 368; OLG Köln NStZ 1982 250).
58
Auch Tätern, deren Widerstandskraft gegenüber dem Aufsuchen oder Schaffen von Gelegenheiten zur Begehung von Sexualdelikten auf Grund einer sexuellen Perversion herabgesetzt ist, kann nicht ohne weiteres ein Vorverschulden angelastet werden (BGHSt 28 357, 359; BGH NJW 1962 1779, 1780; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 34; vgl. auch OLG Köln GA 1978 84). Vgl. dazu im Übrigen § 20 Rdn. 211 f.
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d) Einzelheiten. Keine schulderhöhenden Momente lassen sich aus spezialpräventiven Erwägungen gewinnen (Rdn. 44). Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 finden sie ihren Platz vielmehr in der durch den anwendbaren Strafrahmen vorgegebenen konkreten Strafzumessung (Lackner/Kühl § 46 Rdn. 27), und auch hier nur im Rahmen des Spielraums, innerhalb dessen eine Strafe noch als gerechter Schuldausgleich anzuerkennen ist (BGHSt 2 0 264, 267).
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Unzulässig ist es auch, eine Rahmenmilderung bestimmten Gruppen von Straftätern 6 1 (wie z.B. Psychopathen und Drogenabhängigen) oder bei einzelnen Begehungsweisen (z.B. Trunkenheit im Verkehr) von vornherein zu versagen (Sch/Schröder/Lenckner/ Perron Rdn. 22; BGH NJW 1953 1760; StV 1989 199: Vermögens- und Steuerstraftaten). Dass der Täter vergleichbare Taten bereits in voll schuldfähigem Zustand begangen hat, besagt für sich genommen nichts über den Umfang seines Verschuldens im Zustand des § 21 (BGH StV 1986 14). Leidet der Täter an mehreren Störungen, von denen jede für sich zu einer Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt hat (allgemein zur Komorbidität § 20 Rdn. 1 8 0 183), so ist der Strafrahmen gleichwohl nur einmal zu mildern, wenn der Zustand insgesamt das Ausmaß, welches § 21 voraussetzt, nicht überschreitet (BayObLG VRS 67 219).
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Fehlerhaft ist es, Feststellungen zur verminderten Schuldfähigkeit mit der Begründung 6 3 zu unterlassen, dass eine Rahmenmilderung auch unterbleiben würde, wenn die Voraussetzungen des § 21 vorlägen. Eine hypothetische Strafzumessung verfehlt notwendigerweise die Bewertung der konkreten Schuld (BGHSt 7 359; BGH StV 1981 401; BGH bei Pfeiffer/Maul/Schulte % 51 Anm. 17; OLG Düsseldorf StV 1996 217; aA wohl BGH bei Dallinger M D R 1951 657; OLG Hamm VRS 12 434). 4. Auswahl unter mehreren Strafrahmen. Welchen Strafrahmen der Richter unter mehreren zur Verfügung stehenden (Rdn. 38) wählt, ist seinem pflichtgemäßen Ermessen überlassen. 53 Er muss nur im Urteil darlegen, dass er die Wahlmöglichkeit geprüft hat
S3
Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems in Hettinger S. 94 f, 308. BGHSt 21 57; BGH NStZ 1982 200; BGH
bei Holtz M D R 1978 987; Hettinger Das Doppelverwertungsverbot bei strafrahmenbildenden Umständen (1982) S. 289.
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2. Abschnitt. Die Tat
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(BGHSt 16 3 6 0 , 3 6 3 ; B G H bei Holtz M D R 1 9 7 9 105). Dabei kann sich eine bestimmte Abfolge der Prüfungsschritte als zweckmäßig erweisen; ein Abweichen davon ist jedoch kein Rechtsfehler ( B G H R StGB vor § 1 minder schwerer Fall Gesamtwürdigung, unvollst. 7). Die Versagung einer (weiteren) Rahmenmilderung aus §§ 21, 4 9 bedarf besonderer Begründung, insbesondere ist darzulegen, warum der Täter mit vergleichbaren Straftaten rechnen musste (BGH StV 1 9 8 6 2 4 8 ; N S t Z - R R 1 9 9 9 12). Dagegen ist der Richter nicht verpflichtet, von mehreren möglichen Strafrahmen denjenigen heranzuziehen, der dem Täter am günstigsten ist. 5 4 Der Satz „in dubio pro reo" findet auch seinem Grundgedanken nach nicht auf den Wertungsakt der Strafrahmenwahl Anwendung; vielmehr ist der Richter verpflichtet, die der Tat und der Person des Täters gerecht werdende Entscheidung zu treffen. 65
Der Richter ist auch befugt, den bei Annahme eines minder schweren Falles sich ergebenden Strafrahmen zusätzlich nach §§ 21, 4 9 herabzusetzen, wenn die Milderungsgründe jeweils eine selbständige sachliche Grundlage haben (vgl. BGHSt 3 0 166 m. Anm. Bruns J R 1982 166; Lackner/Kühl § 5 0 Rdn. 5; zum Verhältnis von § 213 und §§ 21, 4 9 s. Rdn. 2 7 ff).
VII.
Strafzumessung
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Setzt der Richter den Strafrahmen auf einem der in Rdn. 38 bezeichneten Wege herab, so ist der Strafmilderungsgrund des § 21 verbraucht. Er darf nach § 5 0 nicht noch einmal zu einer Rahmenmilderung führen, und die Tatsache der verminderten Schuldfähigkeit als solche darf bei der konkreten Strafzumessung nicht erneut berücksichtigt werden. 5 5 Unerheblich ist dabei, ob etwa die Annahme eines minder schweren Falles allein auf der verminderten Schuldfähigkeit oder zugleich auf anderen Umständen beruht (BGH N J W 1986 1699, 1700). Doch beschränkt sich das Doppelverwertungsverbot darauf. Auf die den Milderungsgrund konkretisierenden Umstände muss der Richter innerhalb des maßgebenden Rahmens, bei der Strafzumessung im engeren Sinne, zurückkommen. 5 6 Da sie bereits zu einer Rahmenmilderung geführt haben, darf er ihnen allerdings ein entsprechend geringeres Gewicht beilegen (BGHR StGB § 5 0 Strafhöhenbemessung 1, 2); hat ein Übergang von der lebenslangen zu zeitiger Freiheitsstrafe stattgefunden, kann ein weiteres strafmilderndes Gewicht auch gänzlich fehlen (BGH NStZ 1992 538).
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Als derartige konkretisierende Umstände bezeichnet die Rechtsprechung sachgerecht das Ausmaß der Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit (BGHSt 7 28, 31; BGH StV 1981 2 3 7 ; N S t Z 1 9 8 4 5 4 8 ) ; sie ist hierbei den Gedankengängen verhaftet, welche eine Versagung der Strafrahmenmilderung beim Versuch im Falle der Nähe zur Tatvollendung rechtfertigen (BGHSt 16 351, 353). Soweit Abstufungen nach dem Schweregrad der psychischen Störung feststellbar sind, ist deren Verwertung geboten, um dem M a ß der
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AA Bruns Strafzumessungsrecht S. 516; Tröndle/Fischer § 50 Rdn. 5; Horn SK7 § 46 Rdn. 69; Horstkotte FS Dreher, S. 265, 276; Rudolphi SK 7 § 50 Rdn. 5; Schild JA 1991 48. BGHSt 26 311; 16 351, 354; BGH NJW 1983 350; 1989 3230; NStZ 1984 584; 1990 30; Lackner/Kühl § 49 Rdn. 10; Sch/Schröder/ Lenckner/Perron Rdn. 23.
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BGHSt 26 311; BGH StV 1982 522; 1983 60; 1985 54; NStZ 1984 548; BGHR StGB § 50 Strafhöhenbemessung 2, 3, 4; Bruns Recht der Strafzumessung (1985) S. 207; Lackner/Kühl § 49 Rdn. 10; aA Dreher JZ 1968 209, 213.
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Verminderte Schuldfähigkeit
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Einschränkung der Handlungskompetenz des Täters gerecht zu werden (Rdn. 27). Im Mittelpunkt der Bewertung stehen deshalb im Wesentlichen Verschuldensgesichtspunkte.57 Bei mehreren Störungen, von denen jede für sich zur erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt hätte, kann auch dieser Umstand Bedeutung erlangen (BayObLG VRS 67 219). Im Übrigen ist zu beachten, dass die Tatsache der verminderten Steuerungsfähigkeit auch das Gewicht aller übrigen Strafzumessungstatsachen beeinflussen kann. Die angemessene Strafe ist innerhalb des zunächst festgelegten Strafrahmens zu ermitteln. Bei Aburteilung mehrerer Taten sind die jeweiligen Einzelstrafen zu mildern, nicht erst die Gesamtstrafe (BGH NJW 1966 509), da die Voraussetzungen des § 21 für jeden Rechtsverstoß gesondert zu prüfen sind. Die Verhängung der Höchststrafe, auch der lebenslangen Freiheitsstrafe bei Mord, ist nicht unzulässig (Rdn. 42).
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VIII. Verhältnis zu § 3 J G G und § 7 W S t G Eine verminderte jugendstrafrechtliche Verantwortlichkeit analog § 21 StGB gibt es im Jugendstrafrecht nicht; jedoch kann der Reifegrad bei der Auswahl und Zumessung der Sanktionen eine Rolle spielen (Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 83). Daneben kommt § 21 StGB als allgemeiner Strafmilderungsgrund in Betracht (BGHSt 5 367; BGH StV 1982 437; 1984 254), dessen Anwendung allerdings zugleich die Möglichkeit einer Unterbringung nach § 63 StGB eröffnet. Dies soll sogar dann möglich sein, wenn die Strafmündigkeit gemäß § 3 J G G verneint wurde (BGHSt 2 6 67 mit zust. Anm. Brunner J R 1976 116: im Fall eines jugendlichen Debilen). Dem ist trotz des scheinbaren begrifflichen Widerspruchs zuzustimmen, da § 3 J G G nur die Strafbegründungsschuld ausschließt, nicht die für die Maßregelentscheidung geltenden § § 5 Abs. 3, 7 J G G , welche die Verhängung von Maßregeln gemäß §§ 63, 64 auch unter den Voraussetzungen des § 21 StGB zulassen. 58 Dies führt dazu, dass der Täter nicht nur in einer Entziehungsanstalt, sondern auch in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden kann. Zu beachten ist, dass hier auf die Voraussetzungen des § 21 abgestellt wird, welche trotz der Verneinung von § 3 J G G vorliegen können. Ein dem § 21 entsprechender Zustand wird im Rahmen des § 63 StGB geprüft (Streng MK Rdn. 47).
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Die Sonderregelung des § 7 WStG, welche für Soldaten eine Strafmilderung bei selbstverschuldeter Trunkenheit ausschließt, kann als weitere Fallgruppe für die Versagung der fakultativen Strafmilderung (Rdn. 46 ff) in den Rahmen der Ermessensnorm des § 21 eingebaut werden (Streng MK Rdn. 48).
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I X . Recht des Einigungsvertrages Zu den Voraussetzungen und Folgen erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Recht der DDR und zum Übergangsrecht vgl. LK 1 1 § 20 Rdn. 96 ff.
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BGHSt 2 6 311, 312; B G H N S t Z 1 9 8 4 5 4 8 ; aA Schreiber/Rosenau in Foerster4 S. 83.
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Ebenso: Brunner/Dölling11 § 3 Rdn. 10; Streng M K Rdn. 158: § 21 Rdn. 4 7 ;
Sch/Schröder/Lenckner/Perron Rdn. 2 7 ; aA Eisenberg10 J G G § 3 Rdn. 3 4 ; Ostendorf6 § 3 Rdn. 4 ; Schaffstein/Beulke14 § 7 IV 3.
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ZWEITER TITEL Versuch Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff Schrifttum Adams/Skavell Zur Strafbarkeit des Versuchs, GA 1990 337; Albrecht Der untaugliche Versuch (1973); Altenhain Der Zusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge bei den erfolgsqualifzierten Versuchen, GA 1996 19; Alwart Strafwürdiges Versuchen (1982); ders. Zur Kritik der strafrechtlichen Stufenlehre, GA 1986 245; Ambos Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts (2002); ders. Internationales Strafrecht (2006); Androulakis Über die dritte Art der Rechtsgüterbeeinträchtigung, Festschrift Schreiber (2003) 13; Arndt Die landesverräterische Geheimnisverletzung, ZStW 66 (1954) 41; Arzt Die Neufassung der Diebstahlsbestimmungen, JuS 1972 515; ders. Urteilsanmerkung, StV 1985 104; Bacigalupo/Grasso/Tiedemann Vorschlag einer EG-Verordnung über Grundsätze für die Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Sanktionen, in Schünemann/González (Hrsg.), Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts (1995) 466; Baier Versuchter Raub mit Todesfolge, JA 2001 751; Bamberger Versuch beim Unterlassungsdelikt, Diss. jur. Bonn (1978); Baumgarten Die Lehre vom Versuche der Verbrechen (1888); v. Bar Gesetz und Schuld II (1907); Beck Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierung (1992); Berz Formelle Tatbestandsverwirklichung und materialer Rechtsgüterschutz: eine Untersuchung zu den Gefährdungs- und Unternehmensdelikten (1986); ders. Die entsprechende Anwendung von Vorschriften über die tätige Reue am Beispiel der Unternehmensdelikte, Festschrift Stree/Wessels (1993) 331; Beulke Urteilsanmerkung, NStZ 1999 26; Bitzilekis Über die strafrechtliche Bedeutung der Abgrenzung von Vollendung und Beendigung der Straftat, ZStW 9 9 (1987) 723; Blei Die Regelbeispieltechnik der schweren Fälle und §§ 243, 244 StGB, Festschrift Heinitz (1972) 419; Bloy Die dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe (1976); ders. Grund und Grenzen der Strafbarkeit der mißlungenen Anstiftung, J R 1992 493; ders. Urteilsanmerkung, J Z 1999 157; ders. Unrechtsgehalt und Strafbarkeit des grob unverständigen Versuchs, ZStW 113 (2001) 76; ders. Die Bedeutung des Irrtums über die Täterrolle, ZStW 117 (2005) 3; Bockelmann Zur Abgrenzung der Vorbereitung vom Versuch, J Z 1954 486; ders. Über das Verhältnis der Begünstigung zur Vortat, NJW 1951 620; ders. Strafrechtliche Untersuchungen (1957); Braunsteffer Die Problematik der Regelbeispielstechnik im Strafrecht, Diss. jur. Mannheim (1976); Brockhaus Die strafrechtliche Dogmatik von Vorbereitung, Versuch und Rücktritt im europäischen Vergleich (2006); Burgstaller Über den Verbrechensversuch, JB1. 1969 521; ders. Der Versuch nach § 15 StGB, JB1. 1976 117; v. Buri Versuch und Kausalität, GS 32 (1880) 321; ders. Ueber die sog. untauglichen Versuchshandlungen, ZStW 1 (1881) 185; ders. Ueber den Begriff der Gefahr und seine Anwendung auf den Versuch, GS 4 0 (1888) 503; Burkhardt Das Unternehmensdelikt und seine Grenzen, J Z 1971 352; Bussmann Zur Dogmatik erfolgsqualifizierter Delikte nach dem Sechsten Strafrechtsreformgesetz, GA 1999 21; Calliess Die Rechtsnatur der „besonders schweren Fälle" und Regelbeispiele im Strafrecht, J Z 1975 112; ders. Der Rechtscharakter der Regelbeispiele im Strafrecht, NJW 1998, 930; Gancio Überlegungen zu einer gemeineuropäischen Regelung des Versuchs, in Tiedemann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union (2002) 169; Degener Strafgesetzliche Regelbeispiele und deliktisches Versuchen, Festschrift Stree/Wessels (1993) 305; Delmas-Marty Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft (2001); Delaquis Der untaugliche Versuch (1904); Oessecker Im Vorfeld eines Verbrechens: die Handlungsmodalitäten des § 30 StGB, JA 2 0 0 5 549; Dicke Zur Problematik des untauglichen Versuchs, JuS 1968 157; Dohna, Graf zu Der Mangel am Tatbestand, Festgabe Güterbock (1910) 35; Dreher Die Malaise mit § 2 5 2
Thomas Hillenkamp
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2. Abschnitt. Die Tat
StGB, M D R 1976 529; ders. Grundsätze und Probleme des § 49a StGB, GA 1954 14; Dreßler Vorbereitung und Versuch im Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik im Vergleich mit dem Recht der Bundesrepublik Deutschland (1982); Duttge Vorbereitung eines Computerbetruges: auf dem Weg zu einem „grenzenlosen" Strafrecht, Festschrift Weber (2004) 285; ders.lHörnielRenzikowski Das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, N J W 2004 1065; Eisele Die Regelbeispielsmethode im Strafrecht (2004); ders. Die Regelbeispielsmethode: Tatbestands- oder Strafzumessungslösung? JA 2 0 0 6 309; Engisch Der Unrechtstatbestand im Strafrecht, Festschrift DJT Bd. I (1960) 401; Engländer Kausalitätsprobleme beim unechten Unterlassungsdelikt - BGH NStZ 2000, 414, JuS 2001 958; Fabry Der besonders schwere Fall der versuchten Tat, NJW 1986 15; Fahl/Scheuermann-Kettner Versuch, Vorbereitung usw. - Lernbeitrag Strafrecht, JA 1999 124; Fincke Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts (1975); Fischer Der räuberische Angriff auf Kraftfahrer nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz, Jura 2 0 0 0 433; Foregger/Fabrizy Österreichisches Strafgesetzbuch - Kurzkommentar (1999); Fornascari Die Regelung des Versuchs und des Rücktritts vom Versuch im deutschen und italienischen Strafrecht, in Momsen/Bloy/Rackow (Hrsg.), Fragmentarisches Strafrecht (2003) 49; Frank Vollendung und Versuch, VDA Bd. V (1908) 163; Franzius Versuch und Vorbereitungshandlungen, in: Materialien zur Strafrechtsreform 2. Band (1954) 309; Freister Gedanken zum Kriegsstrafrecht und zur Gewaltverbrecherverordnung, DJ 1939 1849; Frisch Der Irrtum als Unrechts- und/oder Schuldausschluß im deutschen Strafrecht, in Eser/Perron (Hrsg.), Rechtfertigung und Entschuldigung III (1991) 217; Fuchs Probleme des Deliktsversuchs, O J Z 1986 257; ders. Überlegungen zu Fahrlässigkeit, Versuch, Beteiligung und Diversion, Festschrift Burgstaller (2004) 41; Furtner Rechtliche Vollendung und tatsächliche Beendigung bei einer Straftat, J R 1966 169; ders. Verhältnis von Beihilfe und Begünstigung, M D R 1965 431; Gallas Urteilsanmerkung, ZAkDR 1937 437; ders. Beiträge zur Verbrechenslehre (1968); Geilen Raub und Erpressung, Jura 1979 613; v. Gemmingen Die Rechtswidrigkeit des Versuchs (1932); Geppert Urteilsanmerkung, NStZ 1986 552; ders. Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§ 316a StGB), Jura 1995 310; ders. Die versuchte Anstiftung (§ 30 Abs. I StGB), Jura 1997 546; Germann Über den Grund der Strafbarkeit des Versuchs (1914); ders. Das Verbrechen im neuen Strafrecht (1942); Glöckner Cogitationis poenam nemo patitur; zu den Anfängen einer Versuchslehre in der Jurisprudenz (1989); Gössel Zur Strafbarkeit des Versuchs nach dem 2. StrRG, GA 1971 255; ders. Über die Vollendung des Diebstahls, ZStW 85 (1973) 591; ders. Rezension - Martin Fincke: Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts, JA 1975 385; ders. Dogmatische Überlegungen zur Teilnahme am erfolgsqualifizierten Delikt nach § 18 StGB, Festschrift Lange (1976) 219; Goltdammer Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die Preußischen Staaten Theil I (1851); Graul Versuch eines Regelbeispiels - BayObLG NStZ 1997, 442; BGH NStZR R 1997, 293, JuS 1999 852; dies. Urteilsanmerkung, J R 1999 249; Gropp Tagungsbericht, Diskussionsbeiträge der Strafrechtslehrertagung 1985 in Frankfurt a.M., ZStW 97 (1985) 919; Grünwald Der Versuch des unechten Unterlassungsdelikts, J Z 1959 46; ders. Die Beteiligung durch Unterlassen, GA 1959 110; Günther Der „Versuch" des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer, J Z 1987 16; ders. Der Zusammenhang zwischen Raub und Todesfolge (§ 251 StGB), Festschrift Hirsch (1999) 543; Gärtner Der Gedanke der Gerechtigkeit in der deutschen Strafrechtserneuerung, in Gürtner/ Freisler, Das neue Strafrecht - Grundsätzliche Gedanken zum Geleit (1936) 19; Hälschner Die Beurtheilung fortgesetzter und fortdauernder Verbrechen bei einem während ihrer VerÜbung erfolgten Wechsel in der Gesetzgebung, GA 8 (1860) 441; Haffke Unterlassung der Unterlassung, ZStW 87 (1975) 44; Hall Über das Mißlingen. Eine anthropologisch-strafrechtliche Studie über Versuch und Fahrlässigkeit, Festschrift Wolf (1962) 454; Hardtung Gegen die Vorprüfung beim Versuch Jura 1996 293; ders. Versuch und Rücktritt bei den Teilvorsatzdelikten des § 11 Abs. 2 StGB: über Erfolgsqualifikationen und andere Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen (2002); ders. Urteilsanmerkung, NStZ 2 0 0 3 261; Harzer Der provozierende Helfer und die Beihilfe am untauglichen Versuch, StV 1996 336; Hau Die Beendigung der Straftat und ihre rechtlichen Wirkungen (1974); Heckler Die Ermittlung der beim Rücktritt vom Versuch erforderlichen Rücktrittsleistung anhand der objektiven Vollendungsgefahr (2002); Heinitz Franz von Liszt als Dogmatiker, ZStW 81 (1969) 572; Hennig Vorbereitung und Versuch im Strafrecht der DDR (1966); Hennke Zur Abgrenzung der strafbaren Vorbereitungshandlung beim Hochverrat, ZStW 66 (1954) 390 ff; Herzberg Der Versuch beim unechten Unterlassungsdelikt, MDR 1973 89; ders. Täterschaft und Teilnahme: eine systematische Darstellung anhand von Grundfällen (1977); ders. Täterschaft, Mittäterschaft und Akzesso-
1374
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 22
rietät der Teilnahme, ZStW 9 9 (1987) 49; ders. Zur Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, GA 2001 257; Hillenkamp Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierungen bei abweichendem Tatverlauf (1971); ders. Urteilsanmerkung, M D R 1977 242; ders. Vorsatztat und Opferverhalten (1981); ders. Möglichkeiten der Erweiterung des Instituts der tätigen Reue, in Schöch (Hrsg.), Wiedergutmachung und Strafrecht (1987) 81; ders. Zur „Vorstellung von der Tat" im Tatbestand des Versuchs, Festschrift Roxin (2001) 689; ders. 32 Probleme aus dem Strafrecht Allgemeiner Teil (2006); Hirsch Zur Problematik des erfolgsqualifizierten Delikts, GA 1972 65; ders. Untauglicher Versuch und Tatstrafrecht, Festschrift Roxin (2001) 711; ders. Zur Behandlung des ungefährlichen „Versuchs" de lege lata und de lege ferenda, Gedächtnisschrift Vogler (2004) 31; Höinghaus Das neue Strafgesetzbuch für den norddeutschen Bund mit den vollständigen amtlichen Motiven, 2. Aufl. (1870); Honig Entwurf eines amerikanischen Musterstrafgesetzbuchs (1965); ders. Entwurf eines Strafgesetzbuchs für die Vereinigten Staaten von Amerika (Model Penal Code) Teil I, ZStW 75 (1963) 63; Teil II ZStW 77 (1965) 37; Horn Der Versuch, ZStW 2 0 (1900) 309; Hruschka Dogmatik der Dauerstraftaten und das Problem der Tatbeendigung, GA 1968 193; ders. Urteilsanmerkung, J Z 1969 607; ders. Urteilsanmerkung, J Z 1983 217; Husemann Die Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes des bargeldlosen Zahlungsverkehrs durch das 35. Strafrechtsänderungsgesetz, N J W 2 0 0 4 104; Ingelfinger Zur tatbestandlichen Reichweite der Neuregelung des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer und zur Möglichkeit strafbefreienden Rücktritts vom Versuch, J R 2 0 0 0 225; Isenbeck Beendigung der Tat bei Raub und Diebstahl, NJW 1965 2326; Jakobs Kriminalisierung im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung, ZStW 9 7 (1985) 751; ders. Materielle Vollendung bei Verletzungsdelikten gegen eine Person, Festschrift Roxin (2001) 793; Jescheck Wesen und rechtliche Bedeutung der Beendigung der Straftat, Festschrift Welzel (1974) 683; ders. Strafrechtsreform in Deutschland Allgemeiner Teil (Versuch), SchweizZStr. 91 (1975) 1; ders. Versuch und Rücktritt bei Beteiligung mehrerer Personen an der Straftat, ZStW 9 9 (1987) 111; Joerden Zur Versuchsstrafbarkeit beim Betrug und seinen Derivaten im Wirtschaftsstrafrecht, Festschrift Blomeyer (2004) 373; Kadel Urteilsanmerkung, J R 1985 386; Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959); ders. Die Dogmatik im AlternativEntwurf, ZStW 80 (1968) 34; Kawaguchi Der untaugliche Versuch im japanischen Strafrecht unter Berücksichtigung der deutschen Versuchslehre, ZStW 110 (1998) 561; Kayser Schärfster Kampf dem Gewaltverbrecher!, DR 1940 44; Kern Grade der Rechtswidrigkeit, ZStW 64 (1952) 255; Kindhäuser Gefährdung als Straftat: rechtstheoretische Untersuchungen zur Dogmatik der abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikte (1989); ders. Zur Anwendbarkeit der Regeln des Allgemeinen Teils auf den besonders schweren Fall des Diebstahls, Festschrift Triffterer (1996) 123; Kölz-Ott Eventualvorsatz und Versuch (1974); Koffka Niederschriften 2 (1958); Kostusch Versuch und Rücktritt beim erfolgsqualifizierten Delikt (2004); Kratzsch Die Bemühungen um Präzisierung der Ansatzformel (S 22 StGB) - ein absolut untauglicher Versuch? (Teil 1), JA 1983 4 2 0 ; ders. Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht: Ansätze zur Reform des strafrechtlichen Unrechtsbegriffs und der Regeln der Gesetzesanwendung (1985); Kretschmer Urteilsanmerkung, NStZ 1998 401; ders. Mittelbare Täterschaft - Irrtümer über die tatherrschaftsbegründende Situation, Jura 2003, 535; Krüger Der Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft (1994); Kühl Die Beendigung des vorsätzlichen Begehungsdelikts (1974); ders. Grundfälle zu Vorbereitung, Versuch, Vollendung und Beendigung, JuS 1979 718, 874; 1980 120, 273, 506, 650, 811; 1981 193; 1982 189; ders. Angriff und Verteidigung bei der Notwehr (I), Jura 1993 57; ders. Die Beendigung des vollendeten Delikts, Festschrift Roxin (2001) 665; ders. Vollendung und Beendigung bei den Eigentums- und Vermögensdelikten, JuS 2 0 0 2 729; ders. Der Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts, Festschrift Gössel (2002) 191; ders. Urteilsanmerkung, J Z 2003 637; ders. Das erfolgsqualifizierte Delikt (Teil II): Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts und Rücktritt, Jura 2 0 0 3 19; Küper Gefährdung als Erfolgsqualifikation? N J W 1976 543; ders. Grenzfragen der Unfallflucht - zugleich ein Beitrag zur Deliktsbeendigung, J Z 1981 251; ders. Regelbeispiel und Versuch des Regelbeispiels, J Z 1986 518; ders. „Sukzessive" Tatbeteiligung vor und nach Raubvollendung - BGH, N J W 1985, 814; JuS 1986 862; ders. Der Rücktritt vom „erfolgsqualifizierten Versuch", J Z 1997 229; Küpper Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge beim erfolgsqualifizierten Delikt (1982); Lackner Das konkrete Gefährdungsdelikt im Verkehrsstrafrecht (1967); Laubenthal Der Versuch des qualifizierten Delikts einschließlich des Versuchs im besonders schweren Fall bei Regelbeispielen, J Z 1987 1065; Laue Ist der erfolgsqualifizierte Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge möglich? JuS 2003 743; Lehmann Die Bestrafung des Versuchs nach deutschem und amerikanischem Recht
Thomas Hillenkamp
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Vor § 22
2. Abschnitt. Die Tat
(1962); Lekschas/Bucbholz Strafrecht der DDR - Lehrbuch (1988); Lesch Das Problem der sukzessiven Beihilfe (1992); Letzgus Vorstufen der Beteiligung (1972); Lieben Gleichstellung von „versuchtem" und „vollendetem" Regelbeispiel? NStZ 1984 538; v. Liszt Zur Lehre vom Versuch, ZStW 25 (1905) 24; ders. Das fehlgeschlagene Delikt und die Cohn'sche Versuchstheorie, ZStW 1 (1881) 93; υ. Lübbecke Strafbarkeit des versuchten Diebstahls in einem schweren Fall, M D R 1973 374; T. Maier Die Objektivierung des Versuchsunrechts (2005); Maihofer Der Versuch der Unterlassung, GA 1958 289; Maiwald Abschied vom strafrechtlichen Handlungsbegriff, ZStW 86 (1974) 626; ders. Historische und dogmatische Aspekte der Einheitstäterlösung, Festschrift Bockelmann (1979) 343; ders. Die natürliche Handlungseinheit (1964); Malitz Der untaugliche Versuch beim unechten Unterlassungsdelikt (1998); Maurer Strafbewehrte Handlungspflichten des GmbH-Geschäftsführers in der Krise, wistra 2 0 0 3 174; M. E. Mayer Versuch und Teilnahme, in Aschrott/v. Liszt Reform des Strafgesetzbuchs Erster Band AT (1910) 331; Meinecke Die Gesetzgebungssystematik der Versuchsstrafbarkeit von Verbrechen und Vergehen im StGB (2001); Meyer Kritik an der Neuregelung der Versuchsstrafbarkeit ZStW 87 (1975) 598; Ministerium der Justiz (MdJ) Strafrecht der DDR - Lehrkommentar zum StGB Band I (1987); Mitsch Die Vermögensdelikte im Strafgesetzbuch nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz, ZStW 111 (1999) 65; Mittermaier Der Versuch von Verbrechen, bei denen es an dem erforderlichen Gegenstande des Verbrechens mangelt, und der Versuch mit untauglichen Mitteln, GS 11 (1859) 403; Momsen Das „unmittelbare Ansetzen" als Ausdruck generalpräventiver Strafbedürftigkeit, in Momsen/Bloy/Rackow (Hrsg.), Fragmentarisches Strafrecht (2003) 61; R. Müller Wann beginnt die Strafverfolgungsverjährung bei Steuerhinterziehung? wistra 2004 11; Murmann Versuchsunrecht und Rücktritt (1999); Nagler Die Neuordnung der Strafbarkeit von Versuch und Beihilfe, GS 115 (1941) 24; Naka Der Strafgrund des Versuchs, in Hirsch/Weigend (Hrsg.), Strafrecht und Kriminalpolitik in Japan und Deutschland (1989) 93; Neuhaus Die strafbare Deliktsvorbereitung unter besonderer Berücksichtigung des § 234a Abs. 3 StGB (1993); Niepoth Der untaugliche Versuch beim unechten Unterlassungsdelikt (1994); Oehler Das objektive Zweckmoment in der rechtswidrigen Handlung (1959); ders. Das erfolgsqualifizierte Delikt als Gefährdungsdelikt, ZStW 6 9 (1975) 503; ders. Konkurrenz von unechtem und echtem Unterlassungsdelikt, JuS 1961 154; Otto Schadenseintritt und Verjährungsbeginn, Festschrift Lackner (1987) 715; ders. Strafrechtliche Aspekte des Eigentumsschutzes (II), Jura 1989 200; Papageorgiou-Gonatas Wo liegt die Grenze zwischen Vorbereitungshandlungen und Versuch? (1988); Patzelt Ungerechtfertigte Steuervorteile und Verlustabzug im Steuerstrafrecht (1990); Perron Sind die nationalen Grenzen des Strafrechts überwindbar? ZStW 109 (1997) 290; Polaino-Navarrete Das Versuchsunrecht am Beispiel der schlichten Tätigkeitsdelikte und der echten Unterlassungsdelikte, Festschrift Gössel (2002) 157; Puppe Grundzüge der actio libera in causa, JuS 1980 350; Radbruch Entwurf eines allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches (1922); Radtke Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte: zugleich ein Beitrag zur Lehre von den gemeingefährlichen Delikten (1998); Rath Grundfälle zum Unrecht des Versuchs, JuS 1998 1006, 1999 32, 140; Rehberg/Donatsch Strafrecht I - Verbrechenslehre (2001); Rengier Erfolgsqualifizierte Delikte und verwandte Erscheinungsformen (1986); ders. Die Brandstiftungsdelikte nach dem sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts, JuS 1998 397; Renzikowski Wahnkausalität und Wahndelikt - zur Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, in M. Kaufmann (Hrsg.) Wahn und Wirklichkeit - Multiple Realitäten (2003) 309; Roeder Die Erscheinungsformen des Verbrechens im Spiegel der subjektiven und objektiven Strafrechtstheorie (1953); Roxin Unterlassung, Vorsatz und Fahrlässigkeit, Versuch und Teilnahme im neuen Strafgesetzbuch, JuS 1973 329; ders. Tatentschluß und Anfang der Ausführung beim Versuch, JuS 1979 1; ders. Über den Tatentschluß, Gedächtnisschrift Schröder (1979) 145; ders. Urteilsanmerkung, NStZ 1998 616; ders. Über den Strafgrund des Versuchs, Festschrift Nishihara (1998) 157; Roxin/Isfen Der allgemeine Teil des neuen türkischen Strafgesetzbuches, GA 2005 228; Roxin/Stree/Zipf/Jung Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975); Rudolphi Die Strafbarkeit des versuchten unechten Unterlassungsdelikts, M D R 1967 1; ders. Vorhersehbarkeit und Schutzzweck der Norm in der strafrechtlichen Fahrlässigkeitslehre, JuS 1969 549; ders. Inhalt und Funktion des Handlungsunwertes im Rahmen der personalen Unrechtslehre, Festschrift Maurach (1972) 51; ders. Die zeitlichen Grenzen der sukzessiven Beihilfe, Festschrift Jescheck (1985) 559; Rummler Die Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze vor Gericht (2000); Safferling Die Abgrenzung strafloser Vorbereitung und strafbarem Versuch im deutschen, europäischen und im Völkerstrafrecht, ZStW 118 (2006) 682; Sanchez Lázaro Strafbarkeit nicht voll zurechenbarer Rechtsgutsverletzungen nach Versuchsgrundsätzen im Fahrlässig-
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Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 22
keitsbereich, GA 2 0 0 5 700; Satzger Die Europäisierung des Strafrechts (2001); ders. Das neue Völkerstrafgesetzbuch - Eine kritische Würdigung, NStZ 2002 125; Sauermann Der Versuch als „delictum sui generis" (1927), Strafrechtliche Abhandlungen 227; Sax „Tatbestand" und Rechtsgutsverletzung, J Z 1976 429; Schaffstein Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen in ihrer Entwicklung durch die Wissenschaft des gemeinen Strafrechts (1930); ders. Die Vollendung der Unterlassung, Festschrift Dreher (1977) 147; W. Schmid Über Feuerbachs Lehre vom „Mangel am Tatbestand", Gedächtnisschrift Schröder (1978) 19; Schmidhäuser Gesinnungsethik und Gesinnungsstrafrecht, Festschrift Gallas (1973) 81; Schmitz Unrecht und Zeit (2001); Schneider Der abergläubische Versuch, GA 1956 262; Schröder Grundprobleme des § 49a StGB, JuS 1967 289; ders. Urteilsanmerkung, J Z 1967 368; ders. Die Unternehmensdelikte, Festschrift Kern (1968) 457; K. Schubert Der Versuch - Überlegungen zur Rechtsvergleichung und Harmonisierung (2005); W. Schubert Die Quellen zum Strafgesetzbuch von 1870/71, GA 1982 191; Schünemann Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft nach der Strafrechtsreform im Spiegel des Leipziger Kommentars und des Wiener Kommentars, GA 1986 293; Schwabe/Zitzen Probleme der Absatzhilfe bei § 2 5 9 I StGB, JA 2 0 0 5 193; Sieber Memorandum für ein Europäisches Modellstrafgesetzbuch, J Z 1997 369; Soivada Das „unechte Unternehmensdelikt" - eine überflüssige Rechtsfigur, GA 1988 195; ders. Die erfolgsqualifizierten Delikte im Spannungsfeld zwischen Allgemeinem und Besonderem Teil des Strafrechts, Jura 1995 644; ders. Die Gubener Hetzjagd: Versuchte Körperverletzung mit Todesfolge, Jura 2 0 0 3 549; Spendet Zur Notwendigkeit des Objektivismus im Strafrecht, ZStW 65 (1953) 519; ders. Kritik der subjektiven Versuchstheorie, N J W 1965 1881; ders. Zur Neubegründung der objektiven Versuchstheorie, Festschrift Stock (1966) 89; Stein Gemeingefährliche Straftaten - Brandstiftung, in Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz 1998 (1998) 75; Steppan Die versuchte Tatbegehung in der Carolina, Festschrift Kocher (2002) 291; Sternberg/Lieben Versuch und § 243 StGB, Jura 1986 185; Stratenwerth Urteilsanmerkung, J Z 1961 95; ders. Die fakultative Strafmilderung beim Versuch, Festgabe zum schweizerischen Juristentag (1963) 247; Stree Zur Auslegung der §§ 224, 226 StGB (zugleich ein Beitrag zum Versuch erfolgsqualifizierter Delikte), GA 1960 289; Streng Der Irrtum beim Versuch - ein Irrtum? ZStW 109 (1997) 863; Struensee Versuch und Vorsatz, Gedächtnisschrift Kaufmann (1989) 523; Sturm Das unvollendete fahrlässige Delikt, ZStW 5 9 (1940) 23; Thomsen Über den Versuch der durch eine Folge qualifizierten Delikte (1895); Tiedemann Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht (1969); ders. Grunderfordernisse des Allgemeinen Teils für ein europäisches Sanktionenrecht - Generalbericht, ZStW 110 (1998) 497; ders. Der Allgemeine Teil des Strafrechts im Lichte der europäischen Rechtsvergleichung, Festschrift Lenckner (1998) 411; Trechsel/Noll Schweizerisches Strafrecht AT (1998); Treplin Der Versuch, ZStW 76 (1964) 441; Ulsenheimer Zur Problematik des Versuchs erfolgsqualifizierter Delikte, GA 1966 257; ders. Zur Problematik des Rücktritts vom Versuch erfolgsqualifizierter Delikte, Festschrift Bockelmann (1979) 405; ders. Urteilsanmerkung, StV 1986 201; Vehling Die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch (1991); Vogler Funktion und Grenzen der Gesetzeseinheit, Festschrift Bockelmann (1979) 715; ders. Zur Frage der Ursächlichkeit der Beihilfe für die Haupttat, Festschrift Heinitz (1972) 295; ders. Die Begünstigungshandlung. Zum Begriff „Hilfe leisten" in § 2 5 7 StGB, Festschrift Dreher (1977) 405; Warda Grundfragen der strafrechtlichen Konkurrenzlehre, JuS 1964 81; Waiblinger Subjektivismus und Objektivismus in der neueren Lehre und Rechtsprechung vom Versuch, ZStW 6 9 (1957) 189; Waider Strafbare Versuchshandlungen der Jagdwilderer, GA 1962 176; Walther Vollendungsprobleme beim Tötungsdelikt, NStZ 2 0 0 5 657; Waßmer Tagungsbericht - Die Harmonisierung des Europäischen Strafrechts (II), J Z 2001 134; Weigend Die Entwicklung der deutschen Versuchslehre, in Hirsch/Weigend (Hrsg.), Strafrecht und Kriminalpolitik in Japan und Deutschland (1989) 113; Weisert Der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung (1999); Werle Konturen eines deutschen Völkerstrafrechts, J Z 2001 885; ders. Völkerstrafrecht (2003); Wessels Zur Problematik der Regelbeispiele, Festschrift Maurach (1972) 295; ders. Zur Indizwirkung der Regelbeispiele für besonders schwere Fälle einer Straftat, Festschrift Lackner (1987) 4 2 3 ; Wilda Das Strafrecht der Germanen (1842); Wittenbeck Probleme der Vorbereitung und des Versuchs einer Straftat, NJ 1967 370; Wolff Urteilsanmerkung, J R 2 0 0 5 128; Wolter Objektive und personale Zurechnung von Verhalten, Gefahr und Verletzung in einem funktionalen Strafrechtssystem (1981); ders. Zur Struktur der erfolgsqualifizierten Delikte, JuS 1981 168; ders. Der „unmittelbare Zusammenhang" zwischen Grunddelikt und schwerer Folge beim erfolgsqualifizierten Delikt, GA 1984 443; Wolters Das Unternehmensdelikt (2001); ders. Die Milderung des Strafrahmens wegen versuchter Tat beim echten Unternehmensde-
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Vor § 2 2
2 . Abschnitt. Die Tat
likt, Festschrift Rudolphi ( 2 0 0 4 ) 3 4 7 ; Yamanaka
Z u m Beginn der Tatausführung im japanischen
Strafrecht, in H i r s c h / W e i g e n d (Hrsg.), Strafrecht und Kriminalpolitik in J a p a n und Deutschland ( 1 9 8 9 ) 1 0 1 ; Zaczyk
D a s U n r e c h t der versuchten Tat ( 1 9 8 7 ) ; Zielinski
Handlungs- und Erfolgsun-
w e r t im Unrechtsbegriff: Untersuchungen zur Struktur von U n r e c h t s b e g r ü n d u n g und Unrechtsausschluß ( 1 9 7 3 ) ; Ζieschang
Die Gefährdungsdelikte ( 1 9 9 8 ) ; Zipf D o g m a t i s c h e und kriminalpolitische
F r a g e n bei S 2 4 3 Abs. 2 StGB, Festschrift Dreher ( 1 9 7 7 ) 3 8 9 ; ders. Urteilsanmerkung, J R 1 9 8 1 1 1 9 ; Zoll D e r untaugliche Versuch im polnischen Strafrecht, Festschrift Eser ( 2 0 0 5 ) 6 5 5 ; A u f d e m W e g zu einem deutschen Völkerstrafgesetzbuch, Z R P 2 0 0 2 9 7 ; Zopfs
Zimmermann
D e r schwere Banden-
diebstahl n a c h § 2 4 4 a StGB, G A 1 9 9 5 3 2 0 . Vgl. a u c h das Schrifttum zu § 2 2 .
Übersicht Rdn. I. Entwicklungsstufen der Vorsatztat . . . 1. Überblick 2. Planung und Tatentschluss 3. Vorbereitung a) Straflosigkeit b) Ausnahmen von der Straflosigkeit 4. Versuch 5. Vollendung 6. Beendigung a) Begriffsbestimmung b) Anwendungsbereich c) Stellungnahme d) Folgerungen II. Entstehungsgeschichte der Versuchsregelung 1. Anordnung im Allgemeinen Teil . . 2. Zu entscheidende Grundfragen . . . a) Versuchsstrafbarkeit b) Versuchsbestrafung c) Untauglicher und abergläubischer Versuch d) Beginn des Versuchs e) Rücktritt III. Strafgrund des Versuchs 1. Überlegungen zur Entscheidungsbedürftigkeit a) Meinungsvielfalt b) Erkenntnisinteresse 2. Die gesetzgeberische Entscheidung . a) Bekenntnis zur subjektiven Theorie b) Gehalt der Entscheidung c) Tragfähigkeit der Entscheidung .
1 1 3 5 6 7 11 17 19 20 24 30 34
. .
39 39 42 44 45 48 50 53 55
,
.
55 55 58 60 60 63 66
Rdn. 3. Abweichende Meinungen a) Gesetzesgeleitete Deutungen . . . . aa) Eindruckstheorie bb) Theorie des expressiven Normbruchs cc) Vereinigungstheorie b) Gesetzesunabhängige Deutungen aa) Duale Theorie bb) Theorie von der Verletzung des Anerkennungsverhältnisses . . . cc) Objektive Theorien dd) Sonstige Theorien IV. Sonderfälle des Versuchs 1. Gefährdungs- und Tätigkeitsdelikte . . 2. Unterlassungsdelikte a) Struktur und Strafbarkeit des Unterlassungsversuchs b) Echte Unterlassungsdelikte c) Unechte Unterlassungsdelikte . . . 3. Erfolgsqualifizierte Delikte a) Möglichkeit des Versuchs b) Erfolgsqualifizierter Versuch . . . . c) Versuchte Erfolgsqualifizierung . . 4. Vorbereitungshandlungen und Unternehmensdelikte a) Vorbereitungshandlungen b) Unternehmensdelikte 5. Versuchte Teilnahme a) Teilnahme am Versuch b) Versuchte Teilnahme 6. Regelbeispiele V. Fremde Rechte und Rechtsangleichung
76 77 77 81 83 86 86 88 90 94 96 96 100 100 102 105 107 107 108 115 119 119 123 130 131 132 141 145
I. Entwicklungsstufen der Vorsatztat 1
1. U b e r b l i c k . J e d e vorsätzliche Straftat d u r c h l ä u f t eine K e t t e v o n
Entwicklungssta-
dien, die als G e d a n k e u n d E n t w u r f im I n n e r e n des T ä t e r s a n h e b e n u n d als Befriedigung ü b e r die E r r e i c h u n g des Z i e l s o d e r die V e r w i r k l i c h u n g v o n M o t i v o d e r A b s i c h t a u c h d o r t e n d e n k a n n . D a z w i s c h e n tritt die T a t n a c h a u ß e n , w i r d z u r W i l l e n s b e t ä t i g u n g , die m i t der ersten Vorbereitung (s. d a z u Kühl
beginnt und mit der
„Verhaltens-"
oder
„Erfolgsbeendigung"
B e e n d i g u n g S. 7 6 ff) i m R e g e l f a l l i h r e n A b s c h l u s s f i n d e t .
Gegebenenfalls
k a n n sie a u c h d a r ü b e r h i n a u s r e i c h e n , s o f e r n m a n m i t „ V e r h a l t e n " u n d „ E r f o l g " n u r d a s
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Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 2 2
tatbestandsmäßig Beschriebene meint. Üblicherweise werden die Glieder der Kette als Planung und Entschluss, Vorbereitung, Versuch, Vollendung und Beendigung bezeichnet. 1 Dabei stehen sie mit Rücksicht auf den Ablauf in dieser Reihung; allerdings können Vorbereitungen auch schon vorangetrieben sein, ohne dass der Entschluss bereits endgültig feststeht (Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 2 ) . 2 Im Übrigen kann naturgemäß die Kette jederzeit abbrechen, wenn der Täter sein Vorhaben vorzeitig aufgibt oder scheitert (Rudolphi SK Rdn. 1). Dann gewinnt die erreichte Stufe selbständig Gewicht, die anderenfalls in der nächstfolgenden aufgeht. 3 Wenn von Entwicklungsstufen die Rede ist, ist nicht vorausgesetzt, dass sie sich nach Zeitintervallen und äußerer Gestalt in stets deutlicher Weise voneinander absetzen. Vielmehr können sie sich - wie bei einer Tötung im Affekt - in Sekunden ereignen. Gleichwohl gebieten das Tatprinzip (Jakobs 25/1 a) und der nullum-crimen-Grundsatz (Kühl § 14 Rdn. 2 f, 14) die trennscharfe Abschichtung der einzelnen Stufen. Denn während der bloße Gedanke nicht strafbar ist (s. dazu Rdn. 3), sind es der Entschluss, die Vorbereitung, der Versuch, die Vollendung und die Beendigung je für sich nur unter den besonderen Festlegungen, die das Gesetz trifft und deren Beachtung die Garantiefunktion des Strafrechts (Art. 103 Abs. 2 G G , § 1 ) gebietet. 4 Dabei nehmen Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit ab, je mehr sich die Verwirklichungsstufe von der tatbestandsmäßigen Vollendung entfernt (Vogler L K 1 0 Rdn. 2). Dem entspricht die noch weitgehende Anordnung der Straflosigkeit des Versuchs (§ 2 3 Abs. 2) wie die erhebliche Zurückhaltung gegenüber einer Strafausdehnung (Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 3 9 Rdn. 16) auf die ihm vorgelagerten Stadien. Auch lässt die Einsicht, dass mit der Vollendung das Unrechtszentrum umschrieben ist, gegenüber jeder strafschärfenden oder gar strafbegründenden Verwertung der Beendigungssphase Skepsis anraten ( K ü h l § 14 Rdn. 4).
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2 . Planung und Tatentschluss. Die gedankliche Planung einer Tat und der bloße Entschluss, sie zu begehen, bleiben straflos: cogitationis poenam nemo patitur (Ulpian).5 Sie verletzen „nichts und niemanden" (Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 4), solange sie Interna oder bloße Äußerung bleiben. Ihre Ausforschung und Kontrolle ist dem Staat ebenso verwehrt wie ihre Bestrafung. Jemandes Gedanken und Gesinnungen zu ermitteln und durch strafbewehrte Schranken einzuengen, begnügte sich nicht mit der äußeren Einhaltung der Rechtsordnung, sondern zielte auf innere Anpassung an sie. Das aber widerspräche dem Tatprinzip und zerstörte die Freiheit der Person. Zu ihr gehört eine von jeder staatlichen Observanz freie gedankliche Sphäre. 6
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Ausnahmen hiervon sind nur scheinbare. So ist der bloße Entschluss, ein bestimmtes Verbrechen zu begehen, zwar in Tatbeständen wie §§ 2 3 9 a , b, 3 0 6 b Abs. 2 Nr. 2 oder
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Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 39 Rdn. 1 unterscheiden Planung, Vorbereitung, Beginn, Durchführung, Vollendung und Beendigung; wie hier z.B. Jakobs 25/1 ff; Jescheck/Weigend vor § 49; Joecks Rdn. 2; Kühl § 14 Rdn. 5 ff; Lackner/Kühl Rdn. 1 ff; Rudolphi SK Rdn. 1 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 1 ff; Stratenwerth /Kuhlen §11 Rdn. 2 ff; Wessels/ Beulke Rdn. 590 ff; krit. zur Stufenlehre Alwart GA 1986 245; T. Maier Objektivierung S. 55 ff. So in Fällen bloßer Tatgeneigtheit, s. dazu § 22 Rdn. 41.
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Das gilt im konkurrenzrechtlichen Sinne naturgemäß nur, soweit die erreichte Stufe also z.B. der Versuch eines Verbrechens strafbar ist, vgl. Herzberg MK § 22 Rdn. 28. So auch im schweizerischen Recht, vgl. Jenny BSK StGB I vor Art. 21 Rdn. 8. D. 48. 19. 18.; vgl. dazu die gleichnamige Schrift von Glöckner. Jakobs 25/la; den. ZStW 97 (1985) 753 ff, 773; Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 5; vgl. auch Beck Unrechtsbegründung S. 78 ff.
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2. Abschnitt. Die Tat
§ 316a auch ohne jede Äußerung dieses Entschlusses ein die Strafbarkeit mit-, aber diese eben nicht allein konstituierendes Element. § 241 Abs. 1 macht nicht den nicht einmal notwendigen {Lackner/Kühl § 241 Rdn. 3) Entschluss, ein Verbrechen zu verüben, sondern die Bedrohung mit einem Verbrechen zum Gegenstand seines Verbots. 7 Und auch § 30 Abs. 2, dessen Regelung teilweise mit der Anerkennung eines Internbereichs der Person für nicht vereinbar gesehen wird (Jakobs 25/1 a; Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 5), ordnet nicht die Strafbarkeit eines nur mitgeteilten Entschlusses, sondern jedenfalls in den Varianten der Annahme eines Anerbietens und der Verbrechensverabredung einer nach außen manifest gewordenen Konspiration an, deren Gefährlichkeit in der suggestiven Beeinflussung und dem Eingehen einer Verpflichtung zu sehen ist (Roxin AT II § 28 Rdn. 5 ff) und von der man gerade nicht sagen kann, „dass sie über die Verlautbarung eines Entschlusses", dessen Durchführung nur vom Äußernden abhänge und dann in der Tat wie der ohne Fremdbeteiligung gefasste Tatentschluss straflos bleiben müsste, „nicht hinausgelangt" (so aber AE Begr. S. 67). Vielmehr ist hier das Vorbereitungsstadium beschritten, in dem die Berechtigung des Staates, mit Strafe zu drohen, im Grundsatz beginnt. 8 5
3. Vorbereitung. Da die Tatbestände des Besonderen Teils und des Nebenstrafrechts nur die vollendete Ausführung des jeweiligen Verbrechens oder Vergehens unter Strafe stellen und § 22 den Bereich des Strafbaren nur in den Grenzen des Versuchs erweitert, bildet die Vorbereitungshandlung ein in aller Regel noch nicht tatbestandliches und infolgedessen nicht strafbares Glied im vom Täter gewollten Ablauf der Tat. Ein allgemeines Anzeichen dafür, dass der Handlung nur vorbereitende Bedeutung zukommt, kann es sein, dass die Fortführung der Tat - wie es RGSt 43 332, 333 formuliert - noch einer „neuen Willensregung" bedarf (s. dazu § 22 Rdn. 112), dass die eigentliche Tatausführung noch in räumlicher und zeitlicher Ferne liegt (s. dazu § 22 Rdn. 114) und dass deshalb die Tatbestandsverwirklichung noch nicht nahegerückt ist. Auch lassen sich Leitbilder typischer Vorbereitungshandlungen entwerfen. So wird das Herstellen und Beschaffen von Tatmittteln oder -Werkzeugen, ihr Herrichten und Bereitstellen, das Aufsuchen des Tatorts und das Auskundschaften oder Schaffen der Tatgelegenheit in der Regel dem Vorbereitungsbereich angehören (s. dazu näher § 22 Rdn. 105 ff). In ihn können zudem selbst Handlungen fallen, die sich erst nach der Tat auswirken sollen, wie Vorkehrungen zur Verhinderung der Entdeckung der Tat (Beschaffen eines Alibis) oder zur Sicherung der Tatvorteile (das Herrichten eines Verstecks, s. dazu § 22 Rdn. 109). O b solche Handlungen für das Gesamt der Tat condicio sine qua non, höchst wichtig, nur untergeordnet oder sogar unwirksam sind, ist ohne Bedeutung. Wesentlich ist allein, dass sie die Z o n e des Versuchs noch nicht erreicht und das deshalb noch weitgehend straflose Terrain noch nicht verlassen haben. Ist es anders, tritt Strafbarkeit in dem durch § 23 Abs. 1 umschriebenen Umfang ein. Damit wird das Gewicht der Aufgabe sichtbar, zwischen Versuch und Vorbereitung klare Grenzen zu ziehen. Ihre Lösung ist sicher bis zu einem gewissen Grade „Tatfrage" (Vogler LK 1 0 Rdn. 4), setzt aber ebenso sicher eine gesetzestreue (s. dazu § 22 Rdn. 86) Konkretisierung der Schwelle voraus (s. dazu im einzelnen § 22 Rdn. 77 ff, 86 ff, 99 ff, 110 ff, 120 ff), mit deren Überschreitung die Tat ihre Vorläufigkeit verliert.
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a) Straflosigkeit. Die Straflosigkeit der Vorbereitungshandlungen wird verbreitet darauf zurückgeführt, dass sie sich „meist im Verborgenen" ereigneten, „verschiedenen Deu-
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Für Strafwürdigkeit daher auch Jakobs ZStW 97 (1985) 775.
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Zur Problematik des Sich-bereit-Erklärens s. Roxin AT II § 28 Rdn. 8.
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Vorbemerkungen zu den §§ 2 2 ff
Vor § 2 2
tungen Raum" ließen und dass sie deshalb „den Rechtsfrieden in der Regel nicht oder nicht so sehr" beeinträchtigten, dass Strafe erforderlich wäre (Roxin JuS 1979 1). Es fehle ihnen die Kraft, „das Rechtsgefühl der Allgemeinheit" ernstlich zu erschüttern (Vogler LK 1 0 Rdn. 6). Es liegt auf der Hand, dass diese auf der Eindruckstheorie (s. dazu Rdn. 77 ff) fußenden Aussagen nur auf einen Teil aller Vorbereitungshandlungen zutreffen, 9 die Strafbarkeit weniger Vorbereitungshandlungen (z.B. § 30) nicht begründen und daher die gesetzgeberischen Dezisionen auch nicht wirklich erklären können (s. krit. auch Beck Unrechtsbegründung S. 42 ff). Diese dürften in ihrem weitreichenden Verzicht auf Strafandrohung darin wurzeln, dass Vorbereitungshandlungen angesichts ihrer Tatbestandsferne formal so schwer umreißbar und materiell vom Unrechtszentrum noch so weit entfernt sind (s. Sch/Schröder/Eser Rdn. 13), dass von einem in hinreichend bestimmten Grenzen einfangbaren Strafbedürfnis in aller Regel noch nicht die Rede sein kann. Auch sind Vorbereitungshandlungen denkbar, die ohne die für den Tatentschluss des Versuchs zureichende Tatentschlossenheit betrieben (s. § 22 Rdn. 41) oder wegen Aufgebens des Entschlusses noch vor dem Zustand irgendeiner „Gefährlichkeit" (s. dazu Beck Unrechtsbegründung S. 117 ff) neutralisiert oder zurückgenommen werden (Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 8). Die auch von den Vertretern der Eindruckstheorie hervorgehobene soziale Unauffälligkeit vieler Vorbereitungshandlungen führte zudem zu einem hohen Anteil im Dunkelfeld verbleibender oder bei Entdeckung schwer beweisbarer Taten (Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 39 Rdn. 19). Es ist daher das Zusammentreten von Unbestimmtheit, Unrechtsferne und erwartbaren Verfolgungsdefiziten, das es nicht angeraten sein lässt, das Vorfeld der Tat in großer Breite zu inkriminieren. Der im Satz „cogitationis poenam nemo patitur" ausgedrückte Gedanke ist nicht so umkehrbar, dass was nicht bloß deliktischer Gedanke bleibt, allein deswegen schon eine soziale Störung sei (Jakobs 25/la). Schließlich mahnt auch die Ultima-ratio-Funktion des Strafrechts, im Vorfeld der Tat größte Zurückhaltung zu üben. Geschieht das, schärft es den Blick für allein strafwürdiges Unrecht (Zaczyk NK § 22 Rdn. 3). b) Ausnahmen von der Straflosigkeit. Die im Grundsatz zu befürwortende (s. Rdn. 6) Straflosigkeit der Vorbereitungshandlungen hat der Gesetzgeber aus vornehmlich kriminalpolitischen Gründen für bestimmte Fallgruppen durchbrochen (krit. dazu Jakobs 25/8; ders. ZStW 97 [1985] 751; Rath JuS 1999 35). 1 0 Das ist als erstes so bei der sogenannten unselbständigen Ausdehnung von Straftatbeständen auf das Vorbereitungsstadium. Zu diesem Mittel greift der Gesetzgeber dort, wo nach der Eigenart des Tatbestandes ein besonders früher Zugriff vor allem deshalb erforderlich erscheint, weil die Effektivität des Rechtsschutzes bei einem Zuwarten auf das Versuchsstadium litte, die Eigenart des Tatbestandes also den frühen Zugriff gebietet. Für seine Zulässigkeit wird zwar teilweise gefordert, dass die fragliche Handlung eindeutig auf das Delikt vorausverweisen müsse (Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 9), so dass äußerlich sozial unauffälliges Verhalten ausschiede (Jakobs 25/9; s. auch Zaczyk NK § 22 Rdn. 4). Diese Einschränkung leidet aber darunter, dass gerade im Vorbereitungsstadium ein eindeutiger Deliktsbezug typischerweise gerade noch nicht nach außen tritt und daher in vielen Fällen die
9
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Z.B. nicht auf den bewaffnet an der Mietshaustür klingelnden und zum Mord entschlossenen Schwiegersohn: gleichwohl nur Vorbereitung, vgl. BGH StV 1984 4 2 0 ; näher § 22 Rdn. 79. S. zu ihrer Einteilung auch Jakobs 25/9 ff;
Jescheck/Weigend § 49 VI; Maurach/Gössel/
Zipf AT/2 § 39 Rdn. 21 ff; Rudolphi SK Rdn. 2 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 13; zu
strafbaren Vorstadien der Verbrechensbegehung im Völkerstrafrecht s. Werte Völkerstrafrecht Rdn. 4 2 2 ff; zum schweizerischen Recht vgl. Jenny BK StGB I vor Art. 21 Rdn. 9 f.
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
Vorverlagerung des Schutzes leerliefe 11 . In die Gruppe der hier gemeinten Delikte (zu ihrer Legitimation s. Beck Unrechtsbegründung S. 134 ff) fällt die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens (§ 83) oder von Sabotageakten (§ 87), die landesverräterische (§ 98) oder geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99) sowie die Vorbereitung einer Verschleppung (§ 234 Abs. 3; s. dazu Mauracb/Gössel/Zipf AT/2 § 39 Rdn. 22; Neuhaus Deliktsvorbereitung S. 158 ff) oder eines Angriffs auf den Luft- oder Seeverkehr (§ 316c Abs. 4) durch die jeweils teils formell als „Vorbereitung" gekennzeichneten oder doch jedenfalls materiell als solche einzustufenden Handlungen (zur Möglichkeit eines Versuchs s. Rdn. 121). 8
Die zweite Fallgruppe zeichnet sich dadurch aus, dass der Gesetzgeber bestimmte Handlungen wegen ihrer typischen Ausprägung und besonderen Gefährlichkeit in einem selbständigen Delikt unter Strafe stellt, obwohl die beschriebene Tat materiell nur die Vorstufe einer anderen Tat ist (Jescbeck/Weigend § 49 VI 2b; Rudolphi SK Rdn. 4). Hierhin kann man die Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80) und die Ausspähung von Staatsgeheimnissen (§ 96), die Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens (§ 310), aber auch die Vorbereitung der Fälschung von Geld- oder Wertzeichen (§ 149; s. dazu und zu S 152a Abs. 5 i.V.m. § 149 Husemann NJW 2004 107 f), das Einwirken auf ein Kind durch Schriften (§ 176 Abs. 4 Nr. 3; krit. hierzu Duttge/Hörnle/ Renzikowski NJW 2 0 0 4 1067), die Vorbereitung eines Computerbetruges (§ 263a Abs. 3; krit. hierzu Duttge FS Weber S. 285; Husemann NJW 2004 107), das Herstellen unechter Urkunden (§ 267 Abs. 1 1. Alt., s. Jakobs 25/10) oder technischer Aufzeichnungen (§ 268 Abs. 1 1. Alt.), die Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen (§ 275) sowie das Inverkehrbringen von Mitteln zum Abbruch der Schwangerschaft (§ 219b) zählen. Auch der Versicherungsmissbrauch (§ 265) gehört hierher, soweit er der Vorbereitung des Betruges dient (s. dazu Wessels/Hillenkamp Rdn. 652, 663). Schließlich lassen sich auf Täuschung ausgerichtete Handlungen (§§ 264, 264a, 265b) hier einordnen, soweit ihre Bestrafung nicht einmal einen korrespondierenden Irrtum voraussetzt (Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 39 Rdn. 26; Sch/Schröder/Eser Rdn. 14; zur Möglichkeit eines Versuchs s. Rdn. 120). 1 2
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Als drittes hat der Gesetzgeber mit § 30 die Strafbarkeit bei Verbrechen generell auf bestimmte Fälle der sogenannten vorweggenommenen Teilnahme erstreckt (s. Rdn. 132 ff). Hinter diesem Konstellationen versuchter Teilnahme unter Strafe stellenden Strafausdehnungsgrund steht die Absicht des Gesetzgebers, wegen des jedenfalls angestrebten Zusammenwirkens mehrerer besonders gefährlich erscheinende und bei Verbrechen auch als strafwürdig erachtete unselbständige Vorbereitungshandlungen zu unterdrücken (Roxin AT II § 28 Rdn. 5). Dabei wird die besondere Gefährlichkeit der Verabredung und des Sich-bereit-Erklärens in der psychischen Bindung der Beteiligten, in den übrigen Varianten dagegen darin gesehen, dass der die Tat Anstoßende die auf die Rechtsgutsverletzung zulaufenden Kräfte nicht mehr wie der Alleintäter unter seiner Herrschaft behält (BGHSt 1 309). 1 3
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Allgemein gültige Regeln für die Behandlung der vorstehend aufgeführten drei Fallgruppen lassen sich nur sehr eingeschränkt aufstellen. Verwirklicht der Täter seinen
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S. zum Versuch, auch das unmittelbare Ansetzen am eindeutigen Deliktsbezug festzumachen, § 2 2 Rdn. 73, 80. Zum Verhältnis des versuchten Betruges zu seinen „Derivaten" vgl. Joerden FS Blomeyer S. 373, 381 ff.
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S. auch BGHSt 4 16, 19; Letzgus Vorstufen
S. 123 ff; Roxin AT II § 28 Rdn. 5; Sch/ Schröder/Eser Rdn. 14.
T h o m a s Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 2 2
Deliktsplan über die jeweils schon unter Strafe gestellte Vorbereitungshandlung hinaus, tritt diese in aller Regel zurück (Rudolphi SK Rdn. 3). So ist z.B. die versuchte Anstiftung (§ 30 Abs. 1) wie die Verbrechensverabredung (§ 30 Abs. 2) gegenüber der vollendeten Anstiftung oder der versuchten oder vollendeten Tat subsidiär (Roxin AT II § 28 Rdn. 37, 69). Das gilt allerdings dann nicht, wenn die strafbare Vorbereitungshandlung im Unrechtsgehalt weiter reicht als die ausgeführte Tat (Vogler FS Bockelmann, S. 725). Deshalb ist zusätzlich eine Strafbarkeit nach § 30 gegeben, wenn der verabredete schwere Raub nur als einfacher ausgeführt oder der zum Meineid Angestiftete nur uneidlich vernommen wird. 1 4 Reicht dagegen der Unrechtsgehalt der jeweiligen Vorbereitungshandlung nicht über den der sie fortführenden Handlung hinaus, gilt die angesprochene Regel. So tritt z.B. § 149 hinter der versuchten oder vollendeten Geld- oder Wertzeichenfälschung nach §§ 146, 148 ebenso zurück 1 5 wie beispielsweise § 310, falls es zur Ausführung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens kommt. 1 6 Dient der Versicherungsmissbrauch (§ 265) der Vorbereitung eines Betrugs, geht der versuchte oder vollendete § 263 aufgrund der in ihrem Wortlaut zu engen Subsidiaritätsklausel des § 265 diesem selbst dann vor, wenn der Betrug gegenüber dem Versicherungsmissbrauch eine selbständige Tat darstellt (Wessels/Hillenkamp Rdn. 652, 663). Für §§ 264, 264a und 265b gelten dagegen aufgrund ihrer jeweiligen Tatbestandsstruktur und Schutzrichtungen im Verhältnis zu § 263 wiederum je eigene und im einzelnen umstrittene Regeln (s. Wessels/Hillenkamp Rdn. 690 f, 693, 695 m.w.N.). Wird der jeweilige Tatbestand verwirklicht, liegt in allen Fällen ein formell vollendetes Delikt vor (Lackner/Kühl Rdn. 3; Sch/Schröder/Eser Rdn. 14). Das wirft die Frage auf, ob im Falle einer Strafbarkeit auch ein Versuch der Vorbereitung in Betracht zu ziehen ist (s. dazu unten Rdn. 119 ff). 4. Versuch. Der Versuch ist ein der Vorbereitung folgendes weiteres Stadium vor der Vollendung: Er ist die bereits begonnene aber nicht vollendete Tat. 17 Strafbar ist der Versuch nur in den durch § 23 gesetzten Grenzen. Kennzeichen des Versuchs sind negativ das Fehlen einer dem Täter objektiv zurechenbaren Vollendung (Rudolphi SK § 22 Rdn. 22; näher dazu § 22 Rdn. 10 ff), positiv der Entschluss, eine (bestimmte) Straftat zu begehen (Roxin GedS Schröder S. 145 ff; näher dazu § 22 Rdn. 30 ff) und die Betätigung dieses Entschlusses im Sinne eines über die bloße Vorbereitung hinausgehenden, (zumindest) unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung (näher dazu § 22 Rdn. 77 ff). Die gesetzliche „Begriffsbestimmung" (§ 22) gibt diese Elemente nur unvollkommen wieder (näher dazu § 22 Rdn. 8 f). Sie schließt es aber aus, vom Versuchstatbestand neben dem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung die objektive Verwirklichung bestimmter Tatbestandsmerkmale zu verlangen, die für das „Tatbild" der vollendeten Tat unverzichtbar sein sollen. 18 14
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BGHSt 1 242; 9 131; 14 379; Roxin LK 11 S 30 Rdn. 80; Rudolphi SK Rdn. 3; Seh/ Schröder/Cramer/Heine § 30 Rdn. 39; aA Kohlrausch /Lange § 49a VI; Schneider GA 1956 262. RGSt 65 203, 205; RG JW 1934 2850; Rudolphi SK Rdn. 4. Sch/Schröder/Cramer/Heine § 310 Rdn. 11. Jescheck/Weigend $ 49 III; Lackner/Kühl Rdn. 3; § 22 Rdn. 1; Sch/Schröder/Eser § 23 Rdn. 1 ff; Τröndle/Fischer § 22 Rdn. 2. Dass der Versuch konkurrenzrechtlich in der Vollendung aufgeht, also gewissermaßen erhalten bleibt, ist kein Grund, die NichtVollendung
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nicht zu seiner Kennzeichnung zu nutzen, aA Hardtung Jura 1996 293, 301; Herzberg MK § 22 Rdn. 28; vgl. dagegen hier § 22 Rdn. 9. Abgesehen davon, dass eine äußere „Ähnlichkeit der versuchten Tat mit dem vom Gesetzgeber im Deliktstatbestand fixierten Verhalten" zwar häufig gegeben, namentlich beim untauglichen Versuch aber keine einzuhaltende Voraussetzung ist, ist eine Sortierung der Tatbestandsmerkmale danach, ob sie das Tatbild maßgeblich prägen oder nicht, ohne Willkür nicht zu leisten. Der Vorschlag T. Maiers Objektivierung S. 209 ff (Zitat S. 213) überzeugt daher nicht.
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
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Einigkeit besteht darüber, dass es beim Versuch lediglich am äußeren Tatbestand, jedenfalls an seiner zurechenbaren Herbeiführung teilweise fehlt. Der innere Tatbestand muss dagegen vollständig vorliegen (Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 24; Kühl § 15 Rdn. 24). Über den Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatumstände hinaus müssen also auch die bei der betreffenden Deliktsart vorausgesetzten besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmale gegeben sein, wie beispielsweise die Zueignungsabsicht bei Diebstahl und Raub, die Täuschungsabsicht bei der Urkundenfälschung oder die Bereicherungsabsicht bei Betrug oder Erpressung (näher dazu § 22 Rdn. 53). Es lässt sich vom Versuch daher auch von einer vollständig gewollten, aber unvollständig gebliebenen Tat sprechen (Lackner/Kühl § 22 Rdn. 1), der ein „objektiv nicht verwirklichter Vollendungswille" (Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 1) zugrunde liegt.
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Aus dieser Struktur und dem begriffsnotwendigen Fehlen der Vollendung ergibt sich einerseits, dass der Versuch ein unselbständiger Tatbestand ist (Jescheck/Weigend § 49 III; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 4 ff; Sauermann Versuch S. 31), dessen Merkmale nicht aus sich heraus zu verstehen, sondern stets auf den Tatbestand einer bestimmten Verbrechens- oder Vergehensnorm zu beziehen sind (Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 2; Jescheck/Weigend § 49 III; Schmidhäuser Lb 15/5; näher § 22 Rdn. 8, 86). Zum anderen lässt sich das tatbestandsmäßige Unrecht des Versuchs ohne Deliktsvorsatz weder begründen (Gallas Beiträge S. 48) noch oft überhaupt erfassen, da das äußere Handlungsgeschehen nicht selten indifferent bleibt (Gropp § 9 Rdn. 14; Kühl JuS 1980 507). Der innere Tatbestand beansprucht beim Versuch daher den Vorrang vor dem äußeren Hergang der Tat (Kühl § 15 Rdn. 7, 17; näher § 22 Rdn. 30).
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Aus dem Erfordernis eines in § 43 a.F. durch das Wort „Entschluss" noch ausdrücklich verlangten und durch das Abstellen auf die Vorstellung des Täters von der Tat nach der Auffassung des Gesetzgebers auch heute noch hinreichend angedeuteten Tatvorsatzes 19 folgt, dass der Versuch vorsätzliches Handeln voraussetzt. Deshalb ist der fahrlässige Versuch von der „Begriffsbestimmung" des § 22 ausgeschlossen und folglich jedenfalls de lege lata nach unbestrittener Meinung straflos. 20 Auch die Frage der Strafbarkeit des Versuchs beim Fahrlässigkeitsdelikt stellt sich nach geltendem Recht nicht, da das Gesetz kein fahrlässiges Verbrechen und keine Strafandrohung für Versuch bei fahrlässigen Vergehen kennt (Vogler LK 10 Rdn. 8).
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Es ist daher nur von theoretischem Interesse, ob es den fahrlässigen Versuch überhaupt gibt. Das wird teils generell 21 oder doch jedenfalls für die bewusste Fahrlässigkeit 2 2 bejaht, teils grundsätzlich verneint 2 3 oder auch mit Hinweis auf die de lege lata 19
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BT-Drucks. V 4095 S. 11 betont deshalb, daß die Aufnahme des Vorsatzes in die Definition (des § 26 E 1962) überflüssig sei; vgl. dazu § 22 Rdn. 2, 9. Zur Bedeutung der „Vorstellung von der Tat" vgl. Hillenkamp FS Roxin S. 689 und näher § 22 Rdn. 87 ff; gegen die Weiterverwendung des Wortes „Entschluß" Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 24. Vgl. Sturm ZStW 59 (1940) 23, 32, der deshalb zumindest für schwerste Fahrlässigkeit die Strafbarkeit des Versuchs fordert; vgl. dazu auch Jakobs 9/27. Bedenken gegen eine vollendungsbegründende Zurechnung mitwirkenden Verhaltens von Nebentätern oder Opfern im Fahrlässigkeitsbereich führen
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Sánchez Lázaro GA 2006 700, 713 ff zum Vorschlag eines fahrlässigen Versuchs(-tatbestandes) de lege ferenda. Freund % 8 Rdn. 2 f; Jakobs 25/28; Kindhäuser LPK § 22 Rdn. 10; Maurach/Gössel/ Zipf AT/2 § 40 Rdn. 72; Rudolphi SK § 22 Rdn. 1; ders. JuS 1969 553; Wolter Zurechnung S. 193 ff, 299 f; vgl. auch Rath JuS 1998 1011. Baumann/Weber/Mitsch § 22 Rdn. 72; Jescheck/Weigend § 54 IV; vgl. dazu Jakobs 25/28. Alwart Versuchen S. 154 ff; Stratenwerth/ Kuhlen § 11 Rdn. 24; Tröndle/Fischer § 22 Rdn. 2; Zaczyk Unrecht S. 209 ff; ders. NK § 22 Rdn. 21.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 2 2 ff
Vor § 22
mangelnde Entscheidungsbedürftigkeit offen gelassen. 24 Richtigerweise ist die Möglichkeit eines fahrlässigen Versuchs zu verneinen. Bleibt das objektive Geschehen unvollkommen, ist es allein der über dieses Geschehen hinausgreifende Verwirklichungswille, der die Tat als einen spezifischen Deliktsversuch kennzeichnet (Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 24). An diesem Willen fehlt es aber nicht nur bei der unbewussten, sondern auch bei der bewussten Fahrlässigkeit (Baumann/Weber/Mitsch § 22 Rdn. 72). Zudem ist es kaum möglich, bei einer Fahrlässigkeit zwischen Vorbereitung und Beginn der Ausführung zu unterscheiden, da der Anknüpfungspunkt für die Fahrlässigkeitsbestrafung weit in der Ursachenkette zurückverlegt werden kann (s. Puppe JuS 1980 350). Will der Gesetzgeber daher namentlich die folgenlose oder die nur zu einem Gefahrerfolg führende Fahrlässigkeit unter Strafe stellen, kann und muss er sich der Figuren des (vollendeten) fahrlässigen Tätigkeits- oder des fahrlässigen Gefährdungsdelikts bedienen {Baumann/Weber/Mitsch § 22 Rdn. 72 mit Fußnote 126). Auch bei letzterem ist ein Versuch nicht denkbar. So „versucht" der seine Fahruntüchtigkeit nicht Kennende und in dieser Unkenntnis den Motor startende Fahrzeugführer weder nach geltendem Recht noch in der Sache, eine Trunkenheitsfahrt zu verwirklichen. 25 Zwar ist es richtig, dass was vollzogen werden kann auch einen Anfang hat (Jakobs 25/28; zust. Freund § 8 Rdn. 2), nicht aber, dass dieses Anfangen unterschiedslos Versuch zu nennen wäre. Anders liegt es nur bei den vorsätzlichen Gefährdungsdelikten. Hier ist der Versuch nicht anders als bei vorsätzlichen Verletzungsdelikten grundsätzlich möglich und liegt vor, wenn der vom Vorsatz erfasste Gefährdungserfolg trotz der gefährdenden Handlung oder eines unmittelbaren Ansetzens zu ihr ausbleibt ( Vogler LK 1 0 § 22 Rdn. 8) oder in einer dem Täter nicht zurechenbaren Weise eintritt. Dem Gesetzgeber steht also auch ohne den fahrlässigen Versuch ein hinreichendes Instrumentarium zur Verfügung, erhebliche Gefährdungen unter Strafe zu stellen. Daher fehlt es auch am kriminalpolitischen Bedürfnis, den Versuch fahrlässiger Taten anzuerkennen. Auch im Versuchsbereich gibt es - ähnlich wie auf dem Feld der Vorbereitungshandlungen (s. Rdn. 7 ff) - mit den Unternehmensdelikten eine Tatbestandsgruppe, die bereits das deliktische Vorfeld - hier im Sinne des Versuchs - in den Vollendungsbereich einbezieht (Sch/Schröder/Eser Rdn. 15). Das gilt zunächst für die sogenannten echten Unternehmensdelikte, bei denen durch § 11 Abs. 1 Nr. 6 der Versuch der Vollendung ausdrücklich gleichgestellt wird. Das geschieht z.B. in §§ 81, 82, 184 Abs. 1 Nr. 4, 316c Abs. 1 Nr. 2 und § 357. Hier ist jeder versuchte Angriff auf den jeweiligen Schutzwert schon Vollendung. Deshalb entfällt sowohl die Strafmilderungsmöglichkeit nach Versuchsgrundsätzen als auch das Rücktrittsprivileg des § 24 (Jakobs 25/5; näher Rdn. 124). Bei den sogenannten unechten Unternehmensdelikten fehlt das Wort „Unternehmen" im Tatbestand. Es ergibt sich aber aus der jeweiligen Tatbestandsfassung, dass eine mit bestimmten Absichten oder Tendenzen verfolgte Tätigkeit schon die Vollendungsstufe nach sich ziehen soll (Lackner/Kühl § 11 Rdn. 19). Welche Delikte hierzu zählen, ist im einzelnen umstritten (Sowada GA 1988 198). Als Beispiel lassen sich das „Widerstandleisten" in § 113 (Sch/Schröder/Eser § 113 Rdn. 2, 40) oder das dem Wilde „Nachstellen" in § 292 (Küper S. 232 ff; Wessels/Hillenkamp Rdn. 417) nennen (zur Übertragung von Versuchsregeln auf diese Deliktsgruppen s.u. Rdn. 119 f).
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5. Vollendung. Vollendet ist die Straftat, sobald alle Tatbestandsmerkmale vorliegen, der Tatbestand also objektiv und subjektiv erfüllt ist (BGHSt 3 40, 43). Die Vollendung
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Z.B. von Kühl § 15 Rdn. 23; Sch/Schröder/ Eser § 22 Rdn. 22; Vogler LK 1 0 § 22 Rdn. 8. So BayObLG NJW 1955 395; OLG Hamm
NJW 1954 1780 (beide zu § 316 a.F.) aA Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 4 0 Rdn. 72.
Thomas Hillenkamp
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
ist daher ein formeller Begriff. Fehlt es an einem objektiven Merkmal, kommt nur Versuch in Betracht, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, wird die Vollendung andererseits weder dadurch ausgeschlossen, dass eine (tatbestandlich nicht vorausgesetzte) Rechtsgutsbeeinträchtigung fehlt (Jakobs 2 5 / l g ) , noch dadurch, dass der Täter seine (im Tatbestand geforderte) Absicht noch nicht in vollem Umfang zu verwirklichen vermochte (s. RGSt 58 277, 2 7 8 und § 2 2 Rdn. 14, 17). Die Bedeutung des Stadiums der Vollendung liegt einerseits darin, dass erst mit ihm bei fehlender Strafbarkeit des Versuchs die Strafbarkeitsgrenze überschritten wird. Andererseits ist bei einer Strafbarkeit des Versuchs die dort vorgesehene Strafmilderung ebenso wie die Rücktrittsmöglichkeit mit der Vollendung ausgeschlossen (Kühl § 14 Rdn. 16). Mitunter hat der Gesetzgeber allerdings das Institut der tätigen Reue als Strafaufhebungsgrund auch nach Vollendung namentlich dort eingesetzt, wo Umkehr oder Gegensteuerung des Täters bei weit vorverlegtem Vollendungszeitpunkt Schaden oder Schadensintensivierung noch abzuwenden oder wo ein verwirklichter Schaden durch nachträgliches Täterverhalten auszugleichen ist. 2 6 18
Obwohl sich der Begriff der Vollendung im Allgemeinen Teil des StGB (§§ 11 Abs. 1 Nr. 6, 2 4 ) findet, lässt sich die Vollendung nicht allgemein, sondern immer nur im Hinblick auf den einzelnen Tatbestand ermitteln. 2 7 Immerhin kann man aber für die beiden großen Tatbestandskategorien der Tätigkeits- und der Erfolgsdelikte einige allgemeingültige Aussagen treffen (näher dazu § 2 2 Rdn. 12 ff, 15 ff). So sind Tätigkeitsdelikte bereits mit der Vornahme der Handlung erfüllt (Tröndle/Fischer § 2 2 Rdn. 4). Das gilt auch dann, wenn das mit der Handlung Erreichte hinter dem Gewollten zurückbleibt (s. § 2 2 Rdn.14). Erschöpft sich der Tatbestand wie bei den echten Unterlassungsdelikten in einer bloßen Untätigkeit in einer tatbestandsmäßigen Situation, ist bei deren Eintritt in aller Regel unverzügliches Handeln geboten. Die Nichtvornahme der erwarteten Handlung führt dann sogleich zur Vollendung (s. § 2 2 Rdn. 152). Bei den Erfolgsdelikten muss dagegen - gleichgültig, ob sie durch Tun oder Unterlassen verwirklicht werden - der dem Täter zurechenbare (s. § 2 2 Rdn. 2 0 ff) Erfolg eingetreten sein, bei den Verletzungsdelikten also die Verletzung des Tatobjekts, bei den konkreten Gefährdungsdelikten dessen Gefährdung. Bei Äußerungsdelikten wie der Beleidigung kommt es auf den Eintritt eines Zwischenerfolgs - die Kenntnisnahme durch einen Dritten - an (s. § 2 2 Rdn. 15). Wann der Erfolg eintritt, ist Tatbestandsfrage und unter Umständen nicht leicht zu entscheiden (s. § 2 2 Rdn. 19). Die vom Gesetz vorausgesetzten Absichten oder Motive müssen sich dagegen nicht erfüllen (s. § 2 2 Rdn. 17). Auch hindern Abschwächungen gegenüber dem vom Täter Erstrebten die Vollendung nicht, sofern das Erzielte dem Tatbestandserfolg entspricht (s. § 2 2 Rdn. 16), der Täter einer Erpressung also z.B. weniger als die verlangte Summe erhält (BGHSt 41 368, 371). Lehnt der Täter allerdings die angebotene geringere Summe ab, bleibt es beim Versuch (Vogler L K 1 0 § 2 2 Rdn. 21).
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6. Beendigung. Während die vorstehend (Rdn. 3 ff) beschriebenen Abschnitte des Tatgeschehens in ihrer Existenz als unangefochten und in ihren Grundlagen als weitgehend geklärt gelten können, sind die Fragen, ob es eine der Tatbestandsvollendung nachfolgende „Beendigungsphase" (Wessels/Beulke Rdn. 5 9 2 ) überhaupt g i b t 2 8 und 26
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Man kann insoweit von präventiver (z.B. §§ 2 6 4 Abs. 5, 306e) und kompensatorischer (z.B. § 98 Abs. 2 und § 371 AO) tätiger Reue sprechen, vgl. Hillenkamp Möglichkeiten S. 83. BGHSt 9 62; 2 4 178; BGH N J W 1973 814; OLG Stuttgart Justiz 1996 92; Kühl JuS 2 0 0 2
729, 730; Tröndle/Fischer § 22 Rdn. 4; zu
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den Gesetzgeber leitenden materiellen Vollendungskriterien vgl. ]akobs FS Roxin S. 793. Aus unterschiedlichen Gründen skeptisch bzw. verneinend z.B. Bitzilekis ZStW 99
(1987) 723 ff; Hruschka GA 1968 193;
Jakobs
Thomas Hillenkamp
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Vorbemerkungen zu den § § 22 ff
Vor § 2 2
wenn ja - zu welchen Schlussfolgerungen sie berechtigt, trotz ihrer weit zurückgreifenden 2 9 und grundlegenden 3 0 Erörterung in der Wissenschaft von einer einmütigen Beantwortung noch weit entfernt. Das gilt einerseits im Verhältnis zwischen Literatur und Rechtsprechung, weil die Gerichte von der wissenschaftlichen Diskussion bislang kaum Kenntnis genommen 3 1 und sich infolgedessen mit den wachsenden Bedenken namentlich gegen die von ihr gepflogene strafausdehnende und strafschärfende „Verwertung" des Beendigungsstadiums auch noch nicht auseinandergesetzt haben. Andererseits beruht die fehlende Einmütigkeit in der Literatur maßgeblich darauf, dass es an einer gesetzlichen Erwähnung der Beendigung im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs zwar wie zur Vollendung (in § 11 Abs. 1 Nr. 6 und § 24) - nicht gänzlich fehlt (s. § 78a), dass es ihr aber anders als der durch die Tatbestände des Besonderen Teils jedenfalls theoretisch genauestens vorgegebenen Vollendung an einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt vollständig mangelt (s. hierzu Kühl FS Roxin S. 6 6 9 f). a) Begriffsbestimmung. Schon die Definition der Beendigung bzw. der durch sie abgeschlossenen Verbrechensstufe ist infolgedessen nicht einheitlich. Der Rechtsprechung liegt überwiegend eine mehr faktisch geprägte Sicht zugrunde. So hat sie beim Diebstahl und Raub für die Auslösung ganz unterschiedlicher Rechtsfolgen stets „nicht nur die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale bis zur Vollendung ..., sondern das ganze Geschehen bis zu dessen tatsächlicher Beendigung" für tauglich erachtet und hierin die mit der Wegnahme „in unmittelbarem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang" stehende weitere „Verwirklichung der Zueignungsabsicht" (BGHSt 2 0 195, 197) bis zu einem Zeitpunkt gesehen, in dem der Täter „den Gewahrsam an der Beute gefestigt und gesichert" (BGH J Z 1 9 8 9 7 5 9 ; B G H N S t Z 2 0 0 0 31) hat. In der Beendigungsphase befinden sich hiernach Diebstahl und Raub, solange sich z.B. der Täter noch „im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Bestohlenen befindet ... oder aus anderen Gründen einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist, die Beute durch Nacheile zu verlieren" (BGH N S t Z 2 0 0 1 8 9 ) , 3 2 nicht mehr dagegen, wenn die Tatbeteiligten „schon eine hinreichend sichere Verfügungsgewalt" über die Beute erlangt (BGH N S t Z 1 9 9 9 511), sie also beispielsweise „an ihren Bestimmungsort" geschafft (BGHSt 4 32) haben. Den Betrug sieht die Rechtsprechung bei gleichbleibend faktischer Betrachtung als beendet an, „wenn der Täter den Vorteil erlangt" (BGH N J W 1974 914) oder sich bei sukzessiver Schadensentwicklung das letzte schädigende Ereignis eingestellt hat (BGH wistra 2 0 0 4 2 2 8 ) , das unerlaubte Entfernen vom Unfallort, sobald der Täter „sein Fahrtziel erreicht oder sich sonst in Sicherheit gebracht" hat (BayObLG N J W 1 9 8 0 412). Verallgemeinernd tritt hiernach die Beendigung „erst ein, wenn das Tatgeschehen über die eigentliche Tatbestandserfüllung hinaus seinen tatsächlichen Abschluss gefunden h a t " . 3 3
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Eine stärker normative Ausfüllung erfährt der Begriff durch die Rechtsprechung dagegen dann, wenn sie für die Beendigungsphase Handlungen voraussetzt, „in denen noch das Tatunrecht tatsächlichen Ausdruck findet, die sich der Sache nach noch als Bestandteil des Unrechts darstellen können" (BGH N S t Z 1993 538) und die deshalb vor dem
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Die Diskussion geht wohl auf Hälschner GA 8 (1860) 441 zurück. S. namentlich die monographischen Bearbeitungen von Hau Beendigung und Kühl Beendigung; ferner z.B. Bitzilekis ZStW 99 (1987) 723; Jescheck FS Welzel S. 683; Kühl FS Roxin S. 665. BGH NStZ 2 0 0 0 33 registriert immerhin die
Kritik „im Lichte von Art. 103 II G G " von
Roxin LK 11 § 27 Rdn. 32 ff.
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Unter Berufung auf BGH StGB § 252 frische Tat 2 und 3; vgl. zusammenf. auch BGH NStZ 1987 453. BayObLG NJW 1980 412; ähnlich BGH wistra 2 0 0 3 385 in einem Fall der Angestelltenbestechung.
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
Z e i t p u n k t liegen, in dem das durch den T a t b e s t a n d geschützte Interesse „nicht weiter beeinträchtigt w e r d e n " k a n n , weil „der Angriff auf das betroffene R e c h t s g u t " ( B G H N J W 1 9 8 5 8 1 4 ) und damit „das T a t u n r e c h t " ( B a y O b L G S t V 1 9 9 9 3 8 3 ) seinen u n a b ä n derlichen Abschluss gefunden h a b e . 3 4 Dass dieser Gegensatz zwischen einer die nur tatsächliche und über die Tatbestandsbegrenzung deutlich hinausreichende T a t n ä h e genügen lassenden und einer in das eigentliche T a t u n r e c h t normativ n o c h einbezogenen Beendigungsphase von der Rechtsprechung empfunden wird, ist angesichts des k o m m e n tarlos nebeneinander gereihten Gebrauchs nicht zu vermuten. 22
Auch in der Literatur findet sich dieser Gegensatz. So will etwa Eser „von der formellen Vollendung . . . die tatsächliche Beendigung der Tat (materielle Beendigung)" unterscheiden und von letzterer erst sprechen, „wenn das Tatgeschehen über die eigentliche Tatbestandserfüllung hinaus seinen tatsächlichen Abschluss gefunden h a t " . Dafür soll beispielsweise die Verwirklichung mit der Tat verknüpfter Absichten erforderlich und der (ungewollte) endgültige Verlust der Beute durch den T ä t e r ausreichend sein (Sch/Schröder/Eser R d n . 4 ) . D e m steht es nahe, wenn für die materielle Beendigung verlangt wird, dass „die von dem jeweiligen Straftatbestand bekämpften Rechtsgutsverletzungen tatsächlich in dem vom Täter gewollten Umfang eingetreten", vom „Tatbestand verlangte" Absichten also verwirklicht oder z.B. die gewollte umfassende Folge einer Brandstiftung eingetreten s i n d . 3 5 Einschränkend wird von einer zwischen diesem (mehr) faktischen und dem normativen Begriffsansatz anzusiedelnden Ansicht betont, dass die „Grenzen der S t r a f b a r k e i t " über die Beendigungsphase nicht „ o h n e gesetzliche Grundlage ausged e h n t " werden dürften und dass deshalb auch die Beendigung (wie die Vollendung) ein „ P r o b l e m der Auslegung der einschlägigen Strafvorschriften" sei. D a h e r würde „eine beliebige Ausdehnung der , N a c h z o n e ' auf alle Folgen, die der T ä t e r mit der Straftat angestrebt hat, . . . die G r e n z e n " einer für Strafausdehnung tauglichen Beendigungsstufe sprengen. Allerdings genüge für die stattdessen verlangte normative Anbindung an den T a t b e s t a n d , dass die „strafrechtlich relevante P h a s e " zwar nicht m e h r mit dem strengen W o r t - , w o h l aber mit dem der N o r m „innewohnenden Verbotssinn materiell erfasst" werde (Jescheck FS Welzel S. 6 8 3 , 6 8 4 , 6 9 0 f). D a n a c h k ö n n e n auch nach der Vollendung liegende H a n d l u n g e n und Ereignisse, die unter kein T a t b e s t a n d s m e r k m a l mehr subsumierbar sind, zur Begehung der Tat im Sinne ihrer Beendigung g e h ö r e n . 3 6
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Die hierin liegende „ A u f l o c k e r u n g " der Bindung an den Gesetzeswortlaut wird von einer an Stimmen gewinnenden dritten Ansicht b e k ä m p f t , die statt einer An- eine Einbindung der Beendigungsphase in den jeweiligen T a t b e s t a n d in dem Sinne verlangt, dass „das Beendigungsstadium in rechtsstaatlich vertretbarer Weise n o r m a t i v - und nicht nur über den faktischen A n n e x eines tatsächlichen Abschlusses - mit dem Tatbestand des jeweiligen D e l i k t s " verknüpft und dass deshalb zur Beendigung nur ein über die Vollendung hinausreichendes „Verhalten/Geschehen" geschlagen wird, das „sich durch zulässige Interpretation sprachlich und sachlich n o c h in den jeweiligen Tatbestand einbe-
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BGH NJW 1985 814; das BayObLG StV 1999 383 spricht ebenfalls vom „Abschluß des Tatunrechts". So z.B. Heinrich AT I Rdn. 713; Rudolphi SK Rdn. 7; Vogler LK 1 0 Rdn. 23; ähnlich Jakobs 25/12, der den Eintritt aller vom Vorsatz umfaßten, für die Vollendung aber nicht notwendigen Tatfolgen für maßgeblich erklärt; s. auch Tröndle/Fischer § 22 Rdn. 6.
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Dieser Auffassung lassen sich Hau Beendigung S. 36; Jescheck/Weigend $ 49 III 3; S 64 III 3b; Schmidhäuser LB 15/9; Stratenwerth/ Kuhlen % 11 Rdn. 14 mit § 12 Rdn. 130 ff; ders. J Z 1961 97 und Wessels/Beulke Rdn. 592 („keine starre, übersteigerte Bindung an den Gesetzeswortlaut") zuordnen.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den S § 22 ff
Vor § 2 2
ziehen" und „als dessen (weitere) Verwirklichung darstellen lässt" (Küper J Z 1981 251 f; ders. JuS 1986 869). Dass sich auch bei diesem „tatbestandskonformen Beendigungsbegriff" (Kühl FS Roxin S. 675) dann nicht anders als bei der Vollendung über die Wortlautverträglichkeit einer Subsumtion streiten lässt, versteht sich von selbst. Diese Ansicht lässt hierfür aber anders als die beiden anderen Auffassungen nur einen durch den Wortlaut des jeweiligen Tatbestandes begrenzten Raum. 3 7 b) Anwendungsbereich. Bei welchen Tatbeständen bzw. Tatabläufen ein Auseinandertreten von Vollendung und Beendigung in Betracht kommt, ist gleichfalls nicht abschließend geklärt. Naturgemäß hängt die Antwort hierauf (auch) davon ab, wie die Beendigungsphase definiert wird; denn wo das in Betracht kommende Geschehen beispielsweise noch als Verwirklichung einer mit der Tatbegehung verbundenen, im Tatbestand aber nicht verankerten oder das eigentliche Tatunrecht nicht mehr berührenden Absicht erscheint, kann nur auf dem Boden eines faktischen, nicht mehr aber auf der Grundlage eines (streng) tatbestandsbezogenen normativen Verständnisses der Beendigung von einer tatbestandsrelevanten Nachzone gesprochen werden. Das gilt z.B. für eine Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Abs. 1) oder eine mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1), die „in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder zu schädigen" (§ 203 Abs. 5, 271 Abs. 3), begangen werden. Hier fallen Vollendung und Beendigung dann schon vor der Realisierung der Absicht zusammen, wenn man der Qualifikation keinerlei Erweiterung des Tatunrechts, sondern nur eine Steigerung der Verwerflichkeit bescheinigt, eine tatunrechtsbezogene Erweiterung aber von der die Tat beendenden Handlung verlangt. So sieht es die Rechtsprechung in diesen beiden Fällen ebenso wie bei der Hehlerei, da in allen drei Tatbeständen der erstrebte Vermögensvorteil nicht rechtswidrig zu sein und infolge dessen auf das Tatunrecht keinen Einfluss mehr habe (BGH NStZ 1993 538). Da mit der Verwirklichung der Absicht auch solche Taten andererseits fraglos erst ihren „tatsächlichen Abschluss" finden, ist die Gegenposition nicht gehindert, eine Beendigungsphase zu bejahen.
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Unter diesen begrifflichen Vorbehalt ist daher auch die von Jescheck (FS Welzel S. 683, 685 ff) vorgeschlagene und von Vogler (LK 10 Rdn. 24 ff) weitgehend übernommene Vierteilung der Fallgruppen 3 8 zu stellen. So will Jescheck von einer ersten Gruppe dort sprechen, wo der Gesetzgeber den Eintritt der Vollendung aus kriminalpolitischen Gründen „im Verhältnis zu dem erst später erfolgenden Abschluss des deliktischen Gesamtgeschehens" vorverlegt habe. Das soll bei Absichtsdelikten wie dem Diebstahl oder der Urkundenfälschung, bei Gefährdungsdelikten wie der Trunkenheitsfahrt oder der Brandstiftung und bei den echten (§ 81) wie unechten (§ 292 in der Variante des Nachstellens) Unternehmensdelikten so sein.
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Schon an dieser Gruppe zeigt sich, dass sie nur dann Delikte mit einer Beendigungsphase und diese als immer gleich verstandene Spanne zusammenfasst, wenn man sich zuvor auf einen bestimmten Begriff der Beendigung und - bei normativer Sicht - zudem auf eine Festlegung des jeweiligen Tatunrechts verständigt. So werden zwar die Absichtsdelikte in der Tat verbreitet zur Demonstration der Beendigungsstufe benutzt, weil erst
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Diese Auffassung findet sich mit Nuancierungen z.B. bei Kühl § 14 Rdn. 27; ders. JuS 2002 731 f; Lackner/Kühl Rdn. 2 („zumindest, soweit es um strafbarkeitsbegründende/-schärfende Folgen geht"); Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 39 Rdn. 40;
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Roxin L K " § 27 Rdn. 37; ders. AT II S 26 Rdn. 262; nahestehend Köhler S. 536; Lesch Beihilfe S. 57 ff; Zaczyk Unrecht S. 194. Sie werden von Bitzilekis ZStW 99 (1987) 725 ff und Patzelt Steuervorteile S. 132 ff zu zwei Kategorien zusammengezogen.
Thomas Hillenkamp
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Vor § 2 2
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2 . Abschnitt. Die Tat
die Verwirklichung der „überschießenden Innentendenz" die materielle Beendigung der Tat bewirke. 39 Das kann man unangefochten aber nur in einem tatsächlichen Sinne so sehen. Hält man dagegen die normative An- oder sogar Einbindung der Beendigung in das Tatunrecht für nötig, fallen im Tatbestand erwähnte Absichten, die sich nicht auf das durch den Tatbestand geschützte Rechtsgut beziehen, als eine Beendigungsphase rechtfertigend aus. Das wird - wie schon erwähnt (Rdn. 24) - für §§ 203 Abs. 5, 271 Abs. 3 und § 259 wie auch für § 2 1 1 4 0 so gesehen und selbst für Diebstahl und Betrug behauptet, die paradigmatisch für diese Gruppe stehen, 41 denen hiernach aber eine Beendigungsphase dann fehlte. Auch zu den Gefährdungsdelikten wird die These Jeschecks, „der Abschluss des Verbrechensablaufs ergebe sich erst aus dem Eintritt der Verletzung des geschützten Handlungsobjekts", mit der auf die Tatbestandseinbindung verpflichteten Begründung zurückgewiesen, dass die Verletzung hier gerade kein Merkmal des Tatbestands und dass für die strafbare Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht der „Hintergrund" der Norm, sondern allein das Strafgesetz maßgebend sei. 42 Für die Brandstiftung wird in dieser Gruppe allerdings eine Beendigungsphase verbreitet gleichwohl anerkannt, weil hier sprachlich von einem „In-Brand-Setzen" bis zum Stadium der vollständigen Einäscherung des Objekts und weil beim weiterfressenden Schaden auch sachlich noch von einer Verwirklichung des Tatbestandes die Rede sein könne. 4 3 Für die Unternehmensdelikte wird dagegen bezweifelt, ob es angesichts der (formellen oder materiellen) Gleichstellung von Vollendung und Versuch einer hier die Vollendung meinenden Beendigungsphase überhaupt bedarf. 44 Breitere Anerkennung findet die Beendigungsphase in einer zweiten Gruppe (Jescheck FS Welzel S. 686 ff), deren Kennzeichen die iterative oder durative Struktur der hier versammelten Tatbestände ist. Der Tatbestand wird in diesen Fällen durch kontinuierliche, vom gleichen Vorsatz getragene Handlungen bzw. Unterlassungen 45 immer wieder verwirklicht (Maiwald Handlungseinheit S. 70 ff). Das gilt zunächst für die sogenannten Dauerdelikte wie den Hausfriedensbruch (123), die Verletzung der Fürsorgepflicht (§ 171), die Förderung der Prostitution (§ 180c) oder die Freiheitsberaubung (§ 239). 4 6 Bei ihnen wird durch die Straftat ein rechtswidriger Zustand geschaffen, den der Täter durch aktives Tun oder gegebenenfalls auch durch garantenpflichtwidriges Unterlassen (Kühl Beendigung S. 62 ff) aufrechterhält und dadurch den Tatbestand fortlaufend weiterverwirklicht. Hier wird davon gesprochen, dass solche Delikte mit der ersten Herstellung des rechtswidrigen Zustande vollendet, aber erst mit der Aufhebung des Zu-
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So z.B. Rudolphi Rdn. 7; Sch/Schröder/Eser Rdn. 6 ; Wessels/Beulke Rdn. 5 9 2 . In den ersten drei Fällen von B G H N S t Z 1 9 9 3 5 8 8 (vgl. Rdn. 2 4 ) ; ]escheck FS Welzel S. 6 8 5 Fußnote 14 nennt hierfür auch die Verdeckungs- bzw. Ermöglichungsabsicht beim M o r d . Das ist allerdings deshalb zweifelhaft, weil die in die Absicht eingebundene Zweck-Mittel-Relation das Tatunrecht dieses Mordtypus mitbestimmen dürfte.
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Nämlich z.B. von Kühl FS Roxin S. 6 7 4 f; zum Diebstahl bzw. Raub s. auch Bitzilekis Z S t W 9 9 ( 1 9 8 7 ) 7 2 9 f, 7 3 4 f; Küper JuS 1986 869.
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Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 3 9 Rdn. 4 0 gegen Hau Beendigung S. 3 6 .
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S. hierzu Hau Beendigung S. 9 4 f; Kühl Beendigung S. 105; zusammenf. Küper J Z 1 9 8 1 2 5 2 f.
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S. Bitzilekis Z S t W 9 9 ( 1 9 8 7 ) 7 2 8 f. S. zur Unterscheidung von Vollendung und Beendigung bei unterlassener Bilanz- bzw. Inventaraufstellung nach S 2 8 3 Abs. 1 Nr. 7b Maurer wistra 2 0 0 3 175.
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Für eine Beendigungsphase treten hier z.B. ein Baumann/Weber/Mitsch § 8 Rdn. 5 6 ; Otto § 18 Rdn. 10; Sch/Schröder/Eser Rdn. 9; Wessels/Beulke Rdn. 5 9 2 ; in der Sache auch Jakobs 8 / 8 1 ; Roxin AT I § 10 Rdn. 107.
T h o m a s Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den § § 2 2 ff
Vor § 22
stands beendet sind. Den Dauerdelikten werden insoweit Tatbestände hinzugesellt, die wie § 267 - eine tatbestandliche Handlungseinheit zwischen zwei Akten, deren erster die Tat schon vollendet, herzustellen vermögen oder die - wie z.B. die landesverräterische oder geheimdienstliche Agententätigkeit (§§ 98, 99), die Geldfälschung (§ 146) oder die Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231) - in ihrer Handlungsbeschreibung eine Vielzahl von Einzelakten umschließen (Vogler LK 1 0 Rdn. 28). Diese Fälle gelten auch einem streng normativen Verständnis deshalb als Prototyp für die Existenz und Berechtigung einer Beendigungsphase, weil es sich hier um eine subsumtionsfähige Weiterverwirklichung des Tatbestandes und damit um eine spezifisch „tatbestandsbezogene Beendigung" handele (Kühl FS Roxin S. 676 ff; Lackner/Kühl Rdn. 2). Gerade deshalb wird freilich auch in Frage gestellt, ob es des (unbestimmten) Begriffs der Beendigung hier überhaupt bedürfe, 47 da sich das Weiterhandeln auch als immer noch anhaltende Vollendung begreifen lasse. Zur dritten Gruppe zählen nach Jeschecks ursprünglicher (s. Rdn. 29) Vierteilung Fälle der in der Konkurrenzlehre von ihm sogenannten „fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung" (FS Welzel S. 688 f). Hierunter werden Tatabläufe verstanden, die jenen bei den zuvor genannten Dauerstraftaten, mehraktigen Tatbeständen und Unternehmensdelikten ähneln, bei denen das Auseinanderfallen von Vollendung und Beendigung aber nicht wie dort in der Deliktsstruktur selbst angelegt, sondern Folge einer nur zufälligen Gestaltung der Handlung ist. So stehe etwa eine durch schmerzhafte Fesselung oder eine Reihe von Schlägen herbeigeführte Körperverletzung einer Dauerstraftat, die Folge von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug einem mehraktigen Delikt und die Einfuhr von Schmuggelgut unter Umgehung der Zollstelle als Zollhinterziehung (§ 392 RAO), die erst mit dem Eintreffen am Bestimmungsort beendet sei (BGHSt 3 40, 44), einem Unternehmensdelikt gleich. Hier lässt sich mit einer verbreiteten Zweiteilung statt von iterativer Delikts- von iterativer Handlungsstruktur (Kühl § 14 Rdn. 2 f) sprechen, bei der nicht anders als bei jener die Unbedenklichkeit (aber auch Entbehrlichkeit, s. Bitzilekis ZStW 99 [1987] 726 f) einer Beendigungsphase wiederum auch aus normativer Sicht daraus folgt, dass solche Handlungen - wie z.B. auch die Wegnahme beim Diebstahl in mehreren Einzelakten (Gössel ZStW 85 (1973) 645) - zwanglos unter den Tatbestand subsumiert werden können (Lackner/Kühl Rdn. 2). Das gilt auch dort, wo durch weitere Handlungen die schon eingetretene schadensgleiche Vermögensgefährdung in eine endgültige Schädigung umschlägt (so bei der Untreue BGH NStZ 2001 650; BGH wistra 2003 379, 380; LG Wiesbaden NJW 2 0 0 2 1510, 1512).
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Der vierten Gruppe ordnet Jescheck (FS Welzel S. 689) mit den Fällen der natürlichen Handlungseinheit und der fortgesetzten Handlung zwei weitere Erscheinungen der Konkurrenzlehre deshalb einer von der dritten geschiedenen Kategorie zu, weil sich mit der Erfüllung des jeweils ersten und letzten in diesen Zusammenhang einbezogenen Tatbestandes zwar auch bei ihnen zwischen Vollendung und Beendigung unterscheiden, sich diese Unterscheidung aber nicht mehr aus einer Auslegung des jeweiligen Tatbestandes, sondern nur aus einem „Kunstprodukt der Konkurrenzlehre" herleiten lasse. Freilich lässt sich etwa das Beispiel der Verwirklichung der Körperverletzung durch mehrere Schläge ebensogut hier wie dort einordnen. 48 Möglicherweise deshalb findet sich im Lehrbuch (Jescheck/Weigend § 49 III 3) die hier in der ursprünglichen Fassung aufge-
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47
Jakobs 8/81 und Roxin AT I ξ 10 Rdn. 107
verzichten bei sachlicher Anerkennung dieser Tatbestandsphase auf den Beendigungs-
begriff; expresses verbis ablehnend z.B.
Bitzilekis ZStW 99 (1987) 724; 777;
48
Hruschka GA 1968 2 0 4 f. Vgl. z.B. Kühl § 14 Rdn. 23.
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Vor § 22
2. Abschnitt. Die Tat
führte dritte Gruppe in einer anderen, in den Kernbereich der Problematik wieder zurückführenden Gestalt, wenn hierzu Fälle zählen sollen, in denen der End- oder Gesamterfolg der Tat durch Handlungen erreicht werde, die wie die Bergung der Diebstahlsbeute oder die Vernichtung des ganzen Gebäudes bei der Brandstiftung „nicht mehr im formellen Sinne der Beschreibung des Tatbestandes" entsprechen. 30
c) Stellungnahme. Eine Stellungnahme zu den Fragen der Existenz und der Bedeutung einer den iter criminis abschließenden eigenständigen Beendigungsstufe hat zunächst dreierlei zu bedenken. Zum ersten ist nicht zu bezweifeln, dass der Begriff der Beendigung eine Daseinsberechtigung besitzt und es der inhaltlichen Bestimmung einer nach der (ersten) Vollendung einsetzenden und mit der Beendigung das Tatgeschehen abschließenden Beendigungsphase daher bedarf. Zum einen folgt das mit § 78a aus dem Gesetz selbst, das - jedenfalls in diesem Zusammenhang - eine Festlegung verlangt (BGH wistra 2 0 0 3 385). Vorausgesetzt wird die Unterscheidbarkeit darüber hinaus aber auch in anderen Sachlagen. So ist es seit langem die von der Literatur unterstützte Position der Rechtsprechung, dass der Anwendungsbereich des § 2 5 2 in zeitlicher Hinsicht auch dann, wenn der Täter schon zuvor wahrgenommen worden ist, erst mit der Vollendung der Wegnahme beginnt und spätestens mit der (tatsächlichen) Beendigung des Diebstahls endet (BGHSt 2 8 2 2 4 , 2 2 9 ; B G H StV 1985 13; B G H N J W 198 7 2 6 8 7 ) . 4 9 Darüber hinaus gilt es aber auch dann, wenn man den Begriff der Beendigung in anderen Problemgestaltungen als entbehrlich 5 0 oder - weil aus ihm etwa im Zusammenhang mit Fragen der Teilnahme oder der Qualifikation zu weit gehende Folgerungen abgeleitet werden - als gefährlich 5 1 ansieht, an ihm festzuhalten, weil er mit der Kennzeichnung einer über die formelle erste Vollendung hinaus reichenden Phase deren Problematik gerade hervorhebt, ohne über die Berechtigung auf diese Spanne bezogener Folgen schon etwas auszusagen. M a n sollte daher die Beendigung sicher nicht „pauschal" als eine alle möglichen Auswirkungen begründende „Stufe des Delikts behandeln" (Jakobs 25/12), den Begriff aber auch nicht verabschieden.
31
Zum zweiten empfiehlt es sich, kein Delikt und keine Deliktsgruppe kategorisch aus dem Kreis der für eine Beendigungsphase in Betracht kommenden Tatbestände auszuschließen. Das gilt namentlich für die in dieser Hinsicht in Gefahr stehenden Zuständsdelikte (s. Jescheck FS Welzel S. 687). So können z.B. die Körperverletzung oder die Sachbeschädigung durch wiederholte Tritte oder Axthiebe gegen das Tatobjekt ebenso in iterativer Handlungsweise (s. Kühl 5 14 Rdn. 2 3 ) verwirklicht werden, wie die Beleidigung durch einen Schwall unflätiger Beschimpfungen. Auch kann sich die Vollendung der Sachbeschädigung wie die der Brandstiftung dehnen. 5 2 Selbst der überwiegend (mit fragwürdiger Begründung aA Walther NStZ 2 0 0 5 657) einer Nachzone für unzugänglich erachtete Totschlag ( Wessels/Beulke Rdn. 5 9 3 ) entzieht sich jedenfalls als Qualifikation
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Vgl. nur Sch/Schröder/Eser § 252 Rdn. 3; Wessels/Hillenkamp BT/2 Rdn. 365 jeweils m.w.N. So z.B. Bitzilekis ZStW 99 (1987) 723 für alle sechs von ihm behandelten Fragenkreise. So z.B. Kühl, der deshalb jedenfalls „den tatbestandslosen oder außertatbestandlichen Beendigungsbegriff" (in der hier - Rdn. 22 gebildeten Terminologie den faktischen und eingeschränkt faktischen Beendigungsbegriff) aufzugeben rät (FS Roxin S. 678); aus unter-
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schiedlichen Gründen krit. auch Gössel ZStW 85 (1973) 591; Herzberg Täterschaft S. 71; Hruschka JZ 1983 217; Isenbeck NJW 1965 2326; Rudolphi FS Jescheck S. 559. Vgl. das Beispiel bei Jescheck FS Welzel S. 687 Fußnote 23; bei Baumann/Weber/ Mitsch § 8 Rdn. 56 wird für Zuständsdelikte dagegen eine Beendigungsphase verneint; für Identität zwischen Vollendung und Beendigung bei der Steuerhinterziehung R. Müller wistra 2004 11 f, 14.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den § § 22 ff
Vor § 2 2
nicht jeder Beendigungsdefinition, wenn man etwa an die geschlechtliche Befriedigung an der Leiche eines zu diesem Zweck getöteten Menschen oder die Ausplünderung des bereits leblosen Opfers eines Habgiermordes denkt. Zum dritten muss man sich von der Vorstellung lösen, man könne die zwischen (formelier) Vollendung und (materieller) Beendigung liegende Phase in einer für alle in Betracht kommenden Tatbestände und Fragestellungen gleich gültigen Weise bestimmen. Dem steht zum einen entgegen, dass - was als Einsicht heute unbestritten sein dürfte die Beendigung nicht anders als die Vollendung sich als eine Frage des jeweiligen Tatbestandes und daher nur in einem engen Bezug zu dessen Umschreibung und Rechtsgut stellt. Das gilt ersichtlich für ein normatives Verständnis (s. Rdn. 21 f), nach dem man „bei den einzelnen Delikten ansetzen und begründen" muss, warum z.B. beim Diebstahl die Beutesicherung noch zum Unrecht des § 2 4 2 oder beim Betrug die Vorteilserlangung noch zum Tatbestand des § 2 6 3 gehört (Kühl FS Roxin S. 6 7 4 ; ders. JuS 2 0 0 2 7 3 2 f). Aber auch bei einer mehr faktischen Sinngebung (s. Rdn. 2 0 , 2 2 ) kann ein für die Beendigung erforderlicher „Zusammenhang" zwischen der kein Tatbestandsmerkmal mehr erfüllenden Handlung und dem in Frage stehenden Tatbestand „nur so lange angenommen werden, als dadurch der Angriff auf das betroffene Rechtsgut andauert oder gar intensiviert, also nicht nur Tatverdeckung bezweckt wird" (Sch/Schröder/Eser Rdn. 8). Diese Einsicht schließt zwar nicht aus, dass man für die Beendigungsphase auch generell oder wenigstens für Deliktsgruppen verbindliche Aussagen trifft, bewahrt aber vor der Gefahr, die notwendige Tatbestandsbezogenheit beispielsweise dadurch einzuebnen, dass man für Absichtsdelikte ohne Rücksicht auf die Bedeutung der Absicht für das Tatunrecht (z.B. in § 2 0 3 Abs. 5 einerseits, § 2 4 2 andererseits) behauptet, sie fänden unterschiedslos erst mit der Verwirklichung der Absicht ihr Ende.
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Zum anderen gilt das damit benannte Differenzierungsgebot auch für den jeweiligen Problemzusammenhang, in dem sich die Frage nach einer Beendigungsstufe oder einem solchen Zeitpunkt stellt (Otto AT § 18 Rdn. 13; ders. FS Lackner S. 715, 716 ff). So ist die Antwort darauf, wann eine Tat im Sinne des § 78a „beendet" ist (s. z.B. B G H N S t Z 1993 5 3 8 ; B G H wistra 2 0 0 3 385), im Grundsatz wie in Zweifelsfällen nicht ohne Blick auf die Teleologie dieser den Verjährungsbeginn festlegenden Vorschrift zu finden. 5 3 Dass dabei ähnliche Gesichtspunkte den Ausschlag geben können wie dort, wo die Beendigung die Amnestiefähigkeit der Tat (s. dazu Kühl Beendigung S. 173 ff) oder einen Begehungsort im Sinne der §§ 3, 9 begründen soll (vgl. B G H N J W 1974 914), liegt nahe. Andere Erwägungen treten dagegen in den Vordergrund, wo die Beendigungsphase noch eine (Erfolgs-) Qualifikation auslösen (vgl. B G H N S t Z 1998 351; B G H N J W 1 9 9 9 1039), für Mittäterschaft (vgl. B G H N S t Z 1 9 9 9 510) und Beihilfe (vgl. B G H N S t Z 2 0 0 0 31; BGH wistra 2 0 0 3 379, 381 f) gegebenenfalls in Abgrenzung zur Begünstigung 5 4 noch offen sein 5 5 oder eine Konkurrenz herstellen (vgl. B G H N S t Z 2 0 0 1 8 8 ) 5 6 können soll.
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Vgl. dazu Baumann/Weber/Mitsch § 8 Rdn. 58; Otto FS Lackner S. 715, 720 ff; Schmitz Unrecht S. 213 ff; zum Verjährungsbeginn bei der Steuerhinterziehung durch aktives Tun und durch Unterlassen s. R. Müller wistra 2004 11. Vgl. dazu nur Lackner/Kühl § 27 Rdn. 3 m.w.N.; Roxin AT II § 25 Rdn. 220 ff; § 26 Rdn. 257 ff; Schmitz Unrecht S. 209 ff; Weisen Hilfeleistung S. 217 ff; zur Abhängigkeit
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der sukzessiven Beihilfe vom Teilnahmeunrecht s. auch Lesch Beihilfe S. 66. Neben der Verjährung gehören diese drei Fragenkreise zu den im hier dargestellten Zusammenhang meist diskutierten, s. nur Jescheck FS Welzel S. 696 ff; Kühl FS Roxin S. 678 ff jeweils m.w.N. Vgl. hierzu Kühl Beendigung S. 176 ff; ders. § 21 Rdn. 40 f.
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
Dass solche Fragestellungen wiederum über den Begriff hinaus wenig mit jener verbindet, wann ein Diebstahl noch eine „ f r i s c h e " - und das heißt noch nicht beendete (s. R d n . 3 0 ) - Tat im Sinne des § 2 5 2 ist, liegt auf der H a n d . Dagegen ist es denkbar, dass diese zuletzt genannte Problematik Berührungspunkte mit der Auskunft hat, dass die Gegenwärtigkeit eines deliktischen Angriffs im Sinne der Notrechte erst mit der Beendigung des jeweiligen Vergehens entfällt. 5 7 Eine Sachnähe hierzu ist behauptbar, wenn es darum geht, o b m a n in bestimmten Fällen den agent provocateur straflos ausgehen lassen kann, wenn er es zwar zu einer (formell) vollendeten, nicht aber zu einer (materiell) beendeten Tat k o m m e n lassen will (vgl. B G H S t V 1 9 8 1 5 4 9 ) . 5 8 B e j a h t m a n das, liegt es schließlich nahe, den Begriff der Beendigung hier nicht anders zu bestimmen als dann, wenn m a n für die Phase zwischen einer (frühen) formellen Vollendung und einer den materiellen Gutsschaden erst bewirkenden Beendigung an eine analoge Anwendung des § 2 4 denkt.59 34
d) Folgerungen. Es ist hier nicht der O r t , für die damit aufgelisteten und in den unterschiedlichsten Bereichen des Allgemeinen und Besonderen Teils beheimateten Fragestellungen eine je für sich befriedigende A n t w o r t zu geben. Solche Antworten müssten ersichtlich über die T h e m a t i k des Versuchs und seine Einbettung in eine Stufenlehre, um die es hier geht, weit hinaus greifen. Es muss daher an dieser Stelle im wesentlichen mit der Einsicht sein Bewenden haben, dass eine selbständige Verbrechensstufe der Beendigung für alle Delikte und Deliktsgruppen im Grundsatz anzuerkennen (Rdn. 3 0 , 31; Vogler L K 1 0 R d n . 3 4 ) und dass sie im jeweiligen Problem- und Deliktszusammenhang (doppeltes Differenzierungsgebot, s. R d n . 3 2 , 3 3 ) zu bestimmen ist. D a b e i ist allerdings zu berücksichtigen, dass das das Strafrecht beherrschende Gesetzlichkeitsprinzip (§ 1, Art. 1 0 3 Abs. 2 G G ) auch für diese Phase gilt und ihre freihändige Bestimmung daher in breitem U m f a n g verbietet ( K ü h l § 14 R d n . 2 5 ) . Aber auch dort, w o der nullum-crimenGrundsatz der A n e r k e n n u n g einer mit der Tatbestandsbeschreibung selbst nicht m e h r vereinbaren Ausdehnung der Tat nicht im Wege stünde, sprechen die besseren Gründe für eine enge Anbindung an das im jeweiligen Tatbestand umrissene Unrecht. D a r a u s ergeben sich für die Beendigungsphase generell die im folgenden ( R d n . 3 5 ff; 3 8 ) aufgeführten Konsequenzen.
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Z u m einen ist dort, w o die Beendigungsstufe strafbarkeitsbegründende oder -schärfende Folgen nach sich ziehen und rechtfertigen können soll, aufgrund des Gesetzlichkeitsprinzips eine Einbindung dieser Phase in das tatbestandlich umschriebene Unrecht im Sinne des in R d n . 2 3 wiedergegebenen streng normativen Verständnisses zu verlangen. Hier reicht für eine die Grenzen des Tatbestandes vernachlässigende Überdehnung weder der Verweis auf eine gewohnheitsrechtliche Legitimation (so aber Hau Beendigung S. 4 9 ff; abl. Kühl J u S 2 0 0 2 7 3 1 ; Zaczyk N K § 2 2 R d n . 6), noch die Behauptung, es lasse
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Vgl. zu diesem Zusammenhang Wessels/Hillenkamp Rdn. 366 m.w.N.; vgl. allgemein zum Zusammenhang der Beendigung eines Angriffs im Sinne der Notwehr und dem hier erörterten Beendigungsbegriff Kühl Beendigung S. 851 ff; ders. Jura 1993 62 f m.w.N. Es geht hier - wie bei der Notwehr - um die Abwendung bzw. den Nichteintritt des endgültigen Rechtsgutsschadens, s. dazu Hillenkamp AT 24. Problem; Jakobs 23/17; Roxin AT II § 26 Rdn. 156.
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So - i.E. verneinend Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 97 ff; vgl. dazu auch Berz Tatbestandsverwirklichung S. 1 ff; ders. FS Stree/Wessels S. 331 ff. Den Begriff der Beendigung erklärt bezüglich der hier aufgeführten Problemkreise Bitzilekis ZStW 99 (1987) 732 ff für irreführend und sachlich entbehrlich.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 2 2 ff
Vor § 2 2
sich in vorsichtiger Lockerung der Bindung an den möglichen Wortlaut ein nur noch dem materiellen Verbots-, nicht aber mehr dem Wortsinn unterfallendes Stadium einbeziehen, weil es dem Gesetzgeber angelegentlich sei, das „deliktische Gesamtgeschehen" zu erfassen (so aber Jescheck FS Welzel S. 689, 690 f). Mit beiden Positionen wird das Gesetzlichkeitsprinzip verletzt. Stattdessen ist ein „tatbestandsbezogener Beendigungsbegriff" (Kühl FS Roxin S. 678) zu fordern, der im hier erörterten Kontext die Beendigung als ein den Geboten des Art. 103 Abs. 2 GG unterworfenes tatbestandsspezifisches Auslegungsproblem begreift. Danach fallen nur solche Handlungen und Geschehnisse in die Beendigungsphase, die sich „durch zulässige Interpretation sprachlich und sachlich" noch als eine fortgesetzte Verwirklichung der Tat verstehen lassen (Küper J Z 1981 251). 6 0 Hiervon kann verallgemeinernd bei jenen Tatbeständen oder Tatabläufen gesprochen werden, bei denen die Verwirklichung der Tat der iterativen (durativen) Deliktsstruktur des Tatbestandes entspricht oder in sonst iterativer Handlungsstruktur verläuft (s. Rdn. 27, 28). Das gilt für die Dauerdelikte und jene Fallgruppen, in denen infolge natürlicher oder rechtlicher Handlungseinheit von einer sich über mehrere Handlungen oder Unterlassungen erstreckenden Weiterverwirklichung des Delikts und deshalb von noch „innertatbestandlichem Verhalten" (Vogler LK 1 0 Rdn. 35) gesprochen werden kann. Hier ist „das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes" und die strafbarkeitsbegründende oder -schärfende Verwertung der damit eröffneten Nachzone „unproblematisch" (Lackner/Kühl Rdn. 2), da man in der Sache ebensogut statt von einer Beendigungs- von einer noch anhaltenden, weil gestreckten Vollendungsphase reden könnte. 61 Was jenseits dieses „Prototyps einer tatbestandsmäßigen Beendigung" (Kühl FS Roxin S. 676) liegt, ist einer vergleichbar verallgemeinernden Beurteilung nicht zugänglich. So lässt sich für die Brandstiftung eine Beendigungsphase bis zum endgültigen Niederbrennen wohl vertreten (vgl. dazu OLG Hamm J Z 1961 94 mit Anmerkung Stratenwerth), und ebenso für die Untreue bis zum Umschlag der Vermögensgefährdung in einen endgültigen Vermögensverlust (BGH NJW 2001 2102, 2106; BGH NStZ 2001 650; LG Wiesbaden NJW 2 0 0 2 1510, 1512; einschränkend Schmitz Unrecht S. 203 ff), nicht dagegen, dass das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bis zum Erreichen des Fahrtziels oder dem endgültigen Sich-in-Sicherheit-Bringen andauere (so aber BayObLG NJW 1980 412; zu Recht enger Küper J Z 1981 253 ff). Namentlich bei den für die Praxis in erheblichem Umfang relevanten Absichtsdelikten ist die pauschale Auskunft, sie seien „materiell" stets erst nach Verwirklichung der Absicht beendet (s. Rdn. 26), mit der im hier erörterten Zusammenhang verlangten normativen Einbindung nicht vereinbar. Das gilt einerseits für jene Fälle, in denen die Absicht keinen Bezug zum Tatunrecht aufweist (Rdn. 24). Aber auch dort, wo wie beim Diebstahl oder Betrug ein Rechtsgutsbezug schwerlich zu leugnen ist, wird eine dem Tatbestand noch subsumierbare Phase, die in der Sicherung der Beute oder der Erlangung des erstrebten Vorteils liegen soll, vermehrt und zu Recht bestritten. 62 Hiermit sind einer Beendigungsphase zugängliche iterative Verwirklichungen wie das stückweise Heraustragen der Beute aus dem Gewahrsamsbereich des Diebstahlsopfers oder die Veranlassung weiterer schädigender Verfügungen auf der Grundlage eines bereits geschaffenen Irrtums nicht zu verwechseln.
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Diese Aussagen (Rdn. 36) gelten vor allem für die beiden Fragenkreise, in denen die strafbegründende bzw. -schärfende Verwertung der Beendigungsphase besonders deutlich
37
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Ders. JuS 1986 869; ebenso Kühl FS Roxin
S. 676 ff und die in Fußnote 37 Genannten; vgl. auch Gössel ZStW 85 (1973) 646; Isen-
beck NJW 1965 2327.
61
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Wenn auch, um die Problematik der Zone nicht zu verschütten, nicht sollte, s. Rdn. 30. Vgl. Kühl FS Roxin S. 673 ff m.w.N.
T h o m a s Hillenkamp
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
in Erscheinung tritt. D a s ist zum einen die Behauptung, dass zwischen Vollendung und Beendigung n o c h eine Tatbeteiligung in F o r m von Beihilfe oder (sukzessiver) M i t t ä t e r schaft in B e t r a c h t k o m m e , zum anderen die A n n a h m e , die Phase eigne sich noch für die Z u r e c h n u n g (erfolgs-)qualifizierender U m s t ä n d e . 6 3 Beides ist nur richtig, wenn man in diesen Z u s a m m e n h ä n g e n einen eng normativen Beendigungsbegriff zugrunde legt. Ü b e r ihn geht die insoweit daher abzulehnende Rechtsprechung bei Diebstahl und R a u b weit h i n a u s . 6 4 Es versteht sich, dass auch bei einem Abstellen auf eine tatbestandsbezogene Beendigungsphase mit ihrer Bejahung nur die Art. 1 0 3 Abs. 2 G G genügende Grundlage für strafbegründende und -schärfende A n n a h m e n gefunden ist. O b der in dieser Phase geleistete Beitrag oder herbeigeführte Erfolg dann im übrigen die spezifischen Voraussetzungen einer Beihilfe, M i t t ä t e r s c h a f t oder (Erfolgs-)Qualifikation erfüllt, hängt im weiteren von deren Verwirklichungsmöglichkeit in dieser Phase a b und ist mit der Bejahung letzterer daher n o c h nicht entschieden. 6 5 Auch bei der Verjährung wirkt sich die Beendigung für den Straftäter ungünstig aus. M a n sollte daher auch hier und unabhängig davon, o b die Verjährung den Ableitungen des Art. 1 0 3 Abs. 2 G G unterliegt, einen tatbestandsmäßigen Beendigungsbegriff einem „ g e l o c k e r t e n " oder faktischen Verständnis vorziehen. D e m entspricht B G H N S t Z 1 9 9 3 5 3 8 . Auch wird m a n dem B G H zustimmen k ö n n e n , wenn er die für den Beginn der Verjährung m a ß g e b l i c h e Tatbeendigung bei einer durch schadensgleiche Vermögensgefährdung schon vollendeten Untreue erst in der R e a lisierung dieser Gefährdung erblickt ( B G H wistra 2 0 0 3 3 7 9 , 3 8 0 ) . Als letztes sei auf die freilich abweichende R o l l e der Beendigung im R a h m e n des räuberischen Diebstahls (§ 2 5 2 ) hingewiesen. Z w a r belastet auch hier die Beendigungsphase den Täter, da in ihr der R a u b s t r a f r a h m e n greift und die R a u b q u a l i f i k a t i o n e n noch ausgelöst werden k ö n n e n . Z u bedenken ist aber, dass der Beendigungsbegriff in § 2 5 2 sich deshalb von einem streng normativen Verständnis trennen muss, weil eine innertatbestandliche Deutung die Abgrenzung zum R a u b nicht leisten und die ganz andere Frage, wie lange es sich bei einem Diebstahl n o c h um eine „frische T a t " handelt, auch nicht sachgerecht beantw o r t e n k ö n n t e . In diesem P r o b l e m z u s a m m e n h a n g ist deshalb ein Begriffsverständnis zugrunde zu legen, das auf die tatsächliche Beendigung setzt, 6 6 ohne damit freilich den Bezug zum Diebstahls- (oder R a u b - ) T a t b e s t a n d vollends zu verlieren. D a s geschieht richtigerweise nicht durch das Abstellen auf die Verwirklichung der Zueignungsabsicht durch das Herbeiführen eines erst jenseits der W e g n a h m e eintretenden Aneignungs- oder E n t e i g n u n g s e r f o l g s , 6 7 sondern durch die den funktionalen Z u s a m m e n h a n g zwischen dem eingesetzten R a u b m i t t e l und der Besitzerhaltungsabsicht wahrende Forderung, auf die Beendigung der W e g n a h m e im Sinne einer Beutesicherung abzustellen.
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Diese Beispiele dominieren die Diskussion, vgl. nur Kühl FS Roxin S. 679, 683; ders. JuS 2 0 0 2 733 ff; Krey AT/2 Rdn. 397 f; Roxin AT II § 25 Rdn. 220 ff; § 26 Rdn. 257 ff; Rudolphi SK Rdn. 9, 10; Sch/Schröder/Eser Rdn. 10, 11. Vgl. zur Tatbeteiligung z.B. BGHSt 2 344; 3 40; 4 132; 6 248; 19 323; BGH NStZ 1999 510; zur Qualifikation BGHSt 2 0 194; 38 298; BGH M D R 80 106; BGH NStZ 1985 547; 1998 354; zur Erfolgsqualifikation BGHSt 38 295; BGH N J W 1999 1034; BGH NStZ 1999 554; 2001 371; ferner Wesse/s/ Hillenkamp Rdn. 256; 342a; 355 m.w.N. Gemeint sind z.B. Fragen wie die, ob für Bei-
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hilfe eine Förderung der Tathandlung (und nicht nur des Erfolges) oder für Mittäterschaft eine Tathandlung im Ausführungsstadium zu fordern oder wie der tatbestandsspezifische Zusammenhang bei den Erfolgsqualifikationen zu bestimmen ist, vgl. zu diesen hier nicht weiter verfolgbaren Problemen Kühl FS Roxin S. 681, 684 m.w.N.; zur Beihilfe z.B. Roxin LK 1 1 § 27 Rdn. 32 ff. BGHSt 2 8 224; die Frische kann hiernach auch schon vor der faktischen Beendigung entfallen, vgl. Wessels/Hillenkamp Rdn. 366. Ablehnend hierzu Küper JuS 1986 869.
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Vorbemerkungen zu den §§ 2 2 ff
Vor § 2 2
Zum anderen sollte man auf eine (mit der zu § 2 5 2 soeben geforderten) vergleichbare Anbindung der Beendigungsphase an die tatbestandliche Umschreibung auch dort nicht verzichten, wo z.B. mit der Beendigung die Gegenwärtigkeit des Angriffs im Sinne des § 32 oder wo bei fehlendem Willen, dass die Haupttat beendet werde, die Strafbarkeit des agent provocateur entfallen können soll. In solchen Zusammenhängen steht zwar das Gesetzlichkeitsprinzip einer „Auflockerung" nicht unmittelbar entgegen, weil sie den Notwehr Übenden oder den Anstifter begünstigt. Eine Einbindung der Beendigungsphase in den Tatbestand ist daher hier nicht zwingend. Einem Abstellen auf irgendeine nur „tatsächliche" und vom Tatbestand kaum noch geprägte Beendigung steht aber zum einen entgegen, dass der Nebeneffekt einer Ausdehnung der Notwehrlage oder der Straflosigkeit einer Anstiftung eine Belastung des Angreifers bzw. eine Gefährdung des durch die Haupttat angegriffenen Rechtsguts sein kann. Aus solchen Gründen sind im Strafrecht auch vordergründig nur begünstigenden Lösungen Grenzen gesetzt (s. hierzu Hillenkamp Vorsatztat S. 157 ff). 6 8 Zum anderen kann eine tatbestandsgelöste Beendigungslehre „für den Eintritt der materiellen Beendigung keine auch nur halbwegs präzisen Kriterien angeben" (Roxin LK 1 1 § 2 7 Rdn. 35; ders. AT II § 2 6 Rdn. 2 6 2 ) und ist daher „völlig willkürlich" (Kühl JuS 1982 191).
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II. Entstehungsgeschichte der Versuchsregelung 1. Anordnung im Allgemeinen Teil. Da die Tatbestände des Besonderen Teils das Delikt als vollendete Tat (näher zur Vollendung s.o. Rdn. 17 f) schildern, bedarf es besonderer Strafausdehnungsgründe, wenn das vor dem Zeitpunkt der Vollendung liegende Verhalten unter Strafe gestellt werden soll (Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 3 9 Rdn. 16 f). Der Gesetzgeber hat sich im Hinblick auf den Versuch (zu Vorbereitungshandlungen s. o. Rdn. 3 ff) für eine nicht ganz selbstverständliche, angesichts der Verallgemeinerungsfähigkeit und -bedürftigkeit der zu diesem Institut zu treffenden Grundaussagen aber vorzugswürdige ( B o c k e l m a n n Untersuchungen S. 158) Regelung im Allgemeinen Teil schon mit §§ 4 3 ff des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich vom 15.5.1871 (RGBl. S. 127) entschieden und diese Entscheidung weder damals noch seitdem in Frage gestellt (Corves Prot. SA V S. 1651). Sie macht den Versuch zu einem unselbständigen Tatbestand, weil seine Merkmale stets auf ein Delikt des Besonderen Teils zu beziehen sind (Sauermann Versuch S. 31 ff; Jescheck/Weigend § 4 9 III).
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Mit dieser Entscheidung knüpft der Gesetzgeber an das schon in der Vergangenheit im deutschen wie im ausländischen Recht seit langem bevorzugte Regelungsmodell an (Frank Vollendung S. 173 ff). Denn während z.B. das germanische Recht nur einzelne Versuchshandlungen wie das Zücken des Schwertes oder das Wegelagern mit Strafe bedrohte (Baumgarten Versuch S. 106 f ) 6 9 und auch im französischen code pénal von 1791 noch eine generelle Bestimmung über den Versuch fehlte (Frank Vollendung S. 176), enthielt schon die aus der mittelalterlich italienischen Jurisprudenz schöpfende und an Schwarzenbergs Bambergensis auch zum Versuch unmittelbar angelehnte erste reichsrechtliche Kodifikation mit Art. 178 der Constitutio Carolina Criminalis aus dem Jahre 1532 eine dem Allgemeinen Teil zuzurechnende (Schaffstein Lehren S. 159) Versuchsdefinition 7 0 . Sie stellte den Versuch als selbständige Verbrechensform der Vollendung
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Vgl. auch Roxin LK U § 27 Rdn. 35.
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Vgl. näher Wilda Germanen S. 598 ff. Neben der sich mit Art. 119, 172 und 173 wenige Versuchsbestimmungen zu einzelnen
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Delikten finden, vgl. dazu Baumgarten Versuch S. 111; zurückhaltender in der Deutung
Steppan FS Kocher S. 291, 292 f.
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2. Abschnitt. Die Tat
gegenüber, deutete eine Abgrenzung zu den Vorbereitungshandlungen an und traf Aussagen über die Strafbarkeit und die Bestimmung der Strafe. Auch verwies sie bereits durch die Nennung nur dessen, der „durch andere mittel, wider seinen willen verhindert würde", auf die Möglichkeit eines freiwilligen Rücktritts (Baumgarten S. 110 ff). 7 1 41
Die damit zum Ausdruck gelangte Einsicht, dass der Versuch eine Erscheinung des damals als Begriff und Institution freilich noch unbekannten Allgemeinen Teils i s t 7 2 , liegt dann auch den „von unternommenen und ausgeführten Verbrechen" handelnden §§ 3 9 f f Theil II Titel 2 0 des Preußischen Allgemeinen Landrechts 7 3 zugrunde und hat die Partikulargesetze des 19. Jahrhunderts beherrscht ( B a u m g a r t e n Versuch S. 2 7 3 ff). Das gilt auch für das Preußische Strafgesetzbuch von 1851, das in seinem § 31 die aus der nunmehr auch in Frankreich eingeführten allgemeinen Regelung des Versuchs im Art. 2 des code pénal von 1810 stammende Kennzeichnung dieser Verbrechensform als „commencement d'exécution" durch das Abstellen auf den „Anfang der Ausführung" übernahm und das als Vorbild für das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund von 1 8 7 0 (RGBl. S. 197) und das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1871 (RGBl. S. 127) damit dem französischen Recht seinen Einfluss auf das Deutsche Recht nachhaltig sicherte 7 4 ( G o l t d a m m e r Materialien Bd. 1 S. 2 5 2 f).
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2 . Zu entscheidende Grundfragen. Hat sich der Gesetzgeber zur Möglichkeit eines strafbaren Versuchs und zu seiner Regelung im Allgemeinen Teil bekannt, sieht er sich seit alters her vor eine Reihe von Fragen gestellt, die zu entscheiden für einen Teil das Gesetzlichkeitsprinzip (heute) gebietet, für einen anderen Teil den Gesetzgeber nichts zwingt und deren Beantwortung er folglich Rechtsprechung und Lehre überlassen kann, wenn auch nicht muss. Zu den mit allem gemeinten Grundfragen 7 5 gehört, 1. bei welchen Delikten der Versuch strafbar sein soll, 2. wie er zu bestrafen ist, 3. ob auch der untaugliche und der abergläubische Versuch strafbar sein sollen, 4. wie der strafbare Versuch von der (regelmäßig) straflosen Vorbereitung abzugrenzen ist und 5. welche Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt zu gelten haben. Während sich zur ersten Frage z.B. das Reichsstrafgesetzbuch nach dem Vorbild der Art. 2 und 3 des französischen code pénal von 1810 in § 43 Abs. 2 für die auch heute noch (§ 2 3 Abs. 1) gültige Regelung entschied (Meinecke Gesetzgebungssystematik S. 13), 7 6 überließ es beispielsweise die Antwort auf die dritte Frage der Wissenschaft. 7 7 Das auf das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 4.7.1969 (BGBl. I S. 717) zurückgehende heutige Recht hat dagegen bis auf den abergläubischen Versuch alle Fragen ausdrücklich entschieden.
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Dabei war und ist die Ursache tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten dazu, wie die Antworten ausfallen sollten, neben Differenzen in der Kriminalpolitik 78 vor allem 71
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Vgl. zur Entwicklung der Versuchslehre auf dieser Grundlage im Gemeinen Recht Schaffstein Lehren S. 157 ff; Steppan FS Kocher S. 291, 295 ff. Schaffstein Lehren S. 159 betont, dass „der Versuchsbegriff zu den ersten als solchen erkannten allgemeinen Begriffen gehört". Das wie die CCC auch im Besonderen Teil hier und da auf den Versuch einging, so z.B. in § 828; vgl. zum PrALR Goltdammer Materialien Bd. 1 S. 244 ff. Das gilt auch für die Regelung des heutigen § 23 Abs. 1, vgl. Meinecke Gesetzgebungssystematik S. 13; zum Streit um das französi-
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sche „Vorbild" vgl. aber auch Schubert GA 1982 202, 2 0 4 ff; ferner Höinghaus S. 68 f. Vgl. zu ihnen und zur Zusammenstellung der historischen Antworten Baumgarten Versuch S. 228 ff; Frank Vollendung S. 163 ff. Vgl. dort (S. 13 ff) und zur Kritik an dieser Entscheidung im früheren Schrifttum. Vgl. Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch (1909), Begr. Allgemeiner Teil S. 284 ff; Frank S 43 Bern. III 2; Hillenkamp FS Roxin S. 691. Ablesbar z.B. in der auf ein Fehlen des „kriminalpolitischen Bedürfnisses" gestützten Entscheidung für die Straflosigkeit des Ver-
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 22
der althergebrachte Gegensatz zwischen der objektiven und der subjektiven Versuchstheorie, die als jeweiliger Ausgangspunkt zu einer unterschiedlichen Beantwortung der Streitfragen führen. 7 9 Um das zu illustrieren, genügt hier zunächst (näher s. Rdn. 55 ff) zur Kennzeichnung dieser beiden Grundhaltungen, dass nach der objektiven Theorie der Strafgrund des Versuchs in der konkreten Gefährdung des geschützten Tatobjekts liegt und dass daher zum Handlungsunwert auch beim Versuch noch ein spezifischer Erfolgsunwert hinzutreten muss. Die subjektive Theorie verzichtet dagegen hierauf und sieht den Strafgrund des Versuchs allein in dem durch Handlungen betätigten 8 0 rechtsfeindlichen Willen, begnügt sich also mit einem Handlungsunwert. Auf dem Hintergrund dieser gegensätzlichen Bestimmung des Versuchsunrechts und des Strafgrunds des Versuchs finden die fünf hauptsächlichen Fragen naturgemäß deutlich voneinander geschiedene Antworten. a) Versuchsstrafbarkeit. Die im heutigen § 23 Abs. 1 enthaltene Differenzierung zwischen der generellen Versuchsstrafbarkeit von Verbrechen und der nur im Einzelfall angeordneten Versuchsstrafbarkeit von Vergehen ist eine gesetzgeberische Entscheidung, die durch einen Kompromiss zwischen rechtsgrundsätzlichen und kriminalpolitischen Erwägungen geprägt ist. Auf dem Boden einer rein subjektiven Versuchslehre leuchtet die Unterscheidung nicht unmittelbar ein. Die benachbarten Kodifikationen Österreichs und der Schweiz haben sich infolgedessen für eine Versuchsstrafbarkeit von Verbrechen und Vergehen entschieden (s. Meinecke Gesetzgebungssystematik S. 20 ff). 81 Das geltende deutsche Recht geht auf den französischen code pénal von 1810 zurück, den sich das Preußische Strafgesetzbuch von 1851 zum Vorbild nahm. Die dort getroffene Entscheidung für die weitgehende Straflosigkeit des Versuchs von Vergehen rechtfertigten die Verfasser Napoleon gegenüber namentlich mit der schwereren Erkennbarkeit und dem fehlenden gesellschaftlichen Interesse an der Bestrafung des Vergehensversuchs (s. dazu Meinecke Gesetzgebungssystematik S. 13 ff mit Belegen). In der Begründung des § 33 des Preußischen Strafgesetzbuchs wird hinzugefügt, dass sich bei Vergehen „nicht eine so entschiedene Willensbestimmung annehmen lasse, um eine Straf = Anwendung für den Versuch zu rechtfertigen" (Goltdammer Materialien Bd. 1 S. 281). Die Motive des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund erklären die Beibehaltung der Vorschrift so, „dass durch den Versuch einer strafbaren Handlung die staatliche Rechtsordnung umso weniger berührt werde, je weniger schwer die vollendete strafbare Handlung selbst sein würde" (Höinghaus S. 68). Trotz nicht unerheblicher Kritik an der Übernahme dieses Regelungsmodells durch den Reichsstrafgesetzgeber haben auch die Große Strafrechtskommission mit § 27 E 1962 (Begr. S. 142) und der AE in § 25 an der darin verankerten Kompromisslösung festgehalten. Dabei verwies man einerseits darauf, dass selbst der dem nationalsozialistischen Willensstrafrecht und mit ihm der „kämpferischen Haltung ..., schon den Beginn der Täterschaft grundsätzlich bei allen Straftaten für strafbar zu erklären und ... mit der vollen Schärfe des Gesetzes ... zu ahnden" verhaftete E 1936 „aus kriminalpolitischen Gründen" Ausnahmen von der Strafbarkeit des Vergehensversuchs vorsah, 8 2 die er auf Beweisschwierigkeiten, mangelnde Strafwürdigkeit, aber auch
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suchs eines untauglichen Subjekts oder des auf grobem Unverstand beruhenden Versuchs in § 25 AE (s. dazu Begr. S. 61). Vgl. Corves Prot. SA V/1651 sowie Bockelmann Untersuchungen S. 154; Busch LK 9 § 43 Rdn. 1. Auf die Voraussetzung der Betätigung ver-
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zichtet selbst das nationalsozialistische Willensstrafrecht nicht, vgl. Gürtner in: Gürtner/ Freisler Das neue Strafrecht S. 26 f. Ebenso das polnische StGB, s. dazu Zoll FS Eser S. 655, 656 f. Nämlich für Ehebetrug (§ 191), Ehebruch (§ 192), Körperverletzung (§ 413) und Sach-
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darauf stützte, dass es „eine Übertreibung" des Gedankens des Willensstrafrechts wäre, wenn man ihn auch bei der leichten Körperverletzung durchführte, „da der Beginn einer Körperverletzung vielfach noch keine einer kriminellen Ahndung bedürftige Willensschuld erkennen" lasse (E 1936 Begr. S. 250). Zum anderen wurde betont, dass aus der These, der Versuch sei deshalb strafwürdig, „weil schon in ihm Rechtsfeindschaft und Schuld des Täters sich offenbaren", keineswegs folge, „dass jeder Versuch bestraft werden müsste"; denn „einen völlig lückenlosen Katalog von Strafdrohungen gegen jedes strafwürdige Verhalten aufzustellen", sei keineswegs „Leitidee und Prinzip der Strafgesetzgebung" (Bockelmann Untersuchungen S. 157). 8 3 Diese Ablösung kriminalpolitischer Zweckmäßigkeit von einem Konzept nur dogmatischer Folgerichtigkeit liegt auch dem geltenden Recht zugrunde, das sich trotz seines grundsätzlichen Bekenntnisses zur subjektiven Versuchstheorie (s. Rdn. 60) zu einer nur fallweisen Strafbarkeit des Vergehensversuchs entschieden hat. 45
b) Versuchsbestrafung. Auch die Antwort auf die Frage, ob der Versuch wie das vollendete Delikt zu bestrafen oder ob die Strafe hier - sei es obligatorisch, sei es fakultativ zu mildern ist, kann aus strafgrundtheoretischen wie aus von den Strafzwecken mitbestimmten kriminalpolitischen Gründen unterschiedlich ausfallen. Ließe sich der Gesetzgeber allein von einer rein subjektiven Versuchstheorie leiten, läge es auf den ersten Blick nahe, für Vollendung und Versuch obligatorisch das gleiche Strafmaß mit der Begründung vorzusehen, dass es für den verbrecherischen Willen und die ihm entsprechende Willensschuld keinen bedeutsamen Unterschied ausmachen könne, ob der Erfolg zufällig eingetreten oder ausgeblieben sei (Vogler LK 10 Entstehungsgeschichte vor § 22). 8 4 Bei näherem Hinsehen lässt sich aber auch aus „einer subjektiven, erfolgsfreien Versuchsauffassung" die Forderung nach einer wenigstens fakultativen Strafminderung herleiten, um Fällen Rechnung zu tragen, in denen „trotz der Vollendungsnähe des Versuchs eine weitere verbrecherische Energie nötig wäre, den Erfolg herbeizuführen", denn „hier ist ... die Tat noch nicht gleichermaßen strafwürdig wie im Falle der Vollendung" (Schmtdhäuser Lb 15/20).85 Von einem rein objektiven Standpunkt aus ist dagegen jeder Versuch im Vergleich zur Vollendung geringeres Unrecht mit der Folge, dass er als minus obligatorisch milder zu bestrafen wäre (Bockelmann Untersuchungen S. 154). 8 6
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In der Geschichte der Gesetzgebung finden sich unterschiedliche Antworten (näher Höinghaus S. 68 f). Während der napoleonische Code pénal das versuchte Verbrechen
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beschädigung (§ 477); vgl. E 1936 Begr. S. 13; zum grundsätzlichen Bekenntnis zum Willensstrafrecht und der Begründung der Ausnahmen vgl. auch Gürtner und Freister in: Gürtner/Freisler Das neue Strafrecht S. 26 f und S. 139 sowie Meinecke Gesetzgebungssystematik S. 18 f. Bockelmann Untersuchungen S. 157 bezeichnet hier den Gedanken des sog. Willensstrafrechts nicht als „wofür er sich gelegentlich ausgegeben hat, eine selbstverständliche Konsequenz der subjektiven Versuchstheorie", sondern „als ihre Verballhornung aus politischen Gründen". Baumann § 52 III 2 empfindet unter diesem Blickwinkel die 1943 vollzogene Umwandlung von der obligatorischen in eine fakulta-
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tive Minderung als „faulen Kompromiß. Besser wäre dann schon gewesen, Versuch und Vollendung gleichzustellen". Stratenwerth/ Kuhlen § 11 Rdn. 4 8 halten dagegen, dass nicht nur das Ausbleiben, sondern auch der Eintritt des Erfolgs für ein Willensstrafrecht gleichgültig und dass deshalb auch bei Erfolgseintritt unter Umständen die Versuchsstrafe angemessen sein müsse; für eine Gleichbehandlung von Versuch und Vollendung Roeder Erscheinungsformen S. 17. Für obligatorische Strafminderung beim unbeendeten Versuch Kaufmann ZStW 80 (1968) 51 f; Zielinski Unrechtsbegriff S. 213 ff. Vgl. zum insoweit folgerichtigen italienischen Recht Fornascari S. 50 f.
T h o m a s Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den § § 2 2 ff
Vor § 2 2
wie das Verbrechen selbst behandelte, 87 entschloss sich der preußische Gesetzgeber, „weil das subjective Moment, welches das französische Recht ausschließlich im Auge habe, nicht allein als das bestimmende angesehen werden könne", trotz zunächst gleicher Aussage in § 32 Abs. 1 Satz 1 dazu, lebenslängliche Zuchthaus- und Todesstrafe in zeitige Zuchthausstrafe umzuwandeln und den Richter im übrigen auf die Berücksichtigung der NichtVollendung als strafmildernden Gesichtspunkt innerhalb des für die Vollendung geltenden Strafrahmens ausdrücklich hinzuweisen, „weil mit der deutschen Gesetzgebung und Jurisprudenz auch das objective (Moment) als ein wesentlich mitbestimmendes hinzugezogen werden müsse" (Goltdammer Materialien Bd. 1 S. 279). Das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 sah in Rückkehr „zu der Deutschen, sachlich allein begründeten Rechtsauffassung" (Höinghaus S. 69) eine obligatorische Strafmilderung vor, die später aber unter Hinweis auf die „neue willensstrafrechtliche Grundauffassung" (Freister DJ 1939 1856) durch § 4 der Gewaltverbrecherverordnung vom 5.12.1939 (RGBl. I S. 2378; dazu Kayser DR 1940 345, 349) zugunsten der Möglichkeit, „die Strafe des Versuches ... nach dem Maß der Willensschuld zu bestimmen", es nicht „auf den vielfach von Zufälligkeiten abhängigen Erfolg ... ankommen" zu lassen (Begr. zu § 4, zitiert in DJ 1939 1856) und daher für den Versuch auch auf die Strafe für die vollendete Tat erkennen zu können, aufgelockert wurde (s. zur Anwendung RG DJ 1942 477). Die Neufassung des § 44 a.F. im Sinne einer bloß fakultativen Minderbestrafung ohne Ausschluss selbst der Todesstrafe erfolgte durch die Novelle vom 29.5.1943 (RGBl. I S . 341). Obwohl der Alternativentwurf die subjektive Versuchstheorie zugrunde legte (AE AT Begr. S. 61), meinte er, zu einer obligatorischen Strafmilderung zurückkehren zu sollen, weil auch der, der „den Handlungsunwert besonders" betone, anerkennen müsse, „dass auch der Erfolgsunwert das Unrecht der Tat" mit begründe und „sein Ausbleiben daher dieses Unrecht" mindere (AE AT Begr. S. 61; krit. Kaufmann ZStW 80 [1968] 50 ff). Das 2. Strafrechtsreformgesetz (und mit ihm das geltende Recht) ist dem in Übereinstimmung mit dem E 1962 nicht gefolgt. Es sieht die nur fakultative Strafmilderung als die „logische Konsequenz aus der im neuen StGB ausdrücklich anerkannten subjektiven Versuchstheorie", für die „der verbrecherische Wille und damit die Gefährlichkeit des Täters der tragende Strafgrund beim Versuch" sei und für die es daher für „die Strafbemessung keinen grundsätzlichen Unterschied bedeuten" könne, „ob der Erfolg eingetreten oder aus Gründen, die außerhalb des Willensbereichs des Täters liegen, ausgeblieben" sei (Bericht SA BT-Drucks. V/4095 S. I I ) . 8 8 Die auf dieser Grundlage „beinahe prinzipwidrig" (Bockelmann Niederschriften 2 173) anmutende Möglichkeit, die Strafe - wenn auch nur fakultativ - zu mindern, beruht hierbei auf der Annahme, dass „eine im Versuch stecken gebliebene Tat (oft) nur eine geringere Sühne" erfordere, weil und wenn „sie einen schwächeren verbrecherischen Willen" offenbare „oder weil es aus sonstigen Gründen unbillig" erscheine, „dem Täter den ausgebliebenen Erfolg nicht zugute zu halten" (E 1962 Begr. S. 143). 8 9
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Die Gerichtspraxis milderte allerdings gleichwohl die Bestrafung, s. Frattzius Materialien Bd. 2 S. 318; Meyer Z S t W 8 7 ( 1 9 7 5 ) 6 1 4 ; ebenso die heutige polnische Praxis, s. Zoll FS Eser S. 6 5 5 , 6 5 7 für den tauglichen Versuch.
Entscheidung des A E trotz gleichen subjektiven Ausgangspunkts widersprüchlich. 89
Meyer Z S t W 8 7 ( 1 9 7 5 ) 6 1 4 sieht in dieser „Mittellösung" den Ausdruck einer Entscheidung für eine gemischt subjektiv-objektive Versuchstheorie.
Für Corves Prot. SA V S. 1 6 5 3 ist daher die
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c) Untauglicher und abergläubischer Versuch. Da beim untauglichen und erst recht beim abergläubischen Versuch eine objektive Gefahr für das angegriffene Rechtsgut ebenso fehlt wie eine objektive Gefährlichkeit in Bezug auf die Tatbestandsverwirklichung, müssen die eine solche Gefahrenlage für das Versuchsunrecht voraussetzenden Anhänger einer objektiven Versuchstheorie beide Versuchsarten straflos lassen. Die subjektive Lehre führt dagegen zur grundsätzlichen Strafbarkeit jedenfalls des untauglichen Versuchs, da ihr auch die Betätigung des rechtsfeindlichen Willens genügt, die nur nach der Vorstellung des Täters eine objektiv geeignete Ausführungshandlung darstellt. Dass eine konsequent zu Ende geführte subjektive Theorie aus diesem Grunde auch den abergläubischen Versuch zu bestrafen hätte, wird zwar behauptet (Roxin FS Nishihara S. 165), ist aber schon von RGSt 33 321, 323 zu Recht mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen worden, dass auch die subjektive Versuchslehre die Strafwürdigkeit nicht auf einen „rechtlich indifferenten" und nur für die „Sphäre des Sittlichen, der Moral" erheblichen, sondern nur auf einen rechtsfeindlichen Willen gründen will (s. näher § 22 Rdn. 189 f).
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Der Reichsstrafgesetzgeber hat die Frage, ob der untaugliche Versuch strafbar ist, 1871 angesichts der Gespaltenheit der „früheren deutschen Landesgesetzgebungen" und des schon mit Beginn des 19. Jahrhunderts entbrannten (s. Heinitz ZStW 81 [1969] 589) „Kampfes der Meinungen" nicht entscheiden wollen (Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch 1909 Begr. AT S. 284 ff) und hat sich daher in § 43 die freilich die objektive Versuchstheorie eher begünstigende Fassung des seinerseits auf Art. 2 des napoleonischen code pénal zurückgehenden § 31 des Preußischen Strafgesetzbuchs von 1851 zum Vorbild genommen. 90 Schon die früheste Rechtsprechung des Reichsgerichts nutzte dann aber den belassenen Freiraum (RGSt 1 439, 443) zu einer radikalen Abkehr von dem vom Preußischen Obertribunal (GA 1854 548; 822 f; Archiv des Kriminalrechts 1854 489) noch verfochtenen objektiven Standpunkt und schwenkte unter dem Einfluss v. Buris mit aller Entschlossenheit auf eine subjektive Linie ein, die von Beginn an die Strafbarkeit selbst des absolut untauglichen Versuchs bejahte (RGSt 1 439), 9 1 den abergläubischen Versuch allerdings hiervon ausnahm (RGSt 33 321). Von diesem Grundbekenntnis zur subjektiven Theorie und der aus ihm folgenden Strafbarkeit des untauglichen Versuchs haben sich vom Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1909 bis hin zum E 1962 und dem Alternativentwurf zum Allgemeinen Teil alle Entwürfe leiten lassen (s. Hillenkamp FS Roxin S. 691 ff). Es liegt auch dem heute geltenden Recht zugrunde (Corves Prot. SA V S. 1652, 1745; Bericht SA BT-Drucks. V/4095 S. 11). Denn einerseits hat das 2. Strafrechtsreformgesetz mit der Aufnahme der „Vorstellung" in die Ansatzformel des § 22 sich zur subjektiven Lehre bekannt und andererseits in § 23 Abs. 3 folgerichtig die grundsätzliche Strafbarkeit des untauglichen Versuchs vorausgesetzt (s. näher § 22 Rdn. 184, 188). Ob namentlich von der zuletzt genannten Vorschrift neben dem grob unverständigen auch der irreale, abergläubische Versuch erfasst werden sollte, ist umstritten, trotz gewisser Widersprüchlichkeiten hierzu
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Die zwar „den Gegenstand der Doctrin überlassen wollte", aber doch verbreitet als eine Entscheidung für die objektive Versuchstheorie angesehen wurde, die schon dem römischen Recht und der Carolina sowie der preußischen und französischen Praxis zugrunde gelegen habe (s. Goltdammer Materialien Bd. 1 S. 272 f).
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Hier heißt es (441): „Darüber kann nun kein Zweifel aufkommen, daß im Versuch der verbrecherische Wille diejenige Erscheinung ist, gegen welche das Strafgesetz sich richtet, im Gegensatz zu dem in der Vollendung zutage tretenden, aus dem verbrecherischen Willen hervorgegangenen rechtswidrigen Erfolge." Vgl. auch RGSt 1 451; 8 198; 34 217.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den § § 22 ff
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in der Begründung des E 1962 (S. 144, 145) aber richtigerweise zu verneinen (s. näher § 2 2 Rdn. 189 f). 9 2 d) Beginn des Versuchs. Wann ein Geschehen seinen ein Verbrechen nur vorbereitenden Charakter ablegt und in das Stadium des Versuchs eintritt, wird eine die objektive Gefährdung des Tatobjekts oder Rechtsguts für den Versuch voraussetzende objektive Lehre so zu beantworten suchen, dass der Versuchsbereich hart an die Grenze der Tatbestandsverwirklichung heranrückt und infolgedessen die Gefahr dieser Verwirklichung durch die unmittelbare Tatbestandsnähe (Roxin FS Nishihara S. 164) der fraglichen Handlung gekennzeichnet ist. Die subjektive Theorie führt demgegenüber dann, wenn man mit ihr nicht nur die Vorstellung des Täters vom Ablauf der Tat zur Beurteilungsgrundlage erhebt (s. dazu Hillenkamp FS Roxin S. 6 9 6 ff), sondern darüber hinaus auch die Entscheidung über den Versuchsbeginn selbst einem subjektiven Bewertungsmaßstab unterwirft, 9 3 zu einer erheblichen Ausdehnung des strafbaren Versuchs auf Kosten der Vorbereitung. Erblickt man dieser Lehre zufolge den Strafgrund allein in der rechtsfeindlichen Gesinnung, ist hiernach so gut wie jede Entäußerung dieser Gesinnung Versuch. 9 4 Dieser extremen Ausweitung des Versuchsbereichs lässt sich allerdings auch auf dem Boden einer subjektiven Versuchslehre entgegentreten, indem man es zwar bei der subjektiven Beurteilungsgrundlage belässt, für die Frage des Versuchsbeginns dann aber auf einen objektiven Bewertungsmaßstab abstellt (s. dazu näher § 2 2 Rdn. 86 ff). 9 5
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Der napoleonische code pénal betrachtete jeden Verbrechensversuch, „qui aura été manifestée par des actes extérieurs et suivie d'un commencement d'exécution", wie das Verbrechen selbst. 9 6 Ihm folgte das Preußische Strafgesetzbuch von 1851, das in § 31 Handlungen verlangte, „welche einen Anfang der Ausführung enthalten", eine Formulierung, die dann auch das Reichsstrafgesetzbuch in § 4 3 übernahm. Es ist schon hervorgehoben worden (Rdn. 49), dass der Reichsstrafgesetzgeber den Streit zwischen objektiver und subjektiver Versuchstheorie nicht entscheiden wollte, mit der Übernahme des „Anfangs der Ausführung" aber eine objektive Deutung begünstigte. 97 Sie setzte sich in der Praxis des Reichsgerichts gleichwohl von Beginn an nicht durch. Vielmehr wurde auch für den Versuchsbeginn ein subjektiver Standpunkt entwickelt, der die Strafbarkeit zum Teil bedenklich weit in die Zone der Vorbereitung erstreckte (RGSt 7 2 6 6 ; 7 7 173). 9 8 Dieser Tendenz leistete auch die Begründung zum Vorentwurf zu einem Deut-
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Dagegen ist - anders als z.B. im polnischen Strafrecht (Zoll FS Eser S. 655, 658 f) - der sich auf das Subjekt oder auf Tatmodalitäten beziehende untaugliche Versuch erfasst (§ 22 Rdn. 195, 230). Wie es namentlich v. Buri ZStW 1 (1881) 185 ff und GS 32 (1880) 321 ff; 40 (1888) 503 ff befürwortete. Dabei dürfte es allerdings eine Überzeichnung sein, wenn behauptet wird, eine hinreichende Betätigung des Mordentschlusses lege auch der an den Tag, „wer nur einen Spaziergang macht, um in der Bewegung an der frischen Luft seinen vorher gefaßten Plan zum Mord in allen Einzelheiten genau zu überlegen" (so Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 38).
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Auch dann bleibt es bei einer subjektiven Versuchstheorie, s. Hirsch FS Roxin S. 712. Die Worte „actes extérieurs et suivis" entfielen „durch die Revision vom 28. April 1832", so dass der Satz nur noch das „manifestée par un commencement d'exécution" enthielt, Goltdammer Materialien Bd. 1 S. 253, 263. Vgl. zum Streit um die Auslegung auch schon im französischen Rechtskreis Goltdammer Materialien Bd. 1 S. 263 ff. Als Beleg zitiert von E 1962 Begr. S. 144; vgl. auch die Übersicht bei Maurach/Gössel/
Zipf AT/2 § 40 Rdn. 29 ff.
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sehen Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1 9 0 9 Vorschub, die sich zur subjektiven Theorie bekannte und daraus folgerte, dass wenn „der Wille betätigt" sei, „es auf alles Weitere nur ... mit der stillschweigenden", im Gesetzestext des Entwurfs allerdings nicht aufgeführten „Einschränkung ,in der Vorstellung des Täters'" ankomme. In diesem Sinne sei so die Begründung (S. 2 8 5 ) - „auch der Begriff der Ausführungshandlung zu verstehen, also losgelöst von jeder objektiven Beziehung und nur als Ausführung nach der Meinung des Handelnden". 52
Der damit eingeleitete Siegeszug der subjektiven Versuchstheorie hat sich über den E 1962 (Begr. S.143 f) und den AE AT (Begr. S. 61) bis hin zum geltenden Recht (Corves Prot. SA V S.1651 f) fortgesetzt. Dies ist allerdings nicht in der vom Vorentwurf vorgezeichneten Weise geschehen, den Versuchsbeginn vollständig zu subjektivieren. Vielmehr macht das geltende Recht die Vorstellung des Täters von der Tat nur zur maßgeblichen Beurteilungsgrundlage, nicht aber zugleich zum Bewertungsmaßstab für den Versuchsbeginn. So verknüpft es in der Ansatzformel sein grundsätzliches Bekenntnis zur subjektiven Theorie mit der deren Gefahren eindämmenden Anweisung, den Versuchsbeginn von einem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung abhängig zu machen (s. dazu § 2 2 Rdn. 4, 6 2 sowie Corves Prot. SA V S. 1745 und Dreher Prot. SA V S. 1746).
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e) Rücktritt. Schließlich kommt der Entscheidung für die objektive oder die subjektive Theorie Bedeutung auch für die Anforderungen zu, die an einen strafbefreienden Rücktritt zu stellen sind. Folgt man einem objektiven Standpunkt, wird man die Straffreiheit an die objektive Wirksamkeit der Rücktrittshandlung knüpfen. Demzufolge ist die Möglichkeit eines Rücktritts ausgeschlossen, wenn der Nichteintritt des Erfolgs nicht auf der späteren Tätigkeit des Täters beruht, sondern darauf, dass die tatbestandsmäßige Handlung den Erfolg schon gar nicht herbeiführen konnte (RGSt 17 158, 160; 51 2 0 5 , 211; 6 8 3 0 6 , 3 0 9 ) oder darauf, dass der Erfolgseintritt durch das Verhalten Dritter verhindert wurde. Sieht man demgegenüber den Grund der Versuchsstrafbarkeit in der Betätigung des rechtsfeindlichen Willens, muss das tätige Sichtbarmachen eines entgegenstehenden Willens im Grundsatz ohne Rücksicht darauf zur Straffreiheit führen, aus welchen Gründen der Erfolg ausbleibt (Bockelmann Untersuchungen S. 154 f).
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Das französische Recht stellte 1810 nur den Versuch unter Strafe, bei dem der Abbruch oder mangelnde Erfolg seine Ursache in zufälligen oder vom Willen des Täters unabhängigen Umständen hatte. Auch § 31 des Preußischen Strafgesetzbuchs von 1851 machte die Strafbarkeit hiervon abhängig (s. dazu Goltdammer Materialien Bd. 1 S. 2 5 5 ff). Mit der „objektivistisch gefassten Rücktrittsregelung" (so die Kennzeichnung von Bockelmann Niederschriften 2 174) des § 4 6 a.F. wollte der Reichsstrafgesetzgeber zwar kein Bekenntnis zur objektiven Versuchstheorie ablegen (Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch 1 9 0 9 Begr. S. 2 8 4 ff), bewirkte aber mit ihr, dass das Reichsgericht entgegen seiner im übrigen subjektiven Versuchslehre einen strafbefreienden Rücktritt vom beendeten untauglichen, als solchen aber nicht erkannten Versuch von Gesetzes wegen nicht für denkbar hielt (RGSt 17 158; 6 8 3 0 6 , 309). Die diese Möglichkeit heute eröffnende und damit die subjektive Versuchslehre folgerichtig in die Rücktrittsvorschrift hineintragende Fassung des geltenden Rechts (§ 2 4 Abs. 1 Satz 2; Abs. 2 Satz 2) fand ihren Wegbereiter in der Luminal-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 11 324), die die Inkonsequenz des Reichsgerichts rügte und unter Berufung auf den damals (1958) soeben veröffentlichten „Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuchs nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission" die in dessen § 2 7 Abs. 3 vorgeschlagene Lösung für sachangemessen und mit dem seinerzeit geltenden Recht bereits vereinbar erklärte. Alternativentwurf und E 1962 sind dem durch die ausdrückliche Klarstel-
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Vor § 22
lung gefolgt, dass der Täter vom untauglichen bzw. endgültig fehlgeschlagenen Versuch so lange zurücktreten könne, „solange er noch nicht weiß, dass die Vollendung der Tat ohne sein Zutun unterblieben oder misslungen ist" (E 1 9 6 2 Begr. S. 146).
ΙΠ. Strafgrund des Versuchs 1. Überlegungen zur Entscheidungsbedürftigkeit a) Meinungsvielfalt. Der Streit um den Strafgrund des Versuchs ist in der Lehre ebenso alt wie unentschieden. Er ist in all seinen historischen wie gegenwärtigen Verästelungen und Facetten kaum noch zu ü b e r b l i c k e n . " Da es bei Grund und Grenzen der Strafbarkeit des Versuchs namentlich um dessen Unrecht geht, berührt die Frage den „Kern der strafrechtlichen Unrechtslehre" und führt hier auf den „Gegensatz von objektiven und subjektiven Verbrechenslehren" zurück (Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 1 6 ) . 1 0 0 Dabei wird es überwiegend so gesehen, dass der Versuch angesichts der begriffsnotwendig fehlenden Vollendung (s. § 2 2 Rdn. 9 f) einer gegenüber dieser Verbrechensform eigenständigen Strafbegründung bedürfe ( R o x i n FS Nishihara S. 168), teils aber auch so, dass eher eine Rechtfertigung der (schärferen) Bestrafung der Vollendung Not tue (Freund § 8 Rdn. 11). Dieser Perspektivenwechsel beruht auf der auch sonst vertretenen These, dass „der Strafgrund des Versuchs ... exakt derjenige der Vollendung", mit diesem also identisch sei (Jakobs 2 5 / 1 5 ) . 1 0 1 Bei dieser Annahme mindert sich zwar der Druck auf die Rechtfertigung der Bestrafung auch des Versuchs, kaum aber die Vielfalt der dann für beide Figuren zu gebenden Antwort, die zudem beim Versuch die bei der Vollendung fehlende Erscheinung der Untauglichkeit mit zu bedenken und aus diesem Grunde einen über die allgemeine Fragestellung hinausweisenden Geltungsanspruch zu befriedigen hat.
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Die bezeichnete Vielfalt ist schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die beiden großen Lager der objektiven und der subjektiven Versuchslehren und der ihnen selbst zuzuordnenden oder doch nahestehenden Stimmen geprägt, und auch die heute weit verbreitete Eindruckstheorie geht in ihren Anfängen auf den Ausgang jenes Jahrhunderts zurück. 1 0 2 Deren häufig anzutreffende Bezeichnung als subjektiv-objektive Lehre trägt die Einschätzung, der Streit sei zugunsten dieser vermittelnden Meinung „abgeebbt" (Vogler L K 1 0 Rdn. 37) und habe „zu einer weitgehenden Annäherung der Standpunkte geführt" (Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 2 0 ; s. auch Jenny BK StGB I vor Art. 21 Rdn. 15). Die gegenüber der Eindruckstheorie in jüngerer Zeit wachsende Kritik lässt dieses versöhnliche Bild aber zunehmend verblassen. So hat sich einerseits der alte Gegensatz zwischen Subjektivisten und Objektivisten in einer durch die Gesetzeslage beide Richtungen zu Modifikationen zwingenden Weise teils wiederbelebt. Andererseits ist ein Kreis von Strafgrundlehren neu entstanden, die sich selbst aufgrund ihrer philoso-
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Vgl. nur den differenzierten und kritischen Überblick bei Zaczyk Unrecht S. 20-125. Das macht die Einbindung der verschiedenen Theorien in die jeweilige Unrechtslehre bei Zaczyk Unrecht S. 20-125 besonders deutlich; vgl. auch Heckler Ermittlung S. 77 ff. Vgl. auch Frister Rdn. 23/4; Herzberg MK § 22 Rdn. 4-8 (mit Kritik an der Deutung Freunds in Rdn. 20); Polaino Navarrete FS
Gössel S. 157; Waiblinger ZStW 69 (1957) 202; ferner Vehling S. 87, der den Versuch als „kompletten Normbruch" mit einem entsprechenden „Geltungsschaden" deutet (S. 103); vgl. auch Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 10: Versuch als Verletzung der strafrechtlich sanktionierten Verhaltensnorm. 102 vgl. vorerst nur Zaczyk Unrecht S. 23 mit Fußnote 20; S. 41, 46.
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Vor § 2 2
2 . Abschnitt. Die Tat
phischen, strafzweckorientierten oder ökonomischen Ausrichtung jenseits des herkömmlichen Meinungsspektrums ansiedeln oder die sich doch wenigstens als alternative „Vereinigungstheorie" (Roxin FS Nishihara S. 161) oder „echte subjektiv-objektive Theorie" (Hirsch FS R o x i n S. 7 2 6 ) in deutlichem Gegensatz zu dem subjektiv-objektiven Kompromiss jener Eindruckstheorie sehen. 57
Die Rechtsprechung nimmt in ihrer seit den ersten Tagen des Reichsgerichts (RGSt 1 4 3 9 , 4 4 3 ; 4 5 1 ; 8 198) von der der objektiven Versuchslehre verhafteten Spruchpraxis des Preußischen Obertribunals (GA 1854 5 4 8 ; 8 2 2 f) zugunsten eines subjektiven Standpunktes vollzogenen Abkehr zwar in ihren Anfängen zu jener gegensätzlichen Position noch Stellung, hat sich im weiteren Verlauf aber kaum mehr veranlasst gesehen, die von ihr bevorzugte Lehre gegen abweichende Stimmen zu verteidigen. Auch der Bundesgerichtshof hat an der subjektiven Versuchslehre festgehalten (BGHSt 11 3 2 4 ) , ohne den grundlegenden Streit erneut zu thematisieren. 1 0 3 Er hat sich vielmehr anlässlich der 1975 in Kraft getretenen Neufassung der Versuchsbestimmungen in Ubereinstimmung mit deren Zielsetzung (s. § 2 2 Rdn. 3 ff) damit begnügt, einer extrem subjektivistischen Vorverlagerung des Versuchsbereiches im Sinne einer objektiven Begrenzung eine Absage zu erteilen (BGHSt 2 6 2 0 1 ; 2 8 162; 35 6). Auf schon damals vorfindbare oder später hinzutretende Vorschläge, gebotene oder erwünschte Restriktionen durch den Rückgriff auf andere als subjektiv geprägte Versuchslehren zu stützen, ging und geht die Rechtsprechung aber nicht ein.
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b) Erkenntnisinteresse. Mit welcher Antwort die Streitfrage auf diesem Hintergrund am besten zu bedenken ist, ist davon abhängig, mit welchem Erkenntnisinteresse man diese Frage stellt. Sucht man - wie es die Lehre vielfach tut - nach der „richtigen" Antwort, kann man das Gesetz (zunächst) beiseite lassen (beispielhaft Köhler S. 4 5 1 ff) und unter Offenlegung des methodischen Ansatzes eine aus dem für erkenntnisleitend erachteten verbrechenssystematischen, strafzweckverpflichteten oder philosophischen Fundament entwickelte Lösung anbieten, die die gesetzliche Regelung (zufällig) rechtfertigen oder deren Unvereinbarkeit mit dem geltenden Recht die Praxis zu einer mehr oder weniger gesetzesungetreuen Korrektur oder den Gesetzgeber zu einer vorschlagskonformen Gesetzesveränderung anregen mag. Sucht man umgekehrt nach der vom Gesetzgeber gegebenen Antwort, wird man diese aus Gesetzestext und -motiven entwickeln und jedenfalls der Praxis zu ihrer Beachtung raten, soweit der gesetzgeberische Wille aus der Regelung hinlänglich hervortritt und die zu fällende Einzelentscheidung verbindlich bestimmt. Tut sie das (wie zum abergläubischen Versuch, s. Rdn. 4 9 ) nicht, ist jedenfalls auf die Vereinbarkeit der Entscheidung mit der im Grundsatz gegebenen Antwort zu achten.
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Die Rechtsprechung des Reichsgerichts sah sich angesichts der bewussten Neutralität des Reichsstrafgesetzgebers gegenüber objektiver oder subjektiver Versuchslehre (Rdn. 4 9 ) noch zu Recht darin frei, sich dem zuerst genannten Erkenntnisinteresse zuzuwenden und mit der damaligen Wissenschaft um die „richtige" Antwort zu ringen. Diese Freiheit ist der heutigen Praxis - wie sich aus der Entstehungsgeschichte (Rdn. 4 2 ff) schon ergibt und noch näher zu zeigen ist - seit dem Inkrafttreten des 2. Strafrechtsreformgesetzes vom Gesetzgeber genommen. Der von ihr einzuschlagende Weg kann daher sinnvollerweise nur darin bestehen, die gesetzgeberische Entscheidung aufzuspüren und die aus ihr abzuleitenden Folgerungen nachzuvollziehen. Auch eine auf die Aus-
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In B G H S t 11 3 2 4 , 3 2 7 wird für die dort zu entscheidende Frage allerdings zu Unrecht eine Übereinstimmung mit den Teilen der
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Rechtswissenschaft angenommen, die „das Wesen des Versuchs in einer objektiven Gefährdung" sehen.
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Vor § 2 2
legung des geltenden Rechts zielende und der Praxis hierin zur Hand gehende Erläuterung - wie sie hier unternommen wird - wird sich diesem Weg nicht verschließen und sich mit der Festlegung auf dieses zweite Erkenntnisinteresse in der Musterung abweichender Grundpositionen darauf konzentrieren können, den gegebenenfalls erhobenen Anspruch zu überprüfen, eine treffendere Reformulierung des dem geltenden Recht zugrunde liegenden Regelungsplans und deshalb zu überlegenen Antworten imstande zu sein (s. Rdn. 76 ff). 2. Die gesetzgeberische Entscheidung a) Bekenntnis zur subjektiven Theorie. Dass das in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 1975 (BGBl. I S. 1) geltende StGB „die Regelung des Versuchs, wie sie dem StGB von 1871 in den §§ 4 3 ff zugrunde lag, weitgehend ohne inhaltliche Umgestaltung in die §§ 2 2 ff übernommen" ( Vogler L K 1 0 Entstehungsgeschichte vor § 2 2 ) und der Versuch daher „nur in wenigen Punkten eine Neuregelung, im Übrigen nur eine freilich nicht durchweg geglückte Neufassung erfahren" habe (Jescheck L K 1 1 Einl. Rdn. 78), ist eine das Ergebnis der über zwei Jahrzehnte vorbereiteten Reform und ihre grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend erfassende Kennzeichnung. Das zeigt sich nicht nur daran, dass das Gesetz auf die fünf grundsätzlichen Fragen von der Regelung des Reichsstrafgesetzbuches zum Teil deutlich unterschiedene Antworten gefunden hat (s. Rdn. 4 2 ff), sondern vor allem darin, dass sich der Reformgesetzgeber bei diesen Antworten und der durch sie zusammengeschmiedeten Gesamtkonzeption ausdrücklich von einem Bekenntnis zur subjektiven Versuchslehre hat leiten lassen und die einzelnen Aussagen daher an den von dieser Lehre benannten Strafgrund hat anpassen wollen. Damit hat sich zwar, da die Rechtsprechung dieser Auffassung schon seit 1 8 8 0 folgte und sich seit dem Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1 9 0 9 (krit. insoweit allerdings M. E. Mayer Reform S. 3 3 7 f) auch alle amtlichen und nichtamtlichen Entwürfe für sie ausgesprochen hatten (s. Hillenkamp FS Roxin S. 6 9 0 ff), gewiss keine Revolution ereignet. Fraglos entschied sich aber die Reform in der Strafgrundfrage gegenüber dem die objektive Lehre eher begünstigenden Reichsstrafgesetzbuch und der dieser Lehre bis in die dreißiger Jahre herrschend verhafteten Auffassung „grundsätzlich neu" ( Weigend Entwicklung S. 116).
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Dass sich der Gesetzgeber für eine (rein) subjektive Versuchslehre entschieden hat, wird zwar verbreitet in Zweifel gezogen (s. dazu Rdn. 71 und § 2 2 Rdn. 6), ist aber ernsthaft nicht zu bestreiten. 1 0 4 So hat der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform die fakultative Strafmilderung nach § 2 3 Abs. 2 als „logische Konsequenz aus der im neuen StGB ausdrücklich anerkannten subjektiven Versuchstheorie" bezeichnet (Bericht SA BTDrucks. V / 4 0 9 5 S. 11). Und auch der Vertreter des Bundesministeriums der Justiz, der selbst der objektiven Theorie zuneigte, aber „Abstriche und Konzessionen" beiden Standpunkten anriet, war „geneigt", das Kapitel im Sinne der subjektiven Theorie „als abgeschlossen anzusehen". Er hielt diese Entscheidung auch für „wohl richtig". Da man bei der Problematik namentlich des Rücktritts um sie nicht herumkomme, sprach er sich dafür aus, nicht nach der Empfehlung Bockelmanns (Niederschriften 2 175), der selber der subjektiven Lehre anhing, von einer Festlegung auf sie abzusehen, sondern sich mit
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Ebenso Frister Rdn. 23/3; Gössel GA 1971 225 f; Kühl § 15 Rdn. 39; ders. JuS 1980 121; Lackner/Kühl § 22 Rdn. 11; Weigend Entwicklung S. 116; Zaczyk NK § 22
Rdn. 10; wohl auch Safferling ZStW 118 (2006) 700, der aber zwischen Strafgrund des Versuchs und der Ansatzformel zugrundeliegender Konzeption nicht sauber trennt.
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2. Abschnitt. Die Tat
dem Votum der Großen Strafrechtskommission, dem E 1962 und den Verfassern des AE zu ihr zu bekennen ( C o r v e s Prot. SA V S. 1651 f). 62
Dieses die Beratungen durchziehende und von den Beratenden ganz überwiegend geteilte Bekenntnis hat im Gesetz klaren Ausdruck gefunden. Dabei hat sich die deutlichste Absage an eine objektive Versuchslehre durch die Aufnahme des Begriffs der „Vorstellung" in die Begriffsbestimmung des Versuchs vollzogen. Während der Vorentwurf sich 1 9 0 9 nur in der Begründung (S. 2 8 5 ) darauf berief, dass es nach der von ihm favorisierten subjektiven Theorie für die „Ausführungshandlung" allein auf die Vorstellung des Täters ankomme, machten der Entwurf Radbruchs aus dem Jahre 1922 und der Amtliche Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs von 1925 die gleichlautende Entscheidung erstmalig im Gesetzestext fest. 1 0 5 So verfährt auch das geltende Recht. Danach kommt es einerseits für das Überschreiten der Grenze zwischen Vorbereitung und Versuch maßgeblich auf die subjektive Vorstellung des Täters vom Gesamtablauf der Tat an (s. näher § 2 2 Rdn. 87 f). Andererseits hindert auch die Untauglichkeit des Vorhabens den Versuchsbeginn hiernach nicht, sofern nur der Täter nach seiner Vorstellung von der Tauglichkeit seines Unternehmens ausgeht (s. § 2 2 Rdn. 89 und zu beidem Hillenkamp FS Roxin S. 6 9 0 ff, 6 9 6 ff). Mit dieser letzteren Aussage hat sich das Gesetz zugleich für die Strafbarkeit auch des untauglichen Versuchs entschieden, die es in § 2 3 Abs. 3 dann voraussetzt (s. § 2 2 Rdn. 183 f). Beide für das Gepräge der geltenden Regelung zentralen Entscheidungen sind nur auf dem Boden einer subjektiven Versuchslehre denkbar. Es ist schon gezeigt (Rdn. 53 f), dass und wie sich die damit eingeschlagene Linie in die Rücktrittsvorschrift hinein fortsetzt.
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b) Gehalt der Entscheidung. Mit der Entscheidung für die subjektive Versuchstheorie ist zwar eine grundsätzliche Weichenstellung verbunden, die inhaltliche Festlegung des Unrechts des Versuchs und des diesem korrespondierenden Strafgrundes aber nur in Umrissen vorgezeichnet. Dabei wird die in zwei Richtungen denkbare nähere Ausfüllung eines subjektiv bestimmten Versuchsunrechts etwas unvermittelt miteinander verknüpft, wenn in den Augen des Sonderausschusses nach der subjektiven Versuchslehre „der verbrecherische Wille und damit die Gefährlichkeit des Täters der tragende Strafgrund beim Versuch" sein sollen (Bericht SA BT-Drucks. V 4 0 9 5 S. 11). Das bedarf, da sich hierin zwei Strömungen im Lager der Subjektivisten vermischen, einer Verdeutlichung sowohl hinsichtlich der unterschiedlichen Ansätze als auch der unter ihnen bestehenden Verbindung.
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Die wohl ältere Begründung der subjektiven Versuchstheorie (s. Zaczyk Unrecht S. 76) lässt nach der Entscheidung der vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts darüber keinen „Zweifel aufkommen, dass im Versuche der verbrecherische Wille diejenige Erscheinung ist, gegen welche das Strafgesetz sich richtet" (RGSt 1 439, 441), vorausgesetzt, dass sich „der verbrecherische Gedanke in äußeren Handlungen kundgegeben" (442) und der Täter „damit seine Auflehnung gegen die Rechtsordnung bethätigt" hat (443). Es sind also die Betätigung des rechtsfeindlichen Willens, die „bewiesene offene Feindschaft gegen das Gesetz, welche der dolose Wille zu erkennen gibt" (v. Buri GS 32 [1880] 322), die den Strafgrund des Versuchs ausmachen. Demgegenüber verweist ein „anderer Zweig der subjektivistischen Versuchslehre" (Weigend Entwicklung S. 118; Zaczyk Unrecht S. 82) auf v. Liszt zurück, der aus dem für v. Buri „einmal bewiesenen"
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§ 2 3 Abs. 1 beider Entwürfe lautete: „Wer den Entschluß, eine strafbare Handlung zu begehen, durch Handlungen betätigt, die
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nach seiner Vorstellung den Anfang der Ausführung bilden, ist wegen Versuchs zu bestrafen".
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einen „aller Wahrscheinlichkeit nach fortdauernden bösen Willen" ableitete, „der noch Tausende neue gefährliche Handlungen erzeugen k a n n " und dessen Fortwirken daher die „prävenierende Seite" der Aufgabe des Strafrechts „als Rechtsgüterschutz" auf den Plan rufe (ZStW 25 [1905] 2 4 , 36). Anklänge an diese von späteren Autoren aufgegriffene, 1 0 6 wenn auch nie gründlicher ausgearbeitete (Roxin FS Nishihara S. 167) Auffassung finden sich nicht nur in dem zitierten Bericht des Sonderausschusses (Rdn. 63), sondern auch in der Begründung des E 1 9 6 2 , die die Strafbedürftigkeit selbst für den völlig untauglichen, törichten oder gar abergläubischen Versuch daraus herleiten zu können glaubte, dass auch in einem solchen Versuch „ein erheblicher verbrecherischer Wille zutage treten (könne), der befürchten" lasse, „dass er sich nach dem Fehlschlag auf andere, taugliche Weise durchzusetzen sucht" (Begr. S. 145). Wer wie der Sonderausschuss den „verbrecherischen Willen und damit die Gefährlichkeit des Täters" als „tragenden Strafgrund" bezeichnet (s. Rdn. 6 3 ) , legt dem geltenden Recht die beiden Begründungen einer subjektiven Versuchslehre zugrunde. 1 0 7 Repressiv antwortet die Versuchsstrafe hiernach auf das (vergangene) Unrecht einer tätigen Auflehnung gegen das Strafgesetz, präventiv richtet sie sich gegen die Gefährlichkeit des Täters. Dabei soll die Versuchstat offenbar Zeichen ebenso schon bewiesener Gefährlichkeit wie eine hinreichende Basis für die Vermutung sein, der Täter bleibe gefährlich und werde die Tat mit größerer Erfolgsaussicht wiederholen. Ihn davon abzuhalten, tritt als Zweck neben die Notwendigkeit, den schon erfolgten Angriff auf die Rechtsordnung nicht ohne Antwort zu lassen. Das in dem Angriff auf die Normgeltung des konkreten Strafgesetzes liegende Unrecht ist folglich Grund zu strafen und Anlass, durch Strafe Wiederholung zu unterbinden. Repressive und spezialpräventive Komponente einer Versuchsbestrafung sind damit für eine subjektive Versuchslehre benannt (s. zum generalpräventiven Aspekt Rdn. 67, 82).
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c) Tragfähigkeit der Entscheidung. Die subjektive Versuchstheorie 1 0 8 ist bekanntlich in beiden Ausprägungen erheblichen Einwänden ausgesetzt (s. Gropp Tagungsbericht Z S t W 9 7 [1985] 921, 9 2 8 ) . 1 0 9 Diese interessieren angesichts des hier verfolgten, nicht primär auf den „richtigen", sondern auf den dem Gesetz unterlegten Strafgrund und seine Berechtigung abzielenden Erkenntnisinteresse (Rdn. 58) allerdings nur insoweit, als sie einerseits dem gesetzgeberischen Bekenntnis namentlich unter den Schlagworten des „Gesinnungsstrafrechts" oder der „Uferlosigkeit" des hiernach zu Pönalisierenden die Vereinbarkeit mit dem Tat-, dem Verhältnismäßigkeits- oder dem Gesetzlichkeitsprinzip absprechen oder andererseits es zum wertlosen Lippenbekenntnis abstempeln, weil sich die aus ihm zu ziehenden Konsequenzen in der gesetzlichen Regelung gerade nicht fänden. Träfe das zu, wäre die gesetzgeberische Entscheidung entweder mit den rechtsstaatlichen Gründen und Grenzen des Strafrechts unvereinbar oder für die Auslegung des geltenden Rechts nicht zu gebrauchen und dann in der Tat - wie es vielfach unternommen wird - durch das Bemühen um ein beiden Anforderungen besser genügendes Konzept zu
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Zu finden bei Engisch FS DJT S. 435; Kohlrausch/Lange § 43 Vorbem. III 4; Oehler Zweckmoment S. 121; Waiblinger ZStW 69 (1957) 214; auch Bockelmann JZ 1954 473 und Untersuchungen S. 146 f, 162 wird mit seinem Bild von der „Feuerprobe der kritischen Situation" hierfür in Anspruch genommen. 107 N¡ c ht aber etwas anderes als die subjektive 106
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Theorie; verfehlt daher die Kritik von Meyer ZStW 87 (1975) 603; Papageorgiou-Gonatas S. 212 f. Vgl. zu ihrer namentlich praktischen Verbreitung in Europa K. Schubert Versuch S. 264 ff, 274. Aus - nicht überzeugender - normtheoretischer Kritik abl. T. Maier Objektivierung S. 143 ff, 158.
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2. Abschnitt. Die Tat
ersetzen. Da die benannten Einwände aber - wie sich erweisen wird - letztlich nicht durchschlagen, ist es berechtigt und sinnvoll, es bei der gesetzgeberischen Entscheidung zu belassen und sie der Auslegung des geltenden Rechts auch zugrunde zu legen. 67
Was zunächst den Einwand angeht, die subjektive Versuchstheorie rücke vom Tatstrafrecht ab und führe in ein Gesinnungsstrafrecht, 110 so ist damit zwar eine mit beiden Begründungssträngen dieser Lehre verknüpfte Gefahr bezeichnet, nicht aber ein Grund, sie im ganzen zu verwerfen. Denn einerseits lässt sich die bei diesem Vorwurf im Vordergrund stehende Bestrafung des untauglichen Versuchs nicht nur allgemein auf die „tiefste Aufgabe des Strafrechts" gründen, „die unverbrüchliche Geltung" der Rechtsordnung dem abtrünnigen Willen gegenüber zu offenbaren, das „sozialethische Urteil der Bürger" zu formen und „ihre bleibende rechtstreue Gesinnung" zu stützen ( Welzel § 1 I). Eine solche nur die „Verletzung der Normgeltung" (Jakobs 25/15), den „Normgeltungsschaden" (Freund § 8 Rdn. 11; Vehling S. 106 ff) reparierende, dem Rechtsgüterschutz nicht mehr konkret verpflichtete (Adams/Shavell GA 1990 3 3 9 f) und allein die durch den Auflehnungswillen eingetretene Friedensstörung beantwortende Strafgrundbestimmung liefe in der Tat wohl Gefahr, „sich von den objektiven Grundlagen des Tatstrafrechts zugunsten einer Subjektivierung" zu lösen und in die Nähe eines Gesinnungsstrafrechts zu rücken. 1 1 1 Auch ließe sich gegen die generalpräventive Ausrichtung solcher Begründung einwenden, dass mit ihr „der Einzelne letztlich als bloßes Mittel zur Erreichung außerhalb seiner Person liegender Zwecke benutzt" und die Verhaltensweise nicht „aus in ihr selbst liegenden Gründen" bekämpft werde. 1 1 2 Die auf den „verbrecherischen Willen" abhebende Begründung der subjektiven Versuchslehre muss sich diesen Einwänden aber nicht notwendig aussetzen. Denn sie belässt es ja nicht bei der den generalpräventiven Aspekt freilich auch für sie verdeutlichenden (s. auch Rdn. 82) Anknüpfung an eine nur geäußerte und allgemein rechtsungetreue Gesinnung, gegen die es allein auf die Behauptung der Normgeltung ankäme, sondern verlangt - übrigens selbst in ihrer nationalsozialistischen „Verballhornung" ( B o c k e l m a n n Untersuchungen S. 157) im sog. Willensstrafrecht 1 1 3 - einen „wirklich betätigten Abfall von den Grundwerten rechtlicher Gesinnung" (Welzel § 1 I), der „begleitet ist von der Vorstellung des Täters, dass er durch sein Tun eine Tatbestandsverwirklichung herbeiführe" (Bockelmann Niederschriften 2 175). Hierin - in der Betätigung eines auf einen Deliktserfolg gerichteten Willens - liegt nun aber zweifelsfrei „nicht bloße Gesinnungsbetätigung", sondern ein vom vorgestellten Tatbild konkret bestimmter Handlungsunwert, der auf die Verletzung des durch den Tatbestand geschützten Rechtsguts zielt (Zaczyk Unrecht S. 2 3 4 ) , konkretes „Entscheidungsunrecht" ist (Frisch Irrtum S. 2 6 7 ) und damit Unrecht und Strafe begründet (Gallas Niederschriften 2 195). 1 1 4
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Zum anderen darf Strafe zwar gewiss nicht „zur vorbeugenden Maßnahme werd e n " . 1 1 5 In diese Gefahr scheint zu geraten, wer den Perspektivenwechsel von der
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Vgl. nur Heinrich AT I Rdn. 634; Roxin FS Nishihara S. 168; Spendei NJW 1965 1881, 1882, 1887; ders. FS Stock S. 89, 92, 97; Weigend Entwicklung S. 124. Roxin FS Nishihara S. 168; Weigend Entwicklung S. 124. Rudolphi FS Maurach S. 51, 72. Gürtner in: Gürtner/Freisler Das neue Strafrecht S. 26 f; zu einer denkbaren Begründung vgl. Adams/Shavell GA 1990 354 f.
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Vgl. auch Weigend Entwicklung S. 119, der der subjektivistischen Versuchsauffassung bestätigt, daß sie „durch die auf Welzel zurückführende Lehre vom Handlungsunrecht ... dogmatischen Boden unter die Füße" bekommen habe; vgl. auch Welzel § 24 IV lb. So der Einwand Stratenwerths SchwJT-Festgabe S. 265.
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Vorbemerkungen zu den §§ 2 2 ff
Vor § 2 2
Gefährlichkeit der (versuchten) Tat zur Gefährlichkeit des Täters so vollzieht, dass er mit der Versuchsbestrafung nur eine aus der Tat hervortretende gefährliche Gesinnung zu bekämpfen trachtet, die künftigen Rechtsbruch gewärtigen und eine „Wiederholungswahrscheinlichkeit" (Weigend Entwicklung S. 118) vermuten lässt. Mit einer solchen Deutung der Tätertheorien erlitte der Täter der Kritik zufolge Strafe nicht oder nicht in erster Linie für das, was er getan hat, sondern für das, was er vermutlich zu tun gedenke. Anknüpfungspunkt wäre weniger der verbrecherische Wille als „tatgestaltender", sondern als „über die Einzeltat hinaus relevanter Faktor". 1 1 6 Aber eine solche, von den Vertretern der Tätertheorien sicher begünstigte Sicht ist schon in den Beratungen der Großen Strafrechtskommission auf Widerspruch gestoßen. Vor allem Gallas (Niederschriften 2 195) hat sich dagegen gewandt, „den Sinn der Bestrafung des untauglichen Versuchs ... in der Berücksichtigung der Symptomatik des Verhaltens des Täters für seine gefährliche Gesinnung" zu sehen, weil sich eine subjektive Versuchstheorie mit einer solchen „Gefährlichkeitssymptomatik" von einem „Tatstrafrecht" entferne. Diesem Vorwurf setzt sich aber nicht aus, wer aus dem vom Täter in der Versuchstat selbst dokumentierten „kriminellen gefährlichen Willen" lediglich „Anlass und Recht" ableitet, sich mit dem Täter „als einem bereits strafbar Gewordenen ... zu beschäftigen" (Eb. Schmidt Niederschriften 2 191). Hiermit führt die Gefährlichkeitstheorie auf die berechtigte „spezialpräventive Komponente der Versuchsbestrafung" zurück (Roxin FS Nishihara S. 167; Roxin AT II § 29 Rdn. 41), in der sie ihre legitime Beheimatung findet und sich von einer in dem Gedanken polizeilicher Gefahrenabwehr verirrenden Prävention abhebt. Das Fazit hieraus ist, dass sich die subjektive Versuchstheorie auf eine Begründung zu stützen vermag, die an das Unrecht der Versuchstat knüpft und sich von den Abgründen eines Gesinnungsstrafrechts fernhält. Die Beschreibung des Unrechts als eines auf die Verwirklichung eines konkreten Tatbestandes gerichteten und die Gefährlichkeit des Täters (nur) hierin erweisenden Handlungsunwerts macht es zugleich möglich, auch auf dem Boden einer subjektiven Versuchslehre nicht jede noch so tatbestandsferne oder gänzlich ungefährliche Betätigung eines rechtsfeindlichen Willens unterschiedslos in die Versuchsstrafbarkeit einzubeziehen. Vielmehr lassen sich einer in diese Richtungen weisenden Uferlosigkeit (Jakobs ZStW 97 [1985] 751, 753) oder Überhärte der Bestrafung aus der subjektiven Versuchslehre selbst begründbare Grenzen setzen, die ein Übermaß des Strafens und eine sich ins Unbestimmte verflüchtigende Konturlosigkeit seines Anknüpfungstatbestandes verhindern. Eben das ist dem geltenden Recht in einer die Gefahren einer „rein" subjektiven Versuchslehre in Schach haltenden, den Boden dieser Lehre und ihre wesentlichen Folgerungen aber nicht verlassenden Weise gelungen. Auch der Vorhalt, das gesetzgeberische Bekenntnis zur subjektiven Versuchstheorie sei nicht konsequent umgesetzt und daher für eine Deutung der in §§ 22 ff getroffenen Regelung kaum tauglich, trifft folglich nicht zu.
69
Diese Aussage gilt zunächst gegenüber dem Einwand, 117 die subjektive Theorie könne nicht verständlich machen, warum Vorbereitungshandlungen grundsätzlich straflos blie-
70
116
So in der Tat Koblrausch/Lange § 43 Vorbem. III 4; vgl. auch Gropp § 9 Rdn. 49;
kritisch gegenüber der Tätertheorie aus solchen Gründen auch Albrecht Versuch S. 36;
Roxin FS Nishihara S. 167; Spendei NJW
117
1965 1884 f. Die folgenden Einwände sind vor 1975 Einwände gegen die subjektive Versuchslehre, vgl. dazu schon v. Hippel II S. 421 ff; als
Vorwurf der Inkonsequenz des geltenden Rechts werden sie (teilweise) z.B. von Heckler Ermittlung S. 67 ff, Jakobs 25/17, Roxin,
FS Nishihara S. 165 f, Roxin AT II S 29
Rdn. 35 ff und Weigend Entwicklung S. 124 ff erhoben; s. auch Dicke JuS 1968
157, 158; Kratzsch JA 1983 420, 424, 426;
Zaczyk Unrecht S. 81 f.
T h o m a s Hillenkamp
1411
Vor § 22
2. Abschnitt. Die Tat
ben. Hiergegen ist zu sagen, dass eine „Betätigung des rechtsfeindlichen Willens" zwar schon in jeder Vorbereitungshandlung liegt, dass aber auch eine subjektive Versuchslehre die Bestrafung auf eine tatbestandsnahe Manifestation dieses Willens ohne Bruch mit ihren Prämissen beschränken kann und muss, wenn sie einen die Gefährlichkeit des Täters schon erweisenden Handlungsunwert zur Voraussetzung einer Bestrafung macht. An diesem wird es tatbestandsfernen Vorbereitungshandlungen, mit denen der Täter „noch nicht die Hemmungsschwelle überschritten (hat), die das Stadium des Versuchs kennzeichnet" (Gallas Niederschriften 2 195) in aller Regel noch mangeln. Im Übrigen sind naturgemäß auch die Befürworter einer subjektiven Versuchslehre gehalten, die allgemein gegen die Bestrafung von Vorbereitungshandlungen ins Feld zu führenden Gründe (s. Rdn. 6) zu beachten. 71
Dass zudem der Beginn des Versuchs vom Gesetz von dem objektiven Kriterium des unmittelbaren Ansetzens der Tatbestandsverwirklichung abhängig gemacht wird, führt gleichfalls nicht zu einem „Widerspruch zu der subjektiven Grundauffassung" (zutr. Jescheck Niederschriften 2 194). 1 1 8 Denn einerseits bleibt die maßgebliche Beurteilungsgrundlage für diesen objektiven Befund die subjektive „Vorstellung" des Täters vom Ablauf der Tat (§ 2 2 Rdn. 87). Und andererseits steht es auch einer subjektiven Strafgrundlehre frei, der Gefahr, „den Täter zum Richter über sich selbst" zu machen, indem man es allein auf sein Urteil abstellt, wann er „die letzte maßgebliche Entscheidung über das O b der Tat gefällt" und damit den Versuchsbereich betreten hat, 1 1 9 dadurch zu begegnen, dass man zwar „das Material des Täters zugrunde (legt) ..., dieses Material aber nach objektiven ... Kriterien der Rechtsordnung" prüft und beurteilt (Gallas Niederschriften 2 195). Mit dieser individuell-objektiven Festlegung des Versuchsbeginns wird zwar dessen rein subjektive und damit eine tatbestandsferne Vorverlagerung zulassende Bestimmung 1 2 0 ausgeschlossen, nicht aber der Regelung ein von der subjektiven Versuchslehre abweichender Strafgrund unterlegt. Es kann daher nicht davon die Rede sein, § 2 2 enthalte eine „Absage" an die subjektive Theorie. 1 2 1
72
Die subjektive Versuchslehre ist auch nicht gehindert, eine fakultative Strafmilderung gegenüber der vollendeten Tat vorzusehen. „Prinzipwidrig" ( B o c k e l m a n n Niederschriften 2 173; s. dazu schon Rdn. 4 7 ) ist das nicht. Denn einerseits unterscheiden sich die vom Täter aufgebrachte „verbrecherische Energie" (Schmidhäuser Lb 15/20) und der von ihm bewirkte Handlungsunwert je nach dem Stadium, in das der Versuch vorgerückt ist (Gallas Niederschriften 2 196; Struensee GedS Kaufmann S. 5 3 9 ) . Und zum anderen ist auch eine das Handlungsunrecht besonders betonende Lehre nicht gehalten, das Ausbleiben des Erfolgsunwertes ohne Ausnahme unberücksichtigt zu lassen (AE AT Begr. S. 61).
73
Es unterstellt zudem der subjektiven Versuchslehre eine undifferenzierte Gleichmacherei, wer meint, sie könne gegenüber dem von grobem Unverstand geleiteten Versuch keine Milde walten lassen. Dieser Vorhalt verkennt, dass sich der Handlungsunwert trotz gleichen Tatbestandsvorsatzes als Steigerungsbegriff 122 darstellt, in dem die zum Aus-
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AA Bockelmann Niederschriften 2 176; wie hier Kühl % 15 Rdn. 39. So die subjektive Lehre von Bockelmann Niederschriften 2 176; ders. JZ 1954 473; vgl. hierzu auch S 22 Rdn. 87. Wie sie auch die in Rdn. 51 wiedergegebene Begründung (S. 285) des Vorentwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1909 eröffnete.
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So die missverständliche Formulierung von Jescheck SchwZStR 91 (1975) 1, 29; vgl. dazu § 22 Rdn. 6 f. Eine Absage ist nur einer rein subjektiven Abgrenzung gegeben, s. § 22 Rdn. 62. Vgl. hierzu Kern ZStW 64 (1952) 255, 290; ferner Hillenkamp Vorsatztat S. 237 f.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den § § 22 ff
Vor § 2 2
druck gelangte Tätergefährlichkeit so gering sein kann, dass sie keinen Anlass mehr bietet, sich mit dem Täter „als einem bereits strafbar gewordenen ... zu beschäftigen" (s. Rdn. 68). Ihm gilt nicht der Zuruf „lass das!", sondern „Du Dummkopf!" (ν. Hippel II S. 428). Auch hier kann „die hypothetische Erwägung, dass der Täter die Tat mit einem tauglichen Mittel wiederholen könnte, ... die Strafe nicht rechtfertigen: Sie würde bedeuten, dass man die - durch das ,Symptom' des irrealen Versuchs offenbarte - gefährliche Geisteshaltung des Täters als solche strafrechtlich ahndet und damit den Bereich des Tatstrafrechts verlässt" (AE AT Begr. S. 61). Das ist auch auf der Grundlage der subjektiven Versuchstheorie (zu der sich der AE bekennt) nicht möglich (s. schon Rdn. 64). Deshalb versteht es sich letztlich auch für eine am Tatstrafrecht festhaltende subjektive Versuchslehre von selbst, dass die im abergläubischen Versuch zutage tretende „Geisteshaltung" keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt für eine Bestrafung bietet, eine Aussage, die schon das Reichsgericht (RGSt 33 321, 323; aA noch v. Buri GS 32 [1880] 329, 369 ff) zum Freispruch veranlasste (s. Rdn. 48 f). Auch hierfür lässt sich Gallas (Niederschriften 2 195) zitieren: „Hat der Täter geglaubt, durch Totbeten töten zu können, so hat er etwas - von seinem Tatbild her gesehen - Nichtkriminelles angestrebt, denn es kann nicht sinnvollerweise verboten sein, jemand totzubeten, weil dies praktisch ein ungefährliches Tun ist". Aus der „Symptomatik" lässt sich der nötige Handlungsunwert nicht ableiten (196). Dass der Gesetzgeber schließlich den Versuch nur bei Verbrechen stets, bei Vergehen 7 4 aber nur in ausgewählten Fällen unter Strafe stellt, 123 kann man einem sich zur subjektiven Versuchslehre bekennenden Gesetzgeber als inkonsequent selbst dann kaum vorhalten, wenn man ihn auf die „reine Lehre" verpflichtete. Denn es kann nicht ernsthaft fraglich sein, dass es einem für die Frage der Strafwürdigkeit (auch) nach Gewicht und Grad des denkbaren Handlungsunwertes unterscheidenden Gesetzgeber gut ansteht, zum Versuch der Körperverletzung 124 oder des Versicherungsmissbrauchs gegebenenfalls anders zu entscheiden, als zum Versuch von Mord oder Raub. „Leitidee und Prinzip" auch einer einem bestimmten Strafgrund verpflichteten Gesetzgebung kann es nicht sein, einen allein von dieser Lehre diktierten „völlig lückenlosen Katalog von Strafdrohungen" einzurichten (Bockelmann Untersuchungen S. 157). Nach allem lässt sich weder sagen, es sei „unzutreffend ..., wenn der Sonderausschuss 7 5 von einer gesetzlichen Anerkennung der subjektiven Theorie" spreche (so die Kritik von Roxin FS Nishihara S. 166) noch, dass „die in §§ 22 und 23 vorgesehenen Begrenzungen der Versuchsstrafbarkeit" sich „kaum" aus dem subjektivistischen Ansatz „heraus begründen" ließen (so der Vorhalt von Weigend Entwicklung S. 125; zurückhaltender Heckler Ermittlung S. 74). Auch ist es irreführend, der gesetzlichen Regelung eine gemischt subjektiv-objektive Theorie zu unterstellen (zutreffend Hirsch FS Roxin S. 711). 125 Denn der hierfür vor allem namhaft gemachte objektive Bewertungsmaßstab für den Versuchsbeginn schränkt zwar dessen nach einer rein subjektiven Theorie denkbare allein subjektive Bestimmung durch ein objektives Kriterium ein, gesellt aber dem subjektiv gefassten Strafgrund keinen objektiven hinzu. Man kann deshalb zwar von einer engen oder eingeschränkten subjektiven Versuchslehre, nicht aber von einer
123
124
Zu den Gründen vgl. Meinecke Gesetzgebungssystematik S. 25 ff. Auf dessen Strafbarkeit selbst der E 1936 Begr. S. 250 trotz seines Bekenntnisses zum Konzept des Willensstrafrechts verzichtete, vgl. Rdn. 44.
125
Das klingt z.B. bei Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 19, Heinrich AT I Rdn. 637; Jescheck/Weigend § 49 II 2, Joecks Rdn. 13
und Wessels/Beulke Rdn. 594 an; vgl. zum schweizerischen Recht jenny BK StGB I vor Art. 21 Rdn. 15.
T h o m a s Hillenkamp
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
„gemischten" Strafgrundtheorie sprechen, wenn man die vom Gesetzgeber gewollte und im Gesetz verankerte meint 1 2 6 und man sollte sie der Deutung des Gesetzes schon deshalb zugrunde legen. Hierfür lässt sich auch anführen, „dass im alleinigen Abstellen auf den Willen des Täters unabhängig von den Gründen für das Ausbleiben seiner Verwirklichung der richtige Grundgedanke der Versuchsstrafbarkeit" seinen folgerichtigen Ausdruck findet, der zu einer „logisch einwandfreien" Begründung auch des objektiv ungefährlichen, weil untauglichen Versuchs führt (Blei AT S. 218, 231). Hält man diese gesetzgeberische Entscheidung für angemessen, wird der „richtige" mit dem vom Gesetzgeber gewählten Strafgrund vereint. 76
3. Abweichende Meinungen. Wie schon hervorgehoben, kann sich bei dem hier zugrunde gelegten Erkenntnisinteresse die Musterung der von der (eingeschränkt) subjektiven Strafgrundlehre abweichenden Auffassungen im wesentlichen auf die Frage konzentrieren, ob sie eine treffendere Reformulierung des dem geltenden Recht zugrunde liegenden Regelungsplans bieten und daraus überlegene Antworten zu geben vermögen (Rdn. 59). Versuchstheorien, die diesen Anspruch nicht erheben, weil sie der gesetzgeberischen Entscheidung eine von ihr abweichende „richtige" entgegensetzen wollen, oder nicht erheben können, weil sie - vor 1975 entstanden - mit der gesetzgeberischen Regelung eindeutig nicht harmonieren, können hier daher weitgehend vernachlässigt werden. a) Gesetzesgeleitete Deutungen
77
aa) Eindruckstheorie. Als „rationale Rekonstruktion des dem Gesetzgeber vorschwebenden Regelungsplanes erscheint" einem ihrer Vertreter (Schünemann GA 1986 311) die bis heute breit vertretene Eindruckstheorie 127 „konkurrenzlos, weil sie These und Antithese der objektiven und subjektiven Versuchstheorie ... dialektisch überformt und zugleich für die Versuchslehre jene Hinwendung zu einer generalpräventiven Strafrechtsbegrenzung praktiziert, die ... ohnehin unabweisbar" sei. Die darin zu findende Andeutung des Inhalts dieser Lehre rechtfertigt sich dadurch, dass auch sie von der subjektiven Versuchstheorie ausgeht, diese aber mit einem dem generalpräventiven Gedanken entlehnten objektiven Moment begrenzt. Strafgrund ist hiernach der verbrecherische Wille, der aber nur dann in strafwürdiger Form in Erscheinung tritt, wenn durch die auf die Tat gerichtete Willensbetätigung das Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltung der Rechtsordnung erschüttert und das Gefühl der Rechtssicherheit und damit der Rechtsfrieden beeinträchtigt werden (Vogler LK 10 Rdn. 52). Dabei wird diese Auffassung teils als eine um Strafwürdigkeitsgesichtspunkte bereicherte subjektive Theorie (Rudolphi SK Rdn. 13; Sch/Schröder/Eser Rdn. 23), teils aber auch als zur subjektiven Lehre alternative, das Unrecht des Versuchs eigenständig begründende Lehre präsentiert (Roxirt JuS 1979 1). 126
127
Ebenso Corves Prot. SA V S. 1651; Frister Rdn. 23/3; Gallas Niederschriften 2 195; Kühl JuS 1980 121; Lackner/Kübl § 22 Rdn. 11; nicht zu verwechseln mit der individuell-objektiven Abgrenzungsmethode zum Versuchsbeginn, vgl. § 22 Rdn. 54, 77, 87. Als deren Anhänger lassen sich heute z.B. Gropp § 9 Rdn. 48 f; Haft S. 223; Jescheck/ Weigend § 49 II 3; Joecks Rdn. 13; Maurach/Gössel/Zipf KT/2 § 40 Rdn. 40; Meyer ZStW 87 (1975) 603, 618; Papageorgiou-
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Gonatas S. 200 ff, 209 ff; Roxin JuS 1979 1; Rudolphi SK Rdn. 14; Sch/Schröder/Eser Rdn. 17, 22; Streng ZStW 109 (1997) 865; Tröndle/Fischer % 22 Rdn. 40; Vogler LK 10 Rdn. 52 ff; Wessels/Beulke Rdn. 594 und Wolter Zurechnung S. 97 f benennen; zur historischen Begründung dieser Lehre durch v. Bar Gesetz und Schuld II (1907) S. 490 f, 527 ff, v. Gemmingen Die Rechtswidrigkeit des Versuchs (1932) und Horn ZStW 20 (1900) 309 ff, 324 ff s. Zaczyk Unrecht S. 23 ff.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 2 2
Dieser Disput und die auch im Übrigen nicht einheitliche Formulierung dieser Lehre (s. Alwart Versuchen S. 2 0 9 f) k ö n n e n im hier erörterten Z u s a m m e n h a n g a u f sich beruhen. Die Eindruckstheorie ist nämlich in all ihren Varianten der im Vorstehenden (Rdn. 6 0 ff) dem Gesetz e n t n o m m e n e n Entscheidung für einen (eingeschränkt) subjektiven Standpunkt weder in ihrer die gesetzliche Regelung „ r a t i o n a l " erklärenden, n o c h in ihrer den W i l l e n des Gesetzgebers wiedergebenden Eigenschaft überlegen. I m Übrigen überzeugt sie auch in der Sache n i c h t . 1 2 8 W a s zunächst das letztere anbetrifft, so leidet die Eindruckstheorie darunter, dass die S t r a f b a r k e i t eines Verhaltens schwerlich v o n seiner mehr oder weniger zufälligen, empirisch nicht belegbaren, in ihrer Intensität nicht umschriebenen und irrationale Empfindungen nicht ausgrenzenden Erschütterung eines in seinen notwendigen Eigenschaften nicht n ä h e r festgelegten H o m u n c u l u s abhängig gemacht werden k a n n , ohne die B e r e c h e n b a r k e i t des Strafens aufzugeben und das W i l l kürverbot zu verletzen (Zieschang S. 138). A u c h fällt es schwer, sich eine nur als Folge einer Tat manifest werdende Erschütterung zugleich als unrechtsbegründendes M o m e n t dieser Tat vorzustellen. Z u d e m erweist sich in Fällen, in denen die „ E r s c h ü t t e r u n g " aus nichts anderem herzuleiten ist, als daraus, dass ein fraglos strafbarer Versuch begangen wurde, die Forderung der Eindruckstheorie als eine Leerformel ohne die ihr zugedachte, auf Einschränkung zielende K r a f t ( H e r z b e r g M K § 2 2 R d n . 18).
78
Diese inhaltlichen Schwächen verknüpfen sich mit dem nicht einlösbaren Anspruch, die Grenzziehungen des geltenden Rechts besser als die subjektive Versuchslehre zu erklären. D a s gilt für die weitgehende Straflosigkeit von Vorbereitungshandlungen, unter denen sich fraglos auch solche befinden, die einen rechtserschütternden E i n d r u c k hervorrufen k ö n n e n , wie umgekehrt für Versuchstaten, die strafbar sind, o b w o h l es ihnen an der „sozialpsychologischen W i r k u n g " ( S c h / S c h r ö d e r / E s e r R d n . 2 2 ) einer Rechtsfriedensstörung fehlt (s. R d n . 6; § 2 2 R d n . 7 9 ) . Auch bietet die Eindruckstheorie keine G r u n d lage für eine sicherere Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch (§ 2 2 R d n . 7 9 ) . D a s s das „allgemeine Gefühl der R e c h t s s i c h e r h e i t " bei Ausbleiben des Erfolgs „meist weniger beeinträchtigt sein wird als bei vollendeter T a t " (Roxin JuS 1 9 7 9 1), erklärt die fakultative Strafmilderung mit einer von Fall zu Fall beleg- wie widerlegbaren Vermutung. Auch die Tatsache, dass § 2 3 Abs. 3 auf der Strafbarkeit selbst des törichten Versuchs grundsätzlich beharrt, kann die Eindruckstheorie nicht erklären, dafür, dass von Strafe abgesehen werden k a n n , braucht m a n sie nicht (§ 2 2 R d n . 1 8 8 ) . D a r a u f , dass beim abergläubischen Versuch Beunruhigung in der Bevölkerung ausbleibt, ist schließlich kein Verlass, gegebenenfalls a u f k o m m e n d e Heiterkeit kein G r u n d , einen Versuch zu leugnen (§ 2 2 R d n . 1 9 0 ) . Für alle hierzu getroffenen Entscheidungen bietet die subjektive Versuchslehre die überzeugendere Grundlage ( R d n . 7 0 ff).
79
Dass die Eindruckstheorie die für das geltende R e c h t maßgeblichen G e s i c h t s p u n k t e nicht zutage fördert, hat seinen G r u n d vornehmlich darin, dass sie den gesetzgeberischen Beratungen nicht zugrunde lag und infolgedessen auch keinen nennenswerten Einfluss
80
128
Vgl. zur nachfolgenden Kritik Androulakis FS Schreiber S. 15 f; Harzer StV 1996 338 f; Herzberg GA 2001 266 f; Hirsch FS Roxin S. 714 f, 723 f; ders. GedS Vogler S. 31 f; Jakobs 25/20; Kratzsch Verhaltenssteuerung S. 66 f; Krey AT/2 Rdn. 404; Krüger Versuchsbeginn S. 120 ff; Köhler S. 454; Kühl § 15 Rdn. 41 ff; Malitz Versuch S. 160; Murmann Versuchsunrecht S. 4 f; Rath JuS
1998 1008; Renzikowski S. 313 f; Roxin AT II Rdn. 47 ff; Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 21; Zeigend Entwicklung S. 121 ff; Zaczyk Unrecht S. 25 ff; ders. NK § 22 Rdn. 11; vgl. auch T. Maier Objektivierung, der seine Kritik (S. 2 7 ff und passim) allerdings letztlich maßgeblich mit der Kritik an der hier zugrunde gelegten subjektiven Lehre verknüpft (S. 160 ff).
Thomas Hillenkamp
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Vor § 22
2. Abschnitt. Die Tat
gewinnen konnte. Wer das Gegenteil unterstellt, gibt den historischen Prozess nicht wieder. Man wird auch vermuten dürfen, dass der Gesetzgeber sich diese Lehre - hätte sie zur Debatte gestanden - nicht zu eigen gemacht hätte. Denn sie ist „ein bloßes Etikett für den unvermittelten Rückgriff auf die Strafzwecklehre" und hierin einseitig auf „Gesichtspunkte der positiven Generalprävention" beschränkt (Stratenwertb/Kuhlen § 11 Rdn. 21). Das wird der Eindruckstheorie zwar gelegentlich gerade zugute gehalten, weil sie damit „den allgemeinen Strafzweck der Bewährung der Rechtsordnung in den Vordergrund stellt" (Vogler LK'° Rdn. 54). 1 2 9 Hierin liegt aber in Wahrheit ein Mangel (Kühl § 15 Rdn. 41). Denn damit wird gleichzeitig eine „unmittelbare Abhängigkeit zu einer spezifischen Ausprägung (nur) einer Strafzwecklehre" hergestellt (Weigend Entwicklung S. 122), die sich zwar zu Recht im Konzert der Strafzwecke allgemeiner Anerkennung erfreut, die sich aber nach der vor allem in §§ 46, 4 7 und 56 zutage tretenden und die Praxis beherrschenden Vereinigungslehre in eine Strafzweckkonzeption einzufügen hat, die die Trias der klassischen Strafzwecke verbindet (s. Krey AT/2 Rdn. 402). Das gelingt der Eindruckstheorie durch ihre einseitige Ausrichtung nicht. 81
bb) Theorie des expressiven Normbruchs. Dieser Vorhalt ist auch gegenüber einer der Eindruckstheorie nahestehenden Lehre zu machen, die das Verbrechen nicht primär als „Bewirken von Verletzungen an Gütern," sondern als „Verletzung der Normgeltung" sieht und den Verbrechensversuch daher „über die verletzte Normgeltung" zu erfassen sucht (Jakobs 25/15). 1 3 0 Für diese Lehre sind Versuch wie Vollendung „Angriffe auf die Normgeltung". Mindestinhalt strafbaren Verhaltens ist danach, dass der Täter „durch sein Verhalten expressiv macht, dass er sich nicht an die Norm hält", Strafgrund des Versuchs folglich „das Expressiv-Werden eines Normbruchs" in einem externen bzw. positivrechtlich für extern erklärten Verhalten (Jakobs 25/21).
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Diese Lehre erklärt die Straflosigkeit des abergläubischen Versuchs besser als die Eindruckstheorie, da sie die auch hier nicht zu leugnende Möglichkeit eines rechtserschütternden Eindrucks durch den (mit der subjektiven Versuchslehre übereinstimmenden) Hinweis ersetzt, dass es am Bruch einer wirklich vorhandenen Norm (und folglich bereits am Vorsatz) fehle (Jakobs 25/22; s. dazu auch § 22 Rdn. 190). Sie kann aber wie die Eindruckstheorie nicht erklären, warum nur das tatbestandsnahe und nicht auch schon das im Vorbereitungsstadium denkbare „Expressiv-Werden" des Normbruchs bestraft werden soll (Roxirt AT II § 29 Rdn. 45). Vor allem ist aber auch sie einseitig vom Strafgrund der Generalprävention geprägt. Denn wenn der Strafgrund des Versuchs allein darin liegt, dass der Täter expressiv macht, dass er sich an die Norm nicht hält, dient Strafe ausschließlich dazu, die Normgeltung zu bestätigen und der „Desavouierung der Norm ... auf Kosten des Normbrechers" zu widersprechen (Jakobs 1/11), m.a.W. das enttäuschte Normvertrauen der Bürger wieder aufzurichten. Diese Erklärung übersetzt zwar den auch in der subjektiven Versuchslehre seit alters her mitschwingenden Gedanken der Wiederherstellung des durch den betätigten verbrecherischen Willen gestörten Rechtsfriedens in die moderne Sprache positiver Generalprävention und kann daher die repressive und spezialpräventive Gründung (s. Rdn. 65) der subjektiven Theorie in dieser Hin-
Vgl. auch das Zitat von Schünemann GA 1986 311 und Rdn. 77. 130 Vgl. dazu schon Rdn. 67; diesem Ansatz 129
stehen Freund § 8 Rdn. 11, Kindhäuser Gefährdung S. 20 f, ders. AT § 30 Rdn. 10 und Vehling S. 87 ff nahe. Die Nähe zur Eindruckstheorie wird von Rudolph! SK
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Rdn. 14a betont. Roxin FS Nishihara S. 168 sieht sie - was dem nicht widerspricht - als eine Variante der subjektiven Theorie an; krit. Krüger Versuchsbeginn S. 134 ff;
T. Maier Objektivierung S. 184 ff; Zaczyk
Unrecht S. 32 ff.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den ξ § 22 ff
Vor § 22
sieht klärend ergänzen (s. schon Rdn. 67). Sie kann aber das Unrecht (gerade) des Versuchs nicht hinlänglich ausdrücken und vermag - nicht anders als die Eindruckstheorie durch das Ausblenden der beiden übrigen Strafzwecke der vom Gesetzgeber bevorzugten Lösung keine ihr angemessene Grundlage zu verschaffen. cc) Vereinigungstheorie. Etwas anderer Natur sind die Gründe, warum die von Roxin (FS Nishihara S. 157 ff) nunmehr 1 3 1 vorgetragene Vereinigungstheorie 132 sich nicht als eine dem Gesetz und dem ihm zugrunde liegenden Willen besser gerecht werdende Lehre rühmen kann. Roxin sieht den Strafgrund des Versuchs „in dem general- oder spezialpräventiven Strafbedürfnis, das im Regelfall aus der vorsätzlichen tatbestandsnahen Gefährdung, ausnahmsweise aber auch schon aus einem in einer tatbestandsnahen Handlung sich manifestierenden rechtserschütternden Normbruch hergeleitet werden k a n n " und beschreibt die „Eigenart dieser Auffassung" damit, „dass sie den Strafgrund des Versuchs auf zwei verschiedene Wurzeln zurückführt. Sie stellt primär auf die im tauglichen Versuch liegende tatbestandsnahe Gefährdung ab, bezieht subsidiär aber auch den tatbestandsnahen, rechtserschütternden Normbruch ein, der den untauglichen Versuch kennzeichnet". Für beide Versuchsarten wird folglich eine unterschiedliche Begründung gegeben, die sich auf den neben dem Handlungsunwert verlangten Erfolgsunwert erstreckt. Dieser wird für den tauglichen oder ex-ante gesehen gefährlichen Versuch in seiner „Gefährlichkeit", für den von vornherein erkennbar untauglichen in einer „Friedensstörung" gesehen ( R o x i n AT II § 2 9 Rdn. 11 f.
83
Gegenüber dieser Deutung ist zunächst zu betonen, dass sie der gesetzgeberischen Vorstellung und Wertung nicht entspricht. Nach ihr ist von einer nur subsidiären und in ihrer Berechtigung zweifelhaften ( R o x i n FS Nishihara S. 162) Bestrafung des (ungefährlichen) untauglichen Versuchs nicht die Rede. Vielmehr liegt es in der Konsequenz einer subjektiven Strafgrundlehre, den mehr oder weniger zufälligen Gefährdungserfolg gegenüber dem beiden Versuchsarten gleichermaßen eignenden, die subjektive Tätergefährlichkeit erweisenden Handlungsunwert und der gleichfalls in nichts unterschiedenen, im Angriff auf den „ideellen" Geltungswert und Achtungsanspruch des jeweils in Frage stehenden Rechtsguts begründeten Rechtsfriedensstörung (s. dazu Berz Tatbestandsverwirklichung S. 4 2 f) zu vernachlässigen. Daraus rechtfertigt sich die im Grundsatz gleiche Bestrafung von tauglichem und „gefährlichem" wie „ungefährlichem" untauglichen Versuch und die für beide zulässige Vollendungsstrafe. Es ist daher eine vom Gesetz nicht gedeckte Wertung, „dass dem Versuch in erster Linie der Gefährdungsgedanke zugrunde" liege (S. 158) und es sich daher beim untauglichen Versuch um eine nur „defizitäre A r t " dieser Deliktskategorie handle (S. 159; ebenso aber auch Heckler Ermittlung S. 102 f; wie hier Bloy Z S t W 113 [2001] 78).
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Daher ist es auch weder erforderlich noch hilfreich, für diesen vermeintlich minder schweren Fall als Ausgleich für die fehlende Gefährdung auf die Notwendigkeit eines rechtserschütternden Eindrucks zurückzugreifen. Denn einerseits könnte ein solcher, mit dem tauglichen Versuch ja gleichfalls verbundener Eindruck nichts diesem Fehlendes als Ausgleich hinzufügen. Und andererseits kehren gegen den Rückgriff alle gegen die Eindruckstheorie gewendeten Vorhalte dann auch gegen die Vereinigungslehre zurück.
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In JuS 1979 1 vertritt Roxin noch die Eindruckstheorie, deutet freilich auch dort schon eine „Zweispurigkeit" an. Sie geht auf Kohlrausch/Lange § 43 Vorbem. III 3 zurück; in der Tendenz überein-
stimmend sieht sich Otto AT § 18 Rdn. 5; krit. Murmann Versuchsunrecht S. 6 f; einen ausführlichen Begründungsversuch für die Vereinigungslehre liefert Heckler Ermittlung S. 77 ff, 90 ff.
Thomas Hillenkamp
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
Schließlich läuft diese Lehre Gefahr, mit der Aufhebung des einheitlichen Gesetzeskonzepts auch in den einzelnen Sachfragen nicht mehr einheitlich zu entscheiden. So liegt es nicht fern, beim untauglichen Versuch die nur fakultative Strafmilderung als den Regelfall zu bezeichnen; und es ist auch nicht ausgeschlossen, beim untauglichen Versuch den Versuchsbeginn möglicherweise früher eintreten zu lassen als beim tauglichen, weil sich ein rechtserschütternder Eindruck schon vor der Gefährdung ergibt. Damit hat diese dualistische (Roxin AT II § 2 9 Rdn. 13) Lehre weniger eine vereinigende, als eine spaltende Kraft, die die Einheit der gesetzlichen Regelung zerstört. b) Gesetzesunabhängige Deutungen 86
aa) Duale Theorie. Unter den gesetzesunabhängigen Deutungen ist zunächst die von Schmidhäuser (StudB 11/16) vorgeschlagene und von Alwart (Versuchen S. 158 ff) weiterentwickelte „dualistische" Versuchstheorie zu nennen. 1 3 3 Sie teilt mit der Vereinigungslehre (Rdn. 83) die Abkehr von einer monistischen, das heißt für alle Versuchsarten gleichermaßen geltenden Begründung und will zwischen intentionalem und gefährlichem Versuchen unterscheiden. Ein die Versuchsstrafe tragender Gefährdungsunwert findet sich hiernach bei einem tauglichen Versuch, wobei das Gefahrurteil hinsichtlich seiner „Prognosebasis ... auf einer ex-post-Betrachtung" beruhen soll (Schmidhäuser StudB 11/29). Bei intentionalem Versuchen begründet das ein bestimmtes Rechtsgut gezielt infrage stellende Verhalten dessen zu Strafe berechtigenden Zielunwert (11/34 ff). Fehlt es wie beim untauglichen Versuch am Gefährdungsunwert, kommt hiernach Strafe nur bei absichtlichem Handeln in Betracht.
87
Diese Lehre bemüht sich nicht um eine Rekonstruktion des gesetzgeberischen Konzepts. Vielmehr fragt sie, „was ein Geschehen zunächst strafwürdig macht, so dass der Gesetzgeber es legitim für strafbar erklären k a n n " (Schmidhäuser StudB 11/15). Fällt seine Antwort umfassender oder anders aus, ist sie nicht gültig (Alwart Versuchen S. 158). Ein solcher Ansatz eignet sich nicht für die Auslegung geltenden Rechts. 1 3 4 Er führt bei Diskrepanz zu ungesetzlichen Folgen. So kann es keinen Zweifel geben, dass der untaugliche Versuch dort, wo alle Formen des Vorsatzes genügen, nicht nur bei Absicht, sondern auch bei sicherem Wissen oder Eventualvorsatz gegeben ist (s. § 2 2 Rdn. 36). Zudem liegt eine unterschiedliche Sicht der Versuchsarten dem Gesetz nicht zugrunde (T. Maier Objektivierung S. 2 0 7 ) .
88
bb) Theorie von der Verletzung des Anerkennungsverhältnisses. Ähnlichen Vorbehalten begegnet eine von Zaczyk (Unrecht S. 126 ff, 2 2 9 ff) begründete Lehre, die sich als Theorie von der Verletzung des Anerkennungsverhältnisses bezeichnen lässt. 135 Nach Zaczyk ist vollendetes Unrecht „verwirklichte Unterdrückung konkreter begegnender, von der Rechtsgemeinschaft anerkannter Freiheit, soweit Rechtsgüter des Einzelnen oder der Gemeinschaft betroffen sind" (Unrecht S. 194 ff, 3 2 6 f). „Die vollendete Verletzung eines Daseinselements von Freiheit" ist demnach so beschaffen, „dass über sie das
133
Krit. zu ihr Jakobs 25/18; Krüger Versuchsbeginn S. 124 f; Rudolphi SK Rdn. 14; Sehl Schröder/Eser Rdn. 23; Weigend Entwicklung S. 121; Zaczyk
134
Unrecht S. 27 f; Zie-
schang S. 142 f. Ebenso Herzberg MK § 22 Rdn. 56; Kindhäuser LPK Rdn. 5; Roxin AT II § 29
135
Ihr folgen Köhler S. 451 ff; Krüger Versuchsunrecht S. 140 ff, 159; Murmann Ver-
suchsunrecht S. 5 f; Rath JuS 1998 1008 f; krit. Roxin AT II § 29 Rdn. 52 f, 55; Sehl Schröder/Eser Rdn. 24; T. Maier Objektivierung S. 196 ff; Vehling Abgrenzung S. 72 f;
Zieschang S. 143 ff.
Rdn. 51.
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Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 2 2
Gleichheitsverhältnis zerstört wird, in dem einer der Beteiligten (der Täter) den ihm zukommenden Freiheitsraum so erweitert, dass der oder die angegriffenen anderen nicht als anerkannte Gleiche bestehen bleiben" (S. 2 0 0 ) . Auch Versuchsunrecht ist danach „Verletzung des Anerkennungsverhältnisses, in dem die Mitglieder der Rechtsgemeinschaft einander als freie und gleiche verbunden sind" (Murmann Versuchsunrecht S. 5). Der Versuch stellt sich dabei „zwischen der Rechtsgutskonstitution" durch wechselseitige Anerkennung und der „vollendeten Rechtsgutsbeeinträchtigung" als „Übergang eines der Konstituenten des jeweils betroffenen Rechtsguts von der Anerkennung zur Verletzung dar" ( Z a c z y k Unrecht S. 2 2 9 ff, 327). Es handelt sich bei dieser Lehre um das Modell einer Unrecht und Strafgrund des Versuchs „richtig" (s. Rdn. 58), und das heißt (zunächst) von den gesetzgeberischen Vorstellungen und Vorgaben vollständig gelöst bestimmenden Auffassung. Dabei wird zwar durch die hiernach im Versuch liegende Umwandlung des anerkennenden in einen „das Rechtsverhältnis ... zerstörenden Willen" (Rath JuS 1998 1009) die subjektive Versuchslehre als gemeinsame Grundlage nicht aufgekündigt. Es wird aber doch anstelle einer von den Strafzwecken durchwirkten (s. dazu Zaczyk Unrecht S. 2 9 ff) Konzeption eine auf Kant und Fichte zurückführende philosophische Unrechtsbegründung geboten, die den gesetzgeberischen Beratungen nicht zugrunde lag und daher als Auslegungsmaßstab kaum taugt (s. dazu Zaczyk N K § 2 2 Rdn. 12 selbst). Das zeigt sich nicht nur in den Bemühungen, die Abgrenzung zwischen Vollendung und Versuch neu zu bestimmen (s. § 2 2 Rdn. 75 f, 81), sondern vor allem auch dort, wo es um Begrenzungen der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs geht. Die hierzu aus dem vorausgesetzten Bruch eines Anerkennungsverhältnisses hergeleiteten Folgerungen stimmen mit dem Gesetz nicht überein (s. näher § 2 2 Rdn. 184 f).
89
cc) Objektive Theorien. Die bis in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts 1 3 6 in der Wissenschaft vorherrschende, von Feuerbach begründete 1 3 7 und noch in den 60er Jahren von wenigen „einsamen Rufern" verteidigte 1 3 8 objektive Theorie sieht den Strafgrund des Versuchs in der Gefährdung des mit dem Versuch angegriffenen Handlungsobjekts oder Guts. Nicht der Täterwille ist entscheidend, sondern die nahe Gefahr der Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Erfolges. Dabei ist für die ältere abstrakt-objektive Theorie kennzeichnend, dass sie die Gefahr ex post beurteilte, das Kriterium der Gefahr also nicht „als Zustand der Ungewissheit" erfasste (Zaczyk Unrecht S. 45). Auf Mittermaier139 geht hierbei die bei Feuerbach noch offengelassene nähere Bestimmung der Gefährlichkeit des Versuchs in der Weise zurück, dass (ex post) zwischen (straflosem) absolut und (strafbarem) relativ untauglichem Versuch unterschieden werden sollte. Diese den Gefahrbegriff nicht zutreffend erfassende und im übrigen auf einer undurchführbaren Unterscheidung beruhende ältere Deutung wurde später durch die von v. Liszt
90
Der „Siegeszug" der subjektiven Theorie hebt schon mit v. Buris Einfluss auf das Reichsgericht an und ist deshalb mit der Hinwendung des NS-Strafrechts zum Willensstrafrecht für die Praxis nicht erklärbar, Weigend Entwicklung S. 118; auf das Umschwenken von Teilen der Lehre weist Hirsch FS Roxin S. 712 hin; s. hierzu auch T. Maier Objektivierung S. 142 ff. 137 Ygi j a s aussagekräftige Zitat aus § 42 seines Lehrbuchs bei Zaczyk Unrecht S. 42. 136
138
139
So von Spendel ZStW 65 (1953) 518, 521 ff; ders. NJW 1965 1881 ff; ders. FS Stock S. 89 ff (auf S. 89 sieht sich Spendel als „einsamer Rufer"); s. auch Dicke JuS 1968 157; Treplin ZStW 76 (1964) 441. Mittermaier GS 11 (1859) 403 ff; zu früheren Andeutungen dieser Auffassung bei Mittermaier s. Zaczyk Unrecht S. 43.
Thomas Hillenkamp
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Vor § 22
2 . Abschnitt. Die Tat
(Lb 2. Aufl. 1884 S. 191) begründete und von v.Hippel (II S. 425 ff) näher ausgearbeitete jüngere konkret-objektive Theorie ersetzt. Dieser Gefährlichkeitstheorie gelang es, „den Gefährdungsgedanken in praktisch brauchbarer Weise" (Vogler LK 1 0 Rdn. 40) in der Gestalt umzuformulieren, dass es nunmehr im Wege einer „nachträglichen Prognose" (;ν. Liszt ZStW 1 [1881] 102) darauf ankam, die Gefährlichkeit prognostisch aus der „Lage zur Zeit der Tat" zu beantworten, also „alles auszuschalten, was erst hinterdrein bekannt wurde" (v. Hippel II S. 427). Als gefährlich galt hiernach der Versuch, der nach dem Urteil eines alle ex ante (zur Zeit der Tat) erkennbaren und die dem Täter bekannten Tatsachen einbeziehenden „Richters" es als „ernsthafte Möglichkeit" erscheinen ließ, „dass der Erfolg eintritt; ungefährlich, wenn dies als praktisch ausgeschlossen erscheint" οV. Hippel II S. 427 f). 91
Diese Lehre, die den auf Verletzung angelegten Versuch sachwidrig 140 in die Nähe eines Gefährdungsdelikts bringt, ist mit einer Regelung, die auf die Vorstellung des Täters von der Tat abstellt und von der uneingeschränkten Strafbarkeit des untauglichen Versuchs ausgeht, nicht vereinbar (Vogler LK 10 Rdn. 45). Dabei sind die inhaltlichen Schwächen der älteren abstrakt-objektiven Theorie durch die ihr zuteil gewordene Kritik (zusf. v. Hippel II S. 417 ff) so deutlich geworden, dass sie seit langem keine Anhänger mehr findet. Die neuere Gefährlichkeitstheorie wird dagegen auch heute noch (und wieder) nicht nur als eine de lege ferenda zu bevorzugende Konzeption (so Weigend Entwicklung S. 126 ff), sondern auch als eine dem geltenden Recht zugrunde zu legende Strafgrundlehre ausgegeben. Dabei will Roxin (FS Nishihara S. 159 f, 163 und AT II § 29 Rdn. 10 ff) ihre Zuständigkeit in seiner dualistischen Vereinigungstheorie (s. Rdn. 83) auf den tauglichen und den „gefährlichen" untauglichen Versuch beschränken. Für Hirsch (FS Roxin S. 713, 716 ff); ders. GedS Vogler S. 31, 32 ff) und einige seiner Schüler 141 soll dagegen ihre Grenzziehung zwischen aus ex-ante-Sicht gefährlichen und ungefährlichen Versuchen schon die lex lata im Ganzen bestimmen. Die Bezeichnung dieser Lehre als echte subjektiv-objektive Theorie (Hirsch FS Roxin S. 726) soll hierbei verdeutlichen, dass die subjektive und objektive Seite des Versuchs sich zu einem „normbezogenen Strafgrund" vereinigen, nicht aber leugnen, dass diese Auffassung der Gefährlichkeitstheorie zuzuordnen ist. Ihre Benennung legt freilich besser als jene offen, dass in der Sache eine gewisse Nähe zu der herkömmlich bei den objektiv-subjektiven oder eben auch vermittelnden Theorien eingeordneten Plantheorie 142 besteht.
92
Dass diese Lehre angesichts ihrer vielfachen Akzeptanz in Europa (K. Schubert Versuch S. 260, 261 f; s. aber auch S. 264 ff) und ihrer Übereinstimmung mit dem aus der modernen Zurechnungslehre stammenden Verbot, ein unerlaubtes Risiko für die Guts-
140
141
Roxin FS Nishihara S. 159 sieht beim tauglichen Versuch eine Ähnlichkeit; zu Recht ablehnend aber Köhler S. 4 5 2 f; Zaczyk Unrecht S. 5 0 ; vgl. auch Hirsch FS Roxin S. 718. Malitz S. 1 7 9 ff, 1 8 8 f; Ha S. 5 0 ff; Zieschang S. 1 3 7 ff, 141, 1 4 8 ; zur Diskussionslage vgl. die Nachweise bei Hirsch FS Roxin S. 713; krit. zu Hirsch Androulakis FS Schreiber S. 16 ff; T. Maier Objektivierung S. 176 ff; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 5 7 ; für eine Interpretation des Art. 3 5 des neuen türkischen StGB i.S. der Lehre Hirschs sprechen sich Roxin/Isfen GA 2 0 0 5 2 3 9 aus; zur
1420
durch die objektive Lehre geprägten Versuchsstrafbarkeit in Italien s. Fornascari S. 4 9 , 5 0 ff. 142
Vgl. zu ihr und ihren Vertretern Zaczyk Unrecht S. 8 2 ff (zum angedeuteten Zusammenhang S. 4 5 ) ; Vogler L K 1 0 Rdn. 51: „Versuch, wenn objektiv der verbrecherische Wille deutlich in einer Handlung zutage tritt, die subjektiv nach dem Gesamtplan des Täters unmittelbar zur Gefährdung des Schutzobjekts führt". Der Wille muss also „seinem Inhalt nach gefährlicher Wille" sein (Zaczyk Unrecht S. 8 3 ) .
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 2 2
Verletzung zu schaffen (s. dazu schon v. Hippel II S. 430), ein erörterungswürdiger Entwurf für eine neu zu konzipierende Versuchsregelung wäre, steht außer Zweifel (s. auch Roxin AT II § 29 Rdn. 24). Auch kann man auf den mit diesem Ansatz (freilich nicht zwingend) in Verbindung stehenden Gedanken, es komme weniger auf die Gefahr für ein Rechtsgut, als auf die einer Verwirklichung des Tatbestandes an (ν. Hippel II S. 405), auf der gebotenen Grundlage der Vorstellung des Täters bei der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch zurückgreifen (s. § 22 Rdn. 83, 85). Es ist aber zu bestreiten, dass die Kernaussage dieser Lehre das geltende Recht prägt (Tröndle/Fischer § 22 Rdn. 42b) Auch der taugliche Versuch findet nach der gesetzgeberischen subjektiven Konzeption seinen Strafgrund nicht in der objektiven Gefährdung des Rechtsguts (s. schon Rdn. 84). Vor allem aber lässt sich die von Hirsch aufgegriffene Unterscheidung zwischen einem strafbaren untauglichen, weil (ex ante) gefährlichen und einem straflosen untauglichen, weil (ex ante) ungefährlichen Versuch de lege lata nicht halten. Sie widerspricht der für den untauglichen Versuch vom Gesetz unterschiedslos angeordneten Strafbarkeit und kann - was Hirsch selbst einräumt - § 23 Abs. 3 keinen sinnvollen Regelungsgehalt mehr zuweisen. Damit ersetzt die Gefährlichkeitstheorie, die der subjektiven Theorie - wie die hier auf ihrem Boden vorgelegte Kommentierung überall zeigt - zu Unrecht „eine Abirrung ins Gesinnungsstrafrecht" (Hirsch GedS Vogler S. 41) vorwirft, ganz offenkundig das gesetzgeberische Programm durch ein ihm für überlegen erachtetes, vom Willen des Gesetzgebers aber abweichendes Konzept. Das ist auch dann mit den Regeln der Gesetzesauslegung nicht mehr vereinbar, wenn man dem Gesetzespositivismus kritisch gegenübersteht. 143 Im Übrigen führt diese Lehre in das Dilemma der Abgrenzung zwischen absoluter und relativer Untauglichkeit oder doch zumindest in ein diesem verwandtes zurück (s. § 22 Rdn. 186), wenn und weil sie die Unterscheidung von einer willkürlich unterschiedlichen Ausstattung des Wissens eines „einsichtigen Drittbeurteilers" (Roxin AT II § 29 Rdn. 11) abhängig macht, der z.B. ein vorangegangenes Entladen der Waffe nicht, die Eigenschaft des Zielobjekts als Pappfigur dagegen doch kennen soll. 144 Keiner Auseinandersetzung bedarf es heute mehr mit der gleichfalls den objektiven Theorien zuzurechnenden Lehre vom Mangel am Tatbestand. 145 Nach dieser namentlich von Binding, Beling, Frank und Dohna vertretenen Auffassung kommt Versuch nur dort in Betracht, wo der Erfolg als „tatbestandliches Schlussstück" fehlt (krit. dazu Fincke S. 36). Dagegen soll ein „Mangel" an den übrigen Tatbestandsmerkmalen zur Straflosigkeit führen, weil diese - anders als der Erfolg - zur Strafbarkeit gehörten. In Bezug auf den untauglichen Versuch wird zwischen ontologischem und nomologischem Irrtum unterschieden (Frank § 43 Anm. III). Die Lehre sucht nicht nach einer (neuen) Angabe des Strafgrundes, sondern nach einer vom objektiven Strafgrund nahegelegten Einschränkung der Strafbarkeit des Versuchs (v. Hippel II S. 397). Dabei wird aber verkannt, dass der Erfolg keine andere Bedeutung für die Strafbarkeit besitzt als alle übrigen Tatbestandsmerkmale; denn sie alle sind „rechtlich gleich notwendig und inhaltlich gleich wesentlich" (v. Hippel II S. 432 f). Insoweit gilt für das damalige Recht nichts anderes als für das heutige. 146 143 Yg] lji e i- zu die Kritik von Hirsch GedS Vogler S. 34 ff an den sich auf die gesetzgeberische Entscheidung für die subjektive Theorie berufenden Ausführungen von Herzberg GA 2001 2 5 7 ff. 144
145
146
Vgl. zu ihr, ihren Vertretern und zur Kritik Vogler LK 1 0 Rdn. 41 ff; Zaczyk Unrecht S. 53 f. Zum Versuch des untauglichen Subjekts vgl. § 22 Rdn. 191.
Zu den daraus resultierenden Schwierigkeiten im österreichischen Recht s. Fuchs FS Burgstaller S. 41, 4 3 ff.
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93
Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
94
dd) Sonstige Theorien. Bemühungen, der gesetzgeberischen Gründung des Versuchsunrechts und des Strafgrunds eine „richtige" entgegenzusetzen, finden sich schließlich einerseits bei Kratzsch. Dieser Autor gelangt in seiner Abhandlung über „Verhaltenssteuerung und Organisation im S t r a f r e c h t " 1 4 7 zu der These, „Grundlage des Versuchsunrechts" sei „ein kausales Verhalten des Täters, das nicht als individuelles Ereignis, sondern als typisches Element einer Klasse von gefährlichen Handlungen gesteuert" werde. Er geht daher davon aus, dass es sich beim Versuch um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handle, das die Aufgabe habe, in einem „sehr weit fortgeschrittenen Stadium der Tatgenese", in dem „typischerweise eine konkrete Gefahr des Erfolgseintritts besteht", die „Betätigung des deliktischen Willens" zu unterbinden (S. 4 4 2 f). Diese hier nur vereinfacht wiedergegebenen Erkenntnisse basieren auf dem Versuch, Einsichten der „kypernetischen Systemtheorie und der Organisationstheorie ... auch für die Erfassung des Strafrechts und seiner Normen" nutzbar zu machen (S. 197 f). Dadurch handelt es sich auch hier nicht um eine Rekonstruktion der gesetzgeberischen Überlegungen, sondern um einen eigenständigen Weg. Eine gewisse Grundübereinstimmung mit der subjektiven Theorie (S. 4 4 0 ) ergibt sich infolgedessen eher zufällig. Eine überlegene Bestimmung des Versuchsbeginns leistet diese Lehre nicht (s. § 2 2 Rdn. 78, 81). Auch kann angesichts des auf Verletzung zielenden Verhaltens und der grundsätzlich zulässigen Vollendungsstrafe die Kennzeichnung des Versuchs als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht überzeugen. 1 4 8
95
Einen ökonomischen Ansatz vertreten Adams und Shavell (GA 1 9 9 0 3 3 7 ) . 1 4 9 Sie legen der (Versuchs-)Strafe nur die Zwecke der „Abschreckung" und der „tatsächlichen Verunmöglichung (Sicherung)" zugrunde und wollen mit der Versuchsstrafbarkeit die von der Straf-„Obergrenze verursachte Abschreckungslücke ... verkleinern" (351). Auch dieses Konzept ist keine Nachzeichnung der Gesetzesentscheidung. Es fußt allein auf dem negativen Aspekt von General- und Spezialprävention und vermag die Strafzwecke daher nicht zu erschöpfen. Dabei liegt der negativen Abschreckung ein Nutzen-Kosten-Modell zugrunde, das die Feuerbachsche Zwangstheorie ökonomisch übersetzt und den Kriminellen wirklichkeitsfremd als kalkulierenden homo oeconomicus zeichnet. Der Sicherung liegt die Tätertheorie in ihrer angreifbaren (s. Rdn. 68) Aussage zugrunde, die Tat sei als Symptom einer „Neigung" zu sehen und daher „die zukünftige Gefährlichkeit einer Person" in Schach zu halten. Auch diese Lehre trägt daher zu einem besseren Verständnis des geltenden Rechts kaum etwas bei.
IV. Sonderfälle des Versuchs 96
1. Gefährdungs- und Tätigkeitsdelikte. Obwohl bei der Behandlung des Versuchs das klassische Verletzungsdelikt gleichsam als Modell im Vordergrund steht, gehören die Gefährdungs- und die schlichten Tätigkeitsdelikte nur eingeschränkt zu den hier in einem engeren Sinne gemeinten Sonderfällen des Versuchs.
97
Das gilt zunächst für die konkreten Gefährdungsdelikte und auch diejenigen abstrakten Gefährdungsdelikte, deren (abstrakte) Gefährlichkeit - wie zum Beispiel in §§ 3 0 6 a Abs. 1, 314 - für das geschützte Rechtsgut an den Eintritt eines bestimmten Außenwelts-
147
Zu der in diesem Werk aus dem Jahre 1985 entwickelten und teilweise in JA 1983 4 2 0 ff, 578 ff vorweggenommenen Konzeption s. krit. Krüger Versuchsbeginn S. 112 f;
T. Maier Objektivierung S. 180 ff; Roxin
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AT II § 29 Rdn. 54; Vehling S. 61 ff; Zaczyk
148 149
Unrecht S. 3 9 ff. Vgl. auch Momsen S. 78, 86 ff. Krit. dazu Krüger Versuchsbeginn S. 127.
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Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 22
erfolges oder -zustandes geknüpft wird. Diese Delikte sind nicht anders als die Verletzungsdelikte Erfolgsdelikte (Sch/Schröder/Lenckner vor § § 13 ff Rdn. 130; s. auch § 2 2 Rdn. 15). Für sie gilt daher im Grundsatz nichts besonderes. Zwar liegt in der Anordnung der Versuchsstrafbarkeit gegenüber der ohnehin mit den Gefährdungsdelikten in das Vorfeld erweiterten Strafbarkeit eine „weitere Strafbarkeitsvorverlagerung" (Arzt/ Weber BT § 35 Rdn. 117). Die Möglichkeiten eines Versuchs und die inhaltlichen Fragen ergeben sich hier aber deshalb nicht anders als bei den Verletzungsdelikten. So kann der vom Vorsatz umfasste (Gefahr-)Erfolg auch hier noch ausstehen oder lediglich der Beginn der gefährdenden Handlung vorliegen (Baumann/Weber § 33 I ld). Die Identität gilt freilich für die Frage des Versuchsbeginns nur, wenn man die Antwort - wie es hier geschieht - von einer Gefahr der Tatbestandsverwirklichung (§ 22 Rdn. 85, 110 ff) abhängig macht. Stellt man dagegen auf eine unmittelbare Rechtsgutsgefährdung ab (s. dazu § 22 Rdn. 68 f), folgen Schwierigkeiten daraus, dass bei den konkreten Gefährdungsdelikten der Gefahrerfolg nicht (erst) Versuch, sondern (schon) Vollendung bedeutet, während bei den abstrakten Gefährdungsdelikten das Rechtsgut nicht einmal im Vollendungsfall in (konkrete) Gefahr geraten sein muss. Daraus ergibt sich der berechtigte Vorhalt, dass die den Gefährdungsaspekt in den Vordergrund rückende „individuellmaterielle" Abgrenzungslehre (s. zu ihr § 22 Rdn. 82) für Gefährdungsdelikte nicht passt. 150 Das gilt auch für eine Lehre, die für den Versuchsbeginn beim konkreten Gefährdungsdelikt auf die Formel zurückgreift, unmittelbares Ansetzen liege vor, wenn der Täter räumlich die Sphäre des Opfers berührt und ein zeitlicher Zusammenhang mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung vorliegt (s. dazu § 22 Rdn. 72) und die deshalb verlangt, dass „das Gefahrenobjekt in den Wirkungsbereich des Täterhandelns getreten" oder es - anders formuliert - „bereits zu einer Berührung der verschiedenen Rechtssphären gekommen" sein muss (so Momsen S. 77, 81). Soweit sich diese Auffassung auf die Erwägung stützt, dass „die Voraussetzung des unmittelbaren Ansetzens zu einem konkreten Gefährdungsdelikt ... auch eines Bezugspunktes zu dem Tatbestandsmerkmal der konkreten Gefahr" bedürfe (Momsen S. 67), befindet sie sich im Einklang mit der hier vorgenommenen Auslegung der „Verwirklichung des Tatbestandes" in § 22 (§ 22 Rdn. 96) und der daraus gezogenen Schlussfolgerung, der durch die Versuchshandlung beschriebene Zustand müsse sich „als unmittelbare Gefahr der Tatbestandsverwirklichung beschreiben" lassen (§ 22 Rdn. 85). Sie lässt aber mit dem Rückgriff auf die „Sphärentheorie" im Bereich der konkreten Gefährdungsdelikte für den Versuch praktisch keinen Raum, weil bei ihnen mit der „Berührung der verschiedenen Rechtssphären" in aller Regel der Gefährdungserfolg eingetreten und deshalb das Delikt vollendet sein wird. Denn wenn sich etwa bei einer Trunkenheitsfahrt Täter und Opfer(-sphären) begegnen, kommt es zu der von § 315c vorausgesetzten konkreten Gefahr. 151 Der gegen die individuell-materielle Abgrenzungslehre im Zusammenhang mit Gefährdungsdelikten zu erhebende Vorhalt zielt gleichermaßen auf die (schlichten) Tätigkeitsdelikte (§ 2 2 Rdn. 84). Auch deren Beginn kann nicht von einer im Tatbestand nicht vorausgesetzten unmittelbaren Rechtsgutsgefährdung, sondern nur von der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung abhängen. Das gilt hier deshalb um so mehr, als nicht alle (schlichten) Tätigkeitsdelikte zugleich auch wenigstens abstrakte Gefährdungsdelikte (wie z.B. §§ 142, 154, 316) sind, sondern sich zum Teil als Delikte erweisen, bei denen
150 püj. e ; n e n Sonderweg bei der Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens bei Gefährdungsdelikten Zaczyk Unrecht S. 322 f. 151
Momsen, der sein Ergebnis selbst aus der
Definition der konkreten Gefahr folgert (S. 69 ff), sieht diesen Einwand (S. 82), zugleich aber doch einen „schmalen Raum" für Versuch.
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2. Abschnitt. Die Tat
der Handlungsvollzug (wie z.B. in §§ 173, 174, 176) seinen Unwert in sich selbst trägt (Roxin AT I § 10 Rdn. 103). Ferner ergibt sich gegenüber den Erfolgsdelikten die Besonderheit, dass der beendete Versuch mit der Vollendung zusammenfällt (Roxin AT I § 10 Rdn. 103). Im übrigen ist aber auch bei den Tätigkeitsdelikten ein Versuch ohne weiteres möglich. Das gilt zum einen für den Fall des untauglichen Versuchs (z.B. sexueller Missbrauch eines irrig für jünger als 14 gehaltenen Kindes - § 174 Abs. 1, 4 - oder Beischlaf mit einem Mädchen, das irrtümlich als leibliche Tochter angesehen wird, s. RGSt 47 189, 191 zu § 173 a.F.) und zum anderen dann, wenn zur im Tatbestand vorausgesetzten Handlung unmittelbar angesetzt oder - wie beim Sprechen der Eidesworte (s. BGHSt 4 172, 1 7 6 ) 1 5 2 - schon mit ihr begonnen ist. 99
Während es bei diesen beiden Deliktsarten folglich nur um ihrer besonderen Struktur angemessene Abwandlungen der allgemein zum Versuch gültigen Antworten und damit nur bedingt um „Sonderfälle" des Versuchs geht, ist für andere Formen des Delikts bereits umstritten, ob ein Versuch überhaupt (begrifflich) möglich und wenn ja, ob er auch strafbar ist. Insoweit lässt sich mit mehr Berechtigung von Sonderfällen des Versuchs sprechen (zum - nicht möglichen - Versuch von Fahrlässigkeitsdelikten s. Rdn. 14 f). 2. Unterlassungsdelikte
100
a) Struktur- und Strafbarkeit des Unterlassungsversuchs. Nicht nur das Begehungsdelikt, sondern auch das Unterlassungsdelikt kann nach heute h.M. in all seinen Erscheinungsformen das Stadium des tauglichen wie des untauglichen Versuchs durchlaufen. 153 Bedenken, die sich aus der Begriffsbestimmung des § 43 a.F. möglicherweise herleiten ließen (s. dazu Herzberg MDR 1973 89 f), haben sich mit der Neufassung erledigt. Auch hat sich die These Armin Kaufmanns (Unterlassungsdelikte S. 204 ff) und Welzeis (§ 27 A IV, § 28 V) nicht durchgesetzt, es gäbe keinen Versuch der Unterlassung, sondern nur die Unterlassung eines Erfolgsabwendungsversuchs als ein den Unterlassungsdelikten eigentümliches Phänomen, das dem beendeten untauglichen Versuch gleichzustellen sei. Diese These fußt auf der von der h.L. zurecht (s. Stratenwerth/Kuhlen § 14 Rdn. 3 mit § 13 Rdn. 71 f) überwundenen Annahme, es mangele dem Unterlassungsdelikt an einem Befund, der in seiner Struktur dem Vorsatz beim Begehungsdelikt gleichkomme. Schließlich besteht auch kein Anlass, den untauglichen Unterlassungsversuch von der Strafbarkeit auszunehmen (BGHSt 4 0 257, 270, 272). Die Annahme, dieser Versuch erschöpfe sich in einem reinen Gesinnungsunwert (Rudolphi SK Rdn. 55; Schmidhäuser StudB 13/27; ders. FS Gallas, S. 81, 96 f; Zaczyk NK § 22 Rn 60), trifft nicht zu. Geringere Strafwürdigkeit ist gegebenenfalls durch Strafmilderung abzugleichen. 1 5 4 Auch die Strafbedürftigkeit ist nicht zu leugnen, so dass auch der Vorschlag eines „sachlichen Strafausschließungsgrundes" (Niepoth Untauglicher Versuch S. 243 ff, 287 ff, 374 ff) keinen Beifall verdient (s. im Einzelnen § 22 Rdn. 193). 1 5 5
152
153
S. auch Rudolphi SK § 154 Rdn. 11; Sch/Schröder/Lenckner § 154 Rdn. 15 jeweils mit Hinweisen auch zu Fallgestaltungen des untauglichen Versuchs. OGHSt.BZ 1 359; Grünwald J Z 1959 48 ff; Jakobs 29/113; Jescheck/Weigend § 60 II; Kühl § 18 Rdn. 142; Lackner/Kühl $ 22 Rdn. 17; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 4 0 Rdn. 97; Sch/Schröder/Eser Rdn. 27; Stratenwerth/Kuhlen § 14 Rdn. 2; jedenfalls für
1424
154
155
das unechte Unterlassungsdelikt bestätigend BGHSt 38 356, 358 f; 4 0 2 7 0 ; BGH NStZ 1997 485. Malitz Untauglicher Versuch S. 48 ff; Malitz selbst will beim untauglichen Versuch in Anlehnung an die Gefährlichkeitstheorie (s. Rdn. 90 f) entscheiden. Wie hier die h.M., vgl. nur Jakobs 29/114; Kühl § 18 Rdn. 151; Seelmann NK S 13 Rdn. 22, 24; Sch/Schröder/Eser Rdn. 91.
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Vorbemerkungen zu den § § 2 2 ff
Vor § 2 2
Der Unterlassungsversuch weist weitgehend Parallelen zum Begehungsversuch auf. Ebenso wie beim Begehungsdelikt erfordert auch der Unterlassungsversuch subjektive und objektive Momente. Subjektiv ist der auf die Nichtvornahme der rechtlich erwarteten Tätigkeit und das dadurch „bewirkte" (s. dazu Engländer JuS 2001 958, 960 f) Eintreten des Erfolgs gerichtete Vorsatz zu verlangen, der auch die Umstände erfassen muss, die die Garantenstellung und die jedenfalls bei verhaltensgebundenen Delikten zu fordernde „Entsprechung" begründen. Insoweit ist der Tatentschluss umfassender als beim Versuch des Begehungsdelikts (Kühl § 18 Rdn. 144) und unter Umständen mit den besonderen Fragen des Irrtums über die Garantenstellung oder -pflicht belastet (s. § 22 Rdn. 209, 237). Objektiv ist auch beim Unterlassungsdelikt maßgeblich, dass der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (BGHSt 4 0 257, 271; Tröndle/Fischer § 22 Rdn. 31). Da das Gesetz für das Unterlassungsdelikt nichts anderes bestimmt, gilt die Ansatzformel auch hier. Es trifft auch nicht zu, dass die Formel hier „nicht weiterführt, weil ein dem Ansetzen zur aktiven Begehung vergleichbarer Moment nicht gegeben" sei (so aber Jescheck/Weigend § 60 II 2; Vogler LK 1 0 Rdn. 61). Richtig ist nur, dass die Ansatzformel auf die Besonderheiten der Unterlassung zuzuschneiden ist (s. dazu § 2 2 Rdn. 86, 142 ff, 152). Hier wie im übrigen sind naturgemäß die strukturspezifischen Besonderheiten der echten wie der unechten Unterlassungdelikte zu berücksichtigen.
101
b) Echte Unterlassungsdelikte. Das echte Unterlassungsdelikt erschöpft sich zumeist (z.B. in §§ 123 2. Alt., 142 Abs. 2, 323c) im bloßen Untätigbleiben gegenüber der durch den Eintritt einer tatbestandlichen Situation ausgelösten Verhaltensaufforderung einer Gebotsnorm (schlichte Unterlassungstätigkeitsdelikte). Das hat zur Folge, dass - abgesehen vom Fall des beendeten untauglichen Versuchs (s. § 22 Rdn. 152) - in der Regel jedes Unterlassen trotz bestehender Handlungspflicht bereits die Vollendung des echten Unterlassungsdelikts nach sich zieht. 156 Nicht Versuch, sondern Vollendung liegt daher selbst dann vor, wenn der Täter im Zeitraum erfolgreicher Handlungsmöglichkeit doch noch seine Pflicht erfüllt (Tröndle/Fischer § 22 Rdn. 34). Droht möglicherweise ein Schwerverletzter nach einem Verkehrsunfall zu verbluten, ist nach § 323c sofortige Hilfe geboten. Wer diese unterlässt, ist daher auch dann strafbar, wenn er später doch noch hilft und vielleicht sogar den drohenden Tod des Verletzten abwendet (Schmidhäuser AT 17/25 unter Einräumung einer „moralischen Schrecksekunde"; s. dazu auch BGHR § 323c Unglücksfall 3 - Straftat). Ein Rücktritt scheidet aus. 1 5 7
102
Eine Ausnahme bildet insoweit nur § 138, bei dem ein Versuch deshalb denkbar ist, weil der Tatbestand den Zeitraum für die gebotene Handlung auf den Bereich der ersten Möglichkeit der Anzeige bis zur letzten Gelegenheit, die Anzeige noch rechtzeitig zu erstatten, erstreckt (Vogler LK 1 0 Rdn. 65). Deshalb ist hier die Tat nur bis zum Versuch gediehen, wenn der Täter die Anzeige in der Absicht, sie gänzlich zu unterlassen, zunächst hinauszögert, dann aber doch noch rechtzeitig nachholt (Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 4 0 Rdn. 100). Die Annahme der Möglichkeit eines Versuchs hat zwar insoweit bei allen bisher genannten Delikten nur theoretische Bedeutung, als der Versuch hier nicht mit Strafe bedroht ist. Sie ist aber insofern von Belang, als die Anerkennung einer Versuchsphase die Vollendung hinauszögert. Das zeigt sich z.B. bei der unterlassenen
103
156
Jescheck/Weigend § 6 0 II 1; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 4 0 Rdn. 9 9 f; Sch/Schröder/ Eser § 2 2 Rdn. 5 3 ; Tröndle/Fischer § 22 Rdn. 3 4 ; Schaffstein FS Dreher S. 149, 1 5 8 ; Schmidhäuser StudB 17/25.
157
Vgl. dazu BGHSt 14 2 1 3 ; 17 1 6 6 ; 21 5 0 , 5 5 ; Schaffstein FS Dreher S. 149, 1 5 7 ; s. aber auch die im Text folgende Rdn. 103.
Thomas Hillenkamp
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Vor § 22
2. Abschnitt. Die Tat
Hilfeleistung nach § 323c, für die - anders als hier (Rdn. 102) - vereinzelt für eine Spanne zwischen „unverzüglicher" und „noch rechtzeitiger" Gebotserfüllung ( M a i h o f e r GA 1958 2 9 6 ) oder für eine solche, in der sich infolge der Untätigkeit die „Chancen der Erfolgsabwendung" nicht vermindert oder gar erledigt haben ( R u d o l p h i SK § 3 2 3 c Rdn. 17), noch eine Zone des Versuchs eingeräumt wird. 104
Als Beispiele eines echten Unterlassungsdelikts, bei denen der Versuch strafbar ist, sind im geltenden Recht das durch das Unterlassen gebotener Rechtshandlungen begehbare Verbrechen der Rechtsbeugung (§ 3 3 9 ) sowie die unterlassene Führung von Handelsbüchern oder die unterlassene Aufstellung von Bilanzen nach § 2 8 3 Abs. 1 Nr. 5, 7, Abs. 3 zu nennen (Jescheck/Weigend § 6 0 II 1). Hier kann - abgesehen vom ohnehin möglichen untauglichen Versuch [Jescheck/Weigend § 6 0 II 1) - ein Versuch durch das Unterlassen der gebotenen Handlung nach allgemeiner Meinung 1 5 8 dadurch begangen werden, dass der Täter schon unmittelbar vor dem drohenden Ablauf eines für das geforderte Verhalten zur Verfügung stehenden Zeitraums zu erkennen gibt, dass er die gebotene Handlung nicht rechtzeitig vorzunehmen gedenkt (Tiedemann L K n § 2 8 3 Rdn. 151, 2 0 1 ; s. auch § 2 2 Rdn. 152).
105
c) Unechte Unterlassungsdelikte. Beim unechten Unterlassungsdelikt begründet die Nichthinderung des Eintritts des tatbestandsmäßigen Erfolgs trotz Bestehens einer Garantenpflicht den strafrechtlichen Vorwurf. Hier hat der Versuch erhebliche praktische Bedeutung (Jescheck/Weigend § 6 0 II 2 ) . 1 S 9 Er ist in all seinen Erscheinungsformen möglich.
106
So lässt sich auch im Rahmen des unechten Unterlassungsdelikts zwischen dem tauglichen und dem untauglichen Versuch unterscheiden (Grünwald GA 1 9 5 9 116 ff; Armin Kaufmann S. 2 9 3 f). Daher begeht einen tauglichen Tötungsversuch durch Unterlassen, wer das von ihm im Straßenverkehr pflichtwidrig verletzte und nur durch Zufall später von anderen gerettete Opfer seinem - wie der Täter weiß - ohne Hilfe tödlichen Schicksal überlässt, weil er dessen Zeugenaussage im Strafprozess fürchtet, einen untauglichen Versuch dagegen, wer unter sonst gleichen Umständen nur irrig davon ausgeht, das Opfer habe den Anprall überlebt (BGH V R S 13 120). Dass der untaugliche Versuch nicht strafwürdig oder strafbedürftig und daher schon nach geltendem Recht nicht strafbar sei, trifft nicht zu (s. Rdn. 100; § 2 2 Rdn. 193). Auch ist keine Ausnahme für den Fall anzuerkennen, dass der Täter die tatsächlichen Voraussetzungen einer Garantenstellung nur irrtümlich annimmt. Bildet er sich dagegen eine rechtlich nicht bestehende Garantenstellung in juristischer Fehlwertung nur ein, führt die nur vorgestellte Subjektstauglichkeit ins Wahndelikt (s. näher § 2 2 Rdn. 2 3 7 ) . Dass entgegen verbreiteter Ansicht über den Versuchsbeginn hier wie sonst nach der Ansatzformel zu entscheiden ist, ist schon betont (Rdn. 101). 1 6 0 3. Erfolgsqualifizierte Delikte
107
a) Möglichkeit des Versuchs. Kennzeichen der erfolgsqualifizierten Delikte ist, dass das vorsätzlich oder fahrlässig begangene Grunddelikt eine Qualifikation 1 6 1 erfährt, 158
Vgl. dazu BGHSt 10 2 9 4 , 2 9 7 ; Schaffstein FS Dreher S. 1 5 5 ; Sch/Schröder/Eser § 22 Rdn. 5 3 .
160
Zu Besonderheiten beim Rücktritt vom Versuch s. Kühl § 18 Rdn. 152 ff und die Anmerkungen hierzu bei § 2 4 .
159
Vgl. nur die zu § 2 2 Rdn. 1 4 2 ff aufgeführten Entscheidungen, die sich mit der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch in diesem Bereich befassen.
161
Bei erfolgsqualifizierten Regelbeispielen (z.B. § 2 1 8 Abs. 2 Nr. 2; vor Inkrafttreten des 6. Strafrechtsreformgesetzes z.B. auch S 3 1 0 b Abs. 3, § 3 3 0 Satz 2 Nr. 1, 2) sind
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Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 2 2 ff
Vor § 22
wenn durch seine Begehung ein bestimmter (qualifizierter) Erfolg - zumeist eine schwere Gesundheitsschädigung oder der Tod - ein- bzw. (zum Erfolg des Grunddelikts) hinzutritt (dazu Jescheck/Weigend § 26 II l a ; Küper NJW 1976 543, 546). Soweit es sich (wie z.B. in §§ 309, 314 in der vor dem 6. StrRG v. 26. Januar 1998 geltenden Fassung) um reine Fahrlässigkeitskombinationen handelt, kommt ein Versuch nicht in Betracht (s. Rdn. 14 f; § 22 Rdn. 29). Soweit diese Delikte dagegen auf einem vorsätzlich verwirklichten Grundtatbestand aufbauen, sind sie entgegen Gössel (FS Lange S. 229 ff) nicht versuchsunzugängliche Fahrlässigkeitstaten, die nur „durch eine vorsätzliche Sorgfaltswidrigkeit gekennzeichnet sind" (so Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 43 Rdn. 117), sondern nach ihrer durch § 11 Abs. 2 verbindlich vorgenommenen Einstufung als Vorsatztaten grundsätzlich dem Versuch zugänglich (Kühl FS Gössel S. 194, 200 f). 1 6 2 Dabei wird von Rechtsprechung (BGH NStZ 2001 371; 534 mit Bespr. Baier JA 2001 751 zu § 251) und h. L. zwischen der Figur des erfolgsqualifizierten Versuchs und der der versuchten Erfolgsqualifizierung unterschieden (s. Kühl § 17a Rdn. 32). 1 6 3 b) Erfolgsqualifizierter Versuch. Von einem erfolgsqualifizierten Versuch ist dann zu sprechen, wenn das Grunddelikt nur bis in das Versuchsstadium gelangt, die Versuchshandlung aber bereits die schwere Folge auslöst (Geilen Jura 1979 614; Rath JuS 1999 141). Hier ist danach zu unterscheiden, ob die Folge fahrlässig (§ 18) bzw. leichtfertig oder ob sie vorsätzlich herbeigeführt worden ist (Schroeder LK 1 1 § 18 Rdn. 37). Die Auffassung, dass in beiden Fällen mangels Vollendung des Grunddelikts das erfolgsqualifizierte Delikt grundsätzlich ausscheide, weil der Strafrahmen ohne den Eintritt des Grunddeliktserfolgs stets überhöht und die ratio der Strafverschärfung nicht erfüllt sei (RGSt 40 321, 325; Nachw. hierzu bei Hillenkamp AT 16. Problem), ist heute zu Recht aufgegeben, weil sie dem differenzierten Bild der erfolgsqualifizierten Delikte nicht gerecht wird (Roxin AT II § 29 Rdn. 327). Auch der Einwand, jedenfalls bei nur fahrlässig herbeigeführter Folge sei mangels „Vorstellung" von der Tat ein erfolgsqualifizierter Versuch nicht möglich und der Eintritt der Folge daher nur Grund, den folgenschweren Versuch nach dem Strafrahmen des erfolgsqualifizierten Delikts zu behandeln (Hardtung Versuch S. 198 ff, 222, 263), ist nicht stichhaltig. 164 Der Begriff der „Vorstellung" in § 22 ist mit dem Vorsatz nicht gleichzusetzen (s. § 22 Rdn. 90). Aus § 11 Abs. 2 ergibt sich demgegenüber, dass die in Frage stehenden Delikte Vorsatztaten sind, deren Versuch daher auch grundsätzlich möglich ist. Auch leuchtet es nicht ein, für den Versuch Vorsatz auch bezüglich der Folge zu verlangen, wenn für die Vollendung Fahrlässigkeit ausreicht (Kühl § 17a Rdn. 43, ders. FS Gössel S. 201 f; Roxin AT II § 29 Rdn. 338).
108
Ist die Folge fahrlässig verursacht worden, genügt für eine Strafbarkeit des Versuchs des erfolgsqualifizierten Delikts allerdings nicht, dass es sich bei ihm um ein Verbrechen
109
162
163
die für den Versuch bei Regelbeispielen einschlägigen Voraussetzungen zu beachten, vgl. Rdn. 141 ff. Vgl. gegen diesen „Fahrlässigkeitseinwand" auch Kostusch S. 13 ff; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 327; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben § 18 Rdn. 8. Vgl. Sowada Jura 1995 6 4 6 ff; Tröndle/ Fischer § 2 2 Rdn. 37 f; Wessels/Beulke Rdn. 617. Nicht hierher gehört der sog. qualifizierte Versuch, von dem die Rede ist,
164
wenn - wie z.B. bei einem durch eine Körperverletzung schon versuchten Mord - im Versuch eine vollendete (und daher nicht mehr rücktrittsfähige) Tat enthalten ist, vgl. Sch/Schröder/ Eser § 2 4 Rdn. 109. Auch mit Hardtungs „Strafschärfungslösung" bleibt ein Rückgriff auf den Strafrahmen des § 2 2 7 möglich, s. Hardtung MK § 18 Rdn. 74 ff; ders. NStZ 2 0 0 3 2 6 2 ; wie hier auch Kostusch S. 16 ff, 71 ff; Kühl Jura 2 0 0 3 21.
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Vor § 22
2 . Abschnitt. Die Tat
handelt. 1 6 5 Vielmehr muss hier stets der Versuch des Grunddelikts selbst strafbar sein (für § 2 2 1 offen gelassen in B G H StV 1 9 8 6 2 0 1 mit Anm. Ulsenheimer). 1 6 6 Anderenfalls würde dem nach der Regelung des § 18 die Strafe lediglich schärfenden Erfolg eine strafbegründende Wirkung zukommen. Zudem würde unter Berufung auf nur (zusätzliches) Fahrlässigkeitsunrecht die gesetzgeberische Grundentscheidung unterlaufen, an den Handlungsunwert des versuchten Grunddelikts keine Strafe zu knüpfen. Das Problem hat sich durch die Einführung der Versuchsstrafbarkeit in § 2 2 3 Abs. 2 , § 2 3 9 Abs. 2 und § 318 Abs. 2 zwar vermindert, bleibt aber für § 2 2 1 Abs. 2 Nr. 2 , Abs. 3 und § 2 3 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 , Abs. 5 erhalten. 110
Ist der Versuch des Grunddelikts strafbar, hängt die Strafbarkeit des Versuchs des erfolgsqualifizierten Delikts nach der heute zu Recht h . M . 1 6 7 im weiteren davon ab, ob nach der tatbestandlichen Ausgestaltung des erfolgsqualifizierten Delikts der Gesetzgeber die erhöhte Strafe an die qualifizierende Folge als Ausdruck schon der Gefährlichkeit der Tathandlung, oder aber erst und nur als Beleg einer spezifischen Gefährlichkeit des Erfolgs des Grunddelikts anknüpft. Ist letzteres der Fall, ist ein Versuch ohne Eintritt des Grunddeliktserfolgs nicht denkbar. Gegen diese Differenzierung wird zwar vereinzelt eing e w a n d t 1 6 8 , sie sei kaum möglich oder doch jedenfalls ungeeignet, die angedeutete Folgerung zu rechtfertigen. Hiernach soll es auf die Vollendung des Grunddelikts in keinem Fall ankommen. Dagegen spricht aber, dass die erfolgsqualifizierten Delikte die ratio ihrer Strafschärfung ersichtlich zum einen Teil aus dem Aspekt ihrer besonderen Handlungsgefährlichkeit und zum anderen aus dem der Erfolgsgefährlichkeit beziehen. Zwar lässt sich sicher bisweilen darüber streiten, welcher Gruppe das fragliche Delikt zugehört. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Unterscheidbarkeit und ihrer Aussagekraft für die Frage der Strafbarkeit des Versuchs; denn dieser muss - soll er von dem geschärften Strafrahmen erfasst werden - der je besonderen ratio der Strafschärfung entsprechen. Anderenfalls käme es zur Eröffnung eines Strafrahmens, der den Unrechtsgehalt denkbarer Taten übersteigt.
111
Hiernach ist beispielsweise bei der Vergewaltigung oder dem Raub mit Todesfolge (§§ 178, 2 5 1 ) ein Versuch so denkbar, dass es zum Beischlaf (oder einer ähnlichen sexuellen Handlung) bzw. zum Gewahrsamswechsel nicht kommt, die Gewaltanwendung
165
So aber Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 11; Kostusch S. 2 3 ff; Laubenthal J Z 1 9 8 7 1 0 6 7 ; Otto AT § 18 Rdn. 8 9 ; Rath JuS 1 9 9 9 1 4 2 ; Sowada Jura 1 9 9 5 6 5 2 f; Stree GA 1 9 6 0 2 9 4 .
166
Bussmann GA 1 9 9 9 2 3 f; Gropp $ 9 Rdn. 4 9 c ; Hardtung Versuch S. 2 6 5 , 2 8 1 ; Heinrich AT I Rdn. 6 9 9 ; Krey A T / 2 Rdn. 5 5 6 a ; Kühl $ 17a Rdn. 4 7 ; ders. JuS 1981 1 9 6 ; ders. Jura 2 0 0 3 2 1 ; Lackner/Kühl § 18 Rdn. 11; Rengier Erfolgsqualifizierte Delikte S. 2 4 5 f; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 3 2 3 ; Rudolphi SK § 18 Rdn. 7; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben § 18 Rdn. 9; Schroeder LK 1 1 § 18 Rdn. 38; Ulsenheimer GA 1 9 6 6 2 6 9 ff; Wessels/Beulke Rdn. 617.
167
Blei AT § 65 III 2; Fahl/Scheuermann-Kettner JA 1 9 9 9 1 2 7 ; Günther FS Hirsch 5 5 2 ; Jakobs 2 5 / 2 6 ; Jescheck/Weigend § 4 9 VII 2a;
1428
Joecks § 18 Rdn. 6; Kühl § 17a Rdn. 4 8 ; ders. JuS 1981 1 9 6 ; Küpper Zusammenhang S. 119 ff; Lackner/Kühl § 18 Rdn. 9; Laubenthal J Z 1 9 8 7 1 0 6 7 ; Rath JuS 1 9 9 9 1 4 2 ; Rengier Erfolgsqualifizierte Delikte S. 2 3 4 ff; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 3 2 8 ; Rudolphi SK § 18 Rdn. 7 ; Sch/Schröder/ Cramer/Sternberg-Lieben § 18 Rdn. 9; Sowada Jura 1 9 9 4 6 4 7 ; Stratenwerth/ Kuhlen § 15 Rdn. 6 0 ; Tröndle/Fischer S 18
Rdn. 4; Wessels/Beulke Rdn. 617; ähnlich differenzierend auch Paeffgen N K § 18 Rdn. 1 2 0 ff und Ulsenheimer GA 1 9 6 6 2 5 7 ff. 168
Heinrich AT I Rdn. 6 9 7 ; Otto AT § 18 Rdn. 83 ff; Schröder J Z 1 9 6 7 3 6 8 ; Stree GA 1 9 6 0 2 9 2 f; nahestehend Wolter JuS 1981 1 7 3 , 1 7 8 ; ders. GA 1 9 8 4 4 4 5 .
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 2 2 ff
Vor § 22
aber leichtfertig den Tod herbeiführt. Dabei ist auch beim Versuch auf den für erfolgsqualifizierte Delikte stets zu verlangenden tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang zu achten (BGH NJW 1998 3361 zu S 251; BGHSt 48 34 zu § 227). Während sich für die die Verwirklichung der Handlungsgefahr stets ausreichen lassende Mindermeinung (s. Rdn. 110) dieses Ergebnis von selbst versteht, ist nach der hier im Verein mit der h.M. verfochtenen differenzierenden Auffassung der Grund für den Verzicht auf die Vollendung des Grunddelikts darin zu sehen, dass bei Vergewaltigung und Raub die spezifische und typische Todesgefahr nicht aus der sexuellen Handlung oder dem Gewahrsamsverlust, sondern aus den zu diesen Zwecken angewandten Nötigungsmitteln erwächst. 169 Dabei ist entgegen einigen Stimmen in der Literatur 1 7 0 nicht zu verlangen, dass der „Teilerfolg" der Verwirklichung des Nötigungsmittels bereits eingetreten und sich die Folge aus diesem Zwischenerfolg entwickelt hat; denn in diesen Delikten ergibt sich die Handlungsgefährlichkeit, an die die Strafschärfung knüpft, auch schon aus der gegebenenfalls nur versuchten Gewaltanwendung. Der Wortlaut beider Vorschriften, nach dem der Tod „durch den Raub" bzw. durch die „Vergewaltigung" verursacht worden sein muss, steht schließlich der dargelegten Schlussfolgerung nicht entgegen, da man die Versuchsregelung der §§ 22, 23 als Ergänzung des Tatbestands in den Begriff „Raub" bzw. „Vergewaltigung" mit hineinlesen muss (RGSt 62 422, 423; Küper J Z 1997 230). Bei Freiheitsberaubung, erpresserischem Menschenraub und Geiselnahme (§§ 239, 239a, 239b) spricht vieles dafür, die schon beim Versuch des Einsperrens, des Sich-Bemächtigens oder Entführens durch den hierbei angewendeten Zwang eingetretene Folge ausreichen zu lassen (Roxin AT II § 29 Rdn. 335). Die Lösung für §§ 226, 227 ist auch unter den Anhängern der differenzierenden Lehre deshalb umstritten, weil man unterschiedlicher Meinung darüber sein kann, ob diese Tatbestände ausschließlich an eine Erfolgsgefährlichkeit anknüpfen, oder ob sie auch die Handlungsgefährlichkeit der zugrunde liegenden Körperverletzung erfassen wollen. Während der BGH (St. 14 112; 31 96; 48 34, 37) sich für die letztere Auffassung entschieden hat, spricht mehr dafür, mit der wohl überwiegenden Ansicht (RGSt 44 137, 139) 1 7 1 die „Körperverletzung" hier wie in § 229 als vollendete Tat zu verstehen, weil nicht schon jede (versuchte) Körperverletzungshandlung, sondern erst deren Erfolg als typischer Gefahrenherd für letale Folgen das gesetzgeberische Motiv für die Strafschärfung ausfüllt (Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben Rdn. 4 m.w.N.). Bedenken aus der fehlenden Versuchsstrafbarkeit der einfachen Körperverletzung haben sich mit der Neufassung durch das 6. StrRG allerdings erledigt.
112
Ähnlich umstritten war die Lösung für § 307 Abs. 1 Nr. 1 a.F. (Vogler LK 1 0 Rdn. 81). Auch hier sollte nach BGHSt 7 37, 39 genügen, dass der verwendete Zündstoff den Tod eines Menschen verursacht, nicht allerdings, dass eine tödliche Explosion den Tod bewirkt, die Brandstiftung aber fehlschlägt (BGHSt 2 0 230). Während der Wortlaut des § 307 a.F. („durch den Brand") entgegen der Auffassung des BGH eher für die Notwendigkeit der Erfolgsbezogenheit der Todesfolge sprach, lässt sich die auf die Handlungs-
113
169
S. RGSt 6 9 3 3 2 ; B G H bei Dallinger M D R 1971 3 6 3 zu § 178 a.F.; RGSt 6 2 4 2 2 ; RG H R R 1 9 4 1 5 2 1 ; B G H StV 1 9 9 6 5 4 6 zu § 2 5 1 ; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 3 3 2 ff.
Zusammenhang S. 1 1 9 ff; Kühl § 17a Rdn. 5 0 ; Lackner/Kühl § 2 2 7 Rdn. 2 ; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 3 2 9 ; Sch/Schröder/Cramer/
170
Altenhaiti GA 1 9 9 6 3 0 , 3 5 ; Hirsch GA 1 9 7 2 75 f; Oehler Z S t W 6 9 ( 1 9 5 7 ) 5 2 0 f. Ebenso z.B. Hardtung N S t Z 2 0 0 3 2 6 3 ; Jescheck/Weigend § 4 9 VII 2 a ; Küpper
BGHSt 4 8 , 3 4 insoweit auch Kühl J Z 2 0 0 3 6 3 8 f; Laue JuS 2 0 0 3 7 4 6 ; vgl. zum Streit Sowada Jura 2 0 0 3 5 5 2 f; aA Wessels/Beulke Rdn. 617.
171
Sternberg-Lieben § 18 Rdn. 9; krit. zu
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1429
Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
gefährlichkeit abstellende Lösung mit der Neufassung des § 306c deshalb (besser) vereinbaren, weil dort jetzt von „Brandstiftung" die Rede ist. Hierfür streitet in der Sache, dass schon das Hantieren mit Zündstoff und daher bereits die (versuchte) Brandstiftungshandlung ein oft tödliches Risiko birgt. 172 114
In der zweiten Variante des erfolgsqualifizierten Versuchs handelt der Täter auch bezüglich der (eingetretenen) Folge vorsätzlich. So liegt es z.B., wenn der Täter bei dem fehlgeschlagenen Versuch, das Opfer einzusperren, dessen schon hierdurch eingetretene Gesundheitsschädigung in Kauf genommen hat oder der Täter bei einem gezielten Schlag mit einem Gewehrkolben auf den Kopf des Opfers damit rechnet, es könnte in Siechtum verfallen, diese Folge aber eintritt, weil sich bereits beim Ausholen ein das Opfer treffender Schuss löst. Liegt der die eingetretene Folge bewirkende Kausalverlauf in solchen Fällen zumindest im Rahmen des nach der Lebenserfahrung Vorhersehbaren und verdient die Tat keine andere Bewertung gegenüber dem vorgestellten Verlauf, ist auch hier ein Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts unter der Voraussetzung zu bejahen, dass es sich um Tatbestände handelt, deren Strafschärfung an die Handlungsgefährlichkeit knüpft (für § 239 bejahend Roxin AT I § 10 Rdn. 118). Insoweit gilt nichts anderes als in der fahrlässigen Variante. Abweichend von dieser wird man aber auf eine Strafbarkeit des Versuchs des Grunddelikts (s. dazu Rdn. 110) hier angesichts des Verbrechenscharakters der erfolgsqualifizierten Tat verzichten können, weil das zum für sich genommen straflosen, aber vorsätzlichen Handlungsunrecht des Grunddelikts hinzutretende vorsätzliche Handlungs- und Erfolgsunrecht dazu berechtigt, auf diese Form des Versuchs die auch sonst für das Vorsatzdelikt geltende Regel des § 23 Abs. 1 anzuwenden. 1 7 3
115
c) Versuchte Erfolgsqualifizierung. Von einer versuchten Erfolgsqualifizierung ist dann zu sprechen, wenn der Täter das Grunddelikt versucht 1 7 4 oder vollendet und dabei die schwere Folge ins Auge fasst, diese aber ausbleibt. 175 So liegt es z.B., wenn der Täter bei einer schweren Brandstiftung nach § 306a den dann aufgrund glücklicher Umstände ausbleibenden Tod der Bewohner billigend in Kauf genommen hat (= §§ 306c, 22, s. BGH JR 2005 127 mit Anm. Wolff). Da § 18 mit seiner Formulierung „wenigstens Fahrlässigkeit" Vorsatz nicht ausschließt und das seit dem 6. StrRG die meisten der durch den Todeserfolg qualifizierten Delikte durch die Aufnahme des Wortes „wenigstens" vor „leichtfertig" nunmehr eindeutig auch nicht mehr tun, 1 7 6 steht einem Versuch in der dargestellten Form nichts im Wege (Kostusch S. 219 f; Kühl Jura 2003 19), so-
172
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174
175
Ebenso z.B. Radtke Brandstiftungsdelikte S. 315 ff; Rengier JuS 1998 398 400; aA Bussmann GA 1999 33; Roxin AT II § 29 Rdn. 331; Stein Brandstiftung Rdn. 81 ff. Ebenso Hirsch GA 1972 75; Koffka Niederschriften 2 S. 238; Schroeder L K n § 18 Rdn. 39; Ulsenheimer FS Bockelmann S. 418 unter Aufgabe von GA 1966 275; auch hier verlangen die Versuchsstrafbarkeit des Grunddelikts dagegen Paeffgen NK § 18 Rdn. 113; Sch/Schröder/Cramer/SternbergLieben § 18 Rdn. 9; offen Kühl § 17a Rdn. 47. Dazu, dass ein Versuch ausreicht, s. Roxin AT II § 29 Rdn. 320. Die diese Figur ablehnende Auffassung von Schröder StGB 17. Aufl. § 56 Rdn. 9; ders.
1430
176
J Z 1967 368 und Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 236 hat sich nicht durchgesetzt und ist bei Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 18 Rdn. 11 aufgegeben; wie hier Jescheck/Weigend % 49 VII 2b; Kühl § 17a Rdn. 33; Paeffgen NK § 18 Rdn. 110, 126; Rudolphi SK § 18 Rdn. 8; Rengier Erfolgsqualifizierte Delikte S. 2 4 7 f. So z.B. die §§ 176b, 178, 179 IV, 239a III, 239b II, 251, 306c, 307 III, 308 III, 309 IV, 313 II, 314 II, 316a III; zum überkommenen Streit um die Konkurrenz- oder Exklusivitätslehre bei Delikten, die Leichtfertigkeit verlangen, vgl. BGHSt 39 100; Paeffgen NK § 18 Rdn. 84 ff; Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 18 Rdn. 3.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 2 2 ff
Vor § 2 2
weit es sich beim erfolgsqualifizierten Delikt um ein Verbrechen handelt. Auch hier (s. Rdn. 114) ist unerheblich, ob der Grunddeliktsversuch unter Strafe steht, da zum Unrecht des (versuchten, s. BGH NJW 2001 1075, 1076) Grunddelikts das auf den Eintritt der Folge gerichtete vorsätzliche Handlungsunrecht hinzutritt. 177 Freilich ist zu beachten, dass es erfolgsqualifizierte Delikte gibt, die sich bei einer in Kauf genommenen oder absichtlich erstrebten Folge (zugleich) in ein anderes Tatbild verwandeln (Rath JuS 1999 141). So liegt es z.B. in § 227, bei dem der Vorsatz bezüglich der Todesfolge eine Bestrafung nach §§ 212, 22 auslöst oder bei § 226 Abs. 1, bei dem die mit Sicherheit vorhergesehene oder absichtlich erstrebte, aber ausgebliebene Folge den Versuch der Qualifikation des § 226 Abs. 2 nach sich zieht. Hier spricht zwar manches dafür, den Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts schon nach § 226 Abs. 1 oder § 227 tatbestandlich zu verneinen (s. für § 2 2 7 z.B. Horn/Wolters SK § 227 Rdn. 18; Roxin AT II § 29 Rdn. 319; Rudolphi SK § 18 Rdn. 9). Die aus solcher Alternativität folgenden Konsequenzen lassen es aber angeraten erscheinen, dieser nicht zwingenden Annahme eine Konkurrenzlösung vorzuziehen (Kühl § 17a Rdn. 34; Paeffgen NK § 18 Rdn. 87 ff). Der Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts wird dann durch den Versuch dieser vorgehenden Tat nur verdrängt.
116
Nach diesen Grundsätzen macht sich z.B. einer versuchten verbrecherischen Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 3 Nr. 1 schuldig, wer, um sich eines lästigen Verwandten zu entledigen, diesen bewusst widerrechtlich in eine geschlossene Anstalt verbringt, die den Verwandten erwartungswidrig aber als geistig gesund nach wenigen Stunden wieder entlässt (RGSt 16 179; BGH 10 306, 309; BGH GA 1958 304). 1 7 8 Ebenso ist der Täter wegen einer versuchten schweren Körperverletzung gemäß § 224 a.F. strafbar, der bei einem Schuss auf den Unterleib die dann ausbleibende Folge in Kauf nimmt, dass das Opfer die Fortpflanzungsfähigkeit verliert (BGHSt 21 194 mit abl. Anm. Schröder J Z 1967 368). Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Opfer getroffen wird oder der Schuss vorbeigeht, auch das Grunddelikt also im Versuch steckenbleibt (Kühl § 17a Rdn. 37; BGH NJW 2001 1075, 1076). Rechnet der Täter bei der zum Zwecke des Raubes eingesetzten Gewalt mit dem Tod seines Opfers, kommt dieses aber mit dem Leben davon, tritt der versuchte Raub mit Todesfolge neben den Mordversuch ( Wessels/Hillenkamp Rdn. 357 f). Auch §§ 306c, 22, 23 Abs. 1 stehen mit einem Mordversuch in Tateinheit, wenn der Brandstifter mit dem durch glücklichen Zufall ausbleibenden Tod der Bewohner des in Brand gesetzten Hauses rechnet.
117
Zum Rücktritt vom Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts s. BGHSt 42 158 sowie Lilie/Albrecht LK § 24 Rdn. 313 ff.
118
4. Vorbereitungshandlungen und Unternehmensdelikte a) Vorbereitungshandlungen. Aus den schon dargelegten Gründen (Rdn. 6) hat der 119 Gesetzgeber Vorbereitungshandlungen nur ausnahmsweise unter Strafe gestellt. Ist das aber der Fall, handelt es sich bei der Verwirklichung eines solchen Tatbestandes um formell vollendete Delikte (Sch/Schröder/Eser Rdn. 14). Damit stellt sich auch bei ihnen die
177
Wie hier Kostusch S. 2 2 1 ; Krey A T / 2 Rdn. 5 5 6 ; Kühl § 17a Rdn. 3 7 ; aA Heinrich AT I Rdn. 6 9 1 ; Wessels/Beulke Rdn. 617.
178
Es ist allerdings mit der Neufassung des § 2 3 9 Abs. 3 Nr. 1 durch das 6. StrRG streitig geworden, ob es sich nach wie vor um
ein erfolgsqualifiziertes Delikt (und nicht um eine Qualifikation) handelt, s. für letzteres Sch/Schröder/Eser § 2 3 9 Rdn. 12; für ersteres Lackner/Kühl § 2 3 9 Rdn. 9 jeweils m.w.N.; weiteres Beispiel bei Kühl Jura 2003 20.
Thomas Hillenkamp
1431
Vor § 22
2. Abschnitt. Die Tat
Frage, inwieweit ein Versuch denkbar und strafbar ist. Für die Antwort kommt es entsprechend der oben (Rdn. 7, 8) vorgenommenen Differenzierung darauf an, ob die Vorbereitung durch einen Sondertatbestand, der bestimmte Vorbereitungshandlungen verselbständigend beschreibt (Rdn. 8), oder durch eine unselbständige Ausdehnung eines Haupttatbestandes unter Strafe gestellt ist. 120
Ist die Vorbereitungshandlung in einem Sondertatbestand, der eine typischerweise bereits gefährliche Vorbereitungshandlung beschreibt, mit Strafe bedroht, ist ein Versuch trotz der materiell in das Feld der Vorbereitung vorverlegten Vollendung möglich (Roxin AT II § 29 Rdn. 343 f; Sch/Schröder/Eser Rdn. 28; Neuhaus Deliktsvorbereitung S. 229f). So kann darin, dass sich der Täter an eine Auskunftsperson heranmacht, um sich ein Staatsgeheimnis zu verschaffen, ein Versuch nach § 96 liegen. 179 Der Versuch des Versicherungsmissbrauchs ist auch dann nach § 265 Abs. 2 strafbar, wenn er (nur) der Vorbereitung eines Betruges dient, aber z.B. daran scheitert, dass der Täter die zerstörte Sache irrtümlich für versichert hielt 1 8 0 oder ihm die Zerstörung der Sache nicht gelingt. Ein Versuch nach § 310 liegt vor, wenn der Täter zur Herstellung einer technischen Apparatur zur Tatausführung unmittelbar ansetzt. 181 Angesichts der diese Deliktsgruppe prägenden Verselbständigung des tatbestandlichen Unrechts gegenüber der Tat, in deren Vorzone die Handlung der Sache nach liegt, ist die Versuchsstrafbarkeit hinzunehmen. Dass sie kriminalpolitisch in all diesen Fällen Sinn macht, ist allerdings zu bezweifeln. 182
121
Dient der Vorbereitungstatbestand dagegen dazu, über eine unselbständige Ausdehnung des Straftatbestandes dessen deliktisches Vorfeld mit abzudecken, stellt er bereits die Vorbereitungshandlung unter Strafe. In solchen Fällen ist nach BGHSt 6 85, 87 der „Versuch nicht denkbar", weil er „seinem Wesen nach nichts anderes als eine weitere Vorbereitung der Haupttat" wäre. Auch das Reichsgericht hielt dafür, es könne den „strafbaren Versuch ... einer nur vorbereitenden Handlung rechtsgrundsätzlich" nicht geben. Es liege zudem nicht in der Absicht des Gesetzgebers, der „wie im Falle des § 83 StGB eine bloße Vorbereitungshandlung unter besondere Strafe" stelle, „darüber hinaus noch den Versuch der Vorbereitung für strafbar zu erklären" (RGSt 58 392, 394). Ob diese Überlegungen alleine tragen, erscheint zweifelhaft, da es an der begrifflichen Denkbarkeit schwerlich fehlt 1 8 3 und es für die fehlende Absicht des Gesetzgebers keinen Beleg gibt. Entscheidend dürfte daher sein, dass bei einer noch weiteren Vorverlagerung „nichts mehr an strafwürdiger Willensverwirklichung" zu finden (Schmidhäuser AT 15/11) und auch kein Strafbedürfnis anzuerkennen ist. 184 Soweit Versuch z.B. zu § 83 „dogmatisch ... als untaugliche Vorbereitung" für „denkbar" gehalten wird, wird deren Erfassung folgerichtig als „rechtsstaatswidrig" bezeichnet (Lackner/Kühl § 83 Rdn. 3). 185
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BGHSt 6 385; Jescheck/Weigend % 49 VI; Sch/Schröder/Eser Rdn. 28; aA Arndt ZStW 66 (1954) 75. S. zu § 265 a.F. RGSt 68 430, 436; Vincke S. 46; Gössel JA 1975 385, 387; Maurach/ Gössel/Zipf AT/2 § 3 9 Rdn. 27. Herzog NK § 310 Rdn. 13; Lackner/Kühl § 310 Rdn. 4; Sch/Schröder/Cramer/Heine § 310 Rdn. 9; zweifelnd Tröndle/Fischer § 310 Rdn. 9. Sch/Schröder/Eser Rdn. 28 und Vogler LK 10 Rdn. 89 halten die Versuchsstrafbarkeit für „kriminalpolitisch vertretbar"; für § 265 ist
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das z.B. aber zu bezweifeln, s. Wessels/Hillenkamp Rdn. 657. AA Arndt ZStW 66 (1954) 72; Henrike ZStW 66 (1954) 401. Jakobs 25/9; Jescheck/Weigend § 49 VI 3; Vogler LK 10 Rdn. 90 f; i.E. auch Roxin AT II § 29 Rdn. 342; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 39 Rdn. 27; zum schweizerischen Recht s. Jenny BK StGB I vor Art. 21 Rdn. 10. Tröndle/Fischer § 83 Rdn. 3 mit § 80 Rdn. 12 erkennt die Figur des untauglichen Versuchs ebenfalls an, dürfte ihn aber wohl
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 22
Liegt der Versuch eines Sondertatbestandes ( R d n . 1 2 0 ) vor, ist die M ö g l i c h k e i t eines Rücktritts eröffnet. Ist die tatbestandlich beschriebene Vorbereitungshandlung in den hier beschriebenen beiden Deliktsgruppen dagegen v o r g e n o m m e n , ist die jeweilige T a t formell vollendet. D a m i t scheidet eine Anwendung des § 2 4 aus ( B G H S t 15 1 9 8 , 1 9 9 ) . Ist die M ö g l i c h k e i t einer tätigen Reue für das fragliche Delikt nicht vorgesehen, ist eine a n a loge Heranziehung einschlägiger Regelungen anderer Tatbestände in aller Regel ausgeschlossen, da es schon an einer dem Gesetzgeber unbewusst gebliebenen Regelungslücke fehlt.186
122
b) Unternehmensdelikte. Bei dieser Gruppe von Delikten sind die echten von den unechten Unternehmensdelikten zu unterscheiden.
123
Von echten Unternehmensdelikten ist dort zu sprechen, w o das Gesetz Versuch und Vollendung (wie z.B. in §§ 81, 8 2 , 1 8 4 Abs. 1 Nr. 4 , 8, 9 Abs. 3 Nr. 3, 3 0 7 Abs. 1, 3 0 9 Abs. 1, 2 , 3 1 6 c Abs. 1 Nr. 2 , 3 5 7 ) dadurch gleichstellt, dass es für ausreichend erklärt, dass der T ä t e r es unternimmt, das im jeweiligen T a t b e s t a n d Beschriebene zu erreichen. Das „ U n t e r n e h m e n " einer Tat bedeutet hierbei Versuch und Vollendung (§ 11 Abs. 1 Nr. 6). U n m i t t e l b a r e Folge dieser gesetzlichen Entscheidung ist einerseits der Ausschluss der für den Versuch vorgesehenen fakultativen Strafmilderung nach § 2 3 Abs. 2 und der Berücksichtigung von Unverstand (Jakobs 2 5 / 5 ; Rudolphi S K § 11 R d n . 4 2 ) , andererseits die Unmöglichkeit, nach § 2 4 zurückzutreten (Jescheck/Weigend § 4 9 VIII 2 ; Tröndle/ Fischer § 11 R d n . 2 8 a ) . Diese bislang h.A. ( B a u m a n n / W e b e r / M i t s c h § 2 6 R d n . 7; Frister R d n . 2 3 / 1 0 ) gerät zwar für alle drei Vorschriften neuerdings in die K r i t i k 1 8 7 , ist aber als nach der geltenden Rechtslage unabweisbare K o n s e q u e n z hinzunehmen und nur de lege ferenda zu überdenken. T ä t i g e Reue ist nur dort möglich, w o sie vorgesehen ist, eine Analogie a u c h (Rdn. 1 2 2 ) hier mangels einer unbewussten Regelungslücke nicht m ö g l i c h . 1 8 8 D e r über § 11 Abs. 2 in die U n t e r n e h m e n s t a t b e s t ä n d e hineinzulesende Versuch umfasst alle F o r m e n des Versuchs, die § 2 2 kennt. Für eine engere oder hiervon abweichende Sicht ( B u r k h a r d t J Z 1 9 7 1 3 5 2 ) besteht folglich kein R a u m . Auch der untaugliche Versuch genügt daher für ein Unternehmen im Sinne dieser Tatbestände ( R G S t 3 9 3 2 1 ; 56 2 2 5 ; 72, 80).
124
Für die Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch gilt bei U n t e r n e h m e n s delikten nichts anderes als sonst ( G r i b b o h m L K 1 1 § 11 R d n . 8 9 ; Sch/Schröder/Eser § 11 R d n . 4 8 ) . Die (versuchsnahe) Vorbereitung ist auch nicht etwa dort, w o es sich um ein Verbrechen handelt, als Versuch des Unternehmensdelikts s t r a f b a r ( B G H S t 5 2 8 1 ; 15 1 9 8 ) . D a s folgt daraus, dass sich mit einem nachvollziehbaren Sinn schon schwerlich von einem Versuch des Versuchs sprechen lässt {Jakobs 2 5 / 6 ) . V o r allem liegt es aber nicht in der Absicht des Gesetzgebers, über die Figur des Unternehmensdelikts den Bereich straf-
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mangels des verlangten „gewissen Gefährlichkeitsgrades" der Tat dann ausschließen. Für weitgehende Analogie dagegen z.B. Jescheck/Weigend § 51 V 2; Sch/Schröder/ Eser § 24 Rdn. 116 m.w.N.; für § 265 z.B. ablehnend Wessels/Hillenkamp Rdn. 656. Für Anwendung des § 23 Abs. 2 Herzberg MK § 24 Rdn. 214; G. Wolters FS Rudolphi S. 374 ff (anders noch ders. Unternehmensdelikt S. 2 6 4 ff); hiergegen Gropp § 9 Rdn. 10. Für Anwendung des S 23 Abs. 3 (in Verbindung mit einer entsprechenden
188
Anwendung des § 23 Abs. 2) G. Wolters Unternehmensdelikt S. 274 ff. Für Anwendung des § 24 G. Wolters Unternehmensdelikt S. 177 ff, 202 ff (bei Fehlen spezieller Reueregelungen); ihm folgend Gropp, § 9 Rdn. 10; Herzberg MK § 24 Rdn. 214; Radtke MK § 11 Rdn. 88. Gribbohm L K « § 11 Rdn. 91; Jakobs 25/5; Tröndle/Fischer § 11 Rdn. 28a; aA Sch/ Schröder/Eser § 11 Rdn. 51; s. auch Berz FS Stree/Wessels S. 333 f; Hillenkamp Möglichkeiten S. 81 ff.
Thomas Hillenkamp
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
barer Vorstadien (s. Rdn. 3 ff) auszudehnen. Da der Versuch des Unternehmens materiell Vorbereitung ist, bleibt es bei der grundsätzlichen (s. Rdn. 5) Straflosigkeit. 189 126
Unter den unechten Unternehmensdelikten sind Tatbestände zu verstehen, in denen der Unternehmensbegriff zwar fehlt, die aber eine - objektiv oft ambivalente (Sch/Schröder/Eser § 11 Rdn. 52) - Betätigung mit einer bestimmten Tendenz schon als vollendetes Delikt unter Strafe stellen und damit gleichfalls materielle Versuchshandlungen der Vollendungsstrafe unterwerfen. Ein tatbestandsmäßiger Erfolg fehlt in dieser Deliktsform. 190 Beispiele finden sich in §§ 111 (auffordern), 113 (angreifen), 125 (einwirken), 292 (dem Wilde nachstellen), 257 (Hilfe leisten) und der Sache nach auch in § 316a (Angriff verüben). 191
127
Auch bei dieser Gruppe von Delikten geht es darum, inwieweit Versuchsregeln auf sie übertragbar sind. Gegen den Vorschlag, die unechten Unternehmensdelikte in dieser Beziehung nicht anders zu behandeln als die echten (so Bockelmann NJW 1951 622 ff; Waider GA 1962 176 ff), spricht, dass § 11 Abs. 1 Nr. 6 auf sie keine Anwendung findet und daher die vollständige Einbeziehung dessen, was nach Versuchsgrundsätzen strafbar ist, den Strafbarkeitsbereich dieser Delikte unter Verletzung des nullum-crimen-Prinzips zu überdehnen droht (Rudolphi SK § 11 Rdn. 45; Sch/Schröder/Eser § 11 Rdn. 53). Das geschähe namentlich dann, wenn auch der Versuch am untauglichen Objekt für strafbar erklärt würde. Daher ist beispielsweise straflos, wer einer Hauskatze nachstellt, die er für eine Wildkatze hält (Jakobs 25/7; Wessels/Hillenkamp Rdn. 417; aA Arzt/Weber BT § 16 Rdn. 15) oder eine Hilfeleistung im Sinne des § 257 auf einen Gegenstand richtet, von dem er nur irrig annimmt, dass er aus einer rechtswidrigen Vortat stamme (Jescheck/Weigend § 49 VIII 2). Insoweit ist der Bereich des Strafbaren enger zu ziehen als beim Versuch.
128
Ob der Versuch mit untauglichen Mitteln in gleicher Weise ausgenommen werden sollte (so z.B. Rudolphi SK § 11 Rdn. 46), ist dagegen zweifelhaft, da diesen Delikten eigentümlich ist, dass das Ziel der Handlung ohnehin nicht erreicht werden muss. Für den Tatbestand der Begünstigung lässt die Rechtsprechung zwar zu Recht eine objektiv untaugliche Beistandsleistung nicht ausreichen (BGH J Z 1985 299; aA Arzt/Weber BT § 27 Rdn. 6), weil sonst die Straflosigkeit eines (untauglichen) Versuchs der zur Täterschaft aufgewerteten Beihilfe unterlaufen und der Begriff des Hilfeleistens anders bestimmt würde als in § 27 (Wessels/Hillenkamp Rdn. 806). Solche tatbestandsspezifischen Gründe gibt es aber beispielsweise nicht in § 292, weshalb wenig dagegen spricht, von einem „dem Wilde nachstellen" auch dann zu reden, wenn der Täter sich mit einem nur vermeintlich geladenen Gewehr auf die Pirsch begibt. Hier ist folglich einer pauschalen Lösung eine Differenzierung nach Tatbeständen vorzuziehen. Dann lässt sich beispielsweise die Ausführung eines Angriffs mit untauglichen Mitteln in § 316a aus der Vollendung deshalb ausklammern, weil hier der Versuch ohnehin mit Strafe bedroht ist (so z.B. Fischer Jura 2000 440; Ingelfinger JR 2000 232). 189
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Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 13; Burkhardt J Z 1971 357; Fincke S. 54; Günther J Z 1987 27; Jakobs 25/6; Roxin AT II § 29 Rdn. 345; Rudolphi SK § 11 Rdn. 41; schon für begriffliche Unmöglichkeit Alwart Versuchen S. 114; Tröndle LK 10 S 11 Rdn. 74. Jakobs 25/7; Rudolphi SK § 11 Rdn. 44; Schröder FS Kern S. 464 ff; Sch/Schröder/ Eser § 11 Rdn. 52; Sowada GA 1988 201 ff.
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Das im Versuch (zusätzlich) strafbar ist; zur Struktur dieses Delikts nach Beseitigung des Begriffs des Unternehmens durch das 6. StrRG vgl. Ingelfinger JR 2000 232 ff; Mitsch ZStW 111 (1999) 110; Wessels/Hillenkamp Rdn. 381 f; zu weiteren Beispielen vgl. Sch/Schröder/Eser § 11 Rdn. 52.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 2 2
Auch bei unechten Unternehmensdelikten gelten dagegen die für die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch einschlägigen Regeln. Das wird verkannt, wenn schon im Aufsuchen geeigneter Plätze innerhalb eines Wildwechsels zum Legen mitgeführter Schlingen (RGSt 7 0 2 2 6 ) eine vollendete Tat nach § 2 9 2 Abs. 1, Nr. 1 1. Alt. (dagegen O L G Frankfurt N J W 1984 812; Wessels/Hillenkamp Rdn. 417) oder im Platz nehmen im Kfz in der Absicht, den Kfz-Führer später in räuberischer Absicht anzugreifen, ein vollendeter räuberischer Angriff auf Kraftfahrer nach § 316a (so BGHSt 3 3 3 7 8 , 3 8 1 ) 1 9 2 liegen soll. Für eine analoge Anwendung von Vorschriften über tätige Reue ist dagegen, wenn das unechte Unternehmensdelikt nach den vorstehenden Grundsätzen vollendet ist, auch hier im Grundsatz kein Platz (BGHSt 14 217; Rudolphi SK § 11 Rdn. 4 7 ) . 1 9 3
129
5. Versuchte Teilnahme (krit. zum Begriff Bloy J R 1 9 9 2 4 9 4 ) . So wie die Haupttat kann auch die Teilnahme 1 9 4 im Stadium des Versuchs enden. Beim Zusammenwirken mehrerer Tatbeteiligter kann es deshalb nicht nur vorkommen, dass die dem Täter angesonnene oder vom Gehilfen unterstützte Tat im Versuchsstadium steckenbleibt (Teilnahme am Versuch), sondern auch, dass die Anstiftung oder Beihilfe selbst dieses Stadium nicht überschreitet (versuchte Teilnahme). Beide Erscheinungsformen folgen unterschiedlichen Regeln und sind daher strikt auseinander zu halten (Stratenwertb/Kuhlen § 12 Rdn. 165 f; Wessels/Beulke Rdn. 561). Ihre nähere Erörterung gehört in die Lehre von Täterschaft und Teilnahme. 1 9 5 Der Text kann sich daher auf die versuchsspezifischen Besonderheiten beschränken.
130
a) Teilnahme am Versuch liegt vor, wenn der Beteiligte - Anstifter oder Gehilfe - seinen Tatbeitrag geleistet und die Haupttat immerhin, aber auch nur das Stadium des Versuchs erreicht hat. Dass dann Anstiftung oder Beihilfe möglich sind, ergibt sich daraus, dass auch der Versuch einer Straftat eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat im Sinne der §§ 2 6 , 2 7 sein kann. Voraussetzung dafür ist, dass der Versuch der Haupttat nach §§ 2 2 , 2 3 strafbar ist ( K ü h l § 2 0 Rdn. 137). Aus der Akzessorietät der Teilnahme folgt, dass der Teilnehmer, obwohl er die Vollendung der Tat in seinen Vorsatz aufgenommen hat, auch nur wegen Beteiligung an der Versuchstat bestraft werden kann (RGSt 3 8 2 4 8 , 2 5 0 ; Vogler L K 1 0 Rdn. 97). Aus Strafgrund und Wesen der Teilnahme ergibt sich zudem, dass dem Teilnehmer nicht - wie dem agent provocateur (RGSt 15
131
315, 317; BGHSt 4 199; B G H StV 1981 5 4 9 ) oder dem die Untauglichkeit des Versuchs der Haupttat kennenden Gehilfen (RGSt 5 6 168) - der Vorsatz fehlen darf, dass sich die Haupttat vollende [Sch/Schröder/Cramer/Heine vor §§ 2 5 ff Rdn. 17). Anderenfalls liegt auch versuchte Teilnahme nicht vor ( R o x i n AT II § 2 8 Rdn. 16). Zum Rücktritt in solchen Fällen s. Stratenwerth/Kuhlen Rdn. 167 f. b) Versuchte Teilnahme ist im Regelfall gegeben, wenn es am Anknüpfungspunkt jeder Teilnehmerhaftung, an tatsächlich schon begangenem vorsätzlichen Unrecht, an 192
153
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Abi. Geppert Jura 1995 313; ders. NStZ 1986 553 f; Gribbohm LK 11 § 11 Rdn. 89; Günther JZ 1987 23 ff; Wessels/Hillenkamp Rdn. 388. Für § 316a ist eine analoge Anwendung allerdings zu erwägen, vgl. Wessels/Hillenkamp Rdn. 389. Hier im engeren Sinne als Anstiftung oder Beihilfe verstanden. Und wird daher auch überwiegend dort erörtert, s. z.B. Baumann/Weber/Mitsch
§ 32 Rdn. 39 ff; Jescheck/Weigend § 65; Köhler S. 541 ff; Kühl § 20 Rdn. 243 ff; Maurach/Gössel/Zipf § 53 Rdn. 2 ff; Otto AT § 22 Rdn. 79 ff; Stratenwerth/Kuhlen Rdn. 165 ff; Wessels/Beulke Rdn. 560 ff. Bei Gropp § 9 Rdn. 97 ff und Jakobs 27, 1 ff findet sich die Darstellung im Zusammenhang mit dem Versuch, bei Roxin AT II § 28 zwischen Täterschaft und Teilnahme und Versuch (Erläuterung dazu in § 28 Rdn. 3).
Thomas Hillenkamp
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
einer vollendeten oder doch wenigstens versuchten Haupttat noch fehlt. Dann finden die §§ 2 6 , 2 7 keine Anwendung. M a n spricht auch von erfolgloser, misslungener oder missglückter Teilnahme (s. Rdn. 133). Hiervon wird auch die Sachgestaltung erfasst, in der es zum tatbestandsmäßigen Unrecht kommt, die Teilnahmehandlung selbst aber ohne Wirkung geblieben 1 9 6 oder das Unrecht dem Teilnehmer nicht zurechenbar ist. Die versuchte Teilnahme kann mit einer Teilnahme am Versuch in Realkonkurrenz stehen (BGH N S t Z 1 9 9 9 2 5 mit Anm. Beulke) oder auch mit einer Teilnahme am Versuch zusammentreffen. So liegt es etwa dann, wenn der Täter zu einem Raub angestiftet wird und schon an der Wegnahme der Sache scheitert, bevor es zu einer Situation kommt, bei deren Eintritt sich der Täter den Einsatz eines Raubmittels vorbehalten hat. Ist aus diesem Grunde ein unmittelbares Ansetzen zum Raub noch zu verneinen (§ 2 2 Rdn. 126), tritt neben die Anstiftung zum versuchten Diebstahl (§§ 2 4 2 , 2 2 , 26) eine versuchte Anstiftung zum Raub (§§ 2 4 9 , 3 0 Abs. 1). Bisweilen kann auch zweifelhaft sein, ob eine versuchte Teilnahme oder eine Teilnahme am Versuch gegeben ist (s. Rdn. 134). 133
Dass die Teilnahme im Versuchsstadium verbleibt, kann unterschiedliche Gründe haben. 1 9 7 So schlägt der Teilnahmeversuch fehl, wenn der Anstifter den Tatentschluss nicht zu erwecken vermag (BGH NStZ 1999 2 5 mit Anm. Beulke) oder die dem Täter vom Gehilfen zugedachte Waffe bei der Post verlorengeht (fehlgeschlagener oder misslungener Teilnahmeversuch). Gelingt es, den Tatentschluss hervorzurufen oder die Waffe beim Täter abzuliefern, kann die Teilnahme gleichwohl erfolglos bleiben, weil der Täter seinen Plan wieder fallen lässt, bevor er in das Versuchsstadium eintritt (erfolgloser Teilnahmeversuch). Dem steht es gleich, wenn der Täter nach Aufgabe seines ursprünglich gefassten Plans die Tat aufgrund eines hiervon unabhängigen neuen Entschlusses oder unter Mitnahme einer anderen Waffe ausführt, die anfänglichen Beiträge also wirkungslos bleiben (unwirksamer Teilnahmeversuch). Auch kann es sich um einen bloßen Teilnahmeversuch handeln, weil der Anstifter auf einen schon fest zur Tat entschlossenen oder von vornherein nicht bestimmbaren (BGH N S t Z 1 9 9 8 3 4 7 mit Anm. Kretschmer 4 0 1 ; B G H StV 2 0 0 5 6 6 0 ) Menschen trifft oder die angelieferte Waffe funktionsuntüchtig ist (untauglicher Teilnahmeversuch).
134
Namentlich im Bereich der Anstiftung werden auch unterschiedliche Irrtumskonstellationen als (nur) versuchte Teilnahme angesehen (irrtumsbefangener Teilnahmeversuch). Das gilt nach umstrittener, aber zutreffender Ansicht einerseits dort, wo es um die Auswirkung eines error in persona des Angestifteten auf den Anstifter geht. Sieht man hierin entgegen BGHSt 3 7 214 richtigerweise eine aberratio ictus, 1 9 8 folgt daraus für den Anstifter die Strafbarkeit nicht wegen Anstiftung zum Versuch (so aber Stratenwerth FS Baumann S. 6 2 ff), sondern wegen versuchter Anstiftung (so Hillenkamp Vorsatzkonkretisierungen S. 65 f). Hiervon ist gleichfalls auszugehen, wenn der Anstiftende einen unerkannt Geisteskranken vergeblich zu einer Tat zu überreden versucht oder irrtümlich vom Vorsatz des „Angestifteten" ausgeht. In beiden Fällen weiß der Anstifter von seiner in Wahrheit bestehenden Tatherrschaft nichts, so dass mittelbare Täterschaft nicht in Betracht kommt. Vollendete Anstiftung scheitert im ersten Falle an der Nichtausführung, im zweiten an der Vorsatzlosigkeit der Haupttat. 1 9 9 Schließlich ist eine versuchte Teil196
197
Vgl. hierzu Bloy JR 1992 494; Dreher GA 1954 14; Kühl § 20 Rdn. 248; Stratenwerth/Kuhlen § 12 Rdn. 169. Dessecker
JA 2005 551; Geppert Jura 1997
546 f; Kretschmer Jura 2003 536; Kühl § 20 Rdn. 248; Roxin AT II § 28 Rdn. 9 ff; Wessels/Beulke Rdn. 563.
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Zum Streitstand s. Hillenkamp AT 2 6 . Problem. Zu beiden Konstellationen s. Bloy ZStW
117 (2005) 8 ff; Roxin LK11 § 30 Rdn. 22; im zweiten Fall spricht Roxin von „unvollkommener Anstiftung"; vgl. dort Rdn. 12 mit Fußnote 26 näher zur (teilweise von der
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 2 2 ff
Vor § 22
nähme auch so denkbar, dass der Täter bewusst weniger oder anderes tut als ihm angesonnen oder wofür ihm Hilfe gewährt worden ist, wie etwa dann, wenn er eine falsche Aussage macht (§ 153), die vom Teilnehmer vorgeschlagene Beeidigung (§ 154) aber verweigert oder von dem zunächst für gut geheißenen Vorschlag, das Opfer auszurauben, absieht, und es stattdessen ermordet. Auch hier weicht das Geschehene vom Vorgestellten ab, so dass (neben einer vollendeten Anstiftung zu § 153 bzw. § 2 2 3 ) nur eine versuchte Anstiftung zum Meineid bzw. zum Raub übrig bleibt. Da es in solchen Fällen an einer (vollständigen) Unrechtsteilnahme fehlt, sind StrafWürdigkeit und Strafbedürftigkeit solcher „Vorstufen der Beteiligung" (Letzgus) zweifelhaft (s. schon Rdn. 7 ff). 2 0 0 Der Gesetzgeber hat sich für eine differenzierende, gegenüber dem täterschaftlichen Versuch deutlich zurückhaltendere (s. zu den Gründen Maiwald FS Bockelmann S. 3 6 0 f) Lösung entschieden. Die versuchte Beihilfe ist seit dem 3. StrÄG vom 4 . 8 . 1 9 5 3 nicht mehr mit Strafe bedroht (BGHSt 14 156 f; Vogler FS Heinitz S. 3 0 2 ) und nur in Sonderfällen wie der versuchten Förderung einer Gefangenenbefreiung durch § 120 Abs. 3 oder der versuchten Absatzhilfe durch § 2 5 9 Abs. 3 zu einem selbständigen Versuchstatbestand erhoben. Bei ihr ist daher die Grenzziehung zwischen Vorbereitung und Versuch nur in diesen Fällen von praktischer Bedeutung. 2 0 1 Dagegen ist gegebenenfalls zu entscheiden, ob es sich um eine nur versuchte oder bereits vollendete Beihilfe handelt. Dabei geht es vor allem um die hier nicht näher erörterbare Frage, inwieweit sich eine Hilfeleistung strikt kausal, nur fördernd, risikosteigernd oder lediglich abstrakt gefährdend auf die Verletzung des durch die Haupttat bedrohten Rechtsguts auswirken muss (Vogler FS Heinitz S. 395 ff). 2 0 2
135
Die versuchte Anstiftung ist - von Sondervorschriften wie §§ 111 Abs. 2, 120 Abs. 2 (in der Form des versuchten Verleitens), 159 abgesehen - gem. § 3 0 Abs. 1 nur bei Verbrechen mit Strafe bedroht ( Wessels/Beulke Rdn. 5 6 1 ) . Die Bestrafung erfolgt nach den Vorschriften über den Versuch des infrage stehenden Verbrechens. Jedoch ist die Strafe nach § 4 9 Abs. 1 zu mildern. Ob der Versuch tauglich, untauglich (zum Streit über dessen Strafbarkeit s. Roxin AT II § 2 8 Rdn. 2 3 ) oder fehlgeschlagen ist (s. Rdn. 133), ist für die Strafbarkeit ohne Belang. Allerdings gilt § 2 3 Abs. 3 entsprechend (§ 3 0 Abs. 1 Satz 2). Für den Rücktritt vom Versuch der Anstiftung sieht das Gesetz eine Sonderregelung in § 31 Abs. 1 Nr. 1 vor.
136
Die Antwort auf die Frage, wann die Anstiftung schon versucht (und nicht nur vorbereitet) ist, ist namentlich in der Fallgestaltung von Interesse und umstritten, in der es dem Anstifter nicht gelingt, den Tatentschluss zu wecken (fehlgeschlagener oder misslungener Anstiftungsversuch, Rdn. 133), kann aber auch in anderen Konstellationen von Bedeutung sein. Ein Teil der Lehre verweigert hier die Anwendung der Maßstäbe des § 2 2 und will stattdessen für den Versuchsbeginn maßgeblich auf den mit dem Strafgrund der versuchten Anstiftung vermeintlich harmonierenden und ihre Gefährlichkeit ausmachenden Einflussverlust des Anstifters abheben. Die Anwendung dieses Kriteriums führt nach einigen Stimmen dazu, die Entäußerung der für die Tatbegehung unentbehrlichen Informationen zu verlangen und mit diesem Aus-der-Hand-Geben des Geschehens eine gewisse Parallelität zum beendeten Versuch herzustellen. 203 Unter dem Blickwinkel der Gefähr-
137
hier gewählten abweichenden) Terminolo200
gie; ferner Letzgus S. 24 ff. Krit. Jakobs ZStW 97 (1985) 765 f; Kühl § 20 Rdn. 243 f; Stratenwerth/Kuhlen § 12
201
Rdn. 170. Vgl. dazu Schwabe/Zitzen 196 ff.
202
Zum Streitstand Hillenkamp AT 27. Problem.
203
Vgl. z.B. Bloy JR 1992 495 ff; Graul JR 1999 251; Kühl § 20 Rdn. 249; Roxin AT II § 2 8 Rdn. 12 f.
JA 2005 193,
T h o m a s Hillenkamp
1437
Vor § 2 2
2 . Abschnitt. Die Tat
lichkeit folgerichtiger erscheint es demgegenüber, noch enger auch den Zugang der Anstiftungserklärung so zu verlangen, dass der Adressat Kenntnis nimmt oder doch nehmen k a n n . 2 0 4 Dieses Stadium wurde auch von der Rechtsprechung für die bis 1953 vom Gesetz benannte Aufforderung zum Verbrechen vorausgesetzt (RGSt 2 6 81; 3 0 142; 3 6 229; 4 7 230). 138
Seitdem sich das Gesetz auch in § 3 0 Abs. 1 (= § 4 9 a Abs. 1 a.F.) des Versuchsbegriffs bedient, hat sich die Rechtsprechung dagegen mit der Begründung, dass die „Neufassung keine Einschränkung" mehr enthalte, ohne weiteres auf die Regelung des Versuchs berufen und „jede Handlung, die die Anstiftung unmittelbar verwirklichen soll", dementsprechend für ausreichend erachtet (BGHSt 8 261, 2 6 2 ) . 2 0 5 Dem ist im Grundsatz zuzustimm e n . 2 0 6 Denn einerseits ist mit der Ablösung des Begriffs des Auffordems durch den des Versuchens ein deutlicher Bezug zur Regelung des täterschaftlichen Versuchs in § 2 2 hergestellt, der dafür spricht, den Begriff in beiden auch in der Sache nahestehenden Vorschriften in gleicher Weise zu verstehen. 2 0 7 Und andererseits bietet die Alternative, von diesem Verständnis durch einen unmittelbaren Rückgriff auf den Strafgrund der versuchten Anstiftung abzurücken, nicht nur wenig Rechtssicherheit. Vielmehr führt sie auch in die Gefahr einer unsachgemäßen Grenzziehung. So kann von einer Gefährlichkeit konspirativer geistiger Verbindung sicher erst dann die Rede sein, wenn der Erklärungsadressat den Inhalt der Botschaft versteht und ihn billigt, ein gewiss zu später Versuchsbeginn (Roxitt LK 1 1 § 3 0 Rdn. 16). Und andererseits verleitet die die Gefährlichkeit vermeintlich anzeigende Formel vom Herrschaftsverlust durch Einflusspreisgabe nicht anders als in Fällen des beendeten Versuchs (dazu krit. § 2 2 Rdn. 133 ff), des Unterlassens (dazu krit. § 2 2 Rdn. 148) oder der mittelbaren Täterschaft (dazu krit. § 2 2 Rdn. 157) dazu, ohne Rücksicht auf den im weiteren vorgestellten Tatablauf den Versuchsbeginn eo ipso und damit in vielen Fällen zu früh eintreten zu lassen. Das gilt namentlich hier, wo die Vollendung der Anstiftung nicht Folge eines „Erfolgsautomatismus", sondern der Entschließung und Mitwirkung des Angestifteten ist (dazu § 2 2 Rdn. 135 f, 139 f).
139
Wendet man daher die Ansatzformel des § 2 2 entsprechend an, ist naturgemäß der Disput über deren Verständnis auch hier eröffnet. Außer Streit sollte freilich sein, dass auch hier die Vorstellung des Anstifters vom Ablauf und von der Tauglichkeit seiner Tat die maßgebliche Beurteilungsgrundlage bildet (dazu § 2 2 Rdn. 87 ff). 2 0 8 Im weiteren kommt es nach der hier vertretenen modifizierten Zwischenaktslehre (§ 2 2 Rdn. 77, 85 ff) darauf an, ob zwischen der vorgenommenen Handlung und der eigentlichen Anstiftungshandlung keine wesentlichen Zwischenschritte mehr liegen und sich der eingetretene Zustand - wiederum auf der Grundlage der Vorstellung des Anstifters - als unmittelbare Gefahr der Tatbestandsverwirklichung beschreiben lässt. Da zur vollendeten Anstiftung erst die wenigstens versuchte Haupttat führt, stellt sich die im Bereich der Vorfeldkrimi-
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So z.B. Jakobs 2 7 / 4 ; Jescheck/Weigend
§ 65
N a c h Herzberg Z S t W 9 9 ( 1 9 8 7 ) 7 8 f soll die Harmonisierung durch Anwendung der Regeln der mittelbaren Täterschaft hergestellt werden; dagegen zu Recht Bloy J R 1 9 9 2 4 9 6 f.
II 1; Letzgus S. 41 Fußn. 8 9 ; Schmidhäuser Lb 1 5 / 1 1 1 ; Stratenwerth/Kuhlen $ 12 Rdn. 175; einschränkend auch schon Schröder JuS 1 9 6 7 2 8 9 . 205
206
S. auch BGHSt 4 4 99, 101; O L G H a m m J R 1992 521, 523. Ebenso Hoyer SK § 3 0 Rdn. 31; Lackneri Kühl § 3 0 Rdn. 4 ; Maurach/Gössel/Zipf A T / 2 § 5 3 Rdn. 15 f; Roxin AT II § 2 8 Rdn. 11 f; Sch/Schröder/Cramer/Heirte § 30 Rdn. 19; Tröndle/Fischer S 3 0 Rdn. 9a.
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Roxin AT II § 2 8 Rdn. 12; das ist zwar wie Bloy J R 1 9 9 2 4 9 4 und Graul JR 1 9 9 9 2 5 2 zuzugeben ist - nicht zwingend, aber eine ohne zwingende Gründe nicht aufzugebende Vermutung.
208
Ebenso Graul J R 1 9 9 9 2 5 2 .
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den § § 22 ff
Vor § 2 2
nalisierung erwünschte Zurückhaltung im Strafen bei Anwendung dieser Formel von selbst ein. Da vor Beginn des Versuchs der Straftat beim Angestifteten der Tatentschluss geweckt werden muss, sind diese Möglichkeit noch gar nicht eröffnende Beeinflussungsversuche noch Vorbereitung. Unter diesem Blickwinkel ist es berechtigt, wenigstens die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Anstiftungserklärung zu verlangen und den bloßen Einflussverlust daher gerade noch nicht ausreichen zu lassen (so Stratenwerth/Kuhlen § 12 Rdn. 175). Nur das harmoniert mit der zutreffenden These, dass der (unbeendete) Versuch erst anhebt, wenn das Anstiftungsgespräch begonnen ( R o x i n AT II § 2 8 Rdn. 1 3 ) 2 0 9 und - wie hinzuzufügen ist - die Chance der Herbeiführung des Tatentschlusses eröffnet hat. Auch kann ein Entscheidungsvorbehalt, der den Tatentschluss des Angestifteten noch von einer erst noch zu erbringenden Mitwirkungsleistung des Anstifters abhängig machen soll, das Betreten des Versuchsbereichs aufhalten (BGH N S t Z 1 9 9 8 3 4 7 ; B G H R StGB § 3 0 Beteiligung 1; O L G Hamm J R 1 9 9 2 521). Schließlich muss auch das in Aussicht genommene Verbrechen so bestimmt sein, dass der Angestiftete es ohne weitere notwendige Informationen begehen könnte, wenn er es wollte. 2 1 0 Könnte er das nicht, ist eine Gefahr der Verwirklichung des Anstiftungstatbestandes noch nicht unmittelbar. Hierfür gibt die Entscheidung LG Zweibrücken N S t Z - R R 2 0 0 2 136 ein Beispiel. Unter den weiteren Sachfragen der versuchten Anstiftung lässt sich nur noch die nach ihren subjektiven Voraussetzungen in einen Zusammenhang mit dem Versuch bringen. Hierzu hat BGHSt 4 4 9 9 2 1 1 zu Recht klargestellt, dass sich - wie stets beim Versuch (§ 2 2 Rdn. 31) - der subjektive Tatbestand nicht von dem der vollendeten Anstiftung unterscheidet. Zur subjektiven Tatseite gehört daher, dass der Anstifter will, „dass der Anzustiftende den Tatentschluss fasst (Bestimmungsvorsatz) und er muss darüber hinaus auch die (vollendete) Tat wollen (Tatvorsatz)", B G H N S t Z 1 9 9 8 3 4 8 . Ebenso wie für § 2 6 reicht auch für § 3 0 Abs. 1 dolus eventualis aus. Eine darüber hinausgehende „Ernstlichkeit" (BGHSt 7 2 3 4 , 2 3 8 ) wird zu Recht nicht mehr verlangt. 2 1 2 Wie sonst beim Eventualdolus muss der Täter die Möglichkeit erkannt haben, dass sich der Äußerungsadressat aufgrund der Bestimmung zur Tat entschließt, diese Möglichkeit ernst genommen und sich mit ihr abgefunden haben ( K ü h l § 2 0 Rdn. 251). Dass er selbst die Aufforderung nicht ernst nimmt, entlastet ihn bei einer solchen Vorstellung nicht. Liegt freilich nur eine bloße Geneigtheit vor, eine Anstiftung vielleicht vornehmen zu wollen, ist mangels Entschlossenheit auch ein Anstiftungsvorsatz zu verneinen (vgl. § 2 2 Rdn. 4 0 f). Die Bedeutung eines Irrtums folgt - nicht anders als beim täterschaftlichen Versuch (§ 2 2 Rdn. 33 f) - den „allgemeinen Regeln" (Roxin AT II § 2 8 Rdn. 24).
140
6. Regelbeispiele. Macht der Gesetzgeber von der Regelbeispielstechnik Gebrauch, indem er erschwerende Umstände benennt, bei deren Erfüllung in der Regel ein besonders schwerer Fall vorliegt, der den Strafrahmen für die im Bezugstatbestand umschriebene Tat verschärft, ergeben sich auch unter dem Blickwinkel des Versuchs besondere
141
209
210
Roxin AT II § 28 Rdn. 12 folgt hier im Gegensatz zu dieser Einsicht seiner auch sonst zum Versuch (§ 22) vertretenen Auffassung, dass mit dem Aus-der-Hand-Geben des Kausalverlaufs auch der Anstiftungsversuch beginne. Lackner/Kühl § 30 Rdn. 3; ebenso schon BGHSt 15 276; 18 160; ferner BGH NStZ 1998 347 mit Anm. Graul JR 1999 249 und Anm. Kretschmer NStZ 1998 401.
211
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Mit zustimmender Anm. von Bloy J Z 1999 157; Roxin NStZ 1998 616; s. auch Kühl § 20 Rdn. 251; Roxin AT II § 28 Rdn. 14 ff; Wessels/Beulke Rdn. 563. Im Anschluss an Bloy JR 1992 495 und Geppert Jura 1997 546, 550; zust. Roxin AT II § 28 Rdn. 17 f.
Thomas Hillenkamp
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
Probleme. Sie nehmen quantitativ eher zu, da sich der Gesetzgeber trotz mancher Bedenken (zusf. Calliess N J W 1998 930; Eisele Regelbeispielsmethode S. 1 f; Wessels/Hillenkamp Rdn. 194) nicht scheut, den schon länger bestehenden Regelungen (z.B. in §§ 94 Abs. 2, 98 Abs. 1 Satz 2, 100 Abs. 2, 121 Abs. 3, 243) neue hinzuzufügen (z.B. in §§ 263 Abs. 3, 266 Abs. 2, 267 Abs. 3) oder sie zu erweitern (z.B. in § 240 Abs. 4). Allerdings finden sich auch Umwandlungen ehemaliger Regelbeispiele in (Erfolgs-)Qualifikationen (z.B. in §§ 235 Abs. 4, 311 Abs. 3), die an den hier erörterten Zweifelsfragen nicht mehr teilhaben. 142
Die eine der beiden Fragen betrifft das Problem, ob für den Versuchsbeginn die Vollendung oder sogar das „Ansetzen" zur Verwirklichung eines Regelbeispiels (z.B. zum Einbrechen im Sinne des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) ausreichen oder doch wenigstens eine indizielle Bedeutung haben, auch wenn darin ein unmittelbares Ansetzen zur Handlung des Bezugstatbestandes noch nicht zu sehen ist. Diese Frage steht in engem Zusammenhang mit der vergleichbaren Problematik des Versuchsbeginns bei qualifizierten und zusammengesetzten Delikten und wird daher dort beantwortet (§ 22 Rdn. 127 f). 213 Hier sei nur bemerkt, dass es Regelbeispiele gibt, die - wie z.B. das gewerbsmäßige Handeln in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 oder eine bestimmte Eigenschaft des Tatobjekts in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 7 - keinerlei Bezug zu der hier aufgeworfenen Frage aufweisen (zust. Eisele JA 2006 313) und sich diese daher nur dort stellt, wo die Handlungen von Regelbeispiel und Bezugstatbestand in einer Wechselbeziehung stehen (Hillenkamp M D R 1977 242). Im übrigen ergibt sich das Problem nur, wenn man die (umstrittene) Möglichkeit einer Kombination von auf das Regelbeispiel oder den Bezugstatbestand bezogenen Versuchs mit der Annahme eines besonders schweren Falles anerkennt.
143
Damit ist die zweite Frage benannt, die verkürzt gesprochen dahin geht, ob es den Versuch eines besonders schweren Falles gibt. Die so gestellte Frage ist freilich eindeutig zu verneinen: Einen Versuch des Regelbeispiels gibt es begrifflich nicht, da die Regelbeispiele als Strafzumessungsvorschriften nicht - wie es § 2 2 verlangt und bei einer Qualifikation zutrifft - einen Tatbestand bilden (BGH NStZ-RR 1997 293; Vogler LK 10 Rdn. 103). 2 1 4 Dagegen gibt es den Versuch des jeweiligen Bezugstatbestandes in einem besonders schweren Fall (OLG Köln M D R 1973 779). Sähe man es anders, 215 wäre die von § 23 Abs. 2 eröffnete Möglichkeit, auch beim Versuch den Strafrahmen der vollendeten Tat auszuschöpfen, ausgerechnet für den Fall abgeschnitten, in dem schon beim Versuch ein Regelbeispiel vollständig erfüllt worden ist. Das leuchtet nicht ein. 216 Im Übrigen ist das Ausbleiben der Vollendung keineswegs notwendig ein Indiz für geringere Schuld oder kriminelle Energie, da es ebensogut auf täterunabhängigen Zufällen beruhen kann. 2 1 7
144
Der Eintritt der Regelwirkung sollte allerdings von der vollständigen Verwirklichung des Regelbeispiels abhängig gemacht und nicht schon deshalb bejaht werden, weil der
213 Wer Regelbeispiele als „Merkmale des Gesamttatbestandes" qualifizierenden Merkmalen gleichstellt, behandelt beide Problemkreise gleich, so Eisele Regelbeispielsmethode S. 163 ff, 189 f, 297 ff. 214
215
Missverständlich daher BayObLG NStZ 1997 4 4 2 ; Lackner/Kühl § 177 Rdn. 11; aA Eisele Regelbeispielsmethode S. 163 ff, 2 9 4 ff, 314. Wie - aus unterschiedlichen Gründen - Arzt
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216
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JuS 1972 517; ders. StV 1985 104; Calliess J Z 1975 118; Degener FS Stree/Wessels S. 305, 326 ff. Eisele Regelbeispielsmethode S. 311 ff, 317 f; Küper J Z 1986 518; Sternberg-Lieben Jura 1986 185; Wessels/Hillenkamp Rdn. 2 0 2 ; Z / p / J R 1981 121. Zur Strafrahmenbestimmung in solchen Fällen s. Eisele Regelbeispielsmethode S. 303 ff.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den § $ 22 ff
Vor § 2 2
(betätigte) Wille dazu vorhanden war (Wessels FS Maurach S. 2 9 5 , 3 0 6 ) . 2 1 8 Diesem allein kommt die Indizwirkung eines erfüllten Regelbeispieles nicht zu ( B G H N S t Z 2 0 0 3 6 0 2 ; Tröndle/Fischer § 4 6 Rdn. 1 0 2 zu § 1 7 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1). Deshalb gilt, dass beispielsweise beim Diebstahl (s. dazu näher Wessels/Hillenkamp Rdn. 2 0 4 ff) ein Diebstahlsversuch in einem besonders schweren Fall nur in Betracht kommt, wenn der Diebstahl versucht und das M e r k m a l eines Regelbeispiels vollständig erfüllt ist. Ist dagegen der Diebstahl versucht (oder vollendet) und auch das Regelbeispiel nicht über das „Versuchsstadium" hinausgekommen, bleibt es bei der Anwendung der §§ 2 4 2 , 2 2 , 2 3 . Der Entschluss, auch ein Regelbeispiel zu verwirklichen und die darauf zielende Betätigung lassen sich vom Strafrahmen des Bezugstatbestandes hinreichend erfassen. Die gegenteilige Auffassung des Bundesgerichtshofs ( B G H S t 3 3 , 3 7 0 ) 2 1 9 in einem Fall, in dem Diebstahl und Regelbeispiel nicht vollendet waren, kann sich auf die Tatbestandsnähe des Regelbeispiels nicht berufen. Denn einerseits spielt diese Nähe für die Straferhöhung keine Rolle, da die ihr korrespondierende Unrechts- und Schulderhöhung ersichtlich von der vollen Erfüllung des Regelbeispiels (und nicht schon von deren Beginn) abhängt. Und andererseits verstieße die angesichts der für § 2 4 3 selbst fehlenden „Versuchsregelung" nur entsprechend denkbare Anwendung des § 2 2 gegen das Analogieverbot. Schliesslich müsste nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs selbst derjenige Täter mit den Folgen des besonders schweren Falls belastet werden, der sich die Erfüllung der Voraussetzungen des Regelbeispiels nur irrtümlich einbildete (Wessels/Hillenkamp Rdn. 2 0 7 ) . All das spricht dafür, die Anwendung des erweiterten Strafrahmens den Fällen vorzubehalten, in denen das Regelbeispiel „vollendet" ist (wie hier wohl Tröndle/Fischer § 4 6 Rdn. 101 ff).
V. Fremde Rechte und Rechtsangleichung Mit dem am 1.7.1968 in Kraft getretenen „Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratisehen Republik" ( S t G B - D D R ) vom 1 2 . 1 . 1 9 6 8 hatte sich die D D R in § 21 S t G B - D D R eine Versuchsregelung gegeben, die in mehrfacher Hinsicht vom R S t G B und auch von der seit 1 9 7 5 in der B R D geltenden Regelung abwich. § 21 Abs. 1 S t G B - D D R lautete: „Vorbereitung und Versuch begründen strafrechtliche Verantwortlichkeit nur, wenn es das Gesetz ausdrücklich bestimmt". Hiernach war in Anlehnung an das russische S t G B und im Gefolge der schon zuvor eingeleiteten Entwicklung des politischen S t r a f r e c h t s 2 2 0 eine Entscheidung für eine zwar nicht generelle, immerhin aber 2 9 Tatbestände namentlich des Militär- (§§ 2 5 4 , 2 5 9 S t G B - D D R ) und des politischen Strafrechts einschließlich des ungesetzlichen Grenzübertritts (§§ 213, 2 1 6 S t G B - D D R ) betreffende Erweiterung der Strafbarkeit auf Vorbereitungshandlungen gefallen, die beispielsweise mit dem M o r d (S 112 Abs. 3 S t G B - D D R ) , dem Menschenhandel (§ 132 Abs. 3 S t G B - D D R ) oder dem Angriff auf das Verkehrswesen (§ 198 Abs. 5 S t G B - D D R ) auch Straftaten der allgemei-
218
219
So auch die frühere Rechtsprechung, vgl. BayObLG J R 1981 118; OLG Düsseldorf NJW 1983 2712; OLG Stuttgart NStZ 1981 222; ferner z.B. Blei BT § 54 III; Graul JuS 1999 855; Kadel J R 1985 386; Lieben NStZ 1984 538; v. Löbbecke MDR 1973 374; R. Schmidt Rdn. 692; Sternberg-Lieben Jura 1986 183. Dem BGH zustimmend z.B. Frister Rdn. 23/7; Eisele Regelbeispielsmethode
220
S. 301 ff; ders. JA 2006 314; Fabry NJW 1986 15; Kindhäuser FS Triffterer S. 123; Maurach/Schroeder/Maiwald BT/1 § 33 Rdn. 107. Krit. bzw. abl. dagegen Arzt StV 1985 104; Graul JuS 1999 852; Küper J Z 1986 518; Lackner/Kühl § 46 Rdn. 15; Otto Jura 1989 200; Wessels FS Lackner S. 423; Zopfs GA 1995 320 ff. OGSt. 2 9 zur Boykotthetze; Dreßler Vorbereitung S. 20 f.
Thomas Hillenkamp
1441
145
Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
nen Kriminalität betraf. 221 Sie trat neben die auch im Strafgesetzbuch der DDR (§ 227) freilich nur für ausgesuchte Delikte (nämlich die, deren Nichtanzeige nach § 225 StGBDDR strafbar sein sollte) und wenige Verhaltensformen (Dreßler Vorbereitung S. 71 f) aufrechterhaltene Strafbarkeit eines Beteiligungsversuchs. 146
Die Erwartung, dass angesichts der (partiellen) Strafbarkeitserweiterung auf die Vorbereitung und einer objektiven Versuchsdefinition in § 21 Abs. 3 („Versuch liegt vor, wenn der Täter mit der vorsätzlichen Ausführung der Straftat beginnt, ohne sie zu vollenden") der Versuchsbereich selbst enger an den Tatbestand heranrücken könnte, als vor allem nach der verpönten subjektivistischen Versuchslehre des Dritten Reichs, spiegelte sich zwar in Empfehlungen wider, dass der Versuch beginne, „wenn der Täter durch sein Tun oder Unterlassen ein im gesetzlichen Tatbestand gekennzeichnetes, die Ausführungshandlung betreffendes objektives Merkmal der Straftat verwirklicht hat oder zumindest begonnen hat, es zu verwirklichen" (Lekschas/Buchholz S. 302). Damit gelang auch wie im westlichen Strafrecht durch § 22 - eine Abkehr von einer durch eine rein subjektive Versuchslehre in der Tat begünstigte extreme Ausweitung des Versuchsbereichs. Die praktischen Ergebnisse deckten sich aber im Übrigen weitgehend mit denen der westdeutschen Judikatur. Das gilt für den Versuchsbeginn. 222 Das gilt aber auch für die Strafbarkeit des im StGB-DDR nicht ausdrücklich aufgenommenen, aber allgemein anerkannten untauglichen (Dreßler Vorbereitung S. 38 f f ) 2 2 3 und den Verzicht auf die Bestrafung des irrealen Versuchs (MdJ-Komm. StGB § 21 Bern. 1). Auch wurde trotz der objektiven, auf den Begriff der „Vorstellung" verzichtenden Definition für die Bestimmung des Beginns der Ausführungshandlung entscheidend auf das „Handlungsprogramm des Täters als Element der subjektiven Seite" abgestellt (Lekschas/Buchholz S. 302 f; Wittenbeck NJ 1967 370).
147
Für vor dem 3.10.1990 in der DDR begangene Alttaten fehlt es im geltenden Recht einerseits an der Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen bei bestimmten Tatbeständen der allgemeinen Kriminalität wie beim Mord ganz. Eine Strafbarkeit kommt dann nicht in Betracht (§ 2 Abs. 3 i.V.m. Art. 315 EGStGB). Wo das angesichts der Vertatbestandlichung von Vorbereitungshandlungen (s. Rdn. 7 ff) auch im StGB nicht gilt, kann und wird es häufig an der Unrechtskontinuität fehlen (Lackner/Kühl § 2 Rdn. 17). Für die in beiden Strafgesetzbüchern vertatbestandlichte Vorbereitung der Fälschung von Geld- und Wertzeichen (§ 149 StGB; § 175 StGB-DDR) gilt das freilich beispielsweise nicht. Zum Versuch (Beispiele bei Rummler Gewalttaten S. 470 ff) ist zu beachten, dass dessen Strafbarkeit abweichend von § 23 Abs. 2 nur dort gegeben war, wo das Gesetz es ausdrücklich bestimmte und daher nicht von der auch dem StGB-DDR bekannten, aber anders gearteten Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen (§ 1 Abs. 2, 3 StGB-DDR) abhing. Der nach dem StGB strafbare Versuch der Rechtsbeugung (§ 339 i.V.m. §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1) hatte daher beispielsweise in § 244 StGB-DDR keine Entsprechung. Eine fakultative Strafmilderung war auch im StGB-DDR vorgesehen (§§ 21 Abs. 4 Satz 3, 62 StGB-DDR), die sich weitgehend mit der nach § § 2 3 Abs. 2, 49 Abs. 1 möglichen deckte (s. im einzelnen Dreßler Vorbereitung S. 102 ff). Eine § 23 Abs. 3 entspre-
221
222
Vollzählige Auflistung der Tatbestände bei Dreßler Vorbereitung S. 150.
Vgl. Lekschas/Buchholz S. 302 f; MdJ-
Komm. StGB § 21 Bern. 1, 5 mit Nachweisen zur Rechtsprechung; vgl. z.B. OG NJ 1967 353; 1974 182; zur hier getroffenen
1442
223
Einschätzung vgl. auch Dreßler Vorbereitung S. 43, 147. Mit Verweis auf die Arbeit von Hennig Vorbereitung und Versuch im Strafrecht der DDR Berlin/Ost 1966.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 2 2 ff
Vor § 2 2
chende Vorschrift kannte das StGB-DDR nicht. 2 2 4 Für den Beteiligungsversuch des § 2 2 7 StGB-DDR ist dessen deutlich geringere Spannweite gegenüber § 30 zu beachten. Einen strafbefreienden Rücktritt machte § 21 Abs. 5 StGB-DDR von der freiwilligen und endgültigen Abstandnahme von der Vollendung der Tat bzw. von der freiwilligen Abwendung des Eintritts der Folgen abhängig. Das europäische und das außereuropäische Recht des Versuchs und seines Vorstadiums zeigen naturgemäß „ein buntes Bild" (Jescheck/Weigend § 49 I X ) . 2 2 5 Nicht anders als in beiden Teilen Deutschlands (Rdn. 145 ff) unterscheidet sich schon der Grad der Pönalisierung des Vorbereitungsstadiums erheblich (s. Brockhaus Dogmatik S. 461 ff). So verzichten z.B. Frankreich und die Türkei wie das bundesrepublikanische Recht auf eine generelle Erfassung dieses Entwicklungsstadiums des Verbrechens, während sich beispielsweise Schweden (Kap. 23 § 2) und Polen (Kap. II Art. 16) zu einer kasuistischen Aufzählung von strafbaren Vorbereitungshandlungen im Allgemeinen Teil versteht. Zum Versuch selbst finden sich zu den fünf entscheidenden Grundfragen (Rdn. 42 ff; K. Schubert Versuch S. 57 ff; vgl. auch Brockhaus Dogmatik S. 19) vor allem deshalb unterschiedliche Antworten, weil das Bekenntnis des deutschen Gesetzgebers zur subjektiven Versuchslehre nicht überall geteilt (s. Hirsch FS Roxin S. 713) oder doch mit untereinander abweichenden Konzessionen an objektive Versuchslehren verbunden wird (Brockhaus Dogmatik S. 4 6 9 ff; Cancio Überlegungen S. 175 ff; K. Schubert Versuch S. 60 ff; Tiedemann FS Lenckner S. 411, 432). 2 2 6 Namentlich die Fragen der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch und (des Umfangs) der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs hängen hiervon wie allerdings auch von der die gesetzlichen Vorgaben nicht immer umsetzenden Praxis (s. dazu zusf. K. Schubert Versuch S. 2 6 6 ff) maßgeblich ab.
148
Eine ertragreiche und verlässliche Veranschaulichung des aktuell geltenden Rechtszustandes in Europa und den außereuropäischen Rechtsordnungen kann hier nicht geleistet werden. 227 Es ist freilich an der Zeit, angesichts des beginnenden Zusammenwachsens der europäischen Staatengemeinschaft auch auf (Teil-)Gebieten des Strafrechts 2 2 8 an einer stärkeren Vereinheitlichung der Grundlagen und damit auch einer ihrer zentralen Institutionen, des Versuchs, im Sinne des schon Geleisteten (Cancio Überlegungen S. 169 ff) weiterzuarbeiten und dazu Modellvorschriften (Sieber J Z 1997 369 f f ) 2 2 9 zu entwickeln,
149
Vgl. zur Bestimmung der Versuchsstrafe Lekschas/Buchholz S. 3 0 4 f; Mrf/-Komm. StGB § 21 Bern. 7 f. 2 2 5 S. zu ihm K. Schubert Versuch S. 8 2 - 2 1 5 ; Abdruck von 15 nationalen Regelungen S. 2 9 0 ff; ferner Brockhaus Dogmatik S. 27 ff (Länderberichte zu 5 ausgewählten europäischen Staaten). 2 2 6 Vgl. z.B. zur Interpretation des neuen Art. 35 des türkischen StGB i.S. einer objektiven Gefährlichkeitsprognose Roxin/Isfen GA 2 0 0 5 2 3 9 ; zur Behandlung namentlich des untauglichen Versuchs in Polen vgl. Zoll FS Eser S. 655. 227 v g l . dazu zunächst Cancio Überlegungen S. 175 ff; Jescheck ZStW 9 9 (1987) 111 ff mit Ergänzung Tiedemann ZStW 110 (1998) 511 ff wie den kurzen Überblick bei Jescheck/Weigend § 4 9 IX; Vogler LK 1 0 224
228
229
Rdn. 105; instruktiv zu nationalen Regelungen in Europa und zu übernationalen Regelungen Brockhaus Dogmatik S. 2 7 ff, 417 ff; K. Schubert Versuch S. 60 ff, 215 ff; weiter zurückliegend Baumgarten S. 2 7 3 ff zu den deutschen Partikulargesetzen; Frank Vollendung S. 163 ff zum Stand im Jahre 1908; zur Ansatzformel vgl. auch Ambos Völkerstrafrecht S. 716 ff. Delmas-Marty Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft 1998; Hecker Europäisches Strafrecht § 1 Rdn. 4 ff; Satzger Die Europäisierung des Strafrechts 2001; Tiedemann ZStW 110 (1998) 4 9 7 ff; den. LK 1 1 § 2 6 4 Rdn. 8, 10 und Nachtrag Rdn. 1 ff; Waßmer J Z 2 0 0 1 134. Vgl. dazu Rdn. 153.
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Vor § 2 2
150
2. Abschnitt. Die Tat
denen eine vergleichende Darstellung des aktuellen Rechtszustandes nach dem Muster des Generalberichts Jeschecks zum XII. Internationalen Kongress für Rechtsvergleichung 1986 in Australien (ZStW 9 9 [1987] 111 ff) und dem Tiedemanns zur Tagung für Rechtsvergleichung 1997 in Graz (ZStW 110 [1998] 497 ff, 511 ff; s. auch Cando Überlegungen S. 175 ff) voranzugehen hätte. Diese würde Modelle mit geringem Regelungsgehalt wie das japanische zutage fördern, in dem lediglich die Versuchsstrafbarkeit auf Fälle ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung beschränkt und eine Strafmilderung für den vorgesehen wird, der die Ausführung der Straftat beginnt, aber nicht vollendet. Hier sind Grundfragen der Wissenschaft und Praxis überlassen. 230 In anderen nationalen Regelungen werden sich zur Regelungsdichte und zur Entscheidung in den Grundfragen dagegen Berührungslinien ergeben, die als Grundlage von Vereinheitlichung taugen, wie Differenzierungen, deren je erfahrene Rechtswirklichkeit (s. dazu Cando Überlegungen S. 172 ff; Perron ZStW 109 [1997] 290 ff) namentlich zur Bewältigung von Streit- und Missständen beitragen könnte. 231 So sieht z.B. die österreichische Regelung (s. dazu Brockhaus Dogmatik S. 207 ff; K. Schubert Versuch S. 141 ff, 182 ff, 209 ff, 297) in § 15 Abs. 1 öStGB die bedenkenswerte Erweiterung der Versuchsstrafbarkeit auf alle Vorsatzdelikte vor und lässt eine Milderung der Strafe nur innerhalb des normalen Strafrahmens zu (§ 34 Nr.13 öStGB). Die Versuchsdefinition verlangt für den Versuchsbeginn „eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung" und lässt damit - wie § 22 - eine rein subjektive Bestimmung bewusst (Fabrizy § 15 Rdn. 15) nicht mehr zu (Kienapfel/Höpfel Gundriss AT 1 1 Ζ 21 Rdn. 16). Trotz des Verzichts auf den Begriff der „Vorstellung" wird die Formel kaum anders verstanden als die des § 22 (Burgstaller JurBL. 1976 117 ff; Triffterer AT § 15 Rdn. 13). Mit § 15 Abs. 3 weist das Gesetz den Richter an, zwischen einem straflosen absolut untauglichen und einem strafbaren relativ tauglichen Versuch zu unterscheiden. Wie schwierig diese Unterscheidung ist, zeigt die Judikatur (Nachweise bei Fabrizy § 15 Rdn. 2 0 ff; Fuchs ÖJZ 1986 257; Kienapfel/Höpfel Grundriss AT 11 Ζ 24 Rdn. 10 ff). Auch das schweizerische Recht macht in Art. 21 Abs. 1 schwStGB für die Strafbarkeit des Versuchs keinen Unterschied zwischen Vergehen und Verbrechen und lässt fakultativ eine mildere Bestrafung nach Art. 65 schwStGB zu. Für Übertretungen ist der Versuch nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen strafbar (Art. 104 Abs. 1 schwStGB). Das schwStGB unterscheidet zwischen unvollendetem Versuch (Art. 21 schwStGB) und vollendetem Versuch (Art. 22 schwStGB) und verbindet mit deren Regelung die dazugehörige Möglichkeit des Rücktritts. Trotz einer rein objektiv auf den Beginn der Ausführung abstellenden Kennzeichnung des Versuchsbeginns in Art. 21 Abs. 1 schwStGB verlangt die Rechtsprechung im Anschluss an Germann Verbrechen S. 191 f eine „Tätigkeit, die nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen" (BGE 118 IV 396). Über die Angemessenheit dieser als „Schwellentheorie" bezeichneten Auslegung wird auch im schweizerischen Schrifttum gestritten. 232 Der untaugliche Versuch ist unter Strafe gestellt (Art. 23 Abs. 1 schwStGB).
230
Vgl. dazu Kawaguchi
ZStW 110 (1998)
561 ff; Naka Strafgrund S. 93 ff; Yamanaka
231
Beginn S. 101 ff. Weitgehend nach diesen Vorgaben verfährt die 2 0 0 5 erschienene Arbeit von K. Schubert Der Versuch - Überlegungen zur Rechtsvergleichung und Harmonisierung. Zu ihrem
1444
232
Vorschlag vgl. Rdn. 153; vgl. auch die annähernd parallel entstandene Arbeit von Brockhaus Dogmatik aus dem Jahr 2006. Zu ihrem Vorschlag s. Rdn. 153. Jenny BK StGB I Art. 21 Rdn. 14 ff;
Donatsch/Tag Strafrecht I S. 132 ff; Trechsel/Noll AT S. 158 ff.
Thomas Hillenkamp
Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 22
Der Richter kann die Strafe hier nach freiem Ermessen mildern (Art. 66 schwStGB) und bei Unverstand „von einer Bestrafung Umgang nehmen" (Art. 23 Abs. 2 schwStGB). Vereinheitlichungsbestrebungen sollten zunächst auf die Entwicklungen im Völkerstrafrecht Bedacht nehmen. Während das am 30.6.2002 in Kraft getretene deutsche Völkerstrafgesetzbuch (BGBl. I S. 22 5 4 ) 2 3 3 als nationales Recht in § 2 VStGB auf das allgemeine Strafrecht verweist und damit keine Sonderregelung gegenüber den §§ 2 2 - 2 4 vorsieht, enthält das seit dem 1.7.2002 geltende Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH-Statut) in Art. 25 Abs. 3 (f) die Bestimmung (s. zu ihr Brockhaus Dogmatik S. 432 ff; K. Schubert Versuch S. 234 ff), dass für ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen auch bestraft wird, wer „versucht, ein solches Verbrechen zu begehen, indem er eine Handlung vornimmt, die einen wesentlichen Schritt zum Beginn seiner Ausführung darstellt, wobei er jedoch aufgrund von Umständen, die vom Willen des Täters unabhängig sind, nicht zur Tatausführung kommt. Wer jedoch die weitere Ausführung des Verbrechens aufgibt oder dessen Vollendung auf andere Weise verhindert, ist aufgrund dieses Statuts für den Versuch des Verbrechens nicht strafbar, wenn er das strafbare Ziel vollständig und freiwillig aufgegeben hat." (BT-Drucks. 14/2682 S. 28 f). Diese Regelung verkörpert in ihrem Kern Völkergewohnheitsrecht (Werle Völkerstrafrecht Rdn. 430). Ihr Inhalt entspricht nach der Einschätzung der Begründung zum VStGB „der Sache nach ... der Versuchsregelung nach §§ 2 2 - 2 4 StGB" (BT-Drucks. 14/8524 S. 17). Ambos (Völkerstrafrecht S. 708; ders. Internationales Strafrecht § 7 Rdn. 72) sieht hierin eine „gemischt französisch-US-amerikanische Lösung", gibt ihr in Übereinstimmung mit der Begründung zum VStGB zur Ansatzformel aber eine Deutung, die von dem zu § 22 zu findenden Meinungsbild in ihren wesentlichen Aussagen nicht abweicht (Völkerstrafrecht S. 716 ff, 755; ders. Internationales Strafrecht Rdn. 72 f). 2 3 4 In der Auslegung Wertes (Völkerstrafrecht Rdn. 431) zeigen sich Elemente des Versuchsbeginns bei Teilverwirklichung (s. dazu krit. § 22 Rdn. 92 ff), aber auch der Zwischenaktslehre. Wie im nationalen Recht ungeklärt ist der im Völkerstrafrecht sicher zu erwartende Fall des Versuchsbeginns bei mehreren Personen (Werle Völkerstrafrecht Rdn. 434). Die Vorschrift gilt als wenig gelungen ( Werle Völkerstrafrecht Rdn. 431). Sie eignet sich daher nicht als Vorbild. Ihre inhaltlichen Entscheidungen sind aber bei Überlegungen zu Vereinheitlichung235 zu berücksichtigen.
151
Bei diesen Überlegungen ist gewiss die Frage der Konsensfähigkeit von Gewicht (Cancío Überlegungen S. 179 ff; Κ. Schubert Versuch S. 274 f). Es dürfte sich aber nicht empfehlen, die Merkmalsdichte unter diesem Blickwinkel auf den kleinsten Nenner abzuschmelzen, da dann die Gefahr kaum gezügelter Interpretationsvielfalt den Gewinn der Vereinheitlichung bedroht (zust. Brockhaus Dogmatik S. 24). Man wird sich infolgedessen schon darauf verständigen müssen, ob man der Versuchsregelung eine objektive oder
152
233
Vgl. dazu Satzger NStZ 2 0 0 2 125; Werle Völkerstrafrecht Rdn. 221 ff; ders. J Z 2001
234
Der Vorschlag, „angesichts des hohen Unrechtsgehalts der völkerstrafrechtlichen Verbrechen nicht zu hohe Anforderungen ... an die Unmittelbarkeit bzw. Tatbestandsnähe der Versuchshandlung" zu stellen (Ambos Völkerstrafrecht S. 756; ders. Internationales Strafrecht § 7 Rdn. 73), verdient allerdings keinen Beifall; auch begegnet das
885; Zimmermann ZRP 2002 97.
235
Kriterium des „Herrschaftsverlusts" (Internationales Strafrecht § 7 Rdn. 73) den hier geäußerten (§ 22 Rdn. 134, 138, 148, 157) Bedenken; s. dazu auch Safferling ZStW 118 (2006) 709 f mit dem Vorschlag, der Vorschrift eine subjektive Deutung zu geben; zum im Völkerstrafrecht bislang praktisch nicht bedeutsamen Rücktritt s. Ambos Völkerstrafrecht S. 709 ff. Skeptisch zu Bestrebungen nach Vereinheitlichung Fornascari S. 52 f.
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Vor § 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
eine subjektive Versuchslehre oder einen hieraus gebildeten Kompromiss zugrunde legt und auf den unmissverständlichen Ausdruck dieser Grundentscheidung in den Vorschriften nicht verzichten können, (insoweit skeptisch K. Schubert Versuch S. 275). Die bislang erarbeiteten Vorschläge legen sich teilweise insoweit eine nicht durchweg unbedenkliche Zurückhaltung auf. 153
Sie können hier nur wiedergegeben, aber nicht im Einzelnen gewürdigt werden. Schon 1962 hat es in den Vereinigten Staaten den Versuch gegeben, das Strafrecht der Einzelstaaten zu harmonisieren. Der in jenem Jahr veröffentlichte, von Honig2i6 maßgeblich beeinflusste Model Penal Code enthielt eine sehr ausführliche, den untauglichen Versuch in die Strafbarkeit einbeziehende und eine Rücktrittsmöglichkeit vorsehende Versuchsregelung, die auf Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht ohne Einfluss blieb. 2 3 7 Die erst in der überarbeiteten Fassung des Corpus Iuris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union enthaltene Versuchsregelung hat folgenden Wortlaut: 1. der Versuch der in den Artikeln 1 - 3 und 5 - 8 genannten Taten ist ebenso strafbar wie die Beteiligung an dem Versuch. Die für den Versuch verhängte Strafe ist auf drei Viertel der Strafe zu mildern, die für das vollendete Delikt angedroht ist (Artikel 14). 2. Eines Versuchs ist schuldig, wer den Vorsatz hat, eine der in den Artikeln 1 - 3 und 5 - 8 genannten Taten zu begehen und mit diesem Vorsatz eine Handlung vornimmt, die den Beginn der Tatausführung bedeutet. 3. Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer von der Durchführung des Delikts freiwillig zurücktritt oder sie freiwillig verhindert. Wenn die Tat nicht aus anderen Gründen durchgeführt wird, genügt es zur Straflosigkeit, dass sich eine Person freiwillig und ernsthaft bemüht, von der Durchführung zurückzutreten oder sie zu verhindern. 238
154
Für das europäische Recht sind vier weitere Vorschläge zu nennen. Der erste wurde von Bacigalupo, Grasso und Tiedemann (in: Schünemann/Suárez González Bausteine S. 466) formuliert und lautet: (1) Versuch ist anzunehmen, wenn der Täter mit der Ausführung der Zuwiderhandlung beginnt und die Vollendung aus Gründen ausbleibt, die vom Willen des Täters unabhängig sind. (2) der Versuch einer Zuwiderhandlung kann nur geahndet werden, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist. (3) Der Versuch wird nicht geahndet, wenn der Täter freiwillig sein Verhalten aufgibt oder die Zuwiderhandlung verhindert. Sind an der Zuwiderhandlung mehrere beteiligt, so bleiben diejenigen frei von Sanktionen, welche die Vollendung der Zuwiderhandlung freiwillig verhindern. Cando (Überlegungen S. 179 ff, in: Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union [2002] S. 461) stellt dem einen an das französische Recht angelehnten Vorschlag gegenüber, der lautet: 1. Ein Versuch liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich Handlungen vornimmt, die den Beginn der Ausführung der Tat bedeuten. 2. Der Versuch ist nur strafbar, wenn dies ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist. Die Strafe darf zwei Drittel der für die Vollendung geltenden Strafe nicht überschreiten. Als Rücktrittsregelung schlägt Cando vor: 1. Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. 2. Beteiligte, die freiwillig verhindern, dass die Straftat vollendet wird, werden straflos. Unterbleibt die Tat ohne Zutun des Beteiligten oder wird sie unabhängig von seinem früheren Verhalten begangen, so genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Tat zu verhindern. 239 K. Schubert (Versuch S. 289) hat
236
Honig Entwurf S. 62 ff; ders. ZStW 75
(1963) 6 3 ff; ZStW 7 7 (1965) 37 ff. 2 3 7 Vgl. K. Schubert Versuch S. 248 ff, 258. 238 Yg¡ z u m T e x t m deutscher und englischer Sprache K. Schubert Versuch S. 220, zur
1446
Entstehung und zum Inhalt S. 215 ff m.w.N.; ferner Brockhaus Dogmatik S. 417 ff. 239 Ygi z u beiden Entwürfen K. Schubert Versuch S. 2 2 5 ff, 271.
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Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff
Vor § 22
nach eingehender Analyse europäischer und supranationaler Regelungen einen den Postulaten der Konsensfähigkeit (S. 274) und der Konsistenz (S. 2 7 5 ) verpflichteten, „pluralistischen" Vorschlag (S. 2 7 3 ) erarbeitet, der der in der Praxis weitgehend festzustellenden Subjektivierungstendenz entgegensteuern (S. 2 7 7 f), den untauglichen Versuch aber nicht ausschließen (S. 2 8 3 ff) soll. Dieser angesichts der Breite der ausgewählten Vorgaben und praktischen Handhabung sowie der ausgewogenen Grundlegung die Diskussion noch einmal deutlich voranbringende Vorschlag lautet: 1. Strafbarer Versuch liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich eine Handlung vornimmt, die nach seiner Vorstellung von der Tat den Beginn ihrer Ausführung bedeutet. 2. Die Strafe darf zwei Drittel der für die Vollendung vorgesehenen Höchststrafe nicht übersteigen. Die Rücktrittsregelung soll folgendermaßen lauten: 1. Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die Tatausführung aufgibt oder ihre Vollendung verhindert. 2. Unterbleibt die Tat ohne sein Zutun, so wird der Täter straffrei, wenn er sich in Unkenntnis dessen freiwillig und ernsthaft um Verhinderung der Vollendung bemüht. 3. Sind an der Tat mehrere beteiligt, werden diejenigen nicht bestraft, die freiwillig ihre Vollendung verhindern. Der jüngste Vorschlag stammt von Brockhaus Dogmatik S. 519. Er basiert auf „einer gemischt subjektiv-objektiven Versuchslehre mit einer Dominanz des subjektiven Elements" (S. 514). Er lautet: § 1: Die Strafbarkeit des Versuchs (1) Den Versuch einer Straftat begeht, wer vorsätzlich Handlungen vornimmt, die den Beginn der Ausführung der Tat bedeuten. Einen Beginn der Ausführung bildet eine Handlung, die nach Vorstellung des Täters unmittelbar in die tatbestandliche Ausführungshandlung einmündet. (2) Abs. 1 findet auch dann Anwendung, wenn die Vollendung der Tat entgegen der Tätervorstellung unter den gegebenen Umständen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen von vornherein nicht eintreten kann. Der irreale Versuch ist straflos. (3) Der Versuch eines vorsätzlichen Delikts ist stets strafbar. Von der Versuchsstrafbarkeit kann im Ausnahmefall durch Einzelbestimmungen im Besonderen Teil sowohl bei Verbrechen als auch bei Vergehen abgesehen werden. (4) Die für den Versuch verhängte Strafe kann auf }/4 der Strafe gemildert werden, die für das vollendete Delikt angedroht ist. $ 2: Der Rücktritt vom Versuch Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer die weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgibt, oder deren Vollendung freiwillig verhindert. Wenn die Tat aus anderen Gründen nicht vollendet wird, so genügt zur Straflosigkeit, dass sich eine Person freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung der Tat zu verhindern. § 3 enthält dann noch einen Vorschlag für strafbare Vorbereitungshandlungen.
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§22
Begriffsbestimmung Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. 5 43 a.F.: (1) Wer den Entscbluß, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder Vergehens enthalten, betätigt hat, ist, wenn das beabsichtigte Verbrechen oder Vergehen nicht zur Vollendung gekommen ist, wegen Versuchs zu bestrafen. (2) Der Versuch eines Vergehens wird jedoch nur in den Fällen bestraft, in welchen das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. §26 E 1962: (1) Eine Straftat versucht, wer den Vorsatz, die Tat zu vollenden, durch eine Handlung betätigt, die den Anfang der Ausführung bildet oder nach seiner Vorstellung von den Tatumständen bilden würde, jedoch nicht zur Vollendung führt. (2) Den Anfang der Ausführung bildet eine Handlung, durch die der Täter mit der Verwirklichung des Tatbestandes beginnt oder unmittelbar dazu ansetzt. § 24 AE: Den Versuch einer Straftat begeht, wer nach seinem Tatplan zu ihrer Verwirklichung unmittelbar ansetzt.
Schrifttum Abrahams/Schwarz Nichtzahlung des Entgelts für „Telefon-Sex" - Vollendeter Betrug, untauglicher Versuch oder Wahndelikt? Jura 1997 355; Ahrens Vermeintliche Mittäterschaft und Versuchsstrafbarkeit, JA 1996 664; Alwart Strafwürdiges Versuchen (1982); ders. Der Begriff des Motivbündels im Strafrecht, GA 1983 433; Ambrosius Untersuchungen zur Vorsatzabgrenzung (1966); Androulakis Über die dritte Art der Rechtsgüterbeeinträchtigung, Festschrift Schreiber (2003) 13; Angerer Rücktritt im Vorbereitungsstadium (2004); Arzt Bedingter Entschluß und Vorbereitungshandlung, J Z 1969 54; ders. Die Neufassung der Diebstahlsbestimmungen, JuS 1972 385, 515, 576; ders. Urteilsanmerkung, StV 1985 104; ders. Urteilsanmerkung, JR 1997 469; Bachmann Vorsatz und Rechtsirrtum im Allgemeinen Strafrecht und im Steuerstrafrecht (1993); Baier Unterlassungsstrafbarkeit trotz fehlender Handlungs- oder Schuldfähigkeit - Zugleich ein Beitrag zur Rechtsfigur der omissio libera in causa, GA 1999 272; ders. Die versuchte Tötung durch Einsatz einer Giftfalle BGHSt 43, 177, JA 1999 771; Bauer Die Abgrenzung des dolus eventualis - ein Problem der Versuchsdogmatik, wistra 1991 168; Baumann Das Umkehrverhältnis zwischen Versuch und Irrtum im Strafrecht, NJW 1962 16; ders. Täterschaft und Teilnahme, JuS 1963 85; Baumgarten Die Lehre vom Versuche der Verbrechen (1888); Becher Zur Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch gemäß § 22 des 2. StrRG, Diss. jur. Münster (1973); Behm Urteilsanmerkung, NStZ 1996 317; Beilay Urteilsanmerkung, NStZ 2000 591; Berz Grundlagen des Versuchsbeginns, Jura 1984 511; ders. Urteilsanmerkung, NStZ 1996 85; Beulke Urteilsanmerkung, NStZ 1982 330; ders. Urteilsanmerkung, BGH NStZ 1983 504; Binding, Die Normen II/2 (1916); ders. Das bedingte Verbrechen, GS 68 (1916) 1; Bindokat Zur Frage des doppelten Irrtums, NJW 1963 745; Blei Das Wahnverbrechen, JA 1973 237, 321, 389, 459, 529, 601; ders. Versuch und Rücktritt vom Versuch nach neuem Recht, JA 1975 95, 167, 233; ders. Urteilsanmerkung, JA 1975 41, 101, 315; ders. Urteilsanmerkung, JA 1976 101, 313; Bloy Urteilsanmerkung, JR 1984 123; ders. Die Beteiligungsformen als Zurechnungstypus im Strafrecht (1985); ders. Grund und Grenzen der Strafbarkeit der mißlungenen Anstiftung, J R 1992 493; ders. Unrechtsgehalt und Strafbarkeit des grob unverständigen Versuchs, ZStW 113 (2001) 76; ders. Die Bedeutung des Irrtums über die Täterrolle, ZStW 117 (2005) 3; Bockelmann Zur Abgrenzung der Vorbereitung vom Versuch, J Z 1954 468; ders. Die jüngste Rechtsprechung des BGH zur Abgrenzung der Vorbereitung vom Versuch, J Z 1955 193; ders. Strafrechtliche
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Begriffsbestimmung
§22
Untersuchungen (1957); Böse Der Beginn des beendeten Versuchs: Die Entscheidung des BGH zur „Giftfalle", JA 1999 342; Borchert Urteilsanmerkung, JA 1980 254; Bottke Sinn oder Unsinn kriminalrechtlicher AIDS-Prävention? Zugleich Versuch eines vorläufigen Resümees, in Szwarc AIDS und Strafrecht (1996) 277; ders. Untauglicher Versuch und freiwilliger Rücktritt, Festgabe BGH Bd. IV (2000) 135; ders. Zur Möglichkeit und Strafbarkeit des untauglichen Versuchs einer Straftat, Festschrift Hruschka (2005) 395; Brand/Fett Urteilsanmerkung, NStZ 1998 507; Bringewat Der sog. doppelte Irrtum, MDR 1970 652; Bruns Zur Frage der Strafbarkeit des „Versuchs" eines untauglichen Subjekts, DStrR 1938 161; ders. Der untaugliche Täter im Strafrecht (1955); ders. Die Strafbarkeit des Versuchs eines untauglichen Subjekts, GA 1979 161; Burgstaller Über den Verbrechensversuch, JurBl. 1969 521; ders. Der Versuch nach § 15 StGB, JurBl. 1976 113; v. Buri Zur Lehre vom Versuche, GS 19 (1867) 60; ders. Der Versuch des Verbrechens mit untauglichem Mittel oder an einem untauglichen Objekt, GS 20 (1868) 325; ders. Versuch und Kausalität, GS 32 (1880) 323; Burkhardt Rechtsirrtum und Wahndelikt, J Z 1981 681; ders. Zur Abgrenzung von Versuch und Wahndelikt im Steuerstrafrecht, wistra 1982 178; ders. Vorspiegelung von Tatsachen als Vorbereitungshandlung zum Betrug, OLG Karlsruhe, NJW 1982, 59, JuS 1983 426; Buser Zurechnungsfragen beim mittäterschaftlichen Versuch (1998); Coester Die Vorbereitungshandlung im E 1927 (1933), Strafrechtliche Abhandlungen 329; Cohn Zur Lehre vom versuchten und vollendeten Verbrechen (1880); Daliinger Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, MDR 1953 19; ders. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, MDR 1966 725; ders. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, MDR 1972 16; ders. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, MDR 1974 721; Dedy Preiswert Wohnen und Trinken, Jura 2002 137; Dencker Besprechung von Aufsätzen und Anmerkungen zum Straf- und Strafprozeßrecht, NStZ 1982 458; ders. Kausalität und Gesamttat (1996); Derksen Tatentschluß und Versuchsbeginn bei der Förderung von nicht vom Täter veranlaßten unbewußten fremden Selbstgefährdungen, GA 1998 592; Dey Anmerkung zu BGH J R 2000 293, J R 2000 295; Dicke Zur Problematik des untauglichen Versuchs, JuS 1968 159; Graf zu Dohna Versuch, in Aschrott/Kohlrausch Reform des Strafrechts (1926) 95; Dopslaff Plädoyer für einen Verzicht auf die Unterscheidung in deskriptive und normative Tatbestandsmerkmale, GA 1987 1; Dornis Der Versuchsbeginn in Selbstschädigungsfällen, Jura 2001 664; Dreher Der Irrtum über Rechtfertigungsgründe, Festschrift Heinitz (1972) 207; Eisele Urteilsanmerkung NStZ 2001 416; ders. Die Regelbeispielsmethode im Strafrecht (2004); ders. Die Regelbeispielsmethode: Tatbestands- oder Strafzumessungslösung? JA 2006 309; Endrulat Der umgekehrte Rechtsirrtum (1994); Engisch Die rechtliche Bedeutung der ärztlichen Operation (1958); ders. Der „umgekehrte Irrtum" und das Umkehrprinzip, Festschrift Heinitz (1972) 185; Engländer Der Versuchsbeginn bei der Elektrofalle - BGH NStZ 2001, 475, JuS 2003 330; Erb Zur Konstruktion eines untauglichen Versuchs der Mittäterschaft bei scheinbarem unmittelbarem Ansetzen eines vermeintlichen Mittäters zur Verwirklichung des Tatbestandes, NStZ 1995 424; ders. Ureilsanmerkung, NStZ 2001 317; Eschenbach Zurechnungsnorm im Strafrecht, Jura 1992 637; Fiedler Vorhaben und Versuch im Strafrecht (1967); Foth Neuere Kontroversen um den Begriff des Wahnverbrechens, JR 1965 366; T. Frank „You've got (Spam-)Mail", CR 2004 123; Frisch Grund- und Grenzprobleme des sogenannten subjektiven Rechtfertigungselements, Festschrift Lackner (1987) 112; ders. Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolges (1988); Fuchs Überlegungen zu Fahrlässigkeit, Versuch, Beteiligung und Diversion, Festschrift Burgstaller (2004) 41; Gaede Mord ohne Leiche - BGH NJW 2002, 1057, JuS 2002 1058; ders. Urteilsanmerkung, StraFo 2003 392; Gallas Beiträge zur Verbrechenslehre (1968); ders. Zur Struktur des strafrechtlichen Unrechtsbegriffs, Festschrift Bockelmann (1979) 155; Geilen Sukzessive Zurechnungsfähigkeit, Unterbringung und Rücktritt - BGHSt 23, 356 ff, JuS 1972 73; ders. Raub und Erpressung (§§ 249-256 StGB), Jura 1979 221; ders. Urteilsanmerkung, JK 1982 StGB § 22/7; v. Gemmingen Die Rechtswidrigkeit des Versuchs (1932), Strafrechtliche Abhandlungen 306; Geppert Urteilsanmerkung, JK 1991 StGB § 22/15; ders. Urteilsanmerkung, JK 1992 StGB § 242/15; ders. Die subjektiven Rechtfertigungselemente, Jura 1995 103; ders. Urteilsanmerkung, JK 1998 StGB S 22/18; ders. Urteilsanmerkung, JK 1998 StGB § 243/3; Gössel Urteilsanmerkung, J R 1976 249; ders. Urteilsanmerkung, J R 1998 293; ders. Über das Verhältnis von Vorsatz und subjektiven Tatbestandselementen, dargestellt an den Beispielen des Diebstahls und des Menschenhansdels, Gedächtnisschrift Zipf (1999) 215; ders. Überlegungen zum Verhältnis von Norm, Tatbestand und dem Irrtum über das Vorliegen eines rechtfertigenden Sachverhalts, Festschrift Triffterer (1996) 93;
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
ders. Urteilsanmerkung, JR 2005 159; Gorka Der Versuchsbeginn des Mittäters (2000); Graul Der „umgekehrte Erlaubnistatbestandsirrtum", JuS 1994 L 73; dies. Urteilsanmerkung, J R 1995 427; dies. „Versuch eines Regelbeispiels" - BayObLG, NStZ 1997, 442; BGH, NStZ-RR 1997, 293, JuS 1999 852; Gropp Vom Rücktrittshorizont zum Versuchshorizont, Festschrift Gössel (2002) 175; Günther Der „Versuch" des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer, J Z 1987 16; Grünwald Der Versuch des unechten Unterlassungsdelikts, J Z 1959 46; Guhra Das vorsätzlich tatbestandsmäßige Verhalten beim beendeten Versuch (2002); Haffke Delictum sui generis und Begriffsjurisprudenz, JuS 1973 402; Haft Der doppelte Irrtum im Strafrecht, JuS 1980 430, 588, 659; ders. Grenzfälle des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale im Strafrecht, JA 1981 281; Hall Die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch im Willensstrafrecht, GS 110 (1938) 95; Hannich/Kudlich Urteilsanmerkung, StV 1998 370; Hardtung Gegen die Vorprüfung beim Versuch, Jura 1996 293; ders. Urteilsanmerkung, NStZ 2003 261; Hardwig Der Versuch bei untauglichem Subjekt, GA 1957 170; Härtung Urteilsanmerkung, J R 1954 111; Hassemer Urteilsanmerkung, JuS 1982 703; Häuf Neuere Entscheidungen zur Mittäterschaft unter besonderer Berücksichtigung der Problematik der Aufgabe der Mitwirkung eines Beteiligten während der Tatausführung bzw. vor Eintritt in das Versuchsstadium, NStZ 1994 263; Heckler Versuchsbeginn bei vermeintlicher Mittäterschaft, GA 1997 72; Heidingsfelder Der umgekehrte Subsumtionsirrtum (1991); Heinitz Streitfragen der Verbrechenslehre, J R 1956 248; B. Heinrich Einkaufsfreuden (Übungshausarbeit im Strafrecht für Fortgeschrittene), Jura 1997 366; ders. Die Abgrenzung von untauglichem, grob unverständigem und abergläubischem Versuch, Jura 1998 393; Helgerth Urteilsanmerkung, NStZ 1989 117; Hentschel Urteilsanmerkung, JR 1981 211; Herdegen Der Verbotsirrtum in der Rechtsprechung des BGH, Festschrift BGH 25 (1975) 195; Herzberg Anstiftung und Beihilfe als Straftatbestände, GA 1971 1; ders. Der Versuch beim unechten Unterlassungsdelikt, MDR 1973 89; ders. Täterschaft und Teilnahme (1977); ders. Das Wahndelikt in der Rechtsprechung des BGH, JuS 1980 469; ders. Der Anfang des Versuchs bei mittelbarer Täterschaft, JuS 1985 1; ders. Handeln in Unkenntnis einer Rechtfertigungslage, JA 1986 190; ders. Subjektive Rechtfertigungselemente? JA 1986 541; ders. Aids: Herausforderung und Prüfstein des Strafrechts, J Z 1989 470; ders. Strafverzicht bei bedingt vorsätzlichem Versuch - zugleich ein Beitrag zur Entlastung des § 24, NStZ 1990 311; ders. Gedanken zur actio libera in causa: Straffreie Deliktsvorbereitung als „Begehung der Tat" (§§ 16, 20, 34 StGB)? Festschrift Spendel (1992) 203; ders. Unrechtsausschluß und Erlaubnistatbestandsirrtum bei vollendeter Tatbestandserfüllung, Festschrift Stree/Wessels (1993) 203; ders. Das vollendete vorsätzliche Begehungsdelikt als qualifiziertes Versuchs-, Fahrlässigkeits- und Unterlassungsdelikt, JuS 1996 377; ders. Die strafrechtliche Haftung für die Infizierung oder Gefährdung durch HIV, in Szwarc AIDS und Strafrecht (1996) 61; ders. Urteilsanmerkung, JuS 1999 224; ders. Vollendeter Mord bei Tötung des falschen Opfers? NStZ 1999 217; ders. Der Versuch, die Straftat durch einen anderen zu begehen, Festschrift Roxin (2001) 749; ders. Zur Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, GA 2001 257; ders. Rechtsirrige Annahme einer Straftatbegehung - Versuch oder Wahndelikt? Gedächtnisschrift Schlüchter (2002) 189; ders. Begehung und Erfolg beim Versuch ( § § 8, 22 StGB), Festschrift Rudolphi (2004 ) 75; Hettinger Die „actio libera in causa" - Strafbarkeit wegen Begehungstat trotz Schuldunfähigkeit? (1988); ders. Strafbarkeit der „fahrlässigen actio libera in causa", GA 1989 1; ders. Die „actio libera in causa": eine unendliche Geschichte? Festschrift Geerds (1995) 628; Heuchemer Der „unterschlagene" BMW JA 2000 946; ders. Urkundenfälschung JA-R 2001 145; Hillenkamp Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierungen bei abweichendem Tatverlauf (1971); ders. Urteilsanmerkung, MDR 1977 242; ders. Beweisnot und materielles Recht, Festschrift Wassermann (1985) 861; ders. Urteilsanmerkung, JR 1987 254; ders. In tyrannos - viktimodogmatische Bemerkungen zur Tötung des Familientyrannen, Festschrift Miyazawa (1995) 141; ders. Der praktische Fall - Strafrecht: Das Aufnahmeritual und seine Folgen, JuS 2001 159; ders. Zur „Vorstellung von der Tat" im Tatbestand des Versuchs, Festschrift Roxin (2001) 689; ders. Unverstand und Aberglaube, Festschrift Schreiber (2003) 135; ders. Der praktische Fall - Strafrecht: Tricksereien und zarte Bande, JuS 2003 157; v. Hippel Deutsches Strafrecht Bd. II. Das Verbrechen. Allgemeine Lehren (Neudruck 1971); Hirsch Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen (1960); ders. Der Streit um Handlungs- und Unrechtslehre insbesondere im Spiegel der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Teil II), ZStW 94 (1982) 239; ders. Die Entwicklung der Strafrechtsdogmatik nach Welzel, Festschrift Köln (1988) 399; ders. Zur actio libera in causa, Festschrift Nishihara (1998) 88; ders. Untauglicher Versuch und Tatstrafrecht, Festschrift Roxin (2001) 711; ders. Tat-
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Begriffsbestimmung
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strafrecht - ein hinreichend beachtetes Grundprinzip? Festschrift Liiderssen (2002) 253; ders. Zur Behandlung des ungefährlichen „Versuchs" de lege lata und de lege ferenda, Gedächtnisschrift Vogler (2004) 31; Höser Vorbereitungshandlung und Versuch im Steuerstrafrecht (1984); Hoff/in der Schmitten Wann ist der Mensch tot? (1995); Holtz Urteilsanmerkung, M D R 1977 807; ders. Urteilsanmerkung, M D R 1978 623; ders. Urteilsanmerkung, M D R 1980 271; ders. Urteilsanmerkung, MDR 1986 974; Horn Actio libera in causa - eine notwendige, eine zulässige Rechtsfigur? GA 1969 289; Hoyer Strafrechtsdogmatik nach Armin Kaufmann (1997); Hübner Urteilsanmerkung, J R 1978 40; Ingelfinger „Schein"-Mittäter und Versuchsbeginn, J Z 1995 704; Jäger Urteilsanmerkung, NStZ 2 0 0 0 415; ders. Urteilsanmerkung, J R 2 0 0 2 , 383; Jakobs Buchbesprechung, J R 1977 131; ders. Tätervorstellung und objektive Zurechnung, Gedächtnisschrift Armin Kaufmann (1989) 271; Jescheck Strafrechtsreform in Deutschland, Allgemeiner Teil (Versuch), SchweizZStrR 91 (1975) 1; ders. Versuch und Rücktritt bei Beteiligung mehrerer Personen an der Straftat, ZStW 9 9 (1987) 111; Joerden Der auf die Verwirklichung von zwei Tatbeständen gerichtete Vorsatz, ZStW 95 (1983) 565; ders. Urteilsanmerkung, J Z 1995 735; ders. Der praktische Fall - Strafrecht: Abenteuer eines Antiquitätenhändlers, JuS 1996 622; John Entwurf mit Motiven zum Strafgesetzbuche (1868); C. Jung Die Vorstellung von der Tat beim strafrechtlichen Versuch, JA 2 0 0 6 228; H. Jung Strafbarkeit des untauglichen Versuchs bei vermeintlicher Mittäterschaft, JuS 1995 360; ders. Zur Strafbarkeit des untauglichen Versuchs - ein Zwischenruf aus rechtsvergleichender Sicht, ZStW 117 (2005) 938; Kadel Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft - versuchte mittelbare Täterschaft, GA 1983 2 9 9 ; Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959); ders. Die Dogmatik im Alternativ-Entwurf, ZStW 80 (1968) 34; Kienapfel Urteilsanmerkung, J R 1992 122; Kindhäuser Gefährdung als Straftat: rechtstheoretische Untersuchungen zur Dogmatik der abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikte (1989); ders. Zur Unterscheidung von Tat- und Rechtsirrtum, GA 1990 407; ders. Zur Anwendbarkeit der Regeln des Allgemeinen Teils auf den besonders schweren Fall des Diebstahls, Festschrift Triffterer (1996) 135; Klee Die Grenze zwischen Versuch (Unternehmen) und Vorbereitung, DStR 1934 283; Knauer AIDS und HIV - Immer noch eine Herausforderung für die Strafrechtsdogmatik, GA 1998 428; Kölz-Ott Eventualvorsatz und Versuch (1974); Kohn Der untaugliche Versuch und das Wahnverbrechen (1904), Strafrechtliche Abhandlungen 53; Krack Der Versuchsbeginn bei Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft, ZStW 110 (1998) 611; ders. Urteilsanmerkung, NStZ 2 0 0 4 697; ders. Die Münzhändlerkonstellation - Eine Fallgruppe für die Unterlassungsdelikte, ZStW 117 (2005) 555; Kratzsch Die Bemühungen um Präzisierung der Ansatzformel (§ 22 StGB) - ein absolut untauglicher Versuch, JA 1983 4 2 0 , 578; ders. Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht (1985); Kretschmer Strafbares Erstreiten und Vollstrecken von Titeln, GA 2 0 0 4 458; ders. Der abergläubische Irrtum in seiner strafrechtlichen Relevanz, J R 2 0 0 4 444; Kriegsmann Wahnverbrechen und untauglicher Versuch (1904); Krüger Fälle zur JA-Kartei, JA 1984 Üb.Blätter 21; ders. Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft (1994); Kudlich Urteilsanmerkung, NStZ 1997 432; ders. Ein Schnäpschen in Ehren - die Giftfalle des Apothekers - BGH, N J W 1997, 3453, JuS 1998 596; ders. Katzenkönig &c Co. - Übersinnliches von den Strafgerichten, J Z 2004 72; ders. Urteilsanmerkung, JuS 2005 186; Kühl Die Beendigung des vorsätzlichen Begehungsdelikts (1974); ders. Zum Verjährungsbeginn bei Anstellungs- und Rentenbetrug, J Z 1978 549; ders. Grundfälle zu Vorbereitung, Versuch, Vollendung und Beendigung, JuS 1980 120, 506, 650, 811; JuS 1982 110; ders. Versuch in mittelbarer Täterschaft, BGHSt 30 363, JuS 1983 180; ders. Die Beendigung des vollendeten Delikts, Festschrift Roxin (2001) 665; ders. Vollendung und Beendigung bei den Eigentums- und Vermögensdelikten, JuS 2002 729; ders. Urteilsanmerkung, J Z 2 0 0 3 637; Kühne Strafbarkeit der versuchten Mittäterschaft? NJW 1995 934; Küper Versuchsbeginn und Mittäterschaft (1978); ders. Versuchs- und Rücktrittsprobleme bei mehreren Tatbeteiligten, J Z 1979 775; ders. Grenzfragen der Unfallflucht, J Z 1981 209, 251; ders. Der verschuldete rechtfertigende Notstand (1983); ders. Der Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft, J Z 1983 361; ders. Aspekte der „actio libera in causa". Ein Dialog, Festschrift Leferenz (1983) 573; ders. Zur Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch, NJW 1984 777; ders. Deliktsversuch, Regelbeispiel und Versuch des Regelbeispiels, J Z 1986 518; ders. „Teilverwirklichung" des Tatbestandes: ein Kriterium des Versuchs? J Z 1992 338; ders. Zur Problematik der „betrügerischen Absicht" (§ 265 StGB) in Irrtumsfällen, NStZ 1993 313; ders. Der Rücktritt vom Versuch des unechten Unterlassungsdelikts, ZStW 112 (2000) 1; ders. Mensch oder Embryo? Der Anfang des „Menschseins" nach neuem Strafrecht, GA 2001 515; ders. Vollendung und Versuch beim räuberischen Diebstahl (§ 252 StGB), Jura 2 0 0 1
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21; Küpper Anspruch und wirkliche Bedeutung des Theorienstreits über die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, GA 1986 437; ders. Zur Abgrenzung der Täterschaftsformen, GA 1998, 519; Küpper/Mosbacher Untauglicher Versuch bei nur vermeintlicher Mittäterschaft - BGH, NJW 1995, 142, JuS 1995 488; Kuhlen Die Unterscheidung von vorsatzausschließendem und nicht vorsatzausschließendem Irrtum (1987); Lampe Genügt für den Entschluß des Täters in S 43 StGB sein bedingter Vorsatz? N J W 1958 332; ders. Der praktische Fall Strafrecht: Der vorgetäuschte Einbruch, JuS 1967 564; ders. Unvollkommen zweiaktige Rechtfertigungsgründe, GA 1978 7; Lange Strafrechtsreform. Reform im Dilemma (1972); Lenckner Notwehr bei provoziertem und verschuldetem Angriff, GA 1961 299; ders. Der rechtfertigende Notstand (1965); ders. Die Rechtfertigungsgründe und das Erfordernis pflichtgemäßer Prüfung, Festschrift H. Mayer (1966) 165; ders. Begünstigung, Strafvereitelung und Vereidigungsverbot nach § 60 Nr. 2 StPO, NStZ 1982 401; Less Genügt „bedingtes Wollen" zum strafbaren Verbrechensversuch? GA 1956 33; v. Liszt Die Lehre vom Versuch, ZStW 25 (1905,) 24; Lönnies Rücktritt und tätige Reue beim unechten Unterlassungsdelikt, NJW 1962 1950; Loos Zum Inhalt der subjektiven Rechtfertigungselemente, Festschrift Oehler (1985) 227; ders. Urteilsanmerkung, J R 1994, 511; Lüderssen Irrtum und Prävention, Festschrift Roxin (2001) 457; Maaß Betrug gegenüber einem Makler - BGHSt 31, 178, JuS 1984 25; Mack Die Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch im Wirtschafts- und Nebenstrafrecht (2004); K.-H. Maier Die mittelbare Täterschaft bei Steuerdelikten, MDR 1986 358; T. Maier Die Objektivierung des Versuchsunrechts (2005); Maihofer Der Versuch der Unterlassung, GA 1958 289; Maiwald Zur strafrechtssystematischen Funktion des Begriffs der objektiven Zurechnung, Festschrift Miyazawa (1995) 465; Malitz Der untaugliche Versuch beim unechten Unterlassungsdelikt (1998); Mattern Urteilsanmerkung, J Z 1954 254; Maurach Fragen der actio libera in causa, JuS 1961 373; ders. Die Beiträge der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Bestimmung des Wahnverbrechens, N J W 1962 716, 767; Mayer Zur Abgrenzung des Versuchs von der Vorbereitungshandlung, SJZ 1949 172; Meine Die Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuchsbeginn bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuer unter Zuhilfenahme einer falschen Buchführung, GA 1978 321; Merkel Tödlicher Behandlungsabbruch und mutmaßliche Einwilligung bei Patienten im apallischen Syndrom, ZStW 107 (1995) 545; ders. Extrem unreife Frühgeborene und der Beginn des strafrechtlichen Lebensschutzes. Rechtsethische und strafrechtliche Grundlagen, in Rechtsphilosophische Hefte VIII 1998 128; D. Meyer Abgrenzung der Vorbereitung vom Versuch einer Straftat, JuS 1977 19; ders. Das Beisichführen und Vorzeigen eines ge(ver)fälschten Führerscheins als Gebrauchmachen von einer falschen Urkunde, M D R 1977 444; H. Meyer Der Anfang der Ausführung (1892); ]. Meyer Kritik an der Neuregelung der Versuchsstrafbarkeit, ZStW 87 (1975) 598; M.-K. Meyer Das Unmittelbarkeitsprinzip am Beispiel des Versuchs, GA 2 0 0 2 367; Mezger Urteilsanmerkung, J Z 1951 179; ders. Urteilsanmerkung, NJW 1952 514; Miller/Rackow Transnationale Täterschaft und Teilnahme - Beteiligungsdogmatik und Strafanwendungsrecht, ZStW 117 (2005) 379; Mitsch Schrifttum: Vehling, Die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch, GA 1996 297; ders. Notwehr gegen fahrlässig provozierten Angriff - BGH NStZ 2001, 143, JuS 2001 751; Mösbauer Aktuelle Rechtsfragen bei der Abgrenzung des Versuchs von der Vorbereitungshandlung im Steuerstrafrecht, DStZ 1997 577; Momsen Das „unmittelbare Ansetzen" als Ausdruck generalpräventiver Strafbedürftigkeit, in Momsen/Bloy/Rackow (Hrsg.), Fragmentarisches Strafrecht (2003) 61; Moog Die Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch, Diss. jur. (1950); Mühlbauer Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Tötungshemmschwelle (1999); Murmann Versuchsunrecht und Rücktritt (1999); Neuhaus Der endgültige Täuschungsentschluß - eine Strafbarkeitsvoraussetzung der Urkundenfälschung? GA 1994 224; Niehaus Der Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, J R 2005 192; Niepoth Der untaugliche Versuch beim unechten Unterlassungsdelikt - zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 22. September 1992 (BGHSt 38, 356), JA 1994 337; ders. Der untaugliche Versuch beim unechten Unterlassungsdelikt (1994); Nierwertberg Der strafrechtliche Subsumtionsirrtum - Tatbestands- oder Verbotsirrtum, Wahndelikt oder untauglicher Versuch? Jura 1985 238; Niese Finalität, Vorsatz, Fahrlässigkeit (1951); Niethammer Buchbesprechung, D R Z 1949 428; Noll Zur Gesetzgebungstechnik des AE, in J. Baumann (Hrsg.) Programm für ein neues StGB (1968) 42; Nowakowski Zu Welzels Lehre von der Fahrlässigkeit, J Z 1958 335; Oehler Das objektive Zweckmoment in der rechtswidrigen Handlung (1959); ders. Urteilsanmerkung, J Z 1970 380; Oetker Vorbereitung und Versuch, Beihilfe und Deliktsabwendung, GS 88 (1922) 86; Ordeig Gedanken zum Täterbegriff und zur Teilnahmelehre, ZStW 80 (1968) 915;
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Begriffsbestimmung
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Otto Urteilsanmerkung, NJW 1976 578; ders. Die strafrechtliche Bekämpfung unlauterer Einflußnahmen auf öffentliche Versteigerungen durch Scheingebote, NJW 1979 681; ders. Versuch und Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten, JA 1980 641, 707; ders. Urteilsanmerkung, JK 1987 StGB § 240/10; ders. Urteilsanmerkung, JK 1992 StGB § 22/15; ders. Urteilsanmerkung, JK 1996 StGB § 259/14; ders. Urteilsanmerkung, NStZ 1998 243; ders. Die strafrechtliche Haftung für die Auslieferung gefährlicher Produkte, Festschrift Hirsch (1999) 291; Paeffgen Betäubungsmittelstrafrecht und der Bundesgerichtshof Festgabe BGH IV (2000) 722; Pahlke Rücktritt bei dolus eventualis (1993); Papageorgiou-Gonatas Wo liegt die Grenze zwischen Vorbereitungshandlungen und Versuch? (1988); Pasker Urteilsanmerkung, JA 1991, 341; Plaschke Ein Nagetier schreibt Rechtsgeschichte: Der Doppelirrtum im Strafrecht Jura 2001 235; Prüßner Die von mehreren versuchte Tat (2004); Puppe Grundzüge der actio libera in causa, JuS 1980 346; dies. Der objektive Tatbestand der Anstiftung, GA 1984, 101; dies. Der halbherzige Rücktritt, NStZ 1984 488; dies. Die logische Tragweite des sog. Umkehrschlusses, Festschrift Lackner (1987) 199; dies. Urkundenechtheit bei Handeln unter fremdem Namen und Betrug in mittelbarer Täterschaft - BayObLG, NJW 1988, 1401, JuS 1989 361; dies. Tatirrtum, Rechtsirrtum, Subsumtionsirrtum, GA 1990 145; dies. Urteilsanmerkung, NStZ 2001 482; dies. Urteilsanmerkung, JR 2003 123; dies. Der Versuch des mittelbaren Täters, Festschrift Dahs (2005) 173; Radtke An der Grenze des strafbaren untauglichen Versuchs - BGH, NJW 1995, 2176, JuS 1996 878; Rath Zum Standort einer error in objecto-Prüfung im Unrechtsaufbau des Versuchs, JuS 1997 424; ders. Grundfälle zum Unrecht des Versuchs, JuS 1998 1006, 1106; 1999, 32, 140; ders. Das subjektive Rechtfertigungselement (2002); Reiß Die Abgrenzung von untauglichem Versuch und Wahndelikt am Beispiel der Steuerhinterziehung, wistra 1986 193; Renzikowski Wahnkausalität und Wahndelikt - Zur Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, in M. Kaufmann (Hrsg.) Wahn und Wirklichkeit - Multiple Realitäten (2003) 309; Rönnau Der neue Straftatbestand des Versicherungsmißbrauchs - eine wenig geglückte Gesetzesregelung, J R 1998 441; Rohrer Über die Nichtexistenz subjektiver Rechtfertigungselemente, JA 1986 363; Roos Verbrecherische Willensäußerung - strafbarer Versuch? J R 1950 206; Rosenau Der Apotheker, der Dieb und der Bayerwald Bärwurz: Einbruch mit fast tödlichem Ausgang, Jura 2 0 0 0 427; Roßmüller/ Rohrer Versuch und Mittäterschaft, MDR 1996 986; Rotsch/Sahan Rücktritt vom Versuch bei Brandstiftungsdelikten, JA 2005 171; Roxiti Der Anfang des beendeten Versuchs, Festschrift Maurach (1972) 213; ders. Unterlassung, Vorsatz und Fahrlässigkeit, Versuch und Teilnahme im neuen Strafgesetzbuch, JuS 1973 329; ders. Einführung in das neue Strafrecht (1974); ders. Über den Tatentschluß, Gedächtnisschrift Schröder (1978) 145; ders. Tatentschluß und Anfang der Ausführung beim Versuch, JuS 1979 1; ders. Bemerkungen zur actio libera in causa, Festschrift Lackner (1987) 307; ders. Urteilsanmerkung, StV 1992 517; ders. Die Abgrenzung von untauglichem Versuch und Wahndelikt, J Z 1996 981; ders. Zur Mittäterschaft beim Versuch, Festschrift Odersky (1996) 489; ders. Urteilsanmerkung, J Z 1998 211; ders. Über den Strafgrund des Versuchs, Festschrift Nishihara (1998) 157; ders. Urteilsanmerkung, StV 2003 619; ders. Zur Erfolgszurechnung bei vorzeitig ausgelöstem Kausalverlauf, GA 2003 257; Rudolphi Zur Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch, JuS 1973 20; ders. Zur Tatbestandsbezogenheit des Tatherrschaftsbegriffs bei der Mittäterschaft, Festschrift Bockelmann (1979) 369; Safferling Die Abgrenzung zwischen strafloser Vorbereitung und strafbarem Versuch im deutschen, europäischen und im Völkerstrafrecht, ZStW 118 (2006) 682; Saliger Der praktische Fall - Strafrecht: Mordanschläge mit Hindernissen, JuS 1995 1004; Salm Das versuchte Verbrechen (1957); ders. Das vollendete Verbrechen 1/1 (1963); Sancinetti Subjektive Unrechtsbegründung und Rücktritt vom Versuch (1995); Sander/Malkowski Urteilsanmerkung, NStZ 1999 36; Sauermann Der Versuch als „delictum sui generis" (1927), Strafrechtliche Abhandlungen 227; Sax Zum logischen und sachlichen Gehalt des sog. „Umkehrschlusses aus § 59 StGB", J Z 1964 241; Schaffstein Tatbestandsirrtum und Verbotsirrtum, Festschrift Celle I (1961) 175; ders. Die Vollendung der Unterlassung, Festschrift Dreher (1977) 147; Schefßer Von Telefonsex, Sittenwidrigkeit und Betrug - LG Mannheim, NJW 1995, 3398, JuS 1996 1070; Schilling Der Verbrechensversuch des Mittäters und des mittelbaren Täters (1975); Schlehofer Risikovorsatz und zeitliche Reichweite der Zurechnung bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr des HIV-Infizierten, NJW 1989 2017; ders. Der error in persona des Haupttäters - eine aberratio ictus für den Teilnehmer, GA 1992 307; ders. Vorsatz und Tatabweichung (1996); Schliebitz Error in persona, JA 1998 833; ders. Die Erfolgszurechnung beim „misslungenen" Rücktritt (2002); Schlüchter Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale im Strafrecht (1983); ders. Grundfälle zum Bewertungsirrtum des Täters im
Thomas Hillenkamp
1453
§22
2. Abschnitt. Die Tat
Grenzbereich zwischen den § § 1 6 und 17 StGB, JuS 1985 527; W. Schmid Bedingter Handlungswille beim Versuch und im Bereich der strafbaren Vorbereitungshandlung, ZStW 74 (1962) 48; Eb. Schmidt Die mittelbare Täterschaft, Festgabe Frank (1930) Bd. 2 106; D. Schmidt Die Entwicklung des Betäubungsmittelstrafrechts bis Mitte 2005, NJW 2 0 0 5 3250; Schmitz Die Abgrenzung von strafbarem Versuchen und Wahndelikt, Jura 2003 593; Schötensack Der Versuch und der Amtliche Entwurf eines Allgemeinen Deutschen StGB, GS 91 (1925) 378; ders. Der Verbrechensversuch, Festgabe Frank (1930) Bd. 2 55; Schönwandt Grundlagen der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, Diss. jur. Göttingen (1975); H. Schröder Grundprobleme des Rücktritts vom Versuch, JuS 1962 81; F.-C. Schroeder Urteilsanmerkung, NJW 1976 490; ]. Schröder Der bedingte Tatentschluß, Diss. jur. Hamburg (1969); Schroth Vorsatz und Irrtum (1998); Schüler Der Mangel am Tatbestand (1914), Strafrechtliche Abhandlungen 181; Schiinemann Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft nach der Strafrechtsreform im Spiegel des Leipziger Kommentars und des Wiener Kommentars, 2. Teil: Schuld und Kriminalpolitik, GA 1986 293; ders. AIDS und Strafrecht, in Szwarc AIDS und Strafrecht (1996) 9; Schumann Urteilsanmerkung, J Z 1987 523; Seier Urteilsanmerkung, JA 1982 369; ders. Der Kündigungsbetrug (1989); ders. Prozeßbetrug durch Rechts- und ungenügende Tatsachenbehauptung, ZStW 102 (1990) 563; Seier/Gaude Untaugliche, grob unverständige und abergläubische Versuche, JuS 1999 456; Senf Vorbereitung und Versuch, GS 67 (1906) 245; Sonnen Urteilsanmerkung, JA 1979 334; Sonnen/Hansen-Siedler Die Abgrenzung des Versuchs von Vorbereitung und Vollendung, JA 1988 17; Sowada Die Gubener Hetzjagd; versuchte Körperverletzung mit Todesfolge, Jura 2 0 0 3 549; Spendet Zur Notwendigkeit des Objektivismus im Strafrecht, ZStW 65 (1953) 519; ders. Der sog. Umkehrschluß aus § 59 StGB nach der subjektiven Versuchstheorie, ZStW 6 9 (1957) 441; ders. Kritik der subjektiven Versuchstheorie, NJW 1965 1881; ders. Zur Neubegründung der objektiven Versuchstheorie, Festschrift Stock (1966) 89; ders. Zur Kritik der subjektiven Versuchs- und Teilnahmetheorie, JuS 1969 314; Spielmann Der bedingte Tatentschluss und die Vorbereitungshandlung (2005); Stein Garantenpflichten aufgrund vorsätzlicher-pflichtwidriger Ingerenz, J R 1999 265; Stöger Versuch des untauglichen Täters (1961); Stooß Dolus eventualis und Gefährdung, ZStW 15 (1895) 199; Strate Mit Taktik zur Wahrheitsfindung, ZRP 1987 314; Stratenwerth Die Definitionen im Allgemeinen Teil des Entwurfs 1962, ZStW 76 (1964) 669; ders. Der Versuch des untauglichen Subjekts, Festschrift Bruns (1978) 59; Stree Beginn des Versuchs bei qualifizierten Straftaten, Festschrift Peters (1974) 179; Stree Urteilsanmerkung NStZ 1983 551; Streng Rücktritt und dolus eventualis, J Z 1990 212; ders. Der Irrtum beim Versuch - ein Irrtum? ZStW 109 (1997) 863; ders. Wie „objektiv" ist der objektive Versuchstatbestand? Gedächtnisschrift Zipf (1999) 325; Struensee Versuch und Vorsatz, Gedächtnisschrift Armin Kaufmann (1989) 523; ders. Verursachungsvorsatz und Wahnkausalität, ZStW 102 (1990) 21; Szwarc (Hrsg.) AIDS und Strafrecht (1996); Tiedemann Zur Reform der Vermögens- und Wirtschaftsstraftatbestände, ZRP 1970 256; ders. Gutachten 49. Deutscher Juristentag, DJT 1972 C 52; ders. Der Versuch der Zweckentfremdung im Steuerstrafrecht, J R 1973 412; ders. Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität 1 Allg. Teil (1976); ders. Die Überschuldung als Tatbestandsmerkmal des Bankrotts, Gedächtnisschrift Schröder (1978) 289; ders. Zum Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem Teil des Strafrechts, Festschrift Baumann (1992) 7; Tischler Verbotsirrtum und Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale: Dogmengeschichte eines Abgrenzungsproblems (1984); Tölle Zum Beginn der Strafbarkeit einer Abfallverschiebung nach § 326 II, IV StGB, NStZ 1997 325; Traub Die umgekehrte „Parallelwertung in der Laiensphäre" - Wahndelikt oder untauglicher Versuch, JuS 1967 113; Treplin Der Versuch - Grundzüge des Wesens und der Handlung, ZStW 76 (1964) 441; Tröndle Festschrift-Besprechung, J R 1974 221; ders. Der Hirntod, seine rechtliche Bedeutung und das neue Transplantationsgesetz, Festschrift Hirsch (1999) 779; Trüg Urteilsanmerkung, JA 2002 102; Übler Neue Entwicklungen im Bereich der actio libera in causa (2003); Ulsenheimer Das Personensorgerecht der Eltern im Widerstreit mit dem Gewissen und dem Strafgesetzbuch, FamRZ 1968 568; Valdágua Versuchsbeginn des Mittäters bei den Herrschaftsdelikten, ZStW 98 (1986) 839; Vehling Die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch (1991); Vogel Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassensdelikten (1993); ders. Die versuchte „passive Sterbehilfe" nach BGH, M D R 1989, 80, M D R 1995 337; Vogler Buchbesprechung, GA 1977 61; ders. Der Beginn des Versuchs, Festschrift Stree/Wessels (1993) 285; Wächtler Urteilsanmerkung, StV 1989 252; Waiblinger Subjektivismus und Objektivismus in der neueren Lehre und Rechtsprechung vom Versuch, ZStW 69 (1957) 189; ders. Die Abgrenzung des strafbaren Versuchs, SchwZStr. 72 (1957) 121; Wälder Straflose Vorberei-
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Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§ 2 2
tung und strafbarer Versuch, SchwZStr 9 9 (1982) 2 2 5 ; K. Weber Was lässt der Beschluss des 3. Strafsenats des BGH vom 10.7.2003 vom Handeltreiben übrig? NStZ 2 0 0 4 66; ders. Nichts Neues vom Handeltreiben? J R 2 0 0 6 139; U. Weber Urteilsanmerkung, M D R 1961 4 2 6 ; ders. Probleme der Versuchsstrafbarkeit bei mehreren Beteiligten, Festschrift Lenckner (1998) 4 3 5 ; v. Weber Der Irrtum über einen Rechtfertigungsgrund, J Z 1951 2 6 0 ; Weigend Die Entwicklung der deutschen Versuchslehre, in Hirsch/Weigend, Strafrecht und Kriminalpolitik in Japan und Deutschland (1989) 112; Welp Vorangegangenes Tun als Grundlage einer Handlungsäquivalenz der Unterlassung (1968); Welzel Urteilsanmerkung, J Z 1953 119; ders. Irrtumsfragen im Steuerstrafrecht N J W 1953 4 8 6 ; Wessels Zur Problematik der Regelbeispiele für „schwere" und „besondes schwere Fälle", Festschrift Maurach (1975) 295; Winkler Verbrechen und Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, NStZ 2 0 0 6 328; Wolter Vorsätzliche Vollendung ohne Vollendungsvorsatz? Festschrift Leferenz (1983) 545; ders. Zum umgekehrten dolus generalis, GA 2 0 0 6 4 0 6 ; Wolters Versuchsbeginn bei Einsatz eines sich selbst schädigenden Tatmittlers, N J W 1998 5 7 8 ; ders. Urteilsanmerkung, J R 1 9 9 9 36; Womelsdorf Zur Problematik des Versuchs beim unechten Unterlassungsdelikt (1976); Zaczyk Das Unrecht der versuchten Tat (1987); ders. Urteilsanmerkung, StV 1992 377; Ζielinski Handlungsund Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff (1973); Zieschang Die Gefährdungsdelikte (1998); Zoll Der untaugliche Versuch im polnischen Strafrecht, Festschrift Eser (2005), 655; Zopfs Vermeintliche Mittäterschaft und Versuchsbeginn, Jura 1996 19. Vgl. auch das Schrifttum Vor § 2 2 . Übersicht Rdn. 1 I. Entstehung und Ziele der Neuregelung 1 1. Vergleich mit § 2 6 E 1962 und § 2 4 AE 3 2. Zielsetzungen gegenüber § 4 3 a.F. . . 8 II. Begriff und Struktur des Versuchs . . . . 10 ΙΠ. Voraussetzungen des Versuchs 10 1. NichtVollendung der Tat a) Vorrang der Vollendung 10 b) Tätigkeitsdelikte 12 c) Erfolgsdelikte 15 d) Gründe der Nichtvollendung . . . . 18 e) Problemfälle 19 aa) Kausalität und objektive Zurechnung 20 bb) Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements 25 2. Strafbarkeit des Versuchs 27 3. Subjektiver Tatbestand 30 a) Vorrang des Tatentschlusses 30 b) Vorsatz 31 aa) Wissenskomponente 32 bb) Willenskomponente 38 40 c) Tatentschlossenheit aa) Tatgeneigtheit 41 bb) Tatentschluss auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage . 44 cc) Tatentschluss mit Rücktrittsvorbehalt 51 d) Subjektive Unrechtselemente . . . 53 4. Objektiver Tatbestand a) Dogmengeschichtliche Entwicklung und gesetzgeberische Entscheidung b) Heutiger Meinungsstand aa) Individuell-formelle Theorien bb) Individuell-materielle Theorien cc) Vereinigungslehren dd) Harmonisierungslehren . . .
54 55 63 65 68 70 72
Rdn. c) Stellungnahme d) Konkretisierung der Ansatzformel für den unbeendeten Versuch . . aa) Vorstellung von der Tat . . . bb) Teilverwirklichung des Tatbestandes cc) Bedeutung der „Verwirklichung des Tatbestandes" dd) Folgerungen für eine modifizierte Zwischenaktslehre . . . ee) Handlungsunmittelbarkeit . . ff) Gefahr der Verwirklichung des Tatbestandes e) Anwendbarkeit der Ansatzformel im Nebenstrafrecht f) Anwendung der Ansatzformel auf Sonderfälle aa) Qualifizierte Tatbestände, zusammengesetzte Delikte und Regelbeispiele Alternativfälle Beendeter Versuch Unterlassungsdelikte Mittelbare Täterschaft . . . . Actio und omissio libera in causa gg) Mittäterschaft 5. Rechtswidrigkeit und Schuld . . . . IV. Untauglicher Versuch und Wahndelikt . 1. Untauglicher Versuch a) Begriff b) Umkehrschluss c) Strafbarkeit und Strafbarkeitsgrenzen d) Arten des untauglichen Versuchs e) Sonderfälle
Thomas Hillenkamp
bb) cc) dd) ee) ff)
77 86 87 92 96 99 103 110 117
120
120 129 131 142 153 165 170 177 179 179 179 180 183 194 198
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§ 2 2
2. Abschnitt. Die Tat Rdn.
2. Wahndelikt a) Begriff b) Straflosigkeit c) Arten des Wahndelikts 3. Sonderfälle a) Irrtum über Entschuldigungs- und Strafausschließungsgründe
Rdn.
201 201 202 203 207
b) Irrtum über die Verbrechensqualität (§ 30) c) Unechte Unterlassungsdelikte . . . 4. Problemfälle a) Vorfeldirrtum b) Untauglichkeit des Subjekts . . . . c) Doppelirrtum
207
208 209 210 210 230 238
Stichwortverzeichnis Zahlen = Randnummern (ohne Zusatz: Kommentierung des § 22); „Vorbem." = Vor § 22; „§ 2 2 " = Kommentierung des § 22; „§ 2 3 " = Kommentierung des § 23 abergläubischer Versuch Vorbem. 48 f, 59, 64, 73, 79; § 22 189-193; § 23 50 f aberratio ictus Vorbem. 134 actio illicita in causa 169 actio libera in causa 148, 165-167, 177 - Versuchsbeginn 165-167 agent provocateur Vorbem. 33, 38, 131 Alternativentwurf (AE) Vorbem. 47, 49, 52, 54, 61; § 22 1-3, 5, 6, 29, 32, 88, 91, 92, 99, 188, 191; § 23 7,47 alternativer Vorsatz - s. dolus alternativus Alternativfälle 88, 129 f Anerbieten, Annahme eines - Vorbem. 4 Anerkennungsverhältnis, Theorie von der Verletzung des -ses Vorbem. 88 f Angriffstheorie 69 Apothekerfall - s. Giftfalle Ansatzformel - s. unmittelbares Ansetzen Anstiftung, Anstifter Vorbem. 42 f, 131, 133, 134, 136-140 - versuchte - Vorbem. 136-140 - des Tatgeneigten 42 f atypischer Geschehensverlauf 23 Aufgabe vorbehält 51 Auflauerungsfälle 89, 107, 197 ausländisches Recht Vorbem. 145-151 Bambergensis Vorbem. 40 beendeter Versuch 131-141 - Erfolgsautomatik 136-139 - notwendige Opfermitwirkung 140 f - unmittelbares Ansetzen 131-141 - Versuchsbezogenheit § 23 32 Beendigung Vorbem. 15 f, 19-38 - Abschichtung von der Vollendung Vorbem. 24-33 - Absichtsdelikte Vorbem. 15 f, 36 - und agent provocateur Vorbem. 33, 38 - Dauerdelikte Vorbem. 27 - Differenzierungsgebot Vorbem. 32 f - bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung Vorbem. 28 - Gefährdungsdelikte Vorbem. 25 f - bei Tatbeständen mit iterativer Struktur Vorbem. 27/", 31,36
1456
- beim räuberischen Diebstahl Vorbem. 37 - sukzessive Beihilfe und Mittäterschaft Vorbem. 37 - Unternehmensdelikte Vorbem. 25 f - und Verjährung Vorbem. 33, 37 - Zuständsdelikte Vorbem. 31 Beginn des Versuchs - s. unmittelbares Ansetzen Begriff des Versuchs 8 f Beihilfe Vorbem. 130, 131, 135 - versuchte ~ Vorbem. 135 Bestimmtheitsgebot 4, 28, 82, 86 Bestrafung des Versuchs Vorbem. 44, 45 code pénal Vorbem. 40-42, 44, 46, 49, 51 cogitationis poenam nemo patitur Vorbem. 3, § 22 60; § 23 50 Constitutio Carolina Criminalis Vorbem. 33, 37 DDR Vorbem. 145-147 dolus alternativus 37, 39 dolus cumulativus 37 Doppelirrtum - s. Irrtum Doppelverwertungsverbot § 23 43-45 dualistische Versuchstheorie Vorbem. 86 E 1962 Vorbem. 47, 49, 52, 54, 61; § 22 2-6, 9, 62, 65, 86, 92, 106, 120, 127, 183, 188, 190, 204, 232; § 23 51,56, 6 1 , 6 4 , 6 9 Eindruckstheorie Vorbem. 56, 77-80; § 22 72, 79, 188, 190; § 23 9, 50, 64, 69 Einwilligung 26 Entstehungsgeschichte der Versuchsregelung Vorbem. 39-41; § 22 1 f; § 23 46 f Entwicklungsstufen der Vorsatztat Vorbem. 1-38 Erfolgsdelikt - obligatorische Strafmilderung bei Versuch? § 23 18
erfolgsqualifiziertes Delikt Vorbem. 107-118 - erfolgsqualifizierter Versuch Vorbem. 108-114 - Möglichkeit des Versuchs Vorbem. 107 - Strafbarkeit des Versuchs Vorbem. 109, 114 - versuchte Erfolgsqualifikation Vorbem. 115-117 Erfolgsunwert § 23 8, 22 Erlaubnistatbestandsirrtum - s. Irrtum umgekehrter
T h o m a s Hillenkamp
Begriffsbestimmung - s. Rechtfertigungselement, subjektives Erwartungsfälle - s. Auflauerungsfälle error in persona Vorbem. 134; § 22 33 f europäisches Recht Vorbem. 148-151 fahrlässiger Versuch Vorbem. 14 f; § 22 29 fakultative Strafmilderung Vorbem. 45-47, 61, 72, 79, 85, 124, 147; § 23 7 - 4 5 - Ausschluss bei Unternehmensdelikten § 23 16 - Doppelverwertungsverbot § 23 43—45 - Geltungsumfang der Regelung § 23 15 f - Strafrahmenwahl § 23 2 4 - 3 5 - Verfassungsmäßigkeit der Regelung § 23 11 - Zweiaktigkeit der Strafzumessungsentscheidung § 2 3 13 fehlgeschlagener Versuch 52 formell-objektive Theorie 55 f Franksche Formel 57, 65, 131 Garantenstellung - irrige Annahme einer ~ 237 Gefahr der Tatbestandsverwirklichung Vorbem. 97 f; § 22 83-85, 100-102,110-119 Gefährdungsdelikt Vorbem. 15, 94, 96-98; § 22 74 - Versuch Vorbem. 15, 96-98 - Versuch als abstraktes - Vorbem. 94; § 22 74 Gefährlichkeitstheorie Vorbem. 68, 90 f; § 23 57 Generalprävention Vorbem. 82, 95 Gesetz der Grenzwertbestimmung § 23 33 Gesetzlichkeitsprinzip Vorbem. 35, 42, 66 - s. auch nullum-crimen-Grundsatz Gesinnungsstrafrecht Vorbem. 66, 67, 69 Giftfalle 139-141 grob unverständiger Versuch Vorbem. 73; § 22 188; § 23 4 6 - 7 6 - analoge Anwendung der Regelung § 23 74-76 - Entstehungsgeschichte der Regelung § 23 46 f - E 1962 § 23 61 - grober Unverstand § 23 60-71 - Grobheit des Unverstands § 23 68 - Kritik § 23 48 - praktische Bedeutsamkeit § 23 49 - Verletzung rechtlicher Denkgesetze § 23 66 - Rechtsfolge § 23 71-73 - bloße Sinnestäuschung § 23 64 - Verkennen der Subjektseigenschaft § 23 54 f Handeltreiben 13 Handlungsunmittelbarkeit 99-101, 103-109, 140 - Alternativfälle 130 - beendeter Versuch 140 - Einzelfälle der ~ 103-109 Handlungswille, unbedingter - s. Tatentschlossenheit Harmonisierungslehren 64, 72-76, 78-81
112, 130,
individuell-formelle Theorien 64, 65-67, 77 individuell-materielle Theorien 64, 68 /", 82-84 individuell-objektive Theorie 61 f Internationaler Strafgerichtshof Vorbem. 152
§ 2 2
irrealer Versuch - s. abergläubischer Versuch Irrtum 33 f, 177, 180-182, 201-229, 236 f, 239 - über Entschuldigungs- oder Strafausschließungsgründe 207 - Erlaubnistatbestandsirrtum 33, 177 - error in persona 33 - normative Tatbestandsmerkmale 182 - und Tatentschluss 33 f - umgekehrter Bestands- oder Gültigkeitsirrtum 204 - umgekehrter Subsumtionsirrtum 182, 205, 208 f, 220, 223, 224 f, 236 f, 239 - umgekehrter Tatbestandsirrtum 180-182 - umgekehrter Verbotsirrtum 180, 182, 201-206, 209, 218, 221 - über Verbrechensqualität 208 - Vorfeldirrtum 210-229 Jetzt geht es los, Schwelle zum ~ 64, 67, 69, 70, 72, 79 Kausalität, Fehlen der ~ 20, 22 Klingelfälle 103, 104, 107 kriminelle Energie § 23 34 Krisentheorie 67 kybernetische Systemtheorie Vorbem. 94 Lichthupen-Fall 103, 107, 113 Mangel am Tatbestand, Lehre vom - Vorbem. 93 materiell-objektive Theorien 57 f Missbrauchsfälle 108 Mittäterschaft 170-176 - Gesamtlösung 171, 173 f - Einzellösung 172 - Scheinmittäterschaft 175 f mittelbare Täterschaft - unmittelbares Ansetzen 153-164 Nebenstrafrecht 117-119 Nichtvollendung 9, 10-29 - Problemfälle 19-26 Normgeltung, Normgeltungsschaden Vorbem. 67, 81; § 22 80 - s. auch Theorie des expressiven Normbruchs nullum-crimen-Grundsatz Vorbem. 2, 127; § 22 27, 56, 77, 202 - s. auch Gesetzlichkeitsprinzip objektive Versuchstheorien Vorbem. 90-93 objektive Zurechnung, Fehlen der 20, 23 obligatorische Strafmilderung § 23 17-23, 40 - beim Erfolgsdelikt? § 23 18-23 - obligatorische Strafrahmenmilderung § 23 20 - beim unbeendeten Versuch? § 23 18 f ökonomischer Ansatz Vorbem. 95 omissio libera in causa 168 Opfermitwirkung 139-141 Organisationstheorie Vorbem. 94 österreichisches Recht Vorbem. 150 Parallelwertung in der Laiensphäre 182, 215, 217, 219, 222, 224, 228, 236
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2. Abschnitt. Die Tat
§ 2 2 Partikulargesetze V o r b e m . 4 1
-
Gesamtbetrachtungslehre § 2 3 25, 2 9
Pfeffertütenfall 7 3 , 1 0 7
-
versuchsbezogene G r ü n d e § 2 3 2 7 - 3 5
Plantheorie V o r b e m . 9 1
Strafzweck, Strafzwecklehre Vorbem. 8 0 , 8 2 , 89
Planung V o r b e m . 1, 3
Stromfalle 1 3 9 - 1 4 1
Preußisches Allgemeines L a n d r e c h t V o r b e m . 4 1
Struktur des Versuchs 8 f
Preußisches Strafgesetzbuch v o n 1 8 5 1 V o r b e m . 4 1 , 4 4 ,
subjektive U n r e c h t s e l e m e n t e 5 3 subjektive Versuchstheorie, subjektive Versuchslehre
49, 51, 5 4
V o r b e m . 6 0 - 6 2 ; § 2 2 6 f, 5 9 /", 1 8 4 , 1 9 0 , 1 9 3 , 2 0 2 ,
privilegierende T a t u m s t ä n d e -
229, 233; § 23 8-10, 30
umgekehrter Tatbestandsirrtum 195
Probierfälle 1 0 8 Qualifikationstatbestände 1 2 0 - 1 2 4 , 195 -
u n m i t t e l b a r e s Ansetzen 1 2 0 - 1 2 4
-
untauglicher Versuch 1 9 5
und g r o b unverständiger Versuch § 2 3 4 8 f
-
s. Tatentschluss
s u b j e k t i v - o b j e k t i v e T h e o r i e V o r b e m . 91 Subsumtionsirrtum, umgekehrter -
Fehlen des - 2 5 f, 1 9 9 f
rechtsfeindlicher W i l l e V o r b e m . 6 4 Regelbeispiele V o r b e m . 1 4 1 - 1 4 4 ; § 2 2 1 2 0 - 1 2 2 , 1 2 7 f, 195 unmittelbares Ansetzen V o r b e m . 141 f; § 2 2 1 2 0 - 1 2 2 , 127 f
Tatentschluss V o r b e m . 1, 3 ; § 2 2 9, 3 0 - 5 3 , 9 0 f -
untauglicher Versuch 1 9 5
-
„Versuch" eines - V o r b e m . 1 4 3 f
Regelstrafrahmen § 2 3 17 Reichsstrafgesetzbuch V o r b e m . 4 1 , 4 2 , 4 6 , 4 9 , 5 1 , 6 0 R e v o k a t i o n s m ö g l i c h k e i t 138, 1 6 6 R ü c k t r i t t V o r b e m . 5 3 f, 1 2 2 , 1 2 4 -
kein ~ beim unechten U n t e r n e h m e n s d e l i k t V o r b e m .
-
bei t a t b e s t a n d l i c h u m s c h r i e b e n e n Vorbereitungs-
124 handlungen V o r b e m . 1 2 2
auf bewusst unsicherer T a t s a c h e n g r u n d l a g e V o r r a n g des - 3 0
-
und Vorstellung des T ä t e r s von der T a t 9 0 f
-
Wissenskomponente 3 2 - 3 7
-
Willenskomponente 38
Tatentschossenheit 4 0 - 5 2 -
R ö m i s c h e s Statut V o r b e m . 1 5 2
R ü c k t r i t t s v o r b e h a l t 51 44-50
-
-
s. Irrtum
Tankstellenfall 8 0 , 1 0 3 , 1 0 7
Rechtswidrigkeit 177
-
und fakultative Strafmilderung § 2 3 8 - 1 0 , 3 0
-
subjektiver T a t b e s t a n d
R e c h t f e r t i g u n g s e l e m e n t , subjektives -
-
Betätigung 5 0
-
Rücktrittsvorbehalt 51
-
Tatgeneigtheit 41—43
-
bewusst unsichere T a t s a c h e n g r u n d l a g e 4 4 - 5 0
Tatgeneigtheit 4 1 - 4 3 , 4 7 f -
A b g r e n z u n g z u m Tatentschluss a u f bewusst unsicherer T a t s a c h e n g r u n d l a g e 4 7 f
Rücktrittsvorbehalt 51
tätige R e u e V o r b e m . 1 2 2 , 1 2 4
Scheinmittäterschaft 175 f
Tätigkeitsdelikte V o r b e m . 9 6 , 9 8 f
Schuld 1 7 7
Tatprinzip V o r b e m . 2
Schuldunfähigkeit, sukzessive 2 4 , 1 7 7
Tatstrafrecht Vorbem. 7 3
Schutzminderungsfälle 1 0 9
Teilnahme Vorbem. 1 3 0 - 1 4 0
schweizerisches R e c h t V o r b e m . 1 5 0
-
a m Versuch V o r b e m . 1 4 2
Selbsttötung, - m o r d 1 0 4 , 1 4 0 f, 151
-
versuchte - V o r b e m . 132 f
Sonderdelikte
-
I r r t u m s k o n s t e l l a t i o n e n als versuchte - V o r b e m . 1 3 4
-
Teilverwirklichung des T a t b e s t a n d s 9 2 - 9 5
untauglicher Versuch o d e r W a h n d e l i k t ? 2 3 7
S o n d e r s t r a f r a h m e n n a c h § 4 9 I § 2 3 17,
41-45
T h e o r i e des expressiven N o r m b r u c h s V o r b e m . 8 1 ; § 2 2
80
Spezialprävention V o r b e m . 9 5 Sphäre(ntheorie) Vorbem. 9 7 ; § 2 2 7 2 Sprengfalle 1 3 9 - 1 4 1
U l t i m a - r a t i o - F u n k t i o n des Strafrechts V o r b e m . 6
Strafaufhebungsgründe 178
unbeendeter Versuch
Strafausschließungs-, S t r a f a u f h e b u n g s g r ü n d e 1 7 8 , 2 0 7
-
F o r d e r u n g n a c h o b l i g a t o r i s c h e r Strafmilderung
-
unmittelbares Ansetzen 8 6 - 1 1 6
-
Versuchsbezogenheit § 2 3 3 2
-
I r r t u m über - 2 0 7
§ 2 3 18
S t r a f b a r k e i t des Versuchs V o r b e m . 4 4 f; § 2 2 2 7 - 2 9 ; § 23 -
1-6
Kritik an der gesetzlichen R e g e l u n g § 2 3 4 - 6
unmittelbares Ansetzen V o r b e m . 50, 7 1 , 1 0 1 - 1 0 6 ,
Straffestsetzung, k o n k r e t e § 2 3 13, 3 8 ^ 4 5 -
136-140; § 22
54-176
doppelte B e r ü c k s i c h t i g u n g strafmildernder U m -
-
actio illicita in c a u s a 1 6 9
stände § 2 3 4 2 - 4 5
-
actio libera in c a u s a 1 6 5 - 1 6 7
-
Versuchs bezogene U m s t ä n d e § 2 3 4 0
-
Alternativfälle 1 2 9 f
-
bei W a h l des R e g e l s t r a f r a h m e n s § 2 3 3 9
-
beendeter Versuch 1 3 1 - 1 4 1
-
Entstehungsgeschichte des Versuchsbeginns V o r b e m .
Entscheidung n a c h p f l i c h t g e m ä ß e m Ermessen § 2 3
-
H a n d l u n g s u n m i t t e l b a r k e i t , Einzelfälle 1 0 4 - 1 0 9
38 f
-
mehraktige Delikte 1 2 6
Strafgrund des Versuchs V o r b e m . 5 5 - 9 5 S t r a f r a h m e n w a h l § 2 3 13, -
1458
24-45
50, 71
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§ 2 2
-
Mittäterschaft 1 7 0 - 1 7 6
U n t e r n e h m e n s d e l i k t , unechtes V o r b e m . 1 4 , 1 2 7 - 1 2 9
-
mittelbare T ä t e r s c h a f t 1 5 3 - 1 6 4
-
-
omissio libera in causa 1 6 8
-
Qualifikationstatbestände 1 2 0 - 1 2 4
-
Regelbeispiele 1 2 0 - 1 2 2 , 127 f
A b g r e n z u n g zwischen V e r s u c h und Vollendung V o r bem. 129
-
untauglicher Versuch V o r b e m . 1 2 7 f
-
bei Teilverwirklichung 9 4 f
Verbotsirrtum, umgekehrter
-
unbeendeter Versuch 8 6 - 1 1 6
-
-
echte Unterlassungsdelikte V o r b e m . 101,
-
U n t e r s c h e i d u n g zu Vergehen § 2 3 2
-
unechte Unterlassungsdelikte V o r b e m . 105 fo § 2 2
-
Versuchsstrafbarkeit § 2 3 3
142-151
V e r b r e c h e n s v e r a b r e d u n g V o r b e m . 4 , 9, 10
% 22
102-104;
152
-
versuchte Anstiftung V o r b e m . 1 3 6 - 1 4 0
-
zusammengesetzte D e l i k t e 1 2 0 - 1 2 2 ,
Vereinigungstheorien, -lehren V o r b e m . 5 6 , 83-85, 89,
9 2 , 1 0 0 , 1 0 2 , 1 0 6 , 1 2 4 , 127, 1 3 6 ; § 2 2 5, 3 6 , 179-200,
-
86,
91; § 2 2 6 4 , 7 0 f
126
untauglicher Versuch V o r b e m . 4 8 f, 6 2 , 6 4 , 83-85,
-
s. Irrtum
Verbrechen § 2 3 2 , 3
2 1 0 - 2 2 9 , 2 3 8 f; § 2 3 18 f, 5 2 - 7 1
-
zum Strafgrund V o r b e m . 5 6 , 8 3 - S 5 , 8 6 , 9 1
-
zum u n m i t t e l b a r e n Ansetzen 6 4 , 70 f
Vergehen § 2 3 2 - 4
a b e r g l ä u b i s c h e r Versuch V o r b e m . 4 8 f; § 2 2
-
U n t e r s c h e i d u n g zu V e r b r e c h e n § 2 3 3
189-193; § 23 52
-
Versuchsstrafbarkeit § 2 3 4
Abgrenzung W a h n d e l i k t 1 8 0 - 1 8 2 , 2 1 0
Verjährung Vorbem. 33, 3 7
-
absolut untauglicher Versuch § 2 3 5 7 f
Versuchsbezogenheit § 2 3 2 7 - 3 4 , 4 4
-
Besonderheiten § 2 3 5 3 - 5 9
-
Ausbleiben der Vollendung § 2 3 31
-
Doppelirrtum 2 3 8 f
-
und D o p p e l v e r w e r t u n g s v e r b o t § 2 3 4 4
-
grober Unverstand 1 8 8 ; § 2 3 6 0 - 7 1
-
r i s i k o m i n d e r n d e s Verhalten § 2 3 3 4
-
Irrtum über n o r m a t i v e T a t b e s t a n d s m e r k m a l e 1 8 2
-
unbeendeter/beendeter V e r s u c h § 2 3 3 2
-
obligatorische Strafmilderung bei Versuch? § 2 3
-
u n t a u g l i c h e r Versuch § 2 3 3 2 f
18 f
Versuchstheorien V o r b e m . 5 5 - 9 5
-
bei privilegierenden U m s t ä n d e n 1 9 5
Verweisungsbegriffe 217, 2 2 1 , 2 2 4
-
bei qualifizierenden M e r k m a l e n 1 9 5
Verwirklichung des T a t b e s t a n d s , G e f a h r der - 8 5 , 9 6 f,
-
rechtserschütternder E i n d r u c k V o r b e m . 6 4 ; § 2 2 187
9 9 - 1 0 1 , 110-116,
130
Völkerstrafgesetzbuch Vorbem. 1 5 2 ; § 2 2 117
-
bei Regelbeispielen 1 9 5
Vollendung V o r b e m . 1 7 f, 2 4 - 3 3 , 1 0 2 f; § 2 2
-
relativ untauglicher Versuch § 2 3 5 7 f
-
-
S t r a f b a r k e i t V o r b e m . 4 8 f, 6 2 , 8 9 , 9 2 ; § 2 2 1 8 3
-
U m k e h r u n g des T a t b e s t a n d s i r r t u m s 1 8 0 , 1 9 4
-
Erfolgsdelikte V o r b e m . 1 8 ; § 2 2
-
U n k e n n t n i s einer o b j e k t i v gegebenen R e c h t f e r t i -
-
als formeller Begriff V o r b e m . 1 7 ; § 2 2 11
gungslage 1 9 9
-
Problemfälle 1 9 - 2 6
-
Tätigkeitsdelikte V o r b e m . 1 8 ; § 2 2
-
Unterlassungsdelikte V o r b e m . 1 0 2 f; § 2 2 15
-
untaugliche T a t m o d a l i t ä t e n 1 7 9 ,
-
untaugliches O b j e k t 1 9 6
195
10-26
A b s c h i c h t u n g von der B e e n d i g u n g V o r b e m . 24-33 15-17
12-14
-
untaugliches M i t t e l 1 9 7
Vollendungsunwert
-
untaugliches S u b j e k t 2 3 0 - 2 3 7
-
-
im Unterlassungsbereich V o r b e m . 1 0 0 , 1 0 2 , 1 0 6 ;
V o r b e r e i t u n g , - s h a n d l u n g V o r b e m . 1, 5 , 6 f, 7 0 , 7 9 ,
-
bei Unternehmensdelikten V o r b e m . 1 2 4 , 1 2 7
-
Aufsuchen des T a t o r t s 1 0 7
-
Verkennen der S u b j e k t s e i g e n s c h a f t § 2 3 5 4
-
A u s k u n d s c h a f t e n des T a t o r t s 1 0 8
-
Versuchsbezogenheit § 2 3 3 2 f
-
A u s n a h m e n von der Straflosigkeit V o r b e m . 7
-
Vorfeldirrtum 2 1 0 - 2 2 9
-
-
bei Vorbereitungshandlungen 1 9 8
-
Bedeutung der Vorstellung des T ä t e r s 8 9
§ 2 2 193, 2 0 9
s. E r f o l g s u n w e r t 119-122; § 22
105-109
Herstellen und B e s c h a f f e n v o n T a t m i t t e l n und Werkzeugen 1 0 6
-
Beseitigung von H i n d e r n i s s e n 1 0 9
-
Straflosigkeit V o r b e m . 6
152
-
Schaffen einer Tatgelegenheit 1 0 8
unmittelbares Ansetzen V o r b e m . 1 0 1 ; § 2 2 1 5 2
-
als untauglicher Versuch 1 9 8
Unterlassungsdelikt, unechtes V o r b e m . 1 0 0 - 1 0 6 ; § 2 2
-
Versuch bei S o n d e r t a t b e s t ä n d e n V o r b e m . 1 1 9 - 1 2 2
Unterlassungsdelikt, echtes V o r b e m . 1 0 1 - 1 0 4 ; § 2 2 -
138, 1 4 2 - 1 5 1 , 2 0 9 f
-
-
untauglicher Versuch V o r b e m . 1 0 0 , 1 0 2 , 1 0 6 ;
-
Versuchsbeginn V o r b e m . 1 0 1 ; § 2 2 1 3 8 ,
-
Wahndelikt 2 0 9
§ 2 2 193, 2 0 9
Versuch bei unselbständigen A u s d e h n u n g e n eines H a u p t t a t b e s t a n d e s V o r b e m . 121 f
Vorfeldirrtum 142-151
-
s. Irrtum
Vorsatz
U n t e r n e h m e n s d e l i k t , echtes V o r b e m . 1 4 , 1 2 4 f
-
-
Vorsatzform 36
Abgrenzung zwischen Versuch und Vorbereitung
s. Tatentschluss
Vorbem. 125
Vorstellung des T ä t e r s von der T a t
-
untauglicher Versuch V o r b e m . 1 2 4
-
beim untauglichen Versuch 8 9
-
Versuch V o r b e m . 1 2 5
-
und Tatentschluss 9 0 f
Thomas Hillenkamp
87-91
1459
§22
2. Abschnitt. Die Tat
Wahndelikt 1 8 0 - 1 8 2 , 184, 201-239 - Arten 2 0 3 - Doppelirrtum 2 3 8 f - Irrtum über Entschuldigungs- oder Strafausschließungsgründe 2 0 7 - Irrtum über Verbrechensqualität {§ 30) 2 0 8 - Straflosigkeit 2 0 2 - umgekehrter Bestands- oder Gültigkeitsirrtum 2 0 4 - umgekehrter indirekter Verbotsirrtum 2 0 6 - umgekehrter Subsumtionsirrtum 2 0 5 - umgekehrter Verbotsirrtum 201 - beim unechten Unterlassungsdelikt 2 0 9 - untaugliches Subjekt 2 3 0 - 2 3 8 - Vorfeldirrtum 2 1 0 - 2 2 9
Zwangsläufigkeitstheorie 72 Zweckverfehlung 5 2 Zweiaktigkeit der Strafzumessungsentscheidung § 2 3 13 Zwischenaktslehre, modifizierte Vorbem. 139; § 2 2 8S-102, 118 f, 121, 129 f, 1 5 8 - 1 6 0 , 1 6 6 - 1 6 8 - actio libera in causa 166 f - Alternativfälle 88, 129 f - Handlungsunmittelbarkeit 9 9 - 1 0 1 , 103-109 - mittelbare Täterschaft 1 5 8 - 1 6 0 - im Nebenstrafrecht 118 f - omissio libera in causa 168 - beim unbeendeten Versuch 139 - unechte Unterlassungsdelikte 142, 144
Zielsetzung der Versuchsregelung 3 - 7 zusammengesetzte Delikte, unmittelbares Ansetzen
120-122, 126
I. Entstehung und Ziele der Neuregelung
1
1. Vergleich mit § 26 E 1962 und § 24 AE. § 22 ist durch das 2. StrRG eingefügt worden. Die Vorschrift versteht sich nach ihrer amtlichen Überschrift zwar als „Begriffsbestimmung" des strafbaren Versuchs. Sie verkürzt ihren Gegenstand gegenüber § 43 a.F. und § 26 E 1962 aber auf die maßgeblichen Kriterien für dessen Abgrenzung zur straflosen Vorbereitung. In dieser Zurückhaltung folgt sie der bewusst (Noll Gesetzgebungstechnik S. 43 f) nicht umfassend auf den Begriff, sondern auf die Lösung des im Mittelpunkt stehenden Problems zugeschnittenen Definition des § 24 AE. Auch inhaltlich knüpft § 22 an diese in ihrer Formulierung auf Welzel (§ 24 III; Niederschriften 2 197) 1 zurückgehende Vorschrift, zugleich aber auch an den insoweit zwar nur wenig, aber nicht vollends unbedeutsam unterschiedenen Vorschlag des E 1962 an.
2
Zum Verzicht auf den in § 26 Abs. 1 E 1962 erwähnten „Vorsatz, die Tat zu vollenden" bewog den Gesetzgeber, dass mit der Wendung „nach seiner Vorstellung" das für den Versuch vorausgesetzte vorsätzliche Handeln hinreichend klargestellt und dass die Ausrichtung des Vorsatzes auf Tatvollendung ohnehin selbstverständlich sei. Zur Ersetzung der übrigen Merkmale des ersten Absatzes und ihrer Teildefinition in § 26 Abs. 2 E 1962 durch die deutlich merkmalsärmere geltende Fassung fühlte sich der Gesetzgeber berechtigt, weil das insoweit prägnantere Vorbild des § 24 AE den Inhalt des umständlicheren und pedantischen E 1962 nur auf dessen wesentliche Aussage zurückführe (zust. Baumann § 32 II 2; krit. Blei AT § 66 II). In der Sache berichtigte der Gesetzgeber die Ansatzformel des § 24 AE dann allerdings in zweierlei Hinsicht in Anlehnung an den E 1962. Bevorzugt wurde einerseits die Wendung „nach seiner Vorstellung", weil sie sich besser als die Formulierung „nach seinem Tatplan" für Affekttaten eigne, in denen es an einer zeitlich vorangehenden Planung fehle. Andererseits gab die auf die Straftat bezogene AE-Formulierung „zu ihrer Verwirklichung unmittelbar ansetzt" zu Bedenken Anlass, weil sie zu einer gewissen Vorverlagerung des Beginns der Versuchsstrafbarkeit führen könnte. Um einer solchen Gefahr zu begegnen, wählte der Gesetzgeber die Wen1
Welzeis Formulierung (§ 24 III vor 1): „Der Versuch beginnt mit derjenigen Tätigkeit, mit der der Täter nach seinem Verbrechensplan unmittelbar zur Verwirklichung des Verbrechenstatbestandes ansetzt" macht allerdings
1460
die Tatsache, dass es um den Versuchsbeginn und nicht um eine begriffliche Festlegung des Versuchs im ganzen ging, deutlicher als der Gesetzestext, vgl. Jakobs 25/55.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
dung „zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt". Damit sollte klargestellt werden, „dass nicht irgendein beliebiges Ansetzen zu der Straftat schlechthin, sondern nur ein solches zur Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals ausreicht" (BTDrucks. V/4095 S. 11; Corves Prot. SA V 1745 f). 2. Zielsetzungen gegenüber § 43 a.F. Die Ziele, die der Gesetzgeber mit der Ablösung der mit § 43 a.F. überkommenen Versuchsregelung durch § 22 verfolgte, lassen sich aus den zu § 26 E 1962 und § 24 AE niedergelegten Vorstellungen herleiten, weil sich der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform mit diesen im Grundsatz verband (BTDrucks. V/4095 S. 11; Prot. SA V 1651 f; 1745 ff).
3
Vornehmliches Ziel war es danach, die für die Strafbarkeit entscheidende Abgrenzung von strafloser Vorbereitung und strafbarem Versuch in einer dem Bestimmtheitsgebot besser gerecht werdenden Weise festzuschreiben (E 1962 Begr. S. 143). Das sollte in zweierlei Weise geschehen. Zum ersten sollte die in der Formulierung „Anfang der Ausführung" nicht deutlich entschiedene Frage, ob sich der Versuchsbeginn auf das der tatbestandsmäßigen Handlung unmittelbar vorangehende Verhalten erstrecke, den Bedürfnissen der Praxis gemäß im bejahenden Sinne entschieden werden. Zum zweiten wollte man durch die Beschränkung dieser Ausdehnung auf die unmittelbar der Tatbestandsverwirklichung vorangehende Phase der zwar teilweise widersprüchlichen, in der Tendenz aber die Grenze des strafbaren Versuchs eher weit in den Bereich der Vorbereitung hineinziehenden Rechtsprechung (E 1962 Begr. S. 144 zitiert als Beleg RGSt 72 66; 77 173) entgegentreten (s. Blei JA 1975 95).
4
Mit der Wendung „nach seiner Vorstellung" verknüpfte der Gesetzgeber das weitere Ziel, auch in § 22 zu erkennen zu geben, dass für ihn der Streit um die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs im Sinne der sie bejahenden Rechtsprechung entschieden sei (E 1962 Begr. S. 143). Dieses Ziel fügte sich in das Bemühen, dem Bestimmtheitsgebot besser gerecht zu werden als § 43 a.F.; denn diese Vorschrift hatte nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur die Grenze nicht deutlich festgelegt, ab der die Strafbarkeit beginnt, sondern auch nicht entschieden, ob der untaugliche Versuch im Sinne der subjektiven Versuchslehre strafbar ist (s. zu beidem Bockelmann J Z 1954 468).
5
Dass der Gesetzgeber mit dem naturgemäß nicht nur für den untauglichen Versuch maßgeblichen Verweis auf die Tätervorstellung als Beurteilungsgrundlage für die Abgrenzungsfrage und die (auch) mit ihm implizit getroffene Entscheidung für die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs den weiteren „Zweck" verband, „die subjektive Versuchstheorie zu kodifizieren" (AE Begr. S. 61; vgl. auch E 1962 Begr. S. 143 f; Corves Prot. SA V 1651 f), ist zwar im zuletzt beschriebenen Zusammenhang (Rdn. 5) zu verstehen. Das damit abgelegte uneingeschränkte Bekenntnis zu dieser Theorie hat in seiner Anbindung an § 22 aber begreiflicherweise Irritationen bewirkt; denn das vornehmlich mit dieser Vorschrift verfolgte Ziel, „den Versuch hart an die Grenze der Tatbestandshandlung" heranzurücken (Roxin Einführung S. 15 f), scheint auf dem Boden einer für die gerügten Überspannungen von der Rechtsprechung gerade in Anspruch genommenen subjektiven Versuchslehre nur schwerlich erreichbar. Zudem ist die Voraussetzung des unmittelbaren Ansetzens zur Verwirklichung des Tatbestandes ersichtlich weder Forderung noch Folge einer betont subjektiven Versuchstheorie. Man hat daher der Gesetzesbegründung vorgehalten, sie stehe insoweit in Widerspruch zum Gesetz (/. Meyer ZStW 87 [1975] 598, 603) und sich dafür auch auf die Wertung berufen, das „neue Recht" erteile in § 22 „der subjektiven Theorie eine Absage" (Jescheck SchweizZStR 91 [1975] 1, 29).
6
Die damit bemängelte Spannung ist nicht ganz auflösbar. Sie ist aber geringer, als mit der zitierten Kritik gerügt. Denn richtig ist zwar, dass sich in der Ansatzformel zur
7
Thomas Hillenkamp
1461
§22
2. Abschnitt. Die Tat
Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch im hierzu überkommenen Streit ein „individuell-objektiver" Standpunkt durchgesetzt hat, der sich mit einer „rein subjektiven" Betrachtungsweise dieser Frage nicht mehr verträgt (Jescheck/Weigend § 49 IV 1; Roxin Einführung S. 15). Auch ließe sich dieser Standpunkt zum Beginn des Versuchs sicher müheloser mit einer nicht ausschließlich subjektiven Versuchslehre vereinen. Er ist aber mit einem Grundbekenntnis zu dieser Lehre entgegen erstem Schein nicht unvereinbar (s. Kühl JuS 1980 120, 121; Lackner/Kühl Rdn. 11 mit Rdn. 4). Denn diese Lehre umschreibt das Unrecht und den Strafgrund des Versuchs (s. vor § 22 Rdn. 60 ff). Hierzu ist die Festlegung der Grenze zwischen Vorbereitung und Versuch nur eine Folge (missverständlich daher Heinrich AT I Rdn. 633, 637). Sie lässt sich ohne Preisgabe der subjektiven Versuchslehre auch nach objektiven Maßstäben treffen, solange sie sich dabei nur an der subjektiven Vorstellung des Täters orientiert (s. Corves Prot. SA V S. 1652; vor § 2 2 Rdn. 71). Diese letztere Entscheidung hat der Gesetzgeber in § 22 getroffen (Streng ZStW 109 [1997] 863, 864 f).
II. Begriff und Struktur des Versuchs 8
Was das Gesetz in § 22 als „Begriffsbestimmung" des Versuchs bezeichnet, ist in Wahrheit nur eine Bestimmung des Versuchsbeginns (s. Rdn. 1; Sch/Schröder/Eser Rdn. 1; Zaczyk NK Rdn. 1; nicht anders § 13 Abs. 1 OWiG). Begriff und Struktur des Versuchs lassen sich daher aus der gesetzlichen Regelung nur unter Einbeziehung des Wesens des Versuchs erschließen. Danach ist für den Versuch kennzeichnend, „dass der vollständigen Erfüllung des subjektiven Tatbestands durch den Täter" zwar „ein Mangel im objektiven Tatbestand gegenübersteht" (BGHSt 36 221, 222 f; BGH StV 1986 201), 2 die Tat aber durch ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestands über das Stadium der Vorbereitung hinaus gediehen ist. In diesem Sinne ist Versuch die vollständig gewollte, aber unvollständig gebliebene, zwischen Vorbereitung und Vollendung liegende Tat (Lackner/Kühl Rdn. 1; Tröndle/Fischer Rdn. 2; Vogler LK 1 0 Rdn. 1). Die darin enthaltene Beschreibung der drei Elemente des Versuchs - NichtVollendung der Tat, Tatentschluss und unmittelbares Ansetzen zur Tat - macht deutlich, dass es einen Versuch „an sich" nicht gibt. Er ist ein unselbständiger Tatbestand, der sich in seinen drei Bestandteilen stets auf einen gesetzlichen Straftatbestand bezieht und hierin seine notwendige Ergänzung findet.3
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Der mit dem vollständigen subjektiven Tatbestand gleichzusetzende „Entschluss", die Tat zu verüben, ist allerdings als subjektives Merkmal des Versuchs - anders als noch in § 43 a.F. - in § 22 nicht mehr enthalten. Auch sein wesentlicher Bestandteil, der Vorsatz (in § 26 Abs. 1 E 1962 noch neben der Vorstellung aufgeführt), ist nicht mehr genannt. Der Vorsatz ist aber in der Wendung „nach seiner Vorstellung" nach Auffassung des Gesetzgebers als Voraussetzung des Versuchs nach wie vor hinlänglich verankert (BTDrucks. V/4095 S. 11). Zu ihm treten im besonderen Straftatbestand etwa verlangte
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Lackner/Kühl Rdn. 1; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 4. Es gibt folglich nur einen Mord-, Diebstahls-, Betrugs- usw. -versuch; s. Baumann/Weber/ Mitsch § 26 Rdn. 1; Haft S. 225; Jescheck/ Weigend § 49 III vor 1; Kühl JuS 1980 120, 122; Sauermann Versuch S. 31; Vogler LK10
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Vor § 22 Rdn. 16; ders. FS Stree/Wessels, S. 285, 290; die Forderung, dass auch beim Versuch das Tatbild der vollendeten Tat maßgeblich prägende Merkmale objektiv gegeben sein müssten, ist daraus entgegen T. Maier Objektivierung S. 239 ff nicht ableitbar (s. auch vor § 22 Rdn. 11).
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
Absichten, Tendenzen und Motive (Rdn. 53) ergänzend hinzu. Dieser vollständige subjektive Tatbestand beansprucht im Versuch schon angesichts der Unvollständigkeit des objektiven Tatbestands den Vorrang.4 Ihm schreibt auch der Gesetzgeber für die Begründung schon des tatbestandsmäßigen Unrechts des Versuchs Maßgeblichkeit zu.5 Hinzukommen muss die Betätigung des Tatentschlusses durch ein Verhalten, das nach § 22 zwar nicht schon (teilweise) Verwirklichung des Tatbestandes, aber zumindest unmittelbares Ansetzen hierzu sein muss. Auf die Benennung der Nichtvollendung der Tat als Begriffsmerkmal des Versuchs (§ 26 Abs. 1 E 1962) oder als Voraussetzung seiner Bestrafung (§ 43 Abs. 1 a.F.) hat § 22 ohne hierauf eingehende Begründung zwar verzichtet. 6 Das ändert aber weder etwas an der unbestrittenen Einsicht, dass der Versuch als Vorstufe jeder Vollendung in dieser aufgeht, 7 noch daran, dass vom Stadium des Versuchs als eigenständiger Unrechtsform sinnvollerweise nur bis zum Eintritt der Vollendung zu sprechen ist (Lackner/Kühl Rdn. 1). Das und nicht, dass bei Vollendung der Tatbestand des Versuchs nachträglich entfällt, ist seit jeher gemeint, wenn von der Nichtvollendung von einem für den Versuch „begriffsnotwendigen" negativen Merkmal die Rede ist. 8 Die die gegenteilige Aussage angreifende Kritik 9 geht daher ins Leere.
III. Voraussetzungen des Versuchs 1. Nichtvollendung der Tat a) Vorrang der Vollendung. Anlass zu einer Versuchsprüfung besteht nur dann, wenn es zur (zurechenbaren, s. Rdn. 20, 23) Vollendung der Tat nicht gekommen ist. 10 Schon deshalb steht die Feststellung fehlender Vollendung am Anfang. Sich dieser Vorfrage jedenfalls in Zweifel zulassenden Fällen zunächst und genauer zuzuwenden, begegnet zudem der Gefahr, die Sachlage unangemessen zu bewerten. So kann die vorschnelle Ablehnung der Vollendung den Täter im Falle der Straflosigkeit des Versuchs,11 eines „Rücktritts" oder des Gebrauchmachens von der Möglichkeit der Strafmilderung (§ 23 Abs. 2) zu Unrecht bevorteilen. Umgekehrt kann eine unbedachte Bejahung der Voll-
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υ. Heintschel-Heinegg Rdn. 4 7 6 ; Kühl § 15 Rdn. 7. Blei AT § 65 I; Gallas Beiträge S. 48; der Vorsatz ist beim Versuch unabhängig von Handlungs- und Unrechtslehren daher stets als subjektives Unrechtsmerkmal behandelt worden, vgl. Roxin AT I § 10 Rdn. 64; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 3. Der Grund ist darin zu vermuten, dass die hierauf ebenfalls ohne ausdrückliche Begründung (s. AE Begr. S. 61 zu § 24) verzichtende AE-Formulierung vor allem deshalb den Vorzug erhielt, „weil sie weniger pedantisch wie die in § 26 E 62 vorgeschlagene wirkt und trotzdem ausreicht" (BTDrucks. V / 4 0 9 5 S. 11). Zweifel bei Rath JuS 1998 1006. So bei Jescheck/Weigend § 4 9 III vor 1; Sch/ Schröder/Eser Rdn. 2; vgl. auch Jakobs 2 5 / 2 4 ; Wessels/Beulke Rdn. 595. RGSt 41 352, 353 sagt hierzu: „Zwar hat § 43 StGB seinem
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Wortlaut nach die Nichtvollendung der geplanten Tat in die Begriffsbestimmung des Versuchs aufgenommen. Damit ist aber nicht etwa ein Tatbestandsmerkmal des versuchten Verbrechens geschaffen ...; vielmehr will die Hervorhebung der Nichtvollendung nur den Versuch gegen die vollendete Straftat abgrenzen und namentlich zum Ausdruck bringen, daß die Bestrafung der einzelnen Versuchshandlung nicht neben der Bestrafung des vollendeten Verbrechens stattfinden soll ... (Subsidiarität der Strafdrohung)"; ebenso BGH GA 1956 26, 28. Hardtung Jura 1996 293; Herzberg JuS 1996, 377; Herzberg MK Rdn. 28 f; klarstellend Kühl $ 15 Rdn. 8 mit Fn. 5b; Lackner/Kühl Rdn. 1. Vgl. Kühl § 15 Rdn. 8; Wessels/Beulke Rdn. 5 9 6 . So z.B. im Rahmen der §§ 316, 142, 153, vgl. dazu Rdn. 12.
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
endung ihm die mit dem Versuch verbundenen Privilegien entziehen. 1 2 Bleiben tatsächliche Zweifel, ob die Tat vollendet oder versucht ist, so ist aufgrund des Stufenverhältnisses zugunsten des Täters von Versuch auszugehen (vgl. RGSt 41 352; BGHSt 36 262, 268; Tröndle/Fischer § 1 Rdn. 21). 11
Vollendet ist die vorsätzliche Tat, sobald alle objektiven Tatbestandsmerkmale vorsätzlich verwirklicht sind, 1 3 (allenfalls) versucht, solange es an mindestens einem der objektiven Merkmale noch fehlt. 1 4 Danach ist die Vollendung ein formeller Begriff (vor § 22 Rdn. 17), der über die Rechtsgutsverletzung nichts aussagt. 1 5 Sein Inhalt richtet sich trotz seiner Erwähnung auch im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs (nämlich in §§ 11 Abs. 1 Nr. 6, 24, s. dazu Kühl FS Roxin. S. 667) ausschließlich nach der gesetzlichen Beschreibung des in Frage stehenden Tatbestands. Daher lässt sich die Vollendung auch nicht allgemein, sondern nur im Hinblick auf den einzelnen Tatbestand ermitteln (BGHSt 24 178; OLG Stuttgart Justiz 1996, 92). Einzelheiten gehören folglich in den Besonderen Teil. Das schließt es aber nicht aus, einige wenige verallgemeinerungsfähige Aussagen auch im hier erörterten Zusammenhang zu treffen.
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b) Tätigkeitsdelikte. Tätigkeitsdelikte sind bereits mit Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung vollendet (s. zum Unterlassen Rdn. 152). Daran fehlt es z.B. beim Voreid vor Abschluss der Aussage (RGSt 14 19), beim Nacheid vor der Beendigung des Schwurs (Lackner/Kühl § 154 Rdn. 10). Eine falsche uneidliche Aussage tritt erst dann in den Bereich der nur noch nach § 158 abmilderbaren 1 6 Strafbarkeit ein, wenn die Vernehm u n g abgeschlossen ist. Das ist sie nach der Rechtsprechung, wenn der Richter endgültig zum Ausdruck gebracht hat, dass er vom Zeugen keine Auskunft mehr erwartet (BGH N J W 1960 731; BayObLG StV 1989 251 mit Anm. Wächtler) und der Zeuge, dass er seinerseits nichts mehr bekunden und das bisher Geäußerte als seine verantwortliche Aussage gelten lassen will (BGHSt 8 301, 306, 314). Nach BGHSt 35 390 wird § 316 nicht bereits dadurch verwirklicht, dass der Fahruntüchtige in der Absicht, alsbald wegzufahren, den M o t o r seines Fahrzeugs anlässt und das Abblendlicht einschaltet, sondern erst dadurch, dass er das Fahrzeug in Bewegung setzt. Zuvor handle es sich allenfalls um unmittelbares Ansetzen zur Tat und damit um Versuch, den der Gesetzgeber bewusst straflos gelassen habe. § 142 verlangt, dass sich der Unfallbeteiligte vom Unfallort entfernt. Hielte man das für die Beschreibung eines reinen Tätigkeitsdelikts, müsste eine „Absetzbewegung" für Vollendung schon genügen. Der heute nicht mehr strafbare Versuch wäre dann von der die Entziehung durch Flucht durch das Sichentfernen vom Unfallort ersetzenden geltenden Regelung als Vollendung erfasst. Hält man dagegen richtigerweise an einer erfolgsorientierten Auslegung fest, die verlangt, dass die Beeinträchtigung des Feststellungsinteresses wenigstens konkret denkbar ist, ist für Vollendung das Verlassen des Bereichs zu verlangen, in dem der Zusammenhang mit dem Unfall noch
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Vgl. zu diesen Gefahren Arzt Strafrechtsklausur S. 210; Kühl JuS 1980 120, 122 f; Sonnen/Hansen-Siedler JA 1988 17, 23 f; gegen eine „Vorprüfung", in der Sache aber nicht anders Hardtung Jura 1996 293, 298 f. BGHSt 3 40, 43; Kühl JuS 1982 110; Lackner/Kühl vor § 22 Rdn. 2. Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 4; Otto AT ξ 18 Rdn. 15; Tröndle/Fischer Rdn. 2; Wessels/Beulke Rdn. 596.
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Freund § 8 Rdn. 27; Jakobs 25/1 g; Kühl Beendigung S. 18. Im straflosen „Versuchsstadium" kann die zunächst falsche Aussage ohne Einhaltung der Voraussetzungen des nicht einschlägigen § 24 „zurechtgerückt" und damit im ganzen gesehen richtig werden, BGH NStZ 1982 431, vgl. dazu Lackner/Kühl § 153 Rdn. 6; Sch/Schröder/Lenckner § 153 Rdn. 8; Tröndle/Fischer § 153 Rdn. 12.
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Begriffsbestimmung
ohne weiteres erkennbar ist (OLG Stuttgart J R 1981 2 0 9 mit Anm. Hentschel; Karlsruhe NStZ 1988 409). 1 7
§22 OLG
Die in den hier nur beispielhaft aufgeführten Entscheidungen sichtbar werdende Tendenz der Praxis, die hinter der jeweiligen Norm stehenden Schutzgutüberlegungen und die gesetzgeberische Entscheidung gegen eine Versuchsstrafbarkeit für einen eher späten, die Vollendung keinesfalls in den materiellen Versuchsbereich vorverlegenden Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen, verdient in dieser den Willen des Gesetzgebers achtenden Zurückhaltung Beifall, ihre bisweilen begegnende Preisgabe dagegen nicht. Das gilt namentlich für Entscheidungen, die das Handeltreiben im Sinne der §§ 29, 30 BtMG in einem Stadium für vollendet erklären, das bei materieller Betrachtung dem des Versuchs (BGH StV 1992 516; 517) entspricht. Solche Überdehnung leuchtet schon angesichts der hier gegebenen Versuchsstrafbarkeit nicht ein. Sie entzieht zudem dem noch Schwankenden Möglichkeiten der Umkehr, die ihm das Gesetz mit guten Gründen noch lässt. 18 Deshalb war es zu begrüßen, dass der 3. Senat in seinem Vorlagebeschluss an den Großen Senat den Eintritt in ernsthafte Verhandlungen für eine Vollendung des Handeltreibens nicht ausreichen lassen, sondern hierfür die Einigung zwischen Händler und Lieferanten verlangen wollte (BGH J R 2005 258, 260). 1 9 Es ist zu bedauern, dass der Große Senat (BGHSt 50 252) diesem dem Versuch einen eigenständigen und praxisrelevanten Raum lassenden Vorschlag nicht folgt. Die Aufforderung, durch ein Ausweichen in die Beihilfe die angemessene Strafmilderung zu erreichen (BGHSt 50 252, 266), ist nicht geeignet, die rechtsstaatlichen Bedenken gegen eine Überdehnung des Vollendungsstadiums auszuräumen.
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Die Möglichkeit der Umkehr ist andererseits selbst bei einem Zurückbleiben des Erreichten hinter dem Gewollten verwirkt, wenn das bereits Vollzogene die Tathandlung erfüllt. So liegt es z.B. dort, wo sexuelle Handlungen im Sinne der §§ 174, 176 die vom Täter erstrebte Intensität nicht erreichen (RGSt 58 278; 6 9 140, 142 f; OGH NJW 1950 710), die nötige Geschlechtsbezogenheit (BGH NStZ-RR 1997 292) und Erheblichkeit (§ 184c Nr. 1) aber schon aufweisen. 20 Ebenso ist ein räuberischer Angriff auf Kraftfahrer schon verübt, auch wenn sich der gewünschte Angriffserfolg nicht einstellt ( Wessels/Hillenkamp Rdn. 381 f, 388).
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Vgl. zur Abhängigkeit des Vollendungszeitpunkts von der Deutung des § 1 4 2 Kühl JuS 1 9 8 2 110, 111; Küper J Z 1981 2 0 9 , 2 1 2 ff.
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Z u Recht zurückhaltender daher B G H StV 1981 5 4 9 ; krit. i.S. des Textes Paeffgen F G B G H IV, S. III ff; Roxin Anm. StV 1 9 9 2 5 1 7 ; Strate Z R P 1 9 8 7 314; s. auch die Kritik von Zaczyk Anm. StV 1 9 9 2 3 7 7 an der Entscheidung B G H StV 1 9 9 2 3 7 6 , die die „Einfuhr" i.S. des § 3 0 Abs. 1 Nr. 4 B t M G früh für vollendet erklärt (vgl. auch BGHSt 31 2 1 5 ; 2 5 3 ; B G H N S t Z 1 9 9 3 2 8 7 ) ; zu weiterer Kasuistik im Nebenstrafrecht s. Tröndle/ Fischer Rdn. 13 ff.
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Vgl. dazu Niehaus J R 2 0 0 5 1 9 2 sowie den Anfragebeschluss B G H StV 2 0 0 3 5 0 1 mit Bespr. Gaede StraFo 2 0 0 3 3 9 1 , Roxin StV 2 0 0 3 6 1 9 und Weber N S t Z 2 0 0 4 6 6 . Der 2. Senat wollte an seiner bisherigen Recht-
sprechung festhalten (BGH N S t Z - R R 2 0 0 4 1 8 3 ) und betonte, dass von dem Vorschlag des 3. Senats nur erfolglose Ankaufs-, nicht aber erfolglose Verkaufsbemühungen erfasst werden (BGH StV 2 0 0 5 2 7 1 ) ; zum Zwischenstand s. D. Schmidt N J W 2 0 0 5 3 2 5 0 . Z u r Entscheidung des Großen Senats s. K. Weber J R 2 0 0 6 1 3 9 ; Winkler N S t Z 2 0 0 6 3 2 8 . Z u r zurückhaltenden Beurteilung der vollendeten Einfuhr in Fällen bloßer Zwischenlandung eines Betäubungsmittel-Kuriers im Inland s. B G H N S t Z 2 0 0 4 6 9 3 . 20
Vgl. auch BGHSt 31 317, 321 mit Anm. Stree N S t Z 1 9 8 3 5 5 1 : Der Tatbestand des § 9 9 Abs. 1 Nr. 1 „verlangt lediglich eine Tätigkeit für den Geheimdienst, nicht eine erfolgreiche" und von der Täterin eigentlich beabsichtigte „Durchführung nachrichtendienstlicher Aufträge".
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
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c) Erfolgsdelikte. Bei den Erfolgsdelikten fehlt es an der Vollendung naturgemäß dann, wenn der tatbestandsmäßige Erfolg ausbleibt. Worin dieser Erfolg besteht, ist wiederum eine Frage des jeweiligen Tatbestands. Bei den Verletzungsdelikten muss der Verletzungserfolg, bei den Tötungsdelikten also etwa der Tod des Menschen eingetreten sein. Darüber, wann das so ist, lässt sich auch nach Verabschiedung des TPG streiten. 21 Ist der Herz-Kreislauf-Stillstand noch nicht irreversibel, ist das Tötungsdelikt jedenfalls nur versucht. Konkrete Gefährdungsdelikte setzen einen Gefahrerfolg voraus, § 315c z.B. die konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines Menschen. 22 Ist im Tatbestand eine Drohung verlangt, gehört zur Vollendung, dass das Opfer von der Drohung Kenntnis erlangt (so BGH JR 2 0 0 5 159 zu § 250 Abs. 2 Nr. 1 mit insoweit zust. Anm. Gössel).23 Bei Äußerungsdelikten wie der Beleidigung oder dem Offenbaren eines Privatgeheimnisses ist - wie übrigens auch bei der Erregung eines öffentlichen Ärgernisses (§ 183a) - die Kenntnisnahme durch einen Dritten erforderlich. 24 Bleiben Gefährdung oder Kenntnisnahme aus, ist das Versuchsstadium nicht überschritten. Besteht der (erstrebte) Erfolg - wie es bei der Nötigung denkbar ist - in einem Unterlassen, ist die Tat in dem Zeitpunkt vollendet, in dem der Genötigte sonst die Handlung vorgenommen haben würde. Dann ist er in seiner Handlungsfreiheit beeinträchtigt. Ist die erstrebte Unterlassung - wie es bei §§ 253, 263 vorkommt - nur die den Erfolg bewirkende Handlung, muss der Erfolg noch hinzutreten, die Nichtgeltendmachung des Anspruchs also z.B. eine „schadensgleiche" Vermögensgefährdung bewirken (s. Schaffstein FS Dreher S. 159 ff).
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Abschwächungen gegenüber dem vom Täter Erstrebten verhindern die Vollendung dagegen nicht, sofern das schon Erreichte dem Tatbestandserfolg genügt. So muss der Genötigte die verlangte Handlung nicht in vollem Umfang vorgenommen haben. Hat er mit ihrer Ausführung begonnen, ist § 2 4 0 erfüllt (BGH NStZ 1987 70 mit krit. Anm. Otto JK 1987 StGB § 240/10). Hat das Nötigungsopfer im vorgesehenen Zeitpunkt von der geplanten Handlung (z.B. einer Anzeige) abgesehen, ist § 240 vollendet, auch wenn die Handlung später nachgeholt wird (Schaffstein FS Dreher S. 160). Die Brandstiftung ist vollendet, sobald die in Brand gesetzte Sache vom Feuer so erfasst ist, dass ein Weiterbrennen ohne Fortwirken des Zündstoffes ermöglicht wird (BGHSt 36 221). Hieran ändert sich folglich nichts, wenn der Brand gelöscht wird, bevor der vom Täter erstrebte erhebliche Schaden (s. § 306e) eintritt. Wird eine geringere Menge entwendet als gewünscht, hindert das die Vollendung des Diebstahls oder des Raubs 2 5 ebensowenig
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S. Hoff/in der Schmitten Wann ist der Mensch tot? (1995); Tröndle FS Hirsch, S. 7 7 9 ; zur Frage, ob beim Ausbleiben einer Infektion und damit einer Gesundheitsschädigung nach nichteinverständlichem Sexualkontakt mit einem HIV-Positiven eine vollendete körperliche Mißhandlung vorliegt, vgl. - bejahend - Herzberg Haftung S. 84 ff und - verneinend - Knauer GA 1998 428, 4 2 9 ff. Wovon bei einem mitfahrenden Insassen nicht allein deshalb auszugehen ist, weil der Fahrer erheblich angetrunken ist, vgl. klarstellend BGH NStZ 1996 83 mit zust. Anm. Berz.
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Zur Entscheidung vgl. auch Wessels/Hillenkamp BT/2 Rdn. 350a m.w.N. Vgl. Roxin AT I S 10 Rdn. 102. Zur zweifelhaften Einordnung des Diebstahls als Erfolgsdelikt vgl. Sch/Schröder/Lenckner25 vor §§ 13 ff Rdn. 72; die gewaltsame Wegnahme einer Jacke, um darin - vergeblich - nach Geld zu suchen, führt dagegen nicht zur Vollendung des Raubs (BGH StV 1983 4 6 0 ; 1987 245); zur Abgrenzung von Versuch und Vollendung beim räuberischen Diebstahl s. Küper Jura 2001 21.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
wie die einer Erpressung, wo der Täter eine geringere als die verlangte Summe erhält. Hier ist mit der Vollendung der Tat der weitergehende, auf Erlangung einer höheren Summe gerichtete, aber fehlgeschlagene Versuch verbunden (BGHSt 41 368, 371). Ohnehin gehört weitergehend und allgemein die Verwirklichung von gesetzlich vorausgesetzten bloßen Absichten und Motiven bisweilen zwar zur materiellen Beendigung der Tat (s. dazu vor § 2 2 Rdn. 2 0 , 2 4 , 2 6 , 32), nicht aber zum tatbestandlichen Erfolg. Daher bleibt es weder beim Betrugs- oder Erpressungsversuch, wenn der Täter die erstrebte Bereicherung nicht erzielt (BGHSt 19 3 4 2 ) , noch beim Versuch der Urkundenfälschung in ihren beiden ersten Alternativen, wenn es zur beabsichtigten Täuschung im Rechtsverkehr nicht kommt (Jakobs 25/lg/2). Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebes setzt für Vollendung keine Motivationserfüllung voraus (BGH N J W 1 9 8 2 2 5 6 5 ) . Bezieht sich allerdings der Zueignungswille beim Raub nur auf Wertgegenstände, liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor, wenn sich in dem dem Opfer entrissenen Beutel lediglich Turnschuhe befinden (BGH N S t Z 2 0 0 4 3 3 3 ) . Andererseits ändert sich an der Vollendung des Raubes nichts, wenn sich der Gegenstand, auf den sich die Zueignungsabsicht bezog, nachträglich als für den angestrebten weiteren Zweck untauglich erweist (BGH N S t Z 2 0 0 4 386).
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d) Gründe der NichtVollendung. Worauf die NichtVollendung gründet, ist für sie selbst ohne Bedeutung. 26 Dass der Erfolg nicht eingetreten ist, kann auf der Untauglichkeit des Mittels oder der Untauglichkeit des Objekts oder auf beidem beruhen, aber auch darauf, dass der (taugliche) Versuch aufgegeben wird oder fehlschlägt. Das Scheitern der Vollendung kann seine Ursache ferner in fehlender Täterqualität oder darin haben, dass das Geschehen nicht dort stattfindet, wo es nach dem Tatbestand stattfinden muss (z.B. im öffentlichen Straßenverkehr, § 315c). Bei Tätigkeitsdelikten wie dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln kann das Handlungsobjekt untauglich oder die Handlung nur bis zum Versuchsstadium gediehen, bei einem Delikt wie § 142 die vorausgesetzte Tätereigenschaft nicht gegeben sein. Da alle Gründe gleichermaßen der Vollendung entgegenstehen, kommt es auf ihre Grundlage nicht an. Sie gewinnt erst bei der Versuchsprüfung Bedeutung. Hier kann mit Rücksicht auf den Grund und Grad der Untauglichkeit des Mittels oder Objekts Strafmilderung oder Straflosigkeit (§ 2 3 Abs. 3) und bei der Untauglichkeit des Subjekts statt eines Versuchs auch ein Wahndelikt in Betracht kommen (Rdn. 2 3 0 ff). Für den Rücktritt kann die Entscheidung zwischen untauglichem und fehlgeschlagenem Versuch und die Tatsache der Aufgabe Bedeutung gewinnen. Ist der Versuch straflos, kommt es auf all das nicht an.
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e) Problemfälle. Häufig ist die Feststellung des Ausbleibens der Vollendung unproblematisch. Sie kann aber auch ein tieferes Eindringen in die Struktur des jeweiligen Merkmals oder Delikts verlangen. 27 Letzteres gilt etwa für die Fragen, wann eine konkrete Vermögensgefährdung schon „schadensgleich", 2 8 wann (z.B. in Selbstbedienungsläden)
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Sch/Schröder/Eser Rdn. 6; Vogler LK10 Rdn. 126. Vgl. Kühl Jus 1980 120, 122 ff; 1982 110 ff; 2002 730; Sonnen/Hansen-Siedler JA 1988 17, 22 ff; Beispiele aus dem Nebenstrafrecht bei Mack (S. 23, 77, 83, 84, 86, 88, 89, 102, 106, 124, 128, 129, 131, 134 und OLG Düsseldorf NJW 2005 1960 (zur Steuerhinterziehung durch Nichtabgabe einer Einkom-
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mensteuererklärung in Fällen des Erlasses eines Schätzungsbescheides nach und vor Veranlagungsschluss). Besser „schadensbegründend", vgl. Küper S. 372; zum Problem beim Betrug vgl. nur Tiedemann LK11 § 263 Rdn. 168 ff, 227 ff; Sch/Schröder/Cramer § 263 Rdn. 143 ff; bei der Untreue, bei der mangels Strafbarkeit des Versuchs hiervon die Strafbarkeit überhaupt
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
durch die Wegnahmehandlung ein Gewahrsamswechsel schon bewirkt 2 9 oder wann ein Gebäude schon in Brand gesetzt 3 0 ist. Bisweilen sind Schutzzweckerwägungen ausschlaggebend. So kann es an der Vollendung z.B. einer Geldfälschung (BGHSt 3 4 108), 3 1 einer Hehlerei (BGHSt 43 110), einer Geldwäsche (BGH StV 1 9 9 9 94) oder eines Handeltreibens im Sinne von § 2 9 Abs. 1 Nr. 1 B t M G (BGH StV 1981 5 4 9 ) fehlen, wenn inkriminierte Gegenstände nur in die Hand verdeckter Ermittler verschoben werden. Bisweilen ist als Vorfrage zu klären, ob ein von der Handlung getrennter Erfolg überhaupt verlangt ist. Dass beispielsweise beim Absetzen oder bei der Absatzhilfe ein Absatzerfolg ausbleibt, kann nur dann eine vollendete Hehlerei verhindern, wenn man den Absatzerfolg zur Voraussetzung dieser Tatvarianten macht. 3 2 20
aa) Kausalität und objektive Zurechnung. Dem Ausbleiben des tatbestandsmäßigen Erfolgs steht es gleich, wenn der Erfolg zwar eingetreten ist, dem Täter aber nicht zugerechnet werden kann. 3 3 Wann das so ist, ist eine Frage der Lehren von Kausalität und Zurechnung und daher nach deren Stand zu entfalten.
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Das geschieht verbreitet zunächst dadurch, dass auf die Fälle des Irrtums über den Kausalverlauf hingewiesen wird. 3 4 In ihnen legt die lange unwidersprochen gebliebene Rechtsprechung die Annahme zugrunde, dass sich der Vorsatz auf den Geschehensverlauf erstrecken, nicht aber alle seine ohnehin nicht vorhersehbaren Einzelheiten erfassen muss. Hieraus wird gefolgert, dass Abweichungen gegenüber dem vorgestellten Verlauf regelmäßig dann den Vorsatz nicht ausschließen, „wenn sie sich noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen" (BGHSt 7 325, 329; 2 3 135; 3 8 32, 34). Liegt es in einer der beiden Richtungen anders, entfällt hiernach aufgrund eines Tatbestandsirrtums der Vorsatz. In diesem Fall wird in der Regel ein Versuch angenommen, dessen vollständiger subjektiver Tatbestand sich daraus ergibt, dass an die Stelle der fehlenden Vorstellung vom wirklichen Ablauf die vorhandene von einem möglichen Weg zum Erfolg tritt. 3 5
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Den sich auf dieser Grundlage einstellenden Ergebnissen lässt sich in aller Regel zustimmen. In der Begründung ist dagegen genauer zu differenzieren. Es ist nämlich möglich, dass es trotz Eintretens des Erfolgs schon am objektiven Tatbestand mangelt. Dabei kann es zunächst an der Kausalität fehlen. Das ist allgemein etwa dort der Fall, wo ein späteres Ereignis ganz unabhängig von der früher gesetzten Bedingung eine neue Ursachenreihe eröffnet, die nicht an die vom Täter gesetzte anknüpft, sondern allein den Erfolg bewirkt (s. RGSt 6 9 4 4 , 4 7 ; B G H N S t Z 1 9 8 9 431). Hier spricht man von „über-
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abhängt, s. Schiinemann LK 11 § 266 Rdn. 146 ff; bei der Erpressung s. BGH StV 1998 80; 661. BGH NStZ 1987 71; OLG Karlsruhe NStZRR 2005 140, 141; Heintschel-Heinegg Rdn. 489 ff; Wessels/Hillenkamp Rdn. 109 ff, zu Selbstbedienungsläden Rdn. 116; BGHSt 41 198, 204 ff; OLG Düsseldorf NJW 1988 922; BayObLG StV 1998 205. Vgl. Lackner/Kühl § 306 Rdn. 3 m.w.N.; Wessels/Beulke Rdn. 597. Vgl. auch BGH NStZ-RR 2002 302 m.w.N.
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Was seit BGHSt 27 45 die ständige Rechtsprechung verneint, vgl. BGH NJW 1990 2897; BGH wistra 2006 16. Auch dann muß freilich Raum für Versuch bleiben, vgl. Wessels/Hillenkamp Rdn. 865 ff, 879 f. Haft AT S. 225; Häuf S. 112; Krey AT/2 Rdn. 395; Kühl $ 15 Rdn. 10; Rudolphi SK Rdn. 22; Wessels/Beulke Rdn. 596. Blei AT S 66 IV; Heintschel-Heinegg Rdn. 478; Sch/Schöder/Eser Rdn. 7; Vogler LK 10 Rdn. 127. Vgl. Jescheck/Weigend % 29 V 6 b; Vogler LK 10 Aufl. Rdn. 127.
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Begriffsbestimmung
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holender" Kausalität, die nur eine versuchte Tat übrig lässt. 3 6 Darüber hinaus kann nach der Rechtsprechung der nötige Ursachenzusammenhang auch dann ausbleiben, wenn z.B. beim Betrug die Verfügung durch den Irrtum nicht einmal mitbedingt (BGHSt 13 13; Roxin AT I § 11 Rdn. 31; Wessels/Hillenkamp Rdn. 521 f) oder wenn bei einer Erpressung die Zahlung nicht unter dem Druck der Drohung, sondern ausschließlich deshalb erfolgt ist, weil die Polizei dazu aus ermittlungstaktischen Gründen rät (BGH StV 1 9 9 8 78). Auch dann kommt nur Versuch in Betracht. Inwieweit hierbei „irgendeine ursächliche Verknüpfung" durch eine „spezifischere" zu ersetzen ist, ist eine Frage des Besonderen Teils (s. z.B. BayObLG NStZ 1990 2 8 1 zu § 2 4 0 ) , die dort in Abhängigkeit zum jeweiligen Tatbestand zu beantworten ist. Fällen objektiv fehlender stehen im Verfahren Fälle nicht nachgewiesener Kausalität gleich (BGHSt 3 6 1 mit Anm. Helgerth N S t Z 1 9 8 9 117). 3 7 Liegt Kausalität vor, kann es zum anderen an der objektiven Zurechnung fehlen. Z u ihren Voraussetzungen ist noch vieles im Fluss. So ist beispielsweise noch nicht geklärt, inwieweit Spätfolgen (wie z.B. der Tod) von der Zurechnung auszuschließen sind, wenn sie auf einer vom Täter zwar verursachten, sich dann aber erst über einen längeren Zeitraum entwickelnden Rechtsgutsverletzung beruhen. 3 8 Breitere Beachtung als dort hat der in solchen Fallgestaltungen aufgeworfene und der Zurechnungslehre allgemein zugrunde liegende Gedanke, dass schon der objektive Tatbestand die Verwirklichung gerade der unerlaubt gesetzten und vom Täter beherrschten Gefahr im Erfolg voraussetzt, in Fällen gefunden, die nach der herkömmlichen Lehre und Rechtsprechung nach den Regeln des Irrtums über den Kausalverlauf (Rdn. 21) zu entscheiden waren. Hier hat sich in der Wissenschaft weitgehend durchgesetzt, dass ein ganz ungewöhnlicher und atypischer und deshalb außerhalb des Vorhersehbaren liegender Geschehensverlauf schon die Behandlung des Erfolgs als Werk des Täters und nicht erst den Vorsatz ausschließt. 3 9 Die Annahme eines Versuchs wird daher in den Fällen wesentlicher Abweichung nach dieser Lehre schon aus einem Mangel am objektiven Tatbestand hergeleitet und die Frage der Zurechnung zum Vorsatz erst gestellt, wenn die Abweichung in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren und damit objektiv zurechenbar bleibt, vom Täter aber nicht bedacht worden ist. 4 0 Zwar führen solche Einsichten der neueren
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So z.B. im sog. Bratpfannenfall BGH NJW 1966 1823; es ist allerdings zweifelhaft, ob die Kausalitätsfrage dort richtig beurteilt worden ist, vgl. Wessels/Beulke Rdn. 165. Vgl. zu Zweifelsfällen auch BGHSt 32 25, 27; BGH StV 1986 200; Lackner/Kühl vor § 13 Rdn. 11; Tröndle/Fischer vor § 13 Rdn. 16. Vgl. hierzu in Fällen von HIV-Infizierungen die Beiträge von Bottke (S. 308 ff), Herzberg (S. 62 ff) und Scbünemann (S. 18 ff) in: Swarc AIDS und Strafrecht (1996) mit je unterschiedlichen Erwägungen dazu, ob es bei Eintritt des Todeserfolges an der objektiven Zurechnung und damit vor Eintritt am für den Versuch notwendigen Vorsatz (so i.E. Schünemann, der die Spätfolgen allerdings hier nicht - wie z.B. Schlehofer NJW 1989 2017, 2022 ff - aus dem Zurechnungszusam-
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menhang herausnehmen, wohl aber mit den §§ 224 ff abschließend erfassen will) oder ob es zwar bei Eintritt des Todeserfolges (innerhalb der Verjährungsfristen) weder an der objektiven Zurechnung noch am Vorsatz, wohl aber im Versuchsfall am unmittelbaren Ansetzen im Zeitpunkt der Infektion (so Herzberg S. 73 ff) oder ob es schließlich an nichts von allem fehlt (so Bottke); vgl. zusammenf. Knauer GA 1998 428 ff. Vgl. Frisch Zurechnung (1988) S. 575 ff; Roxin AT I § 12 Rdn. 151 ff; Rudolphi SK § 16 Rdn. 31; Wessels/Beulke Rdn. 259 f. Jescheck/Weigend § 29 V 6b; Mauracb/Zipf AT/1 § 23 Rdn. 28 f; wann es an der Zurechenbarkeit zum Vorsatz fehlt und deshalb - im Ergebnis wie bei einer wesentlichen Abweichung vom Kausalverlauf nach der herkömmlichen Irrtumslehre - Versuch an-
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2. Abschnitt. Die Tat
Zurechnungslehre regelmäßig nicht zu anderen Ergebnissen als die ü b e r k o m m e n e n L ö s u n g e n . 4 1 Auch lassen sich Einwände f o r m u l i e r e n . 4 2 Das rechtfertigt es aber nicht, die fortschreitende E n t w i c k l u n g der Zurechnungslehre im Bereich des Versuchs zu übergehen. 24
W i e nahe sich die Lösungen nach den unterschiedlichen Ansätzen bisweilen stehen, zeigt das Beispiel der sog. „sukzessiven Schuldunfähigkeit" (Lackner/Kübl § 15 R d n . 11). Hier geht es u m Fälle, in denen der T ä t e r im Stadium der Ausführung schuldunfähig wird und erst sein H a n d e l n in diesem Z u s t a n d den vorsätzlich geplanten Erfolg herbeiführt. Z u n ä c h s t besteht Einigkeit, dass weder Versuch noch Vollendung gegeben sind, wenn die Schuldunfähigkeit bereits im Vorbereitungsstadium eintritt ( B G H S t 2 3 3 5 6 , 3 5 8 mit krit. A n m . Geilen J u S 1 9 7 2 7 3 ) . 4 3 Geschieht dies erst nach Versuchsbeginn, entscheidet die R e c h t s p r e c h u n g nach den Regeln des Irrtums über den Kausalverlauf. D a n a c h k ö n n e n „Tötungen zum Vorsatz zugerechnet w e r d e n " ( B G H S t 2 3 133, 1 3 5 mit zust. A n m . Oehler J Z 1 9 7 0 3 7 8 ff), wenn der wirkliche T a t a b l a u f einschließlich der eingetretenen Schuldunfähigkeit nicht wesentlich v o m vorgestellten abweicht und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt ( B G H S t 7 3 2 5 , 3 2 9 ) . D a s hat der B G H im zuerst zitierten Fall bei einer „ A f f e k t a m n e s i e " im Stadium des unmittelbaren Ansetzens bejaht und im „ B l u t r a u s c h f a l l " , in dem bei Eintritt der Schuldunfähigkeit schon Verletzungshandlungen v o r g e n o m m e n w a r e n , n a h e g e l e g t . 4 4 Die Vertreter der neueren Zurechnungslehre bestätigen der Rechtsprechung ( B G H S t 7 3 2 5 , 3 2 9 f) die von ihr a n g e n o m m e n e nahe Verwandtschaft der zugrunde liegenden Konstellation mit den Fällen des sog. dolus generalis. W i e dort und in den übrigen Unterfällen der vom Vorsatz abweichenden Geschehensverläufe stellt sich für sie aber zunächst die Frage, o b es sich nicht schon aufgrund einer wesentlichen Abweichung um einen Fall fehlender objektiver Z u r e c h e n b a r keit handelt. D a s wird überwiegend mit Hinweis darauf verneint, dass der Eintritt der Zurechnungsunfähigkeit nicht außerhalb der Lebenserfahrung liege. Für die deshalb vorhersehbare und objektiv zuzurechnende, aber tatsächlich nicht vorhergesehene andersartige Erfolgsherbeiführung bleibt danach die Frage, o b sie dem T ä t e r zum Vorsatz zurechenbar i s t . 4 5 D a s wird in den hier behandelten Fällen mit Erwägungen bejaht, die von zunehmen ist, wird wiederum nicht einheitlich beurteilt, s. dazu Roxin AT I § 12 Rdn. 157 ff. Vgl. Roxin AT I § 12 Rdn. 152; Wessels/ Beulke Rdn. 260; der BGH hat es daher im Falle einer nach der tradierten Formel wesentlichen Abweichung dahinstehen lassen, „ob das vorliegende Problem der Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf allein unter dem Gesichtspunkt des Vorsatzes von Bedeutung ... oder ob bereits die objektive Zurechnung in Zweifel zu ziehen ist" (BGHSt 38 32, 34). Dass angesichts unterschiedlich formulierter Maßstäbe für die „Zurechnung zum Vorsatz" auch unterschiedliche Ergebnisse denkbar sind, zeigt etwa die Anwendung des von Roxin hierzu entwickelten Kriteriums der Planverwirklichung auf den Sonderfall der aberratio ictus, s. dazu Roxin AT I § 12 Rdn. 160 ff einerseits, Wessels/Beulke Rdn. 256 andererseits.
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Krit. zur „Verlagerung" der Probleme aus ihrem angestammten „Sitz" durch die Lehre von der objektiven Zurechnung z.B. Baumann/Weber/Mitsch § 14 Rdn. 100; Hirsch FS Köln, S. 399; Maiwald FS Miyazawa, S. 465. Auf dem Boden der Zurechnungslehre zust. Puppe NK § 16 Rdn. 91; Roxin AT I § 12 Rdn. 191 f; Rudolphi SK § 2 0 Rdn. 27. BGHSt 7 325; ein Widerspruch zu BGH GA 1956 26 wird von BGHSt 23 133, 136 nicht gesehen, weil dort die im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit vom Täter gewählte „grauenhafte Weise" der Tötung von den anfänglichen Vorstellungen so erheblich abwich, dass eine Verurteilung nur wegen versuchter Tat zu rechtfertigen war. Dabei wird teilweise betont, daß es sich hierbei nicht um die Beurteilung eines Irrtums handle, s. Roxin AT I ξ 12 Rdn. 152 ff.
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den von der Rechtsprechung für die Verneinung eines Tatbestandsirrtums bemühten nur wenig abweichen. 46 bb) Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements. Aus ganz anderen als den vorstehend behandelten Gründen kann trotz Eintritts des tatbestandlich vorausgesetzten Erfolgs eine Bestrafung wegen vollendeter Tat dann ausscheiden, wenn der Täter eine objektiv vorliegende Rechtfertigungslage nicht erkennt. So liegt es etwa dort, wo sich ein durch eine rechtswidrige Vollstreckungshandlung Betroffener in Unkenntnis der Unrechtmäßigkeit der Amtshandlung mit einer objektiv durch Notwehr gerechtfertigten Körperverletzung des Amtsträgers zur Wehr setzt (KG GA 1975 213), 4 7 oder dort, wo ein Arzt die objektiv gegebene medizinische Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch nicht kennt (BGHSt 38 144). 4 8 In solchen Fällen ist der Erfolg zurechenbar bewirkt, das Erfolgsunrecht aber durch den Rechtfertigungsgrund kompensiert und deshalb vom Täter nicht zu verwirklichen. Letzteres spricht entgegen der älteren Rechtsprechung (BGHSt 2 111) nicht nur gegen Vollendung, sondern auch dafür, aufgrund der dem untauglichen Versuch vergleichbaren Lage dessen Regeln entsprechend anzuwenden (näher Rdn. 199 f).
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Bevor man das tut, ist auf Besonderheiten zu achten. Zum einen liegt Vollendung trotz objektiv gegebener Rechtfertigungslage vor, wenn der einschlägige Rechtfertigungsgrund ohne Erfüllung auch seiner subjektiven Voraussetzungen den tatbestandlichen Erfolgsunwert nicht auszugleichen vermag. Das ist z.B. bei „unvollständigen zweiaktigen Rechtfertigungsgründen" (Lampe GA 1978 7) wie § 127 StPO der Fall. 4 9 Weiter muss in Fällen einer Einwilligung nur dann auf die entsprechende Anwendung der Versuchsregeln zurückgegriffen werden, wenn die Einwilligung lediglich rechtfertigend wirkt. Schließt sie bereits den Tatbestand aus, sind die Versuchsregeln unmittelbar anzuwenden (Roxiti AT I § 13 Rdn. 9; 118 ff). Das zeigt sich am Beispiel der Diebesfalle, bei der dem Täter das die Wegnahme ausschließende Einverständnis unbekannt ist. Hier liegt ein untauglicher Diebstahlsversuch vor. 50 Schließlich ist die Unkenntnis eines die Rechtswidrigkeit ausschließenden Sachverhalts nicht stets mit dem Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselementes identisch. Hat der Täter eines Diebstahls, Raubs, Betrugs oder einer Erpres-
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Das gilt besonders deutlich für die Ausführungen von Puppe NK § 16 Rdn. 92 und Rudolphi SK § 20 Rdn. 2 7 ; aber auch das für die Zurechnung zum Vorsatz nach Roxin AT I § 12 Rdn. 155 f maßgebliche Kriterium der Planverwirklichung bietet - wie die Ausführungen in Rdn. 191 f zeigen - eine gegenüber der Rechtsprechung nur wenig angereicherte Abweichung; andere Beurteilung - nur Versuch - z.B. bei Mauracb/Gössel/Zipf AT/2 § 4 0 Rdn. 78. Zu einem erdachten Notwehrfall vgl. Spendel L K " § 32 Rdn. 140. Zu einem erdachten Notstandsfall vgl. Joerden JuS 1996 622. Wenn hier der Festnehmende die objektiv gegebene Festnahmesituation nicht kennt und den Festgenommenen daher auch nicht der Strafverfolgung zuführen will, steht dem Unwert der Freiheitsberaubung kein positiver
Wert gegenüber, vgl. hierzu und zu weiteren Beispielen Loos FS Oehler, S. 2 2 7 ff; Roxin AT I § 14 Rdn. 103; Sch/Schröder/Lenckner Rdn. 15 f vor § 32 m.w.N. Auch beim - vom Gesetzgeber nicht mehr anerkannten (s. Hillenkamp JuS 2 0 0 1 164 f) - elterlichen Züchtigungsrecht ließ sich bei fehlender Kenntnis des Züchtigungsanlasses schwerlich von einem kompensierenden Erfolgswert reden; zu weitgehend aber Zaczyk NK Rdn. 57, der wie hier die Einwilligung, aber darüber hinaus auch die §§ 32, 34 hierzu zählt. 50
Vgl. BGHSt 4 199; dazu, inwieweit in solchen Fällen auch das tatbestandliche Unrecht der Unterschlagung ausgeschlossen sein kann, vgl. OLG Celle J R 1987 2 5 3 mit krit. Anm. Hillenkamp; Geppert Anm. JK 1992 StGB § 242/15; Krey BT/2 Rdn. 35; Rengier BT/1 § 2 Rdn. 33.
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2. Abschnitt. Die Tat
sung einen fälligen und einredefreien Anspruch auf die begehrte S a c h e , fehlt es nach heute herrschender M e i n u n g 5 1 an der Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung bzw. Bereicherung. Folglich kann er schon den T a t b e s t a n d nicht vollenden. W e i ß er von sein e m Anspruch nichts, führt das „ d i r e k t " in den untauglichen Versuch (s. R d n . 1 9 6 ; BGHSt 4 2 268, 2 7 2 f).52 27
2 . Strafbarkeit des Versuchs. Ist die Tat nicht vollendet, k o m m t eine Bestrafung wegen Versuchs nur dann in Betracht, wenn sich seine Strafbarkeit aus der gesetzlichen Regelung des § 2 3 ergibt. Diese Vorschrift trägt dem Grundsatz nullum crimen, nulla p o e n a sine lege R e c h n u n g . D a die Strafbarkeit nach den Tatbeständen des Besonderen Teils und des Nebenstrafrechts ihm zufolge nur eintritt, wenn alle ihre M e r k m a l e im Sinne formeller Vollendung erfüllt sind, bedarf die Ausdehnung der Strafbarkeit auf das insoweit notwendig defizitäre Stadium bloßen Versuchs der gesetzlichen Anordnung (Art. 1 0 3 Abs. 2 G G , § l ) . 5 3
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§ 2 2 b e m ü h t sich in diesem Z u s a m m e n h a n g u m die gesetzliche Beschreibung der tatbestandlichen (Mindest-)Voraussetzungen, die die Ausdehnung der Strafbarkeit inhaltlich tragen. D a in § 2 3 Abs. 1 ebenso wie dort, w o die Versuchsstrafbarkeit eines Vergehens ausdrücklich angeordnet ist, nur von „Versuch", nicht aber von seinen Elementen die R e d e ist, bildet § 2 2 die zur Anordnung der Versuchsstrafbarkeit in § 2 3 durch das Bestimmtheitsgebot unabweisbar verlangte Ergänzung. Dass die Vorschrift trotz ihrer k n a p p e n und gegenüber ihrer Vorgängerin m e r k m a l s ä r m e r e n Fassung dieser Funktion genügt, wird m a n auch dann anerkennen k ö n n e n , wenn man einräumt, dass sich beim „ Z u s a m m e n b r i n g e n " der Versuchsmerkmale mit dem jeweils einschlägigen Tatbestand Unsicherheiten in der Festlegung des Umfangs der Strafbarkeit einstellen k ö n n e n . 5 4
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Z u diesem U m f a n g selbst enthält § 2 2 neben seinem positiven Gehalt eine negative Aussage: Bei ausschließlich fahrlässigem Verhalten ist der Versuch nicht s t r a f b a r . 5 5 D a s folgt aus der Formulierung „nach seiner V o r s t e l l u n g " , die vorsätzliches Handeln voraussetzt ( B T D r u c k s . V / 4 0 9 5 S. 11). D a m i t ist nicht entschieden, dass ein fahrlässiger Versuch „nicht d e n k b a r " (AE Begr. S. 6 1 ) , sondern nur, dass er nach der gesetzlichen Regelung ausgeschlossen i s t . 5 6 Die Frage ist daher de lege lata nur von theoretischem Interesse (s. vor § 2 2 R d n . 14 f).
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Vgl. Wessels/Hillenkamp Rdn. 187 f; 581 m.w.N. Der subjektive Tatbestand ist in solchen Fällen vollständig, weil der Täter neben dem Vorsatz die Absicht rechtswidriger Zueignung bzw. Bereicherung hat; für vollendete Tat in solchen Fällen Gössel GedS Zipf S. 215, 228. Vgl. dazu Kühl § 15 Rdn. 2; Naucke § 6 Rdn. 114; Stratenwerth/Kublen S 11 Rdn. 11. Der von Naucke § 6 Rdn. 27 in diesem Zusammenhang gebrauchte Begriff „Spielraum" führt allerdings in die Nähe der Verletzung des Bestimmtheitsgebots. Gemeint sind aber
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Auslegungsdifferenzen, die auch die im Urteil von Blei JA 1975 95 „gesetzestechnisch vorzügliche Bestimmung" des § 43 a.F. bekanntlich nicht ausschloß. Frister Rdn. 23/5; Sch/Schröder/Eser Rdn. 22; Tröndle/Fischer Rdn. 2. Allein diese gegenüber der Begründung zum AE (ebenso Corves Prot. SA V 1652) zurückhaltendere Aussage, die sich deutlich so zu dem den Vorsatz sogar neben der Vorstellung noch ausdrücklich zitierenden § 26 E 1962 (Begr. S. 144) und zum geltenden Recht (BTDrucks. V/4095 S. 11) findet, entspricht der gesetzgeberischen Zuständigkeit.
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3. Subjektiver Tatbestand a) Vorrang des Tatentschlusses. Wie das vollendete so kennt auch das versuchte Delikt objektive und subjektive Merkmale. 5 7 Anders als dort beansprucht beim Versuch der subjektive Tatbestand aber den Vorrang (Rdn. 9). Seine maßgebende Bedeutung beruht darauf, dass nur die Kenntnis dessen, was sich der Täter zu tun oder zu unterlassen vorgenommen hat, die Feststellung erlaubt, ob und nach welchem Tatbestand eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht kommt. Die Unvollständigkeit des objektiven Tatbestandes zwingt zur „Grundlegung" 5 8 des subjektiven, der wie bei der vollendeten Tat vollständig gegeben sein muss. Zu ihm gehören deshalb neben dem Vorsatz (Rdn. 31 ff) auch die vom Tatbestand etwa geforderten subjektiven Unrechtselemente (Rdn. 53). Auch wenn § 2 2 im Gegensatz zu § 4 3 a.F. den beides umfassenden „Entschluss, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben" nicht mehr nennt (Rdn. 9), hat sich insoweit das Recht nicht verändert. Daher bleibt die ältere Rechtsprechung hierzu verwertbar (Vogler L K 1 0 Rdn. 2). Auch ist es unbedenklich, den subjektiven Tatbestand des Versuchs nach wie vor durch den Begriff des Tatentschlusses zu kennzeichnen. 5 9 Er gibt der Unvollkommenheit der Tat gegenüber dem Vorhaben Ausdruck ( R a t h JuS 1 9 9 8 1006, 1011) und betont die Notwendigkeit eines endgültigen ( O t t o JA 1 9 8 0 641, 6 4 2 ) „inneren R u c k s " (Roxin GedS Schröder S. 145, 159), leugnet aber weder die inhaltliche Übereinstimmung mit dem subjektiven Tatbestand des vollendeten Delikts (krit. dazu Zaczyk NK Rdn. 13) noch die Straflosigkeit einer ohne Betätigung bleibenden bloßen Tatentschlossenheit. 6 0
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b) Vorsatz. Das Vorsatzerfordernis ist mit den Worten „Vorstellung von der T a t " (s. dazu Rdn. 87 ff) nicht selbst benannt (aA Herzberg M K Rdn. 36), kommt in ihm aber hinlänglich zum Ausdruck (Rdn. 2, 9; zur Frage des fahrlässigen Versuchs s. Rdn. 2 9 ; vor § 2 2 Rdn. 14 f). Nur wer das Wissen hat, dass durch die Begehung - falls sie gelingt die Merkmale eines Straftatbestandes verwirklicht werden und nur wer diese Straftatverwirklichung auch will, kann nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzen. 61 Der Vorsatz beim Versuch ist daher wie beim vollendeten Delikt vom Wissen und Wollen geprägt. Zwar ist es richtig, dass es beim Versuch an einer dem Vorsatz kongruenten Tatbestandsverwirklichung teilweise fehlt (Streng Z S t W 1 0 9 [1997] 8 6 2 , 870). Auch ist beim unbeendeten Versuch der auf Verwirklichung gerichtete Wille noch nicht vollständig vollzogen (Jakobs 25/24). Daraus ist aber weder für den Versuch im ganzen 6 · 2 noch für den unbeendeten Versuch 6 3 ein vom Vollendungs-
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Die Kritik Herzbergs MK Rdn. 32 f an der Redeweise von einem subjektiven und einem objektiven Tatbestand des Versuchs beruht maßgeblich auf seiner Fehldeutung der „Vorstellung" als „Vorsatz", vgl. dazu hier Rdn. 90 f. Streng ZStW 109 (1997) 862, 866 f; s. auch Gropp § 9 Rdn. 14; Kühl § 15 Rdn. 17, 39; Rath JuS 1998 1006, 1010 f. Das geschieht ebenso bei Gropp § 9 Rdn. 15; Kühl JuS 1980 120, 124; Kratzsch JA 1983 578, 583; Lackner/Kühl Rdn. 2; Roxin AT II § 29 Rdn. 59 ff; Rudolphi SK Rdn. 1; Wessels/Beulke Rdn. 598; abl. Herzberg MK Rdn. 35; Spielmann S. 34 ff. Aufgrund solcher Mißverstehbarkeit abl. Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 24; gegen eine Gleichsetzung von Vorsatz und Ent-
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schlossenheit Schmidhäuser AT 15/23 ff, 43; der Rekurs von Zaczyk NK Rdn. 13 auf den Begriff der „Vorstellung" verkennt dessen Funktion, vgl. Rdn. 90. Maurach/Gössel/Zipf AT/2 S 40 I Rdn. 68; Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 23; Roxin AT II Rdn. 60 sieht in der „Vorstellung" nur das intellektuelle Element des Vorsatzes enthalten. So aber C. Jung JA 2006 229 ff; Spielmann S. 34 ff, 64 (ausreichen soll die „Vorstellung einer strafrechtlich missbilligten Gefahr der Tatbestandsverwirklichung"); Streng ZStW 109 (1997) 862, 868 ff; vgl. auch schon Jan Schröder Tatentschluß S. 72 ff. So aber Murmann Versuchsunrecht S. 8 ff; Struensee GedS Armin Kaufmann S. 523 ff (mit daraus abgeleiteten Bedenken gegen die
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2. Abschnitt. Die Tat
Vorsatz abweichender Vorsatzgehalt zu entwickeln. Wer letzteres tut und daraus herleitet, dass der im Stadium des unbeendeten Versuchs unvorhergesehen verfrüht eintretende Erfolg dem Täter mangels „Vollendungsvorsatzes" subjektiv nicht zurechenbar sei, schließt deshalb zu Unrecht nach den Regeln des Kausalitätsirrtums zu behandelnde Fälle schon grundsätzlich als vollendete Taten aus. 64 Da auch das vollendete Delikt das Versuchsstadium durchläuft und auch bei ihm - wie beim Versuch (Baumann/Weber/ Mitsch § 26 Rdn. 24) - der Vorsatz im Zeitpunkt des Versuchsbeginns vollständig vorliegen und die Tathandlung bis zur Versuchsbeendigung tragen muss, liegt der Unterschied nicht im Vorsatz, sondern nur in dessen Vollzug (Lackner/Kühl Rdn. 1). Die herrschende Meinung verdient deshalb Zustimmung, wenn sie zwischen dem subjektiven Tatbestand beim versuchten und beim vollendeten Delikt in all seinen Stadien keinen Unterschied macht (s. zum Vorsatz beim Unterlassungsversuch vor § 22 Rdn. 100 f). 6 5 32
aa) Wissenskomponente. Daraus folgt zur Wissenskomponente zunächst, dass der Vorsatz zwar die Tatbestandsmerkmale im wesentlichen erfassen (BayObLG NJW 2003 911), nicht aber konkreter oder bewusster als bei vollendeter Tat sein muss (RGSt 70 257, 258; RG DR 1943, 576). Alles Stehlenswerte mitnehmen zu wollen, ist auch beim Diebstahlsversuch eine ausreichende Vorstellung. Mitbewusstsein genügt, wenn für Vollendung, auch für Versuch. Affekttaten, bei denen es an einer zeitlich vorausgehenden Planung mangelt, sind nach dem Willen des Gesetzgebers dadurch ausdrücklich einbezogen, dass die AE-Formulierung „nach seinem Tatplan" durch „nach seiner Vorstellung" ersetzt worden ist (BTDrucks. V/4095 S. 11; Sch/Schröder/Eser Rdn. 16). Wer die Möglichkeit des Erfolgseintritts nicht erkennt, hat aber auch beim Versuch kein ausreichendes Wissen, selbst wenn sich diese Möglichkeit aufdrängt (BGH NStZ 1983 365). Normative Merkmale muss auch der Versuchstäter in ihrer Bedeutung erfassen. Daran kann es bei einer Nötigung fehlen, wenn der Täter von einer Entwicklung des Geschehens ausgeht, die Verwerflichkeit ausschließt (BayObLG NJW 1992 521). Andererseits ist es ausreichend, wenn er die wesentlichen Umstände kennt, die das Tatbestandsmerkmal begründen, dieses selbst aber nur „nach Laienart" in seinem sozialen Sinngehalt begreift (so zum Vermögensschaden beim Betrug OLG Düsseldorf NJW 1992 924). 6 6
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Ein Irrtum, der auch im Versuchsstadium schon denkbar ist, 6 7 schließt den Vorsatz aus, sofern er auch beim vollendeten Delikt den Vorsatz entfallen ließe (Wessels/Beulke
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- gleiche - Strafwürdigkeit des unbeendeten Versuchs); s. auch Sancinetti Subjektive Unrechtsbegründung S. 63. Zur Unterscheidung zwischen „Initial-" bzw. „Versuchs-" und „Vollendungsvorsatz" vgl. Küper ZStW 112 (2000) 35 f; gegen die im Text genannte, z.B. von Schliebitz Erfolgszurechnung S. 66 ff und Wolter FS Leferenz, S. 5 6 7 f; ders. GA 2 0 0 6 411 ff gezogene Konsequenz vgl. überzeugend Roxin AT II § 2 9 Rdn. 62 ff, 67 ff; ders. GA 2 0 0 3 261 ff. Baumann/Weber/Mitsch § 2 6 Rdn. 24; Frisch Rechtfertigung S. 2 6 8 ; Gropp § 9 Rdn. 17; Kühl § 18 Rdn. 143; Rudolphi SK Rdn. 1; Wessels/Beulke Rdn. 598. Kühl § 15 Rdn. 27, 28; Rath JuS 1998 1006, 1011; Sch/Schröder/Eser Rdn. 14-16. Entgegen Streng ZStW 109 (1997) 862, 878 f
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gilt dies auch für einen Kausalitätsirrtum: Wer sein Opfer durch Erhängen zu töten versucht und sich dabei vorstellt, der Tod werde statt durch den zu erwartenden Genickbruch durch langsames Ersticken eintreten (vgl. BGH NStZ 1983 365), der unterliegt einem in diesem Falle unbeachtlichen - Irrtum über den Kausalverlauf, vgl. Hillenkamp FS Roxin, S. 7 0 6 f; aA Herzberg MK Rdn. 42 aufgrund der im Text Rdn. 34, 87 ff gerügten Fehldeutung des Begriffs der „Vorstellung"; vgl. auch BGH NJW 2 0 0 2 1057, dessen These, eine Verurteilung wegen vorsätzlich vollendeter Tötung „über die Rechtsfigur der unerheblichen Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf" komme nur in Betracht, wenn die den Erfolg planwidrig verfrüht bewirkende Handlung schon
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Begriffsbestimmung
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Rdn. 598). Wer einem Menschen mit Gewalt eine Tasche zu entreißen versucht, die er für die ihm gestohlene hält, begeht mangels Vorsatzes keinen Raubversuch. Wer im Scherz eine als Attrappe verkannte Pistole auf einen anderen abfeuert, hat weder bei Eintritt noch bei Ausbleiben des tödlichen Erfolges einen Tatentschluss. Auch beim Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes {Erlaubnistatbestandsirrtum) scheidet eine Versuchsstrafbarkeit jedenfalls dann nach diesen Grundsätzen aus, wenn man mit der hierzu überwiegenden Lehre (BGHSt 31 264, 286 f ) 6 8 im Vollendungsfall vorsätzliches Unrecht ausschließt. Hängt man dagegen mit der rechtsfolgeneinschränkenden Schuldtheorie 6 9 einer Lösung an, die nicht schon das Vorsatzunrecht, sondern nur die Vorsatzschuld verneint, ist die Straflosigkeit des Versuchs nur aus einem argumentum a maiore ad minus zu gewinnen: Der Versuch bleibt möglich (Dreher FS Heinitz S. 207, 224), seine Strafbarkeit scheidet aber wie beim Vollendungsdelikt aus (Sch/Schröder/Eser Rdn. 14/15). Beide Wege versperren die Notwehr gegenüber dem Irrtumsbefangenen nicht. 7 0 Wessen Bitte um Feuer als Angriff missdeutet wird, kann sich gegen die zur „Verteidigung" ausholende Hand zur Wehr setzen, gleichgültig, ob man den Versuch einer Körperverletzung oder nur die zu ihm gehörige Vorsatzschuld verneint. Handelt es sich andererseits um Fehlvorstellungen, die für den Vorsatz beim vollendeten Delikt unbeachtlich sind, so gilt dies auch beim Versuch. Daher kann sich ein Täter auch beim versuchten Delikt weder auf einen bloßen Subsumtionsirrtum (OLG Düsseldorf NJW 1992 924) noch auf einen error in persona zur Entlastung berufen (Zaczyk NK Rdn. 17). Schießt ein Räuber auf der Flucht auf einen hinter ihm herlaufenden Mittäter in der Meinung, es handle sich um einen Verfolger und verfehlt er sein Ziel, liegt angesichts der Unbeachtlichkeit des error in persona ein versuchter Mord vor (BGHSt 11 268; s. dazu Hillenkamp Vorsatzkonkretisierungen S. 77). Ebenso liegt es, wenn der Täter das von ihm zu einer „Sprengfalle" umfunktionierte Fahrzeug bei einem Mordversuch einer falschen Person zuordnet (BGH NStZ 1998 294; krit. dazu Herzberg JuS 1999 224 f). Die damit insgesamt empfohlene Gleichbehandlung des Irrtums bei Versuch und Vollendung wird mit der Überlegung in Frage gestellt, dass beim Versuch der am Anfang stehende Vorsatz anders als im Vollendungsfall nicht mit einer abweichenden Wirklichkeit zu vergleichen und dass daher für die Relevanz der (an sich fehlerhaften) Vorstellung (von der fehlenden Fremdheit, der Attrappen-, Angriffs- oder Verfolgereigenschaft) allein auf ihre (von der Wahrheit unabhängige) rechtliche Bedeutung für den Tatentschluss abzustellen sei. Eine nach den Irrtumsregeln zu behandelnde Fehlvorstellung gebe es in Wahrheit beim Versuch daher nicht. 71 Daran ist zwar richtig, dass man mangels Kenntnis
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den Versuchsbeginn begründe, die Möglichkeit eines Kausalitätsirrtums im Versuchsstadium voraussetzt (s. auch R d n . 137). Köhler S. 324 ff; Kühl § 13 R d n . 71 ff; Puppe N K § 16 R d n . 137 f; Roxin AT I § 14 R d n . 6 4 ff; Rudolphi SK § 16 R d n . 10 ff. Jescheck/Weigend ξ 41 IV I d ; Tröndle/Fischer § 16 R d n . 2 0 , Wessels/Beulke R d n . 4 7 8 f; zum M e i n u n g s s t a n d s. Hillenkamp AT 10. Problem. Gegen solche Bedenken bei Hirsch Z S t W 94 (1982) 239, 2 6 0 zutreffend Herzberg FS Stree/Wessels, S. 203, 2 2 0 f; Streng Z S t W 109 (1997) 862, 885 f; inwieweit f ü r die
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N o t w e h r ü b e r h a u p t oder f ü r den U m f a n g der Verteidigungsbefugnisse die Frage der Schuldhaftigkeit des Irrtums eine Rolle spielt (vgl. dazu: Roxin AT I § 15 R d n . 61 ff; Sehl Schröder/Lenckner/Perron § 32 R d n . 2 4 , 52; Wessels/Beulke R d n . 327, 344), ist hier nicht zu erörtern. Herzberg M K R d n . 36 ff; C. Jung JA 2 0 0 6 2 2 9 ff; Streng Z S t W 109 (1997) 862 ff, 874 ff; auch f ü r den Erlaubnistatbestandsirrtum beim Versuch stellt Herzberg FS Stree/Wessels, S. 2 0 3 , 2 2 1 f; ders. M K R d n . 178 allein auf diese Vorstellung, nicht aber darauf a b , o b sie richtig oder falsch ist;
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2. Abschnitt. Die Tat
der Fremdheit der Sache einen Raubentschluss unabhängig davon verneinen muss, ob die Sache tatsächlich fremd ist oder nicht. Ist sie es aber, beruht die Verneinung des Vorsatzes beim Versuch wie bei der Vollendung auf der Einsicht, dass der Täter einen Tatumstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand, von dem der Versuchstäter wie der Vollendungstäter eine Vorstellung haben muss, gehört (§ 16; Baumann/Weber/Misch § 26 Rdn. 27). Umgekehrt folgt auch beim error in persona die Bedeutungslosigkeit der Fehlvorstellung, man habe es mit einem Verfolger statt mit einem Mittäter zu tun, auch beim (Tötungs-)Versuch aus der für diese Irrtumsart maßgeblichen Erwägung, dass die Identität des Opfers kein Tatumstand ist. Deshalb ist der tatsächlich gegen einen Mittäter ins Werk gesetzte Versuch keine beachtliche Abweichung von der in der Vorstellung differierenden Tat. Damit wird hier aber nicht anders als nach Irrtumsregeln entschieden (s. Hillenkamp FS Roxin S. 706 f und unten Rdn. 90 f; zust. Roxin AT II § 29 Rdn. 70). 35
Der Vorsatz muss den Erfordernissen des jeweiligen Tatbestandes entsprechen. Er muss wie beim vollendeten Delikt auf sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale 7 2 gerichtet sein. Das setzt voraus, dass sich der Täter ein Tatobjekt (BGH StV 1996 81 zu § 259) und eine Tathandlung (BGH NStZ 1981 144 zu § 258; BayObLG NJW 1992 521 zu § 240; RGSt 61 15 zu § 807 ZPO) vorstellt, die den Tatbestand zu erfüllen geeignet sind. Werden Tatmodalitäten, wie die Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs in § 316a, beschrieben, muss sich der Vorsatz hierauf erstrecken (BGH NStZ 2004 207, 208 f). Bei qualifizierenden Tatbeständen muss der Vorsatz auch die Erschwerungsgründe umfassen. Erfolgsdelikte setzen auch beim Versuch voraus, dass der Täter mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts wenigstens rechnet. Das gilt für Verletzungs- (BGHSt 36 1, 9 zu § 223a a.F.; BGH NStZ-RR 1996 97 zu § 212; OLG Düsseldorf NJW 1992 924 zu § 2 6 3 ) 7 3 wie für konkrete (BGH NStZ-RR 1996 132 zu § 311 a.F.; BGH NStZ 1985 501 zu § 221 a.F.; OLG Düsseldorf N Z V 1994 486 zu § 315b), naturgemäß aber nicht für abstrakte Gefährdungsdelikte (BGHSt 36 221 zu § 306 Nr. 3 a.F.). Auch auf ungeschriebene Tatbestandsmerkmale wie die Kausalität oder die objektive Zurechnung muss sich der Vorsatz erstrecken. Stellt sich der Täter einen Sachverhalt vor, der die Zurechnung ausschließt (BGHSt 36 1, 16 ff), kommt auch beim Versuch vorsätzliches Verhalten nicht in Betracht. Auch aus diesen Gründen ist der abergläubische „Versuch" straflos (s. Rdn. 190 und Herzberg MK Rdn. 80 ff, 87 f).
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Der jeweilige Tatbestand entscheidet auch darüber, welche Vorsatzform der Versuch erfordert. Ist Absicht oder Wissentlichkeit verlangt, gilt dies auch für Versuch (Kühl § 15 Rdn. 26). Deshalb muss der Täter einer versuchten Strafvereitelung sicher gewusst oder beabsichtigt haben, dass die Verhängung einer Jugendstrafe auf Grund seiner Tat unterbleibt, wenn der Vortäter ein Jugendlicher ist (OLG Hamm StV 2004 659; Sch/Schröder/ Stree § 258 Rdn. 22). Bedingter Vorsatz reicht dagegen aus, wo er auch der vollendeten
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zum error in persona s. Herzberg JuS 1999 224; Rath JuS 1997 424 ff; Spielmann S. 23, 26, 38 will in Anlehnung an Herzberg NStZ 1999 218 statt vom „Kenntnisvorsatz" i.S. des § 16 beim Versuch von einem in 5 22 geregelten „Vorstellungsvorsatz" sprechen; das verkennt den Gehalt dieses Begriffs, vgl. Rdn. 87 ff; auch T. Maier Objektivierung S. 43 ff unterliegt diesem Fehlschluss. Wozu nach ständiger Rechtsprechung auch die Rechtswidrigkeit der Bereicherungs-
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absicht beim Betrug (BGHSt 42 268) und der Zueignungsabsicht beim Diebstahl (RGSt 49 140; BGHSt 17 87) zählt, vgl. Rdn. 53. BGHSt 36 1, 15 (AIDS) enthält auch Aussagen zu § 212; vgl. zu § 212 auch BGH NStZ 1983, 365 und zum Tötungsversuch durch Zufahren auf Polizeibeamte neben BGH NStZ-RR 1996 97 (mit Hinweis auf die Hemmschwelle verneinend) auch BGH VRS 56 139 (bejahend).
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Begriffsbestimmung
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Tat genügt (BGH N S t Z 1 9 9 8 615f). Das Reichsgericht (RGSt 12 64, 65) hat diesen Standpunkt schon früh aus dem Gesetz hergeleitet, das beim „Entschluss" keinerlei Unterscheidung treffe und daher die Möglichkeit des Versuchs bei keiner „Form des Dolus" ausschließe. Wie alle in der einen oder anderen Art gewollten Erfolge, wenn sie eintreten, dem Täter als vollendete Tat zuzurechnen seien, so seien sie es als Versuch, wenn sie ausblieben. Soweit ersichtlich, ist die daran anschließende Rechtsprechung dieser Auffassung ohne hinzutretende Gründe gefolgt. 7 4 Die herrschende Lehre setzt ihr mit Recht nichts entgegen. 75 Die wenigen Stimmen, die ihr grundsätzlich widersprechen 7 6 oder ihr kritisch gegenüberstehen, 77 verdienen wie die, für die nur bei bestimmten, namentlich tauglichen Versuchsformen der dolus eventualis genügt, 7 8 de lege lata keinen Beifall. Schwierige Folgefragen beim Rücktritt vom Versuch lassen sich vom Gesetzesanwender nicht durch eine Korrektur des § 2 2 (oder durch eine von Herzberg NStZ 1990 311 vorgeschlagene entsprechende Anwendung des § 2 3 Abs. 3, s. dazu § 2 3 Rdn. 75) beheben. Da der Versuch ein notwendiges Durchgangsstadium jeder vollendeten Tat ist, deren Strafbarkeit bei dolus eventualis in den hier interessierenden Tatbeständen aber feststeht, sind höhere subjektive Anforderungen an den Versuch nicht begründbar (BGH N S t Z 1998 615 f). Sie finden im Gesetz keine Stütze. Die schon zur Zeit der Geltung des § 4 3 a.F. einen Ausschluss der Fälle bedingten Vorsatzes nicht tragende Wendung „wenn das beabsichtigte Verbrechen . . . " (s. dazu Vorentwurf zu einem Deutschen StGB 1909, Begr. S. 2 8 2 ) ist in § 2 2 nicht mehr enthalten. Auch ist keine gesetzgeberische Erwägung zu einer Einschränkung bekannt. 7 9 Diese Gründe stehen ebenso der Überlegung entgegen, dass der untaugliche Versuch mangels Gefährdungsunwert eines Zielunwerts bedürfte. Auch dafür ergibt die gesetzliche Regelung nichts. Sie behandelt vielmehr den untauglichen Versuch mit dem tauglichen grundsätzlich gleich. Da sich der Täter auch bei nur bedingtem Vorsatz für das mögliche Unrecht entschieden hat, besteht schließlich auch in der Sache kein Anlass, für die Fälle des dolus eventualis eine Strafbarkeitslücke zu schaffen (s. eingehend Pahlke Rücktritt S. 3 0 f f ; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 74 ff). Ist die Vorstellung deshalb nicht auf nur einen Tatbestand festgelegt, weil der Täter zwar eine bestimmte Handlung vornehmen will, dabei aber nicht sicher weiß, welchen
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In den in Rdn. 35 zitierten Entscheidungen ging es ganz überwiegend um Fälle des dolus eventualis, in denen die Frage, ob diese Vorsatzform für Versuch genügt, nicht thematisiert wird, so ebenso RGSt 6 9 3 3 9 , 3 4 1 ; 7 0 2 5 7 , 2 5 9 ; BGHSt 31 3 7 4 , 3 7 8 f.
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Baumann/Weber/Mitsch § 2 6 Rdn. 2 5 ; Herzberg M K Rdn. 4 5 f; Joecks Rdn. 4; Köhler S. 4 5 9 f; Krey A T / 2 Rdn. 4 1 1 ; Kühl § 15 Rdn. 2 5 f; T. Maier Objektivierung S. 5 0 ff; Rudolphi SK Rdn. 2; Sch/Schröder/Eser Rdn. 17; Wessels/Beulke Rdn. 5 9 8 .
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Fall des Versuchs mit dolus eventualis zu ergänzen; ders., N S t Z 1 9 9 0 , 311, 3 1 5 f; Streng J Z 1 9 9 0 2 1 2 , 2 1 9 mit dem Vorschlag, den Versuch mit dolus eventualis durch Schaffung neuer Strafvorschriften für Fälle bewußter Gefährdung zu verdrängen. Beide Autoren erkennen de lege lata den Versuch mit dolus eventualis aus den im Text aufgeführten Gründen aber an. 78
Bauer wistra 1 9 9 1 169 f; Lampe N J W 1 9 5 8 3 3 2 ; wohl auch Puppe N S t Z 1 9 8 4 4 9 1 ; aus der älteren Literatur vgl. Binding Die Normen II/2 (1916) S. 8 2 0 ; Stooß Z S t W 15 ( 1 8 9 5 ) 1 9 9 ; von Wächter Deutsches Strafrecht 1881 S. 2 0 9 . Herzberg J Z 1 9 8 9 4 7 0 , 4 7 7 f mit dem Vorschlag, § 2 3 Abs. 3 de lege ferenda um den
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So Schmidhäuser AT 1 1 / 1 6 f aufgrund seiner dualistischen Versuchslehre, weil beim untauglichen Versuch der Gefährdungsunwert fehlt und daher Zielunwert zu verlangen sei; ebenso Alwart Strafwürdiges Versuchen S. 1 4 0 ff; 2 1 9 f; mit anderer Begründung ähnlich Kölz-Ott Eventualvorsatz S. 1 0 0 , 146 f; Salm Verbrechen 1/1 1 9 6 3 S. 5 0 f; Zaczyk N K Rdn. 19. BTDrucks. V / 4 0 9 5 S. 11 spricht unterschiedslos von „Vorsatzfällen".
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2. Abschnitt. Die Tat
von mehreren in Betracht gezogenen Tatbeständen er verwirklichen wird, ist die Lösung zweifelhaft. Dabei kann es in den viel erörterten Schulfällen zum einen so liegen, dass der Täter sich nicht sicher ist, ob er das eine oder das andere Objekt verletzen wird, bei einem Schuss auf den Hund also beispielsweise für möglich hält, dass er den Herrn trifft. Hier ist die Bestrafung wegen zweier (vollendeter oder versuchter) Vorsatztaten nur dann außer Streit, wenn der Täter beide Möglichkeiten kumulativ in Rechnung stellt und billigt (Wessels/Beulke Rdn. 237). Ist er dagegen der Meinung, dass er nur entweder Hund oder Herrn verletzen kann und wird, liegt der Fall subjektiv nicht anders als in der zweiten Konstellation des dolus alternativus, in der der Sachverhalt die Vollendung nur eines Tatbestandes zulässt, der Täter sich aber unsicher ist, von welchem. Wer sich ein Wildschwein zueignet und dabei im Zweifel ist, ob er es in freier Wildbahn oder in einem weitläufigen Tiergehege antrifft, hat zwar die Vorstellung von Wilderei und Diebstahl, nicht aber - wie er weiß - die Möglichkeit, beides zu begehen. Daher kann er auch nicht beide Tatbestände kumulativ verwirklichen wollen. Wonach in solchen Fällen zu bestrafen ist, ist deshalb umstritten. Während nach einer Meinung im Falle der Vollendung eines Delikts nach diesem allein verurteilt werden soll 8 0 , wollen andere den Versuch hinzutreten lassen, wenn dieser das deutlich schwerere unter den alternativen Delikten betrifft. 81 Bleibt es insgesamt beim Versuch, wollen wenige Stimmen die leichtere, weil tätergünstigere, 82 andere stets die schwerere, weil das Unrecht treffender ausdrückende Versuchsalternative zugrunde legen. 83 Dabei sind - sieht man von der Täterbegünstigung als Argument einmal ab, für die es mangels einer Zweifelssituation ohnehin keinen Anlass gibt - ersichtlich Erwägungen leitend, die der Konkurrenzlehre zugehören und in ihr eine gesichertere Heimstatt haben. Ob wegen des schwereren, nur wegen des vollendeten oder auch wegen des leichteren oder nur versuchten Delikts zu bestrafen ist, ist auch sonst eine Frage der Konkurrenz. Dann sollte man sie aber auch hier statt nach der vagen Leitlinie, was den Unrechtsgehalt der Tat angemessen erfasst, nach deren Regeln entscheiden. Dabei ist hinzunehmen, dass im Falle der Idealkonkurrenz die Verurteilung wie beim dolus cumulativus wegen zweier Delikte erfolgt, obwohl der Täter im Ergebnis nur einen Tatbestand verwirklichen will. Denn einerseits leuchtet es wenig ein, wenn im Falle des getroffenen Hundes die für möglich gehaltene Verletzung des Herrn entweder generell nicht oder nur dann neben die Sachbeschädigung tritt, wenn - wie bei einem Tötungs-, wohl aber nicht einem bloßen Verletzungsvorsatz - ihr Unrechtsgehalt deutlich schwerer wiegt. Andererseits lässt sich das gegenüber dem dolus cumulativus geringere Unrecht in der Strafbemessung nach dem schwereren Delikt hinreichend berücksichtigen. Aus diesen Gründen ist der Lehre zu folgen, die im dolus alternativus ein Problem der Konkurrenzlehre sieht. 84 38
bb) Willenskomponente. Auch die Willenskomponente des Vorsatzes unterscheidet sich von der des vollendeten Delikts nicht. Ist Absicht verlangt, muss es dem Täter auch beim Versuch auf die Erfolgsverwirklichung als Mittel zur Erreichung seines (unter Umständen weiteren, s. BGHSt 4 107; 16 1) Zwecks ankommen. Bei „als notwendig erkannten Folgen der Handlung" ergibt sich - selbst wenn dem Täter an ihnen „nicht
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Mezger LK 8 § 5 9 Anm. c bis e; Zaczyk N K Rdn 20. So z.B. Maurach/Zipf AT/1§ 2 2 Rdn. 27; Vogler LK 10 Rdn. 6; Wessels/Beulke Rdn. 235. Aufgegeben von Maurach/Zipf AT/1 § 2 2 Rdn. 27.
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Lackner/Kühl Rdn. 29; Otto AT § 7 Rdn. 23; Schroeder LK § 16 Rdn. 106; vertiefend Joerden ZStW 95 (1983) 565, 5 8 9 ff. Jakobs 8/23; Puppe N K § 15 Rdn. 115 f; Roxin AT I § 12 Rdn. 9 2 ff; Rudolphi SK § 16 Rdn. 47.
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liegt" - die nötige A u f n a h m e in den Willen a u c h hier von selbst ( R G S t 5 3 1 4 , 3 1 7 ) . N i c h t anders als beim vollendeten Delikt verlangt die Rechtsprechung auch für einen mit dolus eventualis ausgeführten Versuch, dass der T ä t e r mit dem Eintritt des Erfolges „in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in K a u f n i m m t oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht s e i n " . N i c h t anders als sonst ist zur bewussten Fahrlässigkeit abzugrenzen. Sie reicht auch für Versuch nicht aus, weil und w e n n der T ä t e r mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung „nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eint r e t e n " . D a n n fehlt es zwar nicht an der intellektuellen „Vorstellung", w o h l a b e r a m W i l lensmoment. Für „formelhafte Feststellungen" ist zu alledem a u c h im Versuchsfall kein R a u m ( B G H S t 3 6 1, 9 bis 16). Deshalb darf angesichts der von der R e c h t s p r e c h u n g behaupteten Tötungshemmschwelle bei Tötungsdelikten auch beim Versuch - nicht anders als bei der Vollendung - nicht o h n e weiteres von lebensgefährlichen T a t h a n d l u n g e n auf das Vorliegen eines Tötungseventualdolus geschlossen werden ( B G H N V w Z 2 0 0 6 1327). Alle Vorsatzarten setzen schließlich den Willen voraus, die T a t zu vollenden. So wie dem agent p r o v o c a t e u r der Anstiftervorsatz fehlt, wenn er die provozierte T a t nur bis zum Versuch k o m m e n lassen will ( R G S t 15 3 1 5 ) und dem Teilnehmer der Gehilfenvorsatz, der von der Untauglichkeit des Haupttatversuchs w e i ß ( R G S t 5 6 1 6 8 ) , so fehlt es a m Tätervorsatz, wenn der W i l l e nur auf die E n t w i c k l u n g der Straftat bis zum Versuch gerichtet ist. 8 5 D a s ist zwar nicht in Fällen des dolus alternativus (Rdn. 3 7 ) , w o h l a b e r der M i t t ä t e r s c h a f t d e n k b a r ( B G H S t 3 9 2 3 6 , 2 3 8 ) . 8 6 D e r Vollendungswille muss v o m Beginn des Versuchs bis zu seiner Beendigung b e s t e h e n 8 7 und ist - wie das Wissenselement - in allen Stadien der T a t g l e i c h . 8 8
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c) Tatentschlossenheit. 8 9 W i e „zur Verabredung gehört, dass die Beteiligten die Tat ernstlich w o l l e n " , gehört zum Versuch, „dass sie zu deren Ausführung entschlossen s i n d " ( B G H S t 12 3 0 6 , 3 0 9 ) . Besser als bei der (strafbaren) Vorbereitung und der Vollendung m a c h t beim Versuch der nur hier verwendete Begriff des Tatentschlusses ( R d n . 3 0 ) diesen für alle drei Stufen der Tatverwirklichung (und u. U. schon davor) zu verlangenden subjektiven Befund deutlich: D e r B e t ä t i g u n g 9 0 des Willens muss Tatentschlossenheit zu-
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Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 26; Herzberg GA 1971 1, 11 f; Roxin AT II § 29 Rdn. 80; Sch/Schröder/Eser Rdn. 21. Küper J Z 1979 775, 781; Sch/Schröder/Cramer § 25 Rdn. 95. Wolter FS Leferenz, S. 545, 548 f. Dass die „Absicht, zur Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung überzugehen" (Murmann Versuchsunrecht S. 11) und ein so verstandener „Durchhaltewille" (Struensee GedS Armin Kaufmann S. 523, 530) zum Vollendungswillen gehören, ist - entgegen beiden Autoren - kein Spezifikum des unbeendeten Versuchs, sondern Voraussetzung eines jeden Vollendungsvorsatzes. Dieser - von Jakobs 25/29 gebrauchte Begriff kennzeichnet die nachfolgend geschilderte Problematik weniger missverständ-
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lich als die verbreitet zu findende Wendung vom „(unbedingten) Handlungswillen" (s. Fn. 91). Rath JuS 1998 1006, 1011 wählt zur Kennzeichnung des Problems den Begriff der „Vorsatzstabilität"; bei bloßer Tatgeneigtheit fehlt es aber nicht an Stabilität, sondern am Vorsatz selbst. Dass vor jeder Willensbetätigung die Qualität des „Entschlusses" nicht interessiert, ergibt die Straflosigkeit des nicht betätigten Vorsatzes, s. Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 24; Jakobs 25/29; dass sie erst beim Versuch interessiert, ist dagegen in Fällen strafbarer Vorbereitung nicht richtig (s. Roxin AT II § 29 Rdn. 93); hierzu kann man auch die Fälle zählen, in denen sich die Frage hinreichender Tatentschlossenheit schon vor Beginn des beabsichtigten Delikts
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2. Abschnitt. Die Tat
gründe liegen, ohne Tatentschlossenheit fehlt es am Tatentschluss. Gebräuchlich wird diese Voraussetzung in die Formulierung gekleidet, der Versuch setze einen unbedingten Handlungswillen voraus. Ein nur bedingter Handlungswille (der nicht mit dem Willen beim bedingten Vorsatz verwechselt werden dürfe; B G H GA 1963 1 4 7 f : „auch der bedingte Vorsatz setzt unbedingten Handlungswillen voraus") reiche dagegen nicht aus. 91 Von ihm ist die Rede, wenn sich der Handelnde seine Entscheidung darüber noch vorbehält, ob er die Straftat begehen will oder nicht. Bezieht man den Handlungswillen nicht auf die jeweils untersuchte „Betätigung" - insoweit liegt in den hier interessierenden Fällen immer ein unbedingter Handlungswille vor - sondern setzt ihn mit dem Tatbestandsverwirklichungswillen (dem Willensmoment des Vorsatzes) gleich, ist mit dem „unbedingten Handlungswillen" nichts anderes als die hier verlangte Tatentschlossenheit gemeint. Sie weist nur auf, wer nicht mehr unschlüssig schwankt, sondern wer sich zur Verwirklichung der in Aussicht genommenen Tat ohne einen auf die Entscheidung für die damit verbundene Rechtsgutsverletzung bezogenen und gerade sie als noch nicht gefallen kennzeichnenden inneren Vorbehalt entschlossen hat. 9 2 Zweifel daran, ob das so ist, werden (in Anlehnung an Schmid Z S t W 74 [1962] 4 8 ff 51) in drei Fallgruppen erwogen: der bloßen Tatgeneigtheit, des Tatentschlusses auf bewusst unsicherer (hypothetischer) Tatsachengrundlage und des Tatentschlusses mit Rücktritts vorbehält. 9 3 aa) Tatgeneigtheit. Im Stadium der bloßen Tatgeneigtheit, in dem der Täter die Verwirklichung eines Straftatbestandes zwar als Möglichkeit ins Auge gefasst hat, jedoch noch unentschlossen ist, ob er den Tatbestand überhaupt verwirklichen will, fehlt es an der erforderlichen innerlich vorbehaltlosen Tatentschlossenheit. Bei dem bloß Tatgeneigten ist die Entscheidung über das „ O b " der Tat noch nicht gefallen, mag er auch schon mehr oder weniger genau Objekt und Modalitäten der ins Auge gefassten Tat kennen. Im Zustand der Unentschlossenheit ist der Tatbestandsverwirklichungswille noch nicht abschließend gebildet. Der Täter ist nur geneigt, die Straftat zu begehen, hat sich die endgültige Entschließung darüber aber noch vorbehalten, sei es, dass er sich die Sache noch überlegen, sei es, dass er die Entscheidung erst nach dem künftigen Eintritt eines Ereignisses treffen will. Bei dieser Sachlage scheidet eine Versuchsbestrafung nicht erst wegen auf solcher Grundlage zu verneinenden unmittelbaren Ansetzens aus. 9 4 Der Zustand der Unentschlossenheit ist vielmehr mangels entschiedenen Willens kein Vorsatz, unent-
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stellt, so z.B. in S 316a bezüglich des Raubes usw., vgl. Günther JZ 1987 16, 22; zur Endgültigkeit des Täuschungsentschlusses in S 267 vgl. Neuhaus GA 1994 224, 228 ff. Jescheck/Weigend § 29 III 3e; § 49 III 1; Rudolphi SK Rdn. 3; Schmid ZStW 74 (1962) 48 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18; Vogler LK 10 Rdn. 9; Wessels/Beulke Rdn. 598. Less GA 1956 33 spricht von „bedingtem Wollen", ebenso Welzel § 13 I 2 vor a). Deutlich in diesem Sinne Kühl § 15 Rdn. 30; Rudolphi SK Rdn. 3; Welzel § 13 I 2 vor a); vgl. auch Roxin GedS Schröder S. 145, 153. Krit. zu dieser Dreiteilung Roxin GedS Schröder S. 145, 147 ff; ders. AT II § 29 Rdn. 86; dagegen Krey AT/2 Rdn. 410; ganz abl. Herzberg MK Rdn. 97.
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So aber Spielmann S. 128 ff, der die bloße Tatgeneigtheit für den von ihm unter Verkennung der Funktion des Begriffs der Vorstellung in § 22 (s. dazu Rdn. 87 ff) für maßgeblich erachteten „Vorstellungsvorsatz" ausreichen und Versuch bis zur Auflösung der Unsicherheit aufgrund der zuvor bestehenden „Abgeschirmtheit" der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung nur an der Unmittelbarkeit des Ansetzens scheitern lassen will; ähnlich Herzberg MK Rdn. 103 ff, 127 (unter Berufung auf Schlehhofer Vorsatz S. 39), der bei noch hinreichender „Abgeschirmtheit" der Tatbestandsverwirklichungsgefahr das Schwanken des Täters mit dem Fehlen eines nach seiner Vorstellung „unmittelbaren" Ansetzens gleichsetzen will.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
schlossenes „Wollen" schließt den Tatentschluss aus (Vogler LK 1 0 Rdn. 10; Welzel § 13 I 2 vor a). Die Rechtsprechung entscheidet nicht anders, wenn sie im Betreten eines Raumes die Betätigung eines „endgültigen" Vorsatzes noch nicht sieht, „wenn sich der Dieb noch gar nicht im klaren ist, was er stehlen will, und aus welchem Raum" (RGSt 54 181, 183), 9 5 wenn sie den „Entschluss" zur Tötung bei einem Täter verneint, der „zunächst nur durch Vorhalten der Pistole seinen Schwiegervater bedrohen", sich beim Ergreifen der Pistole aber das Schießen auf ihn „noch vorbehalten wollte" (RGSt 68 339, 341) oder wo sich dieser Vorbehalt bei der Fälschung einer Urkunde darauf bezog, ob von der verfälschten Urkunde überhaupt Gebrauch gemacht werden sollte (RGSt 75 19, 25 zu § 2 6 7 a.F.). Der BGH folgt dieser Linie, wenn er im Nichtausholen mit einer bereits ergriffenen Axt ein Indiz dafür sieht, „dass der Entschluss zum Zuschlagen noch nicht endgültig gefasst war" (BGH bei Holtz M D R 1980 271 f) oder wenn dem Täter die erforderliche „endgültige Entscheidung", ob er die zum Überfall ausersehene Bank betritt oder nicht, durch Eintreffen der Polizei „abgenommen" wird (BGH StV 1987 528 f). In diesen Fällen wegen des fehlenden Tatentschlusses von (strafloser) Vorbereitungshandlung zu sprechen (vgl. z.B. RGSt 75 19, 25), ist zumindest missverständlich. Auch Vorbereitungshandlungen können von einem festen Tatentschluss getragen sein und müssen es, wo sie ausnahmsweise strafbar sind (BGHSt 12 306, 309; OLG Hamm StV 1997 242). Von der (strafbaren) Versuchshandlung unterscheiden sie sich daher nicht durch fehlenden Entschluss, sondern allein dadurch, dass sie noch vor der mit dem (unmittelbaren Ansetzen) bezeichneten Strafbarkeitsschwelle liegen. 96 Abweichend nimmt Arzt (JZ 1969 54, 56) in den Fällen, in denen der Täter schon auf den Erfolg hinarbeitet, aber die endgültige Entschließung noch aufschiebt, dolus eventualis an. Der Vorbehalt späterer Entschlussfassung ändere nichts daran, dass der Täter mit dem Hinarbeiten auf den Erfolg die Möglichkeit in Kauf nehme, dass sein Verhalten vor dem Zeitpunkt, in dem er seinen endgültigen Entschluss fasse, den Erfolg (mit) herbeiführe. Dem möglichen Einwand einer unangemessenen Erweiterung des Strafbarkeitsbereichs in das Vorfeld will Arzt (S. 58 ff) durch eine restriktive Auslegung des unmittelbaren Ansetzens begegnen. Ähnlich - wenn auch enger - will Jakobs (25/30) im Anschluss an Walder (SchwZStr 99 [1982] 225, 251 f) den noch unsicheren Durchhaltewillen dann als Entschluss gelten lassen, wenn die auf seiner Grundlage vorgenommenen Handlungen für den Täter keinen anderen Sinn aufweisen, als die Tat vorzubereiten oder zu ihr anzusetzen, bei Ausbleiben der Fortsetzung also ohne Sinn blieben. Diesen Auffassungen ist zwar zuzugeben, dass namentlich das allein bei Einfügung in ein verbrecherisches Vorhaben Sinn machende Hinarbeiten auf die Tatbestandsverwirklichung als Indiz für hinreichende Entschlossenheit spricht. 97 Es ist aber nicht unwiderlegbar. Denn wo dieses Vor- und Hinarbeiten noch auf einer unsicheren inneren Basis beruht, kann es bei aller „Eindeutigkeit" das wegen der Unentschlossenheit fehlende voluntative Element nicht ersetzen. Es fehlt, und seine Annahme wäre folglich bloße Fiktion. Es ist auch
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Richtig ist diese Aussage allerdings nur, wenn damit - wie in einem von RG JW 1932 3087 gebildeten Beispielsfall - über das „Ob" noch keine Entscheidung gefallen war, krit. zu RGSt 54 181 daher zu Recht Schmid ZStW 74 (1962) 48, 50; zweifelhaft daher BGH StV 2001 621. Schmid ZStW 74 (1962) 48, 52 Fußnote 13;
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Kühl % 15 Rdn. 34; Rath JuS 1998 1006,
1012; Roxin GedS Schröder S. 145, 151, 163; Zaczyk Unrecht S. 2 4 7 (jedenfalls wenn die Handlung im Falle eines Tatentschlusses schon die Qualität eines unmittelbaren Ansetzens hat).
Vogler LK10 Rdn. 11.
Thomas Hillenkamp
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42
§22
2. Abschnitt. Die Tat
nichts vorentschieden, vielmehr alles Maßgebliche in die spätere Entschließung verschoben. 98 Nur wenn man so entscheidet und diesen Schwebezustand dem Tatentschluss noch entzieht, lassen sich schließlich Fälle der Beeinflussung sachgerecht beurteilen: Wer den noch Unentschlossenen zur Entschlossenheit bewegt, macht aus Schwanken Entschluss (krit. Puppe GA 1984 101, 116 f). Sein Unrecht ist folglich das des Anstifters, nicht des Gehilfen (Roxitt GedS Schröder S. 145, 151 ff), als den ihn die Gegenansicht einordnen m u s s . " Die hier in Übereinstimmung mit der h.M. vertretene Forderung nach einem ohne verbleibenden inneren Vorbehalt und damit „endgültig" gefassten Verwirklichungswillen ist Einwendungen ausgesetzt. Sie weisen einerseits darauf hin, dass sich die von der h.L. zu Recht befürwortete Bestrafung des Ausräumens letzter „Hemmungen und Bedenken" als psychische Beihilfe mit dieser Forderung nicht vereinbaren lasse, weil vor dem Eintritt vorbehaltloser Tatentschlossenheit nach ihr von bloßer Bestärkung eines schon vorhandenen Tatentschlusses nicht geredet werden könne. Andererseits wird bezweifelt, dass es eine hundertprozentige Entschlossenheit als psychische Realität überhaupt gebe (Roxin GedS Schröder S. 145 ff). Roxin will daher die Grenze, die Tatgeneigtheit und Entschluss trennt, dort ziehen, „wo die zum Delikt hindrängenden Motive das Übergewicht über die Hemmungsvorstellungen" so erlangen, dass „der Täter die Tat lieber begehen als lassen will" und hiervon schon sprechen, wenn jemand nur „zu 90 % (oder so gut wie) entschlossen", noch „wankend" oder sich „nicht mehr so ganz sicher" ist (Roxin aaO S. 159, 161; ders., JuS 1979 1, 3). 1 0 0 Dass damit aber die Wirklichkeit besser getroffen oder der Beteiligungsfrage eine sachgerechtere Grundlage gegeben würde, ist zu bestrebten. Denn einerseits kennzeichnen die von der h.L. bevorzugten Attribute wie „endgültig" oder „unwiderruflich" treffender als die zitierte Formel den allein interessierenden Zustand, der eingetreten ist, nachdem die zur Tat drängenden Motive die Oberhand gewonnen haben und der eingetreten sein muss, um von Entschlossenheit zu reden. Ihrer wird sich zu Recht nur der Entschiedene und gerade nicht der noch „Wankende" oder der „nur so gut wie" Entschlossene berühmen. Andererseits schließen verbleibende Zweifel, Hemmungen und Bedenken weder die Bezeichnung eines gleichwohl gefallenen Entschlusses als endgültig oder unwiderruflich noch eine ihm zugrunde liegende, letztlich vorbehaltlose Entschlossenheit aus. Damit bleibt aber die Möglichkeit einer auf Beschwichtigung oder Zerstreuung zielenden psychischen Beihilfe. Wer dagegen dem nur „zu 90 % (oder so gut wie)" Entschlossenen, dem noch Wankenden „hilft", den Entschluss erst zu fassen, ist in Wahrheit Anstifter. Denn einem solchen Menschen wird der „Willensruck" erst ermöglicht, den sich der endgültig Entschlossene schon selbst gegeben hat und der nötig ist, damit der Tatentschluss fällt. 101 Aus diesen Gründen ist die neuere Auffassung der hier verteidigten in beiden Belangen unterlegen.
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Man sollte daher auch nicht von einem „Vorentschluß" sprechen; Schmidhäuser, der diesen Ausdruck gebraucht (Lb 15/33), entscheidet in der Sache dann aber wie im Text. Wie der Text Sch/Schröder/Eser Rdn. 18; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 95; Rudolphi SK Rdn. 6; Jescheck/Weigend § 4 9 III 1 und Fn. 2 2 . Vgl. ferner Roxin AT II § 2 9 Rdn. 87 ff; zust. Kühl § 15 Rdn. 36; Neuhaus GA 1 9 9 4 2 2 4 , 2 2 8 ; Sch/Schröder/Eser Rdn. 18; als eine mögliche Beschreibung akzeptiert von
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Günther J Z 1987 16, 2 2 ; Rath JuS 1 9 9 8 1 0 0 6 , 1012; krit. Herzberg M K Rdn. 99; Spielmann S. 122. Zaczyk Unrecht S. 2 4 6 f will diesen Befund nur genügen lassen, wenn er sich im unmittelbaren Ansetzen manifestiert; zu dieser als notwendig empfundenen Betätigung des Tatentschlusses vgl. auch Puppe GA 1 9 8 4 101, 116 ff sowie Rdn. 5 0 und Fn. 9 0 . 101
Zum „Willensruck" als zentralem Punkt der Willenshandlung s. Ambrosius Vorsatzabgrenzung S. 2 0 ff; aufgenommen von
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
bb) Tatentschluss auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage. Von der bloßen Tatgeneigtheit ist die Fallgruppe des Tatentschlusses auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage zu unterscheiden, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Täter die Tat nur unter gewissen tatsächlichen Voraussetzungen begehen will, deren künftiger Eintritt oder künftiges Ausbleiben bei der Fassung des Entschlusses noch ungewiss ist. Nach dem Willen des Täters sollen erst Eintritt oder Ausbleiben dieser objektiven Bedingungen endgültig darüber entscheiden, ob er die Tat ausführt. So kann es z.B. liegen, wenn der Streitende zum tödlichen Einsatz eines Messers in einer tätlichen Auseinandersetzung entschlossen ist, falls er zu unterliegen droht (BGH N S t Z 1991 2 3 3 ) , wenn die Ausführung eines Bankraubes nur noch davon abhängig gemacht wird, dass sich keine Kunden im Schalterraum befinden (BGH NStZ 1996 38) oder wenn die Begehung eines Diebstahls in einem Juweliergeschäft unter der Bedingung steht, dass „sich eine entsprechende Gelegenheit findet" (BGH N S t Z 2 0 0 1 4 4 5 ) . In solchen Sachverhaltsgestaltungen, zu denen auch die so genannten „Alternativfälle" zählen (s. dazu Rdn. 129), ist der zum Versuch gehörige Entschluss der Tatbestandsverwirklichung vorhanden, wenn er für den Fall des Eintritts der Bedingung im vorstehend umschriebenen Sinne (s. Rdn. 4 1 ff) feststeht. Nicht der Entschluss, nur seine Ausführung hängt dann noch von Bedingungen ab. Die Entscheidung über das „ O b " der Tat behält sich der Täter nicht mehr vor. Vielmehr ist er unbeschadet des Unsicherheitsfaktors subjektiv zur Tat fest und endgültig entschlossen ( S c h m i d Z S t W 74 [1962] 48, 5 4 ) . 1 0 2
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Da in der Mehrheit der Fälle die Durchführung eines verbrecherischen Vorhabens noch von Voraussetzungen abhängig ist, die dem Willen des Täters entzogen sind, wäre es verfehlt, allein wegen dieser Abhängigkeit die Annahme eines endgültigen Willens zur Tatausführung grundsätzlich abzulehnen (BGHSt 12 3 0 6 , 310). Die Praxis zeigt zudem, dass solche subjektiven Festlegungen auch angesichts und trotz noch bestehender Unsicherheit über die objektiven Gegebenheiten nicht selten vorkommen. 1 0 3 Es fehlt folglich an der für § 2 2 erforderlichen Entschlossenheit auch dann nicht, wenn der Täter sich nur über die Möglichkeit des Gelingens der Tat im Unklaren ist (Sch/Scbröder/Eser Rdn. 19). Die Durchführungsmöglichkeiten und Erfolgsaussichten entziehen sich in der Regel sicherem Wissen (Kühl § 15 Rdn. 31). Wüsste der Täter, dass er die erstrebte Vollendung bestimmt nicht erreicht, so würde er die Tat unterlassen. Dagegen kann er auf die Gefahr des Misslingens hin handeln, wenn er sich eine Erfolgschance einräumt. Auch dann liegt Tatentschlossenheit vor (Vogler L K 1 0 Rdn. 16).
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An der nötigen Entschlossenheit fehlt es dagegen dann, wenn der Täter nicht nur den Eintritt oder das Ausbleiben einer von seinem Willen unabhängigen Bedingung abwartet, die lediglich noch über den Beginn der Ausführungshandlung entscheiden soll, sondern wenn es der tatauslösenden Motivation durch einen anderen noch bedarf. Im Gegensatz zum Tatentschluss auf hypothetischer Tatsachengrundlage macht der Täter in solchen Fällen die Entschlussfassung selbst noch von dem Verhalten eines anderen abhängig (Vogler L K 1 0 Rdn. 15). So liegt es beispielsweise im Falle eines Lohnmörders, der sich zur Tat erbietet, wenn er die geforderte Belohnung erhält. Für ihn besteht keinerlei Anlass, vor dem Eintritt der Bedingung aus seiner allgemeinen Tatbereitschaft eine konkrete
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Rdn. 31; Rudolphi SK Rdn. 5; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 18.
BGH StV 1997 528, 5 2 9 ; BGHSt 4 8 34, 36;
Jescheck/Weigend
§ 29 III 3e (die von „defi-
nitiver Willensentscheidung" sprechen);
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Vogler LK 10 Rdn. 13. Ebenso Jescheck/Weigend § 49 III 1; Joecks Rdn. 9; Kindhäuser LPK Rdn. 13; Kühl § 15
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Abweichende Beurteilung bei Roxiti GedS Schröder S. 145, 148, der „keinerlei Veranlassung" für eine solche Festlegung sieht.
T h o m a s Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
Tatentschlossenheit werden zu lassen. Wer diesen Umschwung bewirkt, ist folglich Anstifter. Er unterscheidet sich von dem, der dem schon Entschiedenen nur die Durchführung ermöglicht oder erleichert, indem er für den Eintritt der Bedingung sorgt. Wer vor der Bank Kunden vom Betreten abhält und dadurch die Bedingung eintreten lässt, von der die bereits im Schalterraum befindlichen Bankräuber die Ausführung des Banküberfalls abhängig machen, ist Gehilfe. 104 Der Vorwurf, mit der Forderung nach einem unbedingten Handlungswillen könne es dann auch im Falle des Lohnmörders keine Anstiftung geben (Roxin GedS Schröder S. 145, 147 und JuS 1979 1, 8f), ebnet den maßgeblichen Unterschied beider Sachverhaltsgestaltungen ein. 47
Die Abgrenzung (s. hierzu schon mustergültig RGSt 16 133; BGHSt 12 306, 309; 21 14, 17) des Tatentschlusses auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage von bloßer Tatgeneigtheit kann Schwierigkeiten bereiten. So hängt es z.B. von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der Untersuchung des Tatobjekts auf seine Tauglichkeit ein versuchsbegründender Entschluss zugrunde liegt. Will der Täter mit der Untersuchung erst noch feststellen, ob er sich die Gelegenheit der Tat zunutze machen soll, liegt ein Tatentschluss noch nicht vor. Das Sichvergewissern über den Gegenstand oder den Wert der etwaigen Beute dient dann noch der Vorbereitung der Entschließung. Ist der Täter dagegen schon zur Tat entschlossen, falls sich das Objekt als brauchbar erweist, ist - sofern die Tat durch die Untersuchung in das Ausführungsstadium gelangt ist (vgl. dazu Rdn. 50) Versuch gegeben und das Ergebnis der Untersuchung kann den Täter allenfalls zur Aufgabe des Entschlusses veranlassen. Hiernach fehlt es am endgültigen Entschluss zwar noch dann, wenn sich ein Dealer von der Qualität des angebotenen Haschischs mit der Bemerkung überzeugen will, er werde sich (nur) möglicherweise zum Erwerb entschließen, nicht aber, wenn er „den Ankauf von 100 g Haschisch zum Preis von 800 D M vereinbart - normale Qualität des Haschischs vorausgesetzt". Im letzteren Fall ist nicht der Tatentschluss, sondern nur dessen tatbestandsnahe Ausführung noch zu bezweifeln (aA OLG Celle 1986 78, 79).
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Nach diesen Grundsätzen ist auch bei Diebstahl und Unterschlagung zu verfahren. Da § 2 4 2 nicht auf die Wegnahme bestimmter Sachen abstellt, ist es für den Diebstahlsvorsatz wie auch für die Zueignungsabsicht gleichgültig, ob sie von vornherein auf bestimmte Objekte konkretisiert waren oder allgemein dahin gingen, stehlenswerte Gegenstände mitzunehmen. Versuch liegt daher vor, wenn der Täter ein Haus mit dem Entschluss betritt mitzunehmen, was er an Brauchbarem findet (RGSt 70 201, 2 0 2 f), wie auch dann, wenn er - zur Tat entschlossen - erst feststellen will, ob es etwas Stehlenswertes gibt (OLG Hamm M D R 1976 155). Öffnet ein Postschaffner einen Brief, um sich dessen Inhalt zuzueignen, falls dieser in „Geld oder Geldeswert" besteht, liegt Tatentschluss ebenso vor (RGSt 65 145, 148), wie wenn er einen Brief in der Absicht aus dem Postgang nimmt, seinen Inhalt zu prüfen und - falls er für ihn brauchbar ist - sich zuzueignen (RG J W 1933 2706). Dagegen fehlt es am Versuch dieser Delikte, wenn der Täter sich erst nach der Prüfung des Inhalts schlüssig werden will, ob die Aneignung sich lohnt oder wenn er beim Rütteln an den Vorderrädern verschiedener Pkws hofft, ein Fahrzeug ohne eingerastetes Lenkradschloss zu finden, sich aber noch nicht sicher ist, ob er dieses dann auch „nehmen" wird (vgl. BGHSt 2 2 80 zu §§ 248b, 22).
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In der Rechtsprechung finden sich (weitere) Beispiele namentlich zum hinreichenden Tatentschluss trotz unsicherer Tatsachengrundlage in RGSt 16 133: Anfertigung eines
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Entgegen Rath JuS 1998 1006, 1012 lässt sich mangels Hervorrufens eines (schon vor-
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handenen!) Entschlusses die Anstiftung auf diese Fälle nicht erstrecken.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
unechten Akzeptes, um es zu gebrauchen, falls ein laufender Wechsel prolongiert werden muss und der Wechselgläubiger die Prolongation genehmigt (zu § 2 6 7 a.F.); R G D J Z 1 9 0 3 106: Eine Frau gebraucht „gewisse Mittel", um sich für den Fall, dass sie schwanger ist, der Leibesfrucht zu entledigen; BGHSt 5 149: Die gefälschte Urkunde sollte nach dem Willen des Täters nur für den Fall einer steuerlichen Nachprüfung und auch dann nur unter Voraussetzungen gebraucht werden, deren Eintritt zunächst noch ungewiss war (§ 2 6 7 a.F.); BGHSt 12 3 0 6 , 3 0 9 : Verabredung von Häftlingen, sich durch Beraubung einer ihnen bekannten Gastwirtin Geld zu beschaffen, falls ihnen der Ausbruch aus dem Gefängnis gelingt (zu § 4 9 a a.F.); BGHSt 21 14, 17: Der Täter war in den Wohnsitz der von ihm getrennt lebenden Frau gefahren mit dem „endgültigen" Entschluss, sie zu töten, falls sie nicht zu ihm zurückkehre; BGHSt 21 319, 3 2 2 : Der Täter machte die Ausführung des Raubes nur noch davon abhängig, dass er Hilfe fand; B G H GA 1 9 6 3 147 f: Der Täter wollte das entgegengenommene Bestechungsgeld nur behalten, wenn seine eigenen Mittel zur Begleichung einer Rechnung nicht ausreichten; B G H StV 1 9 9 6 81 f (missverständlich, s. dazu Otto Anm. J K 1996, StGB § 259/14): Tatentschluss zum hehlerischen Ankauf eines Pkw, s o b a l d 1 0 5 die Vortat (der Diebstahl) vollendet ist; KG GA 1971 54 f: Der Entschluss, die Tat als Raub auszuführen, stand für den Fall fest, dass das Opfer das Geld nicht aufgrund der zunächst geplanten Drohung herausgeben würde. Die Frage der Tatentschlossenheit ist von der Frage ihrer Betätigung namentlich durch den Anfang der Ausführung in all diesen Fällen zu trennen. 1 0 6 Zum ersten sind Tatentschlossenheit und Tatentschluss nicht von einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat abhängig. Zwar mögen sie sich erst in der kritischen Situation des Versuchsbeginns als „tatmächtig" erweisen. Nicht richtig ist es aber, hieraus zu folgern, dass „wie der Wille die Tat, so ... erst die Tat den Willen" m a c h e . 1 0 7 Vielmehr kann der endgültige Tatentschluss Tage vor der Tat fallen, ohne überhaupt „betätigt" zu sein. Auch kann er sich wie die in Rdn. 4 8 f mitgeteilten Fälle zeigen - in bloßen Vorbereitungshandlungen manifestieren. Für sie ist im Falle der strafbaren Verabredung (BGHSt 12 3 0 6 ; B G H bei Holtz M D R 1 9 8 6 974) oder des Sich-Bereit-Erklärens (OLG Hamm StV 1 9 9 7 2 4 2 ) Tatentschlossenheit nicht anders als bei Versuch verlangt. Ferner muss auch in all jenen Fällen über die Tatentschlossenheit unter Umständen schon weit vor Versuchsbeginn entschieden werden, in denen das Gesetz zur Ausführung einer tatbestandlichen Handlung (oder wenigstens deren Versuch) den zusätzlichen Entschluss verlangt, eine bestimmte Tat zu begehen (wie z.B. in §§ 2 3 9 a , b, 316a), einen mitgeführten Gegenstand „gegebenenfalls" zu verwenden (wie z.B. in §§ 2 4 4 Abs. 1 Nr. l b , 2 5 0 Abs. 1 Nr. l b ) 1 0 8 oder eine bestimmte Absicht zu verwirklichen. 1 0 9 Zum zweiten kann die Art der Betätigung nicht 105
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Zur die Tatentschlossenheit nicht hindernden zeitlichen Bedingung s. auch Rath JuS 1998 1006, 1012. Die These Herzbergs MK Rdn. 103, es gehe beim „unbedingten Handlungswillen" um die - aus der Tätervorstellung heraus zu beantwortende - Frage nach der Nähe und Wahrscheinlichkeit des ausschlaggebenden Aktes und somit um das Merkmal der Unmittelbarkeit des Ansetzens (Rdn. 127), beruht auf der von Herzberg MK Rdn. 30 ff zu Unrecht (vgl. hier vor § 22 Rdn. 11 ff) behaupteten Unangemessenheit einer Unterteilung des Versuchs in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand und der damit
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einhergehenden (Herzberg MK Rdn. 35 ff) unzutreffenden (vgl. hier Rdn. 90 f) Gleichsetzung von Vorsatz und Vorstellung. So aber Puppe GA 1984 101, 117; ähnlich Zaczyk Unrecht S. 246 f, der für die notwendige Betätigung nicht unbedingt den „Anfang der Ausführung des Versuchs" verlangt, andererseits aber bei Vorbereitungshandlungen nicht von einem „Tatentschluß i.e.S." sprechen will. Vgl. zur Verwendungsabsicht BGH NStZR R 1996 3; Wessels/Hillenkamp Rdn. 262c. Wie z.B. in § 267, vgl. dazu Neuhaus GA 1994 224, 228 ff; BGHSt 5 149; zu § 316a
vgl. Günther JZ 1987 16, 22.
Thomas Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
über das Vorliegen der nötigen Tatentschlossenheit entscheiden. Sicher ist eine Handlung, die im Falle eines Tatentschlusses als Versuchsbeginn anzusehen wäre, ein Indiz für die Entschlossenheit, die Tat zu vollenden. Auch in solchen Fällen kann es sich aber um einen „Täter" handeln, der die Vollendung nicht will (BGH bei Holtz M D R 1986 974) oder der noch schwankt (RGSt 68 339). 110 Eine solche psychische Verfassung ist auch bei dem nicht ausgeschlossen, der eine Handlung vornimmt, die nur als Vorbereitung des erwogenen Delikts Sinn macht. So kann zwar die auschließlich mit Blick auf einen ins Auge gefassten Schwangerschaftsabbruch betriebene Untersuchung einer Schwangeren in der Vorstellung geschehen, dass der Abbruch dann in unmittelbarem Anschluss an die Untersuchung vorgenommen werden soll, wenn die Schwangerschaft noch nicht über den vierten Monat hinausgegangen ist. Dann liegt ein Tatentschluss auf unsicherer Tatsachengrundlage vor. Die Untersuchung kann aber auch zu dem Zweck unternommen werden, der noch schwankenden und daher noch nicht gefallenen „Entscheidung" eine sichere Grundlage über den Entwicklungsstand der Schwangerschaft zu verschaffen. Dann liegt trotz Fehlens eines anderweitigen Sinns der Untersuchung (entgegen Jakobs 25/33) lediglich Tatgeneigtheit vor (s. dazu auch BGH bei Dallinger M D R 1953 19). Z u m dritten muss die Betätigung eines endgültig gefassten Tatentschlusses nicht notwendig eine Ausführungshandlung im Sinne des § 22 bedeuten (s. Rdn. 129 f). Wer sich für den Fall des drohenden Unterliegens in einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem Messer bewaffnet, um den Gegner gegebenenfalls zu töten, setzt trotz einer Betätigung des Tötungsentschlusses durch das bloße Einstecken des Messers noch nicht zur Tötung an (BGH NStZ 1991 233). Auch ist zur Tat entschlossen, wer Devisen in die Fußmatte seines Autos einnäht, um sie im Falle des Ausbleibens einer Einfuhrgenehmigung einzuschmuggeln oder wer an den Vorderrädern eines Autos rüttelt, um es zu stehlen, falls das Lenkradschloss nicht verriegelt ist. Er setzt aber mit dem Einnähen bzw. Rütteln zur jeweiligen Tat nicht unmittelbar an (aA RGSt 71 53; BGHSt 22 80, 81). 111 Hieran fehlt es schließlich auch dann, wenn ein Täter mit Chloroform oder Schreckschusspistole für den Fall des Widerstandes bewaffnet das Haus des Opfers betritt, um (gegebenenfalls) einen Raub zu begehen, dann aber im Hausflur von der Polizei abgefangen wird (OLG H a m m StV 1997 242 f). 112 51
cc) Tatentschluss mit Rücktrittsvorbehalt. Dass der Vorbehalt des Täters, bei Eintritt oder Ausbleiben bestimmter Gegebenheiten von der (weiteren) Ausführung seines Entschlusses „zurückzutreten" (Tatentschluss mit Rücktrittsvorbehalt), unbeachtlich ist, folgt aus der Existenz des § 24 (Rudolphi SK Rdn. 5) wie aus der strukturellen Verwandtschaft dieser Konstellation mit den Fällen des Tatentschlusses auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage (Jakobs 25/34; s. zur Unterscheidung Jäger NStZ 2000 416). Die dem endgültigen Tatentschluss hinzugefügte auflösende Bedingung stellt den Vorsatz nicht in Frage. 113 Es bedarf auch in solchen Fällen - damit das Tun unmittelbar in die Tatbestandshandlung einmündet - entgegen BGH StV 1999 593 (mit krit. Anm. Dey JR
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Ebenso Roxin GedS Schröder S. 145, 165. Die Entscheidungen kommen zwar zum unmittelbaren Ansetzen zu einem anderen Ergebnis, schließen dessen Bejahung aber zutreffend nicht aus dem Vorliegen des Tatentschlusses (der in RGSt 70 53 freilich unzutreffend in Frage gestellt wird). Vgl. auch Otto Anm. JK 96, StGB § 259/14 zu BGH StV 1996 81: kein unmittelbares
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Ansetzen zur Hehlerei vor Vollendung der Vortat, wenn für den Fall der erfolgreichen Vollendung des Vorerwerbs der Ankauf zugesagt wird. Blei JA 1975 167; Arzt J Z 1969 54; Kühl % 15 Rdn. 32; Rath JuS 1998 1006, 1012; Roxin GedS Schröder S. 145, 146, 165; ders. JuS 1979 1, 2; Sch/Schröder/Eser Rdn. 20; Schmid ZStW 74 (1962) 48, 54 ff.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
2 0 0 0 295) - keines weiteren Willensimpulses. Deshalb beginnt der Versuch des § 2 3 9 a auch dann, wenn die an der Tür des Opfers klingelnden Täter die Entführung abbrechen wollen, falls das Opfer mit seinem Kleinkind erscheint (Jäger N S t Z 2 0 0 0 4 1 6 ) . 1 1 4 Behält sich der Täter eines sexuellen Missbrauchs von Kindern vor, „die Kinder in Ruhe zu lassen, falls sie weinen sollten", 1 1 5 so steht dieser Vorbehalt der Tatentschlossenheit ebensowenig im Wege wie dort, wo der Täter das weitere Vorantreiben eines Devisenschmuggels aufzugeben gedenkt, falls er die nötige Einfuhrgenehmigung noch rechtzeitig erhält. 1 1 6 Ebenso kann aus der Tatsache, dass die Täter beschlossen hatten, aus einer Zugtoilette entwendetes Cannabisharz den mutmaßlichen Eigentümern wieder auszuhändigen, falls sie von ihnen angesprochen und zur Rechenschaft gezogen würden, nicht geschlossen werden, dass die Täter nur einen „bedingten Tatentschluss" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 6 b B t M G a.F. (Besitz von Cannabisharz) gefasst hätten; vielmehr folgt daraus nur, dass die Täter davon absehen wollten, sich den Besitz der Betäubungsmittel mit Gewalt zu erhalten (BGHSt 3 0 2 7 7 ) . 1 1 7 Der Tatentschluss selbst steht in diesen Fällen nicht unter innerem Vorbehalt (s. schon RGSt 7 7 172, 175). Vielmehr behält sich der Täter nur vor, ihn wieder aufzugeben oder die Tat soweit wie möglich rückgängig zu machen. Dabei ist für den Tatentschluss mit Rücktrittsvorbehalt nicht entscheidend, dass sich der Täter alle Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts oder der tätigen Reue vorstellt, sondern nur, dass er die Tat unter bestimmten Umständen aufgeben (Aufgabevorbehalt) oder rückgängig machen will. Ob es zur Strafbarkeit wegen Versuchs oder Vollendung kommt, hängt - sofern die Tat in das Versuchs- oder Vollendungsstadium gelangt ist - allein davon ab, ob die Voraussetzungen des Rücktritts (Vogler L K 1 0 Rdn. 20) oder einer etwaigen tätigen Reue gegeben sind. Hinsichtlich des Tatentschlusses nicht anders als die Fälle des Rücktrittsvorbehaltes sind die Fallgestaltungen zu entscheiden, in denen der Täter von vornherein entschlossen ist, z.B. nur eine ganz bestimmte Sache wegzunehmen (BGH StV 1 9 9 0 2 0 5 : Geld bei einem Handtaschenraub) oder sich keinesfalls mit weniger als der verlangten Summe zufrieden zu geben (BGH StV 1 9 9 0 2 0 6 zu § 2 5 3 ) , dabei aber das Misslingen einkalkuliert. Wird seine Erwartung zugunsten der einbezogenen Möglichkeit des Scheiterns enttäuscht (der Täter findet die Sache nicht vor; ihm wird nur eine geringere Summe angeboten, die er ausschlägt), ist mit der Zweckverfehlung der von Tatentschlossenheit getragene Versuch zwar fehlgeschlagen, am Tatentschluss selbst aber kein Zweifel. 1 1 8
52
d) Subjektive Unrechtselemente. Neben dem Vorsatz müssen auch die für den jeweiligen Tatbestand etwa vorausgesetzten subjektiven Tatbestandsmerkmale gegeben sein, die im Aufbau des Verbrechensbegriffs auf derselben Ebene wie der Vorsatz liegen (Baumann/Weber/Mitsch § 2 6 Rdn. 4 0 ; Jescheck/Weigend § 4 9 III l b ) . Der Grund hierfür
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114
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116
I.E. nicht anders Herzberg MK Rdn. 103, der aber zu Unrecht die Frage der Tatentschlossenheit ausblendet. Von Schmid ZStW 74 (1962) 48, 70 f mitgeteilter Sachverhalt des Strafgerichts Basel Stadt vom 20.4.1953. RGSt 71, 53 f verneint hier unzutreffend den unbedingten und endgültigen Entschluss; richtig dagegen Jescheck/Weigend § 2 9 III
3e; Rudolphi SK Rdn. 5; Jan Schröder Der
bedingte Tatentschluss S. 88. Es fehlt beim bloßen Einnähen in die Fußmatte des Pkws
117
118
im Fall allerdings nach heutigen Maßstäben am unmittelbaren Ansetzen zum Verbringen ins Ausland, vgl. Rdn. 50. Die Aussagen zum hier entscheidenden Vorbehalt sind in der amtlichen Sammlung nicht mit abgedruckt. BGH 4 StR 595/81 v. 26.11.81; BGH 1 StR 506/81 v. 29.9.81; BGH 2 StR 85/83 v. 9.3.83; BGHSt 4 2 5 6 , 258; BGHSt 41 368, 371; RG Recht 14 20, 24; RGSt 64 250; vgl. auch Herdegen LK 1 1 § 253 Rdn. 28.
Thomas Hillenkamp
1487
§22
2. Abschnitt. Die Tat
besteht darin, dass der im Tatentschluss zusammengefasste subjektive Tatbestand auch beim Versuch keinen Mangel aufweisen darf, sondern vollständig vorliegen muss. Gehört zum subjektiven Tatbestand neben dem Wissen und Wollen der Merkmale des objektiven Tatbestandes (wie z.B. in §§ 242, 249, 253, 263) eine bestimmte Absicht, so liegt mangels eines vollständigen Tatentschlusses kein Versuch vor, wenn der Täter keine dem Gesetz entsprechende Absicht aufweist 119 oder sie noch nicht in der für die Tatentschlossenheit notwendigen Endgültigkeit gefasst hat (s. hierzu krit. Herzberg MK Rdn. 110 ff). So muss auch beim Diebstahlsversuch die Zueignungsabsicht zwar ebensowenig wie der Wegnahmevorsatz von vornherein auf bestimmte Sachen gerichtet sein (Sch/Schröder/ Eser § 242 Rdn. 62 m.w.N.); sie darf sich aber auch hier nicht in einer bloßen Gebrauchsabsicht erschöpfen. Glaubt der Täter, auf die Sache oder Leistung einen Anspruch zu haben, fehlt ihm die im subjektiven Tatbestand des Diebstahls bzw. des Betrugs für Vollendung wie Versuch vorausgesetzte Vorstellung von der Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung oder Bereicherung. 120 Dann liegt auch ein entsprechender Versuch nicht vor. Die Rechtsprechung lässt an dieser Identität des subjektiven Tatbestands beider Verbrechensformen zu Recht auch im übrigen keinen Zweifel. So verlangt sie beispielsweise die besser als Verwendungsvorbehalt (Wessels/Hillenkamp Rdn. 262c) gekennzeichnete „Verwendungsabsicht" des § 244 Abs. 1 Nr. 2b naturgemäß auch beim Versuch (BGH NStZ-RR 1996 3) und betont, dass das zum niedrigen Beweggrund gehörende Bewusstsein auch bei nur versuchtem Mord nicht fehlen darf (BGH VRS 56 139). Schließlich muss sich beim Versuch einer sexuellen Nötigung der Täter die Vornahme von Handlungen vorstellen, deren Sexualbezogenheit sich bei einem mehrdeutigen äußeren Erscheinungsbild aus der beim Täter vorhandenen Tendenz ergibt (vgl. BGH NStZ-RR 1997 292; Lackner/Kühl § 184 f Rdn. 2 f). 54
4. Objektiver Tatbestand. Objektiv setzt der Versuch voraus, dass der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Erfüllt die Betätigung des Tatentschlusses diese Voraussetzung, hat der Täter das Stadium der in der Regel straflosen Vorbereitung verlassen. Die heutige Gesetzesfassung, die im objektiven Tatbestand des Versuchs das subjektive Kriterium der Vorstellung von der Tat mit dem objektiven Merkmal des unmittelbaren Ansetzens zur Verwirklichung des Tatbestandes verbindet, steht am Ende einer langen Auseinandersetzung zwischen objektiv und subjektiv geprägten Überlegungen, die Stadien von Vorbereitung und Versuch voneinander abzugrenzen. Diese Überlegungen sind naturgemäß von der jeweils vertretenen Theorie zum Strafgrund des Versuchs beeinflusst, als Lösung des Abgrenzungsproblems aber weder nach ihrer Thematik noch als Auslegungsfrage des (jeweils) geltenden Rechts in ihrem Erkenntnisinteresse mit dem dazu geführten Theorienstreit (s. Rdn. 6 und vor § 22 Rdn. 61) identisch.
55
a) Dogmengeschichtliche Entwicklung und gesetzgeberische Entscheidung. Den Ausgangspunkt der dogmengeschichtlichen Entwicklung 121 bildet die formell-objektive Theorie. Nach ihr liegt ein Versuch erst dann vor, wenn der Täter mit der im Gesetz
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Vgl. z.B. zu § 2 2 9 a.F. BGHSt 3 6 262, 2 6 6 ; OLG Karlsruhe N S t Z - R R 1997 5 f; zu § 2 5 3 BayObLG N J W 2 0 0 3 911. Nach BGHSt 42 2 6 8 , 272 (vgl. auch OLG Düsseldorf wistra 1992 74) führt diese Vorstellung zum Vorsatzausschluss wegen eines Tatbestandsirrtums nach ξ 16; nach Roxin
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AT I § 12 Rdn. 140 ff ist S 16 nur analog
anzuwenden; krit. Gössel GedS Zipf S. 215, 121
228. Vgl. dazu Kratzsch
Verhaltenssteuerung
S. 41 ff; Papageorgiou-Gonatas S. 37 ff; Roxin AT II § 29 Rdn. 104 f.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
beschriebenen tatbestandlichen Handlung begonnen hat. Mindestens ein Teilstück derjenigen Handlung muss verwirklicht sein, „die logisch bereits als tatbestandsmäßig unter den Deliktstatbestand" fällt (v. Hippel II S. 398) oder die mit anderen Worten „durch das im Tatbestand der einzelnen Verbrechen verwendete, den Erfolg in sich schließende Tätigkeitswort erfasst" wird (Liszt/Schmidt 14./15. Aufl. S. 182, 305). Zum versuchten Betrug würde danach gehören, dass der Täter „wenigstens eine auf Täuschung gerichtete Tätigkeit begonnen haben muss" (RGSt 70 151, 157). In ihrer Anbindung an die in den einzelnen Tatbeständen umschriebenen Handlungen wird die formell-objektive Theorie dem nullum-crimen-Satz am ehesten gerecht (Stratenwerth 3. Aufl. Rdn. 666). Kriminalpolitischen Bedürfnissen genügt sie aber nicht, weil der Bereich der (noch) straflosen Vorbereitung zu weit auf Kosten des (schon) strafbaren Versuchs ausgedehnt wird; Handlungen, die schon eine strafwürdige Betätigung des deliktischen Willens darstellen, müssten straffrei bleiben, nur weil sie noch kein Teilstück der im Tatbestand beschriebenen Tätigkeit darstellen. Durch die Fassung des § 22, nach der auch schon nichttatbestandliche, erst zur Verwirklichung des Deliktstatbestandes ansetzende Handlungen als Versuch strafbar sein können, ist zudem der formell-objektiven Theorie die gesetzliche Grundlage entzogen (Jescheck/Weigend § 49 IV 1; Scb/Schröder/Eser Rdn. 26). Der Gesetzgeber will zwar ihren rechtsstaatlichen Gehalt mit seiner Formulierung „zur Verwirklichung des Tatbestandes" (statt allgemein „der Straftat", s. Rdn. 2) soweit wie möglich bewahren (Rudolphi SK Rdn. 9), mit der Ersetzung des „Anfangs der Ausführung" durch das „unmittelbare Ansetzen" den Versuch aber auf das der tatbestandsmäßigen Handlung unmittelbar vorangehende Verhalten erstrecken (s. Rdn. 4). Eine Wiederbelebung der formell-objektiven Theorien stimmt mit dieser Entscheidung nicht überein. 122
56
Von der streng formalen Position lösen sich die verschiedenen Spielarten der materiell-objektiven Theorien (vgl. hierzu Becher S. 4 ff; Mezger 3. Aufl. § 52 III). Sie erweitern den Kranz des in den Versuch einzubeziehenden Verhaltens (krit. zu dieser Aussage Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 32). So sind nach der Frankschen Formel zum „Anfang der Ausführung" schon alle Tätigkeitsakte zu rechnen, „die vermöge ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tatbestandshandlung für die natürliche Auffassung als deren Bestandteil erscheinen" (Frank § 43 Anm. II 2b). Hierin fließen durch die Bezugnahme auf die natürliche Auffassung materielle Wertungen mit ein, die über die formale Beschreibung hinausführen können. Diese Ausdehnung bleibt aber durch die notwendige (nach v. Hippel II S. 4 0 2 „unmittelbare") Zusammengehörigkeit mit der Tatbestandshandlung in objektiv eng gezogenen Grenzen. Weniger deutlich ist diese Anbindung an die formale Tatbestandsbeschreibung, wenn es nach einer anderen Spielart auf die unmit-
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122
Zaczyk Unrecht S. 322 ff, 3 3 0 hat sich zwar für die Anwendung der „alten formellobjektiven Theorie" für konkrete und abstrakte Gefährdungsdelikte sowie für Vorbereitungshandlungen selbständig erfassende Tatbestände ausgesprochen. Er wendet den Grundgedanken der Theorie aber gerade nicht an, wenn er auf den „formellen" Beginn der Tathandlung hier nur deshalb abstellt, weil nach seiner Auffassung davor das von ihm verlangte materielle Versuchsunrecht im Sinne eines das Rechtsgut (das „konkrete Daseinselement der Freiheit")
des Opfers der Überlegenheit des Täters ausliefernden Verhaltens angesichts der bei diesen Delikten vorfindbaren „Distanz zwischen Tatbestandsbeschreibung und Rechtsgutsbeeinträchtigung" noch nicht gegeben sein kann. Das bedeutet dann aber nicht, „daß in diesen Fällen im Ergebnis die alte formell-objektive Theorie angewendet" (aaO S. 330), sondern daß nach dem eigenen materiellen Maßstab (zufällig) die formell-objektive Theorie hier in ihren Ergebnissen bestätigt wird.
T h o m a s Hillenkamp
1489
§22
2. Abschnitt. Die Tat
telbare Gefährdung des geschützten Rechtsguts ankommen soll. An die Stelle des formellen Tatbestands tritt danach der gefährliche Rechtsgutsangriff als materiell-objektives Abgrenzungskritierium (Mezger 3. Aufl. § 52 III). Auf beide Weisen wird der Versuchsbeginn in das tatbestandliche Vorfeld erstreckt. 58
Die materiell-objektiven Lehren wollen der Einsicht Rechnung tragen, dass die Versuchsgrenze in Zweifelsfällen nur mit Hilfe materieller Gesichtspunkte bestimmbar und dass nur mit ihrer Hilfe strafwürdige Fälle einzubeziehen seien, deren Ausscheiden aus dem Versuchsbereich aus „formellen" Gründen materiell kaum zu rechtfertigen wäre. Die Grundgedanken dieser Lehre leben daher bis heute fort (s. z.B. Sch/Schröder/Eser Rdn. 42). Sie können freilich je für sich genommen kaum beanspruchen, zur Verlässlichkeit der Grenzziehung erheblich genauer beizutragen, als der Gesetzestext selbst (s. hierzu Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 32 ff). Auch blenden sie in ihrer überkommenen Gestaltung die Beurteilungsgrundlage der Vorstellung des Täters vollkommen aus, so dass sie sich mit § 22 nicht unkorrigiert vertragen.
59
Allein auf das Vorstellungsbild des Täters vom Anfang der Ausführung stellt dagegen die subjektive Theorie ab (vgl. insb. von Buri GS 19 [1867] 71 ff; 2 0 [1868] 325 ff; 32 [880] 357 ff). Ihr zufolge soll der Wille des Täters darüber entscheiden, ob ein Anfang der Ausführung vorliegt. Das äußere Geschehen ist für den Versuch weitgehend belanglos, entscheidender Anknüpfungspunkt ist die allein vollständige subjektive Seite der Tat: „Darüber nun kann kein Zweifel aufkommen, dass im Versuche der verbrecherische Wille diejenige Erscheinung ist, gegen welche das Strafgesetz sich richtet . . . " (RGSt 1 439, 441 f).
60
Auch diese Lehre lebt in Formulierungen nach, die von Versuch etwa dort sprechen, „wo der Verbrechensvorsatz die Feuerprobe der kritischen Situation bestanden hat" (Bockelmann Untersuchungen S. 146 f). Durch die Vernachlässigung objektiver Kriterien hat die subjektive Theorie aber zu einer bedenklichen Ausuferung der Versuchsstrafbarkeit in der Rechtsprechung geführt. 123 Zwar haben Lehre und Praxis eingedenk des im Tatprinzip zum Ausdruck kommenden Satzes „cogitationis poenam nemo patitur" (Dig. 48.19.18. Ulpian) mit der Betätigung des verbrecherischen Willens immer zugleich eine irgendwie geartete objektiv sichtbare Verwirklichung der Tätervorstellung gefordert (s. dazu Becher S. 8 f m.w.N.), so dass der Vorwurf eines reinen Gesinnungsstrafrechts überspannt ist. Sie haben an die Voraussetzungen aber nicht selten so geringe Anforderungen gestellt, dass dies letztlich „auf eine Preisgabe objektiver Elemente hinauslief" (Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 29). 1 2 4 Jedenfalls solchen Folgerungen einer rein subjektiv geprägten Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch ist durch die gesetzliche Beschreibung des objektiven Moments als unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes durch das geltende Recht der Weg verlegt worden (Jescheck/ Weigend § 49 IV 1).
61
Schon vor der Neufassung des § 22 hatte sich unter dem Eindruck der wechselseitigen Kritik in Literatur und Rechtsprechung eine vermittelnde Auffassung entwickelt, die sub-
123
Vgl. RGSt 72 66: Fingierter Einbruchsdiebstahl als versuchter Versicherungsbetrug; BGHSt 6 302: Aufforderung an ein Mädchen, mitzugehen bzw. um 17 Uhr am Pferdekarussell zu sein, als Beginn des Verleitens im Sinn des § 176 Abs. 1 Nr. 3 a.F.; weitere Beispiele bei Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 4 0 Rdn. 2 9 ff; einen bedenklichen
1490
Schritt in diese Richtung zurück tut BGHSt
48 34, 36; dazu krit. Puppe AT/2 S 35 124
Rdn. 41 f. Baumann/Weber haben noch in der 8. Aufl. 1977 (§ 32 II 1) den Vorwurf, die auch von ihnen vertretene subjektive Versuchstheorie führe zu einem „Abgleiten ins Gesinnungsstrafrecht", „scharf zurückgewiesen".
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
jektive und objektive Elemente verband (s. Becher S. 10 m.w.N). Nach dieser individuellobjektiven Theorie liegt ein „Anfang der Ausführung" - wie es § 4 3 a.F. noch nannte vor, wenn der verbrecherische Wille in einer Handlung zutage getreten ist, die nach dem Tatplan des Täters unmittelbar zur Gefährdung des Schutzobjekts des jeweiligen Tatbestands führt oder doch nach der Vorstellung des Täters führen soll (vgl. Busch L K 9 § 4 3 Rdn. 13 mit zahlreichen Nachweisen). Die zwischen objektiven und subjektiven Kriterien vermittelnde Tendenz dieser Lehre hat sich in der Rechtsprechung erst später verfestigt. 1 2 5 Während die preußische Praxis unter Führung des Obertribunals den objektiven Standpunkt verfocht, entschied sich das Reichsgericht unter dem bestimmenden Einfluss von Buris für die subjektive Versuchstheorie und stellte bei der Abgrenzung daher überwiegend auf den Willen des Täters a b . 1 2 6 Die Rechtsprechung des B G H ist anfänglich dahin charakterisiert worden, dass sie keine klare Linie verfolge und auch nicht als feste Größe behandelt werden könne (so noch Jagusch LK 8 ). Sie ging aber dann auch schon vor der Reform der Versuchsvorschriften dazu über, den Täterplan zugrunde zu legen und den Versuchsbeginn davon abhängig zu machen, dass nach diesem Plan das Vorhaben des Täters in seinem unmittelbaren Fortgang zu einer Gefährdung des angegriffenen Handlungsobjekts führte (BGHSt 2 3 8 0 , 381). Das Gesetz hat sich in § 2 2 für eine individuell-objektive Sichtweise entschieden. 1 2 7 Auf der einen Seite wird der subjektive Ausgangspunkt durch die Bezugnahme auf „die Vorstellung von der Tat" betont, auf der anderen einer rein subjektiven Abgrenzung durch die Ansatzformel eine Absage erteilt (Jescheck/Weigend § 4 9 IV 1; Roxin Einführung S. 15); denn mit dem objektiven Kriterium des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung sollte den Gefahren einer subjektiv dominierten Lehre entgegengewirkt werden (Corves Prot. SA V S. 1745; Dreher Prot. SA V S. 1746; E 1 9 6 2 Begr. S. 144).
62
b) Heutiger Meinungsstand. Mit der Neubestimmung des Versuchsbeginns durch § 2 2 (s. dazu Rdn. 1) sind die vorstehend (Rdn. 5 5 ff) beschriebenen älteren Positionen überholt ( R a t h JuS 1 9 9 8 1107). Unmittelbares Ansetzen ist vor formellem Beginn der Tatbestandsverwirklichung möglich (Rdn. 56). Auch kann materiell ungefährliches Verhalten der Ansatzformel auf der Basis der Vorstellung genügen (Rdn. 58). Ein Abstellen nur auf die Tätervorstellung ist dagegen obsolet (Rdn. 60). Zur näheren Umschreibung der gesetzlichen Vorgaben taugt daher nach dem heutigen Gesetzes- und Meinungsstand nur ein Ansatz, der die individuell-objektive Theorie zur Grundlage hat. Deshalb sind die später entwickelten Formeln (Rdn. 61) nicht überholt (BGHSt 2 6 201, 2 0 2 ) . Soweit sie freilich den jetzigen Gesetzestext nur vorwegnehmen oder paraphrasieren (s. dazu Roxin JuS 1 9 7 9 1, 3), begegnen sie denselben Vorbehalten wie dieser selbst. Sie werden darauf gegründet, dass es dem Gesetz „an genügend scharf umrissenen Abgrenzungsmerkmalen" dafür fehle, „wo genau die Grenze zwischen Vorbereitung und Versuch verläuft"
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125
126
Eine umfassende Analyse der Rechtsprechung mit dem Versuch der Zuordnung einzelner Entscheidungen zu den unterschiedlichen Lösungsansätzen findet sich bei Papageorgiou-Gonatas S. 88 ff; vgl. auch die Zusammenstellung der Rechtsprechung des BGH nach mehr subjektiv und mehr objektiv ausgerichteten Entscheidungen bei Busch LK 9 S 43 Rdn. 16, 17. RGSt 1 439; 8 198; 17 158; 42 92; 50 35;
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55 138; 56 316; 60 209, 215; 61 104, 109; 64 130, 132 und ganz extrem 52 184; auf dem Boden der objektiven Gefährlichkeitstheorie dagegen RGSt 68 340. Nach Normtext und Genese unbestreitbar, vgl. nur Jescheck/Weigend § 49 IV 1; Joecks Rdn. 14; Kühl $ 15 Rdn. 44 f; Lackner/Kühl Rdn. 4; Rudolphi SK Rdn. 8; Sch/Schröder/ Eser Rdn. 32; verfehlte Kritik hieran bei Safferling ZStW 118 (2006) 700.
Thomas Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
(Stree FS Peters 1974 S. 179) und dass es sich deshalb bei § 22 um nicht mehr als eine Rieht- oder Leitlinie zur Lösung des Abgrenzungsproblems handle (Kühl JuS 1980 507; Vogler LK 10 Rdn. 30). 1 2 8 64 Bei solcher Kritik nimmt es nicht Wunder, dass sich der Streit um die Abgrenzung zwar verlagert, nicht aber erledigt hat. In ihm stehen sich im wesentlichen einen Aspekt in den Vordergrund rückende Lösungen, die mit Begriffen wie Teilakts- oder Zwischenaktslehre, Sphären- oder Gefährdungstheorie, Zwangsläufigkeits- oder Unzweideutigkeitslösung oder mit Bildern von der „Feuerprobe" und dem „Jetzt geht es los" mit dem jeweils maßgeblichen Abgrenzungsmerkmal gekennzeichnet werden, kombinierenden Theorien unterschiedlicher Reichweite gegenüber, die mit kumulativen oder alternativen Formeln aufwarten. Säuberliche Trennungen und Zuordnungen vorzunehmen, ist hierzu nicht durchweg möglich. Es mag aber helfen, einem großen Lager, das eine mal mehr subjektiv, mal mehr objektiv gefärbte räumlich-zeitliche Nähe zur vom Gesetzeswortlaut geprägten Tatbestandsverwirklichung verlangt und sich darin eher in der Nachfolge der formell-objektiven Abgrenzungslösungen findet (= individuell-formelle Theorien), einem anderen Lager gegenüberzustellen, das die geforderte Unmittelbarkeit des Ansetzens in der eingetretenen oder nach der Tätervorstellung zu erwartenden Gefährdung des betroffenen Rechtsguts erkennt und damit materieller Grenzziehung den Vorzug gibt (= individuell-materielle Theorien). Im dritten Lager versammeln sich dann die Stimmen, die in Vereinigungs- oder Kombinationslehren die jeweils eine Seite durch die andere ergänzt, konkretisiert und gesichert und damit die Ernte des über ein Jahrhundert alten Streites nur durch das Einbringen formeller und materieller Kriterien vollständig eingebracht sehen (= Vereinigungs- oder Kombinationstheorien). Lehren schließlich, die sich gegen eine Zuordnung zu einem der drei Lager sperren, verfolgen deutlicher als diese das Ziel, ihre - häufig neu und eigenständig begründete - Konzeption vom Unrecht des Versuchs bis in die Ansatzformel hinein zu verwirklichen. M a n kann sie - ohne damit den zuvor erwähnten Positionen einen solchen Rückbezug abzusprechen - wegen ihres betonteren Bemühens, zwischen Strafgrund des Versuchs und Ansatzformel einen Gleichklang herzustellen, als „Harmonisierungslehren" bezeichnen und sie unter dieser Klammer in einem vierten Lager zusammenfassen. 65
aa) Individuell-formelle Theorien. Den engsten Kern im Lager der individuell-formellen Theorien bilden Stimmen, die im „unmittelbaren Ansetzen" einen Bestandteil der „Ausführungshandlung" sehen und letztere zwar nicht mit der „Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals" gleichsetzen (s. Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 38 f), aber doch verlangen, dass das der Tatbestandsverwirklichung vorgelagerte Verhalten so beschaffen ist, „dass es sich durch zulässige Interpretation sprachlich und sachlich in den jeweiligen Tatbestand einbeziehen lässt". Das ist nach Vogler (LK 10 Rdn. 60; ders., FS Stree/Wessels S. 285, 291 ff) dann der Fall, wenn das Verhalten von dem dem Tatbestand innewohnenden Verbotssinn bereits materiell erfasst wird und dem im Tatbestand vertypten Unrecht schon entspricht (so schon RGSt 70 151, 157). Dem hiergegen erhobenen und jedenfalls auf die Missverstehbarkeit zu Recht hinweisenden Vorhalt, dass hiermit mehr gefordert werde, als vom Gesetz, 129 entzieht sich eine Formulierung, nach der „Versuch begeht,
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Becher S. 16, 154. Kühl § 15 Rdn. 57; Roxin AT II § 29 Rdn. 107 f (sein Einwand, diese Lehre helfe bei reinen Erfolgsdelikten nicht weiter, ist allerdings ausräumbar, s. dazu Rdn. 104); der Gesetzgeber wollte durch den Austausch
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des „Anfangs der Ausführung" gegen das „unmittelbare Ansetzen" das der tatbestandsmäßigen Handlung vorausgehende und ihr daher gerade noch nicht „entsprechende" Verhalten einbeziehen, vgl. Rdn. 4; krit. auch M.-K. Meyer GA 2002 367, 370.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
wer eine Handlung verwirklicht, die - weil nach dem individuellen Täterplan zwischen ihr und der eigentlichen Tatbestandshandlung keine weiteren wesentlichen Teilakte liegen für eine natürliche Auffassung als deren Bestandteil erscheint" (Rudolphi SK Rdn. 13). Dieser durch Abwandlung der Frankschen Formel zu einer formellen 1 3 0 Teil- oder Zwischenaktslehre mutierte Abgrenzungsvorschlag repräsentiert die mächtigste Strömung innerhalb der individuell-formellen Theorie. 1 3 1 Mit ihm wird der Versuch auf alle „Handlungen des Täters, die nach dessen Plan derjenigen Handlung unmittelbar vorgelagert sind, die ein Tatbestandsmerkmal erfüllt" (E 1962 Begr. S. 144), erweitert, zugleich aber auf den letzten der der Tatbestandsverwirklichung vorausgehenden Schritte beschränkt. 1 3 2 Der Gefahr, dass eine so beschriebene Handlungsunmittelbarkeit die Handlungsabläufe in einer Art „Zeitlupen-Strafrecht" ( G e i l e n S. 164) atomisiert und deshalb z.B. das dem Heben, Anlegen, Zielen und Abdrücken noch vorgelagerte Ziehen der Waffe im Angesicht des Opfers sachwidrig nicht als versuchte Tötung zu behandeln vermöchte (s. dazu BGHSt 2 6 201, 2 0 4 ; B G H N S t Z 1993 133; Sch/Schröder/Eser Rdn. 4 0 f), sucht diese Ansicht dadurch zu begegnen, dass sie in die „natürliche Auffassung" den sozialen Sinnzusammenhang des Handlungsgeschehens einbezieht, danach nur unwesentliche Zwischenschritte (krit. hierzu Roxin AT II § 2 9 Rdn. 138) als Versuchshemmnis ausscheidet und damit eine naturalistisch nach einzelnen körperlichen Bewegungen aufspaltende Betrachtung eliminiert. 1 3 3 Bisweilen wird deshalb auch statt auf den letzten Tätigkeitsakt auf die der Tatbestandshandlung unmittelbar vorgelagerte Phase im Handlungsablauf abgestellt ( B e c h e r S. 34). Die Rechtsprechung hat sich unmittelbar nach Inkrafttreten des § 2 2 dieser wohl von Maurach134 begründeten Teilaktslehre bedient. Sie hatte bis dahin das Versuchsstadium auf Handlungen erstreckt, „die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollten" oder „die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestands Verwirklichung standen". 1 3 5 Hiervon ging die Rechtsprechung nach der Gesetzesänderung ergänzend aus, „wenn der Täter objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in
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Auch Vertreter der materiellen Gefährdungstheorie bedienen sich - wie z.B. Sch/ Schröder/Eser Rdn. 39 - des Bildes der noch notwendigen „Zwischenschritte". Die Zwischenaktslehre wird unter anderem vertreten von: Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 54; Berz Jura 1984 511, 514, 517; Ebert S. 120; Jescheck/Weigend § 49 IV 3; Kindhäuser AT § 31 Rdn. 18; Krey AT/2 Rdn. 414, 420; Kühl $ 15 Rdn. 58 ff; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 48 ff; Rudolphi SK Rdn. 13; Tröndle/Fischer Rdn. 10; wohl auch Joecks Rdn. 26 Stratenwerth3 Rdn. 671 moniert an der Formel Rudolphis, daß der den Versuch begründende Teilakt hiernach „der eigentlichen Tatbestandshandlung zugleich vorgelagert und ihr Bestandteil" sei; etwas abgemildert scheint die Kritik jetzt bei Stratenwerth/Kuhlen S 11 Rdn. 39. Vgl. dazu schon RGSt 68 336, 337: der Angeklagte wollte „ohne Dazwischentreten
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einer neuen Handlung in einem Zuge" den Revolver herausziehen, entsichern und alsdann schießen; RGSt 59 158; 77 2; ferner z.B. Berz Jura 1984 511, 514; Kühl § 15 Rdn. 60 f; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 50; Fiedler S. 108 spricht von einem „makroskopischen Handlungsabschnitt"; gegen eine „atomisierende Betrachtung" vgl. schon Oetker GS 88 86, 89. Nach Maurach AT (4. Aufl. 1971) S. 499 kommt es gemäß § 22 „allein darauf an, ob der begangenen Handlung noch weitere (Teil-)Akte bis zur Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals folgen (dann noch kein Versuch), oder ob sie ohne weitere Akte in die Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals einmündet (dann Versuch)"; zust. Rudolphi JuS 1973 22. Nachweise hierzu in BGHSt 26 201, 203, der ersten zu § 22 n.F. ergangenen Entscheidung.
Thomas Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
die Tatbestandserfüllung einmündet" (BGHSt 2 6 201, 2 0 3 f; 2 8 162, 163). Dabei wirkt die Aufnahme der Zwischenaktslehre vordergründig zwar nur wie eine erläuternde Fortschreibung der alten Formeln. Bei näherem Hinsehen soll sie aber offenbar den „Gewinn an Rechtssicherheit", den der B G H „in der strikten Anknüpfung des Unmittelbarkeitserfordernisses an die tatbestandsmäßige Handlung" durch § 2 2 n.F. sieht (BGHSt 2 6 201, 2 0 3 ) , besser als jene verbürgen. Zudem soll die Zwischenaktslehre - „der Nichterwähnung des Gedankens der unmittelbaren Gefährdung des geschützten Rechtsguts" (BGHSt 2 6 201, 2 0 3 ) in § 2 2 zufolge - dieses zuvor auch gebrauchte materielle Abgrenzungskriterium ganz offensichtlich durch ein formelles ersetzen. 1 3 6 In der so begründeten Tradition sind daher nur solche Entscheidungen zu sehen, die auf den Gefährdungsgedanken zugunsten der Zwischenaktsformel verzichten. 1 3 7 Der Gefahr eines „Zeitlupen-Strafrechts" begegnen auch sie. Denn zu den noch ausstehenden wesentlichen Zwischenakten zählen solche Handlungen nicht, „die wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden" (BGH N J W 1 9 8 0 1760; s. dazu auch Berz Jura 1 9 8 4 514). Die Zwischenaktstheorie wird von der Rechtsprechung gegenüber in der Literatur gebräuchlichen Umschreibungen zwar mit der Forderung verknüpft, der Täter müsse auch objektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los" überschritten haben (BGHSt 2 6 201, 2 0 3 ) . 1 3 8 In der Sache führt dieser Zusatz über die hierauf verzichtende Teilaktslehre aber nicht nennenswert hinaus. Denn entweder wird - eben weil es schon „losgeht" - unter diese „zusätzliche" Voraussetzung gar nicht selbständig subsumiert; oder es wird in freilich nur undeutlichem Zusammenhang mit der bildhaften Wendung verlangt, dass „keine Zwischenhandlungen" mehr anstehen, „zu denen es noch eines neuen Willensimpulses des Täters bedürfte". 1 3 9 Dann aber ist nur etwas anders umschrieben, was einen noch erforderlichen Zwischenschritt zum wesentlichen macht (s. auch Vogler L K 1 0 Rdn. 66). Die Rechtsprechung bleibt daher auch in diesem Gewand dem individuell-formellen Lager verhaftet. Das würde auch gelten, wenn sie sich statt des „Jetzt geht es los" des anderen Bildes bediente, das die Schwelle zum Versuch kaum weniger eindrucksvoll beschreibt. Denn wenn Versuch auch anzunehmen ist, „wenn der Verbrechensvorsatz die Feuerprobe der kritischen Situation bestanden hat" (sog. Krisentheorie) und diese Situation gegeben sein soll, „wenn der Täter sich vor der Aufgabe sieht, die Handlung vorzunehmen, die ... zur Verwirklichung des Tatbestandes ... führen w i r d " 1 4 0 , dann wird die 136
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Was angesichts der Untauglichkeit des Gefährdungsgedankens (s. Rdn. 82) Unterstützung verdient, krit. dagegen zu der Begründung des BGH Roxin AT II § 29 Rdn. 125. Das geschieht in BGHSt 2 6 201; 28 162; 35 6, 8 f; 36 249, 2 5 0 f; 37 2 9 4 , 297 f; 48, 34, 36; BGH wistra 1984 142; BGH StV 1987 528; BGH wistra 1988 357; 1990 19; BGH StV 1992 62; BGH NStZ 1996 38; BGH NStZ 1997 31; 83; BGH NStZ 1999 395; BGH NStZ 2001 415; KG J R 1984 250; OLG Düsseldorf M D R 1994 1235. Die Formulierung geht auf Hall GS 110 95, 107 zurück und ist von Schwalm Niederschriften 2 S. 189 aufgegriffen worden; Dre-
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her StGB (35. Aufl. 1975) § 22 Bern. 5 C hat sie mit der Gefährdungsformel verbunden; die Kombination mit der Zwischenaktslehre findet sich stereotyp in allen in Fußnote 137 aufgeführten Entscheidungen (ebenso Krey AT/2 Rdn. 419) und wird etwas deutlicher nur in BGH wistra 1990 19 und BGH NStZ 1997 83 akzentuiert; zur Empfehlung, diese Formulierung im Sinne eines objektiven Zeitkriteriums zu deuten, vgl. Kühl § 15
Rdn. 69; Küper JZ 1979 781. 139
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So z.B. in BGH NStZ 1993 33; 398 und BGH StV 1999 593; s. auch schon RGSt 43 332, 333. Bockelmann Untersuchungen S. 146 f; krit. zu allen drei Kriterien (Jetzt geht es los,
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
für den Versuchsbeginn allein maßgebliche Inangriffnahme dieser Aufgabe in der Vorn a h m e eben jenes Teilaktes bestehen, der in die eigentliche Tathandlung u n m i t t e l b a r einmündet. Materielle Wertungen sind daher auch diesen Bildern nicht zu e n t n e h m e n . Lösen sie sich allerdings von der Z w i s c h e n a k t s l e h r e und dienen sie daher u n a b h ä n g i g von ihr der Versuchsbegründung, stehen sie in der in B G H S t 4 8 3 4 , 3 6 sichtbar werdenden Gefahr, durch unzulässige Subjektivierung die Versuchsgrenze i.S. der h e r g e b r a c h t e n subjektiven T h e o r i e (Rdn. 5 9 f) wieder zu weit vorzuverlegen. bb) Individuell-materielle Theorien. D e m V o r w u r f eines materiell e n t k e r n t e n , weil den nur formell bestimmten letzten Teilakt v o r der Tatbestandsverwirklichung zum m a ß geblichen Kriterium erhebenden Standpunkts will eine nicht minder verbreitete M e i n u n g dadurch begegnen, dass auf den Gefährdungsgedanken abgestellt w i r d . 1 4 1 I m Gegensatz zu der älteren materiell-objektiven Lehre wird hierbei heute nicht m e h r auf die objektive G e f ä h r l i c h k e i t 1 4 2 , sondern auf eine dem Gesetz allein entsprechende, die T ä t e r v o r stellung zur Beurteilungsgrundlage m a c h e n d e individuell-materielle E i n s c h ä t z u n g der Gefährdung a b g e s t e l l t . 1 4 3 Ist eine Situation eingetreten, in der nach einer d e m T ä t e r p l a n entsprechenden Wirklichkeit das betreffende Rechtsgut bereits unmittelbar gefährdet ist (oder wäre), ist hiernach Versuch gegeben.
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Zahlreiche J u d i k a t e bedienen sich dieser Alternative zur Z w i s c h e n a k t s l e h r e . D a b e i leiten sie in der Regel die Versuchsprüfung nicht anders als die dort aufgeführten E n t scheidungen ein. So heißt es nach dem Z i t a t der „ B e g r i f f s b e s t i m m u n g " des § 2 2 häufig: „Die Grenze von der Vorbereitung zum Versuch wird nicht erst überschritten, wenn der T ä t e r ein T a t b e s t a n d s m e r k m a l verwirklicht, sondern schon dann, wenn er H a n d l u n g e n vornimmt, die nach seinem Tatplan im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Z u s a m m e n h a n g mit ihr stehen . . . " ( B a y O b L G N J W 1 9 9 0 7 8 1 ) . Erst dann wird die Teilakts- durch die Gefährdungsformel ersetzt, w e n n (in der zitierten Entscheidung) hinzugefügt wird: „ . . . mithin - aus Sicht des Täters - das geschützte Rechtsgut in eine k o n k r e t e Gefahr b r i n g e n " . 1 4 4 Bisweilen werden auch H a n d l u n g e n verlangt, die „eine tätige, das geschützte Rechtsgut unmittelbar gefährdende Beziehung zum A n g r i f f s g e g e n s t a n d " her-
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Feuerprobe, Willensruck) Roxin AT II $ 29 Rdn. 130 ff. Blei JA 1976 103; Küper J Z 1983 367; ders. J Z 1992 345, 347; D. Meyer JuS 1977 21 f; Otto AT § 18 Rdn. 28 ff; Sonnen JA 1979 334; Tiedemann J R 1973 412. So werden Gössel J R 1976 251, Otto NJW 1976 579 und Rudolphi SK 2 Rdn. 15 vereinzelt verstanden, weil sie - in der Tat so verstehbar - Versuch in BGHSt 26 201 (Klingeln an der Tür des Tankstellenpächters) davon abhängig machen wollten, dass „sich eine Person der Tür" genähert oder „sich auf den Weg zur Tür" gemacht hat. S. hiergegen Berz Jura 1984 513; Blei JA 1976 102; Kühl JuS 1980 814; Roxin JuS 1979 6. Die Bemühungen Spendeis NJW 1965 1881 und FS Stock, S. 98 ff um eine rein objektive Begründung liegen vor der Gesetzeserneuerung.
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Deutlich BGHSt 43 177, 182; Ott€ AT § 18 Rdn. 30; Sch/Schröder/Eser Rdn. 42; s. auch Zieschang Gefährdungsdelikte S. 148 f; nach Gropp FS Gössel, S. 175, 184 ff soll hierbei nicht die „Planungs-", sondern die „Handlungsvorstellung" maßgeblich und nur dann versuchsbegründend sein, wenn der Täter die Vorstellung „von der unmittelbaren und nicht mehr vollständig beherrschten Gefährdung des Angriffsobjekts zum Zeitpunkt seines Handelns" hat. Ganz ähnlich BGH NStZ 1983 51; BGH NJW 1985 1035; BGH StV 1989 526; BGH M D R 1990 842; OLG Oldenburg StV 1983 506; OLG Frankfurt StV 1992 360; OLG Düsseldorf NJW 1993 22, 53; OLG Karlsruhe M D R 1993 368; in einem Fall mittelbarer Täterschaft auch BGHSt 3 0 363, 365; enger OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2 0 0 3 238 (nur Leitsatz).
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
stellen (hierfür findet sich der Begriff der Angriffstheorie, s. Becher, S. 47), wovon zu reden sei, w e n n „der Täter subjektiv die Schwelle zum J e t z t geht es los' überschritten hat und objektiv oder subjektiv das geschützte Rechtsgut in eine konkrete Gefahr b r i n g t " . 1 4 5 Dabei sind die jeweiligen Anreicherungen des Gefährdungsaspekts nicht (nur) formelhaft gemeint. Vielmehr soll die Verknüpfung mit den hergebrachten Wendungen vom ungestörten Fortgang, dem unmittelbaren Einmünden und dem J e t z t geht es los' eine noch nicht ausreichende beliebige „objektive Gefährdung des geschützten Rechtsguts" g a n z offenbar in eine nach der Vorstellung des Täters „unmittelbare", in eine „ k o n k r e t e " Gefährdung v e r w a n d e l n . 1 4 6 70
cc) Vereinigungslehren. Unter den Vereinigungslehren deckt die kumulative Variante den Gegensatz zwischen Teilakts- und Gefährdungslösung durch schlichtes Aneinanderreihen beider Formeln zu. „Die Grenze von der Vorbereitungshandlung zum Versuch w i r d " hiernach „nicht erst überschritten, wenn der Täter ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht, sondern schon dann, wenn er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden, die mithin - a u s der Sicht des Täters - das geschützte Rechtsgut in eine konkrete Gefahr bringen. Dementsprechend erstreckt sich das Versuchsstadium auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Z u s a m m e n hang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, w e n n der Täter subjektiv die Schwelle zum J e t z t geht es los' überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenschritte in die Tatbestandserfüllung übergeht" (BGH NStZ 1987 20).147
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Die hierin zum Ausdruck kommende Suche nach einer sinnvollen Verbindung (Geppert JK 9 8 StGB 22/18) findet in der zitierten kumulativen Gestalt Z u s t i m m u n g . 1 4 8 Sie w i r d in ihrer Gleichgewichtung beider M o m e n t e in Präferenzvarianten aber auch korrigiert. So w i r d einerseits der in der Zwischenaktslehre formalisierten räumlich-zeitlichen Anbindung a n die Tatbestandsverwirklichung gegenüber dem auch bedeutsamen Gefährdungsaspekt der Vorrang g e g e b e n 1 4 9 und Versuch trotz eingetretener Gefährdung beim 145
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OLG Oldenburg StV 1983 5 0 6 ; s. zur Bedeutung der in der Regel mit dem Bild des „Angriffs" verknüpften „tätigen Beziehung" auch Becher S. 8, 13, 4 7 ff und Kühl § 15 Rdn. 7 2 ff. Betont wird dies von BGHSt 35 6, 9; BGH NStZ 1 9 8 9 4 7 3 (Entscheidungen, die sich allerdings auch der Zwischenaktslehre bedienen); deutlich pointiert ist der Zusammenhang bei Otto AT § 18 Rdn. 30 f; vgl. auch BGH wistra 1 9 9 3 26. Nicht immer gleich ausführlich, der Sache nach aber identisch BGH StV 1 9 8 4 4 2 0 ; BGH NStZ 2 0 0 4 38, 39; BGH JR 2 0 0 5 2 5 8 , 2 6 0 ; OLG Karlsruhe M D R 1993 368; BayObLG N J W 1 9 9 4 21, 64; OLG München NStZ-RR 1 9 9 6 71. Heinrich AT I Rdn. 7 2 8 f; Lackner/Kühl Rdn. 4; Wessels/Beulke Rdn. 601 (hier werden das Fehlen noch wesentlicher Zwischenschritte und die konkrete Gefährdung
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als „Indiz für die Tatbestandsnähe des Ansetzens und die erforderliche Unmittelbarkeitsbeziehung" gesehen); s. auch den kumulativen Konkretisierungsansatz von Jakobs 25/61 ff, der zwischen zwingenden und beweglichen Entscheidungsrichtlinien unterscheidet. Deutlich unbestimmter und offener ist die den Vereinigungslehren nahestehende „ganzheitliche Methode" Schmidhausen Studienbuch 11/47 ff, nach der „zielnahes" Verhalten beim von Schmidhäuser sog. „Zielversuch" sich aus der Abwägung aller Einzelelemente ergeben soll. So in BGHSt 35 6, 8 f; BGH NStZ 1 9 8 9 4 7 3 ; BGH N J W 2 0 0 2 1 0 5 7 ; BGH NStZ 2 0 0 2 4 3 3 , 4 3 5 ; OLG Hamm StV 1 9 9 7 2 4 2 , 2 4 3 ; s. dazu auch Kühl JuS 1 9 8 0 815; ders. § 15 Rdn. 82 ff; BGHSt 4 8 34, 36 lässt in seiner Formel den Gefährdungsgedanken ohne Erklärung weg.
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Begriffsbestimmung
§22
Fehlen ersterer noch verneint. Andererseits hält die neuere Rechtsprechung namentlich in Fällen mittelbarer Täterschaft nach der Nennung beider Kriterien für „entscheidend, ob nach dem Tatplan die Einzelhandlungen des Täters in ihrer Gesamtheit schon einen derartigen Angriff auf das geschützte Rechtsgut enthalten, dass es bereits gefährdet ist und der Schaden sich unmittelbar anschließen k a n n " und hat das - obwohl der Täter „seinen Teil zur Tatbestandsverwirklichung bewirkt h a t " - verneint (BGHSt 4 3 180 f). In dieser dem Gefährdungsaspekt die Präferenz einräumenden Variante gleicht diese Vereinigungsformel der im Ausgangspunkt zwar allein auf den „materialen" Gedanken unmittelbarer Gefährdung abstellenden, dann den Versuchsbeginn aber davon abhängig machenden Lehre Esers, dass keine weiteren Zwischenschritte zur tatbestandsrelevanten Beeinträchtigung des Rechtsguts mehr erforderlich sind (Sch/Schröder/Eser Rdn. 4 2 ) . 1 5 0 dd) Harmonisierungslehren. Unter den Harmonisierungslehren findet sich zunächst ein von Roxin JuS 1 9 7 9 1 ff entwickelter Weg, den nach der von ihm damals noch vorbehaltlos 1 5 1 vertretenen Eindruckstheorie (s. dazu Rdn. 7 7 vor § 22) maßgeblichen Strafgrund des Versuchs in die Ansatzformel unmittelbar hineinwirken zu lassen. Der Versuch ist hiernach „strafbar, wenn und soweit er geeignet ist, in der Allgemeinheit einen rechtserschütternden Eindruck hervorzurufen". Er gefährde dann den Rechtsfrieden und bedürfe deshalb einer dem M a ß e dieser Beeinträchtigung entsprechenden Sanktion. Daraus erkläre sich nicht nur, dass der Versuch erst mit dem unmittelbaren Ansetzen beginne; denn bloße Vorbereitungshandlungen blieben meist im Verborgenen, ließen verschiedenen Deutungen Raum und beeinträchtigten den Rechtsfrieden in der Regel nicht so oder nicht so sehr, dass Strafe erforderlich wäre (aaO S. 1). Vielmehr folge hieraus auch, „dass der Täter ... in eine Beziehung zur Sphäre des Opfers" treten müsse, „die einen rechtserschütternden Eindruck hervorruft". Die Eindruckstheorie lasse sich also für die Abgrenzung unmittelbar fruchtbar machen, „indem der den Rechtsfrieden störende Zugriff auf die Opfersphäre als notwendiges Element der Ausführungshandlung" erscheine (aaO S. 4). Da es an einer Erschütterung des Rechtsfriedens noch fehle, solange das Täterverhalten noch nicht direkt zur eigentlichen Tatbestandshandlung führe, müsse zur Berührung der Opfersphäre allerdings noch „etwas hinzukommen: nämlich ein ,enger zeitlicher Zusammenhang' zwischen Täterhandlung und erwartetem Erfolgseintritt, der sich durch die Worte J e t z t geht es los' kennzeichnen" lasse (aaO S. 4 f). Diese für den unbeendeten und den unter Kontrolle des Täters bleibenden beendeten Versuch zu fordernde Verknüpfung zwischen zeitlicher Nähe und Sphärenbeziehung ist nach Roxin für aus dem Herrschaftsbereich und der Kontrolle des Täters entlassene Kausalverläufe freilich entbehrlich, weil in solchen Fällen des beendeten Versuchs „der rechtserschütternde Eindruck, der den Strafgrund des Versuchs bildet", bereits „in so starkem M a ß e " vorliege, dass eine „Sanktionslosigkeit als unerträglich" erscheine (aaO S. 1 0 ) . 1 5 2 Dem tritt lso
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Erzielt werden soll hiermit eine in wertender Sicht „dem formellen Tatbestandsbeginn praktisch gleichwertige" Gefährdung (Geilen S. 164). Zu der heute von ihm vertretenen „Vereinigungstheorie" s. Roxin FS Nishihara, S. 157 ff; ders. AT II § 2 9 Rdn. 10 ff; heute bestreitet Roxin AT II § 2 9 Rdn. 99 ff jede Möglichkeit der Ableitung des Beginns der Ausführung aus den Strafgrundtheorien; dort - Rdn. 101 - jetzt auch gegen einen solchen Versuch der Eindruckstheorie. In der Grundlegung ebenso Papageorgiou-
Gonatas S. 2 0 9 ff; für die Gefährdungsdelikte will Momsen (S. 61, 80 ff) mit ähnlichen Umschreibungen des Versuchsbeginns (s. Rdn. 97 vor § 22) das unmittelbare Ansetzen als „Ausdruck der generalpräventiv begründeten Strafbedürftigkeit" sehen; die Bezeichnung dieser Lehre als „Sphärentheo-
rie" z.B. bei Otto AT S 18 Rdn. 25 und
Rath JuS 1998 1108 verkürzt ihren Aussagegehalt. Zum Sphärengedanken s. auch
Schlehhofer Vorsatz S. 86 f und krit. Herz' MK Rdn. 164 ff.
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2. Abschnitt. Die Tat
J. Meyer ZStW 87 (1975) 607 ebenfalls unter Berufung auf die Eindruckstheorie mit der Modifikation bei, die in Gang gesetzte Kausalkette müsse gewissermaßen „mit tödlicher Sicherheit" zum deliktischen Erfolg führen (sogenannte Zwangsläufigkeitstheorie). 73
Eine weitere „Harmonisierungslehre" hat Vehling S. 87 ff entwickelt. Er deutet den Versuch auf dem Hintergrund der Straftheorie der positiven Generalprävention unter Bruch „mit den Prämissen herkömmlicher Versuchslehren" (aaO S. 87) als einen dem vollendeten Delikt nicht nachstehenden „kompletten Normbruch", dessen Unrecht sich nicht aus einem Intentions- oder Handlungsunwert im überkommenen Sinne und auch nicht aus sinnlich fassbaren Ereignissen wie der Rechtsgutsgefährdung oder der Erschütterung des allgemeinen Rechtsbewusstseins, sondern aus einem Erfolgsunwert im Sinne eines „Geltungsschadens" herleite, der sich als „Enttäuschung normativer Erwartungen" bei „Überschreitung des erlaubten Risikos" einstelle (aaO S. 123). Hieraus wird für den Versuchsbeginn gefolgert, dass er eintrete, wenn „1) der Täter durch sein rolleninadäquates Verhalten ein rechtlich missbilligtes Risiko gesetzt hat und 2) das vom Täter inadäquat gesetzte Risiko die intendierte Tatbestandsverwirklichung indiziert" (aaO S. 141). Die Illustration dieser Voraussetzungen am „Pfeffertütenfall" (BGH NJW 1952 514) zeigt, dass sich diese Lehre mit anderen generalpräventiv gegründeten eng berührt. Denn wenn für das inadäquate Risikosetzen ein sozial auffälliges Verhalten verlangt wird, das sich vom Raub nicht mehr deutlich distanziert (aaO S. 147), ist im Sinne Jakobs 25/21 der Normbruch „tatbestandsnah" und „expressiv" und im Sinne der Eindruckstheorie ein rechtserschütternder Eindruck gemacht. 153 Auch ist - im Sinne der „Unzweideutigkeitstheorie" (s. dazu Becher S. 9; J. Meyer ZStW 87 [1975] 611; krit. Roxin AT II § 29 Rdn. 183) - dann ein Verhalten an den Tag gelegt, das sich nur noch durch den Verbrechensvorsatz erklärt.
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Für Kratzsch154 hat „der Tatbestand des § 22 StGB die Form eines abstrakten Gefährdungsdelikts sui generis" (JA 1983 422). Für diesen Deliktstyp sei „kennzeichnend, dass er von jeder konkreten Beziehung der Täterhandlung zu einem individuellen Handlungsobjekt" abstrahiere und deshalb - was namentlich die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs zulasse - „nicht notwendigerweise eine reale Chance der Rechtsgutsverletzung" voraussetze (JA 1983 428). Als „Strafgrund des Versuchs" folgt für Kratzsch hieraus „dessen abstrakte Gefährlichkeit insofern, als das Täterverhalten zwar nicht in der konkreten Situation, aber bei einer anderen Sachverhaltskonstellation hätte zum Erfolg führen können". § 22 gebe sich daher nicht „mit einer Gefahrenabwehr in Bezug auf die Tatsituation zufrieden". Vielmehr strebe das Gesetz es an, umfassenden Rechtsgüterschutz durch rechtzeitige Beherrschung aller Zufallsgefahren zu gewährleisten (Verhaltenssteuerung S. 438). „Spezielles Schutzziel des § 2 2 " sei es daher - und das ist nun unmittelbar auf die Ansatzformel bezogen - „der Betätigung des Tatentschlusses in einem Zeitpunkt entgegenzuwirken, in dem die betreffende Handlung aufgrund ihres fortgeschrittenen Aufbaus die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Tatbestandsverwirklichung" begründe (Verhaltenssteuerung S. 446). Wann dieses in materieller Hinsicht im „Vergleich zu den vorangehenden Verwirklichungsstufen" durch die „erhöhte Realisierungs- und Erfolgsgefahr" gekennzeichnete fortgeschrittene Handlungsstadium (Verhaltenssteuerung S. 448) erreicht ist, wird durch eine Zweiteilung denkbarer Akte
153
Zur Verwandtschaft zwischen Eindruckstheorie und der Lehre vom expressiven und tatbestandsnahen Normbruch im Sinne
Jakobs 25/21 ff vgl. Rudolphi SK vor § 22
Rdn. 14a; vgl. auch Freund § 8 Rdn. 14, 59,
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der eine eindeutige Infragestellung der Normgeltung verlangt. 154
Kratzsch JA 1983 420 ff, 578 ff; ders. Ver-
haltenssteuerung und Organisation im Strafrecht (1985).
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
beschrieben (Verhaltenssteuerung S. 4 4 4 ff). „Soweit es sich um Teilakte handelt, die im Sinne einer ,Und'-Verknüpfung 155 zugleich die gesamte Tatbestandshandlung in Gang setzen", entfalle jede Unsicherheit einer für die verlangte Gefahr vorausgesetzten Prognose, dass die Tat tatsächlich durchgeführt werde. Dem Teilakt selbst seien hier schon „sichere Anzeichen zu entnehmen, dass die Tatbestandshandlung als einheitliches Wirkungsgeschehen begonnen" sei. Dann aber handle es sich um Versuch. Demgegenüber blieben alle „Teilakte der Tatbestandsverwirklichung, die als solche verselbständigt sind und ohne die postulierte ,Und'-Verknüpfung mit den anderen Teilakten der Gesamthandlung in Gang gesetzt werden", mit der Unsicherheit einer noch fehlerträchtigen Voraussage in einem solchen Maße belastet, dass sie als Versuchshandlungen ausschieden. Besonders deutlich findet sich der Ansatz der Harmonisierungslehren bei Zaczyk.156 Er sieht in den hier davor (Rdn. 65-71) zusammengefassten Lösungen nur „Konkretisierungen der gesetzlichen Umschreibungen in § 2 2 " von immerhin „heuristischem Wert", nicht aber „Beiträge zur grundsätzlichen Bestimmung von Unrecht im Vorfeld des Tatbestandes" (Unrecht S. 303). Im unmittelbaren Ansetzen muss sich nach seiner Auffassung aber eine Tat erweisen, „von der ... mit Grund gesagt werden kann, dass sie (schon) Unrecht darstellt" (Unrecht S. 299). Daher ist zunächst maßgeblich, worin das strafbegründende Unrecht des Versuchs denn liegt (Unrecht S. 237). Vollendetes Unrecht begreift Zaczyk als „verwirklichte Unterdrückung konkreter begegnender, von der Rechtsgemeinschaft anerkannter Freiheit, soweit Rechtsgüter des Einzelnen oder der Gesellschaft betroffen sind. Seine personale Bedeutung erhält es dadurch, dass der Einzelne die Freiheit des oder der Anderen als Konstituent der jeweils angegriffenen Rechtsgüter verletzt" (Unrecht S. 194 ff, 326 f). Die Versuchshandlung muss danach (wenigstens) „einen Zugriff auf rechtlich konstituierte Freiheit darstellen" (Unrecht S. 308), um (schon) Unrecht zu sein. Der Versuch einer Tat stellt sich folglich „zwischen der Rechtsgutskonstitution einerseits und der vollendeten Rechtsgutsbeeinträchtigung andererseits" (Unrecht S. 309) „als Übergang eines der Konstituenten des jeweils betroffenen Rechtsguts von der Anerkennung zur Verletzung dar" (Unrecht S. 229 ff, 327). Als unmittelbares Ansetzen will Zaczyk diesen Ubergang dann qualifizieren, wenn der Täter „entweder mit der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung beginnt oder aber mit seiner Handlung das jeweils angegriffene Rechtsgut so ,in den Griff' bekommt, dass er bereits in eine überlegene, das jeweils angegriffene Daseinselement von Freiheit ihm gegenüber in eine unterlegene Stellung gerät" (Unrecht S. 311). Letzteres wird auch so beschrieben, „dass der Vollzug der im Tatbestand beschriebenen Handlungen wegen der gesetzten Überlegenheit nur akzidentielle Bedeutung hat" (Unrecht S. 310). Bei Vorbereitungshandlungen ist Unfreiheit dagegen noch nicht hergestellt, weil und wenn es „noch des Hinzutretens weiterer Handlungen und Umstände" bedarf, „um diese qualitative Überlegenheit zu erreichen". Wann sie erreicht ist, ist nach Zaczyk „von vielerlei Umständen abhängig, die letztlich nur am Einzelfall" und unter „Betrachtung der gesamten Situation" gewich-
155
Diese ,Und'-Verknüpfung wird von Kratzsch J A 1 9 8 3 5 8 2 folgendermaßen konkretisiert: „Versuch ist nicht bereits gegeben, wenn der Täter mit einem Teilakt die Tatausführung beginnt. Ein solcher Teilakt und damit auch das Ansetzen erlangen erst dann die Qualität eines Versuchs, wenn mit dem Teilakt zugleich („unmittelbar") die Verwirklichung der gesamten Tatbestandshandlung in Gang
gesetzt wird. Teilakt und Tatbestandsverwirklichung müssen also z u s a m m e n k o m men', d.h. i.S. einer ,Und'-Beziehung (Konjunktion) miteinander verknüpft sein: das eine darf nicht ohne das andere gegeben sein"; vgl. auch Kratzsch Verhaltenssteuerung S. 3 2 5 ff, 337. 156
Zaczyk Das Unrecht der versuchten Tat (1987).
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tet werden können. Hierbei kann dann nach seiner Lehre „auf der beschriebenen Grundlage jede der" (hier unter Rdn. 65-72, 74) „genannten Formeln hilfreich sein". 1 5 7 76
Die von Zaczyk zugrunde gelegte Bestimmung des Unrechts der versuchten Tat wird von manchen Autoren geteilt. Während Köhler und Murmann hieraus für die Abgrenzungsfrage vergleichbare Schlüsse ziehen, 158 verlangt Rath, bei der auch von ihm geforderten Harmonisierung „das reale Opfer, welches bereits unrechtlich in seiner Wirkungsmacht angegriffen worden sein muss, stärker in die Überlegungen einzubeziehen" und zu fragen, „wann das Verhalten des Täters dem Opfer bereits tatsächlich Wirkungsmacht entzieht". Das soll in dem Stadium der Tatausführung der Fall sein, „ab dem das Täterverhalten ... es erforderlich" macht, „eine Verteidigungshandlung vorzunehmen, die inhaltlich demjenigen Deliktstatbestand genau korrespondiert, um dessen Versuch es geht". 1 5 9 Obwohl Rath hiervon nicht schon allgemein beim Eintritt einer Notwehrlage sprechen will, steht seine Auffassung der den „Angriffslehren" (Becher S. 47) zuzurechnenden Lösung M. E. Mayers nahe, nach der Ausführungshandlungen diejenigen sind, „die das Rechtsgut angreifen; die erste Angriffshandlung ist der Anfang der Ausführung. Vorbereitungshandlungen enthalten keinen Angriff, lassen also den befriedeten Zustand des Rechtsguts unverändert". 160
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c) Stellungnahme. Den Vorzug verdient eine Auffassung, die sich den Ausgangspunkt der individuell-formellen Theorien (Rdn. 65 ff) zu eigen macht und den Versuchsbeginn mit der zu diesem Ansatz herrschenden Strömung im Grundsatz (s. zu Einschränkungen Rdn. 85) auf das Stadium festlegt, in dem zur Verwirklichung des Tatbestandes nach der Vorstellung des Täters keine wesentlichen Zwischenschritte mehr erforderlich sind. Diese Lehre hat zunächst den Vorteil, dass sie nicht nur auf Erfolgs-, sondern auch auf Tätigkeits- und Gefährdungsdelikte ohne Einschränkung anwendbar ist. Sie kommt zudem
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Neben den hier als individuell-formell und individuell-materiell bezeichneten Lösungsvorschlägen sind von Zaczyk auch die Ansätze von Roxin (Rdn. 72) und Kratzsch (Rdn. 74) mit gemeint. Im Verweis auf die Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls und die Betrachtung der gesamten Situation wird auch Nähe zu Schmidhäusers Vorschlag (Studienbuch 11/47 ff) hergestellt, bei dem von ihm sog. „Zielversuch" die Grenze zwischen Vorbereitung und Versuch in „ganzheitlicher Betrachtung" zu ziehen, eine Auffassung, die die Entscheidung ganz der richterlichen Einzelbewertung überlässt und daher dem Bestimmtheitsgebot nicht genügt, ebenso Roxin AT II § 29 Rdn. 181. Deutlich zustimmend Murmann Versuchsunrecht S. 5, 12, 24 ff, der in dem von Zaczyk beschriebenen Stadium des ,In-denGriff-Bekommens' einen „Fehlgebrauch der Vernunft" sieht, „der ein weiteres Vertrauen in die rechtliche Orientierung der Person faktisch nicht mehr" erlaube und „die Verletzung des Rechtsverhältnisses" bereits beinhalte (S. 2 5 f). Köhler bemüht nach ähnlicher Unrechtsbestimmung (S. 452 f)
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zur Abgrenzung namentlich die Franksche Formel (S. 4 6 0 f, 463 f), steht inhaltlich den Konkretisierungen Zaczyks aber sehr nahe. Zur Unrechtsbegründung s. Rath JuS 1998 1008 f; zu den im Text zitierten Folgerungen für die Abgrenzung vgl. JuS 1998 1109 ff; zur Differenzierung zur Notwehrlage s. S. 1110 Fn. 43. M. E. Mayer Allg. Teil 1915 S. 352. Dort heißt es in Fn. 29: „Man gewinnt ein Hilfsmittel für die Anwendung der Lehre, wenn man sich die Frage vorlegt, ob der Zeitpunkt der Notwehr (§ 53) schon gekommen ist"; vgl. auch Treplin Z S t W 76 (1964) 441, 461: „Während der Täter mit der Vorbereitungshandlung noch nicht in einer Beziehung zum Deliktsobjekt steht, geht er mit der teilweisen Verwirklichung des Tatbestandes zum Angriff über, indem er die Beziehung zum Deliktsobjekt aufnimmt ... Für die Bestimmung des Anfangs der Ausführung ... ist die teilweise Verwirklichung des Deliktstatbestandes und der darin zugleich liegende Angriff auf das Deliktsobjekt grundlegend".
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
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dem Wortlaut der Ansatzformel am nächsten. Auch trägt sie besser als alle anderen dem gesetzgeberischen Willen Rechnung, die Ausdehnung des Versuchsbereichs über die „tatbestandsmäßige Ausführungshandlung" hinaus (Rdn. 4) durch die enge Bindung des Ansetzens an die Verwirklichung des Tatbestandes zu begrenzen. Zudem steht sie nicht in der Gefahr, über eine eigenständige, in der gesetzgeberischen Vorstellung kaum beheimatete Bestimmung von Unrecht und Strafgrund des Versuchs dem geltenden Recht eine mit dessen Entscheidung für eine eingeschränkt subjektive Versuchstheorie (s. vor § 22 Rdn. 60 ff) nicht zweifelsfrei übereinstimmende Konzeption zugrunde zu legen. Diese „Gesetzestreue" einer individuell-formellen Theorie ist keineswegs von nur „formaler" Bedeutung; denn da mit § 22 die durch die Tatbestandsbeschreibungen des Besonderen Teils gezogenen Strafbarkeitsgrenzen ausgedehnt und andererseits der in der Regel straffreie Raum der Vorbereitung verlassen, der Bereich der Strafbarkeit insgesamt also erheblich erweitert wird, hat die Garantiefunktion des nullum-crimen-Prinzips hier kein geringeres als ihr für den Besonderen Teil angestammtes Gewicht. 161 Die Harmonisierungslehren sind in ihrer bislang entwickelten Gestalt diesem Ansatz nicht überlegen. Das liegt zum einen daran, dass sie sich für die Auslegung des § 22 in eine unmittelbare Abhängigkeit (s. Weigend Entwicklung S. 122) zu einer Strafgrundoder Strafzwecklehre begeben, ohne diese selbst und ihren vermeintlich bestimmenden Einfluss auf das Verständnis der Ansatzformel an der gesetzgeberischen Entscheidung hinreichend zu messen. Das gilt ersichtlich für Ableitungen des Versuchsunrechts durch Kratzsch (Verhaltenssteuerung S. 199 ff) 1 6 2 aus Einsichten der kybernetischen Systemund Organisationstheorie oder durch Zaczyk (Unrecht S. 126 ff), 1 6 3 der die Konkretisierung des vom Versuch betroffenen Rechtsverhältnisses aus der Konstitution von rechtlicher Freiheit im Sinne Kants und Fichtes bezieht. Solche Verwurzelungen führen in von der Gesetzesentscheidung unbeachtete „Glaubensfragen" zurück. Aber auch die Eindruckstheorie, „die den allgemeinen Strafzweck der Bewährung der Rechtsordnung in den Vordergrund stellt" (Vogler LK 10 Rdn. 54 vor § 22) und - wie die Auffassung Vehlings (S. 87 ff) - ihre Berechtigung aus der (positiven) Generalprävention speist, kann sich nicht wirklich „als rationale Rekonstruktion des dem Gesetzgeber vorschwebenden Regelungsplans" (so aber Schünemann GA 1986 293, 311) rühmen. Für eine auf nur einen Strafzweck reduzierte Regelungsabsicht des Gesetzgebers gibt weder die Versuchsregelung selbst noch eine Nachsuche in den Materialien zu §§ 22 ff Belegbares her. 164
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Zum anderen ist den Harmonisierungslehren die Einlösung des Anspruchs, aus Unrecht und Strafgrund des Versuchs genauere und gewissere Verdeutlichungen der Ansatzformel zu entwickeln als bisher, weder auf der Ebene der Umschreibung noch auf der daraus gezogener Folgerungen gelungen. Vielmehr führen die Konkretisierungen in aller Regel auch auf ihren Wegen nur in schon bekannte, teils zutreffende, teils fragwür-
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Zu dem Bemühen, dem Bestimmtheitsgebot gerecht zu werden, vgl. E 1962 Begr. S. 143; zum Vorrang einer „formellen" Bestimmung des Versuchsbeginns unter dem Blickwinkel des nullum-crimen-Grundsatzes s. Stratenwertb 3. Aufl. Rdn. 666; Kühl § 15 Rdn. 41, 46 („Gewinn an Rechtssicherheit"). Krit. zum Ansatz von Kratzsch Vehling S. 61 ff; Zaczyk S. 39 ff. Krit. zum Ansatz von Zaczyk Vehling S. 68 ff; M.-K Meyer GA 2 0 0 2 371.
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Pointierte Kritik an der Eindruckstheorie findet sich bei Hirsch FS Roxin, S. 714 f; Jakobs 25/20; Kühl § 15 Rdn. 41 ff; Murmann Versuchsunrecht S. 4 f; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 4 7 ff; Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 21; Weigend Entwicklung S. 121 ff und Zaczyk Unrecht S. 2 2 ff. Krit. ferner Kratzsch Verhaltenssteuerung S. 66 f; ders. JA 1983 4 2 4 f; Seier Kündigungsbetrug S. 352.
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2. Abschnitt. Die Tat
dige und namentlich in ihrer Häufung nicht selten in eine gewisse Beliebigkeit abgleitende Abgrenzungsweisen zurück. Diese Vorbehalte sind zunächst gegen die Eindruckstheorie zu erheben. Sie will die „Strafwürdigkeit des Versuchs" im Sinne einer das Versuchsunrecht konstituierenden Bedingung 1 6 5 „nur dann" bejahen „wenn die Betätigung des rechtsfeindlichen Willens das Vertrauen auf die Geltung der Rechtsordnung und das Gefühl der Rechtssicherheit bei demjenigen zu erschüttern geeignet ist, dem sie zur Kenntnis k o m m t " (Rudolpbi SK vor § 2 2 Rdn. 13). Mit dieser (Um-)Formulierung entzieht sich die Eindruckstheorie zwar dem Einwand, es gehe ihr um einen z.B. im Falle der Nichtbeobachtung der Tat gar nicht denkbaren empirisch-faktischen Befund. 1 6 6 Sie kann aber schon mit dieser allgemeinen Auskunft nicht zwischen fraglos möglichen rechtserschütternden Vorbereitungshandlungen (die im Falle ihrer Strafbarkeit nach § 3 0 ja gleichfalls einen rechtserschütternden Eindruck voraussetzten!) und ebensolchen Versuchshandlungen verlässlich unterscheiden. 1 6 7 Auch scheitert die Formel in Fällen, in denen es an einer Eignung selbst des Versuchsverhaltens, die „sozialpsychologische Wirkung" (Sch/Schröder/Eser vor § 2 2 Rdn. 22) eines vertrauensstörenden Eindrucks hervorzurufen, angesichts der Strafbewehrung auch von noch nicht „beunruhigendem" Vorgehen ersichtlich noch fehlt. 1 6 8 Mit dem infolgedessen wenig leistungsfähigen Obersatz verbindet sich zudem eine auffällige Beliebigkeit (s. Kühl § 15 Rdn. 42). Es sollen sich nämlich alle möglichen, auch kontrovers behandelten Ableitungen mit ihm vereinbaren lassen. So dient die Eindruckstheorie zum einen als Dach für die Zwischenaktslehre, 1 6 9 die Forderung nach Handlungsunmittelbarkeit 1 7 0 und nach einem „engen zeitlichen Zusammenhang" im Sinne des J e t z t geht es los', 1 7 1 aber auch für eine Auffassung, die nach der Unzweideutigkeit des Kausalverlaufs oder nach der Gefährdung des Rechtsguts entscheidet. 1 7 2 Zum anderen soll sie die Notwendigkeit begründen, dass „der Täter zur Sphäre des Opfers in eine Beziehung tritt" (Roxin JuS 1 9 7 9 1, 4). Was letztlich gilt, ist mit all dem schwerlich gesagt. Auch werden Kriterien vereint, die aus kaum zu vereinbarenden Vorgaben stammen. Schließlich ist an den Folgerungen nur weniges neu. So ist die Sphärenbeziehung zwar mit der Eindruckstheorie erstmals verbunden, in der Sache von der Herstellung einer „tätigen, das geschützte Rechtsgut unmittelbar gefährdenden Beziehung zum Angriffsgegenstand" (s. Rdn. 69) aber kaum merklich entfernt. 1 7 3
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Besonders deutlich wird dies bei Papageorgiou-Gonatas S. 221 ff und Roxin JuS 1979 1, 4, die den rechtserschütternden Eindruck nicht als Folge, sondern als unrechtsbegründendes Merkmal des Versuchs sehen, s. zu dieser Umkehrung Zaczyk Unrecht S. 26. S. dazu Alwart S. 210; Weigend Entwicklung S. 122 f m.w.N.; zur Ausräumung dieses Einwands vgl. z.B. Maurach/Gössel/Ztpf AT/2 § 40 Rdn. 42; Radtke JuS 1996 880. Man denke an einen angetrunkenen, den geladenen Revolver im Hosenbund tragenden Ehemann, der bei seiner Schwiegermutter und anderen Mietparteien eines Mietshauses klingelt, um seinen gegenüber der Ehefrau angekündigten Mordplan in die Tat umzusetzen (nach BGH StV 1984 420: Vorbereitung) oder an vier schwerbewaffnet und maskiert am Tatort vorfahrende Bankräuber, vgl. dazu Jakobs 25/20; Kühl § 15
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Rdn. 43; Weigend Entwicklung S. 122 f, der zusätzlich auf Schwierigkeiten bei äußerlich neutralen Handlungen verweist. So z.B. in Fällen der §§ 223, 248b oder 265 (s. zu letzterem Wessels/Hillenkamp Rdn. 657 sowie die Beispiele bei Herzberg GA 2001 266 f und Rönnau JR 1998 445 f). Zu der sich als Anhänger der Eindruckstheorie zum Beispiel Rudolphi SK Rdn. 14 vor § 22 mit Rdn. 13 bekennt. Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 41 mit Rdn. 48; Vogler LK 10 Rdn. 56 vor S 22 mit Rdn. 39. So Roxin JuS 1979 1, 4. J. Meyer ZStW 87 (1975) 598, 604, 607 einerseits, Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 41 mit Rdn. 43; Sch/Schröder/Eser Rdn. 22 vor § 22 mit Rdn. 42 andererseits. Androulakis FS Schreiber, S. 19 spricht vom unmittelbaren Ansetzen als Bruch der um
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Begriffsbestimmung
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Auch den übrigen Harmonisierungslehren ist eine der individuell-formellen Theorie überlegene Bestimmung der Ansatzformel bislang nicht gelungen. Das gilt zunächst für die gleichfalls generalpräventiv orientierten Ansätze, die - der Eindruckstheorie insoweit verwandt 1 7 4 - durch den Versuch als expressiven und tatbestandsnahen Normbruch (Jakobs 25/21) das Normvertrauen erschüttert und in dem hierdurch hervorgerufenen „Geltungsschaden" (Vehling S. 127) den Strafgrund des Versuchs sehen. Wann der Versuch beginnt, ist auch hier den Vorgaben entsprechend nur mit geringer Bestimmtheit beschrieben. So wird die Schwelle hinreichender Verdeutlichung des Normungehorsams von Jakobs (25/55 ff) zwar zunächst in enger Anlehnung an den Gesetzestext bestimmt, der erzielte Gewinn an Rechtssicherheit aber dann dadurch wieder aufs Spiel gesetzt, dass die Entscheidung einem heterogenen Katalog teils zwingender, teils beweglicher Entscheidungsrichtlinien überantwortet wird. Während Jakobs (25/61 ff) zur Präzisierung seiner Indikatoren immerhin noch Erhebliches leistet, findet sich bei Vehling dazu, wann „das vom Täter inadäquat gesetzte Risiko" nach seiner Lehre „die intendierte Tatbestandsverwirklichung indiziert", praktisch nichts. 1 7 5 Neben dieser Vagheit verdient die übereinstimmende Verneinung eines Versuchs bei sozial üblichem (Jakobs 25/65) oder rollenadäquatem ( Vehling S. 141) Verhalten Kritik. Denn dass bei gleicher Vorstellung von der Tat im „Tankstellenfall" (BGHSt 2 6 2 0 1 ) die maskiert und mit der Waffe in der Hand an der Tür schellenden Täter unter normalen Umständen einen Raubversuch begehen sollen, bei einer vom Tankstellenpächter veranstalteten Karnevalsparty aber nicht, 1 7 6 bedeutet eine gesetzesferne, weil die Vorstellung nicht mehr zur maßgeblichen Beurteilungsgrundlage machende Wiederbelebung der überholten Lehre vom dolus ex re (s. hierzu Becher S. 9, 41), mit der lediglich tatbestandsnahes Verhalten nur bei durch Sozial- oder Rolleninadäqunz begründeter „Unzweideutigkeit" den Normbruch hinreichend expressiv machen könnte. Das läuft auf die Privilegierung perfekter Tarnung hinaus. 1 7 7
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das Rechtsgut lagernden Einfluss- und Nutzsphäre; krit. zur Sphärenbeziehung Jakobs 25/68. Jakobs 25/20 und Vehling S. 59 ff distanzieren sich nur vorsichtig von ihr; zur Verwandtschaft beider Ansätze s. Rudolphi SK Rdn. 14a vor § 22. Die „erwartbare Zugriffsmöglichkeit" (Vehling S. 148) ist jedenfalls ein sehr vages Bild; krit. daher auch Kindhäuser LPK Rdn. 21;
Mitsch GA 1996 297 f; Roxin AT II § 29 Rdn. 190; Rudolphi SK Rdn. 12b. 176
So Vehling S. 149, weil sich das Verhalten der Räuber im letzteren Fall noch „im Rahmen des Sozialadäquaten" halte; ähnlich Jakobs 25/65 für das „Betreten einer Bank zu Raubzwecken aber ohne Maske oder sonstiges Tatindiz"; vergleichbar müßte man das Besteigen einer Leiter, das man beim Dieb für Versuchsbeginn hielte, beim Fassadenanstreicher - da rollenadäquat - als unmittelbares Ansetzen ablehnen; s. dazu schon John Entwurf S. 217: „Mußt Du aus den als geschehen erwiesenen Thatsachen den Schluß ziehen, daß ein bestimmtes Ver-
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brechen gewollt ist, so strafe das, was geschehen ist, als den Versuch eines Verbrechens; zwingen Dich dagegen die als geschehen erwiesenen Thatsachen nicht dazu, diesen Schluß zu ziehen, so lasse das, was geschehen ist, straflos"; der im Text erhobene Vorwurf trifft auch Roxin AT II § 29 Rdn. 191, wenn er in Anlehnung an Vehling die von ihm verlangte Einwirkung auf die Opfersphäre unterschiedlich beurteilen will je nach dem, ob ein Fremder oder der Vater das Kind in Missbrauchsabsicht in den Wald führt. So etwa auch im Pfeffertütenfall (BGH N J W 1952 514), wenn ein Unterschied zwischen dem Warten mit einer Pfeffertüte und dem mit einer Waffe bestehen soll, s. Vehling S. 147; auch die Eindruckstheorie hat „bei äußerlich neutralem Verhalten" Schwierigkeiten, wenn sie die Vorstellung des Täters für die Beurteilung des Eindrucks nicht zugrunde legt, vgl. Weigend Entwicklung S. 123; krit. zur Sozialadäquanz als Grenzkriterium auch Herzberg MK Rdn. 125.
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2. Abschnitt. Die Tat
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Kratzsch und Zaczyk (s. Rdn. 74, 75) schließlich legen sich für den Versuchsbeginn auf einen Zeitpunkt fest, in dem der Täter das angegriffene Rechtsgut so „in den Griff" bekommen (Zaczyk Unrecht S. 310) und das Handlungsgeschehen soweit „aufgebaut" (Kratzsch Verhaltenssteuerung S. 448) hat, dass die Tatbestandsverwirklichung angesichts der Überlegenheit des Angreifers und der erhöhten Realisierungsgefahr nur noch von „akzidentieller Bedeutung" ist. Hierbei gelingt es Kratzsch aber nicht, die aus seiner vergleichenden Betrachtung der Gesetzmäßigkeiten im Ablauf von Steuerungs- und Regelungsvorgängen auf die Versuchsstrafbarkeit übertragene Einsicht, sie diene der rechtzeitigen Beherrschung von Zufallsgefahren, in eine die Subsumtion unter die Ansatzformel besser als das Gesetz fördernde Vorgabe umzusetzen (krit. auch Roxin AT II § 29 Rdn. 185). Im Gegenteil verleiht die Rede von der „Und-Verknüpfung" (s. Rdn. 74) seiner Paraphrasierung einen eher rätselhaften Wert. 178 Das deutlich plastischere und aus dem Übergang von der Anerkennung zur Verletzung des Rechtsguts auch folgerichtig abgeleitete In-den-Griff-genommen-Werden des angegriffenen Elements der Freiheit durch den Täter ist zwar von solchen Rätseln frei, verliert sich bei Zaczyk aber in eine gewisse Beliebigkeit, wenn er allen bisher bekannten Formeln heuristischen Wert zuspricht und sich der Sache nach von der dem Gebot der Gesetzesbestimmtheit nicht genügenden (s. Roxin AT II § 29 Rdn. 181) Schmidhäuserschen Ganzheitslehre damit kaum distanziert. 179 Dass sich darin das von Zaczyk erarbeitete Versuchsunrecht einbringen lässt, ist nicht bestreitbar, dass es in die Ansatzformel hinein sichtbar und prägend wirkt, dagegen kaum zu sehen. 180 Diesem Vorhalt entzieht sich zwar eine Lehre, die aus den gleichen Prämissen die Notwendigkeit einer dem versuchten Delikt entsprechenden Verteidigungshandlung ableitet (Rath JuS 1998 1109 f). Sie vermag aber schon nicht zu belegen, dass der Versuchsbeginn mit der Notwehrlage in einem notwendigen Zusammenhang steht. Zudem löst sie die Hoffnung auf mehr Rechtssicherheit in der Abgrenzungsfrage nicht ein, da sie einerseits die Unsicherheiten über das Entstehen einer (präventiven) Notwehrlage in den Versuchsbeginn hineinträgt und andererseits die verlangte „konkrete Reaktionsnotwendigkeit" mit der Verteidigung schon zulassenden Gegenwärtigkeit nicht gleichsetzt. Über die schon früher behauptete Indizwirkung der „Notwehrprobe" (M. E. Mayer Allg. Teil 1915 S. 352; s. schon Rdn. 76) führt auch diese Lehre daher nicht wirklich hinaus.
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Die gegen die individuell-materielle, auf die unmittelbare Gefährdung abstellende Lehre (s. Rdn. 68 ff) zu erhebenden Vorbehalte sind anderer Natur. Zunächst deutet wie es der BGH (St. 26 201, 203) unmittelbar nach Inkrafttreten der Reform noch zutreffend sah - die „Nichterwähnung des Gedankens der unmittelbaren Gefährdung des geschützten Rechtsguts" in § 22 darauf hin, dass in der stattdessen gewählten „strikten Anknüpfung des Unmittelbarkeitserfordernisses an die tatbestandsmäßige Handlung" ein vom Gesetzgeber gewollter „Gewinn an Rechtssicherheit" liegen sollte. 181 Dass dieser
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Die Anwendung der Formel auf Zweifelsfälle durch Kratzsch JA 1983 584 ff spiegelt den geringen eigenständigen Ertrag des Verlangens nach einem „Ansetzen zur Verwirklichung der gesamten Tatbestandshandlung" bzw. nach einer „Verknüpfung von Teilakt und Gesamtakt" (S. 585) wider. Diese Formulierungen werden von Maurach/Gössel/ Zipf AT/2 § 40 Rdn. 42 f daher auch für die Eindruckstheorie vereinnahmt. Vgl. dazu Zaczyk Unrecht S. 311 ff mit Fall-
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beispielen; krit. zu Zaczyk daher auch Roxin AT II § 29 Rdn. 187; Rudolphi SK Rdn. 12a; Sch/Schröder/Eser Rdn. 24. Dass sich der Ansatz daher auch gegenüber anderen Festlegungen öffnet, zeigt der Rekurs Köhlers S. 460 f, 463 f auf die Franksche Formel und Raths JuS 1998 1109 ff auf die Angriffstheorie. Einen deutlichen Abschied vom Gefährdungsgedanken findet man allerdings an den hierfür bisweilen (vgl. z.B. Vogler LK 10
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Gewinn durch die auf eine Gefährdung des Rechtsguts abstellende individuell-materielle Theorie verspielt werde, ist der gewichtigste Einwand gegen sie. Er beruht auf der Annahme, dass die Gefährdung des Rechtsguts schon mit der ersten Vorbereitungshandlung einsetzt und bis zur Vollendung nur einer quantitativen Steigerung unterliegt. In ihr sind Grade, nicht aber ein die Zäsur zwischen Vorbereitung und Versuch begründender Qualitätswandel enthalten. 182 Es bedarf daher einschränkender Zusätze, um den Gefährdungsgedanken brauchbar zu machen. Mit dem Verlangen nach einer „unmittelbaren" oder „ernsthaften" Gefährdung ist aber ein dem Bestimmtheitsgebot entsprechender Maßstab nicht gefunden. Das gilt umso mehr, als das Urteil über die Gefährlichkeit namentlich in Fällen objektiv fehlender Gefahr „subjektiviert" und damit mit allen „Unsicherheiten" belastet werden muss, „die sich mit einer Prognose ex ante verbinden". Schließlich versagt der Gefährdungsgedanke bei den abstrakten Gefährdungsdelikten, bei denen es selbst zur Vollendung des Delikts keiner Gefährdung des Rechtsguts bedarf (Kindhäuser AT § 31 Rdn. 17; Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 33; Tiedemann FS Baumann S. 12). Diesen gewichtigen Bedenken versucht eine Variante der Gefährdungstheorie zu begegnen. Um die in der Rechtsgutsgefährdung sich verflüchtigende Anknüpfung an die formelle Tatbestandsverwirklichung wiederherzustellen und den Vorwurf der Unbestimmtheit abzumildern, wird vorgeschlagen, statt auf die Gefährdung von Rechtsgut oder Tatobjekt auf die „Gefahr der Verwirklichung des konkreten Deliktstatbestands" (v. Hippel II S. 405; Klee DStr 1934 283, 292; krit. dazu Zaczyk Unrecht S. 48) abzuheben. Dadurch soll eine tatbestandsrelevante oder tatbestandsnahe Gefahr ermittelt werden, die eine „dem formellen Tatbestandsbeginn praktisch gleichwertige Gefährdung" ergebe (Geilen S. 164; Sch/Schröder/Eser § 22 Rdn. 39). 1 8 3 Auch soll hiermit der Einwand entkräftet werden, die Gefährdungstheorie versage bei Gefährdungsdelikten; 184 denn „während die Vorstellung einer Gefahr der Gefährdung des Rechtsguts Schwierigkeiten" bereite, tue dies eine Gefahr der Tatbestandsverwirklichung nicht (v. Hippel II S. 405). Mit ihr werde auch abstrakten Gefährdungsdelikten genügt.
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Den gegen die „klassische" Gefährdungstheorie erhobenen Einwänden (Rdn. 82) ist zuzustimmen. In der Tat setzt diese Lehre den rechtsstaatlichen Gewinn der Ansatzformel aufs Spiel (beispielhaft OLG München NJW 2 0 0 6 3364). Auch passt sie für Tätigkeits- und (abstrakte) Gefährdungsdelikte nicht (s. Rdn. 97 f vor § 22; Berz Jura 1984 511, 513; Vogel Norm und Pflicht S. 229; aA Otto AT § 18 Rdn. 37). Zwar werden diese Bedenken durch das Abstellen auf die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung (Rdn. 83) abgemildert. Das geschieht aber in erster Linie nicht deshalb, weil der Gefährdungsgedanke sachgerechter formuliert, sondern weil er der Zwischenaktslehre angenähert wird. Die versuchsrelevante Gefahr der Tatbestandsverwirklichung ist nämlich in der Regel
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Rdn. 29) als Beleg zitierten Stellen (E 1962 Begründung S. 144; Prot. V S. 1746 f) nicht; auch der 1. Senat - von dem der zitierte Hinweis stammt - hat sich wenig später und unter Zitierung von BGHSt 2 6 201 wieder auf den Gefährdungsgedanken berufen, vgl. BGH bei Holtz MDR 1978 625 f; ferner BGHSt 43 177, 181. Becher S. 45 ff; Berz Jura 1984 513; Jakobs 25/15; Krey ΑΎ/2 Rdn. 4 2 3 f; Kühl JuS 1980 814; ders. S 15 Rdn. 82; M.-K. Meyer GA
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2 0 0 2 3 7 6 ; Rath JuS 1998 1108; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 129; Rudolphi SK Rdn. 10. Vgl. hierzu auch Becher S. 7, 4 3 f m.w.N. v. Hippel II S. 4 0 5 ; Otto AT § 18 Rdn. 37. Zaczyk Unrecht S. 3 2 2 ff will bei konkreten und abstrakten Gefährdungsdelikten die „formell-objektive" Lehre wiederbeleben, hebt aber in Wahrheit auch hierbei auf den Gefährdungsgedanken ab (s. hierzu bereits oben Fn. 122).
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2. Abschnitt. Die Tat
durch nichts anderes begründbar, als durch deren nicht mehr durch wesentliche Zwischenschritte vermitteltes Bevorstehen. Das wird besonders deutlich, wenn als versuchsbegründend „alle Verhaltensweisen" angesehen werden, „die auf der Grundlage des Tatplanes objektiv geeignet erscheinen, ohne wesentliche Zwischenschritte eine tatbestandsrelevante Beeinträchtigung des betroffenen Rechtsguts herbeizuführen" (Sch/Scbröder/Eser Rdn. 39). Auch wenn es daher bei dem individuell-formellen Ansatz der Zwischenaktslehre (Rdn. 77) bleiben muss, ist dem Gefährdungsgedanken in seiner zuletzt geschilderten Ausprägung (Rdn. 83) aber nicht jede Bedeutung abzusprechen. Sie liegt in einer das Ergebnis der Zwischenaktsformel in zweierlei Richtung korrigierenden Funktion. Zum einen ist der Gefahr des Abgleitens in eine „atomisierende Betrachtung" nur dadurch zu begegnen, dass man unwesentliche Zwischenschritte als Versuchshemmnis ausscheidet (s. Rdn. 65). Hiervon ist auszugehen, wenn die noch ausstehenden Teilakte die bereits eingetretene unmittelbare Gefahr der Tatbestandsverwirklichung nicht mehr nennenswert steigern, die vorgenommene Handlung der Sache nach also bereits unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmündet. Durch eine solche wertende Feststellung wird die Versuchsstrafbarkeit gegenüber der Ansatzformel nicht „vorverlagert", 185 sondern nur der innere Grund dafür angegeben, mit dem sich die Zwischenaktslehre von einer naturalistisch nach einzelnen Körperbewegungen aufspaltenden und damit „im Vordergründigen" (Eser II 31 A 39) verhafteten Betrachtung befreit. Bedenken, die sich gegen eine solche Teilnormativierung der Zwischenaktslehre unter dem Blickwinkel des Bestimmtheitsgrundsatzes erheben lassen, sind durch eine hinreichende Konkretisierung dieser Vorgaben auszuräumen (s. dazu Rdn. 111 ff). 186 Zum anderen kann es so liegen, dass es an weiteren Zwischenschritten nach der Vorstellung des Täters nicht mehr fehlt, die Tatbestandsverwirklichung aber noch so fern liegt oder ungewiss ist, dass von einer versuchsadäquaten Gefahr des Umschlagens in die Verwirklichung des Tatbestandes noch nicht die Rede sein kann. Hier muss für ein unmittelbares Ansetzen zu der Vornahme der letzten Teilhandlung noch jene Gefahr hinzutreten. Mit diesem Standpunkt wird keine kumulative Vereinigungslehre, sondern eine modifizierte Zwischenaktslehre vertreten, die die enge Anbindung an die Tatbestandsverwirklichung dadurch zu erreichen sucht, dass sie von Versuch spricht, wenn nach der Vorstellung des Täters von
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Zu dieser Gefahr der Gefährdungstheorie vgl. Jakobs 25/57; Kühl % 15 Rdn. 83. Der Gefahr erliegt allerdings eine Zwischenaktslehre, die ein „Zwischengeschehen" nur dann für wesentlich hält, wenn „dessen Ausgang offen gewesen wäre" oder zu „neuen Planungen oder Entschlussfassungen geführt hätte" (so BGH NStZ 2 0 0 6 331, 332; s. dazu Rdn. 113). Ein vergleichbarer Ansatz findet sich jetzt bei Roxin AT II § 29 Rdn. 138; die Konkretisierung geschieht dann allerdings durch die Forderung nach einem „engen zeitlichen Zusammenhang" und einer „Einwirkung auf die Opfer- und Tatbestandssphäre" (Rdn. 139) mit Kriterien, die die hier verlangte Gefahr der Tatbestandsverwirklichung i.S. einer Vollendungsnähe (vgl. hier Rdn. 96 f, 110 ff) zu begründen, den in der
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Handlungsunmittelbarkeit (vgl. hier Rdn. 99, 103 ff) steckenden eigentlichen Gewinn der Zwischenaktslehre aber nicht vollends auszuschöpfen und deshalb in gleichem Maße vorhersehbare Folgen nicht zu gewährleisten vermögen. Jedenfalls bleiben Aussagen wie die, die Geldfälschung beginne mit dem „Herantreten an den Fälschungsakt" oder der Versuch einer Sprengstoffexplosion mit der „Einleitung des Explosionsvorgangs" (Roxin AT II § 29 Rdn. 142) gegenüber aus der Handlungsunmittelbarkeit zu gewinnenden Ergebnissen in ihrer Bestimmtheit deutlich zurück. In der Sache besteht aber vielfach Übereinstimmung, weil der verlangte enge zeitliche Zusammenhang überwiegend zur Beurteilung der Distanz zur Tathandlung herangezogen wird.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
der Tat erstens zwischen der vorgenommenen Handlung und der eigentlichen Tatbestandshandlung keine wesentlichen Zwischenschritte mehr liegen und wenn sich zweitens der dadurch eingetretene Zustand als unmittelbare Gefahr der Tatbestandsverwirklichung beschreiben lässt (näher hierzu Rdn. 9 6 f). Letzteres versteht sich in der Regel von selbst, kann aber auch ausnahmsweise vor oder erst nach dem letzten, nach der Vorstellung des Täters notwendigen Teilakt so sein (näher hierzu Rdn. 110 ff). 1 8 7 d) Konkretisierung der Ansatzformel für den unbeendeten Versuch. Die Verdeutlichung der Ansatzformel auf der Grundlage der vorstehend entwickelten Sinngebung geschieht hier zunächst für das Leitbild des vom Alleintäter begangenen unbeendeten Versuchs des Begehungsdelikts, auf das die Formel in erster Linie zugeschnitten (Roxin Einführung S. 16), für das sie aber nicht allein zuständig ist. Da § 2 2 mangels anderweitiger Regelungen auch für Fälle der mittelbaren und der Mittäterschaft, für das Unterlassungsdelikt sowie für alle übrigen vom Grundtypus abweichenden Sonderformen des Versuchs (Otto AT § 18 Rdn. 33) gilt, sind zwar für diese die für den Grundfall zu entwickelnden Annahmen nicht ohne Berücksichtigung der jeweils hinzutretenden Regelungsstrukturen gültig, bilden aber doch den durch die einheitliche Regelungsgrundlage gemeinsam geltenden Kern. Ihre Entwicklung hat dreierlei zu bedenken: Zum ersten handelt es sich bei der Festlegung des Versuchsbeginns immer auch um eine Frage der Auslegung des jeweils in Frage stehenden Tatbestandes, so dass sich die Antworten niemals „losgelöst von den einzelnen Tatbeständen" (Lackner/Kühl Rdn. 4), sondern nur durch eine hier im einzelnen nicht zu leistende Verschränkung der Ansatzformel mit dem jeweiligen Tatbestand finden lassen. Es geht nicht um einen Versuchstatbestand „an sich", sondern um den Versuch der Verwirklichung des je besonderen Verbrechens (s. schon
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Kühl § 15 Rdn. 70 ff benutzt für die „Korrektur" der Zwischenaktslehre statt der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung (abl. dazu Rdn. 84) das Erfordernis einer „zeitlichen Unmittelbarkeit"; vgl. zum hier bevorzugten Ansatz auch Streng GedS Zipf 325, 326; ferner Küper J Z 1983 361, 367 Fn. 42, der die „Gefährdungsformel", die „allenfalls beim Versuch eines Verletzungsdelikts" passt, durch Kriterien ersetzen will, „die deutlicher auf den unmittelbaren Zusammenhang des Verhaltens mit der jeweils tatbestandlich typisierten Deliktshandlung" abstellen. Das geschieht hier generalisierend durch das Abheben auf die unmittelbare Gefahr der Tatbestandsverwirklichung. Damit wird auch dem berechtigten Bedenken Rechnung getragen, dass mit der allgemeinen Gefährdungsformel „die gesetzgeberische Entscheidung für bestimmte Typen tatbestandsmäßigen Verhaltens" unterlaufen wird (Kühl JuS 1980 814). Der hier vertretene Standpunkt ähnelt der von Herzberg FS Roxin, S. 749, 755 ff, 761 ff vorgeschlagenen Trennung von Versuchshandlung und Versuchserfolg, eine Konzeption, die von Herzberg MK
Rdn. 128, 136 ff, 143 ff, 155 ff zeitlich parallel zu der hier in der Vorauflage entwickelten Auffassung näher ausgearbeitet worden ist (s. dazu auch hier Rdn. 110). Inwieweit Herzberg selbst Übereinstimmungen sieht, ist in FS Rudolphi, S. 75 ff nicht mitgeteilt. Im Unterschied zu hier wird die Zwischenaktslehre allerdings verworfen (MK Rdn. 172) und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung als „Versuchserfolg" nicht wie hier aus diesem Begriff (Rdn. 96 f), sondern aus der Unmittelbarkeit hergeleitet (MK Rdn. 145). In den Ergebnissen stimmen unsere Lösungen vielfach überein, weil der auch von Herzberg verlangte Zustand der unmittelbaren Gefahr der Verwirklichung des Tatbestandes (unausgesprochen) auf ähnliche Kriterien abhebt, wie die hier (Rdn. 110 ff) entwickelten, was sich namentlich in MK Rdn. 159 ff zeigt. Für konkrete Gefährdungsdelikte verlangt Momsen S. 67 beim unmittelbaren Ansetzen einen „Bezugspunkt zu dem Tatbestandsmerkmal der konkreten Gefahr", der in der Erfahrbarkeit der „Erfolgsmöglichkeit" bestehen soll (S. 81; vgl. dazu vor § 22 Rdn. 97).
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2. Abschnitt. Die Tat
Rdn. 8). Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass die Grenze zwischen Vorbereitung und Versuch in einem einheitlichen Geschehen (Versuch, Kellerfenster aufzustemmen, um in das Haus einzudringen, in dem das Opfer schläft) bezüglich unterschiedlicher Delikte (Diebstahl und Vergewaltigung, s. BGH NStZ 2000 418 mit krit. Anm. Beilay 591; Roxin AT II § 29 Rdn. 141) und selbst bei verschiedenen Tatbestandsalternativen einund desselben Tatbestandes unterschiedlich verläuft (s. BGHSt 35 6, 9 zu § 176; Roxin AT II § 29 Rdn. 169). Hieraus wird zwar verbreitet abgeleitet, dass alles gesetzgeberische Bemühen „um eine Definition des Versuchsbegriffs zwangsläufig scheitern" und sich das Gesetz daher mit einer bloßen „Leitlinie für die im Einzelfall nach den in den jeweiligen Straftatbeständen umschriebenen Tatbestandshandlungen zu treffende Entscheidung" begnügen müsse (Vogler LK 10 Rdn. 58; ähnlich M.-K. Meyer GA 2002 367, 377). Mit diesem die in der Tat nicht zu leugnende Unauffindbarkeit einer trennscharfen Zauberformel zuspitzenden Bild von der Leit- oder Richtlinie 188 darf aber zweitens nicht die Vorstellung verbunden werden, es handle sich bei der Ansatzformel nur um eine richterliches Ermessen beratende (so noch BGH NJW 1952 430, 431) und aufgrund allgemeiner Strafwürdigkeitsüberlegungen oder Erwägungen zur Zielsetzung des jeweiligen Tatbestandes überspielbare Empfehlung (dagegen zu Recht BGH NJW 1988 3109; OLG Düsseldorf NJW 1993 2253, 2254). Das widerspräche dem gesetzgeberischen Anliegen, dem Bestimmtheitsgebot durch § 22 besser gerecht zu werden als zuvor (s. Rdn. 4) und „durch Grundsätze (zu) verdeutlichen, wie die Abgrenzung im einzelnen Fall zu gewinnen ist" (E 1962 Begr. S. 143). Daraus folgt drittens, dass der Gesetzestext zugrunde zu legen, die in ihm vorgenommene Anbindung des Versuchsbeginns nicht an ein „beliebiges Ansetzen zu der Straftat schlechthin", sondern nur an ein solches zur Verwirklichung des Tatbestandes (s. Rdn. 2) ernst zu nehmen und die Versuchsgrenze in den „zwei Denkschritten" (Otto AT § 18 Rdn. 23) festzulegen ist, die die in § 22 zu findende Entscheidung für eine individuell-objektive Beurteilungsweise vorzeichnet. 189 aa) Vorstellung von der Tat. 190 Ob am objektiven Beurteilungsmaßstab der Zwischenaktslehre (oder mit ihr konkurrierender Konkretisierungsformeln) gemessen ein 188
Es findet sich z.B. bei Bockelmann/Volk S. 208 und Kühl § 15 Rdn. 44, die sich mit Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 45 (keine Orientierungshilfe), Berz Jura 1984 511, Roxin JuS 1979 1, 4, Stratenwerth 3. Aufl. Rdn. 677 und ZStW 76 (1964) 669, 701, T. Maier Objektivierung S. 41 sowie Wessels/Beulke Rdn. 608 über den Befund einig sind, dass eine gesetzgeberische Definition die Frage, „wie viele Körner einen Haufen machen" (so der Vergleich Bockelmanns J Z 1954 469), nicht exakt entscheiden kann; das sah auch schon der Vorentwurf eines Deutschen StGB 1909 so, aber keinen „Anlaß, wegen der fließenden Grenzen ... die Unterscheidung ... ganz dem freien richterlichen Ermessen zu überlassen". Vielmehr wollte auch er schon dem „Richter eine, wenn auch nicht jeden Zweifel ausschließende, so doch brauchbare Richtlinie" an die Hand geben, „die im wesentlichen eine gleichmäßige Anwendung der Vorschriften über eine Bestrafung des Versuchs
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gewährleistet" (Begr. S. 284). Auf diese der Rechtssicherheit dienende Funktion der gesetzlichen Vorgabe verzichtet, wer sich der Versuchsgrenze nur durch eine „typengebundene Methode der Fallvergleichung" nähern will, so M.-K. Meyer GA 2002 367, 378 ff. Dabei ist - will man die Zielsetzungen des § 22 gegenüber S 43 a.F. (vgl. dazu Rdn. 3 ff) nicht außer acht lassen - nicht davon auszugehen, „beide Formulierungen" ließen „sich übereinstimmend interpretieren" (so aber noch BGHSt 26, 201, 202; dagegen Blei JA 1976 102; Vogler LK 10 Rdn. 38). Die Vorstellung des Täters darüber, wo der zum Tatbestand gehörende Erfolg eintreten sollte, bildet in beiden hier entwickelten Funktionen der „Vorstellung" (Rdn. 88, 89) die Grundlage dafür, ob über § 9 Abs. 1 deutsches Strafrecht anwendbar ist. Das gilt sicher für den untauglichen Versuch, für den tauglichen nur dann, wenn man den von ihm ausgelösten Gefährdungserfolg nicht als
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Begriffsbestimmung
§22
Versuchsbeginn vorliegt, lässt sich danach nur auf der subjektiven Grundlage der Tätervorstellung beurteilen. Die konkrete Vorstellung des Täters von der Tat bildet die in einem ersten Schritt zu ermittelnde tatsächliche Grundlage für die Entscheidung, ob ein unmittelbares Ansetzen im Sinne von § 2 2 vorliegt (BGH N J W 1 9 9 7 83; Blei JA 1975 95 f; Tröndle/Fiscber Rdn. 8). Subjektive Beurteilungsgrundlage und objektiver Bewertungsmaßstab sind dabei streng zu trennen. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Täter selbst das Tatgeschehen als Vorbereitungs- oder Ausführungshandlung einschätzt, sondern ausschließlich darauf, ob aufgrund des vom Täter vorgestellten Tatbildes nach objektiven Kriterien schon ein Versuch anzunehmen ist. 1 9 1 Alles andere machte „den Täter zum Richter über sich selbst" (Bockelmann Niederschriften 2 175). Daher ist auch keine „konkrete Ausführungsvorstellung" in dem Sinne zu verlangen, dass der Täter in wenigstens laienmäßiger Wertung nachvollziehen müsse, „nunmehr mit der Ausführung zu beginnen" (so aber Schwalm Niederschriften 2 189). Vielmehr muss er nur die Tatsachen kennen oder sich vorstellen, die zur Bewertung der Handlung als Versuchsbeginn führen. 1 9 2 Zumindest missverständlich ist schließlich die Kennzeichnung der gesetzlichen Regelung als Verknüpfung subjektiver und objektiver Abgrenzungskriterien (BGH bei Holtz M D R 1 9 8 0 217), weil dadurch der falsche Eindruck entsteht, die Vorstellung sei nicht nur Beurteilungsgrundlage, sondern stelle zugleich auch ein (subjektives) Abgrenzungskriterium dar (Kühl JuS 1 9 8 0 813). Die Notwendigkeit einer subjektiven Beurteilungsgrundlage ergibt sich zum einen daraus, dass es einen objektiv unzweideutigen Versuch nicht gibt, weil angesichts der Mehrdeutigkeit objektiver Verhaltensweisen und der Vielgestaltigkeit der Wege zur Verbrechensverwirklichung (Welzel S. 190) die Tatsachen nicht aus sich selbst heraus sprec h e n 1 9 3 und die objektive Äußerung der auf Deliktsbegehung gerichteten Willensbetätigung beim Versuch zudem notwendig fragmentarisch bleibt. Erst die Ablaufsvorstellung des Täters (Hillenkamp FS Roxin S. 703, 7 0 4 ) 1 9 4 , also die konkreten „Vorstellungen des Täters, die den Ablauf des äußeren Geschehens bestimmen" (BGH GA 1955 123, 124), ermöglichen die Einordnung der Täterhandlung als Versuch oder Vorbereitung, weil nur aus ihnen ersichtlich wird, wie die geplante Tat im einzelnen ablaufen soll und welche Bedeutung der zu untersuchenden Handlung im geplanten Geschehensverlauf zukommt (Tröndle/Fischer Rdn. 8). So macht es z.B. beim Versuch der Vornahme sexueller Handlungen an einem Kind (§ 176 Abs. 1) einen Unterschied, ob der Täter das Kind an einen zur Vornahme der geplanten Handlungen geeigneten Ort führt, um dort „ohne weitere Zwischenakte sogleich den körperlichen Kontakt" aufzunehmen oder weil er beabsichtigt, „das Kind auf freiwilliger Basis zu verführen" und folglich der sexuellen Handlung
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„Erfolg" i.S. des § 9 Abs. 1 ausreichen lässt, s. näher dazu Miller/Rackow ZStW 117 (2005) 379, 384 f. Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 46; Becher S. 19 ff; Jescheck Niederschriften 2 194; Kühl § 15 Rdn. 77; PapageorgiouGonatas S. 180 f; Sch/Schröder/Eser Rdn. 34; zu älteren Fehldeutungen in dieser Richtung s. Hillenkamp FS Roxin, S. 704 f; wiederbelebt von Safferling ZStW 118 (2006) 700. Becher S. 21 ff; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 44; geht der Täter von einer tatsächlichen Sachgestaltung aus, die ihn
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nach objektivem Urteil noch in der Vorbereitungsphase belassen würde, liegt kein Versuch vor; umgekehrt ist Versuch gegeben, wenn sich der Täter vorstellt, er habe die Tat tatsächlich weit vorangetrieben, wenn nach objektivem Urteil bei Zugrundelegung dieser Vorstellung Versuch gegeben wäre, s. Hillenkamp FS Roxin, S. 705. Vgl. dazu schon Jescheck Niederschriften 2 194; Welzel Niederschriften 2 197 sowie Bockelmann JZ 1954 468, 471, der aus diesen Gründen die Lehre vom dolus ex re verwarf. Zust. Roxin AT II § 29 Rdn. 5.
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2. Abschnitt. Die Tat
der Verführungsversuch noch vorgelagert ist (BGHSt 35 6, 9). 195 Auch für die sogenannten Alternativfälle kommt es entscheidend auf die Vorstellung des Täters vom Tatablauf an. So kann das Bedrohen mit einer Pistole als Raubmittel schon Anfang der Ausführung des Raubes, im Hinblick auf ein Tötungsdelikt dagegen noch bloße Vorbereitungshandlung sein (vgl. dazu unten Rdn. 129). Dieser ersten Funktion der Vorstellung von der Tat, anhand des Verlaufsplans den Stellenwert der Handlung zwischen dem, was schon erfolgt ist, und dem, was noch erfolgen soll, festzulegen (Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 47), hat sich bereits das Reichsgericht (RGSt 3 136, 139; 66 141) bedient und der Alternativentwurf Rechnung getragen, als er den „Tatplan" zur Richtschnur erhob. Unter ihm ist nichts anderes als die „Vorstellung" zu verstehen, durch die der Gesetzgeber den Tatplan nur ersetzte, um auch Affekttaten, bei denen von einer zeitlich vorhergehenden, überlegten Planung nicht die Rede sein könne, gerecht zu werden. 1 9 6 89 Die Vorstellung des Täters von der Tat als subjektive Beurteilungsgrundlage gewinnt zum anderen und zusätzlich in Fällen des untauglichen Versuchs Bedeutung, in denen Vorstellung und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Hier hat das Reichsgericht im Gefolge seiner Entscheidung für die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs es von Beginn an ausreichen lassen, „dass eine Handlung von dem Thäter (nur) in der Vorstellung unternommen" wird, sie werde den beabsichtigten Erfolg herbeiführen (RGSt 1 439, 443; 451, 452; 34 218, 220 f). Diese zweite Funktion der Vorstellung, auch die (irrige) Annahme der Tauglichkeit des Tuns und damit die (bloße) Tauglichkeitsvorstellung der Bestimmung des Beginns der Ausführung zugrunde zu legen, hat seit dem Amtlichen Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches aus dem Jahre 1925 die Aufnahme der Vorstellung in die gesetzliche Begriffsbestimmung des Versuchs (§ 23 Abs. 1 AE 1925) maßgeblich bestimmt und ist auch mit der geltenden Gesetzesfassung verbunden (s. zu ihrer Entwicklung und zum Begriff Hillenkamp FS Roxin S. 690 ff, 704). Der Bundesgerichtshof hat sich ihrer im Falle einer mittelbaren Täterschaft, in dem der Vordermann „nur zum Schein bereit war, die vom Angeklagten geplante Tat auszuführen, er also von vornherein ein untauglicher Tatmittler war" mit dem Hinweis bedient, dass „allein die Vorstellung des mittelbaren Täters von der Tauglichkeit seiner Handlung" für dessen Strafbarkeit entscheidend sei (BGHSt 30 363, 366). Beispiele hierfür bilden auch die sogenannten Auflauerungsfälle, 197 in denen das vom Täter erwartete Erscheinen des Tatopfers ausbleibt. Mit Rücksicht auf die Maßgeblichkeit der subjektiven Beurteilungsgrundlage schließt die fehlende „Gegenwärtigkeit des Opfers" (Blei JA 1976 315 gegen Otto NJW 1976 579, beide zu BGHSt 26 201) 1 9 8 die Annahme eines Versuchs nicht aus.
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Vgl. hierzu auch den Lichthupen-Fall BGH bei Holtz M D R 1977 807 (dazu Kühl § 15 Rdn. 78), die Klingelfälle BGHSt 26 201; BGH NStZ 1984 506 (dazu Roxin JuS 1979 1, 6; Wessels/Beulke Rdn. 609); BGH NStZRR 2004 361 oder den Fall der Passauer Giftfalle BGHSt 43 177; ferner BGHSt 28, 162; 31 10; 37 294; 40 208; 257, 268; BGH wistra 1990 19; BGH NJW 1993 21, 25 BGH NStZ-RR 1996 34; BGH NStZ 1997 83; BGH NJW 2002 1057; OLG Frankfurt J Z 1992 360; OLG München NStZ-RR 1996 31; OLG H a m m StV 1997 242. In der Rechtsprechung ist der Begriff des Tat- oder Gesamtplans gleichwohl nach wie vor gebräuchlich geblieben, vgl. dazu BGH
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NJW 2002 1057; Fiedler S. 39 f; Hillenkamp FS Roxin, S. 698; zur Motivation des Gesetzgebers vgl. 2. Bericht SA BTDrucks. V/4095 S. 11; Corves Prot. SA V S. 1745 f. BGHSt 26 201; BGH N J W 1952 514 (Pfeffertüten-Fall); BGH LM § 249 Nr. 9; BGH bei Daliinger M D R 1966 725; BGH NStZ 1987 20; BGH StV 1989 526; s. auch schon RGSt 77 1; ob man in diesen Fällen von einem untauglichen oder von einem fehlgeschlagenen Versuch spricht, spielt im hier maßgeblichen Zusammenhang keine Rolle, vgl. BGHSt 30 363, 366. Vgl. auch Kühl $ 15 Rdn. 75; Roxin JuS 1979 1, 6; mißverständlich Gössel JR 1976 251; Rudolphi SK, 2. Aufl. Rdn. 15.
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Vielmehr kommt es allein darauf an, ob dann, wenn die Erwartung des Täters zuträfe, nach seinen sonstigen Vorstellungen über den Ablauf der Tat die objektiven Kriterien für den Versuchsbeginn erfüllt sind. (Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 49). Danach ist auf den Inhalt und die Gestalt der Vorstellung abzustellen, die sie im Zeitpunkt der Vornahme der als Versuchsbeginn in Betracht gezogenen Handlung angenommen hat. Bezieht sie (wie häufig in den Auflauerungsfällen) den Fehlschlag als denkbare Entwicklung mit ein, kann das den Versuchsbeginn freilich nicht hindern (in dieser Richtung missverstehbar Gropp FS Gössel S. 175, 186 ff). Die objektive Gefährlichkeit (zur Eignung dieses Kriteriums für die Konkretisierung der Ansatzformel s. Rdn. 82) der Tat für das Tatopfer bzw. Tatobjekt scheidet mit der Anerkennung der Tätervorstellung als Beurteilungsgrundlage als Abgrenzungskriterium aus. 1 9 9 Daher kann ein Versuchsbeginn weder (allein) damit begründet werden, dass das Opfer bereits objektiv in Gefahr schwebt (BGH NStZ 1989 473; BGHSt 35 6, 9), noch ist er damit zu verneinen, dass eine objektive Gefährdung des Rechtsguts (noch) fehlt (BGH GA 1984 25). Das wird auch in der Rechtsprechung immer deutlicher betont. 2 0 0 So wie der Tatentschluss (Rdn. 30 ff) „Deliktscharakter und Delikt bestimmt" (Baumann § 33 IV lb), so prägt die Vorstellung des Täters vom Ablauf (Rdn. 88) und von der Tauglichkeit seines Tuns (Rdn. 89) das, was nach objektivem Urteil als unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung anzusehen ist. Tatentschluss und Vorstellung sind folglich nicht identisch (Hillenkamp FS Roxin S. 700 ff). 2 0 1 Das gilt für Inhalt, Standort und Funktion. Zwar fließt der Inhalt des Vorsatzes naturgemäß in die Vorstellung von der Tat mit ein. 2 0 2 Deren für den Versuchsbeginn maßgebliche Einzelheiten gehen aber über den Vorstellungsgehalt des Vorsatzes in der Regel hinaus; denn was an genaueren Überlegungen zum schrittweisen Vollzug, zum zeitlichen Ablauf der T a t 2 0 3 sowie gegebenenfalls zum Opferverhalten hier von Belang ist, gehört oft weder zum notwendigen, noch überhaupt zum Gegenstand des Wissens und Wollens der gesetzlichen Tatumstände. Dass zudem die Vorstellung von der Tat der Bestimmung des Versuchsbeginns angehört, lässt sie im Gegensatz zum diesem vorgeordneten Tatentschluss als Merkmal erst des objektiven Tatbestandes des Versuchs erscheinen. Hier dient sie als (subjektive) Beurteilungsgrundlage für das nach objektivem Bewertungsmaßstab zu bestimmende unmittelbare Ansetzen 2 0 4 und löst gegebene Mehrdeutigkeit auf, nachdem
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Hillenkamp FS Roxin, S. 705 f; Kühl § 15 Rdn. 80 ff; Sch/Schröder/Eser Rdn. 42; Streng ZStW 109 (1997) 862, 864. So z.B. von BGHSt 30 363, 365 f; 35 6, 9; 40 257, 269; 43 177, 182; BGH StV 1984 420; 1989 526; NStZ 1987 20; 1989 473; BayObLG NJW 1990 781; OLG Frankfurt StV 1992 360; OLG München NStZ-RR 1996 71. Ihre häufig zu findende Gleichsetzung (Bockelmann/Volk S. 207; Frister Rdn. 23/14; Gropp § 9 Rdn. 15; Haft S. 225; Heinrich AT I Rdn. 648; Heintschel/ Heinegg I Rdn. 515; Sch/Schröder/Eser Rdn. 12/13; Zaczyk NK Rdn. 13) ist auch nicht durch die geltende Fassung des Versuchsbegriffs legitimiert, die den Entschluss oder Vorsatz zwar nicht mehr aufführt, mit der Aufnahme des Begriffs der Vorstellung
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ihn aber nicht ersetzen wollte. Aus der „Vorstellung" ist nur zu schließen, daß Versuch Vorsatz voraussetzt, s. Corves Prot. SA V S. 1746; 2. Bericht SA BTDrucks. V/4095 S. 11; mit weit reichenden Konsequenzen (s. dazu hier Rdn. 31 ff) aA Herzberg MK Rdn. 36 ff; dem hier vertretenen Standpunkt zust. Roxin AT II § 29 Rdn. 3 ff; Tröndle/Fischer Rdn. 8. Wessels/Beulke Rdn. 601 setzen daher Vorstellung und „konkreten Tatvorsatz" gleich. Dessen besondere Bedeutung für die „Vorstellung" betonen zu Recht Becher S. 23; Jescheck/Weigend § 49 IV 2; Kühl JuS 1980 813; Schmidhäuser AT 15/69; vgl. auch BGHSt 35 6, 9; BGH GA 1955 123. Diese Funktionsbeschreibung findet sich bei Berz Jura 1984 511; Köhler S. 464; Kühl $ 15 Rdn. 45, 77 f; Lackner/Kühl Rdn. 4;
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2. Abschnitt. Die Tat
der Tatentschluss dies zum Deliktscharakter schon geleistet hat. Im Übrigen kann es so sein, dass der Täter schon sehr genaue Vorstellungen über den Ablauf einer erwogenen Tat hat, es am Tatentschluss aber noch fehlt, wie umgekehrt, dass der Tatentschluss bereits gegeben ist, es aber am konkreten Tatplan noch mangelt. Auch hieran zeigt sich, dass Tatentschluss und Vorstellung nicht das Gleiche sind. 91
Daher ist es auch unzulässig, aus dieser auf den objektiven Tatbestand des Versuchs bezogenen und beschränkten Bedeutung der „Vorstellung von der T a t " zu schließen, es sei beim Versuch auch für den Vorsatz allein auf die Vorstellung abzustellen. Diese neuere L e h r e 2 0 5 beruft sich jedenfalls zu Unrecht darauf, dass der Gesetzgeber den Begriff der Vorstellung beim Versuch bewusst an die Stelle des Vorsatzes gesetzt und damit die Irrtumsregelung des § 16 für § 2 2 dispensiert habe. Solche Erwägungen liegen dem Gesetz nicht zugrunde (wie hier Roxin AT II § 2 9 Rdn. 70). Der Gesetzgeber hat in Anlehnung an den Alternativentwurf auf die Aufnahme des Vorsatzes verzichtet, nicht weil er ihn durch die Vorstellung ersetzen, sondern weil er von der Benennung einer Selbstverständlichkeit absehen wollte, an die der Begriff der Vorstellung hinreichend gemahnt ( C o r v e s Prot. SA V S. 1745). Aber auch in der Sache lässt sich die Vorstellung von der Tat nicht als für den Vorsatz maßgeblich bezeichnen. Denn dass z.B. ein Tötungsentschluss gegeben ist, wenn der Täter sich bei einem (fehlgeschlagenen) Tötungsversuch durch Erhängen vorgestellt hat, das Opfer werde durch qualvolles Ersticken statt durch den in Wahrheit zu erwartenden Genickbruch sterben, liegt nicht an der Maßgeblichkeit seiner (irrigen) Vorstellung, sondern an der Unmaßgeblichkeit der Abweichung seiner Vorstellung von der zu prognostizierenden Wirklichkeit. Folglich entscheiden hier nicht anders als bei vollendeter Tat ausschließlich Irrtumsregeln (s. dazu schon oben Rdn. 33 f und Hillenkamp FS Roxin S. 7 0 6 f). 2 0 6
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bb) Teilverwirklichung des Tatbestandes. Während § 2 6 Abs. 2 E 1962 den Anfang der Ausführung noch wahlweise entweder in einer Handlung sah, „durch die der Täter mit der Verwirklichung des Tatbestandes beginnt" oder mit der er „unmittelbar dazu ansetzt", beschränkte sich § 2 4 AE auf die Alternative des unmittelbaren Ansetzens als „das für den Versuch erforderliche Minimum". Die Begründung, dass es sich bei dieser „Vereinfachung" von selbst verstehe, „dass auch derjenige einen Versuch begeht, der dieses Minimum überschreitet" (AE Begr. S. 61), machte sich der Reformgesetzgeber zueigen und verzichtete mit der „knapperen Formulierung" des AE auf die Erwähnung dessen, was „erst recht" einen Versuchsbeginn darstelle (BTDrucks. V/4095 S. 11; Corves Prot. SA V 1745). Hiermit ist einerseits der eine Teilverwirklichung des Tatbestandes als Versuchsminimum fordernden formell-objektiven Theorie eine Absage erteilt (s. Rdn. 4, 56). Andererseits wird aber aus der Einbeziehung des Vorstadiums geschlossen, dass mit dem Beginn schon der Tatbestandsverwirklichung im Sinne einer Teilverwirklichung des Tatbestandes die Grenze der Vorbereitung eindeutig und ausnahmslos überschritten werde. Das wird daraus gefolgert, dass der Täter in diesen Fällen „über das bloße Ansetzen schon hinausgelangt" (Jescheck/Weigend § 4 9 IV 4) und daher „mehr als von § 2 2 gefordert verwirklicht" sei ( K ü h l § 15 Rdn. 55). Während manche hiervon nur sprechen,
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Maurach/Gössel/Zipf A T / 2 § 4 0 Rdn. 4 3 ; Roxin JuS 1 9 7 9 1, 3; Stratenwerth 3. Aufl. Rdn. 6 7 6 ; Vogler L K 1 0 Rdn. 31 f; Wessels/ Beulke Rdn. 6 0 1 . Streng Z S t W 1 0 9 ( 1 9 9 7 ) 8 6 2 , 8 7 4 ff; ferner Herzberg JuS 1 9 9 9 2 2 4 f unter Berufung auf
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Schlehofer GA 1 9 9 2 313; Herzberg M K Rdn. 3 9 ff; ihm folgend C. Jung JA 2 0 0 6 2 2 9 ff. Hiergegen Herzberg M K Rdn. 4 2 ; im Sinne des Textes dagegen auch Roxin GA 2 0 0 3 267.
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Begriffsbestimmung
§22
wenn „mit der tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung selbst" 2 0 7 zumindest begonnen wurde, wollen andere die Verwirklichung eines (beliebigen) objektiven „Merkmals des Tatbestandes" ausreichen lassen. 208 Auch findet sich die beides einschließende Formulierung, das Versuchsstadium sei erreicht, „wenn der Tatbestand bereits zum Teil verwirklicht" sei (BGH NStZ 1997 31). Überwiegend wird dieses Ergebnis aus § 22 hergeleitet. Vertreten wird aber auch, dass die „Abgrenzungsformel des § 22" hier gar „nicht bemüht werden" müsse, weil in diesen Fällen schon „in objektiver Hinsicht zweifelsfrei ein Versuch" vorliege. 209 Zwar ist es verlockend, mit dieser Auffassung einen Kernbereich von der schwer lösbaren Abgrenzungsfrage 2 1 0 freizuhalten. Die damit vorgegebene Sicherheit ist aber nach Grund und Grenzen brüchig (zu Recht kritisch daher Burkhardt JuS 1983 426 und Küper J Z 1992 338, 343 ff). Zum ersten entspricht diese Lehre nicht dem Gesetz. Soweit sie von einem objektiv zweifelsfreien Versuch spricht, setzt sie die gesetzliche Vorgabe, dass auf die Vorstellung des Täters abzustellen ist, außer Kraft und benachteiligt damit den Täter, nach dessen Tatplan „sogar objektiv tatnahe Handlungen noch in die Vorbereitungszone" fallen (Roxin Einführung S. 16). Soweit sie den der „Vereinfachung" des Gesetzestextes zugrunde liegenden Schluss (s. Rdn. 92), dass alles, was nicht nur unmittelbares Ansetzen zur, sondern schon beginnende Tatbestandsverwirklichung ist, erst recht dem Mindestmaß genüge, in eine gesetzliche Anordnung umdeutet, im „engeren" Fall von einem objektiv zweifelsfreien Versuchsbeginn auszugehen, verkennt sie die Tragweite des bezeichneten Schlusses. Er sollte lediglich die alternative Auflistung, nicht aber die inhaltliche Überprüfung als entbehrlich erweisen, ob die beginnende Tatbestandsverwirklichung auf der Grundlage der Vorstellung des Täters vom weiteren Ablauf der Tat schon ein Versuchsbeginn ist. Zum zweiten ist die vermeintliche Sicherheit dieser Lösung jedenfalls dann trügerisch, wenn man die lediglich begonnene tatbestandliche Ausführungshandlung als hinreichenden Fall der Teilverwirklichung ansieht. Denn wann beispielsweise eine Tötungs- oder Sachzerstörungshandlung „beginnt", ist mit kaum geringeren Auslegungsproblemen behaftet, wie die Entscheidung, wann man zu diesen Tathandlungen unmittelbar ansetzt. Damit trifft diese Lehre die Kritik, die nicht nur die Enge, sondern auch die Unsicherheit der formell-objektiven Theorie rügte. 211 Zum dritten ist zu einem Abstellen auf die (Teil-)Verwirklichung der Tatbestandshandlung,
207
208
209
Jescheck/Weigend § 49 IV 4; ebenso Blei AT S. 224; Kühl % 15 Rdn. 20, 55; ders. JuS 1980 650; Puppe AT/2 S 35 Rdn. 40; Vogler LK 10 Rdn. 35; Vogler FS Stree/Wessels, 285, 297 f; Zaczyk S. 311; hierbei wird freilich nicht immer deutlich, ob die Tathandlung in bewusster Abgrenzung zu sonstigen Tatbestandsmerkmalen steht. OLG Bamberg NStZ 1982 247; Tröndle/ Fischer Rdn. 9 (im Widerspruch zu Rdn. 10); Meyer JuS 1977 19, 22. Berz Jura 1984 511, 512 und Ebert S. 121 nennen beides alternativ. So Kühl § 15 Rdn. 20 sowie OLG Bamberg NStZ 1982 247 im Anschluss an Meyer JuS 1977 19, 22, für den es auf die Vorstellungen des Täters hier nicht ankommen soll; nach Jescheck/Weigend § 49 IV 4 ist
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211
der Fall in § 22 nicht „ausdrücklich" erfasst; i.E. diesen Auffassungen folgend Murmann Versuchsunrecht S. 13 ff. Die Bockelmann J Z 1954 468, 469 für ebenso unlösbar hält wie die Frage danach, „wieviel Körner einen Haufen machen"; vgl. zum sog. Haufen-Paradox die Nachweise bei Merkel, in: Rechtsphilosophische Hefte VIII 1998 S.128 f. So zutr. Burkhardt JuS 1983 426, 4 2 7 unter Berufung auf die Kritik von Köhler Deutsches Strafrecht 1917 S. 445 und Hugo Meyer Der Anfang der Ausführung (1892), S. 19 f; dem zust. Roxin AT II § 29 Rdn. 111 ff; vgl. auch Busch LK 9 § 4 3 Rdn. 35 f; ferner Seier ZStW 102 (1990) 563, 585 f.
Thomas Hillenkamp
1513
§22
94
2 . Abschnitt. Die Tat
namentlich aber zur Einbeziehung auch der Verwirklichung anderer Merkmale des objektiven Tatbestandes bei mehraktigen und bei qualifizierten Delikten sowie beim Zusammentreffen mit Regelbeispielen ein solcher Strauß von Vorbehalten, Einschränkungen und Ausnahmen (s. dazu unten Rdn. 120 ff) zu finden, dass vom Dogma des ausnahmslosen Versuchsbeginns bei Teilverwirklichung nur wenig übrig bleibt. 212 Es ist infolgedessen vorzugswürdig, auch in Fällen der Teilverwirklichung des Tatbestandes die Kriterien der Ansatzformel zugrunde zu legen und danach zu fragen, ob nach der Vorstellung des Täters von der Tat zwischen der vorgenommenen Handlung und der eigentlichen (und vollständigen) Tatbestandshandlung keine wesentlichen Zwischenschritte mehr liegen und sich der dadurch eingetretene Zustand als unmittelbare Gefahr der Tatbestandsverwirklichung bezeichnen lässt (Rdn. 85; zur Konkretisierung s. Rdn. 96 ff). Verfährt man so, kann diese Voraussetzung wie sonst gegeben sein, „bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vorgenommen hat, sie kann (aber) andererseits - ausnahmsweise - (auch) fehlen, obwohl dies bereits geschehen ist". Letzteres ist nach der hiermit zitierten Entscheidung des BGH (St 31 178, 182) der Fall, „wenn der Täter damit noch nicht zu der die Strafbarkeit oder eine erhöhte Strafbarkeit - begründenden Rechtsverletzung angesetzt hat" (ebenso OLG Schleswig SchlHAnz 1987 101), 213 nach dem hier vertretenen Standpunkt, wenn es an der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung noch fehlt (insoweit übereinstimmend Herzberg MK Rdn. 159 ff, 163). Diese Maßgabe vermeidet nicht nur die Crux, „Ausnahmen" von einer vermeintlich zwingenden Regel als diese nicht in Frage stellende „Sonderfälle" auszugeben (s. dazu übereinst. Roxin AT II § 29 Rdn. 115 ff). Vielmehr kann sie vor allem auf die von nur geringer Überzeugungskraft getragenen Bemühungen verzichten, der Tatbestandsbeschreibung an sich „entsprechende" Verhaltensweisen allein deshalb als noch „tatbestandsunspezifisch" zu bezeichnen, weil die „zwingende" Regel gelten bleiben soll, dass die Vornahme der Tathandlung zum Versuchsbeginn führt. Von solchen Bemühungen zeugen vor allem Entscheidungen zum Betrug, die ausdrücklich an dem Grundsatz festhalten, dass mit der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals der Versuchsbeginn keiner weiteren Prüfung bedürfe, die aber dann aus dem selbstgezimmerten Prokrustesbett wieder aussteigen, indem sie Täuschungshandlungen als noch nicht „tatbestandsmäßig" ausgrenzen, weil sie nach der maßgeblichen Vorstellung des Täters noch nicht ausreichten, einen die schädigende Verfügung auslösenden Irrtum zu bewirken. 214 Diese Argumentation erreicht nur mit Mühe, was einleuchtender geht, nämlich selbst tatbestandsspezifische Teilverwirklichungshandlungen mit der hier vertretenen Formel dann nicht als Versuchsbeginn anzuerkennen, wenn es trotz schon erfolgter Täuschung noch weiterer (Täuschungs-)Zwischenschritte bedarf, um einen Irrtum hervorzurufen und damit die Gefahr der Tatbestandsverwirlichung auszulösen. Eben solche weiteren Täuschungsakte sind nötig, wenn der Täter die Deliktsbegehung nicht uno actu, sondern
212
Vgl. dazu ausführlich Burkhardt JuS 1 9 8 3 4 2 6 , 4 2 8 und Küper J Z 1 9 9 2 3 3 8 , 3 4 3 f m.w.N.
213
Zust. Küper J Z 1 9 9 2 3 3 8 , 3 4 5 ; Τröndlel Fischer Rdn. 10; dezidiert abl. Bloy J R 1 9 8 4 1 2 4 f; Vogler L K 1 0 Rdn. 3 5 a ; krit. auch Maaß JuS 1 9 8 4 2 5 , 2 8 .
214
So O L G Karlsruhe N J W 1 9 8 2 5 9 mit abl. Besprechung von Burkhardt JuS 1 9 8 3 4 2 6 und Krüger JA 1 9 8 4 2 3 f; BGHSt 3 7 2 9 4 mit abl. Bespr. von Küper J Z 1 9 9 2 3 3 8 ;
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B G H StV 2 0 0 1 2 7 2 ; B G H StV 2 0 0 3 4 4 4 , 4 4 5 ; krit. auch Geppert J K 91 StGB § 2 2 / 1 5 ; Pasker JA 1 9 9 1 3 4 1 f und Kienapfel J R 1 9 9 2 1 2 2 f, der empfiehlt, den Versuchsbeginn auf „beiden Ebenen" abzusichern; Seier Z S t W 1 0 2 ( 1 9 9 0 ) 5 6 3 , 5 8 7 will nur bei „genuin tatbestandsmäßiger" Täuschung die Teilverwirlichungsregel anwenden; der Rechtsprechung zust. Vogler FS Stree/Wessels, S. 2 8 5 , 2 9 7 ff; wie hier krit. Roxin AT II § 2 9 Rdn. 116 ff.
T h o m a s Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
„mehrstufig" inszeniert 2 1 5 und zum entscheidenden Täuschungsmanöver erst nach einer Phase der „Vertrauensanfütterung" ansetzt. Mit dem damit eingenommenen Standpunkt ist zwar die These ( Vogler L K 1 0 Rdn. 35, 35a) aufgegeben, dass die Teilverwirklichung zweifelsfrei und ausnahmslos den Versuchsbeginn begründet, nicht aber verleugnet, dass namentlich der Beginn oder gar Vollzug der Tatbestandshandlung in aller Regel zum Versuch des (Grund-)Tatbestandes führt. Wo daher nur die Indiz- oder Regelwirkung dieser Teilverwirklichung betont, für Ausnahmefälle aber Platz gelassen wird, ist der wichtigste Schritt in die hier verfolgte Richtung getan. 2 1 6 Auch kommt es dem nahe, wenn bei der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals für den Versuchsbeginn zusätzlich verlangt wird, dass „zugleich auch zur Verwirklichung aller anderen Tatbestandsmerkmale unmittelbar angesetzt" (Rudolpbi SK Rdn. 7a), das „Ansetzen bereits auf die Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale gerichtet sein" (Sch/Schröder/Eser Rdn. 37) und dass sich deshalb das bereits Vollzogene als Ansetzen zum „gesamten T a t b e s t a n d " 2 1 7 verstehen lassen muss. Gegenüber diesen Formulierungen ist aber Klarstellung und Präzisierung geboten.
95
cc) Bedeutung der „Verwirklichung des Tatbestandes". Diese Präzisierung ergibt sich aus den zur Teilverwirklichung gewonnenen Einsichten. Sie machen deutlich, dass sich hinter der „Verwirklichung des Tatbestandes" ein zweifacher Sinn verbirgt. 2 1 8 Zum einen ist die Tätigkeit bezeichnet, mit der der Täter die Tatbestandsverwirklichung betreibt und die der im Tatbestand beschriebenen oder vorausgesetzten Tathandlung entspricht. Zum anderen lässt sich „Verwirklichung" aber auch als Ende und Ergebnis der finalen Tätigkeit, als Erfüllung und Vollendung des Tatbestandes begreifen. Hierzu ist nun zwar richtig, dass sich das unmittelbare Ansetzen sprachlich besser mit der ersten als mit der zweiten Bedeutung verknüpft, können Vollendung und Erfolg doch nicht gleich gut „beginnen", wie die auf sie gerichtete Tat. M a n wird deshalb das unmittelbare Ansetzen in erster Linie auf die Tathandlung beziehen. Wie die Lösung zu den Teilverwirklichungsfällen schon zeigt, verliert aber die im unmittelbaren Ansetzen vorausgesetzte Nähe zur Verwirklichung des Tatbestandes ihre Bedeutung auch für die zweite Sinngebung dieses
96
215
Kienapfel J R 1992 122; ein weiterer Fall einer solchen „mehraktigen Täuschungshandlung" findet sich in OLG Zweibrücken J R 1989 390, in dem es entgegen dem OLG nach Vornahme der ersten Täuschungshandlung aber nicht (nur) um die Frage eines beendeten oder unbeendeten Versuchs, sondern sehr wohl zuvor schon um eine Abgrenzung zur bloßen Vorbereitung ging, vgl. dazu Seier ZStW 102 (1990) 563, 584 ff; vgl. ferner den von Burkhardt JuS 1982 426, 428 für die These, daß trotz begonnener Täuschungshandlung noch kein Versuch vorliegen muss, in Anspruch genommenen Fall des BayObLG St. 9 65, in dem das Gericht eine Irrtumserregung für Versuchsbeginn nicht ausreichen lässt, wenn sich die Tatbestandsverwirklichung nicht in ununterbrochener zeitlicher Folge anschließen soll. Das Gericht zweifelt hier allerdings dann auch schon am nötigen endgültigen Tatentschluß (aaO S. 70).
216
Vgl. hierfür z.B. Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 50; B m : Jura 1984 511, 512;
Kratzsch JA 1983 578, 585; Lackner/Kühl § 22 Rdn. 3; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 17 f; R. Schmidt Rdn. 673; Wessels/Beulke Rdn. 599.
217
Von „ganzem" oder „gesamtem" Tatbestand sprechen in diesem Zusammenhang z.B. Berz Jura 1984 511, 512; Burkhardt JuS
1983 426, 429; Kratzsch JA 1983 578, 585;
218
Jakobs 25/70; Seier ZStW 102 (1990) 563, 590; krit. zu diesen Formulierungen unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Tatverwirklichungsthese Küper J Z 1992 338, 344; Zaczyk NK Rdn. 52 mahnt zu Recht eine Konkretisierung des Begriffs „Gesamttatbestand" an. Vgl. dazu schon Becher S. 28 ff; Senf GS 67 (1906) 245, 253.
Thomas Hillenkamp
1515
§22
2. Abschnitt. Die Tat
Verwirklichungsmerkmales n i c h t ; 2 1 9 denn hiernach muss sich mit dem Beginnen der Tathandlung schon die Gefahr der weiteren Verwirklichung des Tatbestandes bis hin zur Vollendung verbinden. Letzteres ist zwar nicht - wie es zur Teilverwirklichung verbreitet geschieht (s. R d n . 9 5 ) - mit einem unmittelbaren Ansetzen zu allen und damit auch den Vollendung bewirkenden Tatbestandsmerkmalen gleichzusetzen; denn mit einem solchen Ansetzen zum gesamten (zum vollständigen) Tatbestand wird der Ausschnitt des Versuchsbereichs ersichtlich zu e n g . 2 2 0 Es ist aber zu verlangen, dass sich die Verwirklichung des (Gesamt-)Tatbestandes als nahe Folge des Ansetzens zur Tathandlung schon abzeichnet und ihr Eintritt nach dem geplanten Ablauf der Tat wahrscheinlich, und das heißt nicht mehr erheblicher Unsicherheit ausgesetzt ist (s. näher dazu R d n . 110 ff). 97
Diese dem doppelten Bedeutungsgehalt der Tatbestandsverwirklichung R e c h n u n g tragende Differenzierung verleiht der hier vorgeschlagenen Formel (Rdn. 85) ihre eigentliche Grundlage. A u f ihr lassen sich das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandshandlung und die dadurch hervorgebrachte Vollendungsgefahr voneinander abschichten und die Sachgründe, die den Versuchsbeginn unter den beiden unterschiedlichen Blickwinkeln stützen, dem jeweiligen Bezugspunkt zuordnen. W ä h r e n d die Handlungsunmittelbarkeit im Sinne der Z w i s c h e n a k t s l e h r e das Ansetzen zur Tathandlung maßgeblich bestimmt (s. näher R d n . 1 0 3 ff), k o m m e n Kriterien des „ungestörten F o r t g a n g s " , des „unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Z u s a m m e n h a n g s " und der Herstellung einer „tätigen Beziehung zum Angriffsgegenstand" jedenfalls dann vornehmlich für die Bestimmung der Verwirklichungsgefahr in B e t r a c h t , wenn mit ihnen - wie das zumeist geschieht - die Voraussetzung beschrieben wird, dass die „ H e r b e i f ü h r u n g " des v o m Gesetz missbilligten „Enderfolges" in unmittelbarem Anschluss an die entfaltete Tätigkeit „ n a h e g e r ü c k t " sein müsse ( B G H S t 2 3 8 0 ; 2 2 8 0 ; s. näher R d n . 110 ff).
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In der Rechtsprechung wird (wie in der Lehre) in solcher Klarheit bislang nicht unterschieden. Z w a r beschränken sich einige Entscheidungen d a r a u f , den durch § 2 2 gewährten „ G e w i n n an R e c h t s s i c h e r h e i t " in der „strikten A n k n ü p f u n g des Unmittelbarkeitserfordernisses an die tatbestandsmäßige H a n d l u n g " zu sehen und heben daher nur darauf a b , o b zur „tatbestandsmäßigen Angriffshandlung" angesetzt war (so B G H S t 2 6 2 0 1 , 2 0 3 f ) . 2 2 1 Auch betonen andere Entscheidungen namentlich dann, wenn für den Versuchsbeginn eine Rechtsgutsgefährdung vorausgesetzt wird, dass der „Enderfolg n a h e g e r ü c k t " ( O L G K o b l e n z V R S 5 5 4 2 8 ; O L G Oldenburg S t V 1 9 8 3 5 0 6 ) , zur „Herbeiführung des (Vereitelungs-)Erfolges u n m i t t e l b a r " angesetzt ( H a n s O L G Bremen J R 1 9 8 1 4 7 4 ) und in diesem Sinne die „TatbestandsVerwirklichung" ( B G H N S t Z 1 9 8 9 4 7 3 ) schon im R ä u m e oder alles getan sein müsse, was nach der Vorstellung des Täters „ohne weiteres in die Vollendung des Tatbestandes einmünden w ü r d e " ( O L G K ö l n S t V 2 0 0 3 15, 16 f). In der überwiegenden Zahl der Judikate wird aber der in den zitierten Urteilen zwar anzutreffende, aber offenbar gar nicht als unterschiedlich empfundene Bezugspunkt der A r g u m e n t a t i o n von vornherein eingeebnet, wenn in der üblich gewordenen Aneinanderreihung der Grenzbestimmung zwischen Vorbereitung und Versuch weitgehend
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220
Becher S. 30 und Senf GS 67 (1906) 253 beschränken den Bezugspunkt des Ansetzens auf die Tathandlung; ebenso Kühl JuS 1980 508; Rath JuS 1998 1107. Alle vorangehenden Grade des Ansetzens und der Teilverwirklichung werden dann für den Versuchsbeginn irrelevant, vgl. Küper J Z 1992 344.
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Vgl. auch BGHSt 35 6, 8 (Einmünden in die „tatbestandliche Ausführungshandlung" ) und BGH NJW 1993 133 f (Vornahme von Handlungen, die „in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden").
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
ununterschieden einerseits von Handlungen die Rede ist, „die der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden" und andererseits im gleichen Atemzuge ein Ansetzen „zum tatbestandsmäßigen Angriff in der Weise" verlangt wird, dass das „Tun ohne Zwischenakt in die Tatbestandserfüllung übergeht", weil dem unmittelbaren Einmünden der „Handlungen in die Tatbestandsverwirklichung entscheidende Bedeutung" zukomme ( O L G H a m m StV 1 9 9 7 2 4 2 ; ähnlich B G H N S t Z 1987 2 0 ; B G H N S t Z 1993 3 9 8 ) . Unter solche untereinander unverbundene, scheinbar das Gleiche meinende und daher gleichsam zur Wahl stehende Obersätze wirkt die Subsumtion oft rein ergebnisorientiert und in der Auswahl des Ausschlaggebenden beliebig. Trennt man dagegen die Obersätze unter dem Blickwinkel der beiden Bedeutungen der „Verwirklichung des Tatbestandes" ganz bewusst in die Beschreibung des unmittelbaren Ansetzens zur Tathandlung und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung und verlangt, dass sich das eine aus dem anderen ergibt, ist neben der Sachangemessenheit dieser Differenzierung ein Zugewinn an Bestimmtheit, Auslegungssicherheit und Überprüfbarkeit zu erwarten. dd) Folgerungen für eine modifizierte Zwischenaktslehre. Mit dem auf der subjektiven Beurteilungsgrundlage (s. Rdn. 87 ff) zu ermittelnden Kriterium des unmittelbaren Ansetzens zur Tathandlung ist die sog. Handlungsunmittelbarkeit (Kühl JuS 1 9 8 0 6 5 0 ; ders. § 15 Rdn. 55) gemeint. Sie setzt voraus, dass zwischen der zu beurteilenden Handlung und der eigentlichen Tatbestandsausführungshandlung keine weiteren (Teil-)Akte mehr liegen, positiv gewendet, dass die vorgenommene Handlung unmittelbar in die Tathandlung einmündet oder diese schon (teilweise) ist. Sind dagegen nach dem Täterplan noch weitere Handlungen vorzunehmen, bevor die tatbestandlich beschriebene Handlung einsetzt, so fehlt es an der Handlungsunmittelbarkeit und es liegt nur eine Vorbereitungshandlung vor. Auf das Ansetzen zur Tathandlung bezogen gilt demnach die sog. Teil- oder Zwischenaktslehre mit der von ihrer geläufigen Formulierung (s. Rdn. 65 f) abweichenden Maßgabe, dass es nicht um den letzten Akt vor der (oder um die) Verwirklichung eines (beliebigen) Tatbestandsmerkmals (so in der Formulierung Maurachs AT 4. Aufl. S. 4 9 9 ) oder der Tatbestandserfüllung im ganzen, sondern um den letzten Akt vor der (oder um die) tatbestandliche(n) Ausführungshandlung geht (so deutlich BGHSt 2 6 201, 2 0 3 ) . Von diesem Stadium der Handlungsunmittelbarkeit ist nach der an § 2 4 AE angelehnten vereinfachenden Formulierung (s. Rdn. 93) des § 2 2 naturgemäß auszugehen, wenn die Tathandlung schon vollzogen wurde wie auch dann, wenn sie schon begonnen ist ( K ü h l § 15 Rdn. 56),222 aber eben - erweiternd - auch dann, wenn sie unmittelbar als nächster Teilschritt bevorsteht.
99
Dass die Vorbereitungsphase erst mit dem Erreichen dieses Stadiums der Handlungsunmittelbarkeit verlassen ist, ist die Regel. Dass sie ausnahmslos gilt, setzt voraus, dass man von der bislang (Rdn. 99) „formal" beschriebenen Handlungsunmittelbarkeit auch dann ausgeht, wenn Zwischenakte wie das Entsichern und Anlegen (RGSt 6 8 3 3 9 ) oder das Spannen des Hahnes der Waffe (RGSt 5 9 386) noch ausstehen, die ungestörte und nahe Vollendung aber nicht mehr maßgeblich hindern; anders ausgedrückt, wenn nach dem gleichfalls auf der subjektiven Beurteilungsgrundlage (s. Rdn. 8 7 ff) zu ermittelnden Kriterium der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung die Handlungsunmittelbarkeit trotz noch ausstehender, aber unter dem Blickwinkel dieser Gefahr zu vernachlässigender Zwischenakte schon (ausnahmsweise) hergestellt ist. Die Ausblendung für die Erfolgsver-
100
222
Richtigerweise daher auch in den zu Rdn. 9 4 Fn. 2 1 4 zitierten Betrugsentscheidungen.
Thomas Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
wirklichung an sich unentbehrlicher Zwischenakte geschieht auf diesem Hintergrund nicht allein mit dem in solchen Fällen oft wenig einleuchtenden (s. krit. daher Otto JK 92 StGB § 22/15) Verweis auf die Notwendigkeit, vermeintlich „unwesentliche" Zwischenakte zur Bannung der Gefahr „atomisierender Betrachtung" (Oetker GS 88 86, 89) zu einer „entscheidenden Handlungsphase" zusammenzuziehen. 2 2 3 Vielmehr findet sie ihre eigentliche Berechtigung in der normativen Wertung, dass selbst deutlich ausmachbare und für das Tatgelingen unverzichtbare Zwischenakte unter engen Voraussetzungen nicht nur dem Beginn der Tathandlung, sondern auch der schon eingetretenen (Höchst-) Gefahr der Tatverwirklichung nicht mehr im Wege stehen (s. näher hierzu Rdn. 112 f). 101
Dass die Vorbereitungsphase schon mit dem Erreichen der so (Rdn. 99, 100) bestimmten Handlungsunmittelbarkeit verlassen ist, ist gleichfalls die Regel. An ihrer versuchsbegründenden Wirkung kann es aber ausnahmsweise fehlen, wenn es trotz unmittelbar bevorstehender, schon teilweise vollzogener oder sogar vollständiger Tathandlung an der für den Versuchsbeginn noch notwendigen, auf der subjektiven Beurteilungsgrundlage (s. Rdn. 87 ff) zu ermittelnden Gefahr der Tatbestandsverwirklichung noch gebricht (s. näher hierzu Rdn. 114 f). 2 2 4
102
Mit diesen Aussagen wird eine mittlere Linie beschritten. Einerseits wird nicht eine so unmittelbare Bindung der das vorbereitende Stadium überschreitenden Handlung an die Tatbestandsausführungshandlung gefordert, dass nur diejenige Tätigkeit in den Versuchsbereich fällt, die nach natürlicher Auffassung schon einen Bestandteil der Tatbestandshandlung bildet. 2 2 5 Andererseits werden Handlungen aus dem Versuchsbereich ausgeschlossen, die auf dem Wege zur Tatbestandsverwirklichung noch nicht den kritischen Punkt (des ,Jetzt-geht-es-Los' oder der ,Feuerprobe', s. zur Vereinbarkeit dieser Kriterien mit der Zwischenaktslehre Rdn. 67) erreicht haben, in dem ihre Fortführung in die Tathandlung einmündet und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung auslöst. Mit ihrem Festhalten am Ausgangspunkt der Teilaktsdoktrin und den Modifikationen durch das Element der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung kann diese modifizierte Zwischenaktslehre dem Vorwurf begegnen, sie sei beim Ausstehen weiterer Teilakte zu eng oder zerlege ein fließendes Geschehen durch beliebige Zäsuren. 2 2 6
103
ee) Handlungsunmittelbarkeit. Verwendet das Gesetz für die Beschreibung der Tatbestandshandlung eine klar abgrenzbare und sinnfällige Bezeichnung, begegnet die Feststellung der Handlungsunmittelbarkeit im allgemeinen keinen größeren Schwierigkeiten, da dann schon der Sprachgebrauch ergibt, ob der Täter mit dem nächsten Schritt in die Tathandlung eintritt. In der Praxis wird hierzu daher vielfach richtig entschieden. Freilich gibt es auch Grenzfälle und Fehlentscheidungen, von denen nicht nur der Bereich weniger genau beschriebener Tathandlungen betroffen ist. Nach der Definition der Hand223
224
225
226
Vgl. dazu z.B. Becher S. 32, 34 ff; Kühl § 15 Rdn. 60. Wie in den in Rdn. 94 erörterten Betrugsfällen; zur Begründung s. dort, Rdn. 108 und Rdn. 115. So der Ansatz von Rudolphi SK Rdn. 13; der Sache nach auch Vogler LK 10 Rdn. 60; vgl. auch BGH NJW 1980 1759. Beide Vorwürfe sind von Roxin JuS 1979 4 gegen die bisherige Zwischenaktslehre erhoben worden; in dem von ihm für eine zu große Enge gebildeten Beispiel, in dem Mordversuch vorliegen soll, wenn ein
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Attentäter den Leibwächter erschießt, um dadurch ungestört den Bewachten zu ermorden, bliebe es allerdings auch nach der hier vertretenen Lehre bei bloßer Vorbereitung, wenn - wie es Roxin voraussetzt - der Bewachte anschließend zunächst noch „aus seiner Deckung" gerissen werden und die Waffe auch erst noch auf ihn angelegt werden müsste. Dann sind diese Zwischenschritte noch wichtige Akte, die die Vollendungsgefahr erst noch vermitteln, abl. auch Vogler LK 10 Rdn. 40.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
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lungsunmittelbarkeit (Rdn. 99) ist das wörtliche Angebot, Falschgeld zu liefern, das sich der Täter selbst noch beschaffen muss, noch nicht der letzte Teilakt vor dem durch Entlassung aus dem (hier noch gar nicht begründeten) Gewahrsam zu bewirkenden Inverkehrbringen (BGH StV 1987 101 zu § 146 Abs. 1 Nr. 1; BGH NStZ 2003, 423 zu § 147). Um einen solchen handelt es sich auch nicht beim Aufgeben von Briefen zur Post, deren präparierte Wertzeichen vom Empfänger an den Absender erst noch zurückgeschickt, vom Entwertungsstempel befreit und erst dann als gültig verwendet (§ 148 Abs. 2) werden sollten (unzutreffend daher OLG Koblenz NJW 1983 1625; s. dazu Küper NJW 1984 777). Gleichfalls dürfte es entgegen BGH NStZ-RR 2 0 0 4 4 0 an einem Versuch der Gründung einer terroristischen Vereinigung noch mangeln, wenn der Täter bislang eine Person mit dem konkreten Ansinnen, diese als Mitglied der zu gründenden Vereinigung zu gewinnen, nur angesprochen hat. Bei der Vornahme sexueller Handlungen an einem Kind kommt es darauf an, ob der mit dem Kind am Tatort angelangte Täter - wie stets nach seiner (Ablaufs-)Vorstellung von der Tat (s. Rdn. 88) - unmittelbar zur Vornahme übergehen, oder ob er das Kind hier erst durch Überredung zum „freiwilligen" Mitmachen „verführen" will (BGHSt 35 6, 8 f mit dem zutreffenden Hinweis darauf, dass der Versuch des Bestimmens nach § 176 Abs. 2 früher beginnen kann). Möglicherweise zum Diebstahl, nicht aber zum „sexuell geprägten Zwangsverhalten" des § 177 Abs. 1 setzt unmittelbar an, wer ein Kellerfenster aufzustemmen sucht, um im Haus Geld zu stehlen und das dort schlafende Opfer zu vergewaltigen (BGH NStZ 2 0 0 0 418 mit krit. Anm. Beilay NStZ 2 0 0 0 591). Entgegen BGH StV 1999 593 steht das Bemächtigen/Entführen nach § 239a Abs. 1 jedenfalls dann unmittelbar bevor, wenn die Täter an der Tür des Opfers klingeln, um es nach dem Öffnen unverzüglich in ihre Gewalt zu bringen. Dass sie die Ausführung von der äußeren Bedingung abhängig machen, dass das Opfer ohne sein Kleinkind erscheint, ändert nichts an der Tatentschlossenheit (s. Rdn. 44 ff, 51; eines weiteren „Willensimpulses" bedurfte es daher insoweit nicht, s. dazu Jäger NStZ 2 0 0 0 415; Kudlich JuS 2005 187; Roxin AT II § 29 Rdn. 154) und auch nichts daran, dass der nächste Schritt (nicht anders als im zutreffend entschiedenen Tankstellen-Fall BGHSt 26 201) der Beginn der Tathandlung sein sollte (allein hierauf abstellend Herzberg MK Rdn. 103). Hieran fehlt es andererseits, wenn die Täter dem Entführungsopfer auflauern oder hinter ihm herfahren, zwar nicht, weil es zum erwarteten Anhalten und Aussteigen des Opfers aus seinem Pkw nicht kommt, wohl aber, weil die Täter ihr Versteck bzw. ihr Auto bei einem Anhalten noch verlassen und sich dem Opfer nähern mussten, bevor sie zum Bemächtigen übergehen konnten (anders für die zweite Variante BGH NStZ 1997 83). Zur Täuschung einer Versicherung setzt noch nicht an, wer die versicherte Sache mutwillig beschädigt (OLG München wistra 2 0 0 6 436). Beim Eingehungsbetrug (§ 263) ist die Sondierung der Vertragsbereitschaft noch Vorbereitung, das von Täuschung begleitete Vertragsangebot in der Vorstellung, der Verhandlungspartner werde es möglicherweise annehmen, dagegen Versuch (BGH NStZ 1997 31). Deutliche Zwischenschritte sind noch erforderlich, wenn der Täter von gefälschten Postsparbüchern Beträge abheben will, über die Einrichtung solcher Sparbücher mit geringem Einzahlungsbetrag und unter falschem Namen aber noch nicht hinausgekommen ist (BGH wistra 1984 142). Im Falle der beabsichtigten Täuschung eines Kreditgebers durch eine nicht vorhandene Sicherheiten vorspiegelnde Erklärung vermisst BGH StV 2 0 0 3 445, 446 zu Recht noch wesentliche Zwischenschritte, weil die Erklärung ein vereinbartes Überprüfungsverfahren noch nicht durchlaufen und deshalb auch noch nicht die kreditgebende Bank erreicht hatte. Den Versuch eines Prozessbetruges kann man, da damit auf das Vorstellungsbild des Gerichts bereits eingewirkt wird, auch dann schon in der Einreichung der den unwahren Vortrag enthaltenden Antragsschrift sehen, wenn die Einwirkung in der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit einer Zeugenbenennung fortge-
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2. Abschnitt. Die Tat
setzt werden soll (OLG Köln NJW-RR 2003 507, 508; Tiedemann LK 11 § 263 Rdn. 279; enger Kretscbmer GA 2004 475 ff). Bei einer E-mail-Werbung durch einen sog. Spammer, die für einen Dialer wirbt, hängt der Versuchsbeginn nach §§ 263, 263a von der Ausgestaltung der E-mail ab (Frank CR 2004 127 f). Zum Herstellen einer unechten Urkunde (§ 267 Abs. 1) setzt unmittelbar an, wer in die bereits mit dem Siegel und der Unterschrift eines zuständigen Beamten versehenen Führerscheinformulare nur noch Personalien und Lichtbild einzufügen braucht (BGH Holtz M D R 1978 625), nicht aber, wer zu ähnlich vorpräparierten Kraftfahrzeugscheinen und -briefen erst noch die dazugehörigen Autos stehlen muss (OLG Koblenz VRS 55 428). Für ein unmittelbares Ansetzen zur Wegnahme beim Diebstahl (§ 242) von Pkws reicht das Rütteln an den Vorderrädern ebensowenig aus (aA BGHSt 22 80; Roxin JuS 1979 6) wie das Anfertigen von Zündschlüsselkopien und das Erfragen des Standorts der Fahrzeuge beim Halter, solange sich der Täter noch nicht einmal auf den Weg zu den Fahrzeugen begeben hat (BGHSt 28 162). Auch ist die Entwendung des Tankschlosses zur Herstellung eines Nachschlüssels selbst dann durch zunächst diesen Akt und die Rückkehr zum Fahrzeug von der Wegnahme des Pkws noch so deutlich entfernt, dass selbst bei einem zügig vorgestellten Ablauf noch kein Versuch vorliegt (anders für diese Variante des Diebstahls nach der „Tankdeckelmethode" BGH StV 1992 62). Wer mit einer fahrbaren Einbruchswerkstatt oder einer Zugmaschine zum Tatort fährt, dort aber noch eine Zigarettenpause einlegt oder die abzuschleppenden Container erst einmal auf brauchbare Inhalte inspiziert, bereitet den Diebstahl noch vor (BGH NStZ 1989 473; OLG Oldenburg StV 1983 506). Zum Raub setzt sicher an, wer an der Wohnungstür des Tankstellenpächters maskiert und mit der Waffe in der Hand klingelt, um nach dem erwarteten (dazu, dass es allein darauf ankommt s. Rdn. 89) Öffnen den Pächter sogleich mit der Waffe zu bedrohen, zu fesseln und zur Duldung der Wegnahme zu nötigen (BGHSt 26 201), ebenso sicher aber nicht, wer sich noch auf dem Treppenabsatz vor der Klingel des Raubopfers befindet und nach dem Öffnen das Opfer auch zunächst in ein Gespräch zu verwickeln beabsichtigt, bevor er es notfalls mit Chloroform betäuben und ausrauben will (mustergültig hierzu OLG Hamm StV 1997 242). Ähnlich wie im „Lichthupen-Fall" (BGH Holtz MDR 1977 807), in dem der BGH die noch ausstehenden Zwischenschritte übergeht (s. hierzu Kühl JuS 1980 652; Küper J Z 1979 777) und daher unzutreffend von einem Raubversuch ausgeht, mussten auch im Reifennagel-Fall (entgegen BGH NJW 1980 1759) die Täter, die bislang nur einen Nagel in den Reifen des Fahrzeugs des Kassenboten getrieben hatten, nach ihrer Vorstellung auf das Erscheinen des Boten noch warten, ihm hinterherfahren, bei der eintretenden Reifenpanne selbst anhalten, das Fahrzeug verlassen und auf den Boten zugehen und konnten erst dann zur Tathandlung schreiten. Von Handlungsunmittelbarkeit kann daher beim Treiben des Nagels in den Reifen noch keine Rede sein (i.E. ebenso Roxin AT II § 29 Rdn. 165). Richtig erkannt ist dagegen, dass noch „erhebliche Zwischenschritte" fehlen, wenn die zum Überfall auf eine Bank am Montagmorgen entschlossenen Täter am Sonntagabend in die Bankräume eindringen wollen, um sich dort zu verbergen, davon aber absehen, als sie Spuren entdecken, die darauf hinweisen, dass ihre zuvor schon getroffenen Vorbereitungen im Vorraum der Bank entdeckt worden sind (BGH NStZ 2004 38, 39). Beim Führen eines Fahrzeugs nach § 315c wird man nach den Maßstäben von BGHSt 35 390 (wo es um die Abgrenzung zur Vollendung geht, s. Rdn. 12) für ein unmittelbares Ansetzen verlangen müssen, dass der Fahrzeugführer das Fahrzeug in der Vorstellung bestiegen hat, es sogleich anzulassen und loszufahren. 104
Schwieriger wird es, wenn die Tatbestandshandlung nur nach dem herbeizuführenden Erfolg bezeichnet wird („töten", „an der Gesundheit schädigen" etc.), so dass alle möglichen Tätigkeiten, die den Erfolg nach sich ziehen können, in Betracht kommen. Be-
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stehen auch sie aus mehreren Akten, von denen jeder nach der Vorstellung des Täters die Vorstufe des nachfolgenden bildet, so kann auch hier zweifelhaft werden, wo die Zäsur zwischen Vorbereitung und Versuchsbeginn verläuft. Bei solchen nicht handlungstypisierten Tatbeständen wird man bei der Präzisierung der Ansatzformel auf die Handlung abzustellen haben, die nach der Vorstellung des Täters den Erfolg herbeiführen soll, also z.B. auf das Schießen, Stechen oder Schlagen als Tötungs- oder Körperverletzungshandlung, das Setzen einer Spritze beim Schwangerschaftsabbruch oder das Besorgen eines Fluchtautos oder eine Falschaussage als die den Strafvereitelungserfolg herbeiführende Handlung. Erst nach diesem Gedankenschritt (entgegen M.-K. Meyer nicht aber mit ihm zugleich) kann auf der mit ihm gewonnenen Grundlage entschieden werden, ob das Täterverhalten der letzte Teilakt vor dem Beginn dieser „Tathandlung" ist (s. Kühl JuS 1980 508; Vogler LK 1 0 Rdn. 65; ähnlich Frister Rdn. 23/27). Hiernach kann bei einem Tötungsvorhaben durch Erschießen das Eindringen mit schussbereiter Waffe in den Raum, in dem der Täter das Opfer vermutet, die nötige Handlungsunmittelbarkeit herstellen, wenn beim Antreffen des Opfers sofort geschossen werden soll (BGH NStZ 1987 20). Will sich bei sonst gleichen Voraussetzungen der Täter nach dem Eindringen aber noch eine „weitere Klärung der Lage" in dem Sinne vorbehalten, dass bestimmte Personen nicht anwesend und die Umstände geeignet sind, die Tötung als Selbstmord erscheinen zu lassen, ist das Versuchsstadium noch nicht erreicht (BGH NStZ 1993 398). Das gilt auch dann, wenn der an der Eingangstür eines Mehrfamilienhauses klingelnde Täter zur Wohnungstür noch vordringen, sich dort Eingang verschaffen und die Waffe noch aus dem Hosenbund ziehen muss (BGH StV 1984 420; Roxin AT II § 29 Rdn. 151, der diesen Fall zu den von ihm sog. Annäherungsfällen zählt). Entgegen BGH NStZ-RR 1998 203 liegt es bei einem Tötungsvorhaben durch Erschlagen nicht anders, wenn der mit einem Axtstiel bewaffnete Täter die Treppe zum Obergeschoß noch nehmen und in das Schlafzimmer noch eindringen muss, in dem das Opfer schläft. Ganz sicher befindet sich noch im Stadium der Vorbereitung, wer sein Opfer beim ersten Angriff nur verteidigungsunfähig machen und die Tötungshandlung erst nach einem genau geplanten mehraktigen Geschehensablauf in größerem örtlichen und zeitlichen Abstand ausführen will. Dies gilt zumal dann, wenn sich unter den noch vorgesehenen Handlungsschritten auch solche befinden, die in keinem inneren Zusammenhang mit der Tötung stehen und durch den vorherigen Tod des Tatopfers sogar vereitelt würden. Dass der BGH dieses eigentlich als selbstverständlich anzusehende Ergebnis mit großer Gründlichkeit untermauert, hat seine Ursache vermutlich weniger in Zweifeln hieran, als in der für den Angeklagten in diesem Fall aus anderen Gründen überragenden Bedeutung dieser Frage (BGH J R 2 0 0 2 381 mit zust. Anm. Jäger), mag sich aber auch daraus erklären, dass bei Zugrundelegung des Gefährdungsgedankens die Ausschaltung der Verteidigungsmöglichkeiten einen Versuch schon eher nahelegt (zu Recht abl. aber auch insoweit BGH aaO; s. dazu auch Gaede JuS 2 0 0 2 1058, 1061). Andererseits ist Handlungsunmittelbarkeit gegeben, wenn bei einem Körperverletzungsversuch durch Schießen der Täter die geladene Waffe bereits gezogen, entsichert und auf das Opfer gerichtet hat. Das „Krümmen des Fingers am Abzugshebel" als zweifelsfreies Beginnen des Schießens muss dann nicht abgewartet werden (zutr. gegen diese engere Auffassung des GBA daher BGH NStZ 1993 133). Wohl aber muss die Möglichkeit, die ausersehenen Opfer zu ergreifen, um sie verprügeln zu können, abgewartet werden, wenn die Täter Brandflaschen in ein Lokal werfen, um die in ihm befindlichen Gäste den Tätern in die Arme zu treiben (aA BGH NStZ 2 0 0 0 422). Bei einer Strafvereitelung durch Falschaussage ist deren Absprache und Zusage für den Zeugen noch Vorbereitung. Handlungsunmittelbarkeit tritt erst in der Vernehmungssituation ein. Das gilt auch dann, wenn der Zeuge in einem Brief die Aussage schon niedergelegt und hierdurch das Gericht veranlasst hat, dem auf den Brief gestützten Beweisantrag der
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Verteidigerin zu entsprechen (der von O L G Karlsruhe M D R 1993 368 gleichwohl angenommene Vereitelungsversuch lässt sich daher nur auf die schon eingetretene Gefahr der Tatbestandsverwirklichung stützen, s. dazu Rdn. 113). Dass auch für den Verteidiger die Versuchsgrenze erst mit „dem Beginn der falschen Zeugenaussage" überschritten ist (so noch BGHSt 31 10; H a n s O L G Bremen J R 1981 4 7 4 ; krit. hierzu Beulke NStZ 1982 330), hat die Rechtsprechung dahin korrigiert, dass schon die Benennung eines „präparierten" Zeugen (BGH StV 1987 195), von dessen bestehen bleibender Bereitschaft zur Falschaussage der Verteidiger aufgrund konkreter Anhaltspunkte ausgehen kann (deutlich hierzu O L G Frankfurt StV 1992 3 6 0 , 362; s. auch O L G Frankfurt a.M. N S t Z - R R 2 0 0 3 238), diese Feststellung rechtfertige (BGH N J W 1983 2712; O L G Köln StV 2 0 0 3 15, 16 f). Das ist aber nur dann richtig, wenn die in diesen Fällen unbestreitbare Handlungsunmittelbarkeit - ein weiterer Zwischenakt des Verteidigers steht nicht mehr aus die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung schon ausgelöst hat (s. dazu Rdn. 115). Von beidem ist sicher nicht zu sprechen, wenn ein Verteidiger einen Zeugen zur Falschaussage zwar auffordert, von diesem aber keine Zusage erhält und daher seine Vernehmung auch nicht beantragt (KG J R 1984 2 5 0 ) . 105
Bleibt man sich der vom Regelfall abweichenden Möglichkeit bewusst, dass trotz noch ausstehender Teilakte das Vorbereitungsstadium ausnahmsweise schon überschritten sein kann, wenn die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung schon gegeben ist (s. Rdn. 100), lassen sich im Hinblick namentlich auf umsichtiger geplante Straftaten prägende Entwicklungsphasen verallgemeinernd Handlungsschritte benennen, denen es an der erforderlichen Handlungsunmittelbarkeit noch gebricht und die daher typischerweise Vorbereitungshandlungen darstellen (s. Roxin AT II § 2 9 Rdn. 1 7 3 - 1 7 9 ; Rudolphi SK Rdn. 14-17, Vogler L K 1 0 Rdn. 6 8 - 7 0 ) .
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Dazu gehören zunächst das Herstellen und Beschaffen der Tatmittel und Werkzeuge, sowie deren Herrichten und Bereitstellen. Betrugsversuch liegt daher noch nicht vor, wenn der Täter sich bei einer Behörde eine falsche Bescheinigung ausstellen lässt, um sie später bei einer anderen Behörde zu Täuschungszwecken vorzulegen (aA RGSt 7 7 172, 173; O L G Celle D R i Z 1 9 4 7 153), oder unter falschem Namen Postsparbücher mit geringen Einzahlungsbeträgen errichtet, um nach deren Verfälschung höhere Beträge abzuheben (BGH wistra 1984 142). Wer einen Einbruchsdiebstahl oder einen Unfallschaden fingiert, um später die Versicherungsgesellschaft zu täuschen, kann hiermit bereits § 2 6 5 erfüllen, begeht aber ebensowenig schon einen Betrugsversuch (BGH N J W 1952 3 4 0 ; O L G München wistra 2 0 0 6 4 3 6 ; aA RGSt 7 2 66) wie der, der einen noch unbekannten Gehilfen für den geplanten Betrug zu gewinnen versucht (aA RGSt 77 172; abl. zu RGSt 72 66; 7 7 172 daher auch E 1962 Begr. S. 144). Wer auf dem Entwerterfeld einer Fahrkarte eine Wachsschicht aufträgt, um den Aufdruck des Entwerters nach der Fahrt wieder abzuwischen und die Fahrkarte neu benutzen zu können, bereitet hiermit eine Tat nach S 2 6 5 a bzw. § 2 6 3 erst vor (vgl. O L G Düsseldorf N J W 1 9 9 0 9 2 4 ) . Das gilt auch für § 148 Abs. 2 , wenn der Täter die ähnlich präparierten Wertzeichen erstmalig zur Post gibt (aA O L G Koblenz N J W 1983 1625; s. dazu schon Rdn. 103). Ein Diebstahlsversuch liegt weder im Anfertigen von Zündschlüsselkopien (BGHSt 2 8 162) noch im Mitnehmen eines Tankverschlusses, um mit dessen Hilfe eine Schlüsselkopie herzustellen (aA B G H StV 1992 62), ein Abtreibungsversuch nicht darin, dass sich die Schwangere bemüht, einen Arzt zu gewinnen (BGHSt 4 17). Das Mischen eines Giftpilzes unter ein vom Opfer zusammengetragenes, aber noch nicht zubereitetes Pilzgericht ist dagegen nur dann eindeutig zum nur vorbereitenden Herstellen eines Tatmittels nach § 2 2 4 Abs. 1 Nr. 1 zu zählen, wenn der Täter die Mahlzeit später selbst herstellen und dem Opfer vorsetzen will (s. zum anders gelagerten Fall RG J W 1936 513 Rdn. 161). Auch das Bereithalten
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von Tatwerkzeugen am Tatort ist noch typische Vorbereitungshandlung, wenn beispielsweise die eingerichtete Brandanlage erst vier oder fünf Tage später in Gang gesetzt (BGH NStZ 1981 99) oder die für den Einbruch erforderliche Winde schon drei Tage vor dem ausersehenen Tattag am Tatort niedergelegt wird. In BGHSt 2 380 (s. dazu Roxin JuS 1979 5) und BGH Daliinger M D R 1966 892 gingen die Täter zwar über schlichtes Bereitstellen hinaus, verblieben aber wegen gleichwohl fehlender Handlungsunmittelbarkeit entgegen diesen Entscheidungen noch im Vorbereitungsstadium. Auch das (bloße) Aufsuchen des Tatorts ist typischerweise noch Vorbereitungshandlung, weil es in aller Regel (und wenn es) noch weiterer Zwischenschritte bedarf, um die erforderliche Handlungsunmittelbarkeit herzustellen. Daher fehlt es am Versuch, wenn der Täter mit dem (kindlichen) Opfer zum Tatort fährt, um hier ein die Vornahme sexueller Handlungen erst vorbereitendes Gespräch zu beginnen (s. BGHSt 35 6, 9 in der zweiten Tatplanvariante) oder es vor der geplanten Tötung noch zu einer Unterschrift zu zwingen (BGH NJW 2002 1057), wenn die Schwangere ein Sanatorium aufsucht, um dort eine Abtreibung vornehmen zu lassen (RG H R R 1930 Nr. 1671), der Täter einen Ladenraum betritt, um in einem unbeobachteten Moment eine Kasse aufzubrechen (aA BayObLG NStZ 1997 442; in RGSt 69 327 gingen die Täter schon deutlich darüber hinaus), auf das Trittbrett eines fahrenden Güterzuges aufspringt, um aus diesem nach Entfernung der Verschlussplomben zu stehlen (aA RGSt 54 328), ein Polizeigebäude betritt, um dem dort Inhaftierten Eisensägeblätter für einen Ausbruch zu übergeben (aA BGHSt 9 62, 64) oder die Täter nur bis zum Bankeingang vorfahren, aber noch nicht die mitgeführten Waffen herausholen und ihre Masken auch noch nicht aufsetzen (BGH Holtz MDR 1978 985) oder unverrichteter Dinge wieder umkehren, weil sie ihre schon getroffenen Vorbereitungen im Bankvorraum für entdeckt halten (BGH NStZ 2004 38, 39). Das gilt auch, wenn sie zwar in der Absicht, den Filialleiter zu überfallen, die Filiale schon betreten, von weiteren geplanten Handlungen wie der Maskierung aber Abstand genommen haben, weil zu viele Kunden anwesend waren (BGH NStZ 1996 38). Naturgemäß kommt es hier wie sonst auf die Vorstellung des Täters vom weiteren Tatablauf maßgeblich an (BGH NJW 2002 1057). Auch im Aufsuchen des Tatortes kann daher die für den Versuchsbeginn nötige Handlungsunmittelbarkeit liegen, wenn im unmittelbaren Gefolge der nächste Akt in die Tathandlung führt oder der Täter am aufgesuchten Tatort weitere Vorbereitungshandlungen bereits abgeschlossen und sich mit dem nächsten Teilakt zur Tathandlung entschlossen hat. So liegt es etwa dort, wo der Täter mit schussbereiter Waffe in einen Raum einbricht, um das darin vermutete Opfer sofort zu erschießen (BGH NStZ 1987 20) oder im schon betretenen Schalterraum einer Poststelle die schriftliche Drohung angefertigt hat, mit der im nächsten Schritt die Kassiererin zur Herausgabe des Geldes aufgefordert werden soll (BGH GA 1980 24; Kühl JuS 1980 654). Auch in RGSt 69 327 hatte der Täter nicht nur das Ladengeschäft betreten, sondern die Tür hinter sich verriegelt und den für den Überfall ausersehenen Ladeninhaber bereits in ein Gespräch verwickelt, aus dem übergangslos die Bedrohung mit der Pistole hervorgehen sollte. Die aufgrund unterschiedlicher Tatpläne notwendige Differenzierung zwischen äußerlich annähernd gleich liegenden Sachverhaltsgestaltungen zeigt sich besonders deutlich in den sog. Auflauerungs- und Erwartungsfällen (Roxin JuS 1979 5 f; ders. AT II § 29 Rdn. 155 ff). Während im „Pfeffertütenfall" (BGH NJW 1952 514 mit abl. Anm. Mezger) die am Tatort lauernden Täter das Aussteigen des unmittelbar erwarteten Opfers aus der Straßenbahn erst noch abwarten und auf es zutreten und im „Lichthupenfall" (BGH Holtz M D R 1977 807) die im Versteck liegenden Mittäter noch aus der Parklücke herausfahren, die Fahrbahn blockieren und das Geldfahrzeug besteigen mussten, ihre Gegenwart am Tatort also wie im Regelfall noch keine Handlungsunmittel-
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2. Abschnitt. Die Tat
barkeit zum Raub bedeutet, ist in den hierher zu zählenden Klingelfällen (s. dazu Wessels/Beulke Rdn. 609) der Vorbereitungsbereich verlassen, wenn nach der Vorstellung des Täters, auf die es allein ankommt (s. Rdn. 89 und Roxin AT II § 29 Rdn. 156, 158), das Opfer sogleich erscheinen und alsdann ohne weiteres mit der Tathandlung konfrontiert werden soll (so im Tankstellenfall BGHSt 2 6 201; s. auch BGH NStZ 1984 506). Will der Täter nach dem Klingeln und Öffnen der Tür den Raum dagegen erst noch betreten und dort das Opfer in ein Gespräch verwickeln (OLG Hamm StV 1997 242) oder die Waffe erst dann aus dem Hosenbund ziehen (BGH StV 1984 420), fehlt es an der Handlungsunmittelbarkeit noch, nicht dagegen, wenn sich der Täter unmittelbar nach dem Öffnen des Opfers bemächtigen will, sofern es ihm alleine entgegentritt (aA BGH StV 1999 593; BGH NStZ-RR 2004 361 mit Bespr. Kudlich JuS 2005 186; s. dazu schon Rdn. 103). 108
Auch mit dem bloßen Auskundschaften oder Schaffen einer Tatgelegenheit wird regelmäßig keine hinreichende Handlungsunmittelbarkeit hergestellt. So ist das Rütteln an den Vorderrädern von Pkws (sog. Probierfälle, Roxin JuS 1979 6; ders. AT II § 29 Rdn. 160 f) selbst dann vom unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme noch einen wesentlichen Zwischenschritt entfernt, wenn beim Fehlen einer Lenkradsperre zum Gewahrsamsbruch unmittelbar übergegangen werden soll. Hier ist das Sich-zu-schaffen-Machen am Türschloss oder ein ähnliches, den Gewahrsam berührendes Verhalten nach positivem Ausgang der Durchführungsprobe abzuwarten (aA BGHSt 2 2 80; der Entscheidung zust. Roxin JuS 1979 6; Rudolphi SK Rdn. 16). Wer das Auto eines Kassenboten oder eines Entführungsopfers beschädigt, um diese zu überfallen, wenn sie später infolge der Beschädigung anhalten und aussteigen müssen, ist von den Tathandlungen der §§ 249, 239a noch deutlich entfernt, weil er lediglich die Gelegenheit zu ihrer Vornahme schafft (aA BGH NJW 1980 1759 und BGH NStZ 1997 83). Hierher gehört auch der Fall, in dem der Täter dem Opfer ein Mittel eingibt, um es zu betäuben, weil er sich außerstande sieht, das bei Bewusstsein befindliche Kind zu töten und die Tat durch Aufschneiden der Pulsadern erst begehen will, nachdem die betäubende Wirkung sicher eingetreten ist (aA RGSt 5 9 157). Zu Recht sieht das BayöbLGSt. 1989 143 in einem bloßen, an Prostituierte „unter Verschweigung seiner Infizierung gestellten Ansinnen eines HI-Virusträgers, mit ihm ohne Schutzmittel Sexualverkehr auszuüben," ein den Körperverletzungsversuch nur vorbereitendes „Erkunden und Schaffen einer Tatgelegenheit". Insbesondere bei den „Sittlichkeitsdelikten" hat die ältere Rechtsprechung in den sog. Missbrauchsfällen (Roxin JuS 1979 8; ders. AT II § 29 Rdn. 166 ff) die Versuchsgrenze - eingestandenermaßen (s. BGHSt 6 302, 304) aus kriminalpolitischen Gründen - weit in den Bereich des vorbereitenden Auskundschaftens und Schaffens einer Tatgelegenheit vorverlegt, wenn sie etwa die Einladung eines Jungen nach Berlin, um ihn hier sexuell zu missbrauchen (RG DR 1939 363) oder die Verabredung um 17 Uhr am Pferdekarussell (BGHSt 6 302; s. auch BGH bei Daliinger MDR 1974 722; dazu Bockelmann J Z 1955 194) schon als Versuch nach § 175a Nr. 3 bzw. § 176 Abs. 1 Nr. 3 a.F. angesehen hat. Die im Ergebnis berechtigte Kritik an solchen Entscheidungen nimmt in ihrer Härte freilich bisweilen zu wenig darauf Bedacht, dass in den seinerzeit erforderlichen Tathandlungen des „Verführens" oder „Verleitens" zu unzüchtigen Handlungen ein Latenzmoment steckt, das zu einem verhältnismäßig frühen Eintritt der Handlungsunmittelbarkeit führen kann (deutlich hierzu RGSt 52 184). Liegt daher im geflissentlichen Arrangieren der Reise oder im heimlichen Verabreden mit dem Kind schon der Beginn solcher Tätigkeiten, scheitert der Versuch dann, wenn die Reise erst noch angetreten oder die Verabredung am Tatort erst noch eingehalten werden muss, nicht schon an der Handlungsunmittelbarkeit, sondern erst an der noch nicht heraufbeschworenen unmittelbaren Gefahr der Tatbestandsver-
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wirklichung (so der Sache nach zutr. OLG Hamm JMB1NRW 1967 238; OLG Celle N J W 1972 1823 mit Bespr. Rudolphi JuS 1973 20; s. dazu auch Rdn. 114). Insoweit liegt es hier so wie in den Betrugsfällen, in denen die Vertrauensanfütterung durch mehrstufig inszenierte Täuschungen geschieht (s. Rdn. 94). Dem Schaffen einer Tatgelegenheit eng verwandt ist schließlich die Beseitigung von Hindernissen, die das unmittelbare Ansetzen im Regelfall erst ermöglicht. Sieht man das Bewusstsein des Kindes als Hindernis seiner Tötung, zählt hierzu der schon erwähnte (Rdn. 108), freilich gegenteilig entschiedene Fall RGSt 59 157. Auch wird man entgegen BGHSt 3 297 mit der dort gegebenen Begründung, dass das Vertreiben eines sich möglicherweise bei dem erst später und an anderer Stelle geplanten Raub als hinderlich erweisenden Begleiters des Raubopfers eben nur „die naheliegende Möglichkeit eines Bruches des fremden Gewahrsams herbeiführt", die Handlungsunmittelbarkeit noch zu verneinen haben. Deren Fehlen lässt sich auch nicht mit einer vermeintlich schon „erheblichen Gefährdung des Vermögens" des späteren Raubopfers überspielen, wenn eine präsente Gefahr der Tatbestandsverwirklichung noch nicht besteht. In der gleichfalls zu den „Schutzminderungsfällen" (Roxin JuS 1979 6; ders. AT II § 29 Rdn. 162 ff) zählenden Entscheidung des RGSt 53 217 ist dem Gericht zwar darin zuzustimmen, dass man zur Wegnahme „die bloße Ermöglichung ihrer Ausführung" dann schon rechnen kann, „wenn ein dem unmittelbaren Zugriff sich entgegenstellendes Hindernis vom Täter beiseite geschoben wird, um im sofortigen Anschluss daran sich der nunmehr ungeschützten Beute zu bemächtigen"; denn in solchen Fällen ist „die Entfernung des Hindernisses keine bloße Sicherung einer erst künftig zu begehenden Tat, sondern die Überwindung einer mit ihr fest verbundenen Hemmung", mit deren Beseitigung der zu Bestehlende bereits in seiner ungestörten Gewahrsamsausübung beeinträchtigt wird. Man wird aber bezweifeln müssen, dass es im entschiedenen „Hofhund-Fall" so lag. Denn hier wurde keine Schutzvorrichtung beiseite geschoben, um unmittelbaren Zugriff auf das Diebstahlsobjekt zu nehmen. Vielmehr wurde in einer diesen Zugriff erst ermöglichenden und ihn daher in einer für die Hindernisbeseitigung typischen, nur vorbereitenden Weise der Hofhund vom Tatort weggeführt und außerhalb angebunden. Erst dann wollte der Täter auf das Gehöft zurückkehren und sich hier an die Wegnahme machen. Dann aber fehlt es noch an der Handlungsunmittelbarkeit (zutreffend Vogler LK 1 0 Rdn. 50). Die mit dem Wegschaffen des Hundes hier einhergehende Vorkehrung zur Verhinderung der (durch Anschlagen des Hundes drohenden) Entdeckung ist zudem ebenso wenig wie eine denkbare Vorsorge zur Sicherung der Beute (z.B. durch Beschaffung des Versteckes) geeignet, den Regelbefund fehlender Handlungsunmittelbarkeit zu beseitigen (s. schon Vogler LK 1 0 Rdn. 70).
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ff) Gefahr der Verwirklichung des Tatbestandes. Die hier mit der Zwischenaktslehre verbundene These, dass der Versuchsbeginn auch vom Eintritt der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung abhängt (s. Rdn. 85; 96; 100; 101), war bis zur Vorauflage nirgends näher entfaltet, v. Hippel (II S. 405) sah „in der objektiven Gefahr der Verwirklichung des konkreten Deliktstatbestandes" zwar den „Rechtsgrund der Strafbarkeit des Versuchs", machte diese Einsicht aber für den Versuchsbeginn nur wenig fruchtbar. 2 2 7 Klee (DStR 1934 283, 292) gab dagegen „die unmittelbare Gefahr, dass sich der Tatbestand der in Frage kommenden strafbaren Handlung verwirklicht", als Markstein zwi-
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v. Hippel II S. 404 folgt der Frankschen Formei (S. 402), betont aber auch, dass des Täters Tun dem Versuchsbeginn um so
näher rückt, um so wahrscheinlicher die Vollendung des Delikts wird (S. 404).
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
sehen Vorbereitung und Versuch aus, führte den Inhalt dieser Formel aber nicht mehr aus. 2 2 8 Moog schließlich verband später ganz im Sinne einer Harmonisierungslehre (s. zum Begriff Rdn. 64) beide Thesen, „um so die Einheitlichkeit zwischen Rechtsgrund der Strafbarkeit des Versuchs und Abgrenzung zu b e t o n e n " 2 2 9 und verlangte für den Versuchsbeginn daher „Handlungen ..., welche die unmittelbare Gefahr der Verwirklichung eines Verbrechens- oder Vergehenstatbestandes in sich tragen". Auch er kam bei der Ausführung seines Vorschlags über wenige Andeutungen aber nicht hinaus. Gemeinsam ist diesen Stimmen die auch hier (s. Rdn. 82 ff) geteilte Sorge, dass mit der Alternative des Abstellens auf die Gefährdung des Rechtsguts angesichts deren fortlaufender Steigerung „von der ersten Vorbereitung bis zur Vollendung" keine sichere Zäsur anzug e b e n 2 3 0 und dass mit ihr auch nicht zu verhindern ist, dass der Versuchsbeginn wegen einer (noch fernen) Gefährdung zu früh oder trotz eingetretener Verwirklichungsnähe mangels Gefährdung zu spät angenommen wird. 2 3 1 Setzt man als Bezugspunkt der Gefahr an die Stelle des Rechtsguts die Verwirklichung des Tatbestandes, macht man demgegenüber den Boden für die Antwort auf die Abgrenzungsfrage sicherer, weil an die Stelle des oft diffusen und umstrittenen, im Tatbestand nicht benannten und bei den abstrakten Gefährdungsdelikten auch nur „hinter" den Tatbeständen stehenden Rechtsguts die gesetzlich eindeutig beschriebene und festgelegte Verwirklichung des Tatbestandes tritt. Zudem trägt man der Einsicht Rechnung, dass die Frage, was begrifflich Versuch ist, in Wahrheit „nicht gegenüber der Rechtsordnung bzw. dem Rechtsgut", sondern „erst gegenüber den konkreten Deliktstatbeständen" entsteht. 2 3 2 In der Sache stimmt hiermit die (nach Erscheinen der Vorauflage publizierte und offenbar parallel entwickelte) Forderung Herzbergs nach einem „Zuspitzungserfolg" (MK Rdn. 137) i.S. der „unmittelbaren Gefahr der Tatbestandsverwirklichung" (MK Rdn. 145; s. dazu schon hier Rdn. 85 mit Fußn. 187) überein, wenn auch dort die Tatbestandsverwirklichung in diesem Sinne mit der Deliktsvollendung gleichgesetzt (MK Rdn. 145) und für die Gefahr ein „unmittelbares Bevorstehen der (ganzen) Tatbestandsverwirklichung" verlangt wird (MK Rdn. 157, 159, 163). Fasst man zusammen, was zu Inhalt und Funktion der aus diesen Gründen - zwar nicht als alleiniges, wohl aber als die Zwischenaktslehre ergänzendes und modifizierendes Kriterium - auch hier aufgenommenen Gefahr der Verwirklichung des Tatbestandes im Vorstehenden schon entwickelt ist, so ergibt sich, dass sich aus der zweiten, die Vollendung des „gesamten Tatbestandes" meinenden Bedeutung des Wortes „Verwirklichung" (s. dazu Rdn. 96) für den Versuchsbeginn auch eine Nähe zur Tatbestandsvollendung einstellen muss, die sich als eine so verstandene „Gefahr der Verwirklichung" bezeichnen lässt und auf deren Beschreibung in ersten Konturen hier auf die Rdn. 85, 96, 97, 9 9 - 1 0 1 zurückverwiesen werden kann. Ihre Funktion liegt einerseits darin, die in aller Regel für den Versuchsbeginn hinreichende Handlungsunmittelbarkeit (Rdn. 103 ff) in Ausnahmefällen trotz noch ausstehender Teilakte herzustellen; andererseits soll sie einen zu frühen
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Der Vorschlag steht am Ende seiner Abhandlung, in deren Verlauf die Bewertung anderer Abgrenzungsformeln nicht immer ganz deutlich wird; ein Anklang an die Zwischenaktslehre findet sich auf S. 289. Moog Die Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch, ungedr. Diss. Köln 1950 S. 130 f; dabei deutet er die Formel Klees (was auch dessen Bemerkungen S. 284 nahelegen, s. aber auch S. 286) so, dass die
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Verwirklichungsgefahr im Sinne einer Vollendungsgefahr zu verstehen ist. So am deutlichsten v. Hippel II S. 400. Vgl. namentlich zur zweiten Gefahr Klee DStR 1934 292; Moog S. 125. v. Hippel II S. 405; skeptisch gegenüber dem Gefährdungsgedanken auch mit diesem Bezugspunkt bleiben z.B. Becher S. 43 ff
und Kühl § 15 Rdn. 81 ff.
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Begriffsbestimmung
§22
Versuchsbeginn verhindern, wenn von der Gefahr trotz eingetretener Handlungsunmittelbarkeit noch nicht die Rede sein kann (s. zu beidem Rdn. 85, 99-101). In beiden Richtungen findet sich im folgenden der Versuch einer Konkretisierung. Von der Möglichkeit, trotz noch ausstehender Zwischenakte ein unmittelbares Ansetzen zu bejahen, kann und sollte - wenn man den rechtsstaatlichen Gewinn der Zwischenaktslehre nicht aufs Spiel setzen will - nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die noch nicht vollzogenen Teilakte nach der Vorstellung des Täters in unmittelbarer zeitlicher Abfolge in die Tathandlung einmünden sollen und dass sie deshalb nur gleichsam mechanische Glieder einer Handlungskette sind, weil sie von einem einheitlichen Willensimpuls 233 getragen und daher - einmal angestoßen - einem annähernd automatischen Ablauf unterworfen sind. 234 Liegt es so, verlieren die noch ausstehenden Schritte zwar nicht ihr für die Zielerreichung oft wesentliches, ja ausschlaggebendes Gewicht. Wohl aber können sie unter dem Blickwinkel der schon unmittelbar drohenden Gefahr des Umschlagens in die Tatvollendung die Feststellung der versuchsbegründenden Handlungsunmittelbarkeit nicht mehr hindern. In diesem Sinne lassen sie sich als „unwesentliche" Zwischenschritte bezeichnen. Das eindrücklichste Beispiel hierfür ist der zu Recht bejahte Beginn eines Tötungsversuchs mit einer Schusswaffe in einem Fall, in dem der Täter - wie es das Reichsgericht ausdrückte - „ohne Dazwischentreten einer neuen Handlung in einem Zuge den Revolver aus der Tasche ziehen, ihn entsichern, auf den ... M. anlegen und diesen erschießen wollte", sich aber „das Korn in dem Taschenfutter verwickelte", nachdem die Waffe schon halb aus der Hosentasche gezogen war (RGSt 68 336). Dass nach dem Ziehen das Entsichern, gegebenenfalls das Spannen des Hahns (RGSt 59 386) und das Anlegen vor dem die eigentliche Tötungshandlung auslösenden Abdrücken noch unverzichtbare Zwischenschritte sind, ist unbestreitbar. 235 Ebenso umbestreitbar ist aber auch, dass man das „Krümmen" des Fingers am Abzugsbügel nicht abwarten muss (BGH NStZ 1993 133), weil schon das Ziehen der Waffe „eine Tätigkeit (ist), die in den Rahmen dessen fällt, was nach dem Willen des Täters und der natürlichen Auffassung als die einheitliche Handlung erscheint, in der der zum Tatbestand gehörige Erfolg der Endpunkt ist", anders ausgedrückt, dass angesichts der unmittelbar drohenden Gefahr der Tötung des M. die Handlungsunmittelbarkeit zum Töten schon hergestellt wurde. Angesichts des Entschlusses, durch Schießen zu töten (s. dazu schon Rdn. 104), ist der durch das Ziehen eingeleitete Vorgang ein ohne neuen Willensimpuls gleichsam automatisch in die Vollendung einmündendes Geschehen, dessen weitere Zerlegung eine unter dem
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Die Tatsache, dass keine „neue Willensregung" mehr erforderlich ist, der Täter vielmehr „sein Handeln ... ohne jede Unterbrechung ... fortzusetzen und zu Ende zu führen" beabsichtigt, hat schon RGSt 43 332 als versuchbegründend angeführt, das Ausbleiben einer „neuen Willensregung" freilich bisweilen auch als Synomym für einen noch nicht „endgültigen Willen" benutzt, so RGSt 54 182. Auch in der Rechtsprechung des BGH schillert der Begriff: Im Sinne einer noch fehlenden Tatentschlossenheit spricht BGH StV 1987 528 von dem noch ausstehenden neuen „Willensimpuls" bzw. „Willensruck" (ähnlich BGH NStZ
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1993 398 und - gegenüber der zu entscheidenden Sachlage unzutreffend - auch BGH StV 1999 593). Im hier und in RGSt 43 332 gemeinten Sinne eines den Geschehensablauf zu einer gewissen Automatik verbindenden einheitlichen Willensimpulses ist der Begriff dagegen in BGH NStZ 1993 133 und BGHSt 31 178, 182 sowie in BGHSt 48 34, 36 verwendet (s. auch OLG Schleswig SchlHAnz 1987 101). Die bildhaften Begriffe „mechanisch" und „automatisch" finden sich im hier erörterten Zusammenhang beispielsweise auch bei Becher S. 37 und Küper J Z 1979 780 f. Vgl. Otto JK 92 StGB § 22/15.
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
Blickwinkel der G e f a h r der Tatbestandsverwirklichung nicht zu rechtfertigende „Atomisierung" bedeutete ( B G H S t 2 6 2 0 1 , 2 0 4 ) . Wer dagegen die Waffe erst anschafft, mit ihr nur im Hinterhalt lauert, sie noch nicht g e l a d e n 2 3 6 oder „ n o c h im H o s e n b u n d " ( B G H S t V 1 9 8 4 4 2 0 ) hat, hat das Stadium einer durch die unmittelbare G e f a h r zusammengeschmiedeten Einheit n o c h nicht erreicht, das Feld der o h n e neuerliche Impulse verlaufenden A u t o m a t i k noch nicht betreten. 113
Vergleichbare Konstellationen sind sicher selten. Wer aber eine A x t ergreift, um das vor ihm stehende O p f e r zu erschlagen, begeht einen Tötungsversuch, auch wenn er die A x t n o c h heben, mit ihr ausholen, zielen und sie niedergehen lassen m u s s . 2 3 7 Auch setzt zur W e g n a h m e unmittelbar an, wer „in ununterbrochener F o l g e " das Fenster eines Hühnerstalles eindrücken oder mit einem Werkzeug einschlagen will, um die hinter dem Fenster hockenden H ü h n e r zu stehlen, über das Beschmieren des Stallfensters „mit einer dicken M a s s e zu dem Z w e c k e . . . , das Klirren der Glasstücke beim Eindrücken der Scheibe zu v e r h i n d e r n " , aber nicht h i n a u s g e k o m m e n ist. Die Gefahr, dass der die Wegn a h m e einleitende G e w a h r s a m s b r u c h vonstatten geht, wird durch das Absetzen des mit der Schmiere gefüllten Topfes, das Ergreifen eines Werkzeuges oder das Führen der H a n d gegen die Scheibe - so notwendig all diese Teilakte zum Gelingen der Tat auch sind nicht mehr wesentlich intensiviert; Einbrechen und Zugreifen folgen der Eröffnung gleichsam a u t o m a t i s c h . 2 3 8 Einen Grenzfall bildet bei der durch eine abgesprochene Falschaussage geplanten Strafvereitelung, zu der der Zeuge gemeinhin erst mit dem unmittelbaren Bevorstehen der Aussage in der Hauptverhandlung ansetzt, die Sachverhaltsgestaltung, in der der Zeuge sich schon im Termin zuvor durch Einreichung einer schriftlichen „ A u s s a g e " auf die Unwahrheit festgelegt, das Gericht zu beeinflussen begonnen und sich hiermit gewissermaßen selbst einem ( Z w a n g s - ) M e c h a n i s m u s ausgeliefert hat, bei der dann anstehenden V e r n e h m u n g 2 3 9 bei der Unwahrheit zu bleiben. Hier mag m a n - o b w o h l mit dem Erscheinen zum Vernehmungstermin und dem Eintreten in den Z e u g e n s t a n d n o c h gewichtige Teilakte fehlen - von einer Situation sprechen, in der „die M ö g l i c h k e i t einer Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs k o n k r e t " e r ö f f n e t 2 4 0 und deshalb die G e f a h r der Tatbestandsverwirklichung nicht mehr maßgeblich steigerbar war. W i e sehr es d a r a u f a n k o m m t , für die hier erörterte Vernachlässigung noch ausstehender Teilakte das Kriterium der unmittelbaren zeitlichen Abfolge mit der Voraussetzung eines von einem einheitlichen Willensimpuls getragenen Quasi-Automatismus zu verbinden und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung nicht durch die unbestimmtere Rechtsgutsgefährdung zu ersetzen, zeigt sich am „Lichthupen-Fall" ( B G H bei Holtz M D R 1 9 7 7 8 0 7 ) . Hier kann die Erwägung, dass sich dem Herausfahren aus der Parklücke die B l o c k a d e der F a h r b a h n , das Aussteigen aus dem Fahrzeug, das Besteigen des Geldtransporters und das dann im Sinne des § 2 4 9 tatbestandsmäßige Bedrohen des Begleitpersonals „in kürzester Z e i t " abspielen sollten und m a n daher von einer Gefährdung von W i l -
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Klee DStR 1934 288 ff. Will er das nur „notfalls" tun, kann es an der Tatentschlossenheit noch fehlen, wenn sich der Täter über den Notfall selbst noch ein Urteil bilden will; hat er sich freilich für den Fall des Einsetzens oder Ausbleibens einer von seinem Willen unabhängigen bestimmten Bedingung entschieden, liegt Versuch vor, s. BGH Holtz MDR 1980 271; vgl. auch RG J W 1925 1495. Richtig entschieden daher von RGSt 54 35;
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die von Sch/Schröder/Eser Rdn. 40 gegen eine Lösung dieses Falles auf dem Boden einer „reinen" Zwischenaktslehre erhobenen Bedenken sind mit der hier vorgenommenen Modifikation zu überwinden. Zu der es dann nicht mehr kam; das OLG Karlsruhe M D R 1993 368 hat hier wie in Fällen der Benennung eines präparierten Zeugen durch den Verteidiger Versuch bejaht. So OLG Karlsruhe M D R 1993 368.
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Begriffsbestimmung
§22
lensfreiheit, Eigentum und G e w a h r s a m auch schon beim H e r a u s f a h r e n sprechen k ö n n e n mag, nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gefahr einer sich bis zur Vollendung entwickelnden Tatbestandsverwirklichung erst n o c h durch wesentliche Z w i s c h e n s c h r i t t e zu vermitteln war. Wer in R a u b a b s i c h t aus einer Parklücke heraus- und auf das nahende Geldtransportfahrzeug zufährt, unterwirft sich n o c h keiner R a u b a u t o m a t i k , b e d a r f n o c h weiterer Impulse und hat daher zur N ö t i g u n g und W e g n a h m e die erforderliche gefahrbegründende Handlungsunmittelbarkeit n o c h nicht hergestellt. 2 4 1 Gleiches gilt bei einer geplanten Brandstiftung in einem D i s k o t h e k e n r a u m , zu deren Ausführung die in einem Vorraum von der Polizei in Empfang genommenen Täter noch eine verschlossene Zwischentür mit einem Kuhfuß hätten öffnen müssen, um dann das mitgeführte Benzin auszuschütten und zu entzünden. Die Unwesentlichkeit des Gewichts dieses „ Z w i s c h e n g e s c h e h e n s " will der B G H ( N S t Z 2 0 0 6 3 3 1 , 3 3 2 ) zwar d a r a u f stützen, dass dessen Ausgang nicht mehr offen und kein Anlass „zu neuen Planungen oder E n t s c h l u s s f a s s u n g e n " gewesen sei, setzt die Anforderungen an die Wesentlichkeit noch ausstehender Z w i s c h e n s c h r i t t e damit aber so hoch an, dass der rechtsstaatliche G e w i n n der Z w i s c h e n a k t s l e h r e hierdurch wieder verloren zu gehen droht. Auch von der zweiten Möglichkeit (s. R d n . 1 0 1 ) , die G e f a h r der Tatbestandsverwirklichung zur M o d i f i k a t i o n der Z w i s c h e n a k t s l e h r e zu nutzen, ist nur unter eng begrenzten Voraussetzungen auszugehen. Sie liegen vor, wenn die v o r g e n o m m e n e H a n d l u n g unmittelbar in die Tathandlung einmünden soll oder diese schon (teilweise) ist, es trotz der damit hergestellten Handlungsunmittelbarkeit aber an einer k o n k r e t e n Gefahr der Tatbestandsverwirklichung (im Vollendungssinne) noch mangelt, weil n a c h der Vorstellung des Täters „die Herbeiführung des E r f o l g e s " noch nicht „im u n m i t t e l b a r e n Anschluss n a h e g e r ü c k t " (RGSt 6 9 3 2 7 ; B G H N J W 1 9 5 4 5 6 7 ) ist. D a s k a n n so liegen, w o „die G e f ä h r d u n g s h a n d l u n g e n " n o c h nicht „in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Z u s a m m e n h a n g " mit der Tatbestandserfüllung stehen wie dort, w o es an einem „ungestörten F o r t g a n g " bis hin zu dieser Erfüllung n o c h fehlt. „ D a s s der T ä t e r eine objektive Gefahr für das anzugreifende Rechtsgut b e g r ü n d e t " , reicht für die G e f a h r der T a t b e standsverwirklichung hier wie sonst für sich g e n o m m e n nicht aus ( B G H S t 3 5 6 , 9; B G H NStZ 1989 473).
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M i t der ersten Alternative dieser Ausnahmesituationen, in der es a m unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Z u s a m m e n h a n g n o c h f e h l t , 2 4 2 bleiben z.B. Betrugsfälle im Stadium der Vorbereitung, in denen mit ersten (tatbestandsmäßigen!) T ä u s c h u n g s h a n d lungen Handlungsunmittelbarkeit eingetreten ist, der „Entschluss des T ä t e r s a b e r " dar-
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BGH bei Holtz M D R 1977 807 kommt dagegen trotz Zitierung auch der Zwischenaktsformel zum gegenteiligen Ergebnis; ebenso Küper J Z 1979 777, 780 f unter Verweis auf die unmittelbare zeitliche Abfolge; wie hier Kühl JuS 1980 652 und S 15 Rdn. 61; vgl. zum Vorstehenden auch Becher S. 36 f, der zu Recht darauf hinweist, dass in einem ununterbrochenen zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestandsverwirklichung auch Vorbereitungshandlungen stehen können. Zum Aspekt der Mittäterschaft s. Rdn. 170 ff. Inhaltlich steht der notwendige räumlichzeitliche Zusammenhang dem Kriterium
Roxins JuS 1979 4 f sehr nahe; hiernach wird verlangt, daß der Täter in eine regelmäßig wohl räumlich zu verstehende Beziehung zur Sphäre des Opfers tritt und ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Tatbeitrag und erwartetem Erfolgseintritt hinzukommt; das Letztere entnimmt Kühl § 15 Rdn. 68 der von ihm ergänzend geforderten „zeitlichen Unmittelbarkeit". Die Wendung vom unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang findet sich in zahlreichen (sie freilich meist nur stereotyp benutzenden) Entscheidungen, vgl. nur BGHSt 26 201, 203; 2 8 162, 163; BGH StV 1992 62.
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§ 2 2
2. Abschnitt. Die Tat
auf zielt, „nicht in einem Zuge zu handeln", also den verbrecherischen Willen in Teilen zu verwirklichen, indem er beispielsweise das Vertrauen zunächst anfüttert und erst in der Wiederbegegnung mit dem Opfer erschleicht, bevor er den „entscheidenden" Irrtum b e w i r k t . 2 4 3 Hier sollen sich die Bestandteile des Tatbestandes gerade nicht in „ununterbrochener zeitlicher Reihenfolge aneinander schließen", so dass sich die Teilverwirklichung nur als „Vorbereitung der Schlussaktion" erweist (BayObLGSt. 9 65, 6 8 ) . In gleicher Weise bleiben beginnendes „Verleiten" oder „Verführen" durch eine heimliche Verabredung oder geflissentliche Einladung zur Reise trotz ihrer Subsumierbarkeit unter solch insinuierendes Verhalten in vielen Fällen noch in einer so deutlichen „zeitlichen und örtlichen Distanz" zur Vornahme oder Duldung unzüchtiger Handlungen, das von einem „nahegerückten Enderfolg" (RGSt 6 9 327) noch nicht die Rede sein k a n n . 2 4 4 Neben diesen der Teilverwirklichungsproblematik angehörenden Konstellationen (s. dazu schon Rdn. 9 2 ff) dient die Voraussetzung eines unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhanges der vorgenommenen Handlung mit der (weiteren) Verwirklichung des Tatbestandes namentlich der Lösung jener Fälle, in denen der Täter seine Aktivitäten bereits abgeschlossen und damit seinen Versuch schon „beendet" hat, der Taterfolg aber noch in weiter oder ungewisser Ferne liegt. Hier kann es freilich auch schon an der Handlungsunmittelbarkeit fehlen (s. dazu unten Rdn. 131). Steht der Täter andererseits „an sich" (zeitlich und räumlich) unmittelbar vorm „Losschlagen", hängt aber das Gelingen der Tat nach seiner Vorstellung noch davon ab, dass keine Passanten auftauchen ( B G H StV 1 9 8 7 5 2 8 ) , möglichst wenige oder keine „weiteren" Kunden gegenwärtig sind (BGH GA 1 9 8 0 2 4 ; B G H N S t Z 1 9 9 6 38) oder ganz allgemein „die Luft rein ist" ( B G H N S t Z 1 9 8 9 4 7 3 ) , ist das absichernde Verharren nach seinem Tatplan noch notwendig, „um den richtigen Augenblick für die Ausführung der T a t " zu bestimmen ( B G H N S t Z 1 9 8 9 4 7 4 ) . In solchen Fällen kann auch dann, wenn der nächste Schritt die Tathandlung sein soll, das Täterverhalten erst dann in „ungestörtem F o r t g a n g " 2 4 5 in diese einmünden, wenn sich die erwünschte Situation (nach der Vorstellung des Täters) einstellt. Erst dann wird der Täter sein „Angriffsmittel in tätige Beziehung zum Angriffsgegenstand s e t z e n " , 2 4 6 erst dann beginnt der Versuch. Z u r Gefahr der „Herbeiführung des vom Gesetz vorausgesetzten Erfolges" bedarf es in solchen Fällen noch dieses „weiteren - neuen - Willensimpulses, eines letzten Willensrucks" ( B G H StV 1 9 8 7 5 2 8 ; s. auch B G H N S t Z 1 9 9 3 , 3 9 8 ) , der das unmittelbare Ansetzen eröffnet. Nicht mehr erforderlich ist dagegen ein „weiterer Willensimpuls", wenn die Täter die von ihnen verfolgten flüchtigen Opfer nach ihrer Vorstellung vom Ablauf der Tat nur noch einholen müssen, um sie
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Vgl. dazu BayObLGSt 9 65, 6 8 mit zust. Bespr. von Burkhardt JuS 1 9 8 3 4 2 8 f sowie Rdn. 9 4 ; i.E. daher zutreffend BGHSt 31 1 7 8 ; 3 7 2 9 4 , 2 9 8 und O L G Karlsruhe N J W 1 9 8 2 5 9 ; hier gibt es demnach noch „retardierende Zwischenphasen", die die Verwirklichung aufhalten, vgl. dazu Roxin JuS 1 9 7 9 5 ; Kühl § 15 Rdn. 71. OLG Hamm J M B L N R W 1967 238, 2 3 9 und O L G Celle N J W 1 9 7 2 1 8 2 3 nehmen beide die zitierte Distanz zu Recht zum Anlaß, Versuch zu verneinen, s. dazu schon Rdn. 110; die im heutigen Gesetzestext überwiegend gebrauchten Verhaltensweisen des „Bestimmens" und „Mißbrauchens"
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sind enger, haben aber gleichfalls ein „Latenzmoment", das unter Umständen zu einem früheren Beginn der Handlungen führt. 245
Vom „ungestörten Fortgang" ist z.B. die Rede in RGSt 2 8 1 4 4 , 145 f; 5 9 1, 2 ; BGHSt 31 178, 1 8 2 ; 3 7 2 9 4 , 2 9 7 ; B G H N S t Z 1 9 9 3 3 9 8 ; BGH StV 1 9 9 7 2 4 2 , 2 4 3 ; O L G Karlsruhe N J W 1 9 8 2 5 9 ; eine eigenständige Deutung gibt dieser Formel Burkhardt JuS 1 9 8 3 430.
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Diese viel gebrauchte Formel findet sich z.B. in RGSt 6 9 327, 3 2 9 ; RG D R 1 9 3 9 3 6 3 ; O L G Oldenburg StV 1 9 8 3 5 0 6 ; verkürzend von „Angriff" spricht BGHSt 2 3 8 0 , 381.
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Begriffsbestimmung
§ 2 2
dann ihrem Vorsatz entsprechend zu verprügeln ( B G H S t 4 8 3 4 , 3 7 ) . 2 4 7 Nicht ausgeschlossen ist schließlich, dass es an einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang sowie einem ungestörten Fortgang noch fehlt, sich also beide M o m e n t e verbinden. So kann es in Fällen der Strafvereitelung durch den Verteidiger liegen. Hier ist die Benennung des „präparierten" Zeugen zwar geeignet, Handlungsunmittelbarkeit herzustellen, wenn man den Vereitelungsversuch des Verteidigers bereits in der Einflussnahme auf den Zeugen sieht. 2 4 8 Liegt der Vernehmungstermin aber noch in weiter Ferne und ist nach der Vorstellung des Verteidigers auch ungewiss, ob dem Beweisantrag überhaupt Folge geleistet wird, ist für den Eintritt der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung die Anberaumung eines nahen Beweisaufnahmetermins abzuwarten. Ähnlich verhält es sich, wenn das Nahen des Opfers einer Gewalttat nach der Vorstellung des Täters noch ein gerütteltes M a ß Zeit in Anspruch nehmen und möglicherweise auch ganz ausbleiben kann. Dass für den Fall des Erscheinens der nächste Schritt die Gewalthandlung wäre, das Lauern also Handlungsunmittelbarkeit herstellt, kann angesichts der auf der Basis der Tätervorstellung noch fehlenden konkreten Gefahr der Tatbestandsverwirklichung ein unmittelbares Ansetzen noch nicht begründen. 2 4 9 Von der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung ist hiernach zu reden, wenn der Täter durch seine Handlung einen Zustand geschaffen hat, in dem auf der Grundlage seiner Vorstellung vom weiteren Ablauf der Tat (s. dazu R d n . 8 8 ) nach objektivem Urteil die Verwirklichung des (Gesamt-(Tatbestandes bis hin zu seiner Vollendung als räumlich und zeitlich nahe sowie in ihrem plan- und „regelmäßigen Verlauf" (RGSt 51 341, 3 4 3 ) sichere oder wahrscheinliche, und daher ernstzunehmende Möglichkeit erscheint. Das ist bei Eintritt der Handlungsunmittelbarkeit die Regel, bei noch ausstehenden Zwischenschritten dagegen nur so, wenn sie in unmittelbarer zeitlicher Abfolge gleichsam mechanisch in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollen. Ein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang, in dem sich ein ungestörter Fortgang der Verwirklichung abzeichnet, muss die bereits vorgenommene Handlung mit dem vorgestellten weiteren Ablauf der Tat verbinden, soll nicht das sonst fehlende Gefahrmoment den Versuchsbeginn trotz schon eingetretener Handlungsunmittelbarkeit ausnahmsweise verhindern 2 5 0 .
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Krit. zur Annahme einer versuchten Körperverletzung im Gubener Fall Hardtung N S t Z 2 0 0 3 2 6 2 ; Kühl J Z 2 0 0 3 6 3 9 f; Puppe J R 2 0 0 3 1 2 5 ; dem B G H insoweit zust. dagegen Sowada ]UTH 2 0 0 3 5 5 1 .
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Vgl. z.B. Beulke N S t Z 1 9 8 2 3 3 0 gegen BGHSt 31 10; ders. N S t Z 1 9 8 3 5 0 4 ; einschränkend im Sinne des Textes KG J R 1 9 8 4 250.
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i.E. übereinstimmend B G H StV 1 9 8 9 5 2 6 ; der B G H stellt in dieser Konstellation freilich nicht auf das von ihm nicht benutzte Kriterium der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung, sondern auf die noch fehlende konkrete Gefährdung des Rechtsguts ab; ebenso B G H N J W 1 9 5 4 5 6 7 : die Täter hatten mit Knüppeln bewaffnet „ihre Plätze eingenommen", rechneten aber bis zum Eintreffen der für den Überfall ausersehenen Kassiererin „mit einer Wartezeit von einer Stunde" und waren sich noch unsicher, w o
sich die Kassiererin befand; rechnet der Täter mit der (ungewissen) Möglichkeit sofortigen Erscheinens, ist Versuch gegeben, zutr. daher O L G Schleswig SchlHAnz 1 9 8 7 101. 250
M a n könnte den Gefahrenzustand auch so beschreiben, dass der Eintritt der Vollendung nur noch „akzidentielle Bedeutung" hat. Das wäre freilich nur dann eine Annäherung an die hier beschriebene Position, wenn man dem Begriff „akzidentiell" nicht die Bedeutung „zufällig" (vgl. gegen dieses Gefahrmoment beim Versuch Berz Jura 1 9 8 4 513), sondern den Sinn gibt, dass der weitere Ablauf der Tat so selbstverständlich „hinzutreten" wird, dass er für die Bewertung des schon erreichten Stadiums als Versuch nur noch „beiläufig" ist. In etwa so ist wohl Zaczyk Unrecht S. 310 zu verstehen.
Thomas Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
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e) Anwendbarkeit der Ansatzformel im Nebenstrafrecht. 2 5 1 D e m Gesetzgeber wird gelegentlich zum V o r w u r f g e m a c h t , die von ihm gewählte Ansatzformel sei „für Gewaltdelikte entwickelt und zutreffend" - weshalb sie nach seiner Auffassung ( B T D r u c k s . 1 4 / 8 5 2 4 S. 17) auch für die im deutschen Völkerstrafgesetzbuch geregelten Delikte passt (s. vor § 2 2 R d n . 1 5 2 ) , - tauge aber für „weite Teile d e s " als Beispiel für viele ähnlich strukturierte Tatbestände des Nebenstrafrechts stehenden „Wirtschaftsstrafrechts" nicht. Sie führe hier nämlich zum Beispiel bei der „ Z o l l - und E m b a r g o k r i m i n a l i t ä t " praktisch zur Straffreiheit, „weil sich der T ä t e r nur n o c h im Augenblick der unmittelbaren Annäherung an die Grenze s t r a f b a r " m a c h e und weil folglich vorher auch kein prozessualer Z u g r i f f auf Beweismaterial zulässig sei. Die mit dieser Kritik verknüpfte Forderung, m a n solle die Entscheidung nach der Abgrenzungsformel jedenfalls im Wirtschaftsstrafrecht „entgegen dem W i l l e n ihrer Urheber weiterhin auf die ernsthafte Gefährdung des geschützten R e c h t s g u t e s " stützen, leitet sich auch daraus her, dass „ein unmittelbares Ansetzen bei der Wirtschaftskriminalität häufig nach außen überhaupt nicht e r k e n n b a r " s e i . 2 5 2 Soweit dies auf einen äußerlich gleichförmigen, „nahtlos ineinander übergehenden G e s c h e h e n s a b l a u f " zurückgeführt wird, dient diese Beschreibung zugleich der Untermauerung der vermeintlich generellen Überlegenheit des materiellen Gefährdungsgedankens gegenüber einer Z ä s u r e n verlangenden Zwischenaktslehre. Solche Zäsuren seien hier nämlich entweder nicht möglich oder beliebig und „ f o r m a l " . 2 5 3
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Diese Kritik an der gesetzgeberischen Entscheidung oder doch wenigstens an ihrer Vereinnahmung für die Zwischenaktslehre verdient keinen Beifall. Sie trägt durch ihr Abstellen auf die G e f ä h r d u n g des gerade im Nebenstrafrecht in seinen vielen Tätigkeitsund abstrakten Gefährdungsdelikten tatbestandsexternen und oft schwer konkretisierbaren Rechtsguts schon zu einer Verunsicherung der Grenzziehung bei. W o eine Rechtsgutsverletzung tatbestandlich nicht verlangt ist, k a n n eine Rechtsgutsgefährdung zudem ganz allgemein kein taugliches Kriterium des Versuchsbeginns sein. Auch befördert diese Lehre die in der Rechtsprechung gerade hier verbreitete Neigung, aus kriminalistischen und kriminalpolitischen Gründen den Bereich der Versuchsstrafbarkeit weit vorzuverlegen, u m zu verhindern, dass „die Anwendung und Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen u n a n g e m e s s e n " erschwert und „die Verletzung der Vorschriften . . . bezweckende H a n d l u n g e n in den Bereich von risikolosen Vorbereitungshandlungen" verwiesen werden ( B G H S t 2 0 , 1 5 0 , 1 5 1 ) . 2 5 4 Sich dies zur Aufgabe zu m a c h e n , ist Sache des Gesetzgebers und folglich nur in den Grenzen der gesetzgeberischen Entscheidung zulässig. N a c h dieser ist aber nicht auf den durch sie gerade zurückgedrängten allgemeinen Gefährdungsgedanken, sondern auf die in der Handlungsunmittelbarkeit zutage tretende G e f a h r der Tatbestandsverwirklichung abzustellen. Das gilt auch für das Nebenstrafr e c h t . 2 5 5 D a b e i setzt sich die hier vertretene modifizierte Zwischenaktslehre den aus den Besonderheiten dieses Rechtsgebietes abgeleiteten Bedenken nicht aus. Vielmehr lässt sich an wenigen Beispielen nachweisen, dass sie die Abgrenzungsproblematik auch auf
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Vgl. dazu umfassend Mack S. 1 f, 21 ff, 167 ff. Zitate aus Tiedemann J R 1973 412; Gutachten 49. DJT 1972 C 52; ZRP 1970 258; vgl. auch ders. Wirtschaftskriminalität I S. 220 ff; gegen ein Abstellen auf die Rechtsgutsgefährdung aber ders. FS Baumann, S. 13; zur Kritik s. auch Mack S. 1 f. So Sch/Schröder/Eser Rdn. 41. Dieser „kriminalpolitische" Ansatz wird in
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seiner bedenklichen Weite von Tolle NStZ 1997 325 auf den Versuchsbeginn der Abfallverschiebung nach § 326 Abs. 2, 4 übertragen. Für das Nebenstrafrecht ausnahmslos den „Beginn der Tatbestandshandlung" zu verlangen (Zaczyk NK Rdn. 27), ist eine nicht zu legitimierende, weil allzu pauschalierende und der Vielfalt des Nebenstrafrechts deshalb nicht gerecht werdende Forderung.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
diesem Felde sicherer zu lösen imstande ist als eine Lehre, die im Sinne einer kumulativen Vereinigungsformel alle denkbaren Konkretisierungen der A n s a t z f o r m e l auch im N e b e n strafrecht n e b e n e i n a n d e r r e i h e n 2 5 6 oder die auf tatbestandsexterne Gefährdungen a b heben will. So ist z.B. auch im R a h m e n des § 2 2 a K W K G 2 5 7 - wie der B G H im E i n k l a n g mit dem hier e i n g e n o m m e n e n Standpunkt zu R e c h t b e t o n t 2 5 8 - „die Grenze zwischen Versuch und V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g " eben „nicht aufgrund allgemeiner Erwägungen zur Zielsetzung des Gesetzes über die K o n t r o l l e von Kriegswaffen oder m i t Hilfe von Strafwürdigkeitsüberlegungen, sondern wie bei allen anderen Delikten n a c h den Grundsätzen des § 2 2 S t G B zu z i e h e n " . D a n a c h reicht für einen Versuch des § 2 2 a Abs. 1 Nr. 7 K W K G , der zur Tatbestandsverwirklichung einen Vertragsabschluss verlangt, ein bindendes und alle wesentlichen, für einen Vertragsabschluss notwendigen A n g a b e n enthaltendes Angebot an Interessenten aus, wenn deren ernsthaft geäußertes Interesse nach der Vorstellung des Täters erwarten lässt, der nächste, in ungestörtem F o r t g a n g zu prognostizierende Schritt werde die A n n a h m e des Angebots sein. Sind dagegen noch wesentliche Fragen offen oder befinden sich die Beteiligten noch in Sondierungsgesprächen darüber, o b eine Vertragsbereitschaft besteht, ist das Vorbereitungsstadium n o c h nicht verlassen ( B G H N J W 1 9 8 8 3 1 0 9 ; 1 9 9 4 135). G a n z ähnlich ist zum Versuch des Handeltreibens im Sinne des § 2 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 B t M G zu entscheiden, w e n n m a n zur Vollendung verlangt, dass eine Einigung zustande g e k o m m e n ist (s. dazu R d n . 13). W i r d nach einer Telefonnummer gesucht, u m ein Verhandlungsgespräch zu beginnen, liegt n o c h Vorbereitung, sind ernsthafte G e s p r ä c h e mit dem Ziel der Einigung b e g o n n e n , schon Versuch v o r ( B G H J R 2 0 0 5 2 5 8 , 2 6 1 ) . G e h t es u m eine nach § 2 2 a Abs. 1 Nr. 4 K W K G verbotene Einfuhr, die hier mit dem Überschreiten der Grenze des Bundesgebietes vollendet ist, ist bei einer Beförderung auf dem Seeweg nach der gewiss eine „ G e f ä h r d u n g " schon auslösenden Veranlassung des Auslaufens des Schiffes aus dem letzten geplanten Anlegehafen die nach der Vorstellung des Täters noch ausstehende unmittelbare räumliche und zeitliche N ä h e zum Erreichen der deutschen Hoheitsgrenze a b z u w a r t e n , bevor der Versuch b e g i n n t . 2 5 9 Auch eine Ausfuhr nach § 3 4 A b s . 1 A W G k a n n weder mit dem Beschaffen oder Herstellen des auszuführenden Gutes n o c h mit dem b l o ß e n Aufladen der Ware auf das Transportmittel beginnen; denn selbst w e n n sich das Transportmittel nach der Vorstellung des T ä t e r s „alsbald nach der Grenze in B e w e g u n g " setzen soll, bei deren Überquerung sich die Ausfuhr vollendet, tritt die H a n d l u n g s u n m i t t e l b a r k e i t erst mit dem Ingangsetzen des T r a n s p o r t e s und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung erst kurz
256 £)¡ e Rechtsprechung bedient sich, wie Mack S. 2 3 - 1 4 2 umfassend zeigt, im Nebenstrafrecht keiner „Sonderformeln". Der Vorschlag Macks (S. 167), auf eine Festlegung zu verzichten, teilt mit der Rechtsprechung den Vorhalt der Beliebigkeit. Seine fallgruppenspezifische, die Besonderheiten der betroffenen Delikte einbeziehende Lösung (S. 143 ff, 167 ff) ist dann aber eine für jeden theoretischen Ausgangspunkt hilfreiche Konkretisierung. Nach Sachgebieten geordnete Belegung von Beispielen findet sich bei Tröndle/Fischer Rdn. 13 ff. 2 5 7 In der Fassung der Bekanntmachung vom 22. November 1990; § 22a ist an die Stelle des § 16a KWKG a.F. getreten.
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BGH NJW 1988 3109; ebenso OLG Düsseldorf NJW 1993 2 2 5 3 ; die Maßgeblichkeit der Tatbestandsverwirklichungsnähe betont auch Vogler FS Stree/Wessels, S. 294 f. OLG Düsseldorf N J W 1993 2 2 5 4 , 2 2 5 5 stellt unter Berufung auf das Gefährdungsmoment auf die Veranlassung des Auslaufens ab. Muss aber das Schiff z.B. noch den halben Erdkreis umrunden, kann von einer unmittelbaren Gefahr der Tatbestandsverwirklichung im Sinne einer räumlichen und zeitlichen Nähe zum ungestörten Übergang in die Vollendung trotz eines fraglos beginnenden Einfuhrgeschehens und damit eingetretener Handlungsunmittelbarkeit noch nicht die Rede sein.
Thomas Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
vor der Grenze ein. 2 6 0 Besonders deutlich erweist sich die Gefahr einer unhaltbaren Vorverlegung des Versuchsbeginns bei einem Abstellen auf das materielle Gefährdungsmoment im Nebenstrafrecht, wenn der Versuch einer Hinterziehung von Eingangsabgaben nach § 370 AO schon darin liegen soll, dass der Täter bei der Ausreise überhöhte Angaben zur mitgeführten Treibstoffmenge macht, um bei der Wiedereinreise eine höhere Menge Dieselkraftstoff abgabenfrei einführen zu können. Wenn in einem solchen Fall von der beim Einfuhrschmuggel sonst zu Recht eingehaltenen Linie abgegangen wird, dass die Einreise unmittelbar bevorstehen muss, und wenn das Noch-Ausstehen selbst des Zwischenschrittes des Einkaufs der einzuführenden Ware dem Versuchsbeginn hier nicht im Wege stehen soll, weil die falsche Angabe bereits „die Gefährdung des staatlichen Anspruchs auf Zahlung der Eingangsabgaben zur Folge" und der Täter sich durch die Ausstellung eines entsprechenden Treibstoffausweises vor Entdeckung abgesichert habe (so BayObLG J R 1978 38), dann bleibt von der gesetzlich verlangten Handlungsunmittelbarkeit und der durch sie ausgelösten unmittelbaren Gefahr der Tatbestandsverwirklichung nicht einmal mehr ein Schatten. Richtigerweise ist daher auch hier die Wiederannäherung an die Grenze abzuwarten. 261 Der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen voraus. Soweit durch falsche Angaben gegenüber dem Finanzamt zunächst nur die Erteilung einer Steuernummer begehrt wird, fehlt es an der Steuererheblichkeit der Angaben. Die Schwelle zum Versuch wird nach der Zwischenaktslehre in einem solchen Fall daher erst überschritten, wenn die falsche Steuererklärung beim Finanzamt eingereicht wird (BGH NStZ-RR 2003 20, 21). 119
Dass bei dieser gestreckten und „nahtlos" ineinanderfließenden Annäherung eine „reine" Zwischenaktslehre in Schwierigkeiten gerät, wenn sie ausschließlich auf den „letzten Schritt" vor der Tatbestandshandlung abstellt, ist richtig, kann doch von einer Handlungsunmittelbarkeit zur Ein- oder Ausfuhr sicher auch schon viele Kilometer vor der Grenze gesprochen und dann kaum noch eine sinnvolle Zäsur mehr gesetzt werden. Berücksichtigt man aber, dass es am Versuchsbeginn noch fehlen kann, wenn es trotz Eintritts der Handlungsunmittelbarkeit an der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung noch mangelt (s. Rdn. 114), lassen sich auch diese Fälle befriedigend lösen. Das zeigt eindrücklich die im ganzen zutreffende Rechtsprechung zum Versuch der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, die sich mit den inhaltlichen Aussagen der modifizierten Zwischenaktslehre gut vereinbaren lässt. So betont der BGH ganz zu Recht, dass es am „unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Tatbestandserfüllung" noch fehlt, „wenn der in einem Kraftfahrzeug befindliche Täter noch einige Kilometer bis zur Grenze zu überwinden hat" und dass sich das erst ändert, „wenn er sich kurz vor der Grenze oder der vor ihr eingerichteten Kontrollstelle
260 Vgl. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht BT Rdn. 85 und BGH N J W 1992 3114, der die Frage allerdings offen lässt. Mit einem hier ganz diffusen materiellen Gefährdungskriterium läßt sich naturgemäß schon das aufwendige Herstellen des Gutes in Ausfuhrabsicht oder das Absenden des Transports ganz unabhängig von der Nähe zur Grenze als Versuchsbeginn begründen, s. Tölle NStZ 1997 325, 327 für Fälle der Abfallverschiebung nach § 326 Abs. 2, 4.
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Zu Recht ablehnend daher Berz Jura 1984 516; Hübner J R 1978 4 0 ; Kühl JuS 1980 653; Kratzsch JA 1983, 5 7 8 ; zur Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch im Steuerstrafrecht vgl. auch Meine GA 1978 321; Mösbauer DStZ 1997 5 7 7 und umfassend Höser Vorbereitungshandlung S. 29 ff, 112 ff auf der Grundlage einer kumulativen Vereinigungslehre (S. 28; zum Begriff hier Rdn. 70); krit. zum hier behandelten Fall aaO S. 217 f.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
b e f i n d e t " ( B G H S t 3 6 2 5 0 ; B G H wistra 1 9 9 3 2 6 ) . M u s s der T ä t e r n o c h „hunderte Kilom e t e r " zurücklegen ( B G H N S t Z 1 9 8 3 5 1 ) oder gar n o c h einmal ü b e r n a c h t e n , bevor er die Grenze erreicht ( B G H N S t Z 1 9 8 3 2 2 4 ) , ist hiernach ebensowenig von Versuch zu sprechen wie dann, wenn zwischen dem Aufgeben des mit Betäubungsmitteln versehenen Reisegepäcks und dem Abflug n o c h „mehrere Tage liegen" ( B G H M D R 1 9 9 0 8 4 2 ) . In solchen Fällen k a n n m a n von einer auch unmittelbaren G e f ä h r d u n g des R e c h t s g u t s , nicht aber von einer schon eingetretenen G e f a h r des Vollzugs der Einfuhr s p r e c h e n 2 6 2 . Deshalb ist auch die A n n a h m e , beim T r a n s p o r t von am K ö r p e r befestigten D r o g e n auf dem Luftweg k ö n n e (frühestens) der Beginn des Versuchs a n g e n o m m e n w e r d e n , w e n n der Kurier nach dem Passieren etwaiger K o n t r o l l e n das abflugbereite und D e u t s c h l a n d direkt ansteuernde Flugzeug besteigt ( B G H S t V 2 0 0 5 2 7 2 ) , eher verfrüht. Für Einfuhrdelikte, bei denen die beabsichtigte Steuerverkürzung durch A n g a b e inhaltlich falscher Anmeldungen bei der zollamtlichen Abfertigung bewirkt werden soll, gilt, dass der Versuch erst mit der wahrheitswidrigen, weil z.B. unvollständigen Z o l l a n m e l d u n g beginnt (BGH N J W 2003 3068, 3070). f) Anwendung der Ansatzformel auf Sonderfälle aa) Qualifizierte Tatbestände, zusammengesetzte Delikte und Regelbeispiele. Die frühere Rechtsprechung ging im Verein mit der lange Z e i t h . L . 2 6 3 davon aus, dass der Versuch eines qualifizierten Delikts bereits mit dem unmittelbaren Ansetzen zum qualifizierenden M e r k m a l beginne. D a bei echten Q u a l i f i k a t i o n s t a t b e s t ä n d e n (im G e g e n s a t z zu Regelbeispielen) die Q u a l i f i k a t i o n s m e r k m a l e Teilstücke des Tatbestandes sind, erschien es naheliegend, den Anfang der Ausführung nicht notwendig a u f die T a t h a n d l u n g oder den Grundtatbestand, sondern auf jedes beliebige M e r k m a l des G e s a m t t a t b e s t a n d e s zu beziehen. W a r das qualifizierende M e r k m a l schon erfüllt, ließ sich diese, mit Blick auf den Versuchsbeginn eine formale Gleichwertigkeit aller T a t b e s t a n d s m e r k m a l e unterstellende Auffassung mit dem in der Teilverwirklichungsdoktrin ( R d n . 9 2 ) fortlebenden formell-objektiven Standpunkt (Rdn. 5 5 ) verknüpfen, dass mit der Verwirklichung eines (beliebigen) Tatbestandsmerkmals der Versuchsbeginn nicht m e h r bestreitbar sei. D a s s damit die Versuchsstrafbarkeit bei qualifizierten Delikten gegenüber dem G r u n d d e l i k t u.U. vorverlegt wurde, n a h m m a n in Kauf: D a s Beisichführen einer W a f f e im Vorbereitungsstadium eines D i e b s t a h l s 2 6 4 führte zum Versuch des § 2 4 4 Abs. 1 Nr. 1, o b w o h l der Versuch des einfachen Diebstahls nicht v o r dem unmittelbaren Ansetzen zur Weg-
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Von einer solchen kann man dagegen ausgehen, wenn die letzte Autobahnausfahrt vor der Kontrollstelle passiert wird, vgl. OLG Düsseldorf MDR 1994 1235, „eine Umkehr" also „praktisch ausgeschlossen" ist, eine Formulierung, die KG JR 1981 37 in einem Fall gebraucht, in dem bei der Einreise von einem gefälschten Kraftfahrzeugbrief im Sinne des § 267 Gebrauch gemacht werden soll, nicht aber, wenn es an einer konkreten Verfügungsmöglichkeit des Drogenkuriers über das Transitgepäck bei einer Zwischenlandung im Inland fehlt (nur gegen Vollendung BGH NStZ 2004 693). Zur begrüßenswerten Zurückhaltung der Recht-
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sprechung auch bei Bestimmung des Versuchsbeginns des „Erwerbs" bzw. des „Handeltreibens" im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG s. einerseits BGHSt 4 0 208; BayObLG 1984 25, andererseits BGHSt 30 276; BGH StV 1996 548; krit. zum Ganzen Paeffgen FG BGH IV, S. 722 ff. Vgl. nur RGSt 38 177, 178; 54 42, 43; Busch LK 9 § 43 Rdn. 31; ebenso Baldus LK 9 § 2 4 9 Rdn. 18; Heimann-Trosien LK 9 § 243 Rdn. 47; ferner Wessels FS Maurach, S. 295, 305. Z.B. auf der Fahrt zum Tatort vgl. BGH 5 StR 5 7 3 / 7 0 v. 1.12.1970 zu § 251 a.F.; vgl. dazu Krey AT/2 Rdn. 432.
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
nähme beginnen konnte. Für zusammengesetzte Delikte, die sich - wie der Raub - aus zwei selbständigen Tatbeständen zu einem Sondertatbestand verbinden, hatte diese Auffassung zur Folge, dass das unmittelbare Ansetzen schon zu einem der beiden Tatbestandsteile ohne Rücksicht darauf ausreichte, wann nach der Vorstellung des Täters das Geschehen in die Verwirklichung auch des anderen Teiles einmünden sollte. Nach dem Willen der Verfasser des E 1962 (Begr. S. 144, 403, 409) erstreckte sich diese Lehre schließlich auch auf Tatbestände, bei denen Regelbeispiele zur Strafschärfung führen. „Den Anfang der Ausführung bildet" hiernach bei ihnen „auch eine Handlung, durch die der Täter mit der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals eines Regelbeispiels beginnt oder unmittelbar dazu ansetzt". Hieran sollte auch die z.B. durch „die Ablösung des Erschwerungstatbestandes des § 243 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB durch Regelbeispiele des besonders schweren Falles" entschwundene und vom E 1962 selbst in Anführungszeichen gesetzte Tatbestandsqualität der Regelbeispielsmerkmale nichts ändern. 121
Diese Lehre ist im ganzen zu verwerfen. Sie führt nicht nur zu einer unsachgemäßen Ausweitung der Versuchsstrafbarkeit. Vielmehr missachtet sie auch den Willen des Gesetzgebers, nach dem gerade „nicht irgendein beliebiges Ansetzen zu der Straftat schlechthin" (BTDrucks. V/4095 S. 11), sondern nur ein solches zur Verwirklichung des Tatbestandes ausreichen soll. Versteht man mit der hier vertretenen modifizierten Zwischenaktslehre darunter, dass der Täter das Stadium der Handlungsunmittelbarkeit in Bezug auf die eigentliche Tathandlung erreicht und die Gefahr der (weiteren) Tatbestandsverwirklichung bis hin zu ihrer Vollendung heraufbeschworen haben muss, wird offenkundig, dass selbst die volle Verwirklichung der Qualifikation, eines Teiltatbestandes oder eines Regelbeispiels noch nicht einmal notwendig die erforderliche Handlungsunmittelbarkeit, geschweige denn die beschriebene Gefahr hervorrufen muss. 2 6 5 Es ist daher hier noch deutlicher als in den Fällen der Teilverwirklichung des Grundtatbestandes (s. dazu Rdn. 92 ff) vor einem formalen Automatismus und selbst vor einer Regelwirkung (so aber Heinrich AT I Rdn. 731, 732) zu warnen und die Frage dahin zu stellen, unter welchen Voraussetzungen sich die (beginnende) Verwirklichung (nur) eines erschwerenden Umstandes oder des einen Teils eines zusammengesetzten Delikts als unmittelbares Ansetzen zur (Gesamt-)Tatbestandsverwirklichung im Sinne der modifizierten Zwischenaktslehre darstellt.
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Die Antwort hierauf muss die Ansatzformel unbeschadet formaler Strukturunterschiede bei der Tatbestandsbildung liefern (Vogler LK 10 Rdn. 80). Die Hinzufügung qualifizierender Merkmale kann zu einer speziellen Ausgestaltung des Grunddelikts im Sinne einer unselbständigen Abwandlung führen, wobei die qualifizierende Tätigkeit - wie z.B. die Erschwerung des Löschens nach § 306b Abs. 2 Nr. 3 - der Handlung des Grunddelikts vorangehen oder nachfolgen kann. Sie kann aber auch - wie z.B. beim Raub zur Bildung eines trotz gewisser Übereinstimmung im geschützten Rechtsgut und in der Handlungsbeschreibung eigenständigen, vom Grundtatbestand abgelösten und neu zusammengesetzten Delikts beitragen. Daneben hat der Gesetzgeber vermehrt von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, besondere Merkmale und Handlungen ohne tatbestandliche Ausgestaltung als Regelbeispiele für besonders schwere Fälle zu verwenden. Die jeweilige Methode der Tatbestandsbildung, deren der Gesetzgeber sich bedient, erscheint dabei bisweilen willkürlich, wenn etwa das gleiche Merkmal mal als Qualifizierung, mal als Regelbeispiel dient, wie z.B. das Beisichführen einer Waffe in § 244 Abs. 1 Nr. l a
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Im Ergebnis übereinstimmend Herzberg MK Rdn. 160 ff, der allerdings die zuletzt genannte „unmittelbare Gefahr" der Ver-
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wirklichung des Tatbestandes als „Versuchserfolg" hier weitgehend allein für ausschlaggebend erklärt.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
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einerseits, in §§ 113 Abs. 2 Nr. 1, 121 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 andererseits, bisweilen kriminalpolitisch motiviert, wie z.B. die (Rück-)Umwandlung des Wohnungseinbruchsdiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3) von einem Regelbeispiel zur Qualifikation (s. hierzu BTDrucks. 13/8587 S. 43), hat aber nirgends versuchsspezifische Gründe. Der Entscheidung für eine dieser formalen Strukturen und der darauf beruhenden systematischen Zuweisung zu einer bestimmten Deliktsart können folglich keine sachlichen Vorgaben für die hier zu entscheidende Frage entnommen werden. Ob die (beginnende) Verwirklichung eines hinzugefügten Merkmals schon zum Versuch des qualifizierten eigenständigen oder durch Regelbeispiele ergänzten Tatbestandes führt, kann daher nicht anders als sonst nur danach entschieden werden, ob nach der Vorstellung des Täters der nächste Schritt in die (oder eine von beiden) Tathandlung(en) des (Grund-)Delikts einmünden und die vorgenommene Handlung einen Zustand schaffen soll, der sich als Gefahr der (Gesamt- oder Grund-)Tatbestandsverwirklichung 2 6 6 kennzeichnen lässt. Die Zuordnung zu den verschiedenen Deliktstypisierungen (Qualifikation, eigenständiges zusammengesetztes Delikt, Regelbeispiel) präjudiziert hierzu nichts. Bei qualifizierten Tatbeständen ist von einem Versuchsbeginn hiernach nur dann zu sprechen, wenn die (Teil-)Verwirklichung des erschwerenden Merkmals der letzte Schritt vor der Tatbestandshandlung sein und das Geschehen ohne weitere Verzögerung im ungestörten Fortgang in diese und den etwa geforderten Erfolg einmünden soll. Davon kann in dem von Stree (FS Peters S. 184 f) gebildeten und vielfach aufgenommenen Beispiel des der Brandlegung vorausgehenden Entfernens oder Unbrauchbarmachens von Löschgeräten (§ 307 Nr. 3 a.F.), das heute nach § 306b Abs. 2 Nr. 3 zu beurteilen ist, in der Regel selbst dann nicht die Rede sein, wenn das Inbrandsetzen nicht erst bei späterer Gelegenheit, sondern nach Beendigung der das Löschen erschwerenden oder verhindernden Tätigkeit vorgenommen werden soll, ist doch für das Inbrandsetzen selbst regelmäßig noch das Herbeischaffen, Anlegen und Entfachen des Zündmaterials erforderlich. 267 Auch spricht die „zeitliche Unterbrechung" gegen Versuch, wenn der geplante Einsteigediebstahl nicht unmittelbar nach dem „Losbrechen von Brettern" vonstatten gehen sollte, obwohl nicht zu leugnen ist, dass mit dem Einbruch hiermit begonnen war (s. RG Rechtspr. 7 341). Ebensowenig reicht das Mitsichführen einer Waffe beim Aufsuchen des Tatorts für einen Diebstahlsversuch aus, solange hierin noch nicht ein unmittelbares Ansetzen zur Wegnahme selbst gesehen werden kann (insoweit zutr. RGSt 54 42, 43, 45 zu § 243 Abs. 1 Nr. 5 a.F.). Entschiede man anders, müsste schon die ersichtlich einen Versuch des § 244 Abs. 1 Nr. 2 nicht begründende bloße Bildung einer Diebesbande genügen. Dasselbe gilt für die entsprechenden Raubqualifikationen des § 250; auch der qualifizierte Raub beginnt erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zum Grundtatbestand (vgl. hierzu beim Raub Rdn. 126). Auch hier kann das Mitführen eines geladenen Revolvers auf der Fahrt zum Tatort für sich genommen keinen Versuch begründen, da das Aufsuchen des Tatortes noch bloße Vorbereitungshandlung zu § 249 ist (BGH MDR 1982 1035). Qualifizierende Handlungen können folglich nicht losgelöst vom Grundtatbestand zu einer Vorverlegung des Versuchsbeginns führen. 2 6 8
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Eine Formulierung, die - um es noch einmal zu betonen - nicht mit einem Ansetzen „zur gesamten Tatbestandshandlung einschließlich des Erfolgs" (Roxin JuS 1979 7) oder des „Gesamttatbestandes" (Sch/Schröder/ Eser Rdn. 58; Tröndle/Fischer Rdn. 36) identisch ist, vgl. Rdn. 96.
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Ebenso Sch/Schröder/Eser Rdn. 58; für Versuch z.B. Roxin JuS 1979 7. So - unter Berufung auf notwendige „Synchronisiering" (Geilen Jura 1979, 222) von qualifizierendem Geschehen und Grundtatbestand - Kühl § 15 Rdn. 50; im Grundsatz ebenso Baumann/Weber/Mitsch § 26
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Umgekehrt genügt allerdings auch das unmittelbare Ansetzen zum Grunddelikt nicht ohne weiteres für die Annahme eines Versuchs des Qualifikationstatbestandes, nämlich dann nicht, wenn die qualifizierende Handlung dem Grunddelikt nachfolgt und der Täter mit der (unter Umständen erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehenen) Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals noch nicht begonnen hat. Das gilt auch beim Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts (bedenklich daher B G H N J W 2 0 0 1 1075, 1076; krit. hierzu Eisele N S t Z 2 0 0 1 417, 418; Mitsch JuS 2 0 0 1 751, 754). Hier stellt die Handlungsunmittelbarkeit zum Grundtatbstand noch keinen Zustand her, der als Gefahr der Verwirklichung auch der (Erfolgs-)Qualifikation beschrieben werden könnte. Deshalb beginnt der Täter, der sich anschickt, ein Gebäude in Brand zu setzen, solange noch keinen Versuch nach § 3 0 6 b Abs. 2 Nr. 3, solange er noch nicht zu der nach enstandenem Brand geplanten Erschwerung der Löscharbeiten unmittelbar angesetzt hat. Das bloße Wollen des qualifizierenden Merkmals begründet noch keinen Versuchsbeginn, wenn seine Verwirklichung von einer zusätzlichen Handlung des Täters abhängt. Auch insoweit wird nur der in einer § 2 2 genügenden Weise ins Werk gesetzte Wille bestraft. Aus der Regel, dass für den Versuch der Qualifikation zum Grundtatbestand unmittelbar angesetzt worden sein muss, darf daher nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass aus dem Ansetzen zum Grundtatbestand der Qualifikationsversuch ohne weiteres folge. Selbst die Verwirklichung des Grundtatbestandes reicht für den Versuchsbeginn nicht notwendig aus. Macht der Täter eine falsche Aussage (§ 153) in der Absicht, sie gegebenenfalls zu beschwören, wird mit Recht für den Versuchsbeginn des Meineides verlangt, das unmittelbare Ansetzen zum Eid abzuwarten 2 6 9 .
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Nichts anderes gilt für § 2 5 2 , auch wenn dieser Tatbestand nicht als qualifizierter Diebstahl, sondern als ein selbständiges raubähnliches Delikt angesehen wird. Versuchter räuberischer Diebstahl setzt daher voraus, dass der Täter zur Gewaltanwendung oder Drohung angesetzt h a t . 2 7 0 Solange das nicht geschieht, führt die bloße Absicht, sich mit Raubmitteln im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, falls der Täter auf frischer Tat betroffen wird, noch nicht über die Vorbereitung hinaus. Dass das Hinzutreten zusätzlicher Merkmale im Falle des § 3 0 6 b zu einer Qualifikation und bei § 2 5 2 zu einem eigenständigen Delikt führt, ist für die Frage der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch im Ergebnis belanglos. In beiden Fällen stehen die erschwerenden Tätigkeiten zur Handlung des Grundtatbestandes nicht in einem Verhältnis, in dem man die Handlungsunmittelbarkeit zur letzteren zugleich auch als eine solche zu den qualifizierenden Handlungen verstehen könnte. Sie sind kein von einem einheitlichen Willensimpuls getragenes, gleichsam mechanisches Bindeglied einer annähernd automatisch ablaufenden Handlungskette (s. Rdn. 112). Vielmehr beruht das Erschweren des Löschens, das Verteidigen der Beute mit Raubmitteln oder auch das Beeiden auf einem selbständigen Entschluss, dessen Umsetzung in die Tat mit der Verwirklichung des „Grundtatbestandes" nicht zusammenfällt.
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Rdn. 51a; Gropp § 9 Rdn. 37a; Jakobs 25/70; Lackner/Kühl Rdn. 10; Rath JuS 1999 140; Roxin AT II § 29 Rdn. 170 f; Sch/Schröder/Eser Rdn. 58; Stratenwerth/ Kuhlen § 11 Rn 43; Wessels/Beulke Rdn. 607; Zaczyk NK Rdn. 53; grundlegend Stree FS Peters (1974) S. 186 f. Jescheck/Weigend S. 516; Rath JuS 1999 141; Roxin JuS 1979 8; Sch/Schröder/Eser Rdn. 58; Wessels/Beulke Rdn. 606; speziell
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zum Versuch des Nacheides vgl. Rudolphi SK S 154 Rdn. 11 m.w.N.; zum Ganzen vgl. auch Eisele Regelbeispielsmethode S. 299 f, der diese Grundsätze auch auf die Regelbeispiele des § 243, die er als Tatbestände behandelt (S. 163 ff, 189 f), anwenden will; ders. JA 2006 314. Arzt JuS 1972 578; Gropp § 9 Rdn. 37c; Kühl § 15 Rdn. 49; Rudolphi SK Rdn. 18.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
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Für das zusammengesetzte Delikt gelten die getroffenen Aussagen entsprechend. Das bedeutet für den hier im Mittelpunkt stehenden Tatbestand des Raubes, dass weder das unmittelbare Ansetzen zur Gewaltanwendung oder Drohung noch das zur Wegnahme oder deren jeweiliger Vollzug zwingend den Versuchsbeginn auslösen. Es ist daher unzutreffend, wenn das Reichsgericht (St 6 9 327, 329) aus dem Charakter des Raubes als zusammengesetztem Delikt folgert, dass mit der „Ausführung dieses Verbrechens schon begonnen ist, sobald eine Handlung vorgenommen wird, die zur unmittelbaren Verwirklichung auch nur eines dieser mehreren Tatbestandsmerkmale gehört". Gewiss stellt die Gewaltanwendung bereits den Beginn des Angriffs auch auf den Gewahrsam des Opfers dar, wenn der nächste Schritt die Wegnahme sein und nach der Vorstellung des Täters die Beraubung daher in unmittelbarer zeitlicher Abfolge und ungestörtem Fortgang der eingeleiteten Nötigung folgen soll. Dann ist durch die Handlungsunmittelbarkeit zur erschwerenden (Gewalt-)Handlung schon die Gefahr der Verwirklichung des Gesamttatbestandes heraufbeschworen. Ebenso gewiss ist aber, dass das Einschließen des Opfers dann mangels einer solchen unmittelbaren Gefahr einen Raubversuch trotz der darin liegenden Gewaltanwendung noch nicht begründet, wenn der Täter erst nach Tagen zurückkehren und den zermürbten und geschwächten Gewahrsamsinhaber erst dann um seine Habseligkeiten bringen will. 2 7 1 Das ist für den umgekehrten Fall allgemeine Meinung, in dem der Täter bei Beginn der Wegnahme entschlossen ist, diese notfalls mit Gewalt durchzuführen, dieser Entschluss aber noch nicht in der kritischen Situation des „Jetzt-geht-es-los" die Feuerprobe bestanden hat. Neben der wie beim qualifizierten Delikt (s. Rdn. 124) geltenden Einsicht, dass das die Wegnahme erschwerende Moment keine quasi automatische und ohne neuen Willensimpuls eintretende Folge des begonnenen Gewahrsamsbruchs ist, folgt das zutreffende Ergebnis hier auch aus der Existenz des § 2 4 4 Abs. 1 Nr. 1, der sonst weitgehend überflüssig w ä r e . 2 7 2 Diese Einsichten sind auf alle mehraktige Delikte übertragbar. So macht es ersichtlich keinen Unterschied, ob das schon eingeschlossene Opfer später beraubt oder ob es zur Duldung sexueller Handlungen genötigt (§ 178 Abs. 1 Nr. 1) werden soll.
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Nichts anderes kann schließlich dort gelten, wo Regelbeispiele für besonders schwere Fälle zur Strafschärfung führen (vgl. vor § 2 2 Rdn. 141 f). Das wird in der Rechtsprechung nicht selten verkannt. So „ist der strafbare Versuch dann in den Fällen des besonders schweren Diebstahls nach §§ 2 4 2 , 2 4 3 Abs. 1 Nr. 1 S t G B " für das O L G H a m m ( M D R 1976 155 mit abl. Anm. Hillenkamp M D R 1 9 7 7 2 4 2 f) erreicht, „sobald der Täter mit der Verwirklichung des Erschwerungsgrundes beginnt, insbesondere sobald er zur Tatausführung in das Gebäude bzw. den umschlossenen Raum eindringt" (ebenso E 1962 Begr. S. 144). Das soll gelten, auch wenn der über eine Mauer in den vorderen H o f einer Gaststätte gelangte Dieb vom Sims einer zweiten Mauer erst noch Ausschau hält, ob er aus dem hinter der Mauer liegenden Hofteil oder dem angrenzenden Gebäude etwas stehlen könnte. Noch früher, nämlich schon mit dem Lösen einer Bleiumbördelung eines Seitenfensters, durch das der Dieb einsteigen will, soll nach BGHSt 33 3 7 0 der
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Anders die wohl überwiegende Ansicht, wenn nach ihr das unmittelbare Ansetzen zur Gewalthandlung oder das Verwirklichen dieses ersten Aktes stets zum Raubversuch führen soll, so z.B. Jescheck/Weigend § 49
IV 4; Kühl § 15 Rdn. 48; Puppe AT/2 § 35 Rdn. 40; Sch/Schröder/Eser Rdn. 38; Vogler LK 1 0 Rdn. 84 mit Rdn. 52. Wie hier aber
Frister Rdn. 23/40; Gropp § 9 Rdn. 37b; Wessels/Beulke Rdn. 605; Zaczyk NK Rdn. 52.
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Arzt JuS 1972 578; Kühl § 15 Rdn. 49; Kindhäuser FS Triffterer, S. 135; Rath JuS 1999 140; Sch/Schröder/Eser Rdn. 38; Stree FS Peters, 1974 S. 190.
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2 . Abschnitt. Die Tat
Diebstahl beginnen, weil auch der vormalig als Verbrechen eingestufte schwere Diebstahl als versucht galt, sobald der Täter zur Verwirklichung des Einbruchs angesetzt hatte, selbst wenn er nicht einmal dieses Merkmal dann noch erfüllte (aaO 373). Diese Begründung fußt auf der auch im Bereich der Regelbeispiele unzutreffenden (s. Rdn. 121) formal-objektiv geprägten Annahme, dass die beginnende (Teil-)Verwirklichung gesetzlicher Merkmale ohne Blick auf die Nähe zur Tathandlung der Ansatzformel nicht nur genüge, sondern zu ihrer Bejahung geradezu nötige. Das ist hier aber nicht anders als in Fällen der Qualifikation oder zusammengesetzter bzw. mehraktiger Delikte ein Trugschluss. Auch bei der Ausführung von Regelbeispielen ist die entscheidende Frage, ob sich darin ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des „Grundtatbestandes" zeigt. 273 Das ist in den zitierten Beispielen zu verneinen, in denen dem Beginn der Wegnahme noch weitere Zwischenschritte vorgelagert waren. Noch weniger kann der Versuch einer durch ein verschlossenes Behältnis gegen Wegnahme besonders gesicherten Sache darin liegen, dass der Täter in der Absicht, die so gesicherte Sache zu entwenden, einen Verkaufsraum betritt, bei Inaugenscheinnahme des Behältnisses (nämlich der Ladenkasse) aber feststellt, dass dieses offensteht und sich darin keine Gegenstände (keine Geldscheine) mehr befinden (aA BayObLG J Z 1999 36 mit abl. Anm. Wolters).274 In diesem Zusammenhang ist nicht einmal die modifizierte Behauptung, die (Teil-)Verwirklichung des Regelbeispiels sei zumindest indiziell für das unmittelbare Ansetzen zur Wegnahme, allgemein richtig. So ist schon nicht ersichtlich, was die in § 243 Abs. 1 S. 2 Nrn. 2 - 7 genannten Regelfälle zur hier behandelten Frage überhaupt beitragen können (s. schon vor § 22 Rdn. 142). Aber auch beim Regelbeispiel der Nr. 1 ist die Verkürzung des Problems, die in der Gleichsetzung von „versuchtem" oder „vollendetem" Regelbeispiel mit dem Versuch des Diebstahls liegt, nur dann unbedenklich, wenn nach dem Einbrechen, Einsteigen oder Eindringen (wie in BGH StV 1985 103 mit krit. Anm. Arzt) als nächster Schritt der Gewahrsamsbruch geplant ist. Fehlt es daran, führt der offenbar unterstellte, in der Lebenswirklichkeit aber oft nicht vorhandene und daher nur fingierte „Automatismus" in die Sackgasse (Hillenkamp M D R 1977 243). 2 7 5 Im Bereich der Regelbeispiele tritt schließlich ein „formaler" Grund hinzu, das Ansetzen zu ihrer Verwirklichung für den Versuchsbeginn nicht ausreichen zu lassen. § 22 verlangt das unmittelbare Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes. Regelbeispielen fehlt aber die Tatbestandsqualität.276 Darüber kann auch die - ohnehin zweifelhafte Überlegung nicht hinweghelfen, dass Regelbeispiele „sich im Wesen nicht tiefgreifend von selbständigen Qualifikationstatbeständen unterschieden". Vielmehr ist der hieraus gezogene Schluss, es liege nahe, „die Regelbeispiele" namentlich „der besonders schwe-
273
Heute h . M . , s. Bautnann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 5 2 ; Gropp § 9 Rdn. 3 7 a ; Joecks § 2 4 3 Rdn. 4 5 ; Krey A T / 2 Rdn. 4 3 2 ; Kühl § 15 Rdn. 5 4 ; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 172 (missverständlich aber Rdn. 145); Rudolphi SK Rdn. 18; Sch/Schröder/Eser Rdn. 5 8 ; Wessels/Beulke Rdn. 6 0 7 ; Wessels/Hillenkamp Rdn. 2 0 9 ; die Parallelität zum Ansetzen zur Qualifikation zeigt sich deutlich bei Eisele Regelbeispielsmethode S. 2 9 7 ff, der die hier vertretene Linie vollständig teilt, obwohl er die benannten Regelbeispiele als „Merkmale des Gesamttatbestandes" ansieht (S. 1 6 3 ff, 189); ders. JA 2 0 0 6 313.
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Krit. auch Geppert J K 9 8 StGB § 2 4 3 / 3 ; Graul JuS 1 9 9 9 8 5 2 ; Sander/Malkowski NStZ 1 9 9 9 36; Wessels/Hillenkamp Rdn. 2 0 8 .
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So etwa, wenn nach dem Aufbrechen der Dielenbretter mit dem Einsteigen noch einige Tage zugewartet werden soll, vgl. RG Rechtspr. 7 3 4 1 ; zu Recht zurückhaltend gegenüber der „Regelwirkung" daher auch Kühl $ 15 Rdn. 5 4 ; Rudolphi SK Rdn. 18.
276
Anders Eisele Regelbeispielsmethode S. 163 ff, 1 8 9 f, der den hier erhobenen Einwand daher nicht teilt (S. 2 9 7 f).
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Begriffsbestimmung
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ren Diebstahlsfälle, insbesondere das Einbrechen nach § 2 4 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB ... im Ergebnis wie ein Tatbestandsmerkmal zu behandeln" (BGHSt 33 3 7 0 , 374), jedenfalls im hier erörterten Zusammenhang neben der schon sachlich verfehlten Erweiterung des für den Versuchsbeginn maßgeblichen Anknüpfungspunktes ein kaum zu leugnender Verstoß gegen das Analogieverbot. 2 7 7 Es muss daher hier erst recht bei den für die an dieser Stelle behandelten Sonderfälle entwickelten Regeln verbleiben. Deshalb ist es richtig, wenn der B G H (StV 1996 147) im auch hier umkehrbaren Fall (s. Rdn. 124, 126), in dem die Täter zur Gefangenenmeuterei bereits angesetzt hatten, von einer Einbeziehung des erst für ein späteres Stadium geplanten, aber noch nicht nahegerückten Beisichführens von Schusswaffen (§ 121 Abs. 3 Nr. 1) absah. bb) Alternativfälle. Auch für die von Vogler (LK 1 0 Rdn. 86 f) im Anschluss an Roxin (JuS 1979 8 f) erörterten Alternativfälle bietet die modifizierte Zwischenaktslehre eine sachangemessene Lösung. Unter einem Alternativfall ist die Sachverhaltsgestaltung zu verstehen, in der der Täter als Übel die Ausführung einer in der Regel schweren Straftat gegen das Opfer der Nötigung androht, falls dieses nicht zu der vom Täter verlangten Handlung bereit ist. Dabei macht der Täter - wie etwa mit der Drohung „Geld oder Leben" - die Ausführung der angedrohten Tat von der Weigerung des Opfers abhängig, dem Täterbegehren nachzukommen. Ist er für diesen Fall zur Tat entschlossen, handelt es sich um einen Fall des Tatentschlusses auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage (s. Rdn. 4 4 ) , der eine hinreichende Tatentschlossenheit aufweist. Die Frage allerdings, ob dann - im Beispiel - nicht nur versuchter Raub oder versuchte räuberische Erpressung, sondern auch bereits ein Mordversuch vorliegt, ist mit dieser Feststellung nicht beantwortet, da auch Vorbereitungshandlungen ein zureichender Tatentschluss zugrunde liegen kann (s. Rdn. 50). Über die Antwort besteht - wie auch die forensische Praxis zeigt 2 7 8 - gleichwohl Einigkeit. Der Versuch der in Aussicht gestellten Tat liegt erst dann vor, wenn sich das Opfer der Nötigung widersetzt und der Täter sich nunmehr anschickt, seine Drohung auszuführen.
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Dieses zutreffende Ergebnis zu begründen, fällt freilich nach vielen die Ansatzformel konkretisierenden Aussagen schwer. So erscheint es wenig überzeugend, auf dem Boden einer These, die den rechtserschütternden Eindruck des Täterverhaltens dann für einen Versuchsbeginn in Anspruch nimmt, wenn die nötige Beziehung zur Sphäre des Opfers und der zeitliche Zusammenhang zur Tatausführung hergestellt sind, in einem Fall noch nicht vom Anfang des Mordversuchs zu sprechen (so i.E. aber gleichwohl Roxin JuS 1 9 7 9 9), in dem der Bedrohte mit der Pistole an der Schläfe zur Herausgabe des Geldes aufgefordert wird. Auch müsste man wohl von einem unmittelbaren Ansetzen auch schon zum Töten ausgehen, wenn man den Übergang des Täters von der Anerkennung zur Verletzung des betroffenen Rechtsguts für maßgeblich und dafür das „In-den-GriffBekommen" dieses Rechtsguts für kennzeichnend hält (so Zaczyk Unrecht S. 2 2 9 ff, 311, 327, s. dazu Rdn. 75). Eine Rechtsgutsgefährdung ließe sich auf der Grundlage der Vorstellung vom Ablauf der Tat ebensowenig leugnen, wie ein Angriff, der nicht nur zum Schutz des Vermögens, sondern auch schon des Lebens zur Verteidigung berechtigte (s. dazu Rath JuS 1 9 9 8 1008 f; Rdn. 76). Auch eine Zwischenaktslehre, die ohne Modifikationen allein auf den letzten Schritt vor der Tathandlung abhöbe, täte sich schwer, die
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Abi. daher Hillenkamp
M D R 1977 242;
Kühl § 15 Rdn. 53; Küper JZ 1986 524.
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Vgl. BGH 3 StR 479/81 v. 2 2 . 0 2 . 1 9 8 2 : Verurteilung der Täter nur wegen Versuchs
nach §§ 253 ff; im Ergebnis ebenso Roxin
JuS 1979 8 f; Vogler LK 10 Rdn. 86 f.
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2. Abschnitt. Die Tat
Handlungsunmittelbarkeit zu verneinen, da bei Eintritt der Bedingung der nächste A k t die Tatausführung wäre. In Wahrheit liegt Handlungsunmittelbarkeit in einem solchen Fall auch schon vor; sie lässt sich nicht damit verleugnen, dass in ihre Beurteilung auch H a n d l u n g e n anderer Personen einschließlich des Tatopfers selbst einzubeziehen seien, wenn der T ä t e r sein tatbestandsmäßiges Verhalten hiervon abhängig m a c h e und an solche Handlungen erst anknüpfen wolle (so aber Vogler L K 1 0 R d n . 8 7 ) ; denn darüber, was der nächste Schritt des Täters wäre, kann nicht das Setzen der Bedingung durch andere, sondern nur sein eigenes Verhalten nach Eintritt der Bedingung entscheiden. M a ß g e b l i c h gegen den Beginn der erst in Aussicht gestellten Tat spricht vielmehr, dass die vom T ä t e r hergestellte Abhängigkeit der Tatausführung von einer Entscheidung des Opfes das Entstehen einer nach der hier vertretenen modifizierten Zwischenaktslehre zusätzlich geforderten Gefahr der Tatbestandsverwirklichung (Rdn. 110 ff) so lange verhindert, solange das O p f e r seine Entscheidung nicht t r i f f t . 2 7 9 So lange ist das Angriffsmittel nur zur Willensfreiheit, nicht aber zum Leben in eine „tätige Beziehung" gesetzt, die in ungestörtem Fortgang zur Verletzung führen soll. Es liegt hier nicht anders als in dem Falle, in dem sich die v o m T ä t e r erwünschte Situation erst noch einstellen muss, bevor er „loszuschlag e n " gedenkt (s. R d n . 115). W i r d dem O p f e r „Geld oder (Geld und) L e b e n " abgefordert, stellt der an der Schläfe aufgesetzte L a u f zwar die Handlungsunmittelbarkeit zur T ö t u n g her, bedeutet aber so lange keine unmittelbare Gefahr der Tatbestandsverwirklichung, solange das O p f e r in der ihm vom T ä t e r belassenen Zeit keine Entscheidung trifft. 131
cc) Beendeter Versuch. W e r nach seiner Vorstellung von der Tat alles getan hat, was ihm zur Vollendung des Delikts erforderlich erscheint, hat nach dieser an Frank (§ 4 3 Bern. IV) angelehnten Formel den Versuch bereits beendet. Die in der 9. Auflage dieses K o m m e n t a r s noch bei Busch (§ 4 3 R d n . 3 3 a ) zu findende und auf den ersten Blick auch naheliegende Folgerung, dass „eine Ausführungshandlung" zweifelsfrei vorliege, „wenn zum Eintritt des Erfolges keine weitere Betätigung des T ä t e r s ... g e h ö r t " , entsprach daher lange Zeit einer nicht weiter hinterfragten Meinung. Sie wurde freilich schon vom Reichsgericht in den beiden dort zitierten Entscheidungen in die von ihm auch für den unbeendeten Versuch gebrauchte Aussage eingebunden, dass der T ä t e r in solchen Fällen bereits eine Tätigkeit entfaltet habe, die bei ungestörtem F o r t g a n g zur Verwirklichung der Tathandlung geführt hätte und daher nach natürlicher Auffassung als deren Bestandteil erscheine ( R G S t 5 9 1; 6 6 141). D e r Beginn des Versuchs wurde für beide Versuchsformen folglich an einer einheitlich geltenden und aus § 4 3 a.F. abgeleiteten Formel gemessen, n a h m aber beim beendeten Versuch an der eigentlichen P r o b l e m a t i k der Abgrenzung nur wenig teil; denn w o der T ä t e r nichts m e h r beisteuern musste, schien sein Eintritt in das Versuchsstadium zweifelsfrei.
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Diese Ansicht hat zwar Z u s t i m m u n g erfahren ( H e r z b e r g M D R 1 9 7 3 8 9 ff; Puppe A T / 2 § 3 5 R d n . 3 9 ; ähnlich Blei J A 1 9 7 5 1 6 7 f), ist aber durch die zum „Anfang des beendeten Versuchs" grundlegende Arbeit von Roxin (FS M a u r a c h S. 2 1 3 ff) zugunsten einer differenzierenden A u f f a s s u n g 2 8 0 in die Minderheit geraten. N a c h ihr ist die Ansatzformel in ihrer in erster Linie auf den unbeendeten Begehungsversuch zugeschnittenen F o r m (s. R d n . 8 6 ) nur auf den Fall anwendbar, dass der T ä t e r wie beim beendeten Ver-
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Ähnlich i.E. Spielmann S. 97 f, 133 ff, der sich mit dem hier schon in der Vorauflage entwickelten Standpunkt nicht befasst hat. Herzberg MK Rdn. 105 verneint das unmittelbare Ansetzen zum Mord im Anschluss an Schlehofer Vorsatz S. 39 mit der „hoch-
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effizienten Gefahrabschirmung", die im Lebenswillen des Bedrohten liege. Für die Roxin FS Maurach, S. 214; ders. JuS 1979 9 selbst erste Ansätze bei Schmidhäuser AT 1. Aufl. 1970 Rdn. 15/490 und Aufnahme in der 2. Aufl. 1975 Rdn. 15/52 sah.
Thomas Hillenkamp
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s u c h 2 8 1 zwar alles nach seiner Vorstellung Erforderliche getan, den Kausalverlauf a b e r noch nicht aus seinem Herrschaftsbereich entlassen hat. So verhalte es sich etwa, w o die die todbringende Vergiftung ihres M a n n e s planende E h e f r a u die vergiftete Suppe schon gekocht und auf der W ä r m e p l a t t e bereitgestellt habe, von der sie sich ihr M a n n n a c h der R ü c k k e h r von der Arbeit zu holen pflege, dann, wenn die F r a u das Eintreffen des M a n nes abwarten und sein Verhalten b e o b a c h t e n wolle. D a hier die G e s c h e h e n s e n t w i c k l u n g wie beim unbeendeten Versuch noch unter der K o n t r o l l e des T ä t e r s verbleibe, bestehe kein Anlass, den Versuchsbeginn früher als dort - nämlich vor einer u n m i t t e l b a r e n Gefährdung des z.B. n o c h gar nicht heimgekehrten E h e m a n n e s - anzusetzen, nur weil die Ehefrau nichts mehr zu vollbringen habe. Vielmehr trete hier der Versuchsbeginn erst in einer dem A n f a n g des unbeendeten Versuchs analogen Lage ein. Serviere die F r a u üblicherweise das Essen, sei nach seiner Zubereitung das Auftragen der M a h l z e i t durch sie, nehme es sich der E h e m a n n unter Aufsicht der Ehefrau selbst, dann eben das „entsprec h e n d e " Sich-Holen der Suppe abzuwarten ( R o x i t i A T II § 2 9 R d n . 2 0 5 ff). Anders liege es dagegen dann, wenn der T ä t e r nach Abschluss seiner Tätigkeit das Geschehen aus der H a n d gebe und damit die K o n t r o l l e über den auf die Tatvollendung zulaufenden K a u salstrang verliere. Z u dieser Variante gebe es beim unbeendeten Versuch keine entsprechende Alternative. D a hier die maßgebliche Entscheidung über das O b der Tat bereits im Augenblick der Herrschaftspreisgabe falle, entstehe mit dem D u r c h l a u f e n dieser Feuerprobe der rechtserschütternde Eindruck auch schon zu diesem Z e i t p u n k t . Für den Versuchsbeginn seien daher hier die Voraussetzungen von zeitlicher N ä h e des Erfolgseintritts oder einer unmittelbaren Gefährdung des O p f e r s entbehrlich. Entferne sich die Ehefrau vor dem Eintreffen des M a n n e s , um erst nach seinem Tod zurückzukehren, sei mit dem Verlassen des Hauses zum T ö t e n unmittelbar angesetzt (Roxin A T II § 2 9 Rdn. 196 f f ) . 2 8 2 W ä h r e n d sich zur Anwendung der Ansatzformel auf die erste Variante heute (zu Recht) kein W i d e r s p r u c h mehr f i n d e t , 2 8 3 stößt die „ S o n d e r b e h a n d l u n g " der zweiten Variante a u f beachtliche Kritik. Diese wendet sich im K e r n dagegen, im Entlassen des Geschehens aus der Herrschaftssphäre ganz unabhängig von der Vorstellung des T ä t e r s vom weiteren Ablauf der Tat die stets entscheidende Z ä s u r zu sehen und damit selbst dann, wenn nach den Kriterien zum unbeendeten Versuch n o c h alles für Vorbereitung spräche, ausnahmslos Versuch anzunehmen. „Eine so weite Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit e r s c h e i n t " der Kritik „nicht s a c h g e r e c h t " ( B G H S t 4 3 177, 1 8 2 ) . U m dem entgegenzusteuern, wird vorgeschlagen, den A n f a n g des beendeten Versuchs a u c h in der zweiten Variante der Herrschaft der Ansatzformel zu unterwerfen. D a n n kehrt hier naturgemäß die zur Abgrenzung von der Vorbereitung zum Versuch allgemein vorfind-
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Die Einfügung des „wie" verdeutlicht, dass es trotz Vornahme des für nötig Gehaltenen eben unter Umständen noch kein beendeter Versuch ist, dessen Vorliegen das Verlassen des Vorbereitungsstadiums ja voraussetzt, vgl. zu dieser präziseren Terminologie Lackner/Kühl Rdn. 8. Roxin verzichtet aufgrund seiner Abkehr von der Eindruckstheorie (AT II § 29 Rdn. 46 ff) nunmehr auf aus ihr abgeleitete Argumente; der Ursprungsansicht Roxins zust. z.B. Gropp § 9 Rdn. 37d, e; Jescheck/ Weigend § 4 9 IV 5; Rudolphi SK Rdn. 19;
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Wessels/Beulke Rdn. 603; s. auch Sch/ Schröder/Eser Rdn. 42; bei erkanntem Fehlen einer „Kompensation" der „Schädigungsmöglichkeit" auch Guhra Verhalten S. 130 f. Herzberg hat sich zum Versuch in mittelbarer Täterschaft später der Roxinschen Lehre angeschlossen, s. Herzberg JuS 1985 1, 6 ff, widerspricht aber der „Entlassungstheorie" jetzt in MK Rdn. 134; die zitierten Entscheidungen RGSt 59 1; 66 141 standen von vornherein auf diesem Standpunkt.
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2. Abschnitt. Die Tat
bare Vielfalt der Lösungsvorschläge zurück. So verlangt etwa Vogler (LK10 Rdn. 76) auch hier, dass sich „die zu beurteilende Handlung ... sprachlich und sachlich in der Weise in den Tatbestand einbeziehen lassen" müsse, „dass sie durch den dem Tatbestand immanenten Verbotssinn materiell erfasst" werde. Das aber lasse sich von dem Zubereiten und Bereitstellen der vergifteten Speise ganz unabhängig davon, ob der Täter in der Nähe der Gefahrenquelle verweile oder nicht, gerade noch nicht sagen. 284 Otto (AT § 18 Rdn. 33, 43) will die von ihm bevorzugte Gefährdungsformel „für alle Versuchskonstellationen" verwenden und stimmt daher in Fällen der zweiten Variante der von Gössel (JR 1976 250) geforderten Voraussetzung zu, das Opfer müsse sich für den Beginn des Versuchs erst noch „in den Wirkungskreis des Tatmittels begeben". 285 Für Rath (JuS 1998 1110 f) ist beim beendeten Versuch nicht anders als beim unbeendeten entscheidend, ob im Moment des Abschlusses der Täterhandlung schon eine spezifische, dem Angriff auf das Rechtsgut korrespondierende Verteidigungshandlung erforderlich sei. Davon könne man auch nach Aufgabe der Herrschaft über das Geschehen in pauschaler Weise nur unzulässig vergröbernd reden. 134
Dem Ausgangspunkt dieser Kritik, mit dem sie sich gegen die generelle oder doch partielle Dispensierung der Ansatzformel wendet, ist zuzustimmen. Auch wenn die Formel in erster Linie auf das Leitbild des unbeendeten Begehungsversuchs zugeschnitten sein mag (s. Rdn. 86), kann man sie doch für andere Erscheinungsformen des Versuchs nicht einfach „ersetzen" (so aber Jescheck/Weigend § 49 IV 4). Das gilt namentlich dann, wenn man mit diesem Verfahren die Absicht des Gesetzgebers verfehlt, den Versuchsbeginn wieder deutlicher an die Verwirklichung des Tatbestandes heranzuführen. Das aber geschieht, wenn man in Fällen, in denen der Täter seinen aktiven Beitrag in einem früheren Zeitpunkt abschliesst, pauschal oder jedenfalls dann, wenn das weitere Geschehen aus der Hand gegeben wird, ohne Blick auf dieses weitere Geschehen Versuch bejaht (zutreffend BGHSt 43 177, 181 f). Zwar mag es so sein, dass sich der „rechtserschütternde Eindruck", der nach der Eindruckstheorie „den Strafgrund des Versuchs bildet", bei einer Entlassung des Geschehens aus dem eigenen Herrschaftsbereich aufdrängt. Aber hiervon kann der Eintritt in den Versuch nicht abhängen. Denn einerseits lässt sich kaum leugnen, dass der in den Tatplan eingeweihte objektive Beobachter - wie es bei besonders „beunruhigenden" Vorbereitungshandlungen regelmäßig der Fall sein wird - in seinem Rechtsbewusstsein nicht weniger erschüttert wäre, wenn der Ehemann schon heimgekehrt und vom versuchsbegründenden Holen der Suppe unter den Augen der Ehefrau nur noch durch das Wechseln der Schuhe abgehalten ist. Differenzierende Kraft eignet dem Eindrucksgedanken folglich nicht. Und andererseits vermag auch eine noch so „unerträglich" (Roxin AT II § 29 Rdn. 201) erscheinende „Sanktionslosigkeit" ein Geschehen nicht in das Versuchsstadium zu überführen, wenn den gesetzlichen Vorgaben unmittelbaren Ansetzens zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht Genüge getan ist (ebenso Herzberg MK Rdn. 169). 286 Es ist deshalb richtig, hier wie sonst nach dem
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Murmann Versuchsunrecht S. 16 ff betont wie Vogler, dass es um eine Frage der „Tatbestandsauslegung" gehe, gelangt aber dann zum selben Ergebnis wie Roxin. Krit. hierzu Roxin JuS 1979 10; ders. AT II § 29 Rdn. 196 ff; die Formulierung ist in BGHSt 43 177, 181 aufgegriffen und mit der so nicht zutreffenden (vgl. Rdn. 66) Behauptung untermauert, der Gesetzgeber habe sich mit der Aufnahme des Unmittelbarkeits-
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kriteriums in § 22 „dazu bekannt, daß die Strafbarkeit des Versuchs nicht völlig losgelöst von einer Gefährdung des Rechtsguts" zu bestimmen sei. AA Roxin JuS 1979 10; gegen dessen weiteres Argument, es hänge sonst nicht vom Täter, sondern vom Opfer ab, wann zur Tat angesetzt werde (Roxin AT II § 29 Rdn. 197), s. vorerst BGHSt 43 177, 181 f; gegen das Argument, das Versuchsstadium
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Text des § 22 zu entscheiden und die Ansatzformel auch hier zu bemühen. Dabei versteht sich von selbst, dass die vom „Normalfall" abweichende Struktur in ihre Anwendung einfließt (s. Rdn. 86). Hierzu muss die an den individuell-materiellen, sich vor allem auf den Gefährdungs- 1 3 5 gedanken stützenden, 287 oder den neben der Eindruckstheorie auf Harmonisierung von Strafgrund und Versuchsbeginn bedachten Auffassungen über die Bedeutung der Ansatzformel geübte Kritik (s. Rdn. 77 ff) an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Vielmehr ist auf der Grundlage der hier entwickelten modifizierten Zwischenaktslehre (Rdn. 77, 85) der „Anfang des beendeten Versuchs" zu bestimmen. Maßgeblich ist danach, ob mit dem abgeschlossenen aktiven Täterverhalten 288 die gebotene Handlungsunmittelbarkeit (Rdn. 103 ff) hergestellt und die Gefahr der Verwirklichung des Tatbestandes (Rdn. 110 ff) eingetreten ist. Dabei bleibt es namentlich im Hinblick auf diese Gefahr einerseits hilfreich, bei der von Roxin (FS Maurach S. 213 ff) herausgearbeiteten Zweiteilung der Fälle zu bleiben und daher die nach der Einstellung der Täteraktivität noch beherrschten von den vom Täter jedenfalls nicht mehr kontrollierten Verläufe zu unterscheiden. Andererseits sollte man - um die (scheinbare oder wirkliche) Nähe zu unterschiedlichen verwandten Strukturen deutlicher hervortreten zu lassen - eine weitere Unterscheidung voranstellen, die sich danach richtet, ob sich der weitere Verlauf des Geschehens aus dem vom Täter angelegten Kausalstrang gleichsam von selbst ergibt oder ob die Mitwirkung des Opfers vonnöten ist. Dass bei allen Konstellationen die Vorstellung des Täters vom Ablauf des Geschehens und seiner (Erfolgs-)Tauglichkeit die maßgebliche Beurteilungsgrundlage ergibt (s. Rdn. 87 ff), sei der Vollständigkeit halber erinnert. Fasst man zunächst die Fallgruppe ins Auge, in der der Täter nach Abschluss seiner 136 Tätigkeit auf eine „Erfolgsautomatik" baut, ist die Handlungsunmittelbarkeit nicht zu leugnen. Wer eine Zeitbombe installiert, die die schon an Bord befindlichen Insassen eines Flugzeugs nach dem in 2 Stunden zu erwartenden Start und einer 12stündigen Flugzeit in der Luft zerreißen soll, muss zum Töten durch eine Bombe keinen Zwischenschritt mehr gehen. Wer ein Ventil am Freitag so einstellt, dass es sich am Sonntagabend öffnet, damit das Sich-Ergießen verseuchter Abwässer in den Rhein wie ein wochenendlicher Betriebsunfall aussieht, muss zur Gewässerverunreinigung nichts mehr tun. In beiden Fällen gibt es auch kein Verhalten eines Opfers, das die tatbestandsrelevante Tätigkeit noch vervollständigen müsste. 289 Elemente mittelbarer Täterschaft, deren Zurechnungsstruktur die Handlungsunmittelbarkeit noch „aufhalten" könnte, fehlen. Das spricht für Versuch wie auch, dass sich die Tatbestandsverwirklichung nach der Vorstellung des Täters hier sicher vollzieht. Es ist von Gewissheit zu reden. Gegen Versuch spricht aber, dass die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung nach der Ablaufsvorstellung des Täters
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trete anderenfalls möglicherweise in einem Zeitpunkt ein, in dem der Täter seinen Mittagsschlaf hält (Roxin AT II S 29 Rdn. 200), s. vorerst Herzberg JuS 1985 7 f; zu beidem Rdn. 137. So im hier erörterten Zusammenhang namentlich Otto AT § 18 Rdn. 33, 43; BGHSt 43 177, 180 ff. Es bleibt auch dann ein Versuch durch aktives Tun, wenn der die Kontrolle behaltende Täter den schädigenden Zugriff des Opfers nicht verhindert; die Ähnlichkeit zum Unterlassungsversuch macht das Geschehen nicht
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zu einem solchen (S. Rdn. 138; aA möglicherweise Roxin AT II § 29 Rdn. 208). Das ist im Gewässerverunreinigungsfall unbestreitbar und auch im Flugzeugfall nicht anders, weil das Starten und Lenken der Maschine durch den Flugkapitän zur Tötungshandlung nichts beiträgt; solche Konstellationen sprechen daher entgegen Roxin AT II § 29 Rdn. 198 nicht gegen die Berücksichtigung des Opferverhaltens in Fällen notwendiger Opfermitwirkung (s. dazu Rdn. 139 ff).
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2. Abschnitt. Die Tat
von der Tat „im Moment" noch gar nicht besteht. 290 Es fehlt an einer zeitlich unmittelbaren Gefahr; und es fehlt auch an der Vorstellung eines schon „ungestörten Fortgangs". Denn die Störung hat der Täter für Stunden, für Tage hier selbst installiert. Daher ist von Versuch in solchen Fällen erst auszugehen, wenn - etwa wenige Minuten vor dem eingestellten Termin, in denen die objektiv letzte Chance, die heraufziehende Gefahr noch zu beseitigen und den Erfolg abzuwenden, vergeht - zur Handlungsunmittelbarkeit die auch zeitlich unmittelbare Gefahr der Verwirklichung des Tatbestandes hinzutritt, 291 weil sich die „Störung" nunmehr in kürzester Zeit von selbst behebt. Hiermit übereinstimmend hat der BGH (MDR 1990 842), für den der Versuch der Einfuhr von Betäubungsmitteln bei Flugreisenden in der Regel mit dem Einchecken des betäubungsmittellastigen Reisegepäckes beginnt, weil der Täter dann das seinerseits Erforderliche zur Vollendung der Tat vollbracht habe, 292 einen Versuch verneint, wenn bis zum Abflug noch einige Tage vergehen. Hierfür wird zutreffend darauf abgestellt, dass es am „unmittelbaren Zusammenhang" mit der Tatbestandserfüllung noch fehlt. 137
Wer hiergegen einwendet, dass dann straflos bliebe, wessen Bombe (Ventileinstellung oder Betäubungsmittel) vorzeitig entdeckt und „entschärft" werde und dies für „unerträglich" hält (Roxin JuS 1979 10), muss sich gegen die Straflosigkeit der (bis dahin nur geleisteten) Vorbereitung wenden. Für eine Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit eignet sich das täterbegünstigende Scheitern im Vorbereitungsstadium nicht. Auch ist nicht zu befürchten, dass die Versuchsstrafbarkeit entfiele, wenn beim objektiven Versuchsbeginn der Versuchstäter seinen Mittagsschlaf hielte, die heraufbeschworene Gefahr vergessen oder sogar seinen Vorsatz nunmehr aufgegeben hätte. 293 Denn einerseits kann man seinen Vorsatz (wie seine Arglosigkeit) mit in den Schlaf nehmen. Und andererseits hilft es niemandem, der nach Beendigung seiner für den Erfolgseintritt für nötig, aber auch für ausreichend gehaltenen Tätigkeit seinen Vorsatz „vergisst", wenn er das Fortschreiten des angestoßenen Geschehens nicht aufhält. 294 Und schließlich erzwingt die hier vertretene Lösung auch nicht, bei vorzeitigem Eintritt des Erfolges nur Fahrlässigkeit anzunehmen. Hat der aufgrund seiner technischen Unvollkommenheit unsichere Täter diese Möglichkeit erkannt und ernst genommen, steht nichts im Wege, angesichts der dann auch objektiv schon eingetretenen Gefahr die Verwirklichung des Tatbestandes einer Vorsatztat zu bejahen. Eine solche ist aber auch bei gegenteiliger subjektiver Gewissheit nicht ohne weiteres ausgeschlossen. Denn wo der Täter seine auf die Vollen-
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Roxin AT II § 29 Rdn. 204 sieht das im Grunde nicht anders, glaubt aber die durch das Noch-Nicht-Erreichen der Opfersphäre eigentlich fehlende, von ihm selbst verlangte „Tatbestandsnähe" in wertender Betrachtung deshalb annehmen zu können, weil die (zeitliche) „Distanz zur Opfersphäre durch die Dynamik einer eigenläufigen Finalität kompensiert" werde. Diese eigenläufige Finalität tritt aber erst nach Auflösung der vom Täter selbst installierten Zeitsperre ein. Mit dieser Lösung stimmt im Ergebnis der Vorschlag Kiihls § 15 Rdn. 71 überein, der zeitlichen Unmittelbarkeit neben der Handlungsunmittelbarkeit ein selbständiges Gewicht z.B. in Fällen einer „retardierenden Zwischenphase" nach Vornahme der letzten
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erforderlichen Handlung beizulegen; wer auf die unmittelbare Gefährdung des betroffenen Rechtsguts abstellt, kann - nimmt er die Unmittelbarkeit ernst - nicht anders entscheiden; ebenso nicht, wer auf den Eintritt der Notwehrlage wartet, soll nicht Präventivnotwehr miteinbezogen sein. Trägt der Kurier das Rauschgift am Körper, ist nach BGH StV 2005 272 das Passieren etwaiger Kontrollen und das Besteigen des Flugzeugs abzuwarten. Für den ersten Fall leugnet Roxin JuS 1979 10, für die übrigen - wenn dem Täter diese Entwicklung nicht bewusst war (anderenfalls actio libera in causa) - Jakobs 25/74a die Möglichkeit, Versuch anzunehmen. Vgl. dazu Herzberg JuS 1985 7 ff.
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dung gerichtete Tätigkeit - anders als in BGH N J W 2 0 0 2 1057 - schon beendet hat, lässt sich auch dann, wenn damit das Versuchsstadium noch nicht erreicht ist, von einer nur unwesentlichen Abweichung im Kausalverlauf sprechen, wenn sich der Erfolg objektiv vorhersehbar früher einstellt als geplant und dieser Verlauf keine andere Bewertung rechtfertigt. 295 Mit diesen Überlegungen ist schon gezeigt, dass für den Eintritt der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung der verbleibende oder aufgegebene Einfluss des Täters auf den weiteren Verlauf ohne Belang ist. Auch wo der Täter sich entfernt und sich seines Einflusses begibt, tritt sie allenfalls im entscheidenden Zeitpunkt sicherer, nicht aber früher ein. Selbst das „Sicherer" ist dabei nicht garantiert. Denn wenn der anwesende Täter entschlossen bleibt, kann umgekehrt sein weiteres Wachen über das Gelingen den Eintritt der Gefahr noch gewisser machen. Auch die Qualität der Gefahr hängt daher von der Herrschaft nicht in eindeutiger Weise ab. Der auf eine Unterscheidung im Sinne der differenzierenden Lehre drängende Aspekt kann daher nicht in der auf die Vollendungssicherheit bezogen gerade ambivalenten Herrschaftspreisgabe, sondern wohl nur in der in der ersten, das Überwachen des Ablaufs durch den Täter beinhaltenden Variante noch bestehenden, in der zweiten Variante aber aufgegebenen „Revokationsmöglichkeit" (Jakobs 25/71) liegen. Das öffnet den Blick für eine gewisse - und auch schon öfter hervorgehobene 2 9 6 - Verwandtschaft der hier behandelten Frage mit dem Beginn des Versuchs unechten Unterlassens. Zwar dürfte es nicht richtig sein, den Begehungstäter nach Abschluss seiner Tätigkeit zum Garanten der Abwendung des Erfolges zu machen, den er vorsätzlich erstrebt (BGH NStZ-RR 1996 131). 2 9 7 Gleichwohl sieht er sich in der hier erörterten Fallgestaltung - wie der Garant - vor der Entscheidung, ob er den point of no return durch Bewahrung seines Einflusses hinausschiebt, oder ob er ihn durch Herrschaftspreisgabe überschreitet. Tut er letzteres, scheint er in der Tat die Feuerprobe der kritischen Situation bestanden und die Entscheidung über das Ob der Tat gefällt zu haben. 2 9 8 Aber das kann - wie beim Unterlassen (s. Rdn. 142 ff) - nur reichen, wenn zugleich der „Enderfolg nahegerückt" und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung greifbar ist. Anderenfalls begänne der Versuch der Tötung eines auf einem von der Erde Lichtjahre entfernt liegenden Planeten abgesetzten Menschen, sobald eine nicht „revo-
AA Herzberg JuS 1985 5, der sich aber m.E. hier zu Unrecht auf Stratenwerth § 8 Rdn. 9 4 (unverändert bei Stratenwert/Kuhlen aaO) beruft. In dessen Beispiel wollte die Ehefrau das bislang nur vergiftete Getränk (= Vorbereitung) erst noch kredenzen, das der Mann dann vorzeitig trinkt. Dabei wollte die Ehefrau das mit einem Todesrisiko behaftete Geschehen noch gar nicht aus der Hand geben, den Erfolg noch nicht verwirklichen (ebenso die Konstellation BGH N J W 2 0 0 2 1057, in der der BGH noch den „rechtlich relevanten" Vorsatz vermisst; vgl. dazu Angerer S. 3 7 f, 67, 117; Gaede JuS 2 0 0 2 1 0 5 8 ; Jäger J R 2 0 0 2 3 8 3 ; Roxin GA 2 0 0 3 2 5 9 ff). Das ist bei Abschlug der Tätertätigkeit aber schon so; wie Herzberg dagegen wohl Sch/Schröder/ Cramer25 § 15 Rdn. 55. 296 vgl. schon Roxin FS Maurach, S. 2 2 1 ; ders. 295
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AT II § 2 9 Rdn. 2 0 8 ; ferner z.B. Herzberg M D R 1 9 7 3 9 2 f; Jakobs 2 5 / 7 3 ; Murmann Versuchsunrecht S. 17 f. Die Frage ist umstritten; wie hier Frank § 1 Bern. IV 2; Otto FS Hirsch, S. 3 0 5 ; aA Kühl § 18 Rdn. 105a; Roxin AT II § 32 Rdn. 193, § 2 9 Rdn, 2 0 8 ; Stein J R 1 9 9 9 2 7 1 ; die für den Versuchsbeginn beim Unterlassen relevante Pflichtverletzung liegt hier schon im positiven Tun. Das gilt freilich entgegen Roxin JuS 1 9 7 9 9 f für die Giftmischerin dann nicht, wenn der nur das Haus verlassenden Frau die Möglichkeit der Rückkehr oder telefonischer Warnung des Ehemannes bleibt; dann steht sie der überwachenden Ehefrau in ihrem Einfluss noch annähernd gleich, zutreffende Kritik daher bei Murmann Versuchsunrecht S. 17 Fn. 59.
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2 . Abschnitt. Die Tat
zierbare" todbringende Rakete sich von der Erde löste. Dass das mit einem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung gemeint sei, lässt sich schwerlich behaupten, auch wenn man voraussetzt, dass die ihr Ziel erreichende Rakete noch auf einen lebenden Menschen trifft (s. auch Spendet L K n § 323a Rdn. 34: Legen einer Tretmine vor dem Beuteversteck, durch die der erst nach fünf Jahren Haft nach der Beute suchende Mittäter dann getötet werden soll). 2 9 9 Einer hiervon unterschiedenen Begründung bedarf die Festlegung des „Anfangs des beendeten Versuchs" dann, wenn der Fortgang der Tat bis zu ihrer Vollendung nach dem Abschluss des aktiven Täterhandelns noch von der Mitwirkung des Opfers abhängt (s. dazu auch Kühl § 15 Rdn. 85a ff). So liegt es vor allem in Konstellationen, in denen dem Opfer eine Spreng- (s. BGH NStZ 1998 294), Gift- (BGHSt 43 177) oder Stromfalle (BGH NStZ 2001 475) gestellt wird, deren rechtsgutsvernichtendes „Zuschnappen" noch von einer Auslösung durch das Opfer abhängt. Nach der hier für alle Varianten im Grundsatz reklamierten Geltung der Ansatzformel (Rdn. 134) ist dem Bundesgerichtshof in seiner von Kritik, aber auch von Zustimmung begleiteten neueren Rechtsprechung 300 zunächst in der hiermit übereinstimmenden These beizupflichten, dass die zum Leitbild des unbeendeten Versuchs entwickelten Verdeutlichungen der Ansatzformel auch dann gelten, „wenn der Täter - wie beim beendeten Versuch - die nach seinem Tatplan erforderlichen eigenen Handlungen bereits vollständig erbracht hat" und dass deshalb „selbst abgeschlossenes Täterhandeln" nicht notwendig für die Annahme eines Versuchsbeginns ausreicht; denn es trifft zu, dass ein solches Verhalten keineswegs „stets unmittelbar in die Erfüllung" des Straftatbestandes einmündet. Auch ist es richtig, wenn der Bundesgerichtshof 301 darauf verweist, dass die Fälle notwendiger Opfermitwirkung - wie zu ergänzen ist, im Gegensatz zu den Fällen der Erfolgsautomatik (s. Rdn. 136) - eine der mittelbaren Täterschaft verwandte Struktur aufweisen, die es angezeigt sein lässt, die dort schon länger erhobenen Vorbehalte gegen eine unbesehene Gleichsetzung von abgeschlossenem Täterverhalten und Versuchsbeginn auch hier zu bedenken. Diese Notwendigkeit ergibt sich freilich dort wie hier und sonst nicht aus der vom Bundesgerichtshof besonders deutlich im Sinne einer Präferenztheorie (s. Rdn. 71) für ausschlaggebend erachteten und eben trotz beendeten Täterverhaltens denkbarerweise noch fehlenden materiellen Gefährdung des je geschützten Rechtsguts (so aber BGHSt 43 177, 180 f; ebenso BGH NStZ 1998 295; s. auch Kühl § 15 Rdn. 85d), sondern aus den andersartigen Prämissen der auch hier maßgeblichen modifizierten Zwischenaktslehre.
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Die Annahme eines Tötungsversuchs durch Beibringung des HI-Virus (s. Roxin AT II
unrecht S. 19; Otto N S t Z 1 9 9 8 2 4 3 ; Rosenau Jura 2 0 0 0 4 2 7 ; Streng GedS Zipf S. 3 2 5 ; Wolters N J W 1 9 9 8 5 7 8 . In B G H N S t Z 1 9 9 8 2 9 4 (Sprengfalle) geht der B G H allerdings zunächst noch von der im Grunde nirgends mehr akzeptierten und Roxin JuS 1 9 7 9 1 gerade nicht zuschreibbaren (s. die Verwahrung hiergegen in J Z 1 9 9 8 2 1 1 ) Aussage aus, daß nach Abschluß des vom Täter für erforderlich Gehaltenen „grundsätzlich bereits ein Versuch der Tatbegehung" vorliege; krit. hierzu zu Recht Herzberg JuS 1 9 9 9 2 2 5 f; vgl. zu dieser Entscheidung auch Schliebitz J A 1 9 9 8 8 3 5 .
§ 2 9 R d n . 2 0 3 ) steht dem nicht entgegen, weil hier die Tatbestands(verwirklichungs)nähe durch Eindringen in die Opfersphäre und die dadurch bewirkte Lebensbedrohung hergestellt und der damit angelegte, letztlich tödliche Verlauf nach dem heutigen Stand der Medizin nicht mehr aufhaltbar ist. 300
Die folgenden Zitate stammen aus B G H S t 4 3 177, 1 7 9 ff (Giftfalle); vgl. zu dieser Entscheidung abl. Herzberg FS R o x i n , S. 7 5 5 ; Roxin J Z 1 9 9 8 2 1 1 ; zust. Gössel J R 1 9 9 8 2 9 3 ; ferner die Stellungnahmen von Baier J A 1 9 9 9 7 7 1 ; Böse J A 1 9 9 9 3 4 2 ; Derksen G A 1 9 9 8 5 9 2 ; Dornis J u r a 2 0 0 1 6 6 4 ; Kudlich JuS 1 9 9 8 5 9 6 ; Murmann Versuchs-
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Im Anschluß an Gössel J R 1 9 7 6 2 4 8 , 2 5 0 ; Papageorgiou-Gonatas S. 2 4 9 .
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Hiernach kann es beim Fallenstellen anders als in den Fällen der „Erfolgsautomatik" (s. Rdn. 136) schon an der Handlungsunmittelbarkeit fehlen. Denn während man dort das Anbringen der Bombe oder das Einstellen des Ventils als nur noch in ihrem Wirken verzögerte Tötungs- oder Verunreinigungshandlung ansehen muss, bereiten Spreng-, Strom- und Giftfallen die nach dem Tatplan vom Opfer unbewusst vorzunehmende Selbsttötung erst vor. Diese ist dem Täter zwar fraglos - wie einem mittelbaren Täter zurechenbar. 3 0 2 Aber sie vervollständigt nach seinem Tatplan doch erst sein Handeln zu einem tatbestandsmäßigen Tun. Deshalb ist hier von einer versuchsbegründenden (Tötungs-)Handlungsunmittelbarkeit in der Tat unter Umständen erst dann zu sprechen, wenn sich das Opfer so „in den Wirkungskreis des vorbereiteten Tatmittels begibt" (BGHSt 43 177, 181), dass sein nächster Zwischenschritt den Beginn der Tötungshandlung darstellt. Dass hiermit unter Verstoß gegen § 2 2 auf ein Ansetzen nicht des Täters, sondern des Opfers zur Tat abgestellt werde, 3 0 3 trifft diese Lösung nicht. Denn das Verhalten des Opfers steht hier nicht für sich, sondern als ein das Täterverhalten erst zur Tathandlung vervollständigender und diesem zurechenbarer Teil zur Debatte.
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Sieht man es so, ergibt auch die vom Bundesgerichtshof im weiteren vorgeschlagene Differenzierung (BGHSt 43 181; aufgenommen von B G H N S t Z 1998 2 9 5 ; 2 0 0 1 4 7 5 ; kritisch dazu Gropp § 9 Rdn. 37e) danach einen Sinn, ob für den Täter feststeht, dass das Opfer „in engem Zusammenhang mit dem Abschluss" der Täterhandlung erscheinen und daher die Vervollständigung des Tatbestandes „mit Sicherheit in absehbarer Z e i t " vornehmen wird (so lag es in B G H NStZ 2 0 0 1 4 7 5 ) 3 0 4 , oder ob all dem Ungewissheit oder gar nur geringe Wahrscheinlichkeit zugemessen wird (kritisch hierzu Herzberg M K Rdn. 133; Tröndle/Fischer Rdn. 2 8 ; zustimmend dagegen Stratenwerth/Kuhlen § 12 Rdn. 106). Denn während im ersten Fall das Aufstellen der Falle als letzter Zwischenschritt vor der nach der Tätervorstellung sich alsbald vollziehenden Tötung die nötige Handlungsunmittelbarkeit bereits herstellt und die Gefahr der auch zeitlich nahen Tatbestandsverwirklichung hervorruft, das Fallenstellen also selbst schon unmittelbares Ansetzen ist, muss auf der Grundlage einer zur für notwendig erachteten Opfermitwirkung höchst ungewissen Tätervorstellung in der Tat noch abgewartet werden, bis „das Opfer tatsächlich erscheint, dabei Anstalten trifft, die erwartete selbstschädigende Handlung vorzunehmen" und sich dadurch in den Wirkungskreis des vorbereiteten Tatmittels begibt. Denn in einem solchen Fall folgt auch nach der maßgeblichen Ablaufsvorstellung des Täters eine realistische Gefahr der Tatbestandsverwirklichung der abgeschlossenen Täterhandlung erst dann, wenn das Opfer die Ungewissheit auflöst und kommt. Hier liegt das (nicht nur in der Vorstellung des Täters, sondern real vorauszusetzende, s. Rdn. 160) unmittelbare Ansetzen selbst daher erst im letzten, vom Opfer vorgenommenen und dem Täter zurechenbaren Zwischenschritt vor der Selbsttötung. Gleiches würde
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Es kann im hier besprochenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob man die Konstellation als mittelbare Täterschaft oder nur als eine ihr verwandte Struktur bezeichnet, vgl. dazu Gössel J R 1998 295. Die hiergegen von Roxin AT II § 29 Rdn. 198 geäußerten Bedenken sind angesichts der in diesen Fällen bestehenden Herrschaft kraft überlegenen Wissens nicht einleuchtend. So der Vorwurf Roxins JuS 1979 10; ders. AT II § 29 Rdn. 197; ähnlich Frister Rdn. 23/29; der Einwand von BGHSt 43,
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181, es gehe insoweit gar nicht um das Ansetzen, sondern um dessen Unmittelbarkeit, ist allerdings nicht recht nachvollziehbar. Die dem von Engländer JuS 2 0 0 3 334 gegebene Interpretation läuft i.E. auf die hier (Rdn. 96 f, 114-116) entwickelte zweite Deutung der „Verwirklichung des Tatbestandes" hinaus. I.E. der Entscheidung zust. Engländer JuS 2 0 0 3 334 ff; Trüg JA 2002 102; abl.
R. Schmidt Rdn. 678.
Thomas Hillenkamp
1549
§22
2. Abschnitt. Die Tat
angesichts dann noch ausstehender Handlungsunmittelbarkeit gelten, wenn der mit der Opfermitwirkung sicher rechnende Täter nach dem Erscheinen des Opfers noch mehrere „wesentliche" (s. dazu Rdn. 100) Zwischenschritte des Opfers voraussetzt, wie es etwa läge, wenn der Ehemann das vergiftete Fertiggericht erst noch selbst zubereiten oder das mit der Bombenfalle bestückte Auto erst noch besteigen müsste. Dann müssen auch diese Handlungen abgewartet werden, bevor der Versuch beginnt. Dass es auch hier ohne Bedeutung ist, ob der Täter bis zur nicht mehr revozierbaren und daher „entscheidenden" Opferhandlung seinen Einfluss auf das Geschehen bewahrt oder ihn zuvor preisgibt, folgt daraus, dass sich unter diesem Blickwinkel die Fälle der Erfolgsautomatik und die der Opfermitwirkung nicht unterscheiden. Die oben angeführten Gründe (Rdn. 137 f) gelten daher auch hier. 305 Dass diese Lösung den Versuchsbeginn in Fällen des dolus directus anders als in Fällen des dolus eventualis bestimme (Roxin AT II § 29 Rdn. 219), trifft nicht zu, denn bei der hier wie sonst für maßgeblich erklärten Ablaufsvorstellung des Täters von der Tat als subjektive Beurteilungsgrundlage des unmittelbaren Ansetzens geht es nicht um verschiedene Arten des Vorsatzes, sondern um verschiedene Inhalte dieser Vorstellung, die zudem nicht hindern, das Ansetzen selbst wie geboten nach objektiven Maßstäben zu bestimmen. 3 0 6 142
dd) Unterlassungsdelikte. Dass es auch den Versuch des Unterlassungsdelikts gibt, ist heute unbestritten. 3 0 7 Mit der hier grundsätzlich (Rdn. 86) und zum mit Unterlassungsstrukturen teilweise verwandten beendeten Versuch noch einmal verdeutlichend hervorgehobenen (Rdn. 134) Einsicht, dass die Regelung des § 22 trotz ihres vordergründigen Zuschnitts auf den unbeendeten Begehungsversuch auch für alle „Sonderformen" Geltung beansprucht, ist dem Bundesgerichtshof (BGHSt 40 257, 271) zunächst darin zuzustimmen, dass die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch auch im Bereich des (unechten, zum echten Unterlassen s. Rdn. 152) Unterlassens „nur in der sinngemäßen Anwendung der für das Begehungsdelikt entwickelten Grundsätze ... gefunden" und dass deshalb auch hier die Antwort nur danach gegeben werden kann, „ob der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat mit dem Beginn seines Untätigbleibens zur Tatausführung unmittelbar ansetzt". 3 0 8 Dabei ist zwar einzuräumen, dass sich das Zurückbleiben hinter der Verhaltenserwartung von deren Entstehen bis zum Erfolgseintritt in aller Regel als ein äußerlich gleichförmiges Kontinuum des Unterlassens darstellt, das eines Begehungsdelikten vergleichbaren, in „Schritten" zerfallenden Ablaufs entbehrt (s. Vogler LK 10 Rdn. 109). Das enthebt den an § 22 gebundenen Rechtsanwender aber nicht der Aufgabe, auch beim Unterlassen den Versuchsbeginn an eine Zäsur zu binden, ab der die Untätigkeit zum unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung wird. Das
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Das OLG München NStZ-RR 1996 71 stützt freilich im Anschluss an Roxin JuS 1979 9 ff - ebenso ders. J Z 1998 211 - seine Entscheidung gegen Versuch im GiftfallenFall (BGHSt 43 177) darauf, dass der Apotheker das Geschehen nicht aus der Hand gegeben und deshalb die potentiellen Opfer nicht gefährdet habe; ebenso Kindhäuser AT § 39 Rdn. 56. Daher trifft auch der das Gegenteil behauptende Vorwurf Roxins AT II S 29 Rdn. 220 nicht zu. Roxin AT II § 29 Rdn. 266; s. dazu, dass der Wortlaut des § 22 auch den Unterlas-
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sungsversuch erfasst, Herzberg MDR 1973 90, der das für § 43 a.F. bestritt. Zur Strafbarkeit auch des untauglichen Unterlassungsversuchs vgl. Rdn. 193. Übereinstimmend Freund § 8 Rdn. 67; Frister Rdn. 23/33; Malitz Der untaugliche Versuch S. 99 f; Otto AT § 18 Rdn. 33, 35; Tröndle/Fischer Rdn. 31; Vbge/Norm und Pflicht S. 227 f; ders. M D R 1995 340; Vogler LK 10 Rdn. 115; Wessels/Beulke Rdn. 741; aA Jescheck/Weigend § 60 II 2: „Die Formel ... führt hier nicht weiter"; krit. auch Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 51.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
geschieht nach der hier entwickelten modifizierten Zwischenaktslehre dann, wenn das Unterlassen nach der Vorstellung des Täters vom Ablauf der Tat in die vom Tatbestand vorausgesetzte Handlung unmittelbar einmündet und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung hiermit bewirkt. Diesen Vorgaben entspricht es ersichtlich nicht, wenn der Versuchsbeginn ausnahmslos auf den Zeitpunkt festgelegt wird, in dem der Garant die sich ihm nach Eintritt der pflichtbegründenden Situation erstmals bietende Erfolgsabwendungsmöglichkeit nicht ergreift und damit gewissermaßen zum ersten Mal unterlässt. 3 0 9 Dass hierin ein „Beginn der Untätigkeit" (BGHSt 4 0 257, 271) liegt, ist allerdings nicht zu bestreiten. Auch könnte man nicht gut von einer Bestrafung bloßer Gesinnung reden, wenn doch und weil der Garant erwartungswidrig schon unterlässt. Es mag sich sogar ein rechtserschütternder Eindruck schon einstellen. 3 1 0 Wenn aber gleichwohl der Streckenwärter, der den abzulösenden Kollegen volltrunken schlafend auf den Gleisen antrifft (A. Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 212 f), wegen eines Tötungsversuchs nur dann zu belangen ist, wenn er den Schlafenden - obwohl ein Zug naht - mit Tötungsvorsatz nicht sogleich von den Gleisen zieht (s. Baumann/Weber/Mitsch § 2 6 Rdn. 5 6 ) , nach heute zu Recht h.M. aber nicht auch dann, wenn er weiß, dass der nächste Zug erst in vier Stunden kommt, so ist die zutreffende Begründung hierfür, dass das Verstreichenlassen der ersten Abwendungsmöglichkeit nur im ersten Fall in ein schon todbringendes Unterlassen unmittelbar einmündet und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung ebenso unmittelbar bewirkt. Kommt der Zug nach der auch hier allein maßgeblichen Vorstellung des Täters erst nach vier Stunden, fehlt es dagegen an beidem. Daher ist es auch nicht richtig, weil nur auf der Grundlage der hiermit abgelehnten Auffassung begründbar, wenn der Bundesgerichtshof (BGHSt 4 0 257, 271) bei einem „längeren", zum Tode führenden Unterlassen der gebotenen künstlichen Ernährung einer noch nicht moribunden Patientin den Versuch bereits mit dem Beginn der „Untätigkeit" gleichsetzt. Denn einerseits trifft seine eigene Forderung dann nicht zu, dass das Leben der Patientin schon konkret gefährdet sei. Und andererseits verlegt eine solche Auffassung den Versuchsbeginn unzulässig weit vor. 3 1 1 Eine an § 2 2 ausgerichtete Lösung muss auch innerhalb einer die Handlungspflicht schon begründenden Situation die Möglichkeit für ein noch strafloses „Vorbereitungsunterlassen" (Küper Z S t W 112 [2000] 29) eröffnen.
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Das tut in einem allerdings die Vorbereitungsphase deutlich überziehenden Maße die Theorie vom letztmöglichen Eingriff. 3 1 2 Sie will Versuch erst dann annehmen, wenn der Unterlassende die letzte Erfolgsabwendungschance verstreichen lässt. Diese Lehre beruft sich zu Unrecht auf die These, das Handlungsgebot verlange nur eine von vielen mög-
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So Herzberg MDR 1973 89 ff, 96; Lönnies NJW 1962 1950; Maihofer GA 1958 297 f; Schröder JuS 1962, 86; einschränkend Guhra Verhalten S. 97 f: nur bei anschließender Chancenverschlechterung. Herzberg MK Rdn. 123 f hat seine Auffassung i.S. der heute vorherrschenden Meinung (vgl. Rdn. 145) revidiert. Vgl. schon A. Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 216 und Roxin JuS 1979 12 mit den im Text noch als „konzedierbar" eingeräumten Argumenten; ferner Kühl § 18 Rdn. 146; Rath JuS 1999 36; Vogler LK 10 Rdn. 110.
3,1
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Zu Recht krit. daher Kühl § 18 Rdn. 146; Roxin AT II § 29 Rdn. 280 ff; Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 51; dem BGH zust. dagegen Tröndle/Fischer Rdn. 33. Zur Theoriebezeichnung und zum Streitstand s. Hillenkamp AT 14. Problem; vertreten wird diese Lehre z.B. von A. Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 210 ff; Welzel § 28 A 4; im Ausgangspunkt auch Grünwald J Z 1959 46, der dann aber differenziert; Seelmann NK § 13 Rdn. 23 hat diese in NK 1 § 13 Rdn. 84 noch vertretene Auffassung zugunsten der Gefährdungsformel (Rdn. 145) aufgegeben.
Thomas Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
liehen Rettungshandlungen und begnüge sich mit dem Wahrnehmen der letzten Erfolgsabwendungsmöglichkeit, weil es dem Recht letztlich nur auf die Erfolgsabwendung selbst ankomme. Damit wird schon verkannt, dass die Versuchsregelung erweist, dass es dem Gesetzgeber auf die Unterbindung auch schon von Verhaltensweisen ankommt, die den Erfolgseintritt nach der Tätervorstellung in einer bestimmten, auf den Tatbestand bezogenen Weise wahrscheinlich machen. Auch wäre hiernach nur der untaugliche oder fehlgeschlagene Versuch denkbar, weil mit der erfolgreichen Wahrnehmung der letzten Rettungschance eine Strafbarkeit gar nicht erst entstünde. Zudem macht diese Lehre § 24 weitgehend überflüssig, da jede Möglichkeit, den Erfolg noch abzuwenden, schon die Annahme des Versuchs ausschlösse. 313 Die Praxis schließlich stört die oft nicht aufzulösende Ungewissheit darüber, wann sich die letzte Möglichkeit bietet und wendet dies auch gegen den von Grünwald (JZ 1959 46, 48) gemachten Vorschlag, die letzte gegen die mit der größten Erfolgsaussicht versehene Chance auszutauschen. 314 All diese Gründe haben Gewicht. Ausschlaggebend ist aber auch hier, dass nach den Maßstäben der modifizierten Zwischenaktslehre weitere Untätigkeit auch schon vor dem Stadium der letzten Abwendungsmöglichkeit der gleichsam letzte Schritt vor dem dann todbringenden Unterlassen zu sein und die Gefahr der Tatbestandsvollendung auf den Plan zu rufen vermag (ebenso Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 57). Auch wo der Täter objektiv zu Recht noch auf eine spätere Abwendungsmöglichkeit z.B. durch eine erst am nächsten Tag eingeleitete intensivmedizinische Behandlung bauen kann, ist doch der Rubikon überschritten, wenn die fortgesetzte Verweigerung künstlicher Ernährung schon heute zu einer hochgefährlichen Schwächung des Opfers führt, die einen ohne die „letzte" Abwehr tödlichen Verlauf einleitet. Anderenfalls käme der Bäckergeselle straflos davon, dessen in die Teigmaschine geratener und von ihm nicht befreiter Kollege nur deshalb am Leben bleibt, weil der herbeigeeilte Bäckermeister zwei Minuten später die letzte Rettungschance ergreift (vgl. OGHSt. 1 357; Hillenkamp AT 14. Problem 2. Beispiel). 145
Die heute vorherrschende Meinung ist sich in der Ablehnung der beiden Extrempositionen (Rdn. 143, 144) einig (s. Kindhäuser LPK Rdn. 27 ff; Lackner/Kühl, Rdn. 17). Sie ist auch methodisch vom hier eingeschlagenen Weg oft nicht deutlich entfernt. Denn unabhängig davon, ob der Unterlassungsversuch der Herrschaft der von § 22 vorgegebenen Formel untergeordnet oder als Sondergestaltung (vermeintlich) eigenen Regeln unterworfen wird, findet sich ein dem Begehungsdelikt eng verwandtes „Formelangebot" auch hier. So wird teils die nach der Zwischenaktslehre erforderliche Handlungsunmittelbarkeit auch beim Unterlassen verlangt 315 oder der „Notwendigkeit einer tatbestandsspezifischen Verteidigungshandlung" (Rath JuS 1999 36) der Vorzug gegeben. Überwiegend wird allerdings darauf abgestellt, ob der Garant auch noch untätig bleibt, obwohl für das geschützte Rechtsgut eine konkrete Gefährdung eintritt (Herzberg MK Rdn. 124; Wohlers NK § 13 Rdn. 23). Dabei greifen auf diese individuell-materielle Begründung (s. Rdn. 68) hier nicht nur deren Vertreter, 316 sondern auch aus anderen Lagern
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auch die erfolgversprechendste Abwendungsmöglichkeit" sei.
Zu Recht abl. daher z.B. Kühl $ 18
Rdn. 147; Roxin 1979 13; ders. AT II § 29 Rdn. 284 f; Sch/Schröder/Eser Rdn. 48; Vogler LK10 Rdn. 111.
BGHSt 4 0 257, 271 f; gegen Grünwalds Auffassung wird auch eingewandt, dass sie sich von der in Rdn. 143 dargestellten Meinung nicht unterscheide, da die „erste stets
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3,5
Vgl. z.B. Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40
Rdn. 106; Tröndle/Fischer Rdn. 33, die sich in Rdn. 31 f allerdings auch auf den Gefährdungsaspekt berufen.
316
Wie z.B. Sch/Schröder/Eser Rdn. 42, 50; BGHSt 4 0 257, 271.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
(s. Rdn. 65 ff, 72 ff) stammende Stimmen zurück, 3 1 7 darunter namentlich solche, die im „Normalfall" die Zwischenaktslehre befürworten. 3 1 8 Dazu wird vor allem betont, dass der Versuchsbeginn beim Unterlassen nicht mit der (ersten) Möglichkeit, wohl aber mit der (ersten) Gebotenheit des Eingreifens zusammenfalle und dass hiervon erst dann die Rede sein könne, wenn eine weitere Untätigkeit das zu schützende Rechtsgut in konkrete Gefahr bringe oder diese doch erheblich steigere. Der (sonst abgelehnte) Gefährdungsaspekt soll hier danach seine Berechtigung aus der Besinnung auf die Aufgabe der Garantengebote gewinnen. 319 An der zuletzt genannten Begründung ist sicher richtig, dass der versuchsbegründende Beginn der Gebotsverletzung nicht ohne Blick auf die Entstehung des Gebots und dessen Anforderungen zu bestimmen ist. Insoweit ist der dem „Gebot zugrunde liegende Handlungsplan der Rechtsordnung" (Maihofer GA 1958 293; Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 51) zu Rate zu ziehen. Auch muss man bei den unechten Unterlassungsdelikten die hier in aller Regel fehlende gesetzliche Beschreibung der vom jeweiligen Gebotstatbestand geforderten Handlung (s. Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 12) erst noch vorgeben (s. dazu schon Rdn. 104), will man die hier vorliegende Handlungsunmittelbarkeit bestimmen. Es ist aber auf dem Boden der gesetzlichen Vorgabe zu bestreiten, dass der Anfang des Versuchs vor Gebotsverletzung stets ausscheidet wie, dass er mit der Pflichtversäumnis stets notwendig beginnt. Zudem kommt es auch im Unterlassungsbereich nicht auf den Eintritt einer Gefahr für das geschützte Rechtsgut an. Vielmehr ist auch hier maßgebend, dass durch eine dem Unterlassen eigene Handlungsunmittelbarkeit die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung entsteht, weil „der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges nahegerückt ist" (Wessels/Beulke Rdn. 741). Hieraus ergeben sich die nachfolgend geschilderten Konsequenzen.
146
Steht das das zu schützende Gut bedrohende Ereignis schon unmittelbar bevor, muss der Garant sofort handeln. Tut er es nicht, ist unmittelbares Ansetzen gegeben. So liegt es etwa in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall (NJW 1968 212 mit Besprechung Ulsenheimer FamRZ 1968 568), in dem Eltern sich geweigert hatten, ihr lebensgefährlich erkranktes Kind durch eine Bluttransfusion retten zu lassen, wenn die Feststellungen ergeben, dass der Tod des Kindes „ohne sofortigen Blutaustausch innerhalb kürzester Zeit" drohte (zust. Roxin JuS 1979 12; ders. AT II § 29 Rdn. 274). Wer die erste Möglichkeit nicht ergreift, den Bewegungsunfähigen vor dem bereits in Sichtweite nahenden Zug von den Gleisen zu ziehen (s. zu diesem Beispiel schon Rdn. 143), begeht nicht nur dann einen Tötungsversuch, wenn er hiermit zugleich die letzte Rettungschance versäumt, 3 2 0 sondern auch dann, wenn ihm die möglicherweise gleich sichere und auch genutzte Chance verblieb, den Erfolg auch nach weiteren Sekunden noch abzuwenden. Hier ist mit dem „Vorstadium der letzten Erfolgsabwendungschance" (Küper ZStW 112
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So z.B. Roxin JuS 1979 13 als Anhänger der Eindruckstheorie; ders. AT II § 29 Rdn. 271 ff für den Fall nicht aufgegebenen Herrschaftsverlusts (deutlich Rdn. 272) aufgrund seiner zum beendeten Versuch entwickelten „Alternativformel" (§ 29 Rdn. 196 ff); vgl. auch Gropp § 9 Rdn. 39. So z.B. Krey AT/2 Rdn. 443; Kühl § 15 Rdn. 55 ff mit § 18 Rdn. 148 ff; Rudolphi SK Rdn. 13 mit vor § 13 Rdn. 51; vgl. auch Kindhäuser AT § 36 Rdn. 44. So vor allem Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 51;
auch Sch/Schröder/Eser Rdn. 50 bringen hier den - auch sonst (Rdn. 42) verwendeten - Gefährdungsaspekt mit dem Pflichtversäumnis in Zusammenhang: Versuchsbeginn und (erste) Pflichtversäumnis seien identisch, setzten aber Gefährdung durch Nichthandeln voraus. 320 v e r s u c h ; wenn er fehlschlägt, weil sich der auf den Gleisen Liegende in letzter Sekunde selbst noch von den Gleisen rollt oder der Zug entgleist, sonst Vollendung, vgl. Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 52.
Thomas Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
[2000] 29) der Bereich der Vorbereitung verlassen und eine von der nahen Gefahr der Vollendung begleitete (Tötungs-) Handlungsunmittelbarkeit erreicht. Steht dem Täter weil der Zug noch nicht naht und nach seinem Wissen auch erst vier Stunden später eintreffen wird - ein längerer und genau abgegrenzter Zeitraum zur Vornahme der Rettungshandlung zur Verfügung, stellt sich der Versuchsbeginn sicher erst nach dem Verstreichenlassen der ersten, aber ebenso sicher auch schon vor dem Eintritt der letzten Erfolgsabwendungschance ein. Dabei ist es wenig plausibel, das Gebot des Handelns erst irgendwann dazwischen in Abhängigkeit von einer (gesteigerten) Gefährdung des Rechtsguts entstehen und damit Versuch eintreten zu lassen. Vielmehr wird man in dem richtigerweise anzunehmenden Kontinuum der von vornherein gebotenen Handlung den strafbewehrten Versuchsbeginn davon abhängig machen müssen, ab wann die Pflichtversäumnis in einen unmittelbaren Bezug zum todbringenden Unterlassen tritt und die nahe Gefahr der Tatbestandsverwirklichung auslöst (s. schon Rdn. 144). Davon ist - wenn der Körper mühelos von den Gleisen zu ziehen ist - erst wenige Minuten vor dem erwarteten Eintreffen des Zuges auszugehen, beim Erfordernis größerer Anstrengungen (s. dazu BGHSt 38 356, 358) entsprechend früher. Nimmt der Garant an, dass angesichts von Gleisarbeiten mit erheblichen Unregelmäßigkeiten und daher auch mit einem unmittelbar bevorstehenden Nahen eines Zuges zu rechnen ist, muss er - unabhängig von der Richtigkeit dieser Vorstellung 321 - sofort handeln (Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 52) oder sich doch zum rechtmäßigen Eingreifen vor dem Vorstadium der letzten Erfolgsabwendungschance zur Verfügung halten, will er die Versuchsstrafbarkeit umgehen. 148
Mit dieser letzten, auf die Möglichkeit einer sich jederzeit zuspitzenden Konstellation beschränkten Aussage ist keine Billigung der Auffassung verbunden, dass ein Unterlassungsversuch stets - also auch dann, wenn eine unmittelbare Gefahr der Tatbestandsverwirklichung (subjektiv) noch nicht besteht - beginnt, wenn der Täter das Geschehen aus seinem Herrschaftsbereich entlässt.322 Mit dieser zwischen Herrschaftspreisgabe und Beibehaltung der Kontrolle unterscheidenden Auffassung soll eine Übereinstimmung mit der entsprechenden Differenzierung beim beendeten Versuch (Rdn. 132 ff) hergestellt werden. Hiernach machte sich der Streckenwärter, der von einem Eintreffen des nächsten Zuges erst vier Stunden später ausgeht, wegen eines Tötungsversuchs schon strafbar, wenn er in der Absicht, den Dingen ihren Lauf zu lassen, den Ort des Geschehens sofort verließe. Er könnte sich von Strafe nur noch unter den Bedingungen eines Rücktritts befreien. Bewahrt er sich dagegen seinen Einfluss, soll der Versuch erst deutlich später nämlich mit Eintritt der Gefährdung - beginnen. Daher bliebe er auch bei unfreiwilligem Handeln oder dem Eingreifen Dritter von Strafe (nur) im zweiten Falle verschont. Schon diese unterschiedlichen Konsequenzen leuchten nicht ein. Im übrigen gelten die gegen diese Differenzierung beim beendeten Versuch schon angeführten Bedenken (Rdn. 133 ff; s. auch Meyer ZStW 87 [1975] 606). Das Gesetz bietet für das Herrschaftspreisgabekriterium keine Grundlage. Auch gibt es keinen sachlichen Grund, die Versuchsstrafbarkeit im Falle des „Aus-der-Hand-Gebens" des Geschehens weit in ein Stadium vorzuverlegen,
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Auch hier kommt es als Beurteilungsgrundlage auf die subjektive Vorstellung des Täters an, s. Sch/Schröder/Eser Rdn. 50; die unrichtige Vorstellung reicht freilich nicht, wenn man die Strafbarkeit des untauglichen Unterlassungsversuchs verneint, s. Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 55. Begründet ist diese Auffassung von Roxin
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FS Maurach, S. 232 f; ders. AT II § 2 9 Rdn. 271 ff; Zustimmung findet sie z.B. bei Heinrich AT I Rdn. 755; Köhler S. 4 6 7 ; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 Rdn. 106 f; Tröndle/Fischer Rdn. 33; Wessels/Beulke Rdn. 742; Zaczyk S. 319; vgl. auch BGHSt 38 356, 360; krit. Otto AT § 18 Rdn. 44 f.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
in dem es an einer Rechtsgutsgefährdung wie an der hier vorausgesetzten Gefahr der Tatbestandsverwirklichung ersichtlich noch fehlt. Dass die Dinge ihren Lauf nehmen, reicht dafür nicht aus (aA Roxin AT II § 29 Rdn. 272 ff). Ein Versuch liegt daher erst vor, wenn der Streckenwärter nicht rechtzeitig zurückkehrt, um den Betrunkenen kurz vor Eintreffen des Zuges von den Schienen zu ziehen. Dem wird zwar entgegengehalten, dass diese Möglichkeit hier eine noch bestehende Rücktrittschance, nicht aber ein Verbleiben im Vorbereitungsstadium begründe. Dieser Einwand setzt aber voraus, was er beweisen will (Vogler LK 1 0 Rdn. 113). Zugrunde liegen dürfte ihm die Befürchtung, der Streckenwärter könnte sich anderenfalls darauf berufen, dass ihm im „entscheidenden" Moment (z.B. wegen zu weiter Entfernung) die Pflichterfüllung unmöglich geworden sei. Indessen ist diese Besorgnis unbegründet, weil dieser Einwand gegenüber dem Versuchsvorwurf nicht durchgreift. Beraubt sich der Täter der Erfüllungsmöglichkeit der ihm bekannten und mit der Kenntnis der Situation begründeten Pflicht, kann er sich auf die selbstverschuldete Unmöglichkeit nicht berufen. Die Frage der Erfüllungsmöglichkeit ist auf den Zeitpunkt des Sich-Entfernens zu beziehen. Dieser Zeitpunkt ist jedoch - wie bei der actio libera in causa der Zeitpunkt des Sich-Berauschens - vom Versuchsbeginn zu unterscheiden (ebenso Otto AT § 18 Rdn. 45; Vogler LK 10 Rdn. 113). Daher liegt hier wie beim beendeten Versuch mit der Herrschaftspreisgabe ein Versuch nur dann vor, wenn unmittelbar darauf die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung beruht. Nach diesen Maßstäben ist auch der (RGSt 66 71 nachgebildete) Fall zu entscheiden, in dem die Eltern das im Walde geborene Kind hilflos liegenlassen und nach Hause gehen, „damit es umkomme" (s. dazu Grünwald J Z 1959, 49; Roxin FS Maurach S. 232). Auch hier beginnt der Tötungsversuch noch nicht ohne weiteres mit dem Verlassen des Kindes (so aber Roxin AT II § 29 Rdn. 273), sondern erst in dem Zeitpunkt, in dem eine für das Leben kritische Situation und damit die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung entsteht. Diese ist gleichfalls abzuwarten, wenn ein Unfallverursacher den Unfallort am frühen Wintermorgen in der Meinung verlässt, das angefahrene Opfer werde erst nach Eintritt des Nachtfrostes an Unterkühlung sterben. 323 Kommt der Täter vorzeitig zurück und rettet das Opfer, dann liegt kein Rücktritt vor. Vielmehr ist das Geschehen hinsichtlich des Tötungsdelikts im Vorbereitungsstadium steckengeblieben. Kehrt er nicht rechtzeitig zurück, so bleibt er wegen (untauglichen Unterlassungs-) Versuchs auch dann strafbar, wenn das Opfer auf andere Weise gerettet wird. Kehrt er zwar zu einem Zeitpunkt zurück, zu dem nach seiner Vorstellung die Rettung noch Erfolgsaussichten hatte, war das Opfer aber gleichwohl schon vorher verstorben, dann bleibt der Täter im Rahmen der Grundsätze über die Abweichung vom Kausalverlauf gegebenenfalls wegen vorsätzlich vollendeter Tat strafbar.
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Bei Unterlassungen, die sich aus der Nichtvornahme mehrerer gleichartiger, aber zeitlieh gebundener Handlungen aufbauen, beginnt der Versuch nicht anders als sonst erst dann, wenn das weitere Untätigbleiben nach der Vorstellung des Täters in ein der (beschriebenen) Tathandlung entsprechendes Stadium unmittelbar einmündet und die was hier zu betonen Anlass besteht - dem in Frage stehenden Tatbestand spezifische Verwirklichungsgefahr bewirkt. Danach ist im vielerörterten Beispiel der Mutter, die ihr Kind durch Vorenthalten der Nahrung verhungern lassen will, der Beginn eines Tötungs-
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Dazu, dass einem Tötungsvorsatz angesichts drängender Selbstbegünstigungsmotive bei dem hier allein in Betracht zu ziehenden Unterlassen die sonst angenommene Tötungshemmschwelle (s. dazu Mühlbauer
S. 53 ff S. 143 ff) nicht entgegenstehe, vgl. BGH NStZ 1992 125 (zu einem durch das Eingreifen Dritter dort nicht vollendeten Tötungsversuch durch Unterlassen; s. dazu auch Kühl § 18 Rdn. 150).
T h o m a s Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
Versuchs weder im schon in dieser Absicht unterlassenen Einkauf von Babynahrung, noch im Vorenthalten der ersten „fälligen" Mahlzeit zu sehen (s. Rdn. 143; aA BGHSt 4 0 257, 271 für den Fall vorenthaltener künstlicher Ernährung). Andererseits ist nicht auf die letzte Abwehrchance zu warten (Rdn. 144). Auch kommt es für den Versuchsbeginn nicht darauf an, ob die Mutter ihr Kind ohne entsprechende Vorsorge im Stich lässt und das Geschehen aus der Hand gibt, 3 2 4 oder ob sie das Verhungern überwacht (s. Rdn. 148). Es reicht auch nicht ohne weiteres aus, dass die Vorenthaltung der Nahrung bereits das körperliche Wohlbefinden des Kindes erheblich beeinträchtigt. 3 2 5 Die Gegenansicht verkennt, dass die Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch eine tatbestandsspezifische Frage ist und ein durch die Körperverletzungstatbestände erfasstes und von ihnen abgedecktes Verhalten daher nicht von selbst, sondern nur dann die Qualität eines Ansetzens zum Töten erlangt, wenn es die Konstitution des Opfers in einer todesgefährlichen Weise schwächt. Tritt diese kritische Situation früher ein als von der Täterin erwartet, ist gleichwohl schon von Versuch zu sprechen, wenn sich die Abweichung im Rahmen des nach der Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung rechtfertigt (Blei AT § 86 III 2). 151
Soweit dem Garanten geboten ist, die rechtswidrige Tat eines Dritten zu verhindern oder die gegen das vom Garanten zu schützende Gut gerichtete Tat abzuwehren (wie z.B. in B G H N J W 2 0 0 3 , 1057), soll der Versuch erst beginnen, „wenn der täterschaftlich Handelnde zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt" (Blei AT § 86 III 2; ähnlich Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 50). Diese Parallelisierung des Versuchsbeginns von Handelndem und Unterlassendem besticht zwar auf den ersten Blick, ist aber nicht ohne Zweifel. Sie rückt den Versuchsbeginn allzu nahe an den Zeitpunkt der letzten Chance heran, die Tatvollendung abzuwenden und damit das bedrohte Gut zu bewahren. Ist der Garant aber gehalten, Straftaten zu verhindern, gilt das schon für den Versuch. Ist er auf Posten gestellt, Güter gegen Straftaten zu schützen, ist sein Pflichtversäumnis schon unmittelbar vor der für das Rechtsgut stets riskanten Versuchshandlung des Dritten versuchsrelevant. Die hiermit verbundene Vorverlegung des Versuchsbeginns gegenüber dem Versuch des Dritten dürfte auch dann sachgerecht sein, wenn der Garant das selbstschädigende Verhalten des Opfers (wie z.B. den Selbstmord der Ehefrau, s. B G H N S t Z 1 9 8 4 73) abzuwenden hat. Auch hier beginnt daher der Versuchsbeginn durch Unterlassen schon kurz bevor sich das Opfer unmittelbar anschickt, die Selbstschädigung zu „versuchen".
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Für die echten Unterlassungsdelikte gelten die vorstehend für die unechten Unterlassungsdelikte entwickelten Aussagen nur insoweit entsprechend, als es sich - wie etwa bei den §§ 339, 357 - um Erfolgsdelikte handelt (Sch/Schröder/Eser Rdn. 53; Roxirt AT II § 2 9 Rdn. 2 9 4 ) . 3 2 6 Nimmt sich der Richter vor, z.B. durch die Nichtweiterleitung einer Beschwerde an das Beschwerdegericht (LG Berlin M D R 1995 192), durch das Nichtsteilen zur Sachaufklärung gebotener Fragen (RGSt 5 7 35; 6 9 216) oder durch eine „bewusst gesetzeswidrige Versagung eines Verteidigers" (BGHSt 10 2 9 8 ) die Lage des Beschuldigten zu verschlechtern, so beginnt der Versuch der Rechtsbeugung regelmäßig kurz vor
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Für Versuchsbeginn zu diesem Zeitpunkt
z.B. Maurach/Gössel/Zipf AT/2 S 40 Rdn. 108; Roxin AT II § 29 Rdn. 275; Wessels/Beulke Rdn. 742; Womelsdorf S. 94 ff. So zutreffend Rudolphi SK Rdn. 54; Sch/Schröder/Eser Rdn. 51; Vogler LK 10 Rdn. 119; aA Maihofer GA 1958 297 f.
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Zur umstrittenen Frage der Einordnung von Erfolgsdelikten unter die echten Unter-
lassungsdelikte vgl. Rudolphi SK vor ξ 13 Rdn. 8 f.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
Ablauf der Frist oder des Verfahrensabschnittes, innerhalb derer die Vornahme der Handlung geboten ist ( S c h a f f s t e i n FS Dreher S. 156; Sch/Schröder/Eser Rdn. 53). Bei den echten Unterlassungsdelikten, die sich - wie die §§ 123 2. Alt., 138, 142 Abs. 2, 3 2 3 c in einer bloßen Untätigkeit erschöpfen und daher „erfolgsfrei" sind ( S c h m i d h ä u s e r AT 16/16), ist angesichts der ganz überwiegenden Straflosigkeit des Versuchs der Versuchsbeginn oft nur von akademischem Interesse (zur Ausnahme des § 2 8 3 Abs. 1 Nr. 5, 7, Abs. 2, 3 s. sogleich und vor § 2 2 Rdn. 104). Ist bei Eintritt der tatbestandsmäßigen Situation unverzügliches Handeln geboten, bleibt für ein der Tatbestandserfüllung „vorgelagertes" Unterlassen praktisch kein Raum. Untätigkeit trotz bestehender Handlungspflicht zieht hier unmittelbar die Vollendung der Tat ohne Rücksicht darauf nach sich, ob der Täter die gebotene Handlung noch nachholt (s. vor § 2 2 Rdn. 102). Bei einem (beendeten) Versuch kann es hier nur bleiben, wenn der Täter die tatbestandliche Lage also etwa das Überleben des einzig Unfallbeteiligten - irrig annimmt. Auch dann bleibt für bloßes Ansetzen aber kein Raum. Lediglich dort, wo der Tatbestand eine gewisse zeitliche Spanne eröffnet, innerhalb derer die gebotene Handlung noch vorgenommen werden kann, lässt sich von einem unmittelbaren Ansetzen sprechen, wenn der Täter sich auch noch kurze Zeit vor Ablauf der Frist nicht „rührt". So läge es etwa dann, wenn der von einem Bankraub in Kenntnis Gesetzte nicht zum Telefonhörer greift, obwohl sich die Räuber auf dem Weg zur Bank befinden, auch wenn ein einige Minuten später erfolgender Anruf noch „rechtzeitig" wäre (vgl. zu den Unterschieden „unverzüglich" „rechtzeitig" Schaffstein FS Dreher S. 148 ff) oder dann, wenn die Frist zur Aufstellung einer Bilanz (§ 2 8 3 Abs. 1 Nr. 7b, Abs. 3) zwar noch nicht abgelaufen ist, die rechtzeitige Fertigstellung aber schwierig wird und der Täter die Aufstellung in diesem Wissen unterlässt (Tiedemann L K 1 1 § 2 8 3 Rdn. 2 0 1 ) . ee) Mittelbare Täterschaft. Die Meinungen zum Beginn des Versuchs gehen auch bei der mittelbaren Täterschaft weit auseinander. Unbestritten und richtig ist zwar, dass dieser Zeitpunkt sicher gekommen ist, wenn das Werkzeug selbst schon unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt ( K ü p e r J Z 1983 3 6 3 ; Sch/Schröder/Eser Rdn. 5 4 ; Wessels/Beulke Rdn. 613). Ist der Tatmittler aber noch untätig oder seinerseits vor der Versuchsgrenze stehen geblieben, setzt der Streit der Meinungen e i n . 3 2 7 Dabei wird nach einer von Blei (AT § 7 2 II 4) noch 1 9 8 3 als herrschend bezeichneten Lehre danach unterschieden, ob das Werkzeug gutgläubig oder bösgläubig und wieweit es der Herrschaft des Hintermanns unterworfen ist. Den Grund hierfür bildet, dass die Einwirkung auf einen gutgläubigen (oder geisteskranken) Tatmittler dem beginnenden Einsatz eines mechanischen Werkzeugs gleiche und daher bereits den Versuch auslöse, während bei einem dolos agierenden und daher weniger beherrschten Mittler dessen Eintritt in das Versuchsstadium abgewartet werden müsse. 3 2 8 Gerade umgekehrt will allerdings Jakobs (21/105) beim gutgläubigen Werkzeug auf dessen Beginn, beim bösgläubigen auf das „unmittelbare Ansetzen zum Abschluss" der Einwirkung abheben.
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Die so differenzierenden Lehren sind heute weitgehend gegenüber einem Meinungsbild zurückgetreten, nach dem ohne Rücksicht auf die Qualität des Werkzeugs teils generell für den Versuchsbeginn auf den Beginn des Einwirkens auf den Tatmittler, 3 2 9 teils
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Übersicht bei Hillenkamp AT 15. Problem. So Blei AT § 72 II 4; vgl. ferner Busch LK 9 § 42 Rdn. 33; Kohlrausch/Lange § 43 Vorb. II 3; Schötike/Schröder17 § 43 Rdn. 16; Welzel % 24 III 5. Sog. Einzellösung, vertreten z.B. von Bau-
mann JuS 1963 92 f; Baumann/Weber/ Mitsch § 29 Rdn. 155; Bockelmann J Z 1954 473; Bockelmann/Volk 183, 219; Engländer JuS 2003 335; Herzberg MDR 1973 94 f (aufgegeben in FS Roxin, S. 758); Puppe AT/2 § 35 Rdn. 47 ff; dies. JuS 1989 363 f;
Thomas Hillenkamp
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§22
2 . Abschnitt. Die Tat
ebenso generell auf das unmittelbare Ansetzen des Werkzeugs abgestellt wird. 3 3 0 Dabei beruft sich die zuerst genannte „Einzellösung" namentlich darauf, dass die beim mittelbaren Täter zu beurteilende tatbestandsmäßige Handlung in seiner Einwirkung auf den Tatmittler bestehe und dass es daher - wie bei der Anstiftung - für seinen Versuchsbeginn nicht auf die Handlung des Ausführenden, sondern allein auf den Stand seiner Einflussnahme ankomme. Nach der sog. „Gesamtlösung" bilden mittelbarer Täter und Tatmittler dagegen eine Einheit, deren dem Hintermann zurechenbares letztes Handlungsgeschehen die Ausführung durch das Werkzeug ist. Solange diese nicht unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünde, tue es dann auch die Tat des Täters nicht, „denn der mittelbare Täter führt durch die Mittelsperson aus, also nicht früher als diese" (Frank § 4 3 Bern. II 2a). 155
Diese drei bisher genannten Meinungen vermögen nicht zu überzeugen. Der von der vormals herrschenden Lehre herangezogene Vergleich des gutgläubigen Tatmittlers mit einem mechanischen, gleichsam automatisch funktionierenden Werkzeug sagt über das Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung deshalb nichts aus, weil auch der Beginn des Einwirkens auf ein solches Werkzeug nicht zwangsläufig in den Versuch führt. Zudem sprechen weder Gefährdungs- noch Strafwürdigkeitsaspekte für eine Vorverlegung des Versuchsbeginns in dieser Konstellation, ist es doch keineswegs ausgemacht, dass das gutgläubige Werkzeug in der Hand des Hintermannes eine stets gefährlichere oder leichter zu steuernde „Waffe" ist als der dolose, aber gefügige Mittler (Roxin FS Maurach S. 2 2 8 ; Sch/Schröder/Eser Rdn. 54a). Begibt sich der Hintermann seines Einflusses auf den ausgelösten Kausalverlauf, ist die für diese Lösung maßgebliche Gefahr für das Rechtsgut zudem in beiden Fallgestaltungen gleich. Auch ist die Unterscheidung zwischen dolosem und undolosem Werkzeug nicht immer leicht (Roxin AT II § 2 9 Rdn. 2 5 9 ) . Vor allem aber gibt das Gesetz keinen Anhaltspunkt dafür, dass nach der Gut- oder Bösgläubigkeit sortiert werden könnte. Die Lösung des Problems des Versuchsbeginns bei mittelbarer Täterschaft muss daher von einer Gleichbehandlung beider Fallgestaltungen ausgehen.
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Dem entsprechen zwar die beiden übrigen Auffassungen. Sie leiten aber ihre jeweils einseitige Blickrichtung zu Unrecht aus dem Wesen der mittelbaren Täterschaft her. So ist es einerseits angesichts der Zurechenbarkeit des in aller Regel den Tatbestand erst erfüllenden Tatbeitrages des Tatmittlers 3 3 1 eine unzulässige Verengung der zur Bewertung stehenden Handlung, wenn allein auf die Einwirkung abgestellt und damit die Versuchsstrafbarkeit ohne die vom Gesetz vorgeschriebene Berücksichtigung des weiteren Tatablaufs vorverlegt wird. Andererseits ist nicht zu leugnen, dass die vom Tatmittler nach der Vorstellung des Täters sogleich und unmittelbar vorzunehmende Handlung bereits die Verwirklichung des Tatbestandes bedeuten und dass es dann so sein kann, dass
dies. FS Dahs, 1 7 3 , 174, 1 7 7 ff (Lehre von der persönlichen Versuchshandlung); i. E. auch Schilling Verbrechensversuch S. 1 0 0 ff, 112 f (nach ihm kommt es auf eine Nähe zur letzten Einwirkungshandlung an). 330
Sog. Gesamtlösung, vertreten z.B. von Eschenbach Jura 1 9 9 2 6 4 5 ; Gössel J R 1 9 7 6 2 5 0 ; 1 9 9 8 2 9 3 ff; Kadel GA 1 9 8 3 3 0 7 f; Köhler 541 f; Krack Z S t W 110 ( 1 9 9 8 ) 6 2 8 f f ; Krey A T / 2 Rdn. 4 3 7 ; Kühl § 2 0 Rdn. 91; ders. JuS 1 9 8 3 1 8 2 ; Küper J Z 1 9 8 3 3 6 9 f;
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Küpper GA 1 9 8 6 4 4 7 ; ders. GA 1 9 9 8 5 2 1 ; Lackner/Kühl Rdn. 9; Maurach/Gössel/Zipf A T / 2 § 4 8 Rdn. 115 ff; Rath JuS 1 9 9 9 1 4 3 ; Stratenwerth /Kuhlen § 12 Rdn. 105; Vogler L K 1 0 Rdn. 1 0 9 ; nahest. Bloy J R 1 9 9 2 497. Puppe bestreitet zu Unrecht die Zurechnung des Werkzeughandelns und kommt so zu dem unzutreffenden Schluss, es könne nur auf den Beginn des das Werkzeug beeinflussenden Täterhandelns ankommen (FS Dahs, S. 1 7 3 , 1 8 0 ff).
T h o m a s Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
zumindest der Abschluss der Einwirkung sich als letzter und das bedrohte Rechtsgut auch schon - soll es darauf ankommen - unmittelbar in Gefahr bringender Zwischenschritt erweist ( T r ö n d l e / F i s c h e r Rdn. 2 6 f). Es muss deshalb, wie es allein dem Wesen der mittelbaren Täterschaft entspricht, zwar in der Tat mit der Gesamtlösung das dem Hintermann zurechenbare Werkzeughandeln in die Bewertung miteinbezogen, es darf aber nicht anders als bei einer unmittelbaren Alleintäterschaft nur als einer der vom Täter noch für notwendig erachteten Teilschritte gewürdigt werden (ähnlich Küper J Z 1983 3 6 9 ; Krack Z S t W 110 [1998] 6 3 4 ; Wessels/Beulke Rdn. 614; s. zur Parallelisierung auch Herzberg FS Roxin S. 751 ). 3 3 2 Sieht man es so, ist der Boden dafür bereitet, die zur unmittelbaren Alleintäterschaft entwickelten Aussagen nicht anders als in den bislang behandelten Sonderfällen (s. schon Rdn. 86, 134, 142) zu verwerten und die Ansatzformel des § 2 2 auch für die mittelbare Täterschaft, naturgemäß unter Berücksichtigung der dieser Täterschaftsform eignenden Strukturen (Rdn. 8 6 ) , 3 3 3 fruchtbar zu m a c h e n . 3 3 4 Damit ist es unvereinbar, wenn man mit der zum beendeten Versuch und zum Unterlassen schon zurückgewiesenen Ansicht (s. Rdn. 133 ff; 148 ff) auch bei der mittelbaren Täterschaft behauptet, dass das Aus-derHand-Geben des Geschehens durch den Täter allemal zum Versuchsbeginn führe (modifizierte Einzellösung). 335 Dabei gelten die schon gefundenen Gründe auch hier. Sind nach der Vorstellung des Hintermannes vom Tatmittler noch wesentliche Zwischenschritte vor dem Eintritt in die eigentliche Tatbestandsverwirklichung zu vollziehen oder soll sich der Tatvollzug erst in weiterer, vielleicht noch ungewisser Zukunft ereignen, kann die Tatsache, dass der mittelbare Täter das Werkzeug beauftragt „entlässt", hier wie sonst die für den Beginn des Versuchs des Alleintäters nach der überwiegenden Meinung als selbstverständlich vorausgesetzte Rechtsgutsgefährdung oder die nach der hier vertretenen Lehre zu verlangende Gefahr der Tatbestandsverwirklichung nicht ersetzen. Herrschaftspreisgabe bewirkt nicht Versuchsbeginn (s. dazu Rdn. 138), kann fehlende Handlungsunmittelbarkeit nicht überbrücken, eine Gefahr der Tatbestandsverwirklichung nicht „von selbst" auslösen und ist bei mittelbarer Täterschaft zudem ein evident schiefer Begriff. Denn wenn der mittelbare Täter mit dem Entlassen des Werkzeugs seine Herrschaft wirklich preisgäbe, verlöre auch die Zurechnung ihr sie haltendes Band (s. hierzu Kadel GA 1983 3 0 7 ; Krack Z S t W 110 [1998] 6 2 9 ) . 3 3 6
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Zustimmung verdient die heute wohl überwiegend vertretene Lehre (scharf abl. Roxin AT II § 2 9 Rdn. 2 6 0 f) deshalb zwar darin, dass sie über den Versuchsbeginn im Gegensatz zu den drei zuvor dargestellten Meinungen im Grundsatz nicht anders als bei
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Ausführliche Kritik der Gesamt- und der Einzellösung bei Roxin AT II § 29 Rdn. 247 ff, 257 ff. Der von Roxin AT II § 29 Rdn. 265 gegen die damit befürwortete „allgemeine Theorie" (vgl. Hillenkamp AT 15. Problem) erhobene methodische Einwand geht insoweit ins Leere; umgekehrt ist es unzulässig (s. Rdn. 86), in § 22 „nur einen leitenden Maßstab" zu sehen (so aber Roxin aaO). Ebenso Herzberg MK Rdn. 129; Otto AT S 21 Rdn. 127 f; Sch/Schröder/Eser § 22 Rdn. 54a; Zaczyk NK Rdn. 30. So aber Engländer JuS 2003 335; Gropp $ 10 Rdn. 64 f; Guhra Verhalten S. 143;
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Heinrich AT I Rdn. 755; Jescheck ZStW 99 (1987) 130 f; Jescheck/Weigend § 62 IV 1; Kindhäuser AT § 39 Rdn. 50; Roxin AT II § 29 Rdn. 230, 244 f; ders. FS Maurach, 227 ff; ders. JuS 1979 11; ders. J Z 1998 211; Merkel ZStW 107 (1995) 559 f; Rudolphi SK § 22 Rdn. 20a; Schmidhäuser AT 11/32; Streng ZStW 109 (1997) 886 f; wie hier Prüßner S. 120 f; R. Schmidt Rdn. 683; Zaczyk, NK Rdn. 31. Nach Engländer JuS 2003 335 f geht es nur um den Verlust der Handlungsherrschaft, nicht aber der Herrschaft kraft überlegenen Wissens oder Wollens; ebenso Roxin AT II § 29 Rdn. 245.
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2. Abschnitt. Die Tat
der unmittelbaren Alleintäterschaft entscheiden will. D a r a u s folgt - wie dargelegt - aber einerseits nicht, dass mit der Preisgabe der (Handlungs-)Herrschaft der Versuch stets beginnt. Und andererseits ist die mit der Einwirkung a u f den Tatmittler ausgelöste unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts als eine dem A u s - d e r - H a n d - G e b e n gleichwertige A l t e r n a t i v e 3 3 7 n a t u r g e m ä ß nur für den akzeptabel, der sich zur individuellmateriellen Abgrenzung (s. dazu R d n . 8 6 ff) bekennt. D e m ist hier wie sonst mit der modifizierten Zwischenaktslehre entgegenzutreten, für die auch das Abwarten der „Erforderlichkeit einer tatbestandsspezifischen Verteidigungshandlung" 3 3 8 oder das „Ind e n - G r i f f - B e k o m m e n " des R e c h t s g u t s 3 3 9 keine adäquaten Umschreibungen sind. Vielm e h r ist auch bei der mittelbaren T ä t e r s c h a f t hiernach zu fragen, o b mit der vollzogenen (Gesamt-) Tätigkeit die geforderte Handlungsunmittelbarkeit hergestellt und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung nahegerückt ist (vgl. zu letzterem auch Herzberg FS R o x i n S. 7 6 2 , 7 7 1 f ) . 3 4 0 D a b e i sprechen die besseren Gründe dafür, nicht auf die Vorstellung des Tatmittlers, sondern auf die des mittelbaren Täters abzustellen (s. Hillenkamp FS R o x i n S. 7 0 8 ) . Wer der Einzellösung anhängt, hat ohnehin nur diese „ W a h l " . A b e r auch dann, wenn m a n mit der Gesamtlösung auf ein weit gediehenes Voranbringen des Tatgeschehens durch den Tatmittler a b h e b t , k o m m t es nicht auf dessen, 3 4 1 sondern auf die Vorstellung des H i n t e r m a n n s a n . 3 4 2 Das gilt erst recht für die hier vertretene Lösung. D a f ü r spricht s c h o n der W o r t l a u t des § 2 2 , nach dem die Vorstellung des Täters zugrunde zu legen ist. Auch muss die Gegenauffassung gerade beim Prototyp der mittelbaren Täterschaft, bei dem sich der T ä t e r eines gutgläubigen Dritten oder - was dem gleichsteht ( B G H S t 4 3 177, 1 8 0 ) - eines ahnungslosen Opfers bedient, die nicht vorhandene Tatvorstellung des Werkzeugs durch die des Hintermannes „ e r w e i t e r n " und sich damit im Z e n t r u m der mittelbaren T ä t e r s c h a f t im Grunde selbst aufgeben. Schließlich ist auch beim dolosen oder selber als T ä t e r handelnden „Werkzeug" der maßgebliche G e s a m t p l a n oft defizitär, weil der V o r d e r m a n n vom mittelbaren T ä t e r auch in diesen Konstellationen nicht notwendig in ihn umfassend eingeweiht wird. K o m m t es demnach auf die Vorstellung des mittelbaren T ä t e r s an, k a n n es folgerichtig nicht um eine Vorstellung im Z e i t p u n k t des H a n -
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v. Heintschel-Heinegg Rdn. 535; Otto AT § 21 Rdn. 128 f; ders. NStZ 1998 243; Sehl Schröder/Eser § 22 Rdn. 54a. Aus-derHand-Geben und Rechtsgutsgefährdung finden sich kumulativ z.B. bei Haft 231; Herzberg JuS 1985 6 ff; Hilgendorf 104 f; Kudlich JuS 1998 600 f; Maier MDR 1986 361; Saliger JuS 1995 1001; wie hier Wessels/Beulke Rn 616. Rath JuS 1999 143; wenn deren Notwendigkeit unter Umständen auch schon im Zeitpunkt des Einwirkungsabschlusses eingeräumt, dann aber gleichwohl auf das Verhalten des Werkzeugs abgestellt wird, verliert dieses Kriterium an der sonst immerhin behaupteten Klarheit. So die Übertragung der von Zaczyk übernommenen Konkretisierung auf die mittelbare Täterschaft durch Krüger Versuchsbeginn S. 161 ff, 186. Auf diese gleichfalls gegen die Versuchsvor-
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verlegung durch die Einzellösung streitenden Prämissen geht die Kritik Puppes FS Dahs, S. 177 ff gar nicht ein. Sie machen doch aber deutlich, dass es nicht gleichgültig ist, ob „der Erfolg unter Umständen erst deutlich später eintreten kann", wie Puppe behauptet (aaO S. 185 ff); wie hier i.E. Herzberg MK Rdn. 143 ff. So aber Küper J Z 1983 361, 370 f; ihm folgend Kühl § 20 Rdn. 91 mit Fn. 141; Rath JuS 1999 143 mit Fn. 36; in „anstiftungsähnlichen" Fällen auch Streng GedS Zipf S. 325, 335 f. So Haft S. 231; Krack ZStW 110 (1998) 611, 636 f; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 48 Rdn. 118 ff; Otto JA 1980 646; Papageorgiou-Gonatas S. 310; Sch/Schröder/Eser Rdn. 54a; Tröndle/Fischer Rdn. 25; Wessels/ Beulke Rdn. 614; zu beidem krit. Roxin AT II § 29 Rdn. 2 4 8 ff.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
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delns des Werkzeugs, sondern nur um die Vorstellung zum Zeitpunkt der eigenen Tätigkeit des mittelbaren Täters gehen. Daher schadet es nichts, wenn der mittelbare Täter im Augenblick der Ausführung an ganz anderes denkt oder schläft. Dass die Vorstellung dann, wenn erst Handlungen des Tatmittlers den Versuchsbeginn auslösen, nicht nur das eigene, sondern auch das Verhalten dieses Dritten umfassen und man dann auf dieser Beurteilungsgrundlage über das unmittelbare Ansetzen entscheiden muss, birgt kaum mehr Unsicherheiten und Irrtumsmöglichkeiten als die Vorstellung über das Wirken anderer Mittel und ist infolgedessen kein Grund, die Ablaufsvorstellung nur mit dem eigenen Verhalten des Täters zu verknüpfen (aA Roxin AT II § 29 Rdn. 248 mit Rdn. 199). Die Funktion der Vorstellung von der Tat wird allerdings verkannt, wenn ihr neben der Einordnung der zu beurteilenden Handlung in den geplanten Ablauf des Geschehens (Rdn. 88) und der Bestimmung der für die Tauglichkeit maßgeblichen Sicht (Rdn. 89) auch die Kraft zugesprochen wird, eine objektiv gar nicht vorgenommene, für das unmittelbare Ansetzen aber als notwendig erachtete Handlung zu ersetzen. Das geschieht etwa dann, wenn erst der Beginn der Ausführungshandlung des Werkzeugs als versuchsbegründendes Geschehen eingestuft werden kann, es hierzu aber nicht kommt und Versuch dann gleichwohl für den Zeitpunkt angenommen wird, in dem die vom Tatmittler erwartete Handlung nach seinem Tatplan hätte vorgenommen werden sollen (so BGHSt 4 0 257, 269). Das überdehnt die nur über die Untauglichkeit, nicht aber über ein nullum hinweghelfende „Vorstellung", beraubt den Versuch seines notwendigen objektiven Elements und widerspricht auch im übrigen dem Gesetz, das ein Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung nicht „in der Vorstellung, sondern nach der Vorstellung des Täters" verlangt (Krack ZStW 110 [1998] 638). 3 4 3 Deshalb ist es richtig, wenn BGHSt 43 181 f voraussetzt, dass dann, wenn nach dem Tatplan erst in einem dem mittelbaren Täter zurechenbaren Opferverhalten das unmittelbare Ansetzen läge, das Opfer (nicht nur in der Vorstellung des Hintermannes, sondern) „tatsächlich erscheint, dabei Anstalten trifft, die erwartete selbstschädigende Handlung vorzunehmen und sich deshalb die Gefahr für das Opfer verdichtet".
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Mustert man die einschlägige Rechtsprechung, so lässt sich zunächst in den für unterschiedliche Meinungen in Anspruch genommenen Entscheidungen des Reichsgerichts zwar eine Übereinstimmung mit dem hier eingenommenen Standpunkt (Rdn. 156 f) feststellen, dass der Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft keinen Sonderregeln unterliegt. Auch wird ganz im hier vertretenen Sinne bei der Aufforderung an einen gutgläubigen Tatmittler der Versuchsbeginn in Abhängigkeit vom weiter vorgestellten Geschehen gesehen (RGSt 45 282, 285). Im übrigen findet sich aber eine der seinerzeit vorherrschenden rein subjektiven Theorie entsprechende und mit der modifizierten Zwischenaktslehre daher unvereinbare Vorverlagerung des Versuchsbeginns, die sich ganz unabhängig von der Gut- oder Bösgläubigkeit des Werkzeugs einstellt. So soll die durch eingeweihte Mittelsmänner zu besorgende „verbotene Ausfuhr" von Schmuggelware schon beginnen, obwohl die Hintermänner im einen Fall erst auf dem Wege waren, das Gut an die Mittelsmänner zu übergeben (RGSt 53 11), und im anderen nur die Verpackung der Ware in Auftrag gegeben hatten (RGSt 53 45). Dass beidemal „ein Anfang mit der Bewegung gemacht worden" sei, die das Gut „unmittelbar über die Grenze schaffen sollte", klingt nach der hier verlangten Handlungsunmittelbarkeit, erfüllt deren Voraussetzungen aber
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Ebenso Hillenkamp FS Roxin, S. 709; Streng ZStW 109 (1998) 888; diese Konsequenz sehen krit. Herzberg FS Roxin,
S. 752; ders. FS Rudolphi, S. 75, 81 f, 89; Puppe FS Dahs, S. 173, 183.
Thomas Hillenkamp
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2. Abschnitt. Die Tat
nicht, weil noch die wesentlichen Schritte der Übergabe an die Transporteure und deren Annäherung an die Grenze ausstanden. Solche, dem mittelbaren Täter zurechenbare und daher in die (Gesamt-)Bewertung miteinzubeziehende Zwischenakte sind auch dort noch zu bedenken, wo die vom Hintermann mit Gift versehene Mahlzeit in einem Fall von der gutgläubigen Köchin noch zubereitet und serviert (RG J W 1936 513), in einem anderen Fall von einer arglosen Person dem Opfer noch „verabfolgt" (RGSt 59 1) werden sollte. In solchen Fällen lässt sich der Versuchsbeginn nur mit der differenzierenden oder der Einzellösung begründen, auf die sich freilich das Reichsgericht nicht berief. Mit der hier verfochtenen Lehre in Einklang zu bringen ist auch die Annahme einer versuchten schweren Brandstiftung nur dann, wenn der Täter sich in ein Krankenhaus in der Gewissheit begibt, die von ihm auf dem Boden eines Wohnhauses installierte „Brandstiftungsanlage" werde in kurzer Zeit von einem der Hausbewohner durch Betätigung des Lichtschalters ausgelöst (vgl. RGSt 6 6 141). Ist das ungewiss und nicht alsbald zu erwarten, liegt die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung noch nicht vor. Hier ist nicht anders zu verfahren, als in den Fallgestaltungen des beendeten Versuchs, in denen eine Opfermitwirkung noch aussteht (s. Rdn. 139 ff). 3 4 4 In keinem der Fälle genügt, dass der Täter das Geschehen aus seinem Herrschaftsbereich entlässt (s. Rdn. 157; aA Roxin AT II § 2 9 Rdn. 236). 162
Ersetzt man die Gefährdung des Rechtsguts mit der modifizierten Zwischenaktslehre durch die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung und nimmt auf die Handlungsunmittelbarkeit bedacht, kommt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem hier eingenommenen Standpunkt nahe. So hat BGHSt 4 2 7 0 , 273 nicht nur betont, dass auch die Fälle der mittelbaren Täterschaft „nach den allgemeinen Regeln über die Abgrenzung des Versuchs von der Vorbereitung zu lösen" seien (ebenso hier Rdn. 156 f). Vielmehr hat er schon in dieser ersten bedeutsamen Entscheidung dem Richter zu prüfen auferlegt, „ob die Einzelhandlungen in ihrer Gesamtheit schon einen derartigen unmittelbaren Angriff auf das geschützte Rechtsgut enthalten, dass es bereits gefährdet ist und der Schaden sich unmittelbar anschließen kann" und dazu richtig erkannt, dass danach die „Beeinflussung des gutgläubigen Tatmittlers eine bloße Vorbereitungshandlung sein (kann), wenn erst beim Hinzutreten weiterer Umstände oder nach längerer Zeit eine Wirkung gewollt war", dass aber die Einwirkung auch der „Anfang der Ausführung sein" kann, wenn sie das Rechtsgut bereits unmittelbar gefährdet. Damit muss sich - will man die Gefährdung nicht ins Uferlose erstrecken - der Sache nach die Handlung des Hintermannes als letzter Zwischenschritt vor einem zeitlich nahen und das Geschehen unmittelbar in die Tatbestandserfüllung überführenden Tätigwerden des Werkzeugs erweisen, der Enderfolg nahegerückt und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung gegeben sein, 3 4 5 soll ein Versuch schon vorliegen, obwohl das Werkzeughandeln noch aussteht (s. dazu als Beispiel OLG München wistra 2 0 0 6 436, 437). Liegt es anders, ist auf das unmittelbare Ansetzen des Werkzeugs zu warten (krass verkannt von OLG München N J W 2 0 0 6 3364).
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Nach Zaczyk Unrecht S. 323 ist bei abstrakten Gefährdungsdelikten wie § 306 auf das das Rechtsgut erst unmittelbar in den Griff nehmende Zünden abzustellen; es kommt aber auch bei den abstrakten Gefährdungsdelikten gerade nicht auf die hier „außertatbestandliche" Rechtsgutsgefährdung, sondern auf die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung an.
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Dabei wird diese Konstellation bei mittelbarer Täterschaft eher der seltenere Fall, das erst versuchsbegründende Werkzeughandeln also häufiger abzuwarten sein, vgl. Küper J Z 1983 369 f; umgekehrt formulierend BGHSt 4 0 257, 269.
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Begriffsbestimmung
§22
Diese Linie hat auch BGHSt 30 3 6 3 3 4 6 nicht verlassen. Denn auch nach dieser EntScheidung setzt der mittelbare Täter nicht deshalb schon immer zur Tat an, weil er „die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat ... und ihn aus seinem Einwirkungsbereich ... entlässt". 3 4 7 Vielmehr gilt das nach den auch hier zu Recht am Anfang zitierten Konkretisierungen der Ansatzformel des § 22 (BGHSt 30 364) nur dann, wenn der Tatmittler „nach dem Tatplan ... im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut damit bereits in diesem Zeitpunkt gefährdet ist" (aaO 365). Stellt man sich mit dem BGH auf den (allerdings unzutreffenden) Standpunkt, dass das in den dort zugrunde liegenden Fallgestaltungen so war, ist es auch richtig, der Tatsache, dass in der einen Variante die zunächst tatentschlossenen und sich auf den Weg machenden Mittler die Tat nicht ausgeführt haben und in der anderen das Werkzeug nur zum Schein auf das Ansinnen des Hintermannes einging, keine den Versuchsbeginn hindernde Bedeutung zuzuerkennen. Denn danach kommt es auf ein Ansetzen auch des Werkzeugs in beiden Varianten gar nicht mehr an (s. Hillenkamp FS Roxin S. 709 mit Fußn. 114). 348 Infolgedessen hat hier der Bundesgerichtshof auch nicht - wie es in der Tat unzulässig wäre (s. Rdn. 160) - das objektive Erfordernis einer Ausführungshandlung durch die bloße Vorstellung des Hintermannes ersetzt (so aber die Kritik Voglers LK 10 Rdn. 104). Zu beanstanden ist an dieser Entscheidung daher nur, dass sie in der Begründung statt auf die Handlungsunmittelbarkeit und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung auf den konturlosen Gefährdungsgedanken setzt und damit im Ergebnis - wie es für dieses Kriterium typisch ist - einen Versuch zu einem zu frühen Zeitpunkt bejaht. Da in beiden Varianten des abzuurteilenden Geschehens die „Werkzeuge" nach der Vorstellung des Täters das Opfer noch aufzusuchen, es zu überfallen und ihm erst dann das Gift beizubringen hatten, stellt die Übergabe des Tatmittels an die instruierten Mittler noch keine Handlungsunmittelbarkeit zum Töten her. Vielmehr waren noch ganz wesentliche Zwischenschritte zu gehen. Daher fehlte es auch an einer schon gegenwärtigen Gefahr, dass sich die Tatbestandsverwirklichung vollzieht.
163
Das ist in BGHSt 40 257 und BGHSt 43 177 besser erkannt. Zwar wird in beiden Entscheidungen zu Unrecht von einem „regelmäßigen" Versuchsbeginn gesprochen, „wenn der Hintermann seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen" hat (s. BGHSt 40 269; ähnlich BGHSt 43 180; BGH StV 2001 273). Die dann aber eingeräumte und in den konkreten Fällen zu Recht bejahte „Ausnahme", in der sich der Versuch erst mit dem Beginn der Ausführungshandlung des Tatmittlers einstellt, wenn dieser „erst nach einer gewissen Zeitspanne oder zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt tätig werden soll" (BGHSt 40 269; BGH StV 2001 273) oder „wenn ungewiss bleibt, ob und wann die Einwirkung einmal Wirkung entfaltet" (BGHSt 43 180), bestätigt die von BGHSt 4 270 und BGHSt 30 361 vorgezeichnete Linie und stimmt
164
346
347
Mit Anm. Geilen JK StGB § 22/7; Hassemer JuS 1982 703; Seier JA 1982 369; s. dazu auch Küper J Z 1983 361; Kühl JuS 1983 180; Wessels/Beulke Rdn. 615. Von Roxin AT II § 29 Rdn. 242 wird BGHSt 30 363 aufgrund dieser Formulierungen, in der Sache aber zu Unrecht für den Standpunkt der h.L. in Anspruch genommen, nach Preisgabe der Herrschaft trete allemal der Versuchsbeginn ein; vgl. zur Interpretation dieser Formel auch BGHSt 40 257, 269.
348
In der ersten Variante ist der Versuch dann in der Tat fehlgeschlagen. In der zweiten handelt es sich um einen untauglichen Versuch, vgl. BGHSt 30 366; legt man die den Versuchsbeginn vorverlegende Annahme des BGH zugrunde, geht die Kritik an dieser Entscheidung (s. Vogler LK 10 Rdn. 104) insoweit fehl; die Kritik von Bloy ZStW 117 (2005) 24 ff liegt auf der Linie Voglers und trifft deshalb die hier (Rdn. 160) eingenommene Position nicht.
Thomas Hillenkamp
1563
§ 2 2
2 . Abschnitt. Die Tat
angesichts der dann noch fehlenden Handlungsunmittelbarkeit oder Gefahr der Tatbestandsverwirklichung auch mit dem hier verfochtenen Standpunkt überein. 3 4 9 Dass eher regelwidrig - ein Versuch auch nach den strengeren Anforderungen der modifizierten Zwischenaktslehre anzunehmen sein kann, obwohl der Tatmittler noch (weitgehend) untätig geblieben ist, zeigt B G H N S t Z 1 9 8 6 547. Hier sollte der durch einen Nötigungsnotstand in die Werkzeugrolle gedrängte Tatmittler durch die Bedrohung mit einer Pistole gezwungen werden, den vor seinem Pkw liegenden Zollbeamten zu überfahren. Seine Weigerung hindert in einem solchen Fall den Versuchsbeginn nicht, weil „der Tatmittler die ihm angesonnene" und unmittelbar tödliche „Handlung sogleich, auf bloße Aufforderung und in Anwesenheit des unmittelbaren Täters zu erbringen" hatte. Damit sollte der dem Hintermann zuzurechnende nächste und unmittelbar zu vollziehende Schritt bereits die Tötung des Opfers sein. 3 5 0 Das und nicht die Behauptung, der mittelbare Täter habe seine Einwirkung schon abgeschlossen oder das Tatgeschehen aus der H a n d gegeben - was beides nicht zutraf - , ist das Entscheidende. 3 5 1 165
ff) Actio und omissio libera in causa. Bei der vorsätzlichen actio libera in c a u s a 3 5 2 stellt sich die Frage, ob der Versuch schon mit der beginnenden Herbeiführung der Schuldunfähigkeit oder erst mit dem Ansetzen zur Ausführung der mit Strafe bedrohten Handlung in diesem Zustand gegeben ist. Beide Ansichten werden vertreten. Dabei verbindet sich die Auffassung, die den Versuchsbeginn in die actio praecedens vorverlegt, in aller Regel mit dem Bemühen, die actio libera in causa mit einem schon die Defektverursachung als tatbestandliche Handlung ausweisenden Tatbestandsmodell 3 5 3 zu rechtfertigen, um den vom Bundesgerichtshof (BGHSt 4 2 2 3 5 ) mittlerweile geteilten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Ausnahmemodell zu entgehen. 3 5 4 Anhänger dieser Lösung sehen dagegen nicht schon in der Herbeiführung des Defekts, sondern erst im unmittelbaren Ansetzen zu der die Tathandlung hiernach überhaupt erst ausmachenden actio subsequens § 2 2 erfüllt. 3 5 5 Die zuletzt genannten Stimmen berufen sich darauf, dass der Versuch durch die Figur der actio libera in causa nicht vorverlegt, ohne unmit-
349
350
Z u r - gleichwohl unzutreffend in den Versuch führenden - Verkennung der Funktion der Vorstellung in BGHSt 4 0 2 5 7 vgl. Rdn. 1 6 0 ; zum Unterlassungsmoment in diesem Fall s. Rdn. 1 5 0 ; zur Bewertung des eine Opfermitwirkung voraussetzenden Falles in BGHSt 4 3 1 7 7 vgl. näher Rdn. 139 ff. Im Ergebnis ebenso B G H N S t Z 1 9 8 6 547. Hier wird allerdings ganz zu Unrecht behauptet, der nach wie vor die Waffe auf den Tatmittler zielende mittelbare Täter habe „mit Drohung und Aufforderung das Tatgeschehen aus der Hand gegeben" und deshalb als entscheidend angesehen, daß der mittelbare Täter die nach seiner Vorstellung erforderliche Einwirkung abgeschlossen habe.
351
Die Entscheidung lässt sich daher nicht für die modifizierte Einzellösung vereinnahmen, aA Roxin AT II § 2 9 Rdn. 2 4 3 .
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S. zur Definition Jescheck/Weigend 1; Roxin AT I § 2 0 Rdn. 5 6 .
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353
S. zum hier nicht im einzelnen nachzuzeichnenden Streitstand die Nachweise bei Hillenkamp AT 13. Problem; Kühl § 11 Rdn. 6 ff; zum Versuchsbeginn Kindhäuser LPK Rdn. 4 2 ff.
354
Für den Versuchsbeginn auf die actio praecedens stellen z.B. ab Hirsch FS Nishihara, S. 9 8 ; Horn GA 1 9 6 9 2 9 9 f; Jakobs 1 7 / 6 8 ; Maurach JuS 1 9 6 1 2 7 4 ; Puppe JuS 1 9 8 0 3 4 8 f; Roxin FS M a u r a c h , S. 213, 2 3 0 ; ders. FS Lackner, S. 314; ders. AT I § 2 0 Rdn. 61; Rudolphi SK Rdn. 2 1 ; Wolter FS Leferenz, S. 5 5 f.
355
Für den Versuchsbeginn auf die actio subsequens stellen z.B. ab Baumann/Weber/ Mitsch S 2 6 Rdn. 5 3 ; Hettinger alie S. 4 6 2 ; Kühl § 11 Rdn. 2 4 a ; Lackner/Kühl Rdn. 2 7 ; Rath JuS 1 9 9 9 1 4 3 f; Sch/Schröder/Eser Rdn. 5 6 ; Vogler L K 1 0 Rdn. 1 0 7 f; Wessels/ Beulke Rdn. 419.
§ 4 0 VI
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
telbare Gefährdung des Rechtsguts nicht bejaht und dass im häufigsten Anwendungsfall des Sich-Berauschens hierin auch keinesfalls eine beginnende Tötungs-, Körperverletzungs- oder Beleidigungshandlung (s. Hettinger GA 1989 14; Küper FS Leferenz S. 582 ff) gesehen werden dürfe. Die zuerst angeführte Ansicht nimmt hiergegen in Anspruch, dass der sich zum eigenen unverantwortlichen Werkzeug degradierende Täter nicht nur mit dem Ubergang in die Schuldunfähigkeit die Feuerprobe der kritischen Situation bestehe, sondern auch das weitere Geschehen aus der Hand gebe und damit nicht anders als in solchen Fällen des beendeten Versuchs und der mittelbaren Täterschaft den Beginn des Versuchs begründe. Im Einklang mit der hier zu allen Sondergestaltungen eingeschlagenen Linie (s. Rdn. 86, 134, 142, 156) ist demgegenüber zunächst zu betonen, dass sich auch in Fällen der actio libera in causa der Versuchsbeginn aus der gesetzlichen Regelung ergibt und dass deshalb die zur Ansatzformel entwickelten allgemeinen Aussagen auch hier ihre Geltung nicht einbüßen (übereinstimmend Jescheck/Weigend § 40 VI 2; Tröndle/Fischer Rdn. 30; Wessels/Beulke Rdn. 419). Es muss folglich auch bei der actio libera in causa so sein, dass das Geschehen mit dem nächsten Schritt in die Tatbestandsverwirklichung einmündet (Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 111) und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung schon besteht (modifizierte Zwischenaktslehre). Wann das so ist, kann hier nicht anders als in den Fällen der mittelbaren Täterschaft 3 5 6 weder ausschließlich mit Blick auf die Einwirkung, noch einseitig mit Blick auf das Werkzeughandeln beantwortet werden; denn so wie bei der mittelbaren Täterschaft beides zusammengehört, sind bei der actio libera in causa „das Sich-Betrinken und das Trunkenheitsdelikt" eine „Einheit". Sie sind als „Gesamtheit" zu werten (Spendel LK 11 § 323a Rdn. 30). Dann aber kann es hier ebenso wie dort so liegen, dass der Täter „als Werkzeug" noch wesentliche Zwischenschritte gehen (etwa nach dem Eintritt des Vollrausches erst noch die Wohnung seines Opfers aufsuchen und dort das Messer ergreifen) muss, bevor es zur (Tötungs-)Tatbestandshandlung kommt (s. auch Baier GA 1999 281), wie auch so, dass nach der den Verantwortungsausschluss unmittelbar herbeiführenden Handlung sogleich „losgeschlagen" werden soll. Bildet wie im letzteren Fall das Befördern in die Schuldunfähigkeit den letzten Schritt vor der sich nunmehr in ungestörtem Fortgang unmittelbar anschließenden Tatbestandsverwirklichung, muss für den Versuchsbeginn das „Losschlagen" selbst nicht mehr abgewartet werden (gegen Versuch aber Hettinger FS Geerds S. 628). Kann dagegen - wie im ersteren Fall - die im Verlust der Schuldfähigkeit liegende Zäsur weder über die noch fehlende Handlungsunmittelbarkeit (zu Recht verneint von Kühl § 11 Rdn. 13 m.w.N. zum Beispiel) noch über die noch ausstehende Gefahr der Tatbestandsverwirklichung hinweghelfen, kann auch hier das Bild des „Aus-der-Hand-Gebens" für den Versuchsbeginn nicht reichen (übereinstimmend Herzberg FS Roxin S. 769; ders. MK Rdn. 147). 357 Ebenso wie beim „beendeten" Versuch und der mittelbaren Täterschaft ist
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Die Parallelisierung fordern ausdrücklich z.B. Hirsch FS Nishihara, S. 98 f; Jakobs 17/64 ff; Roxin AT I S 20 Rdn. 61 f; das gegen sie vor allem erhobene Bedenken, der Täter behalte bei der actio libera in causa „auch nach Eintritt der Schuldunfähigkeit die Handlungsherrschaft", übertrage sie also nicht auf einen Dritten (Eser/Burkhardt Strafrecht I 17 A 8; Hettinger alie S. 344 f; 4 0 7 ff; Jescheck/Weigend § 40 VI 1 Fn. 66)
357
spricht weniger gegen die Vergleichbarkeit, als dafür, hier erst recht gegen Versuchsbeginn beim vermeintlichen „Aus-der-HandGeben" zu streiten; krit. Übler S. 134 ff, 149 ff. Dazu, dass bei der actio libera in causa im übrigen das Aus-der-Hand-Geben als Synonym für „Herrschaftsverlust" hier noch weniger passt als bei der mittelbaren Täterschaft, vgl. Fn. 356.
Thomas Hillenkamp
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166
§22
2. Abschnitt. Die Tat
die bloße Preisgabe der Revokationsmöglichkeit - wenn es denn eine solche ist - mit dem Versuchsbeginn daher auch hier nicht gleichzusetzen (aA Guhra Verhalten S. 165). 167
Wer anders entscheidet, müsste wegen Versuchs schon den „Täter" bestrafen, der sich noch gar nicht zum Tatort begeben hat (vgl. Maurach JuS 1961 379) und dabei bleiben, auch wenn es nach Herbeiführung des Defekts durch das Eingreifen Dritter zu nichts mehr kommt. Das aber verstößt gegen die vom Gesetzgeber mit der Ansatzformel verbundene Absicht, den Versuch enger als zuvor an den Tatbestand zu binden. Dass damit Fälle denkbar, ja sogar wohl die Regel sind, in denen der Täter im Zeitpunkt des Versuchsbeginns schuldunfähig ist, 3 5 8 ist auch jenseits des Ausnahmemodells kein prinzipieller Einwand; denn auch dort, wo der Versuchsbeginn nach Abschluss der Täterhandlung noch auf sich warten lässt, weil das Werkzeug das Opfer erst noch aufsuchen (BGHSt 3 0 363) oder das Opfer erst noch in den Wirkungskreis des Tatmittels eintreten (BGHSt 43 177) muss, verschlägt es nichts, wenn der (mittelbare) Täter sich zu diesem Zeitpunkt in einem schuldausschließenden Zustand befindet. 3 5 9 Nichts anderes kann aber gelten, wenn der Täter selbst in die Rolle des Werkzeugs schlüpft.
168
Für die vorsätzliche omissio libera in c a u s a 3 6 0 gelten dieselben Grundsätze (aA Sch/Schröder/Eser Rdn. 5 7 ; wie hier Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 4 0 Rdn. 112; Vogler L K 1 0 Rdn. 114). Auch dort, wo sich der Täter außerstande setzt, die gebotene Handlung rechtzeitig vorzunehmen, ist das Versuchsstadium deshalb noch nicht stets damit erreicht, dass der Täter die Fähigkeit verliert, verantwortlich zu handeln. Denn wenn er auch das Geschehen möglicherweise hiermit schon aus der Hand gibt, kann es doch an der von der individuell-materiellen Lehre (Rdn. 68 f) geforderten unmittelbaren Gefährdung des Rechtsguts ( K ü h l § 18 Rdn. 150a; aA Sch/Schröder/Eser Rdn. 57) ebenso wie an der hier verlangten Handlungsunmittelbarkeit oder der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung noch fehlen. Deshalb beginnt im Falle des Streckenwärters (s. Rdn. 143), der sich im Bewusstsein betrinkt, später die gebotene Rettungshandlung nicht mehr vornehmen (den schon betrunkenen Kollegen also nicht mehr von den Gleisen ziehen) zu können, der Versuch nicht schon im Augenblick des Sich-Betrinkens oder des Steuerungsverlusts (so aber Sch/Schröder/Eser Rdn. 5 7 ; Welp S. 138; wie hier Maurach JuS 1961 377), sondern erst in dem Zeitpunkt, in dem der Zug jeden Augenblick heranzunahen droht und damit das Vorstadium der letzten Erfolgsabwendungschance erreicht ist (vgl. auch Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 4 0 Rdn. 112). Andererseits kann - ist der Zug schon zu hören - naturgemäß auch hier das Sich-Versetzen in den schuldunfähigen Zustand den letzten Schritt vor der unmittelbar todbringenden Unterlassung bedeuten und daher unmittelbares Ansetzen sein.
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Nicht anders liegt es schließlich in den Fällen einer vorsätzlichen (abl. hierzu Küper Notstand S. 5 9 ff) actio illicita in causa. Auch hier muss das uneingeschränkte Abheben auf die actio praecedens selbst unter Berufung auf eine gewisse Zwangsläufigkeit des weiteren Geschehens ( S c h / S c h r ö d e r / L e n c k n e r Vorb. § 32 ff Rdn. 23) die Voraussetzun-
358
Als zentraler Einwand gegen den Versuchsbeginn erst durch das „Werkzeughandeln" gebraucht von Roxin AT I § 20 Rdn. 61, 67;
359
Vgl. zu dieser kontroversen Frage Spendei LK 11 § 323a Rdn. 34 mit dem zutreffenden Hinweis, daß dem Werkzeug-/Opferverhalten bei mittelbarer Täterschaft bei der actio libera in causa das Handeln des schuld-
Rudolphi SK § 20 Rdn. 28b, c.
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360
unfähig gewordenen Täters entspricht; auf die hiermit zusammenhängenden Fragen der Konstruktion der actio libera in causa kann hier nicht näher eingegangen werden, s. dazu Herzberg FS Spendei, S. 203 ff einerseits, Hettinger FS Geerds, S. 637 ff andererseits. Vgl. zum Begriff Scb/Schröder/Stree Vorb. § 13 ff Rdn. 144.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
gen der modifizierten Zwischenaktslehre verfehlen, wo die tatbestandliche Rechtsgutsverletzung erst durch eine weitere, durch Zwischenschritte von der verbotenen Ausgangsaktion noch getrennte Handlung geschehen oder der Eintritt der zur Verletzung berechtigenden Lage (und damit die Tatbestandsverwirklichung) ebensogut noch ausbleiben konnte. 3 6 1 gg) Mittäterschaft. Wirken Mittäter Hand in Hand, gilt für den Versuchsbeginn nichts Besonderes. Liegt es aber so, dass nach dem gemeinsam vorgefassten Plan „die Beteiligten in zeitlichem Abstand verschiedenartige Tatbeiträge leisten und dadurch das gewünschte Ergebnis ... herbeiführen" sollen (BGH N S t Z 1981 99), streiten Gesamtund Einzellösung (Begriffe nach Schilling Verbrechensversuch S. 1) um den richtigen Weg. Ihn zu finden, werden von beiden Lagern Gründe des Versuchs, vorrangig aber hier nicht im einzelnen auslotbare Argumente der Mittäterschaft und ihrer Zurechnungsstrukturen bemüht.
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In der Literatur noch herrschend 3 6 2 ist die Gesamtlösung. Sie hatte schon das Reichsgericht (RGSt 58 2 7 9 ) 3 6 3 zugrunde gelegt, als es für den Versuch eines sich auf einen Beitrag im Vorbereitungsstadium beschränkenden Mittäters nur verlangte, „dass irgendeiner der Mittäter eine Handlung vorgenommen hat, die ... einen Anfang der Ausführung" enthält und dass „alle Beteiligten diese Handlung auch für sich gelten lassen wollten". Genauer finden sich die Prämissen dieser Lösung in der Rechtsprechung (s. zuvor schon deutlich Schönke/Schröder [7. Aufl. 1954] § 4 7 Bern. VIII) erst in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1980, in der es heißt, dass die Grenzüberschreitung zum Versuch „nicht für jeden Beteiligten je nach seinem eigenen Tatbeitrag gesondert, sondern für alle Beteiligten einheitlich zu beantworten" und dass sie dann zu bejahen sei, wenn eine der „zum Geamtplan gehörenden Einzelhandlungen" den Versuchsbeginn erreicht. „Vor diesem Zeitpunkt" beginne „bei keinem der Beteiligten der Versuch" (BGH N J W 1981 99). Hiernach treten - wie es der B G H später formuliert - „alle Mittäter in das Versuchsstadium ein, sobald einer von ihnen zur Tatbegehung unmittelbar ansetzt" (BGHSt 3 9 2 3 7 ) , und zwar unabhängig davon, ob einzelne ihren Tatbeitrag schon im Vorbereitungsstadium erbracht haben (BGHSt 3 6 2 4 9 , 2 5 0 ) . 3 6 4 Legt man diese Auffassung zugrunde, reicht die Einrichtung einer Brandstiftungsanlage durch einen der Mittäter nicht aus, wenn der Brand erst später durch einen anderen Mittäter ausgelöst werden soll und hierzu ein Ansetzen noch fehlt (RGSt 6 6 141, 143). Dabei ist es für den (nur) in der Vorbereitungsphase tätigen Mittäter ohne Belang, wenn er mehr als die Einrichtung der Anlage gar nicht bewerkstelligen soll und daher sein Anteil schon hinter ihm liegt. 3 6 5 Andererseits tritt ein Mittäter schon in den Versuch mit ein, wenn seine Auf-
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Vgl. hierzu Lenckner GA 1961 304 und Seh! Schröder/Lenckner Vorb. § 32 ff Rdn. 23; enger zum Versuchsbeginn auch Kindhäuser Gefährdung S. 116; Küper Notstand S. 61 ff. Vertreten u.a. von Angerer S. 29 f; Baumann/Weber/Mitscb § 29 Rdn. 104; Buser Zurechnungsfragen S. 83; Heinrich AT I Rdn. 740; Ingelfinger J Z 1995 712 ff; Jakobs 21/61; Kindhäuser AT § 40 Rdn. 15; Krey AT/2 Rdn. 439; Kühl § 20 Rdn. 123 ff; Küper Versuchsbeginn S. 69; Lackner/Kühl Rdn. 9; Otto AT § 21 Rdn. 125; Prüßner S. 169 ff, 189; R. Schmidt Rdn. 686;
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Sch/Schröder/Eser Rdn. 55; Vogler LK 10 Rdn. 88 ff; Wessels/Beulke Rdn. 611; Zaczyk NK Rdn. 67; wohl auch Tröndle/ Fischer Rdn. 21, 21a; im Grundsatz auch Frister Rdn. 29/11 f. Vgl. auch - weniger deutlich - RGSt 77 172. So auch BGHR StGB S 22 Ansetzen 3; BGHSt 40 299, 301; BGH NStZ 1999 609; BGH StV 2001 273; der Sache nach auch schon BGHSt 11 268. So lag es in RGSt 66 141; s. auch BGHR S 22 StGB Ansetzen 3 und BGH NStZ 1981 99.
Thomas Hillenkamp
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§22
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2. Abschnitt. Die Tat
gäbe erst darin besteht, zu einem späteren Zeitpunkt die Tat zu befördern (z.B. den von den übrigen Beteiligten schon gelegten Brand durch Einschalten der Belüftungsanlage nachträglich zu beschleunigen), es zu mehr als einer versuchten Brandlegung durch die anderen aber nicht kommt. Wer vereinbarungsgemäß erst eintreffen soll, wenn die von „Spezialisten" aus dem Tresor „befreiten" Goldbarren zum Abtransport bereit liegen, begibt sich mit jenen in den Versuch, auch wenn die Kunst der Schweißer versagt. 3 6 6 Beide Ergebnisse werden von einer Einzellösung nicht gebilligt, der zufolge für jeden Mittäter der Versuchsbeginn gesondert zu prüfen und ohne Rücksicht auf das Stadium der „Gesamttat" stets auf den Zeitpunkt festzulegen ist, in dem dieser Mittäter selbst in das Versuchsstadium eintritt. 3 6 7 Bezieht man diese Feststellung auf den vom jeweils Beteiligten abzuliefernden Beitrag und lässt mit der in der Rechtsprechung und überwiegenden Lehre vertretenen Auffassung (s. dazu B G H NStZ 1 9 9 9 6 0 9 ; Wessels/Beulke Rdn. 5 2 9 m.w.N.) für Mittäterschaft eine Mitwirkung im Vorbereitungsstadium ausreichen, führt dies zu der von Schilling (S. 112 f zu BGHSt 11 2 6 8 ) gezogenen Konsequenz, dass u.U. schon die in einer Mordverabredung liegende „psychische Einwirkung" auf die übrigen Mittäter einen (beendeten) Mordversuch darstellt. Ganz allgemein kann hiernach schon das Ansetzen zur täterschaftsbegründenden Vorbereitungshandlung die Versuchsstrafbarkeit auslösen. Umgekehrt ist das Ansetzen zum eigenen Beitrag abzuwarten, auch wenn die „Gesamttat" das Versuchsstadium schon früher erreicht. Im Anschluss an Rudolphi (SK Rdn. 19a; ders. FS Bockelmann S. 3 8 3 ff) billigt eine an Gefolgschaft gewinnende Variante der Einzellösung nur die zweite, nicht aber die erste Aussage 3 6 8 für den Fall, dass es sich um einen bloßen Beitrag im Vorbereitungsstadium handelt. Ausschlaggebend für diese Einschränkung ist einerseits die Überlegung, dass man „nicht gut einen Versuch bejahen kann, solange alle Beteiligten sich noch in der Vorbereitung befinden" ( R o x i n FS Odersky, S. 4 9 7 ) . Andererseits müsse jeder Mittäter die Grenze zum Versuch selbst durch das Ansetzen zu einem Tatbeitrag überschreiten, der ihn im Ausführungsstadium an der Herrschaft beteilige. Beiträge im Vorbereitungsstadium bleiben danach außer Betracht. Diese Variante der Einzellösung trifft sich mit der Gesamtlösung darin, dass „der Versuch keines Mittäters vor dem Zeitpunkt beginnen kann, in dem die Gesamthandlung die Grenze zum Versuch überschreitet" (Rudolphi SK Rdn. 19a). Wohl aber ist es nach ihr möglich, dass der zuerst handelnde Mittäter das Versuchsstadium bereits erreicht, ohne die anderen mitzunehmen. Das bedeutet im Beispiel des Einbruchsdiebstahls (Rdn. 171) für die „Spezialisten" Versuch, während der Transporteur im Vorbereitungsstadium verbleibt. 3 6 9
366 vgl. das Beispiel von Roxin FS Odersky, 367
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S. 491; i.E. ebenso Guhra Verhalten S. 154. So der Vorschlag Schillings Verbrechensversuch S. 114 ff; eine Einzellösung findet sich auch schon bei Frank § 4 7 Bern. V; auch RGSt 9 3 und BGH bei Holtz M D R 1977 807 f (Lichthupen-Fall; vgl. dazu die Analyse von Küper Versuchsbeginn S. 26 ff) weisen Ansätze hierzu auf; zu den Einzellösungen s. auch Ingelfinger J Z 1995 711 f; nur für Pflicht- und eigenhändige Delikte zustimmend, im übrigen differenzierend die „Untätigkeitslösung" von Gorka S. 76 ff, 150 ff. Zustimmung findet diese Lehre z.B. bei Bloy Beteiligungsformen S. 265 ff; Roxin
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AT II S 29 Rdn. 297 ff; Rdn. 199; ders. FS
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Odersky, S. 491 ff; 497; Valdagua ZStW 98 (1986) 839 ff; Roxin stützt seine Zustimmung wesentlich auf die von ihm für Mittäterschaft verlangte (gewichtige) Mitwirkung im Ausführungsstadium. Die daraus bezogenen Argumente treffen daher die Gesamtlösung nicht, wenn man mit der subjektiven Teilnahme- oder einer normativierenden Tatherrschaftslehre auch Handlungen im Vorbereitungsstadium als mittäterschaftsbegründend nicht von vornherein ausschließt; darauf kann hier nicht näher eingegangen werden. Was nur zur Straflosigkeit wegen Versuchs führt; (psychische) Beihilfe zum Versuch
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
Vorzuziehen ist die Gesamtlösung. Versuch bedeutet ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung. Zu diesem gesetzlichen Ausgangspunkt verliert eine Einzellösung jeden Bezug, die einen im Vorbereitungsstadium erbrachten und für eine mittäterschaftliche Mitwirkung für ausreichend erachteten Beitrag unabhängig davon für den Versuchsbeginn in Anspruch nimmt, wieweit er das von den Mittätern geplante Geschehen in die Nähe der Tatbestandsverwirklichung rückt. Der Versuchsbeginn wird hierdurch nicht nur häufig zu Lasten des Geltungsbereichs des § 30 Abs. 2 überdehnt (Sch/Schröder/Eser Rdn. 55; Stratenwerth/Kuhlen § 12 Rdn. 107 f), sondern auch von seiner gesetzlichen Grundlage gelöst. Diesem Vorhalt kann auch die modifizierte Einzellösung nicht entgehen. Sie bringt nicht nur den Versuchsbeginn in eine unglückliche Abhängigkeit von dem für das Versuchsunrecht der mittäterschaftlich begangenen Tat oft gänzlich belanglosen Zufall, ob der jeweilige Tatbeitrag vor oder nach dem Versuchsbeginn der übrigen Mittäter zu erbringen ist (gegen das Zufallsargument Roxin AT II § 29 Rdn. 307). Vielmehr gerät sie auch in einen unauflösbaren Widerspruch zum Text des § 22, wenn sie noch von einem unmittelbaren Ansetzen des erst später eintretenden Mittäters zu einer Tatbestandsverwirklichung spricht, in deren Mitte sich die übrigen schon befinden. Zu einem Diebstahl, der durch das Aufschweißen des Tresors schon begonnen hat, lässt sich danach nicht mehr „ansetzen". Sprachlich möglich ist das nur, wenn man die Mittäter voneinander isoliert und das Vorantreiben der Tat durch die anderen als ein dem später hinzutretenden fremdes Geschehen betrachtet. Das aber ist mit der Zurechnungsstruktur des § 25 Abs. 2 nicht vereinbar (Ingelfinger J Z 1995 713), 3 7 0 die eine Zurechnung des im Rahmen des gemeinsamen Tatentschlusses bewirkten Stadiums nicht nur erlaubt, sondern zum Nachteil aller gebietet. Diesen „Kosten" der Mittäterschaft kann sich keiner der Mittäter entziehen, „sobald einer von ihnen zur Tatbegehung unmittelbar ansetzt" (BGHSt 39 237).
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Wann das so ist, ist hier nicht anders zu entscheiden als sonst. Dabei darf die Gesamtlösung allerdings nicht missverstanden werden. Es geht nicht etwa um die Feststellung des Versuchs eines Mittäters, der den anderen zurechenbar wäre. Vielmehr geht es um die Frage, ob sich die untersuchte Handlung auf der Grundlage des gemeinsamen Tatplans (BGH NStZ 1981 90) schon als Beginn der gemeinsamen Tat erweist (Ingelfinger J Z 1995 705; Küper Versuchsbeginn S. 17 ff). Deshalb muss der am weitesten vorgetragene Beitrag der letzte Zwischenschritt vor dem Eintritt in die Tatbestandsverwirklichung sein, mag dieser selbst dann auch von den anderen vollzogen werden. Daher bedeutet die Einrichtung der Brandstiftungsanlage bei der Mittäterschaft (RGSt 66 143) nicht anders als bei der mittelbaren Täterschaft (s. dazu Rdn. 161) nur, aber auch schon dann den Versuchsbeginn, wenn nach dem der Tat zugrunde liegenden Gesamtplan der andere Beteiligte unmittelbar danach die Anlage betätigen, dagegen nicht, wenn das erst vier oder fünf Tage später geschehen soll (BGH NStZ 1981 99) oder wenn nach den Umständen ungewiss ist, in welchem späteren Zeitpunkt sich ein unbeobachtetes Auslösen des Brandes ergibt (s. Küper Versuchsbeginn S. 23 ff). Auch kann von einem Ein-
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bzw. § 3 0 Abs. 2 bleiben gegebenenfalls unberührt, vgl. Roxin FS Odersky, S. 4 9 1 ; ders. AT II § 2 9 Rdn. 2 9 7 ; vermittelnd Kratzsch JA 1 9 8 3 5 8 7 , der im Falle einer wenn auch nur passiven - Anwesenheit des Transporteurs auch für diesen Versuch annehmen will. 370
men, vgl. Roxin FS Odersky, S. 4 9 4 f; Rudolphi SK Rdn. 1 9 a ; zur Vertiefung der hier nicht weiter auszulotenden Frage der Zurechenbarkeit der von den übrigen erbrachten Beiträge s. Ingelfinger J Z 1 9 9 5 7 0 7 ff; Küper J Z 1 9 7 9 7 8 5 ff; ferner Kühl § 2 0 Rdn. 1 2 3 ff.
Z u m Versuch, diese Argumente auszuräu-
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
tritt in das Versuchsstadium der §§ 3 0 6 , 3 0 8 noch nicht die Rede sein, wenn zwei der drei beteiligten M i t t ä t e r „die bereits weit v o r a n g e t r i e b e n e n " , aber noch nicht abgeschlossenen „Vorbereitungen" auf Veranlassung des dritten einstellen. 3 7 1 Betätigt der Fahrer A eines Geldtransporters die Lichthupe, um die M i t t ä t e r aufzufordern, ihr Versteck zu verlassen, so lässt sich nur mit der Einzellösung der Beginn des R a u b v e r s u c h s damit begründen, „jedenfalls der A " h a b e die Überzeugung besessen, es gehe jetzt los (so B G H bei H o l t z M D R 1 9 7 7 8 0 7 ; s. dazu Küper Versuchsbeginn S. 2 6 ff). Richtigerweise ist darauf abzustellen, o b das Verlassen des Verstecks als letzter Zwischenschritt schon das gemeinsam geplante R a u b g e s c h e h e n eröffnet. Ist das nicht so, weil sich die M i t t ä t e r erst noch mit ihrem P k w querstellen, aussteigen und den Geldtransporter „ e n t e r n " müssen, ehe sie zur Bedrohung übergehen können, lassen sich diese n o c h ausstehenden Schritte auch unter dem Aspekt drohender Tatbestandsverwirklichung nicht vernachlässigen (s. dazu R d n . 113). D e s h a l b tritt auch A nicht „vor dem Z e i t p u n k t " in den Raubversuch ein, in dem dieser für die übrigen M i t t ä t e r beginnt. 175
D a b e i muss es bei einer solchen Fallgestaltung zu diesem Versuchsbeginn objektiv k o m m e n . „ D i e bloße M e i n u n g " , es werde so sein, „genügt n i c h t " ( B G H N J W 1 9 5 2 4 3 0 ) . 3 7 2 D a r ü b e r k a n n auch der Begriff der Vorstellung nicht hinweghelfen ( H i l l e n k a m p FS R o x i n S. 7 0 8 f). Er ist auch nicht geeignet, in Fällen der sog. „ S c h e i n - M i t t ä t e r s c h a f t " die nicht m e h r oder von vornherein nicht vorhandene Grundlage der Zurechnung zu ersetzen (Ingelfinger J Z 1 9 9 5 7 0 4 ff). D a s haben der 3. und der 2 . Senat des Bundesgerichtshofs richtig bedacht. So fehlte es in dem der Entscheidung des 3. Senats ( B G H R S t G B Ansetzen 3 ) zugrunde liegenden Sachverhalt an einem mittäterschaftlich begangenen Versuch eines Versicherungsbetrugs (§ 2 6 5 a.F.), weil der die Tat vor O r t vermeindlich vorantreibende „ M i t t ä t e r " das Benzin, mit dem der Brand gelegt werden sollte, nur „zum S c h e i n " verschüttete, es aber nicht entzündete und diesen „Brandlegungsversuch" nur vortäuschte, um die von den übrigen Tatgenossen versprochene Belohnung nicht zu verlieren. Hier fehlte es - wie der B G H zutreffend sieht - an einem den abwesenden M i t tätern zurechenbaren „Tatbeitrag, der die Grenze v o m Vorbereitungs- zum Versuchsstad i u m " überschritt. D e r eigentliche Grund, der die Z u r e c h n u n g versperrt, tritt in B G H S t 3 9 2 3 6 deutlich zutage. N a c h dem Leitsatz dieser Entscheidung gilt „der Grundsatz, dass alle M i t t ä t e r in das Versuchsstadium eintreten, s o b a l d einer von ihnen zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar a n s e t z t " , nämlich nur, „wenn dieser Beteiligte dabei (noch) mit dem Willen handelt, die Tat zur Ausführung zu b r i n g e n " . Fehlt es daran deshalb, weil der fragliche Beitrag nur n o c h erbracht wird, um der verständigten Polizei den Z u g r i f f zu ermöglichen, ist der gemeinsame Tatentschluss als Zurechnungsgrundlage (Ingelfinger J Z 1 9 9 5 7 0 7 ff) aufgekündigt. Das nur scheinbare Ansetzen, das für den „ S c h e i n - M i t t ä t e r " selbst kein Versuch m e h r ist, kann folglich auch den übrigen Beteiligten „nicht als Beginn der Tatausführung zugerechnet w e r d e n " . 3 7 3
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Das halten Rotsch/Sahan JA 2005 172 zu Recht krit. BGH NStZ 2 0 0 4 614 vor. So wie es bei für den Versuchsbeginn noch notwendiger Opfermitwirkung nötig ist, dass das Opfer nicht nur nach der Vorstellung des Hintermannes, sondern „tatsächlich erscheint, dabei Anstalten trifft, die erwartete selbstschädigende Handlung vorzunehmen und sich deshalb die Gefahr für das Opfer verdichtet", vgl. dazu schon BGHSt 43 181 f und Rdn. 160.
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Ebenso Bloy ZStW 117 (2005) 28 ff; Frister Rdn. 29/14; Gorka Versuchsbeginn S. 170; Joecks § 25 Rdn. 81; Kindhäuser AT § 40 Rdn. 18; Krack ZStW 110 (1998) 623 f; Kühl § 20 Rdn. 123; Otto AT § 21 Rdn. 126; Roxin AT II § 29 Rdn. 312; SM Schröder/Eser Rdn. 55a; Streng ZStW 109 (1997) 889 ff.
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Begriffsbestimmung
§22
Mit dieser Rechtsprechung ist BGHSt 40 299 nicht vereinbar. Zwar ist es richtig, wenn der 4. Senat hier die Vorstellung dessen zugrunde legt, um dessen - in vermeintlicher Mittäterschaft begangenen - Versuch es ging; und es trifft auch zu, dass bei dem angesichts des tatsächlich eingetretenen Versicherungsfalls gegebenen untauglichen Versuch des Betrugs „die nach dem Täterplan maßgebliche Handlung" - nämlich die Meldung des Schadensfalles bei der Versicherungsgesellschaft - „die zur unmittelbaren Tatbestandserfüllung führen soll und die nach natürlicher Auffassung auch zur Tatbestandserfüllung führen könnte, wenn sie geeignet wäre ..., so zu betrachten (ist), als wäre sie tauglich". Gerade das ist die eine der beiden Funktionen der Vorstellung (s. Rdn. 89). Wenn die Entscheidung aber gleichwohl zu Recht in die Kritik geraten ist, so liegt das daran, dass es sich bei der „maßgebenden Handlung" nicht nur um eine untaugliche, sondern dass es sich bei dem sie Ausführenden nicht einmal um einen Beteiligten handelte und der BGH der Meinung ist, dass auch dies dem untauglichen Versuch nicht im Wege stehe. Dafür ist mit dürren Worten angedeutet, dass auch die angesichts des Nichtbestehens eines gemeinsamen Tatentschlusses fehlende subjektive Zurechnungsgrundlage durch eine entsprechende Vorstellung des „Mittäters" zu ersetzen sei. 374 Darin liegt nun aber nicht nur ein uneingestandener Bruch mit der bis dahin gültigen Rechtsprechung zur „Schein-Mittäterschaft" (s. Rdn. 175), sondern auch eine Überdehnung der Leistungskraft der Vorstellung. 375 Sie kann nicht bewirken, dass über eine nur eingebildete Zurechnungsgrundlage auch wirklich zugerechnet wird. Darüber helfen auch Erwägungen zum untauglichen Versuch nicht hinweg. Auch dieser setzt voraus, dass ein eigener 376 oder ein dem Versuchstäter zurechenbarer versuchsbegründender Tatbeitrag vorhanden ist, mag dieser auch nur nach der Vorstellung des Täters ein tauglicher sein. 377 Deshalb hilft es auch nichts, dass „der vermeintliche Mittäter jedenfalls die ihm
374 Vgl. dazu - etwas ausführlicher - die Anfrageentscheidung BGH NStZ 1994 534 und i.E. abl. Graul JR 1995 427 ff; der Entscheidung, die sich auf den diesen Weg ebnenden Aufsatz von Häuf NStZ 1994 263 beruft, treten gerade auch hierin z.B. Heckler GA 1997 72, 78 ff, Herzberg MK Rdn. 151 f und Roßmüller/Rohrer M D R 1996 988 ff bei; zust. auch Baumann/Weber/Mitsch § 29 Rdn. 104; Heinrich AT I Rdn. 744 f; Jung JuS 1995 360; Tröndle/Fischer Rdn. 23a; Weber FS Lenckner, S. 435, 443; abl. Bloy ZStW 117 (2005) 28 ff; Ingelfinger J Z 1995 707 ff; Kühl § 20 Rdn. 123a; Wessels/ Beulke Rdn. 612. Krack ZStW 117 (2005) 555, 565 ff will in solchen Fällen eine Unterlassungstäterschaft der „Möchtegernmittäter" annehmen; gegen die Annahme einer Garantenstellung des Vorsatztäters aber BGH NStZ-RR 1996 131; zum hier nicht zu entscheidenden Streit vgl. Roxin AT II § 32 Rdn. 191 ff m.w.N. 375
Diesen Begriff haben die Urteile zur ScheinMittäterschaft, von denen BGHSt 40 299 abweicht, allerdings erstaunlicherweise nicht einmal erwähnt, vgl. BGHR StGB § 22 Ansetzen 3 und BGHSt 39 236.
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Wie nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in BGHSt 30 363 366 in einem Fall des „Schein-Werkzeugs" bei mittelbarer Täterschaft. Dort hatte der mittelbare Täter nach Auffassung des Senats mit seiner Beeinflussung des nur zum Schein bereiten Vordermannes selbst unmittelbar angesetzt, daher war eine Zurechnung entbehrlich. Darüber, daß es ein untaugliches Ansetzen war, hilft die „Vorstellung" dann in der Tat hinweg; ein paralleles Beispiel zur Schein-Mittäterschaft gibt Graul JR 1995 428; vgl. auch Joerden J Z 1995 736. So mit im einzelnen unterschiedlicher Begründung die i. E. berechtigte Kritik von Ahrens JA 1996 669; Dencker Kausalität S. 241 f; Erb NStZ 1995 424; Gorka Versuchsbeginn S. 183; Graul JR 1995 427; Ingelfinger J Z 1995 704; Joerden J Z 1995 736; Krack ZStW 110 (1998) 611, 623 f; Kühne NJW 1995 934; Küpper/Mosbacher JuS 1995 492; Rath JuS 1999 144; Streng ZStW 109 (1997) 891 ff; ders. GedS Zipf, S. 327 ff; Zopfs Jura 1996 19; s. auch Lackner/Kühl Rdn. 9; Kindhäuser LPK Rdn. 41; Krey AT/2 Rdn. 440; Sch/Schröder/Eser Rdn. 55a; Zaczyk NK Rdn. 68. Roxin FS
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
nach dem Tatplan zugedachte Handlung tatsächlich erbringt" - wie es der 4. Senat in BGH NStZ 2004 110, 111 jetzt verdeutlichend fordert - wenn mit der Aufkündigung des gemeinsamen Tatentschlusses die Zurechnungsgrundlage für diese Handlung entfallen ist. 378 177
5. Rechtswidrigkeit und Schuld. Für Rechtswidrigkeit und Schuld ergeben sich beim Versuch keine Besonderheiten. Auch hier indiziert die Erfüllung des Tatbestandes die Rechtswidrigkeit. 379 Liegt ein Rechtfertigungsgrund vor, gilt er für den Versuch, wenn auch die vollendete Tat gerechtfertigt wäre ( T r i f f t e r e r Österreichisches Strafrecht AT 2. Aufl. [1994] S. 377). Handelt der Täter in einem Erlaubnistatbestandsirrtum, fehlt es am vorsätzlichen Handlungsunrecht und damit auch am Versuch (vgl. Herzberg FS Stree/Wessels S. 203, 220 f). 3 8 0 Auch für die Schuld gelten die allgemeinen Regeln. Dabei entlastet es den Täter zwar, wenn er in Fällen der sukzessiven Schuldunfähigkeit (s. dazu Rdn. 24) schon im Stadium der Planung und Vorbereitung zurechnungsunfähig geworden ist (BGHSt 23 256, 258). Es gilt aber der dies begründende Satz, dass „für die im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit bewirkte Weiterführung der Tat" eine Verantwortlichkeit nur in Betracht komme, „wenn der Täter im noch schuldfähigen Zustand, also in freier und deshalb zurechenbarer Entscheidung mit der Tatausführung im Sinne des § 43 wenigstens begonnen" habe (BGHSt 23 356, 358 f), für Fälle der actio libera in causa nicht (Rdn. 165). Auch steht es einer Strafbarkeit nicht entgegen (s. schon Rdn. 167), wenn der Täter seine Schuldfähigkeit erst in einem Zeitpunkt eingebüßt hat, in dem das Geschehen dadurch in das Versuchsstadium tritt, dass die Explosion der im Flugzeug installierten Zeitbombe (Rdn. 136) unmittelbar droht, das Opfer sich in den Wirkungskreis des Tatmittels begibt (BGHSt 43 177 mit Rdn. 139), der Zug naht (Rdn. 143) oder der Tatmittler an der Tür des Opfers klingelt (BGHSt 30 363 mit Rdn. 163). Zwar liegt in all diesen Fällen dem die Versuchsstrafbarkeit erst auslösenden Ereignis kein Zustand der Schuldfähigkeit mehr zugrunde; und richtig ist auch, dass die im schuldfähigen Zustand begangene Handlung nur Vorbereitung ist. Daraus entsteht aber weder die Berechtigung, den Versuchsbeginn auf die noch im schuldfähigen Zustand begangene Handlung vorzuverlegen, 381 noch die Notwendigkeit, aufgrund der zwingenden Zeitgleichheit zwischen Begehung der Tat und Schuldfähigkeit auf eine Bestrafung zu verzich-
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Odersky, S. 490 hat zwar der Entscheidung BGHSt 40 299 im Ergebnis widersprochen, weil die Entscheidung der Gesamtlösung folgt, ihr aber Folgerichtigkeit bescheinigt, weil der untaugliche Versuch nun einmal strafbar sei, s. dagegen Hillenkamp FS Roxin, S. 708 ff. Differenzierend Buser Zurechnungsfragen S. 91 ff. Auch BGH NStZ 2004 110 insoweit abl. daher Geppert JK 8/04, StGB S 25 11/15; Krack NStZ 2004 697; ders. ZStW 117 (2005) 555, 561 ff; Kühl § 20 Rdn. 123a. Gegen die mit dem geltenden Recht unvereinbare und ohne Gefolgschaft gebliebene Konzeption von Nowakowski, nach der der Versuch „nicht rechtswidrig sein muß" (Nowakowski Das österreichische Strafrecht in seinen Grundzügen [1955] S. 29, 42, 89)
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vgl. Baumann § 32 II 3; Vogler LK 10 Rdn. 130. Zust. Baumann/Weber/Mitsch ξ 26 Rdn. 27; zu Abweichungen in der Prüfung der Rechtswidrigkeit s. Kühl JuS 1980 125 m.w.N.; Lampe JuS 1967 564 f, 568; die Tatsache, dass der Erlaubnistatbestandsirrtum den Vorsatz und damit den Tatentschluss ausschließt, ist auch hier keine Frage der „Vorstellung", sondern der Anwendung der entsprechenden Irrtumsregeln, aA Herzberg MK Rdn. 175, 178; Streng ZStW 109 (1997) 883 ff; s. dazu schon Rdn. 33. So aber die Argumentation von Horn GA 1969 293; Puppe JuS 1980 347; Roxin AT I S 20 Rdn. 61, 65; ders. FS Lackner, S. 313; Rudolphi SK § 20 Rdn. 28b, c; vgl. auch Hettinger alie S. 462; Küper Notstand S. 62.
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Begriffsbestimmung
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ten. 382 Wer den Versuchsbeginn vorverlegt, um den Einklang mit § 2 0 herzustellen, wendet eine dem Schutz des Täters dienende Vorschrift gegen ihn und überdehnt den Versuchsbereich, nur um den Einklang zu wahren (Herzberg FS Spendei S. 211 f). Wer anderenfalls Straflosigkeit für unbestreitbar strafwürdiges Versuchsverhalten drohen sieht, setzt ohne Zwang „Begehung der Tat" (§ 20) und Versuchsbeginn gleich. Versetzt der mittelbare Täter den Tatmittler in einen Tatbestandsirrtum (BGHSt 3 0 363) und betrinkt sich hiernach sinnlos, ist sein einziger aktiver Beitrag seine „Begehung" der Tat (§ 20), auch wenn diese erst beim späteren Klingeln der Tatmittler an der Tür des Opfers in das Versuchsstadium eintritt. Schließlich kann sich auch beim Versuch die Straflosigkeit aus dem Eingreifen personlicher Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe ergeben. Das gilt naturgemäß für § 24. Aber auch nicht dem Versuch vorbehaltene Vorschriften gelten hier nicht anders als beim vollendeten Delikt. Wer es vergeblich versucht, einen Angehörigen der Bestrafung zu entziehen, ist nach § 258 Abs. 6 straflos. Irrtümer richten sich auch insoweit nicht nach der „Vorstellung", sondern nach den allgemeinen Regeln. 383
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IV. Untauglicher Versuch und Wahndelikt 1. Untauglicher Versuch a) Begriff. Ein untauglicher Versuch liegt vor, wenn das Verhalten des Täters unter den gegebenen Umständen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zur Vollendung führen kann, der Täter sich das aber vorstellt ( Wessels/Beulke Rdn. 619). Dabei ist es für das an sich jedem Versuch eigene Scheitern (Sch/Scbröder/Eser Rdn. 60; RGSt 1 439, 442) gerade des untauglichen Versuchs kennzeichnend, dass die Unmöglichkeit der vollständigen Erfüllung des Tatbestandes objektiv schon im Zeitpunkt des Versuchsbeginns feststeht (Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 28; Heinrich Jura 1998 393 f; Zaczyk NK Rdn. 34), eine Tatvollendung also „unter keinen Umständen" möglich (Lackner/Kühl Rdn. 12), vielmehr von vornherein - und d.h. nach den einem objektiven Beobachter im Zeitpunkt des Versuchsbeginns zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln - „ausgeschlossen ist". 3 8 4 Dieser objektiven Unmöglichkeit steht die Vorstellung gegenüber, die Tat könne aufgrund der gegebenen Umstände gelingen. Erkennt der Täter die Untauglichkeit seines Tuns, fehlt ihm der nötige Vollendungswille (RGSt 17 377, 378), 3 8 5 ein (auch untauglicher) Versuch liegt dann nicht vor. Der Täter des untauglichen Versuchs muss sich daher im Glauben befinden, den Tatbestand verwirklichen zu können
So zutreffend Spendet LK 11 § 323a Rdn. 29 ff; ihm zust. Herzberg FS Spendel, S. 203. 383 Vgl. Rdn. 33; hier offenbar nicht anders Herzberg MK Rdn. 184 f; der Irrtum wird auf der Grundlage der irrigen Annahme, z.B. Angehöriger zu sein, innerhalb des Tatentschlusses danach beurteilt, ob dieser Irrtum relevant ist, vgl. zum Streit um die Behandlung eines solchen Irrtums Hillenkamp AT 11. Problem m.w.N. 384 v. Hippel II S. 431 der so den „ungefährlichen" Versuch kennzeichnet; vgl. dazu Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 5 5 f; eben382
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so im polnischen Strafrecht, vgl. Zoll FS Eser, S. 655, 661. Das Reichsgericht spricht hier auch für den Täter aus, was für den dort zu beurteilenden Teilnehmer gelte. S. auch RGSt 15 315; 6 0 23: sämtlich Fälle der Lieferung untauglicher Abtreibungsmittel. Der in RGSt 17 3 7 7 und im Text angesprochene Fall ergibt sich z.B. dann, wenn ein Arzt dem Abbruchsbegehren bewusst mit einer unschädlichen Spritze „nachgibt", etwa, um der Abbruchswilligen noch eine Bedenkfrist aufzuzwingen.
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2. Abschnitt. Die Tat
(Heinrich AT I Rdn. 669). Dieser Glaube an die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens kann darauf beruhen, dass der Täter fälschlich das gewählte Mittel für erfolgstauglich hält (Versuch mit untauglichen Mitteln) oder dass er irrig von der Geeignetheit des Objekts ausgeht (Versuch am untauglichen Objekt). Auch kann er gleichzeitig beiden Fehlvorstellungen erliegen (Versuch am untauglichen Objekt mit untauglichen Mitteln) oder Tatsachen annehmen, die sonstige Tatumstände ausfüllen (Versuch unter untauglichen Tatmodalitäten). Scheitern kann der Versuch schließlich deshalb, weil sich der Täter irrtümlich zum Kreis der Normadressaten zählt. Dann liegt der Sonderfall der Untauglichkeit des Subjekts (s. dazu Rdn. 230 ff) vor, für den sich (wie zu den Tatmodalitäten) in § 23 Abs. 3 kein Anhalt findet. 180
b) Umkehrschluss. Im Gegensatz zum Tatbestandsirrtum des § 16, bei dem der Täter objektiv vorliegende Umstände nicht kennt, stellt sich der Täter beim untauglichen Versuch nicht vorhandene Umstände als gegeben vor, an deren Fehlen die Vollendung des in den Vorsatz aufgenommenen Tatbestandes zwangsläufig scheitert. Im Fall des § 16 bleibt sein Wissen hinter der Wirklichkeit zurück, im Fall des untauglichen Versuchs geht seine Vorstellung über sie hinaus. 3 8 6 Aus dieser Umkehrung der Irrtumskonstellation kann man zwar nicht - wie es die Rechtsprechung bisweilen tut - den Schluss ziehen, dass alles, was den Täter im Bereich des § 16 (§ 59 a.F.) entlaste, ihn beim Versuch zwangsläufig belasten müsse (so RGSt 42 92, 94; 66 124, 126; 72 109, 112; s. auch BGHSt 13 235, 239 f; 14 345, 350; 16 155). Eine solche, die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs inhaltlich begründende Kraft kommt diesem Umkehrverhältnis sicher nicht zu. 3 8 7 Denn weder ist der (auf Irrtum beruhende) Vorsatz allein eine hinreichende Bedingung der Strafbarkeit des Versuchs (Heidingsfelder Subsumtionsirrtum S. 94), noch kann eine „logische" Umkehr die teleologische Frage der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs entscheiden (Roxin AT II § 29 Rdn. 404 ff). Aus solchen Gründen sollte man den Umkehrschluss aber nicht vollends verwerfen; denn seine eigentliche Bedeutung liegt immer noch darin, dass es mit seiner Hilfe gelingt, die Fälle des untauglichen Versuchs, denen ein „umgekehrter Tatbestandsirrtum" zugrunde liegt, von den Fällen des Wahndelikts abzugrenzen, die auf einem „umgekehrten Verbotsirrtum" beruhen. Zwar lassen sich gegen eine zwingende oder auch vollständige Reziprozität sicher Einwände erheben. 3 8 8 Der heuristische Wert des Umkehrschlusses liegt aber doch in einer ersten Wegweisung, die dahin geht, dass die irrige Vorstellung von der Tauglichkeit der Tatumstände in aller Regel in den Versuch, die irrtümliche Bildung des Unrechtsbewusstseins dagegen in das Wahndelikt führt. 3 8 9 386
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Deshalb lässt sich vom untauglichen Versuch als Fall des umgekehrten Tatbestandsirrtums sprechen, nicht aber von jedem Versuch (abw. Kindhäuser AT § 30 Rdn. 2; ders. LPK Rdn. 3). Zur - zum Teil allerdings deutlich fundamentaleren - Kritik am Umkehrprinzip siehe schon Baumann NJW 1962 16; Engisch FS Heinitz, S. 185; Sachs J Z 1964 245; Schlüchter Irrtum S. 145 ff; Spendei ZStW 69 (1957) 449 ff; ders. N J W 1965 1885; ferner Heidingsfelder Subsumtionsirrtum S. 92 ff; Roxin J Z 1996 984 ff; grundsätzlich zum Umkehrprinzip als Erkenntnismittel Puppe FS Lackner, S. 199, 243 ff, die von einer „Umkehrprobe" spricht.
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Vgl. zur Kritik an dieser zweiten Funktion des Umkehrschlusses z.B. Baumann NJW 1962 17 f; Roxin AT II § 29 Rdn. 406 ff; Weber M D R 1961 427; zusammenfassend Heidingsfelder Subsumtionsirrtum S. 100 ff. Vom Umkehrschluß als Abgrenzungskriterium gehen z.B. trotz der Kritik nach wie vor aus Jescheck/Weigend § 50 II 1; Kindhäuser AT § 30 Rdn. 30; ders. LPK vor § 22 Rdn. 10 f; Kühl $ 15 Rdn. 96 ff; Puppe AT/2 § 35 Rdn. 5 ff; Rudolphi SK Rdn. 30; Sch/Schröder/Eser Rdn. 69; Tröndle/Fischer Rdn. 43, 49; Vogler LK 10 Rdn. 134, 143; einschränkend Jakobs 25/52 ff; als „Merkregel" lässt Schmitz Jura 2003 596 den Umkehrschluss gelten.
T h o m a s Hillenkamp
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Von dieser zweiten Funktion des Umkehrschlusses macht auch die Rechtsprechung Gebrauch. Ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ein objektives Tatbestandsmerkmal des Betrugs, ist es folglich richtig, einen Tatbestandsirrtum (gemäß oder analog § 16, s. Roxin AT I § 12 Rdn. 1 4 0 ff) anzunehmen, wenn der Täter den Vorteil „fälschlicherweise für rechtmäßig hält". Hält er ihn „aber fälschlicherweise für rechtswidrig, so befindet er sich (hiernach) in einem umgekehrten Tatbestandsirrtum. Er stellt sich einen nichtvorhandenen Umstand - nämlich die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils - , an dessen Fehlen die Vollendung des vorgestellten Tatbestands zwangsläufig scheitern muss, als gegeben vor. Diese Fallkonstellation erfüllt die Voraussetzung des strafbaren untauglichen Versuchs" (BGHSt 4 2 2 6 8 , 2 7 2 f). Das gilt jedenfalls dann, wenn die irrige Annahme des Nichtbestehens des „geltend gemachten Anspruchs" die Fehlvorstellung der Rechtswidrigkeit hervorruft. Der Täter glaubt dann nämlich, „einen von ihm nach Inhalt und Tragweite richtig beurteilten Straftatbestand zu verwirklichen". 3 9 0
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Das Beispiel zeigt, dass es grundsätzlich keinen Unterschied macht, ob die Tatumstände, die der Täter irrig als gegeben ansieht, normativer oder deskriptiver Natur sind. Beim Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale ergeben sich allerdings häufig schwierige Fragen der Abgrenzung des untauglichen Versuchs vom Wahndelikt (Lackner/Kühl Rdn. 15). Auch das hat mit dem Umkehrverhältnis zu tun; denn die Schwierigkeiten, die sich bei der Scheidung eines auf fehlender Bedeutungskenntnis beruhenden Tatbestandsirrtums von einem nur auf falscher Subsumtion fußenden Verbotsirrtum einfinden, kehren sich bei der hier erörterten Abgrenzungsfrage gleichsam mit um. So genügt es bei normativen Tatbestandsumständen für vorsätzliches Handeln nicht, dass der Täter nur die konstituierenden Tatsachen kennt. Vielmehr muss er nach Laienart (Parallelwertung in der Laiensphäre) auch den Bedeutungsgehalt voll erfassen. Für den umgekehrten Fall folgt daraus, dass untauglicher Versuch nur vorliegen kann, wenn der Täter mit der irrigen Annahme der das Merkmal begründenden Tatsachen auch den entsprechenden Bedeutungsgehalt verbindet (umgekehrter Tatbestandsirrtum über normative Tatumstände). Gesellt sich dagegen zu zutreffender Sachverhalts- und Bedeutungskenntnis die irrige Vorstellung, der Sachverhalt falle nicht unter die Reichweite der Norm, hat dieser bloße Subsumtionsirrtum (Verbotsirrtum) sein Gegenstück in der falschen Vorstellung, der Sachverhalt werde erfasst. Dieser umgekehrte Subsumtionsirrtum führt ins Wahndelikt (s. hierzu Rdn. 2 0 5 ; 210).
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c) Strafbarkeit und Strafbarkeitsgrenzen. An der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs bestehen nach der heutigen Gesetzeslage keine Zweifel. Sie ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber sich im Anschluss an § 2 6 Abs. 1 E 1 9 6 2 dafür entschieden hat, den Versuchsbeginn davon abhängig zu machen, dass der Täter „nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt". Damit beschloss das Gesetz eine mit § 23 Abs. 1 des Amtlichen Entwurfs eines Allgemei-
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In BGHSt 4 2 2 7 3 (mit Anm. Arzt J R 1 9 9 7 4 6 9 ) heißt es: „Das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs und damit die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ist ein tatsächlicher Umstand. Eine Fehlvorstellung hierüber ist daher ein Irrtum, der ein objektives Tatbestandsmerkmal betrifft, nicht aber das Verbotensein der Tat. Der Täter glaubt, einen von ihm nach Inhalt und
Tragweite richtig beurteilten Straftatbestand zu verwirklichen. Es liegt daher kein umgekehrter Verbotsirrtum vor, der zur Straflosigkeit des Versuchs führen w ü r d e " . Zust. z.B. Kudlich N S t Z 1 9 9 7 4 3 4 ; Kühl § 15 Rdn. 9 8 ; Wessels/Hillenkamp Rdn. 5 7 8 ; zum methodischen Vorgehen der Entscheidung s. Puppe A T / 2 § 35 Rdn. 8 ff.
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§22
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2. Abschnitt. Die Tat
nen Deutschen Strafgesetzbuchs aus dem Jahre 1925 in aller Deutlichkeit anhebende und alle weiteren Entwürfe durchziehende Tradition, 3 9 1 in Übereinstimmung mit der von Beginn an ungebrochenen Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGSt 1 439, 4 4 3 ; 451, 4 5 4 ; 7 7 1) und des Bundesgerichtshofes (BGH N J W 1952 514; BGHSt 4 2 5 4 ; 11 2 6 8 , 2 7 1 ; 3 0 363, 3 6 6 ; 4 0 2 9 9 , 3 0 2 ) die „nötige Klarheit darüber" zu schaffen, „dass auch der untaugliche Versuch ... strafbar sein soll" (Begr. S. 23). Das dagegen vom Preußischen Obertribunal noch angeführte Hindernis, dass was nicht vollendbar sei, auch „keinen Anfang nehmen könne" (s. dazu Hillenkamp FS Roxin S. 6 9 1 m.w.N.), wurde mit dem Abheben auf die Tätervorstellung als maßgebliche Beurteilungsgrundlage (s. dazu schon Rdn. 89) beseitigt. Sichtbar wird diese Grundentscheidung auch in der Regelung des § 2 3 Abs. 3; denn wenn hier eine Strafabsehens- oder Minderungsmöglichkeit für den Fall vorgesehen ist, dass der Täter aus grobem Unverstand die Nichtvollendbarkeit der Tat wegen Untauglichkeit des Objekts oder des Tatmittels verkennt, so ist daraus zu schließen, dass der Gesetzgeber den untauglichen Versuch (jedenfalls in diesen beiden Konstellationen) von der Regelung der §§ 2 2 , 2 3 Abs. 1 erfasst und im Grundsatz für gleich strafbar und strafwürdig erachtet, wie den tauglichen Versuch. 3 9 2 Mit dieser Regelung ist allen objektiven Versuchstheorien (vgl. dazu vor § 2 2 u. Rdn. 9 0 ff) eine Absage erteilt und ein Bekenntnis zur subjektiven Versuchslehre verbunden (Kühl § 15 Rdn. 90). Das nimmt zur Kenntnis, wer eine „objektivistische" Konzeption zwar empfiehlt, sie aber nicht für „aktuell" erklärt, „weil sie mit dem Wortlaut des geltenden Rechts nicht vereinbart werden kann" ( Weigend Entwicklung S. 126). Weniger gesetzestreu verhält sich dagegen, wer der subjektiven Versuchslehre eine von ihr abweichende Strafgrundtheorie entgegenstellt und deren mehr oder weniger weit reichende Vorbehalte gegen die Legitimation der Bestrafung des untauglichen Versuchs gewissermaßen gegen die gesetzliche Entscheidung durchzusetzen sucht. Das gilt für die Vertreter der dualen Theorie (s. dazu vor § 2 2 Rdn. 86 f) sowie in verschiedenen Graden für manche Stimmen aus dem Lager der Eindruckstheorie (s. dazu vor § 2 2 Rdn. 7 7 ff), vor allem aber für die Anhänger einer Konzeption, die das Versuchsunrecht aus der Verletzung eines Anerkennungsverhältnisses herleiten und die danach erforderliche Freiheitsbeeinträchtigung nur in Fällen „objektiver Tatmacht des ansetzenden Deliktswillens" zu entdecken vermögen. Köhler (S. 4 5 7 ff), der hieraus die Strafunwürdigkeit aller Arten des untauglichen Versuchs herleitet, „konstatiert" zwar den „anders gerichteten Gesetzeswillen", will aber zur Wahrung seiner besseren Einsicht wenigstens den Versuch des untauglichen Subjekts aus diesem Grunde für straflos erklären (S. 4 6 2 ) . Rath möchte dagegen aus ganz ähnlichen Prämissen für die Straflosigkeit der Fälle eintreten, „in denen das Opfer die Untauglichkeit sofort erkennt oder der Gutsträger nicht mehr existiert" (JuS 1 9 9 8 1112). Dass dann kein „Anlass für schützende Aktionen" ( K ö h l e r S. 4 5 8 ) besteht, ist der maßgebliche Grund, das Infragestellen des Anerkennungsverhält-
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Schon der Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch (1909) gab in der von § 43 a.F. noch bewusst der Wissenschaft iiberlassenen Frage (s. dazu Frank § 43 Bern. III 2; Vorentwurf Begr. S. 284 und Denkschrift zu dem Entwurf 1919, in: Entwürfe zu einem Deutschen Strafgesetzbuch [1920] 3. Teil S. 39) der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs der diese Frage bejahenden subjektiven Theorie den Vorzug, nahm aber das Wort „Vorstellung" noch nicht in den Text
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mit auf (s. dazu Begr. S. 285 ff). Erstmalig erscheint der Begriff zur Klarstellung der Strafbarkeit auch des untauglichen Versuchs in § 23 des Entwurfs Radbruch aus dem Jahre 1922, vgl. im einzelnen hierzu Hillenkamp FS Roxin, S. 690 ff. Ebenso Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 29; Heinrich Jura 1998 393; Krey
AT/2 Rdn. 444; Kühl § 15 Rdn. 86; Tröndle/ Fischer Rdn. 40; Wessels/Beulke Rdn. 620.
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Begriffsbestimmung
§22
nisses in solchen Formen für unbeachtlich zu erklären (Rath JuS 1998 1112). Auch Zaczyk gehört zu diesem Kreis, wenn er (Unrecht S. 241 ff) zwar den Versuch mit untauglichen Mitteln noch als einen für Strafbarkeit hinreichenden „Bruch des Anerkennungsverhältnisses" bezeichnet, bei der Untauglichkeit des Objekts aber mangels eines für eben dieses Verhältnis konstitutiven „wirklichen Gegenübers" z.B. den „Schuss auf einen Toten", die „Abtreibung einer Nichtschwangeren" oder die Vornahme von sexuellen Handlungen an einem irrtümlich für jünger als 14 Jahre gehaltenen Kind (§ 176) von Strafbarkeit ausnehmen will und sich mit Köhler und Rath (JuS 1999 34) darin einig weiß, dass der Versuch am untauglichen Subjekt nach solcher Lehre notwendig ins Wahndelikt führt (S. 270; zu weiteren Straflosigkeit bewirkenden Konsequenzen s. Zaczyk NK Rdn. 37 mit Rdn. 4 7 - 4 9 ) . Auf solchen Wegen ist den genannten Autoren nicht zu folgen (ebenso Herzberg MK Rdn. 51, 59 f; ders. GA 2001 258 ff; Kühl § 15 Rdn. 95a). Die gezogenen Bahnen leiden schon unter ihrer nicht sicher abschätzbaren Begrenzung. Sie beziehen sich zudem auf eine ganz unterschiedliche Legitimation, wenn nach einer Meinung der Versuch mit untauglichen Mitteln dieser Strafgrundlehre noch entsprechen (Zaczyk Unrecht S. 251), nach einer anderen (Köhler S. 458 Fn 13, S. 462) sich die Strafbarkeit aber nur aus dem „anders gerichteten Gesetzeswillen" und daher gerade entgegen der eigenen Lehre ergeben soll. Auch finden sich Differenzierungen, deren Berechtigung sich nicht ohne weiteres erschließt. 393 Vor allem aber folgert diese Lehre ihre Entscheidungen aus einem Strafgrundverständnis, das für sich nicht beanspruchen kann, eine Rekonstruktion des gesetzgeberischen Willens zu sein. Dieser verweist mit der „Vorstellung" auf eine subjektive Versuchstheorie (BT-Drucks. V/4095 S. 11), wie sie der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde liegt. Diese Lehre setzt aber gerade nicht voraus, „dass die jeweils angegriffene Konkretion der Freiheit auch wirklich verletzt werden kann" (Zaczyk Unrecht S. 235). Vielmehr begnügt sie sich mit einem Angriff auf die Geltung einer vorhandenen Norm, soweit er sich auf der Grundlage der Tätervorstellung in einem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung bemerkbar macht. Das aber lässt es nicht zu, den Schuss auf die Leiche oder den Angriff auf eine nicht vorhandene Leibesfrucht für straflos zu erklären, wenn der Täter von der Tauglichkeit oder dem Vorhandensein dieser Objekte ausgeht. Auch mag ein sogleich als untauglich erkennbarer Versuch zwar häufig kein „Anlass für schützende Aktionen" sein und weder Opfer noch Rechtsgemeinschaft nennenswert beunruhigen. An seiner Strafbarkeit kann aber nach einem Gesetz kein ernsthafter Zweifel bestehen, das auf eine Verteidigungslage des Opfers nicht abstellt.
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Keine Anerkennung ist auch dem schon de lege lata Geltung beanspruchenden Vorschlag Hirschs (FS Roxin S. 711 ff; ders. FS Lüderssen S. 255 f f ) 3 9 4 zu zollen, die Unterscheidung zwischen untauglichem und tauglichem Versuch zugunsten einer solchen zwischen gefährlichem (echten) und ungefährlichem (unechten) Versuch aufzugeben und in der Gruppe der bislang als untauglich bezeichneten Versuche die ungefährlichen schon
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So soll nach Zaczyk (Unrecht S. 255 f) der Schuss auf einen Toten straflos, der Schuss in das vom Opfer gerade verlassene Bett strafbar, der Schuss auf einen Baumstamm im Glauben, er sei ein Mensch, straflos, der Schuss auf einen Baumstamm in der Meinung, es sei der X, dem der Täter auflauert, strafbar sein; dazu krit. Herzberg MK
Rdn. 11 f; Puppe AT/2 § 35 Rdn. 3 f;
s. auch Roxin AT II § 2 9 Rdn. 57. 394 Ygi u n c j 2 U weiteren Vertretern dieser Ansicht vor § 22 Rdn. 90 ff; Jung ZStW 117 (2005) 937 ff äußert aus rechtsvergleichender Sicht Sympathie für die diesem Vorschlag zugrunde liegende Tendenz.
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gar nicht als „Deliktsversuch" zu etikettieren, sondern sie aus dem Versuchstatbestand auszunehmen. Dieser Vorschlag findet in der gesetzlichen Regelung keinerlei Stütze. Im Gegenteil entzieht er - was Hirsch selbst konzediert (S. 727) - § 23 Abs. 3 jeden selbständigen Sinn. Denn da von (strafbaren) gefährlichen Versuchen nur dort die Rede sein soll, wo nach dem ex-ante-Urteil eines verständigen Dritten der infrage stehenden Handlung Gefährlichkeit (in Bezug auf die Tatbestandsverwirklichung) anhaftet, kommen grob unverständige Unternehmungen für eine Strafbarkeit schon von vornherein nicht mehr in Betracht. Im übrigen ist nicht zu sehen, wie gefährliche von ungefährlichen Handlungen bei vorausgesetzter Untauglichkeit beider verlässlich zu scheiden wären (s. zu solchen Bemühungen in Österreich Fuchs FS Burgstaller S. 41, 43 ff). Warum aus der geforderten ex-ante-Sicht ein in Tötungsabsicht in das vom Opfer unerwartet verlassene Bett abgegebener Schuss gefährlich und strafbar, der Schuss auf ein außer Reichweite befindliches Opfer dagegen ungefährlich und straflos sein soll (S. 719), ist mit für alle (Grenz-)Fälle verbürgender Sicherheit nicht zu begründen (krit. auch Herzberg MK Rdn. 52 ff; ders. GA 2001 260 ff). 187
Die Strafbarkeitsgrenzen sind folglich allein in Ubereinstimmung mit dem Text des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Grundsatzentscheidung zu ziehen. Dabei versteht es sich, dass die vom Gesetzgeber selbst der subjektiven Lehre beigegebenen und mit ihr auch ohne eigenständige straftheoretische Legitimation zu vereinbarenden Schranken zu beachten sind. Hiernach setzt als erstes der untaugliche wie der taugliche Versuch ein unmittelbares Ansetzen voraus. Der Tatentschluss muss sich folglich auch beim untauglichen Versuch in einer Handlung (oder Unterlassung) verwirklichen, die auf der Grundlage der Tätervorstellung vom Ablauf und der Tauglichkeit des Geschehens keine wesentlichen Zwischenschritte bis zur eigentlichen Tathandlung mehr erfordert und einen Zustand herbeiführt, der sich als Gefahr der Tatbestandsverwirklichung beschreiben lässt (modifizierte Zwischenaktslehre s. Rdn. 85, 96 ff). Die Verwirklichung des Versuchsunrechts ergibt sich auch beim untauglichen Versuch daher keineswegs nur aus dem Täterwillen und geht sehr wohl über „den moralischen Gesinnungsunwert" hinaus (aA Köhler S. 457); denn strafbar ist hier wie sonst die Betätigung des rechtsfeindlichen Willens des Täters nur, wenn sie geeignet ist, die Geltung der Rechtsnorm in einer dem Gesetz genügenden Weise in Frage zu stellen. Dafür reicht allerdings weder ein behauptbarer rechtserschütternder Eindruck aus (Bloy ZStW 113 [2001] 79 f), weil dann das öffentliche Gebet des Landesbischofs um den Tod des Landesherrn in der Tat der Bestrafung bedürfte (Jakobs 25/22); noch muss zu einem dem § 22 genügenden Verhalten ein rechtserschütternder Eindruck hinzutreten, um die Versuchsstrafbarkeit auszulösen (aA Roxin AT II § 29 Rdn. 12). Wer seine vermeintlich gegen Verlust versicherte Brille dem Müll übergibt oder auf einen Baum in der Meinung schießt, es sei sein Nachbar, wird daher auch dann nach §§ 265, 212, 22 bestraft, wenn Einigkeit darüber herzustellen wäre, dass dieses Verhalten „ein Mindestmaß an Eignung zur Erschütterung des Vertrauens in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung" (verlangt von Jescheck/ Weigend § 50 I Vb) nicht aufwiese. Der rechtserschütternde Eindruck ist folglich weder ein Versuchsunrecht konstituierendes, noch ein es limitierendes Element (Hirsch FS Roxin S. 714 f).
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Etwas anderes folgt auch nicht aus der zweiten Begrenzung der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, die sich aus § 23 Abs. 3 ergibt. Hiernach kann das Gericht zwar von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern, wenn der Täter aus grobem Unverstand verkannt hat, dass der Versuch aus den dort angegebenen Gründen „nicht zur Vollendung führen konnte". Im Gegensatz zu § 25 Abs. 3 Nr. 2 AE, der den grob unverständigen Versuch für generell straflos erklärte, hat der Gesetzgeber mit seiner
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Regelung aber auch diesen Versuch, bei dem nach dem diesem Text beigelegten Sinn „weder eine konkrete noch eine abstrakte Gefährdung" besteht (BT-Drucks. V / 4 0 9 5 S. 12), in Übereinstimmung mit dem grundsätzlichen Bekenntnis zur subjektiven Versuchslehre zunächst einmal für prinzipiell strafbar erklärt. Dabei ist für den Gesetzgeber maßgeblich, dass es „in diesem Bereich durchaus Fälle" gibt, „in denen ein Strafbedürfnis besteht" (BT-Drucks. V / 4 0 9 5 S. 12), das vom gleichlautenden E 1 9 6 2 (Begr. S. 145) selbst bei einem völlig untauglichen, ja sogar törichten und daher für die Rechtsordnung keinerlei Gefahr bildenden Versuch darin gesehen wurde, dass auch „in ihm ein erheblicher verbrecherischer Wille zutage treten" und die Befürchtung rechtfertigen könne, „dass er sich nach dem Fehlschlag auf andere, taugliche Weise durchzusetzen s u c h t " . 3 9 5 Ein solches in § 2 3 Abs. 3 zuvörderst zu findendes (Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 56) Beharren auf der Strafbarkeit auch des grob unverständigen Versuchs ist mit der These der Eindruckstheorie nur schwerlich vereinbar, die Versuchsstrafbarkeit gründe auf der Eignung des Verhaltens, den Rechtsfrieden nachhaltig zu erschüttern. 3 9 6 Eher kann diese Lehre für sich in Anspruch nehmen, wenigstens die in § 2 3 Abs. 3 eröffnete Möglichkeit des Absehens oder der Minderung der Strafe in solchen Fällen zu erklären. 3 9 7 Auch hierfür muss man aber die Eindruckstheorie nicht bemühen. Denn dass man den Richter nicht zwingt, Fälle zu ahnden, die „kein besonnener Mensch ernst nimmt" (E 1962 Begr. S. 145), lässt sich auch mit einer subjektiven Versuchslehre vereinbaren. Auch sie ist nicht gehalten, einer „völlig abwegigen Vorstellung von gemeinhin bekannten Ursachenzusammenhängen" (E 1962 Begr. S. 145; BGHSt 41 94, 95) mit Strafe entgegenzutreten, wenn einer hierauf gegründeten Missachtung der Norm jede Gefährlichkeit fehlt. Nachsicht zu üben oder aus Strafzwecküberlegungen auf Strafe zu verzichten, ist auch einer subjektiven Versuchstheorie nicht verwehrt. Dass zu solcher Nachsicht ein Zwang bestehe, wird für den abergläubischen Versuch (s. zum Begriff § 2 3 Rdn. 50) allgemein und zu Recht behauptet. Dabei herrscht über den Weg zu dieser dritten Strafbarkeitsbegrenzung allerdings Streit. Nach einer Meinung gibt es weder eine zuverlässige Abgrenzung zwischen grob unverständigem und irrealem Versuch, noch die gesetzliche Notwendigkeit, hiernach zu suchen. Als Grund wird hierfür angegeben, dass auch der abergläubische Versuch unter § 2 3 Abs. 3 falle (Tröndlel Fischer § 2 3 Rdn. 9 ) . 3 9 8 Von Strafe müsse bei ihm freilich „obligatorisch" abgesehen werden. 3 9 9 Diese Auffassung ist wenig plausibel. Ihr ist schon nicht ohne weiteres zuzugeben, dass der Wortlaut des § 2 3 Abs. 3 den irrealen Versuch mit einschließt. Denn wenn man mit RGSt 3 3 321, 3 2 3 nur abergläubisch beschworenen Kräften die Eigenschaft eines „Mittels" zur Herbeiführung irgendwelcher Veränderungen in der Welt des
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Zurecht krit. (vgl. vor § 22 Rdn. 68) zu dieser hypothetischen Erwägung aus dem Blickwinkel eines Tatstrafrechts AE Begr. S. 61 und Stratenwerth /Kuhlen § 11 Rdn. 60; zur Herkunft dieser Erwägung s. Zaczyk Unrecht S. 82. Jescheck/Weigend § 50 I 5b, bb bezweifeln unter Hinweis auf § 15 Abs. 3 öStGB, der Straffreiheit obligatorisch vorsieht, daher auch das Strafbedürfnis. Vgl .Jakobs 25/20 und Kühl § 15 Rdn. 93, die der Eindruckstheorie für den Ausschluss der Versuchsstrafbarkeit eine gewisse Aussagekraft konzedieren.
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Wofür man sich auf E 1962 Begr. S. 145 berufen kann, wo es heißt: „Ein Versuch kann völlig untauglich, ja sogar töricht oder abergläubisch sein ... gleichwohl aber kann in ihm ein erheblicher verbrecherischer Wille zutage treten"; über die Bestrafung soll dann nach dem Angebot des § 27 Abs. 3 E 1962 (jetzt § 23 Abs. 3) das Ermessen des Richters entscheiden; s. auch schon Begr. S. 144. So Heinrich AT I Rdn. 680; Otto AT § 18 Rdn. 60 ff; Stratenwerth/Kuhlen § 11 Rdn. 61; Sympathie hierfür äußert Bloy ZStW 113 (2001) 108 f.
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Tatsächlichen kategorisch abspricht, handelt es sich schon nicht mehr um die in § 2 3 Abs. 3 vorausgesetzte Verkennung, sondern um die bloße Einbildung eines „Mittels". Hinzu tritt, dass nicht zu sehen ist, dass der im ganzen auf Einschränkung der Versuchsstrafbarkeit zielende (s. Rdn. 3 ff; Roxin JuS 1973 331) Gesetzgeber mit § 23 Abs. 3 eine seit langem allgemein für straflos gehaltene Erscheinung zum im Grundsatz strafbaren Versuch erheben wollte. 4 0 0 Und schließlich beseitigt diese Lehre nicht den nach ihr aber gerade unauflösbaren Zwang, zwischen nur grob unverständigem und abergläubischem Versuch zu unterscheiden, wenn sie (nur) für letzteren eine obligatorische Straffreiheit 4 0 1 fordert. Um diese auszulösen, muss folglich Aberglaube, nicht grober Unverstand vorherrschen, also beides doch scheidbar sein (s. Hillenkamp FS Schreiber S. 148; Roxin AT II § 2 9 Rdn. 375). 190
Vorzugswürdig ist demgegenüber der Standpunkt der h.L., nach dem der abergläubische bzw. irreale Versuch von der Versuchsregelung insgesamt und also auch von S 2 3 Abs. 3 nicht erfasst wird (§ 2 3 Rdn. 5 0 f; Lackner/Kühl Rdn. 14). Dabei taugt allerdings auch hier die Eindruckstheorie nicht, diese Ausgrenzung der Strafbarkeit zu begründen. 4 0 2 Denn darauf, dass das abergläubische Unterfangen „bei den Mitgliedern der Rechtsgemeinschaft eher Mitleid oder Belustigung als Angst oder Unsicherheit" hervorruft ( E b e r t S. 1 2 5 ) , 4 0 3 ist weder Verlass, 4 0 4 noch sind Angst, Unsicherheit oder Erschütterung für Versuchsunrecht konstitutiv oder begrenzend (Zaczyk Unrecht S. 2 2 f). Richtigerweise fehlt es in Fällen des abergläubischen Wahnes schon am Tatentschluss; denn „Handlungen, die allein von unwirklichen Hoffnungen und Wünschen getragen sind", können „kein rechtserhebliches Wollen enthalten" und daher schon den Anforderungen des Vorsatzes nicht genügen (E 1962 Begr. S. 1 4 5 ) . 4 0 5 Bloßes Wünschen ist kein hin400
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In BT-Drucks. V/4095 S. 12 hat der Gesetzgeber der weiteren Formulierung des § 25 Abs. 3 Nr. 2 AE bewusst eine engere gegenübergestellt und den abergläubischen Versuch nicht mehr erwähnt; die Begründung des E 1962 ist uneinheitlich: Vor der in Fn. 398 zitierten Stelle wird (Begr. S. 145) der einem abergläubischen Wahn verhaftete Täter schon von der vorgeschlagenen Regelung ganz ausgenommen; wieder anders Begr. S. 144. Die dem Gesetz selbst nicht entnehmbar ist; Otto AT § 18 Rdn. 63 behauptet eine Ermessensbindung; zust. Heinrich Jura 1998 398. AA Roxin AT II § 29 Rdn. 373 auf der Grundlage seiner zum untauglichen Versuch auf die von ihm selbst abgelehnte Eindruckstheorie (§ 29 Rdn. 46 ff) zurückgreifenden Vereinigungslehre (vgl. dazu vor S 22 Rdn. 83 ff). Auf dem Boden der Eindruckstheorie ähnlich argumentierend Jescheck/Weigend § 50 I 6; Meyer ZStW 87 (1975) 618 f; Roxin Einführung S. 19; ders. FS Nishihara, S. 161; Rudolphi SK Rdn. 35; Scb/Schröder/Eser Rdn. 65; Schünemann GA 1986 316; Streng ZStW 109 (1997) 868; Vogler LK 10
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Rdn. 136 f. Der Eindruckstheorie bescheinigt Kühl § 15 Rdn. 53 hier - freilich zu Unrecht - „Aussagekraft". Vgl. den Hinweis bei Jescheck/Weigend § 50 Fn. 12 auf die Beunruhigung der ländlichen Bevölkerung bei versuchten Tötungen durch Zaubermittel in Afrika oder das Beispiel von Jakobs 25/22 vom öffentlichen Gebet des Landesbischofs um den Tod des Landesherrn; ferner Herzberg MK Rdn. 19; Kudlich yz 2004 75; vgl. auch schon H. Mayer AT S. 288: „In Wahrheit liegt bei erkennbar bösem Willen die Möglichkeit eines solchen Eindrucks immer vor", der sich mit diesem Satz gegen die von v. Bar vertretene Eindruckstheorie wendet. Ebenso Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 37; Frister Rdn. 23/22; Jakobs 25/22; Herzberg MK Rdn. 87 f; Jescheck/Weigend § 50 I 6 (für den Regelfall); Kindhäuser LPK Rdn. 6; Kretschmer JR 2004 445; Seier/Gaude JuS 1999 459; Wessels/Beulke Rdn. 620; nur terminologisch abweichend Herzberg GA 2001 267 ff; Hirsch GedS Vogler S. 43 f schließt die Strafbarkeit mangels konkreter objektiver Gefährlichkeit aus (s. dazu vor § 22 Rdn. 91). Beispiele für abergläubischen Versuch bei Hillenkamp
Thomas Hillenkamp
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reichender Deliktsverwirklichungswille (T. Maier Objektivierung S. 4 7 f). Da sich der Täter hier selbst keine Macht zuschreibt, das Geschehen steuernd zu gestalten, sondern lediglich hofft, mit seinem Appell an transzendentale Mächte deren Wirken auszulösen, stellt er sich keine ihm zurechenbare Erfolgsverursachung vor (s. Rdn. 35). Infolgedessen kann seine „Beschwörung" auch nicht als ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung begriffen werden (Blei AT § 67 I 2; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 40 Rdn. 142). So wenig die Norm von überweltlichen Kräften eingesetzt wird, so wenig kann ihre Geltung durch das Herbeirufen solcher Kräfte infrage gestellt werden. Das Wirken richtet sich folglich nicht gegen eine „wirklich vorhandene Norm" (Jakobs 25/22; Zaczyk Unrecht S. 252). „Wir bestrafen die Zauberei nicht mehr und daraus folgt, dass wir auch die versuchte Zauberei nicht strafen dürfen. Dämonen anzurufen, die Unterwelt zu beschwören oder den Zorn des Himmels auf einen anderen herabzuflehen, steht jedermann frei" (Bockelmann Untersuchungen S. 160 f; Hillenkamp FS Schreiber S. 149; Kudlich J Z 2004 76). Verneint man mit diesen Gründen einen rechtserheblichen Deliktsverwirklichungswillen, bereitet es keinerlei Mühe, die Straflosigkeit des abergläubischen Versuchs mit der subjektiven Versuchslehre zu versöhnen. Auch sie kann und will nicht an einen „rechtlich indifferenten" und nur „für die Sphäre des Sittlichen, der Moral" erheblichen, sondern nur an den rechtsfeindlichen Willen anknüpfen (RGSt 33, 321, 3 2 3 ) . 4 0 6 Weitere Begrenzungen der Strafbarkeit ergeben sich nicht aus dem Gesetz. So kann man einerseits Fälle „kommunikativ irrelevanter Weltgestaltung" nicht pauschal dem abergläubischen Versuch zugesellen, weil man dann (im Beispiel des Einsatzes von Löwenzahn als Gift, weil neben ihm ein totes Tier liegt, s. Jakobs 25/23; ders. GedS Kaufmann S. 279 ff) die Grenzen zum grob unverständigen Versuch verwischt (s. aber auch Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 37; Kühl § 15 Rdn. 95). Das gilt auch für den Vorschlag, Fälle sogenannter „Wahnkausalität" als „nomologisch untauglichen Versuch" von der Strafbarkeit auszunehmen (so aber Struensee ZStW 102 [1990] 21, 33 ff; ebenso Baumann/Weber/Mitsch § 26 Rdn. 37; dagegen Herzberg MK § 23 Rdn. 41 ff). Andererseits ist aus § 23 Abs. 3, der seinen Regelungsbereich auf den Versuch mit untauglichen Mitteln und am untauglichen Objekt beschränkt, nicht zu folgern, dass der Gesetzgeber von der in dieser Vorschrift vorausgesetzten Strafbarkeit des untauglichen Versuchs den vom untauglichen Subjekt vorgenommenen ausschließen wollte. Für einen solchen durch die Nichterwähnung nahegelegten Umkehrschluss gibt die Gesetzesentstehung nichts her (Sch/Schröder/Eser Rdn. 75). Zwar hat der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform seiner „Überzeugung" Ausdruck verliehen, dass die Rechtsprechung auch ohne die in § 25 Abs. 3 Nr. 1 AE vorgesehene Anordnung der Straflosigkeit dieser Versuchsart von ihrer Bestrafung Abstand nehmen werde. Er hat aber die Nichtaufnahme des Versuchs des untauglichen Subjekts in § 23 Abs. 3 nicht mit einem diese Erwartung fördernden beredten Schweigen, sondern damit begründet, dass eine Straffreistellung „auch ungeeignete Fälle" erfassen könne (BT-Drucks. V/4095 S. 11). Damit bleibt es Rechtsprechung und Literatur überlassen, über die Grenzen der Strafbarkeit dieses Versuchs zu entscheiden (s. Rdn. 230 ff). Dabei darf das grundsätzliche Bekenntnis des Gesetzgebers zur subjektiven Versuchslehre nicht aus den Augen verloren werden.
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FS Schreiber, S. 148; zur Psychokinese ders. JuS 2003 157, 164. Das Reichsgericht betont daher zu Recht, daß „die subjektive Versuchstheorie keine andere Auffassung" fordert; verkannt ist
das von Roxin FS Nishihara, S. 165, wenn er auch im abergläubischen Versuch einen betätigten rechtsfeindlichen Willen verkörpert sieht; auch Struensee ZStW 102 (1990) 21 spricht von „Inkonsequenz".
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Dieses Bekenntnis bedarf auch aus verfassungsrechtlichen Gründen keiner anderen als der aufgezeigten Begrenzungen. Zwar mag man gegen die kriminalpolitische Notwendigkeit der Strafbarkeit auch solcher Versuche Einwände erheben, die - wie der Schuss auf die Leiche - selbst bei „indefinit häufiger Tatfortsetzung oder Wiederholung" die Tat niemals zu vollenden vermöchten. Die Verfassungswidrigkeit ihrer Bestrafung (so Bottke FS B G H 5 0 IV S. 135, 146, 150 ff, 158 f ) 4 0 7 lässt sich aber mit dieser Charakterisierung nur schwerlich behaupten. Denn auch die in einer solchen, für das Rechtsgut nicht (mehr) gefährlichen und deshalb gefahrlos wiederhol- oder imitierbaren Ausführungshandlung dokumentierte Rechtsuntreue reicht über eine strafunfähige, weil nur Gesinnung verbleibende interne Haltung deutlich hinaus. Auch unterscheidet sie sich als die Normgeltung infrage stellender Akt qualitativ nicht maßgeblich von solchen „Versuchstaten, die das Risiko einer zurechenbaren Straftatvollendung ... losgelöst von nur Getanem (abstrakt) durch noch im Rahmen der Versuchstat Tubares tatidentitätswahrend hätten erlangen können" (so aber Bottke FS B G H 5 0 IV S. 160). Denn eine solche rein „theoretische" Rechtsgutsgefährdung ist keine zusätzliche Legitimation der Bestrafung und holt im Übrigen nur die unlösbare Abgrenzung zwischen absolut und relativ untauglichem Versuch durch die Hintertür der Verfassung in die Versuchswelt zurück.
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Schließlich lässt das geltende Recht auch eine Herausnahme des untauglichen Unterlassungsversuchs aus der Strafbarkeit nicht zu. Naturgemäß muss auch auf diesem Feld der abergläubische Versuch straflos bleiben und zwischen untauglichem Versuch und Wahndelikt unterschieden werden (s. Rdn. 2 0 9 ) . Was danach aber dem Bereich des untauglichen Versuchs zufällt, ist nach den Maßgaben der §§ 2 2 , 2 3 auch strafbar (BGHSt 4 0 257, 2 7 0 , 2 7 2 ; für Differenzierungen offen noch BGHSt 3 8 3 5 6 , 358 f). 4 0 8 Die hiergegen erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Soweit sie darauf gründen, dass angesichts des Fehlens jeder Gefahr für das Rechtsgut und der schlichten Untätigkeit sich die Bestrafung auf eine „Tat" richte, „deren Schauplatz, da von ihr nichts nach außen dringt, allein die Psyche des Menschen wäre" ( R u d o l p h i SK vor § 13 Rdn. 55), deshalb „die Gedankensünde zum Anlass staatlichen Strafens" genommen (Schmidhäuser StudB 13/27) und folglich nur ein reiner Gesinnungsunwert bestraft werde, verkürzen sie das Geschehen um das sozialrelevante Ausbleiben des auf der Grundlage der Tätervorstellung erwartbaren Verhaltens. Zudem verweigern sie die Übertragung der subjektiven Versuchslehre in den Unterlassungsbereich. Diese Lehre liegt aber der gesetzlichen Regelung zugrunde. Hiernach muss es auch beim Unterlassungsversuch gerade nicht zu einer objektiven Gefährdung des Rechtsguts, sondern lediglich zu einer der Ansatzformel genügenden, nur nach der Vorstellung des Täters tauglichen und daher lediglich „(abstrakten) Beeinträchtigung der Rechtsordnung" (BGHSt 4 0 2 7 2 ) kommen (aA Zaczyk NK Rdn. 60). Diese Beeinträchtigung erschöpft sich zwar in einem ungefährlichen Verharren in Untätigkeit. Untätig bleibt aber auch der Täter eines tauglichen Unterlassungsversuchs, und ungefährlich ist auch der untaugliche Versuch des Begehens. Daher unter-
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Krit. zu Bottke Herzberg MK Rdn. 58; ders. GA 2001 262 ff; T. Maier Objektivierung S. 178 ff; Roxin AT II § 29 Rdn. 56; s. hierzu Bottke FS Hruschka, S. 395 ff. Autoren, die nach der hier geübten Kritik contra legem beim untauglichen Begehungsversuch Begrenzungen vorschlagen (vgl. Rdn. 184 f), übertragen diese Grenzen zum Teil auch auf den untauglichen Unter-
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lassungsversuch (vgl. z.B. Rath JuS 1999 36 für den Fall für das Opfer offenkundiger Untauglichkeit). Das begegnet hier keinen anderen Bedenken als dort; zur vorausgesetzten, aber nicht ausdrücklich begründeten Strafbarkeit in älteren, mit RGSt 61 360 beginnenden Entscheidungen vgl. die Zusammenstellung bei Malitz Untauglicher Versuch S. 29 ff; ferner BGH StV 1998 369.
Thomas Hillenkamp
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scheidet sich der untaugliche Unterlassungsversuch nicht kategorial von allen anderen Formen. Geringere Strafwürdigkeit ist durch Strafmilderung auszugleichen (s. i. e. Malitz Untauglicher Versuch S. 4 8 f f ) . 4 0 9 Soweit dagegen die Geeignetheit strafrechtlicher Reaktion auf an sich für strafwürdig erachtetes Unrecht mit dem Hinweis darauf verneint wird, dass die Durchsetzung des Strafanspruchs im Regelfall an der Beweisunzugänglichkeit des sich im inneren Forum abspielenden Geschehens kranke, wird eine solche Begründung für einen „sachlichen Strafausschließungsgrund" (Niepoth JA 1 9 9 4 3 3 9 ff; ders. Untauglicher Versuch S. 2 4 3 ff, 2 8 7 ff, 3 7 4 ff) schon durch die Praxis widerlegt. Zudem ist Beweisnot zwar beim Zuschnitt materiellen Rechts durch den Gesetzgeber zu bedenken ( H i l l e n k a m p FS Wassermann, S. 861), nicht aber geeignet, die Entwicklung eines übergesetzlichen Strafausschließungsgrundes zu tragen. d) Arten des untauglichen Versuchs (s. schon Rdn. 179 und zum Unterlassen auch Rdn. 209). So wie sich der Tatbestandsirrtum auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen kann, kann sich auch der dem untauglichen Versuch zugrunde liegende umgekehrte Tatbestandsirrtum auf alle Tatumstände des objektiven Tatbestandes erstrecken. Die übliche, an § 2 3 Abs. 3 angelehnte Zweiteilung in einen Versuch am untauglichen Objekt (s. Rdn. 196) und einen solchen mit untauglichen Mitteln (s. Rdn. 197) ist deshalb nicht nur um den Versuch des untauglichen Subjekts (s. dazu Rdn. 2 3 0 ) , sondern auch um Fälle zu ergänzen, in denen der Täter irrtümlich vom Vorhandensein sonstiger Tatmodalitäten (s. Rdn. 195) ausgeht. 4 1 0
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So zählt zum Versuch unter untauglichen Tatmodalitäten z.B. der Fall, dass der betrunkene Täter beim Rangieren auf einem nicht zur öffentlichen Verkehrsfläche gehörenden Hofraum (BayObLG V R S 73 57) oder Stellplatz (BayObLG N J W 1983 129) der irrigen Meinung ist, bereits auf die (öffentliche) Straße geraten zu sein (§ 315c Abs. 1 Nr. l a , Abs. 2). Auch liegt ein untauglicher Mordversuch vor, wenn der Täter unzutreffend davon ausgeht, sein Opfer sei arg- und wehrlos (s. B G H N S t Z 1994 5 8 3 ; B G H N S t Z 2 0 0 6 501, 5 0 2 ) . Die irrige Vorstellung betrifft hier die Tatsituation oder die Gefährlichkeit der Ausführungsweise. Sieht man den Mord mit der Rechtsprechung als selbständigen Tatbestand, betreffen beide Irrtümer strafbegründende Tatumstände, die neben „Mittel" und „Gegenstand" stehen. In gleicher Weise kann sich der umgekehrte Tatbestandsirrtum auch auf qualifizierende Merkmale beziehen (Sch/Schröder/Eser Rdn. 7 3 ; Vogler L K 1 0 Rdn. 142). Hält der Täter die beim Raub mitgeführte Schusswaffe irrtümlich für schussbereit, so liegt ein untauglicher Versuch eines schweren Raubes in Tateinheit mit vollendetem Raub vor (BGH Daliinger M D R 1972 16). Um den untauglichen Versuch eines Wohnungseinbruchsdiebstahls nach § 2 4 4 Abs. 1 Nr. 3 handelt es sich, wenn der Täter Werkzeug aus einer schon verschlossenen, aber noch im Bau befindlichen „Wohnung" 4 1 1 stiehlt, die er bereits für bewohnt erachtet. Auch im Bereich der Regel-
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Malitz Untauglicher Versuch S. 222 ff selbst will beim untauglichen Unterlassungsversuch nach einem von ihr entwickelten und anders verstandenen „Gefährlichkeitsgedanken" differenzieren. Der hier eingenommene Standpunkt entspricht der h.M.; vgl. nur Krack ZStW 117 (2005) 574 f; Kühl § IS Rdn. 151; Roxin AT II § 29 Rdn. 377; Seelmann NK § 13 Rdn. 85; Sch/Schröder/Eser Rdn. 91; ferner die Nachweise bei Malitz Untauglicher Versuch S. 37 ff. Vgl. dazu auch Seier/Gaude JuS 1999 457;
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die beiden zuletzt genannten Arten nimmt das polnische Strafrecht von der Strafbarkeit aus (Zoll FS Eser, S. 655, 658 f). Zur fehlenden Wohnungseigenschaft s. Seh/ Schröder/Lenckner § 123 Rdn. 4; „subsumiert" der Täter dagegen eine Flurtoilette unter den Wohnungsbegriff, begeht er - vorausgesetzt, man scheidet diese aus der Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 aus (s. Wessels/Hillenkamp Rdn. 267) - ein Wahndelikt.
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2. Abschnitt. Die Tat
beispiele lässt sich ein untauglicher Versuch in einem besonders schweren Fall u.U. auf die irrige Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen des Regelbeispiels stützen (vgl. BayObLG N S t Z 1 9 9 7 4 4 2 ) . Die irrige Annahme privilegierender Tatumstände ist in § 16 Abs. 2 geregelt (vgl. auch RGSt 31 285). Der umgekehrte Fall, dass der Täter privilegierende Umstände nicht kennt, die in Wirklichkeit gegeben sind, muss folgerichtig zum untauglichen Versuch des Grunddelikts in Tateinheit mit dem vollendeten privilegierten Tatbestand führen. Das gilt freilich nur, soweit es sich um ein das Unrecht kennzeichnendes Merkmal handelt. Geht es um ein Merkmal der Schuld, verliert sich mit der Unkenntnis dessen schuldmindernde Wirkung. Hier ist aus dem vollendeten Grunddelikt zu bestrafen. 4 1 2 196
Ein Versuch am untauglichen Objekt liegt vor, wenn der „Gegenstand" überhaupt fehlt - mangels Schwangerschaft gibt es keine Leibesfrucht - oder nicht mehr verletzbar ist - die Frucht ist im Zeitpunkt der Einwirkung bereits tot. 4 1 3 Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen Versuch am untauglichen Objekt bejaht worden ist, bilden die folgenden (zum Teil auf alten Gesetzesfassungen beruhenden) Fälle: Der Täter schießt auf eine Leiche in der Meinung, einen Lebenden zu treffen (RGSt 1 4 5 1 ; O L G Kiel SchlHAnz 1948 146), er nimmt in Kauf, eine Frau, von der er nicht weiß, dass sie bereits Aidskrank ist, mit dem HI-Virus zu infizieren (AG Hamburg N J W 1 9 8 9 2 0 7 1 ) , 4 1 4 er verschafft der vermeintlich Schwangeren ein Abtreibungsmittel (RGSt 6 8 13; vgl. auch RGSt 1 2 0 3 ; 4 7 66) oder begleitet sie zum „abbrechenden" Arzt (AG Albstadt MedR 1988 2 6 1 : Beihilfe zum untauglichen Versuch); der Täter hält den „unzuchtsbereiten" Jugendlichen für widerstrebend (RGSt 7 0 199 zu § 175 Ziff. 3 a.F.) oder ein 14-jähriges Mädchen für jünger (RGSt 3 9 316 zu § 176 Ziff. 3, 4 3 a.F.). Er erachtet eine ihm gehörende (versuchter Diebstahl oder versuchte Sachbeschädigung, s. Kühl § 15 Rdn. 89) oder eine aufgegebene Sache für fremd (Königsberg-Rechtsprechung O L G 1 9 3 9 227), eine nicht zur Beute gehörige Sache für durch eine im Sinne des § 2 5 9 taugliche Vortat erlangte (RGSt 6 4 130, 131; O L G Freiburg HESt 1 10 f; O L G Oldenburg N J W 1953 1404; B G H N S t Z 1983 2 6 4 ) oder trifft eine ungenehmigte, aber genehmigungspflichtige Verfügung über eine Geldforderung, von deren Bestehen er irrig ausgeht (RGSt 73 5). Zum untauglichen Versuch mangels tauglichen Objekts gehört ferner das Sich-Verschaffen und In-Verkehr-bringen eines Zinnstückes, das der Täter irrig für nachgemachtes Geld hält (RGSt 16 111, 112) oder die Übernahme der „Beute" eines „Raubes", den der „Mittäter" nur vorgespiegelt hat (BGH M D R 1952 16). Auch liegt ein untauglicher Hehlereiversuch vor, wenn die gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat nur in der Vorstellung des Täters existiert (BGH NStZ 1992 84; wistra 1 9 9 9 180) oder die Sache durch eine Tat nur in der Vorstellung des Täters schon erlangt ist (BGH bei Holtz M D R 1995 881). Mangels objektiv gegebenen Strafanspruchs ist auch die „Begünstigung" (346 a.F.) eines anderen, der nur nach der Vorstellung des Täters eine Straftat begangen hat, u.U. ein untauglicher Versuch (s. BGHSt 15 210 213 mit abl. Anm. Weber M D R 1961 4 2 6 ; Rudolphi SK Rdn. 2 5 ; Sch/Schröder/Stree § 2 5 8 Rdn. 31 und weitere Beispiele in RGSt 7 0 2 0 0 ; 73 1, 5; s. zur Abgrenzung zum Wahndelikt bei § 2 5 8 unten Rdn. 210 ff). Zur
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Sch/Schröder/Cramer/Sternberg-Lieben § 16 Rdn. 28; Schroeder LK 11 § 16 Rdn. 69 f; da für § 216 die Motivation durch das Verlangen vorausgesetzt ist, ist derjenige, der das Verlangen nicht kennt, trotz dessen auch unrechtsmindernden Charakters aus § 212 zu bestrafen.
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Ein Fall, in dem nach der hier zurückgewiesenen (Rdn. 184 f) Ansicht von Rath und Zaczyk Strafbarkeit ausschiede. Ist eine erneute Virusübertragung freilich eine weitere Gesundheitsverschlechterung, liegt keine Untauglichkeit vor.
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Begriffsbestimmung
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Gruppe des Versuchs am untauglichen Objekt lassen sich schließlich die Fälle zählen, in denen der Täter glaubt, sich rechtswidrig zu bereichern, während er in Wahrheit einen Rechtsanspruch auf die Leistung hat (RGSt 11 72, 77; 17 233, 238; 38 423, 426; 42 92; 4 9 16, 20; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 7; BGHSt 42 268, 272 f; BGH StV 2 0 0 3 671 zum Betrug; RG Rechtsprechung 7 248 zur Erpressung). Vom Mangel eines tauglichen Objekts - nicht eines sonstigen Tatumstandes (s. Rdn. 195) - kann in solchen Sachverhaltsgestaltungen deshalb gesprochen werden, weil das Vermögen, gegen das sich der Betrug richtet, objektiv schon mit dem Anspruch belastet war, also nicht mehr geschädigt werden konnte. 415 Ein Versuch mit untauglichen Mitteln liegt zunächst vor, wenn das vom Täter eingesetzte Mittel den angestrebten Erfolg nicht zu bewirken vermag. So liegt es z.B., wenn der Täter ein untaugliches Abtreibungsmittel verwendet (RGSt 1 439; 17 158; 68 13; BGH 1 StR 523/54 v. 19.2.1954) oder in der Meinung beschafft, es sei tauglich (RGSt 68 13), wenn er eine Vergiftung mit einer unzulänglichen Dosis unternimmt (RGSt 24 382 zu § 229 a.F.; BGHSt 11 324; 41 94 zu §§ 212, 211), eine nur irrtümlich für falsch gehaltene Tatsache beschwört (RG DJ 1936 1731), eine vermeintlich lügnerische, tatsächlich aber wahre Behauptung zu Betrugszwecken aufstellt (Rechtspr. 8 98; RGSt 50, 35) oder eine zur Vermögensschädigung ungeeignete Handlung vornimmt (RGSt 10 11, 21; 11 72, 77; 25 5, 7; 28 386 f; 38 423 425; 41 373, 377; 42 92, 94; 4 9 16; 51 2 0 4 , 211; 65 273, 276; s. aber auch zum Wahndelikt in solchen Fällen RGSt 47 151, 154). Bei mittelbarer Täterschaft ist der Tatmittler ein untaugliches Mittel, wenn er von vornherein nur zum Schein bereit war, auf das Ansinnen des Hintermanns einzugehen (BGHSt 3 0 363, 366; zum Versuchsbeginn s. Rdn. 163). Bei Mittäterschaft treten alle Mittäter in das Stadium eines untauglichen Betrugsversuchs ein, wenn der zur Täuschung ansetzende Mittäter den nur vermeintlich nicht, in Wahrheit aber doch geschehenen Versicherungsfall der Versicherung meldet (BGHSt 4 0 299; dazu, dass es sich um einen wirklichen Mittäter handeln muss, s. Rdn. 175 f). In einem etwas weiteren Sinne kann man von einem Versuch mit untauglichen Mitteln auch dort sprechen, wo die Tathandlung selbst als zur Tatbestandsverwirklichung eingesetzes Mittel versagt (krit. zur Einteilung Seier/Gaude JuS 1999 457). Hierzu zählt beispielsweise der Fall, in dem es an einer Wegnahme scheitert, weil der Gewahrsamsinhaber dem Täter, um ihn nach dem „Diebstahl" zu überführen, eine Diebesfalle stellt und mit der Wegnahme der präparierten Gegenstände daher einverstanden ist (s. BayObLG NJW 1979 729; OLG Celle J R 1987 253; OLG Düsseldorf NJW 1988 83). Erstreckt sich das Einverständnis auf die Zueignung, ist auch der Unterschlagungsversuch untauglich (Hillenkamp J R 1987 256; zum Streit hierzu s. Wessels/Hillenkamp Rdn. 106). Setzt man bei Hehlerei und Geldwäsche die objektive Eignung der Handlung voraus, die Verletzung des geschützten Rechtsguts zu bewirken, ist die dem Vortäter bei dessen Versuch geleistete Hilfe, die Sache an einen von beiden nicht erkannten verdeckten Ermittler zu veräußern, ein untauglicher Versuch der Absatzhilfe (BGHSt 43 110; s. auch BGH wistra 2 0 0 0 260), die Weitergabe des erpressten Geldes an den verdeckten Ermittler ein untauglicher Versuch der Geldwäsche (BGH StV 1999 94; zu beiden Fällen s. Wessels/Hillenkamp Rdn. 870, 898 m.w.N.). Ganz ähnlich ist die von der Polizei überwachte Ubergabe des Erpressungsgeldes an den im unmittelbaren Anschluss hieran festgenommenen Erpresser ungeeignet, eine schädigende Vermögensgefährdung herbeizuführen. Der Erpresser, der von der Observierung nichts weiß,
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Vgl. zur Verneinung bereits des Schädigungsvorsatzes in Fällen der irrigen Annahme eines Anspruchs auf die erstrebte
Leistung Sch/Schröder/Cramer § 263 Rdn. 175; Wessels/Hillenkamp Rdn. 578, 583.
Thomas Hillenkamp
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2. Abschnitt. Die Tat
macht sich folglich eines untauglichen Erpressungsversuchs schuldig (BGH StV 1 9 9 8 661). Zu den Fällen einer untauglichen Handlung lassen sich ferner die Tatabläufe zählen, in denen das vom Täter in Aussicht genommene Tatobjekt nicht am Tatort ist oder diesem erwartungswidrig fernbleibt (Jescheck/Weigend § 5 0 I 1; Vogler L K 1 0 Rdn. 138). Vorausgesetzt ist dabei allerdings, dass auch ohne das Erscheinen des Opfers die Tat die Schwelle von der Vorbereitung zum Versuch überschritten hat (s. dazu Rdn. 89, 107: Erwartungs-, Auflauerungsfälle; Rdn. 140 f) und es nach den in diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntniskräften bereits ausgeschlossen ist, dass das Opfer noch kommt. Ist das noch ungewiss, kann es nicht, wie es der untaugliche Versuch voraussetzt (s. Rdn. 179) - „unter keinen Umständen" zur Vollendung führen. In einem solchen Fall bleibt es beim tauglichen Versuch, auch wenn das Opfer letztlich nicht erscheint. Geht es um Unterlassen, liegt eine untaugliche Tathandlung vor, wenn der Täter sich nur einbildet, er könne das bedrohte Gut noch retten, das in Wahrheit verloren ist (s. Rdn. 2 0 9 ) . 198
e) Sonderfälle. Strafbar kann auch der untaugliche Versuch bei selbständig unter Strafe gestellten (§ 30) oder zu selbständigen Tatbeständen (§ 2 3 4 a Abs. 3 ) 4 1 6 erhobenen Vorbereitungshandlungen sein. Auch hier kommt es dann allein darauf an, dass der Täter annimmt, dass die jeweiligen Tatbestandsmerkmale, insbesondere der Erfolg verwirklicht werden können. Ein untauglicher Anstiftungsversuch nach § 3 0 liegt beispielsweise vor, wenn der ins Auge gefasste Täter die Tat von vornherein nicht begehen will oder zur Tat bereits fest entschlossen ist, aber auch, wenn sich die Tat als „unter keinen Umständen" durchführbar erweist. Da in § 30 Abs. 1 S. 3 auf § 2 3 Abs. 3 verwiesen wird, bestehen an der Strafbarkeit auch des untauglichen Anstiftungsversuchs nach geltendem Recht keine Zweifel (s. Roxin L K 1 1 § 30 Rdn. 3 0 f mit Nachweisen zur Gegenmeinung). Auch auf untaugliche Verschleppungsvorbereitungen eines Alleintäters (bei mehreren Beteiligten geht § 3 0 vor, s. BGHSt 6 85), die nach diesen Grundsätzen unter § 2 3 4 a Abs. 3 fallen, wird man § 2 3 Abs. 3 (entsprechend) anwenden müssen (Sch/Schröder/Eser § 2 3 4 a Rdn. 15).
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Von dem (umgekehrten) Irrtum über die Rechtswidrigkeit als Tatumstand, der „direkt" zum untauglichen Versuch führt (s. Rdn. 2 6 , 196), sind die Fälle der auf Irrtum beruhenden Unkenntnis einer objektiv gegebenen Rechtfertigungslage zu unterscheiden. Wenn der Täter nicht weiß, dass seine tatbestandsmäßige Handlung objektiv gerechtfertigt ist, stellt sich die Frage, ob er straflos bleiben oder ob Bestrafung wegen (untauglichen) Versuchs oder sogar wegen Vollendung eintreten soll. Die Meinungen darüber sind geteilt (s. zum Streitstand Hillenkamp AT 4. Problem). Das beruht auf unterschiedlichen Auffassungen über die Bedeutung der subjektiven Rechtfertigungselemente. Während ein kleiner Teil der Stimmen einer objektiven Unrechtslehre anhängt und daher dem Fehlen der subjektiven Rechtfertigungsseite keinerlei Einfluss zumisst, 4 1 7 besteht innerhalb der herrschenden Gegenposition Streit, welche Konsequenz aus dem Fehlen
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Bei dem hierfür von Sch/Schröder/Eser Rdn. 77 und Vogler LK 10 Rdn. 14 als Beispiel genannten § 149 trifft das allerdings nicht zu, weil hier z.B. die Platten etc. objektiv geeignet und das heißt gebrauchsfähig sein müssen und es nicht genügt, daß der Täter sie nur für gebrauchsfähig hält, vgl. Sch/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben § 149 Rdn. 4; Puppe NK § 149 Rdn. 14 (strafloser Versuch).
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So insbesondere auf dem Boden einer objektiven Versuchslehre Spendet LK 11 § 32 Rdn. 138; ihm folgend Rohrer JA 1986 363 ff (vgl. dazu krit. Herzberg JA 1986 541 ff); diese Lehre bejaht Rechtfertigung und gelangt daher zur Straflosigkeit; i.E. übereinstimmend Rath Rechtfertigungselement S. 631 ff.
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Begriffsbestimmung
§22
der verlangten Kenntnis der Rechtfertigungslage zu ziehen ist. Überwiegend wird für die Annahme eines (untauglichen) Versuchs oder doch für eine analoge Anwendung seiner Regelung geworben. 4 1 8 Es wird aber auch vertreten, dass wegen vollendeter Tat zu bestrafen sei. 4 1 9 Die Rechtsprechung hat solche Fallgestaltung nur selten beschäftigt (s. schon Rdn. 25). Während die Judikatur beim Schwangerschaftsabbruch früher dazu neigte, mangels pflichtgemäßer Prüfung der Voraussetzungen des übergesetzlichen Notstands unabhängig von dessen (weiterem) Vorliegen wegen vollendeter Tat zu verurteilen (s. noch BGHSt 2 111, 115), ist nach BGHSt 3 8 144, 155 „nur Bestrafung wegen Versuchs gerechtfertigt", wenn der Arzt zwar „die Indikationslage nicht oder nur unsorgfältig prüft", sich aber feststellen lässt, dass sich bei sorgfältiger Prüfung „objektiv eine Indikation ergeben hätte". Dass dann das Ergebnis „vor dem Gesetz bestehen" kann (BGHSt 3 8 156), ist auch für das KG (GA 1975 213, 15) im Fall einer objektiv gegebenen, vom Täter aber nicht erkannten Notwehrlage Grund, eine vollendete Tat zu verneinen. Diese Versuchslösung verdient den Vorzug. Da der Erfolg wegen der objektiv gegebenen Rechtfertigungslage von der Rechtsordnung nicht missbilligt wird, muss der Eintritt des Erfolgsunrechts verneint werden (Lenckner Notstand S. 195 ff). Der objektive Einklang mit der Rechtsordnung verhilft in diesen Fällen dem Interesse zum Erfolg, das im konkreten Kollisionsfall schutzwürdiger ist. Das schließt eine Bestrafung wegen vollendeter Tat aus. Andererseits verwirklicht der Täter ein Handlungsunrecht, da sein Wille aufgrund seiner Unkenntnis der rechtfertigenden Situation auf die Herbeiführung eines Unrechtserfolges gerichtet ist. Da dieser Unrechtserfolg „unter keinen Umständen" herstellbar ist, ähnelt die Fallgestaltung der des untauglichen Versuchs, dessen Unrecht nicht in der objektiven Bedrohung des Rechtsguts, sondern in der den Voraussetzungen des § 2 2 entsprechenden Auflehnung des Willens gegen die Gebote des Rechts liegt (KG GA 1975 215). Folglich sprechen die besseren Gründe dafür, die Unkenntnis der Rechtfertigungslage wie einen untauglichen Versuch zu behandeln (ebenso Günther SK vor § 32 Rdn. 91; Sch/Schröder/Lenckner Vorbem. §§ 32 ff Rdn. 1 5 ) , 4 2 0 dessen Straflosigkeit nach geltendem Recht ausscheidet (aA Rath Rechtfertigungselement S. 635). Daher ist die Lösung der namentlich von Spendel vertretenen objektiven Unrechtslehre mit dem Gesetz nicht vereinbar (Roxin AT I § 14 Rdn. 96). Mit Recht weist allerdings Lenckner (Sch/Schröder/Lenckner Vorbem. §§ 32 ff Rdn. 16) auf vor allem das Festnahme- und das Notstandsrecht betreffende Besonderheiten hin, die trotz objektiven Vorliegens der rechtfertigenden Situation u. U. zu einer Bestrafung wegen vollendeter Tat führen können (s. dazu schon Rdn. 26).
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Baumann/Weber/Mitsch § 17 Rdn. 33; Freund $ 3 Rdn. 18 f; Frisch FS Lackner, S. 138; Geppert Jura 1995 105; Graul JuS 1994 L 74 f; Herzberg JA 1986 192 f; ders. MK Rdn. 175; Jakobs 11/22 f; Jescheck/Weigend § 31 IV 2; Lackner/Kühl $ 22 Rdn. 16; Maurach/Zipf AT/1 § 25 Rdn. 34; Plaschke Jura 2001 238; Roxin AT I § 14 Rdn. 104; Sch/Schröder/Eser Rdn. 81; Wessels/Beulke Rdn. 278 f; krit. Otto AT $ 18 Rdn. 46 ff. Alwart GA 1983 454 f; Gallas FS Bockel-
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mann, S. 177; Gössel FS Triffterer, S. 99; Heinrich Jura 1997 374; Köhler S. 323 f; Krey AT/1 Rdn. 423; Schmidhäuser AT 6/24 f. Für direkte Anwendung der Versuchsregeln z.B. Frisch FS Lackner, S. 137 ff; Roxin AT I § 14 Rdn. 104 m.w.N. zum Streitstand; für Rath Rechtfertigungselement S. 274 ff handelt es sich um verbotene Analogie; dem steht aber die Begünstigung gegenüber der Vollendungslösung entgegen.
Thomas Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
2 . Wahndelikt 201
a) Begriff. D a s Wahnverbrechen besteht in einem Z u w i d e r h a n d e l n gegen ein nur vorgestelltes strafrechtliches Verbot. D e r T ä t e r n i m m t in Verkennung der Rechtslage an, er m a c h e sich durch sein Verhalten strafbar. I m Gegensatz zum untauglichen Versuch, bei dem der T ä t e r irrig von Umständen ausgeht, die zur Verwirklichung des Tatbestandes geeignet wären (umgekehrter Tatbestandsirrtum, s. R d n . 1 8 0 ) , bezieht sich der Irrtum beim Wahnverbrechen a u f das Verbotensein der Tat (umgekehrter Verbotsirrtum). Die äußeren U m s t ä n d e werden zutreffend erfasst, die Vorstellung, ihre Verwirklichung sei strafbar, ist falsch. Die Bedenken gegen den hiermit zitierten Umkehrschluss sind begründet, soweit sie sich gegen seine Verwendung als zusätzliches Argument für die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs richten, für die das Umkehrprinzip nichts aussagt (s. R d n . 1 8 0 ) . Für die Unterscheidung von untauglichem Versuch und Wahndelikt ist es dagegen hilfreich festzustellen, welcher Irrtum sich umkehrt; insoweit ist das U m k e h r prinzip für die Abgrenzung von heuristischem W e r t . 4 2 1
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b) Straflosigkeit. Die Straflosigkeit des Wahndelikts folgt aus dem Fehlen einer Strafandrohung für das Verhalten des Täters. Seine irrige Vorstellung hierzu ist nicht geeignet, den Bereich des Strafbaren über die gesetzlich bestimmten Grenzen hinaus auszudehnen. Eine solche F u n k t i o n k o m m t dem Begriff der Vorstellung nicht z u . 4 2 2 D e r gegenteilige Standpunkt würde den Grundsatz nullum crimen sine lege (Art. 1 0 3 Abs. 3 G G ) verletz e n . 4 2 3 Z u d e m fehlt es beim Wahndelikt wie beim irrealen Versuch (Rdn. 1 8 9 ) an einem das (wirkliche) R e c h t in Frage stellenden Willen ( S c h / S c b r ö d e r / E s e r R d n . 7 8 ) . Auch die Straflosigkeit des Wahndelikts ist infolgedessen mit der subjektiven Versuchslehre vereinbar.
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c) Arten des Wahndelikts. Wann ein untauglicher Versuch, w a n n ein Wahndelikt vorliegt, ist nicht immer zweifelsfrei. Z u den k a u m oder gar nicht bestrittenen Arten des Wahndelikts zählen allerdings einerseits die Fallkonstellationen, in denen sich die irrige A n n a h m e des Täters unmittelbar auf das Bestehen, die R e i c h w e i t e oder - was freilich in der Aufzählung überall fehlt - die Gültigkeit eines Straftatbestandes bezieht (umgekehrter direkter Verbotsirrtum, s. R d n . 2 0 4 f), andererseits die Sachverhaltsgestaltungen, in denen der T ä t e r die Existenz, Reichweite oder Gültigkeit einer Rechtfertigungsnorm verkennt (umgekehrter indirekter Verbotsirrtum, s. R d n . 2 0 6 ) . Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung der Grenzen des Wahndelikts dagegen zum einen dann, wenn die fälschliche A n n a h m e der Strafbarkeit auf einer Verkennung einer im Vorfeld des Tatbestandes liegenden N o r m (Vorfeldirrtum, s. R d n . 2 1 0 ff) oder zum anderen d a r a u f beruht, dass der
Vgl. Rdn. 180 m.w.N. zur unterschiedlichen Bewertung des Umkehrschlusses; dass das „Umkehrprinzip als Abgrenzungskriterium unentbehrlich" sei (so Vogler LK 1 0 Rdn. 143), ist angesichts der durch die Kritik zu Tage geförderten Schwächen des Umkehrschlusses vielleicht etwas überspannt, vgl. auch Endrulat Der umgekehrte Rechtsirrtum S. 346 ff. 422 vgl. z u den Inhalten der Vorstellung Rdn. 87 ff; Hillenkamp FS Roxin, S. 689 ff. 4 2 3 Auf das nullum-crimen-Prinzip weisen z.B. Herzberg JuS 1980 469, Rath JuS 1999 33, Roxin J Z 1996 981 ders. AT II ξ 29 421
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Rdn. 378 und Sch/Schröder/Eser Rdn. 78 besonders hin; vgl. auch Endrulat Der umgekehrte Rechtsirrtum S. 475 ff. Die Straflosigkeit ist unbestritten, vgl. nur Baumann/ Weber/Mitsch § 26 Rdn. 38 (kein Vorsatz); Foth J R 1965 366; Jakobs 25/37; Kühl § 15 Rdn. 86, 96; Maurach/Gössel/Zipf AT/2 § 4 0 Rdn. 147 ff; Rudolphi SK Rdn. 30; Tröndle/Fischer Rdn. 49; Wessels/Beulke Rdn. 621; aus der Rechtsprechung vgl. RGSt 42, 92, 93; 64 229, 238 f; 66 124, 126; BGHSt 8 263, 268; 42 268, 273; BGH J R 1994 510; BayObLG NJW 1986 1504, 1505.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
Irrende sich die vom Tatbestand geforderte Täterqualität irrtümlich zuschreibt (Subjektsirrtum, s. Rdn. 2 3 0 ff). Die irrige Annahme des Täters, strafbar zu sein, kann zunächst darauf beruhen, dass er vom Bestehen einer nicht existierenden oder der Gültigkeit einer nicht zu beachtenden Strafnorm ausgeht (umgekehrter Bestands- oder Gültigkeitsirrtum). Beispiele hierfür sind, dass der Täter niemals strafbar gewesene Verhaltensweisen wie die lesbische Liebe, den Striptease (vgl. § 2 2 0 a.E. 1962) oder die bloße Gebrauchsentwendung eines Buches, Schmuckstücks oder Ruderbootes oder nicht mehr mit Strafe bedrohte Handlungen, wie den Ehebruch, die einfache homosexuelle Betätigung unter Erwachsenen oder die Unzucht mit Tieren für verboten hält (weitere Beispiele bei Jakobs 25/37·, Roxin AT II § 2 9 Rdn. 381) oder davon ausgeht, dass ihn ein elementar menschenrechtswidriges Verbot bindet. Die Vorstellung, sich unter der „Geltung" einer Norm, die - wie das nationalsozialistische Blutschutzgesetz - die eheliche oder uneheliche Verbindung mit einem Menschen einer bestimmten anderen Rasse bei Strafe verbietet, strafbar zu machen, führt daher materiell ins Wahndelikt. Insoweit hat auch der Irrtum über die Gültigkeit einer Verbotsnorm (s. hierzu Wessels/Beulke Rdn. 4 6 1 ) hier seine „Umkehrung".
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Weitgehend anerkannt und heute unbestritten sind weiter die Fälle, in denen der Täter über die rechtliche Bedeutung des Tatbestandsmerkmals insoweit irrt, als er ihm eine Reichweite beimisst, die es in Wahrheit nicht hat. Solche Grenzirrtümer sind Folgen unzutreffender Subsumtion. Soweit sie ihre Ursache nicht in einem Vorfeldirrtum (s. dazu Rdn. 210 ff), sondern in einem das Tatbestandsmerkmal selbst überdehnenden und daher unzutreffenden Verständnis des unmittelbaren Norminhalts haben, begründet dieser umgekehrte Subsumtionsirrtum ein Wahndelikt. 4 2 4 So liegt es z.B., wenn der Täter irrig annimmt, eine Falschbeurkundung im Amt sei auch bei der Beurkundung einer wahren Tatsache gegeben, sofern nur der Amtsträger bei der Beurkundung gegen eine Dienstpflicht verstoße (BGH J Z 198 7 5 2 2 ) 4 2 5 oder eine Urkunde sei schon bei unrichtigem Inhalt (schriftliche Lüge) im Sinne des § 2 6 7 verfälscht (Tröndle/Fischer Rdn. 51). Hält der Täter trotz Kenntnis, dass kein Aussteller vorhanden ist und eine Beweisbestimmung fehlt, Bezugsabschnitte für Urkunden, begründet die Vorstellung, sich durch deren Herstellung und Vertrieb nach § 2 6 7 strafbar zu machen, ein Wahndelikt (BGHSt 13 2 3 5 ) . 4 2 6 Gleiches gilt, wenn der Täter irrig davon ausgeht, ihn treffe nach einem Verkehrsunfall, bei dem nur er selbst zu Schaden gekommen ist, eine Wartepflicht, durch deren Verletzung er sich nach § 142 strafbar mache (BGHSt 8 2 63, 2 6 8 ) . 4 2 7 Wer glaubt, sich eines Selbsthilfebetruges schuldig zu machen, wenn er einen - wie er weiß - tatsächlich bestehenden Anspruch durch Fälschung von Beweismitteln vor Gericht durchsetzt, begeht - da unter diesen Umständen der erstrebte Vorteil rechtmäßig ist - weder Betrug (BGHSt 4 2 2 6 8 , 271), noch Betrugsversuch, sondern nur ein strafloses Putativdelikt. Mit Recht weist Roxin J Z 1 9 9 6 9 8 2 darauf hin, dass von einem Wahndelikt nicht nur bei
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H.L., vgl. Jakobs 25/39; Rath JuS 1999 33; Roxin JZ 1996 982; ders. AT II Rdn. 383 f; Rudolph! SK Rdn. 32; Sch/Schröder/Eser Rdn. 83. Herzberg MK Rdn. 89 f spricht hier von „Definitionsirrtum". Mit zum Vorfeldirrtum abgrenzender Anmerkung von Schumann J Z 1987 523, 525 f. Zust. z.B. Maurach NJW 1962 719; Herzberg JuS 1980 471; Roxin J Z 1996 982;
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Rudolph! SK Rdn. 32a; aA noch BGHSt 7 53; Foth JR 1965 370; Traub JuS 1967 115. Krit. dazu Engisch FS Heinitz, S. 191, 201 f; zust. Herzberg JuS 1980 470; Jakobs 25/39; Kühl § 15 Rdn. 99; Roxin J Z 1996 982; Wessels/Beulke Rdn. 622; Zaczyk Unrecht S. 265; die Alternative - untauglicher Versuch - ist heute allerdings auch nicht mehr strafbar.
Thomas Hillenkamp
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
solch überdehnendem Missverstehen von normativen, sondern auch von deskriptiven Merkmalen die Rede sein kann. Wer glaubt, mit einem Hirntoten durch Abschalten der Herz-Lungen-Maschine einen Menschen zu töten, bleibt nach §§ 212, 22 straffrei (Roxin AT II § 29 Rdn. 384) wie der nach §§ 226 Abs. 3, 22, der eine Niere absichtlich in der Meinung zerstört, es handle sich bei ihr um ein Glied im Sinne dieser Vorschrift. 428 Auch begeht keinen Totschlagsversuch, wer eine Leibesfrucht für einen Menschen im Sinne des § 212 hält (Tröndle/Fischer Rdn. 51; zur Abgrenzung beider Tatobjekte s. Küper GA 2001 515). 206
Die irrige Annahme, strafbar zu sein, kann auch darauf beruhen, dass der Täter einen rechtlich anerkannten Erlaubnissatz nicht kennt, dass er seine Grenzen verkennt oder dass er ihn wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz oder elementare Grundsätze des Völkerrechts als ungültig ansieht (umgekehrter indirekter Verbotsirrtum). Auch dann liegt ein Wahndelikt vor (Roxin AT II § 29 Rdn. 382). So machen sich weder eine Frau noch der abbrechende Arzt strafbar, wenn sie in Unkenntnis des Rechtfertigungsgrundes der medizinischen Indikation (§ 218a Abs. 2) eine Schwangerschaft unter den dafür vorausgesetzten und von ihnen zutreffend erkannten Bedingungen in der Meinung abbrechen, sie hätten hierzu kein Recht. Gleiches gilt, wenn ihnen der Rechtfertigungsgrund zwar bekannt ist, sie aber der Auffassung sind, dass z.B. der gegebene und von der medizinischen Indikation erfasste Fall einer embryopathisch indizierten Spätabtreibung unmöglich von einem vor der Verfassung bestandskräftigen Rechtfertigungsgrund legitimiert werden könnte. Einem vergleichbaren umgekehrten Gültigkeitsirrtum unterliegt der Polizeibeamte, der von dem ihm landesrechtlich gestatteten „finalen Todesschuss" (s. dazu Sch/Schröder/Lenckner Vorbem. §§ 32 ff Rdn. 85) in der Meinung Gebrauch macht, hierzu aufgrund der elementaren Menschen- und Völkerrechtswidrigkeit absichtlicher Tötung kein „Recht" zu haben. Wer alle Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes erfüllt, kann die vom Gesetz vorgesehene rechtfertigende Wirkung nicht dadurch zunichte machen, dass er in einer vom Recht abweichenden Wertung sein Handeln als nicht mehr gerechtfertigt empfindet. Der Täter, der glaubt, sich bestimmter, in Wahrheit zulässiger Formen der Notwehr nicht bedienen zu dürfen, handelt nicht deshalb ohne Verteidigungswillen (Blei JA 1973 601 ff; Maurach NJW 1962 772) und bleibt straflos. Schießt er z.B. auf den mit der Beute davoneilenden Dieb in dem irrigen Glauben, man dürfe zur Verteidigung seines Eigentums fremdes Leben auch dann nicht gefährden, wenn anders die Habe nicht mehr zu retten wäre, so macht seine falsche Überzeugung die durch Notwehr gerechtfertigte Tat nicht zu einem Versuch eines Tötungsdelikts. 4 2 9 Ebenso liegt es, wenn ein Täter die vorläufige Festnahme nach § 127 StPO nur bei Verbrechen für erlaubt hält (s. auch Roxin J Z 1996 982). Auch in solchen Fällen liegt ein strafloses Wahndelikt vor. Nicht verwechselt werden dürfen diese Konstellationen mit dem anders gelagerten Fall, in dem dem Täter der Rechtfertigungsgrund mitsamt seinen Grenzen wohl bekannt ist, er aber die objektiv gegebene rechtfertigende Lage nicht erkennt. Hier tritt Strafbarkeit nach den Regeln des untauglichen Versuchs ein (s. Rdn. 199).
428 j e w e ; [ s vorausgesetzt, das Gegenteil ist richtig, vgl. zum Hirntod als maßgeblichem Todeskriterium nur Sch/Schröder/Eser Vorbem. § 211 ff Rdn. 16 ff; zur Niere als Glied verneinend BGHSt 28 100.
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Ebenso Kühl S 15 Rdn. 101; Rath JuS 1999 33; Roxin J Z 1996 982; v. Weber JZ 1951 263; Wessels/Beulke Rdn. 622.
Thomas Hillenkamp
§22
Begriffsbestimmung
3. Sonderfälle a) Irrtum über Entschuldigungs- oder Strafausschließungsgründe. Die vorstehend 2 0 7 entwickelten Einsichten gelten auch für den, der sich in entsprechender Weise über Entschuldigungs- oder persönliche Strafausschließungsgründe irrt. Ist die Tötung des „Haustyrannen" nach § 35 entschuldigt (s. dazu Hillenkamp FS Miyazawa S. 141, 157 f), belastet die irrige Auffassung der tötenden Ehefrau, sie habe sich gleichwohl (auch strafrechtlich) schuldig gemacht, die Täterin nicht (Roxin J Z 1996 982; ders. AT II § 29 Rdn. 382). Wer ein Verhalten für strafbar hält, weil er z.B. von dem aus kriminalpolitischen Erwägungen eingerichteten persönlichen Strafausschließungsgrund des § 173 Abs. 3 nichts weiß, begeht gleichfalls nur ein Wahndelikt (s. Rath JuS 1999 33; Wessels/ Beulke Rdn. 622: umgekehrter Strafbarkeitsirrtum). Nicht anders ist zu behandeln, wer in der notstandsähnlichen Konfliktsituation des § 258 Abs. 6 seinen Verlobten vor Strafe bewahrt und dabei der Meinung ist, das könne wegen fehlender Verwandtschaft nicht straffrei ausgehen. b) Irrtum über die Verbrechensqualität (§ 30). Entsprechend ist auch in den Fällen des § 30 abzugrenzen; die allgemeinen Irrtumsregeln gelten hier auch hinsichtlich der Verbrechensqualität der angesonnenen Tat. So begründet die irrige Annahme von Umständen, die die Tat zum Verbrechen machen würden (umgekehrter Tatbestandsirrtum), die Strafbarkeit nach § 30 (vgl. RG DR 1943 138 zu § 218 Abs. 4, 49a a.F.), während im umgekehrten Fall der notwendige Vorsatz fehlt. Wer bei einer versuchten Anstiftung zur Falschaussage irrig von der Möglichkeit einer Vereidigung ausgeht, macht sich daher eines untauglichen Anstiftungsversuchs zum Meineid schuldig, so swie im umgekehrten Fall - der Täter rechnet nicht mit der Möglichkeit der Vereidigung - der Vorsatz ausgeschlossen ist (Tatbestandsirrtum). Dagegen begeht ein Wahndelikt, wer einen anderen zu einer Tat anzustiften versucht, deren sachliche Merkmale er zutreffend erkennt, die er aber - wie z.B. einen Einbruchsversuch nach §§ 242, 243 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 - nur irrig für ein Verbrechen hält (umgekehrter Subsumtionsirrtum; Sch/Schröder/Eser Rdn. 90). Dem korrespondiert die den Täter nicht entlastende Einschätzung (unbeachtlicher Subsumtionsirrtum), bei dem zutreffend vorgestellten Delikt (wie z.B. einem Raub) handle es sich um kein Verbrechen (s. Roxin LK 11 § 30 Rdn. 32; Vogler LK 1 0 Rdn. 149).
208
c) Unechte Unterlassungsdelikte. Beim unechten Unterlassungsdelikt ist entsprechend den in Rdn. 194 ff, 201 ff getroffenen Aussagen zu entscheiden. Hier liegt ein strafbarer (s. Rdn. 193) untauglicher Versuch am untauglichen Objekt (s. Rdn. 196) z.B. dann vor, wenn der Bademeister keinen Rettungsversuch gegenüber einem schon ertrunkenen, aber noch für lebend gehaltenen Badegast unternimmt oder ein Trupp von Schlägern das nur nach ihrer Vorstellung, in Wahrheit aber nicht mit dem Tode bedrohte Opfer auf den Bahngleisen liegen lässt (vgl. BGHSt 38 356). Eine untaugliche Handlung (Rdn. 197) ist dagegen gegeben, wenn auch ein Rettungsversuch entgegen der Vorstellung des Unterlassenden den drohenden Erfolgseintritt - z.B. den Tod des Opfers (so z.B. in BGH J R 1994 510 mit Anm. Laos, BGH NStZ 1997 485 und BGH NStZ-RR 2006 10) 4 3 0 - nicht mehr abzuwenden vermocht hätte (aA Wessels/Beulke Rdn. 745: Versuch am untauglichen Objekt). Hier stellt sich der Täter die Ursächlichkeit seines Verhaltens und damit die Tauglichkeit seines Unterlassens zur Erfolgsherbeiführung z.B. dann nur vor, wenn er irrig meint, ein ihm möglicher Anruf bei der Wasserschutzpolizei hätte noch sichere Ret-
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Mit den Versuch zutreffend als untauglich
kennzeichnender Anmerkung von Brand!
Fett N S t Z
1 9 9 8 5 0 7 und
StV 1998 370.
Thomas Hillenkamp
Hannich/Kudlicb
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§22
2. Abschnitt. Die Tat
tung für das in den Fluten um sein Leben kämpfende Opfer bedeutet. Ein Versuch unter untauglichen Tatmodalitäten (Rdn. 195) liegt vor, wenn der Täter sich eine reale Erfolgsabwendungschance zu Recht ausrechnet, zu Unrecht aber davon ausgeht, dass dessen Wahrnehmung für ihn ungefährlich und daher zumutbar sei (s. Loos J R 1994 512). Ein Wahndelikt ist dagegen z.B. gegeben, wenn der Täter sich für verpflichtet hält, auch einen hirntoten „Menschen" (umgekehrter Subsumtionsirrtum) weiter durch Apparate-Medizin „am Leben" zu erhalten oder einen als aussichtslos erkannten oder für ihn wegen Lebensgefahr unzumutbaren Rettungsversuch zu unternehmen (BGH J R 1994 510, 511; Kühl § 15 Rdn. 100a). Entsprechendes gilt für den „Unterlassungstäter, der irriger Weise - eine Garantenpflicht annimmt, obwohl der - ihm bekannte - Sachverhalt diese Pflicht nicht ergibt". Dieser Fall muss „als strafloses Wahnverbrechen beurteilt werden" (BGHSt 16 155 160); denn da die Unkenntnis der Garantenpflicht bei Kenntnis der die Pflicht begründenden Umstände ein Verbotsirrtum ist, handelt es sich bei der irrigen Annahme dieser Pflicht um seine Umkehrung. 431 Auch geht es hier nicht um den umstrittenen Fall eines Irrtums im Vorfeld (s. Herzberg JuS 1980 474). Folgerichtig müsste der Irrtum über die Garantenstellung zum untauglichen Versuch führen, wenn der Täter - in Umkehrung des entsprechenden, die Garantenstellung verkennenden Tatbestandsirrtums die tatsächlichen Voraussetzungen einer Garantenstellung irrig annimmt. Da sich dann aber der Irrtum auf Umstände bezieht, die die Täterqualität begründen, ist die Entscheidung dieser Fallgestaltungen in den Fragenkreis der Tauglichkeit des Subjekts einzubeziehen (s. Rdn. 237). 4. Problemfälle 210
a) Vorfeldirrtum. Umstritten und von einer einheitlichen Lösung noch weit entfernt (s. Heidingsfelder Subsumtionsirrtum S. 120 ff, 128 ff) ist die Abgrenzung zwischen untauglichem Versuch und Wahndelikt dann, wenn der Irrtum des Täters durch eine Fehlvorstellung oder -bewertung im Vorfeld des Tatbestandes (Blei JA 1973 604) zustande kommt. Während sich in den bisher aufgeführten und entschiedenen Fallgestaltungen der Irrtum unmittelbar auf den Bestand, die Gültigkeit oder die Reichweite des Straftatbestandes (oder eines Rechtfertigungsgrundes) selbst bezog, liegt es hier so, dass der Täter Normen verkennt, die den Inhalt von Tatbestandsmerkmalen bestimmen, ohne in ihnen selbst angesiedelt zu sein. Die irrige Vorstellung kehrt also über das Vorfeld in die Tatbestandswelt ein, nachdem sie sich dort gebildet hat, wohin das Merkmal verweist. So liegt es z.B. bei dem Begriff „fremd" in §§ 242, 246, 249, 303, wenn die irrige Annahme dieses Merkmals auf einer Verkennung der einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften über das Eigentum und seinen Übergang beruht (vgl. OLG Stuttgart NJW 1962 65 zu § 246) oder bei dem Merkmal „rechtswidrig" in den §§ 242, 246, 249, 253, 263, wenn der Täter einen Sachverhalt irrig so bewertet, dass er ihm den objektiv bestehenden und die Rechtswidrigkeit ausschließenden Anspruch entzöge (vgl. RGSt 42 94 zu § 263). Im „Verweisungsbereich" (Herzberg JuS 1980 473) angesiedelt sind ferner Irrtümer über die Zuständigkeit (vgl. BGHSt 3 248; 12, 56) oder den Vernehmungsgegenstand (vgl. BGHSt 25 246) im Rahmen der Aussagedelikte (§§ 153 ff), weil sich der Inhalt dieser Begriffe nicht nach dem Tatbestand selbst, sondern nach den einschlägigen Prozessnormen richtet. Weiter zählt hierzu die irrige Vorstellung, der durch eine Strafvereitelung Begünstigte habe eine Straftat, und nicht eine Ordnungswidrigkeit begangen (vgl. BGHSt
431
Das Ergebnis: Wahndelikt ist hier unbestrit-
ten, s. nur Kühl § 15 Rdn. 100a; Rudolphi SK Rdn. 33; Sch/Schröder/Esei Rdn. 91; 1592
krit. zu seiner Gewinnung durch den Um-
kehrschluss aber z.B. Roxin JZ 1996 985.
Thomas Hillenkamp
Begriffsbestimmung
§22
15 210 zu § 346 a.F.) oder die vom Täter ererbte Summe falle unter die Steuerpflicht (Burkhard wistra 1982 180). 432 Diese Fehlvorstellungen beziehen sich - wie die Beispiele zeigen - nicht notwendig auf „außerstrafrechtliche" Normen (s. Herzberg JuS 1980 473), so dass die überkommene Unterscheidung zwischen strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Irrtümern schon deshalb nicht hilft. Vielmehr besteht das sie verbindende Kennzeichen allein darin, dass die Quelle des selbstbelastenden Irrtums nicht innerhalb, sondern außerhalb des in Frage stehenden Tatbestandes, im „Vorfeld" oder „Verweisungsbereich" liegt. Blei (JA 1973 6 0 4 ) 4 3 3 hat hierzu die Ansicht vertreten, dass der Rechtsirrtum im „Vorfeld des Tatbestandes" stets einen untauglichen Versuch begründe, wenn der Täter infolge des Irrtums „das für sich gesehen richtig verstandene Tatbestandsmerkmal zu verwirklichen glaube". Herzberg (JuS 1980 472 ff) folgt dem im Grundsatz, wenn er vom belastenden Irrtum des Täters im Verweisungsbereich annimmt, er begründe „Vorsatz und einen untauglichen Versuch" und dem das ins Wahndelikt führende Rechtsverständnis entgegenstellt, mit dem der Täter in „Widerspruch zu der mit der Setzung des Merkmals getroffenen Grundentscheidung" und infolge dessen mit dem Tatbestand selbst gerät. Danach begeht z.B. einen (untauglichen) Unterschlagungsversuch, wer seine verkaufte, aber noch nicht übergebene Sache einem besser zahlenden Kunden in der Meinung überlässt, er verletze damit das (in Wahrheit noch gar nicht vorhandene) Eigentum des Erstkäufers: dieser Täter habe zwar ein falsches Bild vom Verweisungsbereich, ein richtiges aber von der Unterschlagung, weil es nach ihr auf die Verletzung des (hier nur vorgestellten) Eigentums ankomme (zust. Tröndle/Fischer Rdn. 54). Wer dagegen glaube, auch seine zu Recht noch als eigene angesehene Sache könne unterschlagen werden, wenn er sie trotz geschehenen bloßen Verkaufs anderweitig nutze, begehe ein Wahndelikt, da er die „Grundentscheidung" des § 246 überdehne. 4 3 4 Letzteres tue etwa auch, wer ein als Ordnungswidrigkeit zutreffend erkanntes Geschehen für eine rechtswidrige Tat im Sinne des § 258 halte. Ob es sich um ein Merkmal handelt, das in ein Vorfeld verweist, soll man nach dieser Lehre daran erkennen, dass Änderungen im Verweisungsbereich zwar die Reichweite des jeweiligen Tatbestandes beeinflussen können, „Fassung und Interpretation dieser Vorschrift" selbst aber nicht (Herzberg JuS 1980 472).
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Die Gegenposition, nach der „ein umgekehrter Rechtsirrtum - gleich welcher Provenienz" - niemals versuchsbegründend wirkt, sondern stets ins straflose Wahndelikt führt, ist namentlich von Burkhardt (JZ 1981 681; ders. wistra 1982 178) entwickelt worden. 4 3 5 Nach ihm ist „jeder umgekehrte Bedeutungsirrtum, der auf der Verkennung
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S. zu diesen und weiteren Beispielen Herzberg JuS 1980 472 ff; Heuchemer JA 2000 946; Roxin J Z 1996 982 f. Ihm zust. Herdegen FS BGH, S. 195, 205 f; vgl. auch die Darstellung bei Heidingsfelder Subsumtionsirrtum S. 128 ff. Sympathie für diese Lösung äußert Küper NStZ 1993 316; Roxin AT II S 29 Rdn. 396 bezeichnet sie als sehr beachtenswert; nahest, aber auch krit. Nierwertberg Jura 1985 238, 241 f; Herzberg GedS Schlüchter S. 189, 206 hält nunmehr auch im Verweisungsbereich Wahnvorstellungen für denkbar und will seine vormalige Unterscheidung durch die „zwischen Definitionsirrtum", der ins Wahndelikt führt, und dem „Irrtum
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unterhalb der Definition", der untauglichen Versuch begründet, ersetzen. Die Lehre knüpft an die Arbeit von Kriegsmann Wahnverbrechen und untauglicher Versuch 1904 S. 52 ff an; vgl. dazu auch krit. Herzberg MK Rdn. 68 ff; Heidingsfelder Subsumtionsirrtum S. 120 ff, Schmitz Jura 2003 597, Zaczyk Unrecht S. 260 ff (mit Differenzierungen in NK Rdn. 48 f) und Kindhäuser LPK vor $ 22 Rdn. 15; ders. GA 1990 407, 421 (dazu krit. Herzberg MK Rdn. 69 ff); zust. wohl Sch/Schröder/ Eser § 22 Rdn. 89 sowie Abrahams/Schwarz Jura 1997 355, 358; Dopslaff GA 1987 1, 26; vgl. auch Dencker NStZ 1982 458 ff und Tischler Verbotsirrtum S. 342 ff.
Thomas Hillenkamp
1593
§22
2. Abschnitt. Die Tat
von Rechtsnormen beruht, mit einer Überdehnung des strafrechtlichen Schutzbereichs verbunden". Hiernach ergibt es zwar Sinn, zwischen der irrigen Annahme „natürlicher Tatsachen" und „Fehlvorstellungen über den Komplex konstitutiver Regeln" zu unterscheiden, nicht aber unter letzteren danach, ob sie die Normativität von Vorfeld- oder Tatbestandsbegriffen ausfüllen. In beiden Fällen betreffe der Irrtum „die Extension der normativen Tatbestandsmerkmale und damit auch den Anwendungsbereich des jeweiligen Straftatbestandes" (686). Eine nur eingebildete „Fremdheit", „Zuständigkeit" oder „Steuerpflichtigkeit" führe daher stets zum Wahndelikt. Dem stimmt Schroth (Vorsatz S. 80 ff) mit dem Bemerken zu, dass hier jedenfalls eine „Bedeutungs-" oder „Rechtswidrigkeitsvorstellung" allein ohne zurechnungsrelevantes Sachverhaltswissen den Vorsatz eines untauglichen Versuches nicht ausmachen könne. 213
Diesen Auffassungen wird vor allem entgegengehalten, dass sie durch die „Pauschalität" ihrer Folgerungen die nötige Differenzierung nicht zu leisten vermöchten und daher einerseits im Gewände der sog. „Vorfeldlehre" (Rdn. 211) den Strafbarkeitsbereich auch auf nicht strafwürdige Fälle wie den Meineid vor dem unzuständigen Polizeibeamten oder die Steuerhinterziehung bei nicht bestehender Steuerpflicht ausdehnten, 4 3 6 andererseits mit der Lehre von der „Extensionsrelevanz" aller Irrtümer (Rdn. 212) der Straffreiheit ein zu weites Feld überließen, auf dem sich auch Vorfeldirrtümer einfänden, die in Wahrheit vorsatzbegründende Wirkung entfalteten. 4 3 7 Zudem wird der Unterscheidung zwischen dem Rechtsirrtum über die Reichweite der N o r m und demjenigen im Vorfeld die Wiederbelebung der überholten reichsgerichtlichen Differenzierung zwischen strafrechtlichem und außerstrafrechtlichem Irrtum, der These Burkbardts der Rückgriff auf die noch ältere, ab